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Entscheidungsdatum
27.01.2021
Geschäftszahl
W124 2238820-1/3E
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen über die Beschwerde von
XXXX geb. XXXX StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und
Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, §§ 9, 18 Abs. 1 BFA-VG
sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 53 Abs. 2 Z 6, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach
unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen
Schutz.
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Am XXXX gab er im Zuge seiner niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des
öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seiner Person an, er gehöre der Volksgruppe der Jat sowie
der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und stamme aus dem indischen Bundesstaat Punjab.
Neben seiner Erstsprache Punjabi spreche er Hindi. Er habe 12 Jahre die Grundschule besucht
und sei als Landwirt tätig gewesen. Seine Eltern würden nach wie vor im Herkunftsstaat leben.
Den Entschluss zur Ausreise habe er im September 2020 gefasst. Von seinem Wohnort aus sei
er am XXXX mit dem Bus nach Neu Delhi gefahren, woraufhin er am XXXX in die Türkei
geflogen sei. In der Folge sei er über ihm unbekannte Länder nach Österreich geflüchtet und
sei am XXXX in das österreichische Bundesgebiet eingereist.
Zu seinen Fluchtgründen führte er an, seine Familie und er seien Mitglieder der Sekte Baba
Ram Rahim. Die anderen Dorfbewohner hätten sie aus diesem Grund bei der Polizei angezeigt.
Vor circa sechs Monaten habe die Polizei den BF und seine Familie zu einer Polizeistation
mitgenommen, wo sie geschlagen worden seien. Nach einer Woche seien sie freigelassen
worden. Danach habe sein Vater beschlossen, dass der BF den Herkunftsstaat verlassen solle.
Der BF fürchte um sein Leben.
2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für
Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt).
Eingangs bestätigte der BF seine Personaldaten. Zu seinem Gesundheitszustand gab der BF
an, er sei gesund und arbeitsfähig. Allerdings habe er ein Problem mit seinem Knie. In Indien
habe er sich aus diesem Grund ärztlich behandeln lassen. Beweismittel zu seiner Identität
könne er nicht vorlegen, da der Schlepper ihm seinen Reisepass abgenommen habe. Von
seiner Geburt bis zu seiner Ausreise habe er mit seiner Familie im Heimatdorf gelebt. Sie
hätten zu dritt in einer Mietwohnung gewohnt. Befragt, wie lange er an der genannten
Adresse gewohnt habe, führte er an, es seien 24 Jahre gewesen. Zu seinem Leben im
Herkunftsstaat gab er weiter an, seine finanzielle Situation sei gut gewesen. Er habe bis zum
Jahr 2012 die Schule besucht und in weiterer Folge als Landwirt gearbeitet. Im Herkunftsstaat
habe er Angehörige, er habe jedoch keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern.
In Österreich oder in einem anderen Staat in Europa habe er keine Verwandten. Ebenso wenig
verfüge er in Europa über besondere private Bindungen. Ein Familienleben oder eine
familienähnliche Beziehung führe er in Österreich nicht und habe er auch Freunde im
Bundesgebiet. Deutschkenntnisse habe er nicht. In Österreich besuche er auch keine Schule
und absolviere keine sonstige Ausbildung. Mitglied in einem Verein sei er nicht. Einer
Erwerbstätigkeit gehe er nicht nach, da er Schmerzen in seinem Bein habe.
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Zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates führte er aus, sie seien Anhänger
der Ram Rahim Sekte. Aus diesem Grund seien die Dorfbewohner verärgert gewesen und
hätten sie angezeigt, woraufhin sie von der Polizei mitgenommen worden seien. Nach einer
Woche seien sie wieder freigelassen worden. Sein Vater habe daraufhin beschlossen, dass er
das Land verlassen solle. Nach Aufforderung, genaue Angaben zum Fluchtgrund zu machen
und Einzelheiten, wie etwa Daten, zu schildern, führte der BF an, seit einem Jahr würden sie
von den Dorfbewohnern schikaniert werden. Zwar hätten sie sich an die Polizei gewandt, die
anderen seien aber auch bei der Polizei gewesen. Befragt, mit welchen Schikanen er
konfrontiert gewesen sei, führte er an, „sie“ hätten mit ihnen wegen der Sekte gestritten. Auf
Vorhalt, die Sekte gebe es seit dem Jahr 2017 nicht mehr, da der Sektenführer damals
festgenommen worden sei, antwortete der BF dies sei richtig, sie würden ihm aber nach wie
vor folgen. Weiter befragt, wie er das mache, erklärte er, in der Provinz Haryana Hin Sirsa gebe
es eine heilige Stadt. Hinsichtlich der Frage, was ihn an der Person fasziniere, brachte der BF
vor, wie alle anderen Gurus spreche er die Wahrheit. Seit fünf bis sechs Jahren sei er ein Fan.
Die Sekte habe viele Mitgliedern, bestimmt auch in allen Provinzen.
Auf Vorhalt, sein Vorbringen lasse Details und Einzelheiten vermissen, wiederholte der BF,
dass das ganze Dorf gegen sie gewesen sei, weshalb er auch das Land verlassen habe. Sein
Vater habe das alles organisiert. Befragt, warum seine Eltern das Land nicht verlassen hätten
und nach wie vor dort wohnen würden, führte er an, er wisse es nicht. Mehr könne er dazu
nicht angeben. Zur Frage, inwiefern und wie oft er persönlich bedroht oder verfolgt worden
sei, brachte der BF vor, sie hätten gesagt, sie würden ihn umbringen. Dies sei alles. Der letzte
Vorfall sei im 10. Monat gewesen. Auf weitere Nachfrage führte er aus, sie hätten gesagt, sie
würden ihn töten. Die Dorfbewohner seien in der Mehrheit, da hätten sie keine Chance. Seine
Eltern seien im Gefängnis gewesen. Das habe nichts gebracht. Der Grund für die Festnahme
sei gewesen, dass sie die Dorfbewohner wegen der Mitgliedschaft bei der Sekte angezeigt
hätten. Die Dorfbewohner hätten gewollt, dass sie aufhören, diesen Guru zu akzeptieren.
Nach Aufforderung, die Bedrohung im Detail zu schildern, führte der BF an, er sei bedroht
worden. Am Anfang sei er aus diesem Grund schon bei der Polizei gewesen, später nicht mehr.
Befragt, was die Polizei unternommen habe, führte er aus, die Polizei habe sie festgehalten
und dann gehen gelassen. Auch der Wohnungseigentümer habe sie rausgeworfen. Zu dem
Grund für die Entlassung aus der Haft führte er an, ein Sektenmitglied sei zu ihnen gekommen
und habe ihre Freilassung erwirkt. Das Sektenmitglied habe gewusst, dass sie inhaftiert
gewesen seien, da es von den anderen Anhängern in ihrem Dorf informiert worden sei.
Insgesamt seien sie sechs Tage inhaftiert gewesen. Die gesamte Familie sei dort gewesen.
Befragt, wie der Tagesablauf im Gefängnis gewesen sei, antworte der BF: „Wie es halt so ist
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im Gefängnis“. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm, dass die Polizei gesagt habe, sie
sollten aufhören, an ihren Guru zu glauben. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen führte der BF
an, er habe nur große Angst vor den Dorfbewohnern, dies sei alles. Andere Probleme habe er
nicht.
Abschließend wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderberichte des
Bundesamtes zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat Einsicht zu nehmen und dazu
Stellung zu beziehen. Der BF verzichtete sowohl auf die Einsicht als auch auf die
Stellungnahme.
3. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt werde,
seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen.
4. Am XXXX erfolgte in Anwesenheit seines Rechtsberaters eine weitere niederschriftliche
Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Rahmen welcher der BF
anführte am selben Tag bereits eine Rechtsberatung in Anspruch genommen zu haben. Seine
Angaben in der Einvernahme am XXXX wolle er nicht ergänzen. Beweismittel oder
Schriftstücke, welche er vorlegen wolle, habe er nicht. Zur Absicht der Behörde, seinen Antrag
auf internationalen Schutz abzuweisen, führte der BF an, er habe schon gesagt, dass er im
Herkunftsstaat gefährdet sei. Wäre sein Leben nicht in Gefahr, hätte er Indien nicht verlassen.
Bei der Einvernahme am XXXX habe er alle Fluchtgründe genannt. Im Fall der Rückkehr
fürchte er sich vor dem Tod.
Die Frage, ob er im Fall einer negativen Entscheidung bereit sei, freiwillig in den Herkunftsstaat
zurückzukehren, verneinte der BF.
Der Rechtsberater des BF machte von der ihm eingeräumten Möglichkeit, Fragen zu stellen
oder eine Stellungnahme abzugeben, nicht Gebrauch.
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz
vom XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des
subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstatt Indien (Spruchpunkt II.)
abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF
gemäß § 57 nicht erteilt. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG,
wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen
(Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF
gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die aufschiebende Wirkung einer
Beschwerde gegen den Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG aberkannt
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(Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise
(Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die
Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Festgestellt wurde vom Bundesamt im Wesentlichen, dass der BF keinen asylrelevanten
Sachverhalt glaubhaft machen habe können. Zur Rückkehrsituation wurde ausgeführt, es
stehe nicht fest, dass er in eine existenzbedrohende Notlage geraten werde. Im Herkunftsstaat
verfüge er über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte. Ferner sei er ein junger,
arbeitsfähiger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt
werden könne. Der BF habe zwölf Jahre die Schule besucht, verfüge über Arbeitserfahrung als
Landwirt und beherrsche die Sprachen Punjabi und Hindi. Überdies habe er sein gesamtes
Leben in Indien verbracht. In Indien sei die elementare Grundversorgung gewährleistet.
Ferner bestehe dort nicht eine solche extreme Gefährdungslage, dass jeder, der dorthin
zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich liege überdies nicht vor.
Auf den Seiten 20 bis 60 des angefochtenen Bescheides wurden Feststellungen zur
allgemeinen Situation in Indien getroffen.
Beweiswürdigend wurde hinsichtlich seines Fluchtvorbringens ausgeführt, dass die Angaben
des BF trotz der Aufforderung, sein Vorbringen detailliert zu schildern, in der gesamten
Befragung vage geblieben seien und jedes Detail vermissen hätten lassen. Erst über
Aufforderung und Nachfragen habe er begonnen, nähere – wenn auch sehr spärliche – Details
zu schildern. Er habe lediglich einen abstrakten und unkonkreten Sachverhalt geschildert und
sei auch auf Nachfrage nicht in der Lage gewesen, ein nachvollziehbares Vorbringen zu
erstatten. Weder im Rahmen der Befragung zu der von ihm behaupteten Anzeigeerstattung
noch im Zuge der Befragung zur Festnahme durch die Polizei habe er nähere Angaben machen
können. So führte er zur Festnahme lediglich an, sie seien sechs Tage festgehalten worden.
Was genau in dieser Zeit vorgefallen sei, habe er trotz Aufforderung nicht dargelegt.
Für die Behörde sei es ferner nicht nachvollziehbar, dass sich der BF bis zu seiner Ausreise aus
dem Herkunftsstaat gemeinsam mit seiner Familie in seinem Heimatdorf aufgehalten habe
und seinem Leben wie gewohnt nachgegangen sei. So sei er eigenen Angaben nach ein halbes
Jahr vor seiner Ausreise von der Polizei mitgenommen und angehalten worden. Nach der
Freilassung habe er nach seinem Vorbringen ohne Probleme im Heimatdorf leben können.
Widersprüchlich sei zudem, dass er im Zuge der Erstbefragung angeführt habe, von der Polizei
geschlagen worden zu sein, während er diesen Umstand vor dem Bundesamt nicht erwähnt
habe. Auch auf Nachfrage zu den näheren Umständen der Anhaltung habe er davon nicht
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erzählt. Für die Behörde sei es nicht verständlich, dass der BF ein derart wichtiges Detail seines
Fluchtvorbringens gänzlich unerwähnt gelassen habe.
Eine staatliche Verfolgung könne überdies ausgeschlossen werden, da er angegeben habe,
Indien auf legalem Weg unter Verwendung seines Reisepasses verlassen zu haben.
Weiter wurde ausgeführt, dass in Indien kein Meldewesen existiere, sodass es dem BF auch
offenstehe, sich an einem anderen Ort seines Herkunftsstaates niederzulassen.
Rechtlich folgerte das Bundesamt zu Spruchpunkt I., dass dem BF der Status des
Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen sei, zumal sein Fluchtvorbringen nicht als
glaubhaft erachtet werde. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass sich weder aus der
allgemeinen Lage in Indien noch aus der persönlichen Situation des BF eine Gefährdung iSd
Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ableiten ließe.
Der BF sei in der Lage, sich eigenständig seine Existenz im Herkunftsstaat zu sichern. Überdies
verfüge er über familiäre Anknüpfungspunkte. Im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie wurde
festgehalten, dass er aktuell 33 Jahre alt sei und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen
leide, sodass er unter keine der Risikogruppen falle. Der Status des subsidiär
Schutzberechtigten sei ihm sohin nicht zuzuerkennen gewesen.
Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 würden
nicht vorliegen.
Hinsichtlich Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass der BF über keine wesentliche integrative
Bindung zu Österreich verfüge und daher das öffentliche Interesse an einem geordneten
Vollzug des Fremdenwesens seine privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet
überwiegen würde. Eine Gefährdung iSd § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 AsylG 2005 bestehe aufgrund
der bisherigen Ausführungen nicht und sei auch eine Maßnahme iSd Abs. 3 leg. cit. nicht
empfohlen worden. Zu Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, im gegenständlichen Fall sei der
Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden,
weil das Vorbringen zur Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche.
Hinsichtlich Spruchpunkt VII. wurde erwogen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die
freiwillige Ausreise zu gewähren sei. Betreffend Spruchpunkt VIII. wurde ausgeführt, dass das
Bundesamt gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot
erlassen könne. Der Beschwerdeführer erfülle den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, da er
den Besitz von ausreichenden Mitteln zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht
nachgewiesen habe. Im Fall der Mittellosigkeit eines Fremden bedürfe es nicht der
Feststellung weiterer Umstände, um eine negative Prognose für seinen weiteren Aufenthalt
im Bundesgebiet zu begründen. Die Mittellosigkeit des Fremden sei im Hinblick auf die daraus
resultierende Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt eine ausreichende
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Grundlage für die gerechtfertigte Annahme, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen
die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Der BF sei nicht in der Lage gewesen, die
Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er bei der
Einreise nur geringe Barmittel bei sich gehabt habe. Sein Unterhalt sei nur durch staatliche
Unterstützung gewährleistet. Der BF verfüge über kein Aufenthaltsrecht in Österreich und
könne daher auch künftig keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Wie bereits zur
Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien
seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie
einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Es müsse ebenso davon ausgegangen
werden, dass das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Einreiseverbots sein privates
Interesse am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet überwiege. Aus einer
Gesamtbeurteilung seines Fehlverhaltens ergebe sich, dass die Erlassung des Einreiseverbots
in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer
ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.
6. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde der verfahrensgegenständliche Bescheid
vollinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts angefochten und unter anderem eine
mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. Begründend wurde nach Zusammenfassung
des Fluchtvorbringens dargelegt, eine nachvollziehbare Begründung, warum dem Vorbringen
des Beschwerdeführers kein Glauben geschenkt werde, sei dem Bescheid nicht zu entnehmen.
Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sei überdies aufgrund der COVID-19-Pandemie völlig
ausgeschlossen. Auch eine freiwillige Ausreise erscheine nicht möglich. Zudem sei es strikt
zurückzuweisen, dass jemand aufgrund seiner Mittellosigkeit eine Gefahr für die öffentliche
Ordnung darstelle.
7. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person und Herkunft des BF
Der 33-jährige BF ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Jat an und
bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Sikhs. Neben Punjabi spricht der BF Hindi. Er hat
bis zu seiner endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat gemeinsam mit seinen Eltern in
einer Mietwohnung in seinem Heimatdorf im indischen Bundesstaat Punjab gelebt. Nach
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Abschluss seiner zwölfjährigen Grundschulausbildung hat er als Landwirt gearbeitet. Seine
wirtschaftliche Situation im Herkunftsstaat ist gut gewesen.
Seine Eltern leben nach wie vor im Herkunftsstaat. Es ist nicht glaubhaft, dass der Kontakt
zwischen dem BF und seinen Eltern abgebrochen ist und er ihren aktuellen Aufenthaltsort
nicht kennt.
Am XXXX stellte der BF nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf
internationalen Schutz.
1.2. Zu den Fluchtgründen und zur individuellen Gefährdungssituation
Es ist nicht glaubhaft, dass der BF der Sekte Baba Ram Rahim angehört und aus diesem Grund
im Herkunftsstaat Schikanen sowie willkürlicher Verhaftung ausgesetzt gewesen ist. Im Fall
der Rückkehr nach Indien droht ihm sohin keine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu
einer Sekte.
Es steht nicht fest, dass der BF im Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität
oder der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer sozialen Gruppe von staatlicher
Seite oder von privaten Dritten verfolgt wird.
Ebenso wenig steht fest, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder
Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der
Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des
Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen
oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
Der BF leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Er ist ledig
und ihn treffen keine Obsorgeverpflichtungen. Ferner ist der BF arbeitsfähig. Im Fall der
Rückkehr ist er sohin in der Lage, für seinen Lebensunterhalt eigenständig aufzukommen. Es
besteht nicht die Gefahr, dass er im Fall der Rückkehr nach Indien in eine existenzielle Notlage
geraten wird.
1.3. Zum Privat- und Familienleben in Österreich
Der BF lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen
Gemeinschaft. Er hat weder in Österreich noch in einem sonstigen Staat Europas familiäre
oder soziale Anknüpfungspunkte.
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In Österreich geht der BF keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach und verfügt auch nicht
über ausreichende finanzielle Mittel, um seinen Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten.
Er ist sohin nicht selbsterhaltungsfähig.
Während seines Aufenthalts hat er an keinen Integrationsmaßnahmen teilgenommen. Über
Deutschkenntnisse verfügt er nicht. Am kulturellen und sozialen Leben in Österreich nimmt er
nicht teil. Es können insgesamt keine Anhaltspunkte für die Annahme einer
außergewöhnlichen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher
Hinsicht festgestellt werden.
Der BF ist in Österreich unbescholten.
1.4. Zur allgemeinen Situation in Indien
COVID-19
Letzte Änderung: 22.10.2020
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre
über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für
den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die
Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch
steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die
praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten.
Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur
schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden
seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen
stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller
zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem
Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).
Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der
Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-
Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800
Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms
verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist
(ÖB 9.2020).
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 06.11.2020
Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung
(GIZ 8.2020a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen
Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren,
verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien
bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 7.2020). Aber auch in den restlichen
Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle
des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die
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Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB
12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde
eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der
Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 7.2020).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020) und der und im von separatistischen Gruppen
bedrohten Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 7.2020, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von
Terroranschlägen und Unruhen verschont (SATP 8.10.2020). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur
Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah
Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche
Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland,
Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder
mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-
Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die
Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).
Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl.
AA 23.7.2020, FH 4.3.2020). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und
beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden
durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben
nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie
oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an.
Auch kommt es
weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen,
Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch
terroristische Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940
Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. 2020
wurden bis zum 1.11. insgesamt 511 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die
angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP
1.11.2020).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B.
Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern
solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose
Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).
Indien und Pakistan
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg
im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt,
dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die
äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten
entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des
umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 12.2019; vgl. BBC 23.1.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und
pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer
auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14
Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf
Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).
Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan
hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten
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Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 12.2019). Es kommt immer wieder zu
Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 12.2019). So
drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14.2.2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit
dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-
Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ
26.2.2019, WP 26.2.2019).
Indien und China
Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Zusammenstöße entlang der
„Line of Actual Control (LAC)“, der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory
und der von China verwalteten Region Aksai Chin forderten am 15.6.2020 in den ersten Vorfällen seit 45 Jahren mindestens
20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite
(FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung
vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020;
vgl. Wagner C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir
in den letzten Monaten gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an
anderen Stellen der mehr als 3.400 Kilometer langen Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China
haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 7.2020).
Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und
neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking
geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern
Pakistan,
Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den
Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020). Bestimmender Faktor des indischen Verhältnisses zu China ist das immer wieder
auch in Rivalität mündende Neben- und Miteinander zweier alter Kulturen, die heute die beiden bevölkerungsreichsten
Staaten der Welt sind. Das bilaterale Verhältnis ist von einem signifikanten Ungleichgewicht zu Gunsten Chinas
gekennzeichnet (BICC 7.2020).
Indien und Bangladesch
Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze.
Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung
Bangladeschs während seines
Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration,
Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 8.2020a). Darüber hinaus
bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 7.2020).
Indien und Sri Lanka
Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis, das durch den mittlerweile beendeten Bürgerkrieg auf Sri Lanka
zwischen der tamilischen Minderheit und singhalesischen Mehrheit stark beeinflusst wurde. Die tamilische
Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische
Außenpolitik ergibt (GIZ
8.2020a).
Punjab
Letzte Änderung: 23.10.2020
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Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder
der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan
aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 9.2020).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt
Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen
Geheimdienst ISI, die aufständische Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge
werden Kämpfer der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen
Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen
West-Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der
aufständischen Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 9.2020). Im Punjab haben die Behörden besondere Befugnisse,
ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 11.3.2020; vgl. BBC 20.10.2015).
Die Menschenrechtslage im Punjab stellt sich nicht anders als im übrigen Indien dar. Jüngste Berichte internationaler
Menschenrechts-NGOs (Amnesty International, Human Rights Watch), aber auch jene des US State Department enthalten
keine gesonderten Informationen zum Punjab (ÖB 9.2020).
Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana weiterhin
ein Problem dar (USDOS 11.3.2020).
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 05.11.2020
Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 7.2020) und
untersteht den Bundesstaaten (AA 23.9.2020). Sie fungiert vielmehr alsAusbildungs- und Rekrutierungsstelle für
Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den
einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes,
zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von
Gemeinsamkeiten.Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen
Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die
wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und die Bundesstaaten
übergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher
subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt
worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom
Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 7.2020).
Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige
Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch
die Polizei verübt wurden (BICC 7.2020; vgl. FH 4.3.2020). Es gab zwar Ermittlungen und Verfolgungen von Einzelfällen, aber
eine unzureichende Durchsetzung wie auch ein Mangel an ausgebildeten Polizeibeamten tragen zu einer geringen Effizienz
bei (USDOS 11.3.2020). Es mangelt nach wie vor an Verantwortlichkeit für Misshandlung durch die Polizei und an der
Durchsetzung von Polizeireformen (HRW
14.1.2020).
Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen
Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die „Beschützerin
der Nation“, aber nur im militärischen Sinne (BICC 7.2020). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur
Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 23.9.2020; vgl. BICC 7.2020). Paramilitärischen Einheiten
werden als Teil der Streitkräfte, vor allem bei internen Konflikten eingesetzt, so in Jammu und Kaschmir sowie in den
nordöstlichen Bundesstaaten. Bei diesen Einsätzen kommt es oft zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen (BICC
7.2020).
- 13 -
Den Sicherheitskräften, sowohl der Polizei, den paramilitärischen Einheiten als auch dem Militär, werden schwere
Menschenrechtsverletzungen bei ihren Einsätzen in den Krisengebieten des Landes nachgesagt (BICC 7.2020).
Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als
Rechtsgrundlage der „Armed Forces Special Powers Act“ (AFSPA) zur Aufrechterhaltung von „Recht und Ordnung“
herangezogen (USDOS 11.3.2020). Das Gesetz gibt den Sicherheitskräften in „Unruhegebieten“ weitgehende Befugnisse
zum Gebrauch von Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl (AA
23.9.2020; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (Unlawful Activities
Prevention Act, UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen im Zusammenhang mit Aufständen oder
Terrorismus festzuhalten (USDOS 11.3.2020). Den Sicherheitskräften wird weitgehende Immunität gewährt (AA 23.9.2020;
vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020).
Im Juli 2016 ließ das Oberste Gericht in einem Zwischenurteil zum AFSPA in Manipur erste Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes erkennen. Der Schutz der Menschenrechte sei auch unter den Regelungen des AFSPA
unbedingt zu gewährleisten. Das umstrittene Sonderermächtigungsgesetz wurde im April 2018 für den Bundesstaat
Meghalaya aufgehoben, im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf acht Polizeidistrikte beschränkt und ist seit April 2019 in
drei weiteren Polizeidistrikten von Arunachal Pradesh teilweise aufgehoben. Unverändert in Kraft ist es in folgenden als
Unruhegebiete geltenden Staaten: Assam, Nagaland sowie in Teilen von Manipur. Für den Bundesstaat Jammu & Kashmir
existiert eine eigene Fassung (AA
23.9.2020).
Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sogenannten Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten
Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium
(AA23.9.2020). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei
zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als „Black Cat“ bekannt, die Rashtriya Rifles, eine Spezialtruppe
zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten
Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe
für Sondereinsätze - die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz) als größte und am besten ausgestattete
Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren
Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Die sogenannten
Assam Rifles sind zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten - die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) werden als Indo-
Tibetische Grenzpolizei, die Küstenwache und die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die
Central Industrial Security Force zum Werkschutz der Staatsbetriebe verantwortlich (ÖB 9.2020). Besonders in
Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen
weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 23.9.2020).
Die Grenzspezialkräfte („Special Frontier Force”) unterstehen dem Büro des Premierministers.
Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten im Grenzgebiet zu China eingesetzt
werden. Sie agieren im Rahmen der Geheimdienste, des sogenannten Aufklärungsbüros („Intelligence Bureau“ -
Inlandsgeheimdienst) und dem Forschungs- und Analyseflügel („Research and Analysis Wing“ - Auslandsgeheimdienst) (War
Heros of India, 15.1.2017).
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 05.11.2020
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 23.9.2020), sieht einen säkularen Staat vor, fordert den
Staat auf, alle Religionen unparteiisch zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und
bundesstaatliches Recht gewähren die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit
und Moral
(USDOS 10.6.2020). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 4.3.2020) und kaum
eingeschränkt (AA 23.9.2020). Das friedliche Nebeneinander im multiethnischen und multireligiösen Indien ist zwar die
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Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker,
oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 9.2020). Trotz des insgesamt friedlichen Zusammenlebens existieren
zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften Spannungen, die in der Vergangenheit auch zu massiven
Gewaltausbrüchen („riots“, Pogrome) führten (AA 23.9.2020). Im Jahr 2019 verschlechterten sich die Bedingungen für
Religionsfreiheit weiter drastisch und religiöse Minderheiten werden zunehmend bedroht. Nach der Wiederwahl der
Bharatiya Janata Party
(BJP) im Mai nutzte die nationale Regierung ihre gestärkte parlamentarische Mehrheit, um auf nationaler Ebene die
Religionsfreiheit einzuschränken. Besonders betroffen von diesen Maßnahmen sind Angehörige der Muslime (USCIRF
28.04.2020). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Diskriminierungen, Morden, Überfällen, Unruhen,
Zwangskonversionen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Ausübung seiner religiösen Überzeugung einschränken
sollen sowie zu Diskriminierung und Vandalismus (USDOS 10.6.2020). In den letzten Jahren häufen sich Berichte, wonach die
Religionszugehörigkeit noch mehr als zuvor zu einem bestimmenden Identitätsmerkmal für den Einzelnen in der indischen
Gesellschaft wird, wodurch
Angehörige religiöser Minderheiten ein Gefühl des Ausgeschlossen-Werdens entwickeln (AA
23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller
Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).
Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2011, sind
Hindus (79,8 Prozent), Muslime (14,2 Prozent), Christen (2,3 Prozent) und Sikhs (1,7 Prozent) (CIA 9.10.2020). Muslime, Sikhs,
Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen
Gruppierungen (USDOS 10.6.2020). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten
schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind
dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.6.2020).
Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit hinduistischer Mehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder
„Verlockung“ erfolgt, was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche
Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 4.3.2020). Neun der 28 Bundesstaaten haben
Gesetze, die religiöse Konversion einschränken: Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Himachal Pradesh, Jharkhand,
Madhya Pradesh, Odisha, Rajasthan und Uttarakhand. Ein solches Gesetz in Rajasthan, das 2008 verabschiedet wurde, wurde
2017 von der Zentralregierung zurückgewiesen und ist nach wie vor nicht implementiert. Im August 2019 fügte die Legislative
des Bundesstaates Himachal Pradesh ”Nötigung“ der Liste der Konversionsverbrechen hinzu, die auch Bekehrung durch
„Betrug“, „Gewalt“ und „Anstiftung“ umfassen. Die Definition von
„Verführung“ wurde erweitert und umfasst nun auch „das Angebot einer Versuchung“ (USDOS
10.6.2020).
Die Nationale Kommission für Minderheiten, welcher Vertreter der sechs ausgewiesenen religiösen Minderheiten und der
Nationalen Menschenrechtskommission angehören, untersucht Vorwürfe von religiöser Diskriminierung. Das Ministerium
für Minderheitenangelegenheiten ist auch befugt, Untersuchungen anzustellen. Diese Stellen verfügen jedoch über keine
Durchsetzungsbefugnisse, sondern legen ihre gewonnenen Erkenntnisse zu Untersuchungen auf Grundlage schriftlicher
Klagen durch Beschwerdeführer bei, welche strafrechtliche oder zivilrechtliche Verstöße geltend machen, und legen ihre
Ergebnisse den Strafverfolgungsbehörden zur Stellungnahme vor. 18 der 28 Bundesstaaten des Landes und das National
Capital Territory of Delhi verfügen über staatliche Minderheitenkommissionen, die auch Vorwürfe religiöser Diskriminierung
untersuchen (USDOS 10.6.2020).
Gewalt gegen religiöse Minderheiten, wurde 2017 in Indien zu einer zunehmenden Bedrohung (HRW 18.1.2018), doch hat
es die Regierung verabsäumt, Richtlinien des Obersten Gerichtshofs zur Verhinderung, wie auch der Untersuchung von
Angriffen auf religiöse Minderheiten und andere gefährdete Gemeinschaften, welche häufig von BJP-Anhängern angeführt
werden, umzusetzen (HRW 14.1.2020). 2019 hat es die Regierung verabsäumt, die Vorgaben des Obersten Gerichtshofs zur
Verhinderung und Aufklärung von Übergriffen des in vielen Fällen von Bharatiya Janata Party (BJP)-Anhängern angeführten
Mobs auf religiöse Minderheiten und andere vulnerable Bevölkerungsgruppen umzusetzen (HRW 14.1.2020).
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Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und
Vererbung. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamische Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt
und gerichtlich durchsetzbar (USDOS
10.6.2020).
Der Wahlsieg der Hindu-nationalistischen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das
Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; und
ging auch mit der Zunahme eines strammen (Hindu-) Nationalismus einher. Den erneuten deutlichen Wahlsieg der BJP 2019
sehen einzelne Gruppen daher mit Sorge (AA 23.9.2020). Die Datenlage zur Entwicklung von Hassverbrechen in Indien in den
letzten Jahren ist uneinheitlich und erschwert eine genaue Einordnung. Die Zahl stieg von insgesamt 701 Vorfällen (116 Tote,
2138 Verletzte) im Jahr 2010 zunächst auf 823 Vorfälle (133 Tote, 2269 Verletzte) 2013 an, um dann nach einem Rückgang
2014 wieder auf 822 Vorfälle (111 Tote, 2384 Verletzte) im Jahr 2017 anzusteigen. Seit 2018 hat die Regierung bislang keine
Zahlen vorgelegt (AA 23.9.2020). Nach Angaben des Innenministeriums (MHA) fanden zwischen 2008 und 2017 7.484 Vorfälle
gemeinschaftlicher Gewalt statt, bei denen mehr als 1.100 Menschen getötet wurden. Daten des Innenministeriums für 2018
bis 2019 liegen nicht vor, doch halten Vorfälle kommunaler Gewalt an (USDOS 10.6.2020).
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 06.11.2020
Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert
(ÖB 9.2020). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort (USDOS 21.6.2019).
Obwohl laut Verfassung die Kastendiskriminierung verboten ist, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver
Förderprogramme bestehen, und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten
zu stärken (USDOS 11.3.2020). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit jedoch
weit verbreitet (USDOS 11.3.2020; vgl. BAMF 30.9.2019). Kritiker behaupten, dass viele der Unterstützungsprogramme zur
Förderung Angehöriger der unteren Kasten an den Folgen einer mangelhafter Umsetzung und Korruption leiden (USDOS
11.3.2020).
Noch immer werden in Indien – trotz umfangreicher Förderprogramme und verfassungsmäßigem Verbot der Benachteiligung
aufgrund von Kastenzugehörigkeit – Angehörige von niederen Kasten und Kastenlose (sogenannte Dalits, offiziell: „Scheduled
Castes“, rund 16,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) diskriminiert. Diese Benachteiligung ist in der Struktur der indischen
Gesellschaft angelegt, fußt auf sozialen und religiösen Traditionen und verläuft vielfach implizit (AA 23.9.2020; vgl. FH
4.2.2019).
Mob-geleitete Gewaltakte gegenüber Angehörige von Minderheiten durch extremistische HinduGruppen, die der
regierenden BJP (Bharatiya Janata Party) angehören, setzten sich das ganze Jahr 2019 über fort (HRW 14.1.2020).
Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss
jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur
Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Mitglieder
der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder
des Parlaments (USDOS 11.3.2020).
Im Nordosten des Landes, sind die Auseinandersetzungen um den Zugang zu Land und die
Verteilung der Erträge vor allem ethno-politischer Natur. Die Hauptursachen, die auf die britische Kolonialzeit zurückgehen,
liegen zum einen in der wirtschaftlichen Abhängigkeit, Rückständigkeit und politischen Marginalisierung der Region und zum
anderen in den Konflikten zwischen den kulturell und ethnisch sehr unterschiedlichen Stammes- und Bevölkerungsgruppen.
Die Nordostregion unterscheidet sich kulturell und ethnisch erheblich vom restlichen Indien. Bis heute fühlt sich die lokale
Bevölkerung um ihre wirtschaftliche und politische Macht betrogen
(BPB 12.12.2017). Die Situation von Kindern aus sozial und wirtschaftlich marginalisierten Gemeinschaften bleiben weiterhin
in ganz Indien ein ernsthaftes Problem (HRW 17.1.2019).
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Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 22.10.2020
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung
respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den
Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA
23.9.2020).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach
Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan,
China und Myanmar. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern
spezielle Genehmigungen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 11.3.2020).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies
begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher
Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die
Person ihre Identität verbergen muss. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 hat hieran nichts geändert, da die
Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt (AA 23.9.2020).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, sodass die Möglichkeit, aufgespürt
zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten („high profile“ persons) können nicht durch einen Umzug in einen
anderen Landesteil der Verfolgung entgehen,
wohl aber weniger bekannte Personen („low profile“ people) (ÖB 9.2020).
Meldewesen
Letzte Änderung: 05.11.2020
Noch gibt es in Indien kein nationales Melderegister bzw. Staatsbürgerschaftsregister (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020).
Allerdings besteht für alle EinwohnerInnen (auch ausländische StaatsbürgerInnen) die freiwillige Möglichkeit, sich umfassend
mittels Aadhaar (12-stellige, individuelle Nummer) registrieren zu lassen. Als Sicherheitsmaßnahme für die Registrierung
dienen ein digitales Foto, Fingerabdrücke aller 10 Finger sowie ein Irisscan. Mittels Aadhaar ist es dann möglich,
Sozialleistungen von der öffentlichen Hand zu erhalten. Auf Grund der umfangreichen Sicherheitsmaßnahen (Irisscan,
Fingerabrücke) ist das System relativ fälschungssicher. Mittlerweile wurden über 1,2 Mrd. Aadhaar-Registrierungen
vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist (ÖB 9.2020).
Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge
Letzte Änderung: 05.11.2020
Indien hat die UN-Konvention über die Anerkennung von Flüchtlingen von 1951 und das Protokoll von 1967 nicht
unterzeichnet und gewährt ausländischen Flüchtlingen in der Regel keinen besonderen Status. Besondere Gesetze zum
Status von Flüchtlingen gibt es nicht (AA
23.9.2020).
Einzelfallabhängig und je nach Nationalität erhalten Personen aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel. So erhalten
Tibeter und Tamilen aus Sri Lanka grundsätzlich indische Passersatzpapiere, die mit einem dauernden Bleiberecht verbunden
sind. Nepalesen können nach dem Freundschaftsvertrag von 1950 frei nach Indien einreisen und sind indischen Bürgern
weitgehend gleichgestellt. Staatsangehörige von Bhutan erhalten eine Aufenthaltsberechtigung in Indien. Sonstige
Flüchtlinge werden durch den UNHCR registriert und betreut. Sie erhalten lediglich ein UNHCR-Dokument, das sie als
asylberechtigt ausweist. Nach dem Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz, („Citizenship Amendment Act“, 2019) das am 10.
Januar 2020 in Kraft trat, erhalten Migranten, die vor dem 31.12.2014 als Flüchtlinge aus den Nachbarländern Afghanistan,
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Bangladesch und Pakistan kamen, vereinfacht die indische Staatsbürgerschaft. Davon ausgenommen sind Muslime (AA
23.9.2020).
Im August 2019 drückte der indische Außenminister bei seinem Besuch in Bangladesch seine Bereitschaft aus, vertriebenen
Rohingyas in Bangladesch und der Entwicklungszusammenarbeit des Staates Rakhine in Myanmar mehr Hilfe zu zukommen
zu lassen. Bedenken bezüglich der Abschiebung von fast 2 Millionen Menschen, die vom Projekt zur Überprüfung der
Staatsbürgerschaft in Assam ausgeschlossen wurden, bezeichnete der er als innere Angelegenheit Indiens. 2019 schob die
indische Regierung acht Rohingya nach Myanmar ab, nachdem sie im Oktober 2018 sieben Personen abgeschoben hatte.
Diese Abschiebungen wurden im April 2019 durch UN-Menschenrechtsexperten verurteilt, da sie angeblich gegen das
Völkerrecht verstießen. Außerdem kritisierten sie die unbefristete Inhaftierung einiger Rohingya in Indien (HRW 14.1.2020).
Grundsätzlich kann jeder Flüchtling nach zwölfjährigem Aufenthalt in Indien indischer Staatsangehöriger werden. Der
Großteil der Tibeter lehnt dies jedoch ab, getragen von der Hoffnung, eines Tages in die Heimat zurückzukehren. Indien teilt
den Flüchtlingen Siedlungsgebiete zu, Afghanen erhielten Land in Lajpat Nagar in Delhi. Schon aufgrund der religiösen
Verwandtschaft werden diese Flüchtlinge nicht nur toleriert, sondern in die indische Gesellschaft integriert und dort
akzeptiert. Gerade tibetische Flüchtlinge haben mit Hilfe von NGOs (teils mit ausländischer Unterstützung) sowie
Bemühungen der tibetischen Exilregierung und Institutionen Möglichkeiten zur
Die Behörden siedelten im ganzen Land Siedlungen von Binnenvertriebenen an, darunter auch solche mit Gruppen, die durch
interne bewaffnete Konflikte in Jammu und Kaschmir, in den von Maoisten betroffenen Gebieten, in den nordöstlichen
Staaten und in Gujarat vertrieben wurden.
Schätzungen zufolge wurden von Januar bis Juni schätzungsweise 6.800 Menschen durch
Konflikte und Gewalt vertrieben, während 2,17 Millionen Menschen durch Naturkatastrophen vertrieben wurden (USDOS
11.3.2020; vgl. IDMC 2019).
Es war schwierig, die genaue Zahl der durch Konflikte oder Gewalt Vertriebenen zu schätzen, da die Regierung die
Bewegungen der Vertriebenen nicht überwacht und humanitäre und Menschenrechtsorganisationen nur begrenzten Zugang
zu den Lagern und betroffenen Regionen hatten. Während die Behörden die Bewohner der Vertriebenenlager registrierten,
lebte eine unbekannte Zahl von Vertriebenen außerhalb der Lager. Vielen Binnenvertriebenen fehlte es an ausreichender
Nahrung, sauberem Wasser, Unterkünften und medizinischer Versorgung (USDOS 11.3.2020).
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 23.10.2020
Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag
Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten
durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Mio. Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB
9.2020).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und 2017/18 bei
6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4,9 Prozent. Für 2020 wurde ein Wachstum der
Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Doch schrumpfte im ersten Quartal des Geschäftsjahres
2020/2021 (1. April 2020 bis 30. Juni 2021) aufgrund der COVID-19-Pandemie das Wirtschaftswachstum um beispiellose 23,9
Prozent. Der private Konsum und die Investitionen gingen stark zurück. Gleichzeitig verringerte sich in derselben Periode der
Output der Industrie (Minus 38 Prozent) und des Dienstleistungssektors (Minus 21 Prozent) dramatisch. Für das am 1.4.2020
begonnene Geschäftsjahr erwarten Experten, dass die indische Wirtschaft um 9,6 Prozent schrumpfen und danach nur sehr
langsam eine Erholung einsetzen wird. Die schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland dürfte auch die Handelsbilanz in
beide Richtungen belasten (WKO 10.2020).
2017 lag die Erwerbsquote bei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Frauen sind weniger häufig als Männer berufstätig (FES 9.2019).
Indien besitzt mit ca. 520 Millionen Menschen die zweitgrößte
Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 7,6 Prozent,
2020 bei 10,8 Prozent. Für 2021 wird eine Arbeitslosenrate von 9,5 Prozent erwartet (WKO
10.2020).
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Der indischeArbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der
Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder
Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal
geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie
sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder
Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen
Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt
seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent
der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).
Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle
frei ist (BAMF 2019; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die
Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese
bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2019).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungsund Infrastrukturentwicklung.
Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP
(Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre
und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-
Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut
entkommen (BICC 7.2020).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist
an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls
an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden
grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 2019).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche
Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der
Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges,
beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens
anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Es gibt keine staatlichen
Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm,
demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November
2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit
verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts
Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz
der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und
des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen,
welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von
Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020).
Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt.
Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang
jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die
Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den
einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten
nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC
26.9.2018).
- 19 -
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte
Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und
Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW
13.1.2018).
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 05.11.2020
Eine gesundheitliche Minimalversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt (ÖB
9.2020; vgl. BAMF 3.9.2018). Sie ist aber durchwegs unzureichend (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Einige wenige private
Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten europäische Standards. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New
Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 23.9.2020). Darüber hinaus gibt es viele
weitere Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 3.9.2018). Ebenfalls gibt es
Gemeindegesundheitszentren und spezialisierte Kliniken. Diese sind für alle möglichen generellen Gesundheitsfragen
ausgestattet und bilden die Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden. Sie werden von der Regierung betrieben
und nehmen auf Empfehlung der Ersteinrichtungen Patienten auf. Jede dieser Einrichtungen ist für 120.000 Menschen aus
städtischen bzw. 80.000 Patienten aus abgeschiedenen Orten zuständig. Für weitere Behandlungen können Patienten von
den Gemeindegesundheitszentren zu Allgemeinkrankenhäusern transferiert werden. Die Zentren besitzen daher auch die
Funktion einer Erstüberweisungseinrichtung. Sie sind dazu verpflichtet, durchgängig Neugeborenen- bzw. Kinderfürsorge zu
leisten sowie Blutkonservenvorräte zu besitzen. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung
durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben (BAMF 3.9.2018).
Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Personen-Kliniken,
die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es
mehr als 25.500 solcher Kliniken in Indien, von denen 15.700 von nur einem Arzt betrieben werden. Einige Zentren besitzen
spezielle Schwerpunkte, darunter Programme zu Kinder-Schutzimpfungen, Seuchenbekämpfung, Verhütung,
Schwangerschaft und bestimmte Notfälle (BAMF 3.9.2018).
Von den Patienten wird viel Geduld abverlangt, da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssektors sehr groß
ist. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen fortschrittlicher Infrastruktur und qualifizierterem Personal einen
besseren Ruf, ein Großteil der Bevölkerung kann sich diesen aber nicht leisten. In allen größeren Städten gibt es
Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten
Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Fast alle gängigen Medikamente sind in Indien (meist als Generika
westlicher Produkte) auf dem Markt erhältlich. Für den (relativ geringen) Teil der Bevölkerung, welcher sich in einem
formellen Arbeitsverhältnis befindet, besteht das Konzept der sozialen Absicherung aus Beitragszahlungen in staatliche
Kassen sowie einer Anzahl von – vom Arbeitgeber zu entrichtenden – diversen Pauschalbeträgen. Abgedeckt werden dadurch
Zahlungen für Renten, Krankenversicherung, Mutterkarenz sowie Abfindungen für Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit
(ÖB 9.2020).
Für 10.000 Inder stehen 0,8 praktizierende Ärzte (StBA 26.8.2019) und 0,5 Klinikbetten je tausend Einwohnern zur Verfügung
(GTAI 23.4.2020). In ländlichen Gebieten ist der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht
vorhanden. Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen (WKO 10.2020).
Die staatliche Krankenversicherung erfasst nur indische StaatsbürgerInnen unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der
Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu
unterschiedlichen Konditionen gegeben.
Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance,
Max Bupa etc. (BAMF 3.9.2018).
Im September 2019 wurde mit der Einführung des indienweiten Pradhan Mantri Jan Arogya
Abhiyaan begonnen (auch „Modicare“ genannt), einer Krankenversicherung, die insgesamt 500 Millionen Staatsbürger
umfassen soll, welche sich ansonsten keine Krankenversicherung leisten können. Diese Krankenversicherung deckt die
wichtigsten Risiken und Kosten ab. Dazu kommen noch verschiedene öffentliche Krankenversicherungen in einzelnen
- 20 -
Unionsstaaten mit unterschiedlichem Empfänger- und Leistungsumfang (ÖB 9.2020). Eine private Gesundheitsversorgung ist
vergleichbar teuer und die Patienten müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen. Für den Zugang zu den Leistungen ist
grundsätzlich ein gültiger Personalausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN) (BAMF 3.9.2018).
In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 23.9.2020). Apotheken sind in Indien zahlreich
und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 3.9.2018). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich.
Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA
23.9.2020). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente sind staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich
sind (BAMF 3.9.2018).
Rückkehr
Letzte Änderung: 23.10.2020
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der
Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden
grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung
durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die
Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene
terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten
den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen
Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt
haben (ÖB 9.2020).
Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die
Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).
1.5. Allgemeine Feststellungen zu COVID-19
COVID-19 (coronavirus disease 2019 "Coronavirus-Krankheit 2019") ist eine durch das
Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Sie wurde erstmals 2019 in
Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der
Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten COVID-19-
Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen,
dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch
Tröpfcheninfektion verbreitet (vgl.
https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-
Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Neuartiges-Coronavirus.html; Stand 03.09.2020).
Häufige Anzeichen einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus sind u. a. Fieber, Husten,
Kurzatmigkeit und Atembeschwerden. Es kann auch zu Durchfall und Erbrechen kommen. In
schwereren Fällen kann die Infektion eine Lungenentzündung, ein schweres akutes
Atemwegssyndrom, Nierenversagen und sogar den Tod verursachen. Es gibt auch milde
Verlaufsformen (Symptome einer Erkältung) und Infektionen ohne Symptome. […] Wie
gefährlich der Erreger ist, ist noch nicht genau abzusehen. Momentan scheint die
Gefährlichkeit des neuen Coronavirus deutlich niedriger als bei MERS (bis zu 30 Prozent
- 21 -
Sterblichkeit) und SARS (ca. 10 Prozent Sterblichkeit) zu sein. Man geht derzeit beim
neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) von einer Sterblichkeit von bis zu drei Prozent aus.
Ähnlich wie bei der saisonalen Grippe durch Influenzaviren (Sterblichkeit unter 1 Prozent) sind
v. a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen (vgl.
https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/faq-coronavirus/, Stand
03.09.2020).
In Österreich gibt es laut Johns Hopkins University mit Stand 27.01.2021, 12:38 Uhr, 408.781
bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen mit 7.564 Todesfällen und
386.351 Genesenen; in Indien wurden zu diesem Zeitpunkt 10.689.527 Fälle von mit dem
Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 153.724 diesbezügliche Todesfälle
bestätigt wurden und bereits 10.359.305 Personen Genesen sind
(coronavirus.jhu.edu/map.html).
Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über
65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-
Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus,
Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der
schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell
(noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige
unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse
verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19,
sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis
moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich
eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Angaben zur Person des Beschwerdeführers (Staatsangehörigkeit,
Volksgruppenzugehörigkeit, Religionsbekenntnis und Alter), zur Herkunft, seinen
Sprachkenntnissen, seiner Schulbildung, seiner Berufserfahrung sowie zu den
Lebensumständen im Herkunftsstaat ergeben sich aus den dahingehend konsistenten und
daher auch glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren.
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Mangels Vorlage von unbedenklichen Identitätsnachweisen konnte seine Identität jedoch
nicht hinreichend festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Einreise sowie zur Stellung des verfahrensgegenständlichen Antrags
ergeben sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand beruhen auf den Angaben des BF in seiner
Einvernahme am XXXX , wonach er gesund sowie arbeitsfähig sei und lediglich Probleme mit
seinem Knie habe. Folglich war festzustellen, dass er an keiner schwerwiegenden oder
lebensbedrohlichen Krankheit leidet. Ausgehend von diesen Angaben ist sein weiteres
Vorbringen in dieser Einvernahme, wonach er in Österreich aufgrund seiner Schmerzen im
Bein keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, nicht glaubhaft, führte er doch explizit an,
arbeitsfähig zu sein. Im Übrigen lassen sich auch der Beschwerde keine Anhaltspunkte
entnehmen, dass sich der Gesundheitszustand des BF zwischenzeitlich verschlechtert hätte
und/oder seine Arbeitsfähigkeit eine entscheidungswesentliche Einschränkung erfahren
hätte. Folglich war festzustellen, dass der BF arbeitsfähig ist.
In Hinblick auf die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie ist festzuhalten, dass der
Beschwerdeführer aktuell 33 Jahre alt ist und weder an einer schwerwiegenden noch an einer
lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren
Personen oder Personen mit (relevanten) Vorerkrankungen fällt.
2.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen des BF
Soweit der BF vorbringt, aufgrund der Zugehörigkeit zur Sekte Baba Ram Rahim im
Herkunftsstaat der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, ist dessen Vorbringen
nicht glaubhaft, zumal seine diesbezüglichen Angaben insgesamt als vage und unschlüssig zu
qualifizieren sind. Schon das Bundesamt kam in seiner Beweiswürdigung zu dem richtigen
Ergebnis, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nur unsubstantiiert und widersprüchlich
darlegen konnte.
So hat der Beschwerdeführer den behaupteten Fluchtgrund bei seiner Einvernahme extrem
oberflächlich dargestellt, da seine Angaben jegliche Details und genaueren Umstände, wie
etwa genaue Personen-, Zeit-, oder Ortsangaben, entbehren und er nicht einmal ansatzweise
in der Lage war, die Verfolgungshandlungen konkret und nachvollziehbar zu schildern.
In der Einvernahme am XXXX führte er an, seine Familie werde seit einem Jahr von allen
Dorfbewohnern schikaniert. Befragt, wie dies ausgesehen habe, wusste er jedoch lediglich zu
sagen: „Sie haben gestritten mit uns, wegen der Sekte“. Nach Aufforderung, sein
- 23 -
Fluchtvorbringen im Detail zu schildern, gab er an, sie seien von der Polizei angehalten worden
und er habe vor den Dorfbewohnern Angst gehabt. Auf weiteren Vorhalt, seine Schilderungen
würden Einzelheiten und Details vermissen lassen, wiederholte er lediglich, das ganze Dorf sei
gegen sie gewesen, weshalb er das Land verlassen habe. Weiter befragt, inwiefern und wie
oft er bedroht oder verfolgt worden sei, antwortete er nur pauschal: „Sie sagten, sie werden
mich umbringen. Das ist alles“.
Die Personen, welche ihn ihm Herkunftsstaat schikaniert hätten, bezeichnete er zudem
durchwegs nur als „die Dorfbewohner“. Auf Aufforderung, umfangreiche Angaben rund um
die Verfolger zu machen, wusste er lediglich zu sagen, die Dorfbewohner hätten gewollt, dass
sie aufhören, ihren Guru zu akzeptieren.
Einen zeitlichen Überblick über die Vorfälle, welche sich seinen Angaben nach über das ganze
Jahr erstreckt hätten, konnte er nicht geben. Auf die Frage, wann die von ihm behaupteten
Vorfälle genau stattgefunden hätten, führte er nur an, der letzte Vorfall sei im 10. Monat
gewesen.
Auch seine Ausführungen zu seiner Anhaltung durch die Polizei erweisen sich als äußerst vage.
Befragt, was die Polizei unternommen habe, führte er lediglich an, sie hätten ihn und seine
Eltern festgehalten und dann wieder gehen gelassen. Auf Nachfrage, was er zur Anhaltung
berichten könne, antwortete er nur, sie seien sechs Tage dort gewesen. Zum Tagesablauf
befragt, führte er an: „Wie es halt so ist im Gefängnis“.
Ferner ist es – wie vom Bundesamt zutreffend aufgezeigt - nicht nachvollziehbar, dass der BF
sein Vorbringen in der Erstbefragung, wonach seine Eltern und er im Rahmen ihrer Anhaltung
von der Polizei geschlagen worden seien, in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX
gänzlich unerwähnt ließ. Selbst auf Nachfrage, was ihm besonders in Erinnerung geblieben sei,
wusste er nur zu sagen, die Polizei habe sie aufgefordert, ihrem Guru nicht mehr zu folgen.
Körperliche Misshandlungen schilderte er vor dem Bundesamt demgegenüber nicht, was
angesichts des Umstands, dass es sich hierbei um ein zentrales Element seines
Fluchtvorbringens handelt, nicht nachvollziehbar ist.
Hinzuweisen ist weiter darauf, dass der BF in der Erstbefragung am XXXX anführte, seine
Eltern und er seien vor etwa sechs Monaten inhaftiert worden und sei dies der
ausschlaggebende Grund für seine endgültige Ausreise aus dem Herkunftsstaat gewesen. Vor
dem Hintergrund seiner weiteren Ausführungen, wonach er erst im November 2020 den
Herkunftsstaat endgültig verlassen habe, ist dieses Vorbringen nicht plausibel, wäre doch zu
erwarten, dass er im Fall einer realen Bedrohungssituation bereits früher den Herkunftsstaat
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verlassen oder sonstige Maßnahmen ergriffen hätte, um sein Leben zu schützen. Hinweise auf
allfällige Schutzmaßnahmen sind seinem Vorbringen jedoch nicht zu entnehmen.
Abschließend ist festzuhalten, dass der BF es selbst im Zuge der Beschwerdeschrift schuldig
geblieben ist, den Kernbereich seiner Fluchtgeschichte konkret und substantiiert darzulegen,
bekräftigte er doch nur sein bisheriges Vorbringen und ging auf die vom Bundesamt
aufgezeigten Widersprüche nicht ein.
In einer Gesamtschau erweist sich sohin das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wie
schon vom Bundesamt aufgezeigt, als nicht glaubwürdig. Folglich ist auch sein darauf
aufbauendes Vorbringen, wonach er keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern habe und ihm ihr
genauer Aufenthaltsort in Indien unbekannt sei, nicht glaubhaft. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass seine Eltern nach wie vor in seinem Heimatdorf leben und er in der Lage ist,
mit ihnen Kontakt aufzunehmen.
Im Übrigen ergeben sich auch aus den allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat keine
Anhaltspunkte dafür, dass der BF in Indien einer Gefährdung ausgesetzt wäre.
Selbst bei Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens stünde dem BF jedoch jedenfalls eine
innerstaatliche Fluchtalternative offen, zumal er selbst anführte, die Sekte, welcher er
angehöre, habe viele Mitglieder in allen Provinzen Indiens. Umstände, wonach Anhänger der
Sekte im Herkunftsstaat generell verfolgt würden, legte er nicht dar und bestehen hierfür auch
keine Anhaltspunkte. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auf die näheren Ausführungen
in der rechtlichen Beurteilung zu verweisen.
2.3. Die Feststellungen zur persönlichen Situation des BF in Österreich ergeben sich aus
seinen Angaben sowie aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
So führte der BF explizit an, weder in Österreich noch in einem anderen Staat Europas
Verwandte zu haben, über besondere Bindungen zu verfügen oder ein Familienleben zu
führen. Zudem brachte er vor, keine Deutschkenntnisse zu haben, an keinen
Bildungsmaßnahmen teilzunehmen und auch keine Freunde in Österreich zu haben. Hinweise,
dass der BF auf sonstige Weise am kulturellen und sozialen Leben in Österreich teilnimmt, sind
im Übrigen nicht hervorgekommen.
Hinsichtlich der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit ist festzuhalten, dass der BF zwar nach
einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem keine Leistungen aus der
Grundversorgung bezieht. Eigenen Angaben nach geht er allerdings in Österreich keiner
rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Einen Nachweis, dass er über ausreichende finanzielle
- 25 -
Mittel verfügt, um seinen Lebensunterhalt in Österreich zu sichern, hat er im Verfahren vor
dem Bundesamt überdies nicht erbracht und lassen sich auch der Beschwerde keine
diesbezüglichen Anhaltspunkte entnehmen. Es war daher festzustellen, dass der BF nicht
selbsterhaltungsfähig ist.
Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.
2.4. Die Feststellungen zur Situation in Indien
Die Feststellungen zur Situation in Indien beruhen auf den angeführten Quellen. Es handelt
sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und
nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes,
schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben. Angesichts der Seriosität der
angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden
Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Es bestehen auch
keinerlei Anhaltspunkte, wonach sich die allgemeine Lage zwischenzeitig in einer Weise
verändert hätte, die von Amts wegen wahrzunehmen wäre. Im Übrigen ist der BF den
Länderfeststellungen des Bundesamtes weder in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt
noch in der Beschwerdeschrift ausreichend konkret entgegengetreten.
Die Feststellungen zur COVID-19 – Pandemie stützen sich auf die in den Feststellungen
genannten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013,
entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder
Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine
Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache
die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des
Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch
das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122,
geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen,
die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in
Kraft.
- 26 -
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das
Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit
Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung
– BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und
des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene
verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß
anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz – BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt
dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005
(AsylG 2005), BGBl.I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des
Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des
Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl.I Nr.100 (Z 4).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde
gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene
Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die
angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der
Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1
VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der
Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden
Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I
Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den
Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer
Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes
durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf
internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5
zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass
- 27 -
ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer
Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr.
55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr.
78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen
Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage
oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen
oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines
gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht
nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die
eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive
Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des
Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im
Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem
Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des
Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der
Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt
sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer
bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 als der die
Asylgewährung regelnden Bestimmung wird festgehalten, dass die bisherige
höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen
Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK
gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die „begründete Furcht vor Verfolgung“. Die
begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der
individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird
eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die
vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die
Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in
das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in
den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits
- 28 -
Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des
Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat
bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit
bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf
die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet,
dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das
gesamte Staatsgebiet beziehen. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen
im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei
hiefür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Anträge auf internationalen Schutz sind
gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht
(Z.1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z. 2).
Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv
getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen
Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH
11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale
Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf
es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden
Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). So
erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht
unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich
macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH
08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl.
92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der
Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge,
Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit
(VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben
eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines
schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der
Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des
Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine
Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH
30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw.
Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl.
- 29 -
95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten
Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des BF in seinem Heimatdorf nach seiner
Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel
über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die
Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch
VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).
3.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH
28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000,
99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003,
2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar
von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn
der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu
unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden
sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende
Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge
nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH
22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen
werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter
präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend
funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu
verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine
Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der
von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem
Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit
maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im
Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH
26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120;
13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er
auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu
erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer
Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert
werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der
Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH
26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick
- 30 -
auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu
bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).
3.1.3. Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, fehlt es dem Vorbringen des BF an
Glaubwürdigkeit. Entscheidend hierfür waren insbesondere die in der Beweiswürdigung
aufgezeigten oberflächlichen und widersprüchlichen Angaben des BF zur Mitgliedschaft in
einer Sekte sowie zu den daraus resultierenden Verfolgungshandlungen.
Anhaltspunkte dafür, dass dem BF aus sonstigen Gründen im Herkunftsstaat asylrelevante
Verfolgung droht sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.
3.1.4. Selbst wenn man den Darstellungen des BF zu seinen individuellen Fluchtgründen folgen
würde, ergibt sich letztlich, dass er außerhalb seines behaupteten Aufenthaltsortes in Indien
eine innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative hat. Dass dies in Indien grundsätzlich
möglich ist, geht aus den oben wiedergegebenen Länderfeststellungen hervor. In Indien
besteht für den BF die Möglichkeit, den von ihm behaupteten örtlichen Bedrohungen durch
Umzug in andere Landesteile zu entgehen.
Der BF verfügt über eine insgesamt zwölfjährige Schulbildung sowie über Berufserfahrung in
der Landwirtschaft. Insofern verfügt der BF über ausreichende Erfahrung in der
Landwirtschaft, um auch an einem anderen Ort in Indien (etwa in den Bundesstaaten
Rajasthan, Haryana oder Uttar Pradesh) in der Landwirtschaft arbeiten zu können. Bei einer
Aufenthaltnahme in einer Stadt (z.B. Mumbai) könnte er sich auch durch Gelegenheitsjobs
seinen Lebensunterhalt sichern.
Aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen wird deutlich, dass in Indien volle
Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Die Quellen zeichnen diesbezüglich ein eindeutiges Bild,
wonach grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch
Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden kann. Es gibt kein staatliches
Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl
keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf
Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in
jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes
Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihre
Identität verbergen muss.
Wer sich verfolgt fühlt, kann sich in einem anderen Landesteil niederlassen. Noch gibt es in
Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister.
- 31 -
Wie bereits oben festgestellt, handelt es sich beim BF um einen gesunden und arbeitsfähigen
Mann, der der Religion der Sikhs angehört und welchem dies durchaus zuzumuten ist. Er
verfügt nicht nur über Schulbildung und Arbeitserfahrung, sondern beherrscht mit den
Sprachen Punjabi und Hindi wesentliche Sprachen Indiens. Daher ist davon auszugehen, dass
er zumindest mit Gelegenheitsarbeiten in der Lage sein wird, sich überall in Indien eine
ausreichende Existenzgrundlage zu schaffen. Im konkreten Fall besteht daher die Möglichkeit
eines Umzugs in einen anderen Landesteil, insbesondere, weil sich die vom BF genannten
Verfolgungshandlungen allenfalls auf einen regionalen Bereich beschränken. So hat der BF
nicht dargetan, dass Angehörige der Sekte Baba Ram Rahim im gesamten Staatsgebiet Indiens
einer Verfolgung ausgesetzt wären und sind hierfür auch keine sonstigen Anhaltspunkte
hervorgekommen. Vielmehr gab er an, dass diese Sekte nach wie vor viele Anhänger in
sämtlichen Provinzen Indiens hat.
Der BF konnte im Zuge seiner Einvernahme keinen plausiblen Grund dafür nennen, weshalb
gerade er in einem anderen Teil Indiens nicht vor Verfolgung sicher sein sollte. Schließlich
ergibt sich auch aus den Ausführungen des BF kein nachvollziehbarer Grund, weshalb sich
seine Gegner tatsächlich die Mühe machen sollten, gerade ihn im gesamten indischen
Staatsgebiet zu suchen und zu verfolgen, ebenso wenig ist - auch angesichts der Größe und
der Bevölkerungsdichte - ersichtlich, wie sie ihn überall in Indien finden könnten.
Zusammengefasst ist es dem BF jedenfalls nicht gelungen eine Verfolgung im gesamten
Staatsgebiet Indiens glaubhaft zu machen, weil er sich selbst unter der Annahme des
Zutreffens der von ihm vorgebrachten Fluchtgründe zumindest außerhalb seiner engeren
Heimat niederlassen könnte und ihm daher eine inländische Flucht- und Schutzalternative
offensteht.
3.1.5. Der BF konnte somit keine aktuelle, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen
der GFK glaubhaft machen. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen
Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten"
abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär
Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder
Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von
Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten
würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der
- 32 -
Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die
Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach
§ 3 AsylG 2005 zu verbinden.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt.
Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines
durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf
eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das
Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art.
3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder
Behandlung unterworfen werden.
Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses
Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht
oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und
aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG
2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein
Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur
des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz
1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung,
dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest
gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht
abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit
und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH
08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher
nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht
besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH
14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen
Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder
Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3
EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt
wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg.
15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586; VwGH
- 33 -
21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460; VwGH 16.04.2002, Zl.
2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch
andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße
Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein
Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem
Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig
erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade
der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl.
98/21/0427).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft
zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben
würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen
zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der
Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht
von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.08.2001,
2000/01/0443; VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist
mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch
entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461).
Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten
(VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht
sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich
die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr
("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu
verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für
die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen
Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße
Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal
erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung
des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem
für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3
EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die
persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im
- 34 -
Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005,
2005/20/0095).
"Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose
ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des BF bei
einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des BF als Zielort wegen der dem BF
dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen
allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des
Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013, U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012)." (VfgH
vom 13.09.2013, Zl. U370/2012).
In seinem rezenten Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, hat der
Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass zwar dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nach
jegliche reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich (unabhängig von einer
Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt) für die
Gewährung des subsidiären Schutzstatus ausreicht, dass jedoch vor dem Hintergrund der
Statusrichtlinie und der Rechtsprechung des EuGH im Sinne einer richtlinienkonformen
Auslegung nur jene Fälle vom subsidiären Schutz erfasst werden sollen, wo die reale Gefahr
besteht, einen auf ein Verhalten eines Akteurs gemäß Art. 6 Statusrichtlinie
zurückzuführenden ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 lit. a und b Statusrichtlinie zu
erleiden, oder wo eine ernsthafte individuelle Bedrohung infolge eines bewaffneten Konflikts
gegeben ist. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine
Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK.
3.2.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme,
dass das Leben oder die Freiheit des BF aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität,
aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund von
politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür
gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen
Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.
Zunächst kann vor dem Hintergrund der Feststellungen nicht gesagt werden, dass jene gemäß
der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die
Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher
Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK
erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443). Es liegen keine begründeten
Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit
- 35 -
befürchten müsste, im Herkunftsland Übergriffen von im gegebenen Zusammenhang
interessierender Intensität ausgesetzt zu sein.
Schließlich kann nicht gesagt werden, dass eine Abschiebung des BF für diesen als Zivilperson
eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt
im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Denn
in Indien ist eine Zivilperson nicht allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung
ausgesetzt.
Zwar bestehen in Indien aufgrund der COVID-19-Pandeme schwierige Lebensumstände, damit
ist aber die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des
Art. 3 EMRK nicht dargetan. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat
kann zwar dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine
Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen
auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden könnten. Eine solche Situation ist aber nur unter
exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. etwa VwGH 23.06.2020, Ra 2020/20/0188).
Gegenständlich kann nicht angenommen werden, dass der arbeitsfähige BF mit
Berufserfahrung in der Landwirtschaft, der in Indien über familiäre Anknüpfungspunkte
verfügt, nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller
Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt
wäre. Dabei ist überdies festzuhalten, dass die Grundversorgung der indischen Bevölkerung -
wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt – grundsätzlich gegeben ist.
In Hinblick auf die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie ist zudem – wie bereits in der
Beweiswürdigung dargelegt – darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer aktuell 33
Jahre alt ist und er an keiner Immunschwäche oder einer schwerwiegenden oder
lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren
Personen oder Personen mit Vorerkrankungen fällt.
3.2.3. Das Vorbringen des BF vermag sohin keine Gefahren im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG
darzutun.
3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG
2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl
bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch bezüglich des Status
eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
- 36 -
§ 57 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:
'Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz'
"1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1
oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür
weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die
Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen
Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch
ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten,
die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur
Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit
solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel
oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht
niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder
382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der
Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung
besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."
Der BF befindet sich seit XXXX im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist
nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die
Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen
daher nicht vor und wurde ein dementsprechendes Vorbringen auch nicht erstattet.
3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides
3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit
einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8.
Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl
bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des
Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis
5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
§ 52 FPG lautet auszugsweise:
"Rückkehrentscheidung
- 37 -
§ 52 (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine
Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das
Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit
Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des
Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des
Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für
begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) - (8) [...]
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des
Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies
gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige
abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht
möglich ist.
(10) - (11) [...]"
Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein
Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
3.4.2. Der mit "Schutz des Privat Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur
Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein
Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden
eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im
Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind
insbesondere zu berücksichtigen:
- 38 -
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt
des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-,
Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in
dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden
zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet,
insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist,
abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann
auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf
Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist
insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf
Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder
Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes
Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I
Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig
im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10
Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden
können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von
mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
- 39 -
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen
Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig
im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt,
mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder
wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine
Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt
allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem
Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern
oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen
Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet
niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr
erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73
Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Art. 8 EMRK lautet wie folgt:
"Art. 8 EMRK (1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens,
seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft,
insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer
demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung,
das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von
strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der
Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK
vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den
konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der
Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine
Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird
eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die
- 40 -
Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen
Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der
Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich
zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens
einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung
andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes
gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des
Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer
Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der
Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des
Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die
Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum
Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung,
insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob
das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres
unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer
des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen
Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07-9; VwGH 26.06.2007,
2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).
Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die
Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen,
zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden
Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf
unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom
29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH 15.05.2007,
2006/18/0107, und 2007/18/0226).
Vom Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und
(minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB. auch Beziehungen zwischen Geschwistern
(EKMR 14.3.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen
Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter
- 41 -
der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von
vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander
verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd. Art 8 EMRK besteht,
vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation
abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK setzt daher neben der
Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine
gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen
zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell)
voneinander abhängig sind (vgl etwa VwGH 26.1.2006, 2002/20/0423; 8.6.2006,
2003/01/0600; 26.1.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass
das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit
Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und
wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind,
zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In
diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine
wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat
eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern
eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die
Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff, aber auch VwGH
26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht
ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten, so
im Ergebnis auch VfGH 12.06.2013, Zl. U485/2012). Die Umstände, dass ein Fremder perfekt
Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen keine über das übliche
Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (Hinweis E 26. November 2009,
2008/18/0720). Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 6 FrPolG 2005)
vermag die persönlichen Interessen des Fremden nicht entscheidend zu stärken (VwGH
25.02.2010, Zl. 2010/18/0029). Vom Verwaltungsgerichtshof wurde im Ergebnis auch nicht
beanstandet, dass in Sprachkenntnissen und einer Einstellungszusage keine solche
maßgebliche Änderung des Sachverhalts gesehen wurde, die eine Neubeurteilung im Hinblick
auf Art. 8 MRK erfordert hätte (vgl. VwGH 19.11.2014, Zl. 2012/22/0056; VwGH 19.11.2014,
Zl. 2013/22/0017).
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In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr.
21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden
Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen
Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß
aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt
gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen
Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon,
dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort
niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im
Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht.
Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer
effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers;
auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist
und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.
Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die
Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in
Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 05.09.2000, Fall
Solomon, Appl. 44.328/98; 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl.
50.435/99, OJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).
3.4.3. Abwägung im gegenständlichen Fall:
Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Er lebt weder
in einer Familiengemeinschaft noch in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Die
Rückkehrentscheidung bildet daher keinen Eingriff in das Recht des BF auf Schutz des
Familienlebens.
Hinsichtlich des Privatlebens ist zunächst auf die äußerst kurze Aufenthaltsdauer des BF von
rund einem Monat zu verweisen. Die Aufenthaltsdauer wird weiter dadurch relativiert, dass
der Aufenthalt des BF bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber
rechtmäßig war und sich der BF seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste.
Ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht
dargetan. Er geht keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach und ist sohin nicht
selbsterhaltungsfähig. Der BF hat sich in Österreich weder einen Freundes- und
Bekanntenkreis aufgebaut, noch hat er Integrationsmaßnahmen absolviert. In einem Verein,
einer Kirche oder einer sonstigen Organisation engagiert sich der BF nicht und nimmt auch
- 43 -
nicht auf andere Weise am sozialen und kulturellen Leben teil. Ferner verfügt er über keine
Deutschkenntnisse.
Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung
des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in
Österreich, da die Begehung von Straftaten einen eigenen Grund für die Erlassung von
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellt (vgl. VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Insgesamt ist davon auszugehen, dass im Falle des BF ein nur äußerst geringer Grad an
Integration erreicht worden ist.
Hinzu kommt im gegenständlichen Fall, dass der erwachsene BF den überwiegenden Teil
seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, dort sozialisiert wurde und über soziale
Anknüpfungspunkte verfügt. Der BF ist in Indien geboren und spricht mit Punjabi und Hindi
anerkannte Sprachen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, weshalb sich der BF im Falle der
Rückkehr nicht wieder in die Gesellschaft seines Heimatlandes eingliedern könnte, zumal er
in Indien zwölf Jahre die Schule besucht und in der Landwirtschaft gearbeitet hat.
Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt nach dem
Erkenntnis des VwGH vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168, aus der Sicht des Schutzes und der
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des
Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach
dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im
Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Das durch eine soziale
Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht
gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer
Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (Hinweis E vom 17. April 2013,
2013/22/0106, mwN). Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge
des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden
Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der
rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. in
diesem Sinn das E vom 19. Februar 2014, 2013/22/0028).
Insgesamt betrachtet ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im
Bundesgebiet nur sehr geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an
der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen
aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH
ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der
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Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG war daher im vorliegenden Fall dringend
geboten und auch nicht unverhältnismäßig.
Es liegt daher kein Eingriff in das Privatleben des BF vor, welcher zur Erreichung der im Art. 8
Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet
des Fremdenwesens, Interesse an geordneter Zuwanderung und wirtschaftliches Wohl des
Landes) nicht geboten oder zulässig wäre (VwGH 09.09.2010, 2006/20/0176).
3.4.5. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung liegen somit vor und
war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids abzuweisen.
3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig
festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder
mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen
zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch
Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder
das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als
Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge
willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts
verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für
die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer
Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder
ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative
(§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die
Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte entgegensteht.
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Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten können keine Gründe erkannt werden, aus
denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Die
Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Indien ist gegeben.
3.6. Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides
Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über
einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder
durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von
Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht
hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich
nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine
durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein
durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke
abnehmen zu lassen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine
Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat
eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder
Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung
des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines
internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (§ 18 Abs. 5 BFA-VG).
Das Bundesamt stützte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-
VG. Der Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ist unter Berücksichtigung der Judikatur zu § 6
Z 3 AsylG 1997 eng auszulegen. Er ist nur dann erfüllt, wenn „unmittelbar einsichtig“ ist und
sich das Urteil quasi „aufdrängt“, dass die vom Asylwerber vorgebrachten und für die
Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblichen Schilderungen tatsächlich wahrheitswidrig
- 46 -
sind (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht § 18 BFA-VG, E1). Es ist daher zwingend
zwischen „schlichter“ und „offensichtlicher“ Unglaubwürdigkeit zu unterschieden und ist
hierauf in der Begründung des Bescheides Bezug zu nehmen
(Filzwieder/Frank/Kloiblmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, §18, E2).
Dem Bundesamt ist gegenständlich nicht entgegenzutreten, wenn es zu dem Ergebnis kommt,
dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers qualifiziert unglaubwürdig ist, zumal dieser
– wie in der Beweiswürdigung dargelegt – im Rahmen der ausführlichen Einvernahme vor dem
Bundesamt nicht einmal ansatzweise in der Lage war, konkrete Verfolgungshandlungen zu
schildern.
Umstände, wonach anzunehmen wäre, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder
Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von
Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention
bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der
Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind – wie den Ausführungen unter Punkt
3.2. zu entnehmen ist - nicht hervorgekommen.
Im Übrigen ist der BF der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in seiner Beschwerde
nicht substantiiert entgegengetreten.
Insgesamt ist daher der Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG als erfüllt anzusehen und war
im Ergebnis die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung rechtmäßig.
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise, wenn eine
Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Da die
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG
rechtmäßig war, war dem BF sohin keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren. Die
Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI. und VII. war folglich als unbegründet abzuweisen.
3.7. Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides
3.7.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit
Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den
Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
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Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die
Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des
Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit
einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen
die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK
genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen,
wenn der Drittstaatsangehörige:
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung
1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr.
120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG,
gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf
ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG,
gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder
wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des
Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes
rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro
oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um
eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener
Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft
worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist,
rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte
dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des
Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere
Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der
Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder
eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für
die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die
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Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der
österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt
oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder
eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen
Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat
oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines
Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen
Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang
zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender
Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes
statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern
getäuscht hat.
3.7.2. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nicht entgegenzutreten, wenn dieses
zur Begründung des Einreiseverbotes anführt, dass der Beschwerdeführer den Besitz der
Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ,
untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er
nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein
Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die
Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel
nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde
einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl.
VwGH vom 21.06.2012, Zl. 2011/23/0305, mwN).
Der BF hat im gegenständlichen Verfahren nicht einmal dargelegt, dass er zumindest über
Mittel zur kurzfristigen Sicherung seines Lebensbedarfes verfügt, was im Umstand, dass der
Beschwerdeführer nicht erwerbstätig oder selbsterhaltungsfähig ist, gründet. Weder im
Verfahren vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde hat er Nachweise über ausreichende
Existenzmittel erbracht. Es kann sohin nicht erkannt werden, dass er über ausreichende
Unterhaltsmittel verfügt.
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Im Falle der Mittellosigkeit eines Fremden bedarf es nicht der Feststellung weiterer Umstände,
um eine negative Prognose für den weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet zu
begründen (VwGH 13.12.2001, 2001/21/0158; 13.12.2002, 2000/21/0029).
Die Mittellosigkeit des Fremden ist im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr der
illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt eine ausreichende Grundlage für die
Rechtfertigung der Annahme, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche
Ordnung oder Sicherheit gefährdet (vgl. zB VwGH 14.04.1994, 94/18/0133). Dafür, dass die
umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist nicht erforderlich, dass der Fremde tatsächlich
bereits strafbare Handlungen begangen hat; bereits die Gefahr der finanziellen Belastung der
öffentlichen Hand rechtfertigt die besagte Annahme (zB VwGH 13.10.2000, 2000/18/0147;
17.12.2001, 99/18/0182; 13.09.2006, 2006/18/0215).
Eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK wurde bereits im gegenständlichen
Erkenntnis durchgeführt. Wie bereits ausgeführt, verfügt der Beschwerdeführer über kein
berücksichtigungswürdiges Privat- und Familienleben in Österreich. Ebenso wurde bereits
dargelegt, welchen öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK der Aufenthalt des
Beschwerdeführers im Bundesgebiet entgegensteht.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremden- und arbeitsmarktrechtlicher
Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher
Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden
Gesamtbetrachtung das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt in den
vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal sein Lebensmittelpunkt in Indien liegt und er
keine relevanten Bindungen in Österreich oder in anderen vom Einreiseverbot umfassten
Ländern hat.
Der BF hat gegenständlich keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensausübung
betreffend die Verhängung eines Einreiseverbotes durch das Bundesamt nicht im Sinne des
Gesetzes erfolgt wäre. So hat sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Erlassung
eines befristeten Einreiseverbotes zu Recht auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 53 Abs.
1 iVm Abs. 2 FPG gestützt (vgl. VwGH vom 24.05.2018, Ra 2018/19/0125-1, mit welchem der
Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall einer Amtsrevision des Bundesamtes
stattgegeben hat).
Hinsichtlich der Dauer des Einreiseverbotes ist festzuhalten, dass das Bundesamt nicht einmal
ein Drittel der gesetzlich möglichen Dauer verhängt hat, was angesichts des Verhaltens des
Beschwerdeführers in Bezug auf die Einhaltung der österreichischen Einreise- und
- 50 -
fremdenrechtlichen Bestimmungen sowie seine Mittellosigkeit nicht zu beanstanden ist. Es
kann daher seitens des Bundesverwaltungsgerichts kein Grund erkannt werden, wonach die
Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. In der
Beschwerde wurden überdies in Bezug auf das Einreiseverbot keine konkreten Gründe
geltend gemacht - und ergaben sich solche auch nicht amtswegig - die dessen Rechtsmäßigkeit
zu widerlegen vermochten.
3.8. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der
Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich
aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen
entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
§ 21 Abs. 7 erster Satz BFA-VG entspricht zur Gänze dem Wortlaut der Bestimmung des durch
das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehobenen §
41 Abs. 7 erster Satz AsylG 2005. In der Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) wurde zu §
21 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 64/2013 ausgeführt: "§ 21 entspricht dem geltenden § 41 AsylG 2005
und legt Sondernomen für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in
Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen des Bundesamtes fest." Zu § 21 Abs. 7 hält die
RV fest: "Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann,
wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen
des BFs nicht den Tatsachen entspricht.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für
erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das
vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde
zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde
angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für
rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder
abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann
das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer
Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine
weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung
weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
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BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl.
Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24
Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die
Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der
(fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des
Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit
des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen
Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der
Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das
Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits
ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt
wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).
In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof
davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der
Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr
folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung
entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in
einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den
Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich
gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die
entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung
in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden
Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf
kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber
hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß
unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes
ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG
festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist
bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen." (VwGH 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017).
3.8.1 In der Beschwerde wurde ein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung
gestellt.
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3.8.2 Da sich dem Vorbringen in der Beschwerde kein neues entscheidungsrelevantes
Tatsachenvorbringen entnehmen lässt und auch den beweiswürdigenden Erwägungen nicht
in ausreichend substantiierter Weise entgegengetreten wurde, ist der maßgebliche
Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.
Auch weist die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bezogen auf den
Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich
gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich sohin
zur Gänze der Beweiswürdigung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl
anschließen. Zudem wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des
Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder ein
darüberhinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Daher konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-
VG iVm § 24 VwGVG Abstand genommen werden. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch
weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl.
Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder
Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der
Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig,
weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung
abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf
eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare
Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den
einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.