die macher des modernen japan: autobiographien japanischer unternehmer

49
Die Macher des modernen Japan Autobiographien japanischer Unternehmer 22. Januar 2014, 18:30-20:00 Uhr Bibliothek der OAG Matthias Wittig, Sophia Universitä

Upload: dokkyo

Post on 29-Jan-2023

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Die Macher des modernen Japan

Autobiographien japanischer Unternehmer

22. Januar 2014, 18:30-20:00 UhrBibliothek der OAG

Matthias Wittig, Sophia Universität

Gliederung1.Einführung in das Thema2.Erinnern und Erzählen

3.(Unternehmer)Autobiographien in Japan

4.Projektvorstellung5.Textbeispiele

1. Einführung in das Thema

(gr. autós: selbst, bios: Leben, gráphein: schreiben)

Ein Mensch beschreibt sein eigenes Leben, in der Regel von den ersten Erinnerungen bis zum Schreibzeitpunkt oder zu einem anderen zäsurbildenden Zeitpunkt.(Holdenried 2000:12)

Daniel Goeudevert (1942*)

Eine Autobiographie zu schreiben ist ein schmerzhafter Prozeß. Es ist, als ob man sich selbst am offenen Herzen operiert – ein chirurgischer Eingriff bei vollem Bewußtsein, bei dem der Patient auch noch selbst das Skalpell führt.

(Goeudevert 1996:9)

Weiterführende Kriterien

Der Text muss hauptsächlich eine Erzählung sein

Die Perspektive muss hauptsächlich rückblickend sein

Das Thema muss hauptsächlich das individuelle Leben und die Herausbildung der Persönlichkeit sein.

Es besteht Identität zwischen Autor, Erzähler und dem Protagonisten.

(Lejeune 1975; 1994:15)

Grenzgänger zwischen Geschichte und Literatur

Historisches bzw. menschlich-lebensweltliches Interesse: Einblicke in fremde Leben

→ lesbar als historisches Zeugnis

Ästhetisches Interesse:

Wie bewältigt der Autor seine Aufgabe künstlerisch-literarisch?

→ lesbar als literarisches Kunstwerk

Auf zwei verschiedenen Hochzeiten

Mehr noch als die Biographie steht die Autobiographie in der Spannung dieser doppelten Perspektive, insofern als die Autorin oder der Autor die Chronik des eigenen Lebens schreibt, d.h. Subjekt und Objekt der Darstellung zugleich ist. Ihre zweifache Lesbarkeit als historisches Zeugnis und als literarisches Kunstwerk, ihr Grenzgängertum zwischen Geschichte und Literatur scheint die Autobiographie an eine Randposition des genuin literaturwissenschaftlichen Feldes zu verweisen – und doch betrifft sie aus ebendenselben systematischen Gründen den Kernbereich allgemeinliteraturwissenschatlichen Fragens und Erkennens.(Wagner-Egelhaaf 2005:1)

Rezeptionshaltung1. Die Lektüre ist historisch, menschlich-

lebensweltlich motoviert und dient der Befriedigung des Informationsbedürfnisses eines Rezipienten.

Zentrale Frage: Was passierte im Leben von Person A?

2. Die Lektüre ist ästhetisch motiviert.

Zentrale Frage: Wie wird das historisch zurückliegende Leben

von Person A (künstlerisch-literarisch)

dargestellt?

Fukai Eigo (1871-1945)

Im Jahre 1871 verlor die althergebrachte Samurai-Klasse infolge der Abschaffung der Daimyate und der Errichtung von Präfekturen mit einem Male Leibrente und Broterwerb. Mein Vater stand damals im 53. Lebensjahr, aber fortan zog er sich gänzlich aus dem öffentlichen Leben zurück, unterwarf sich einer kargen Lebensweise und hielt als Überlebender einer vergangenen Epoche unerschütterlich an seinen Grundsätzen fest. […] Und obgleich er unter der Herrschaft der Daimyate die Beziehungen zum Ausland aufmerksam verfolgt hatte, versteifte er sich nach seinem Rückzug aus dem öffentlichen Leben auf eine anti-ausländische Haltung und vermied tunlichst den Umgang mit neumodischen fremdländischen Gegenständen. […] Es war dies gewiß seine Art, in seiner Wortlosigkeit seiner Haltung zum Zeitgeschehen Ausdruck zu verleihen.(Fukai 1988:13)

Fukai Eigo (1871-1945)

Mein Vater hatte mir niemals auch nur im geringsten etwa bedeutet, ein Fortkommen anzustreben, doch obgleich er sich selbst zu seiner Abneigung gegen alles Fremdländische bekannte, war es auch vorgekommen, daß er in die Bücher über die Geschichte des Abendlandes, die ich las, hineinschaute und Interesse zeigte; er billigte es, daß ich bei einem christlichen Pater Englisch lernte, und verzichtete sogar auf Widerstand dagegen, daß ich getauft wurde; es freute ihn, daß ich die Möglichkeit erhielt, in eine christliche Schule einzutreten. In seinem Starrsinn gab es durchaus auch Einsicht; er selbst liebte es nicht, eine Haltung an den Tag zu legen, als habe er sich mit der neuen Zeit abgefunden, in seinem Herzensinnern aber wünschte er wohl doch, daß seine Kinder sich ihr anpaßten.

(Fukai 1988:18)

2. Erinnern und Erzählen

Erinnern und ErzählenDer enge Zusammenhang zwischen Erinnerung und Erzählung ergibt sich jedoch nicht nur aus der Tatsache, daß Erinnerungen meist erzählend zum Ausdruck kommen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß Erzählschemata nicht nur die Verbalisation, sondern bereits die Elaboration von Erinnerungen organisieren. […] Erinnern und Erzählen folgen denselben Mustern kohärenter Konstruktion von Zusammenhängen und denselben Mustern temporaler Organisation. […] Im Vorgang des Erinnerns bzw. des Erzählens ordnet sich der Erzähler den verschiedenen Bezugssystemen seines Lebens zu und verknüpft sie zu einer kohärenten Geschichte ebenso wie er dabei bereits auf individuelle wie gruppenspezifische Wahrnehmungsmuster zurückgreift. Das Phänomen der Erinnerung, das Konzept der Vergangenheit sowie das Schemata der Erzählung stehen in einem komplementären Verhältnis, sie bedingen einander, stützen sich gegenseitig und stellen eine untrennbare Einheit in der Lebensgeschichte des Menschen dar.(Markus 2006:26)

Erzählen als Erkenntnisstruktur

In den untersuchten Texten werden die genannten Unternehmer-Funktionen, im Zuge der Rekonstruktion des Unternehmerlebens als Geschichte, narrativ ausgestaltet. Dabei beschreiben die Unternehmer ihr Leben als zielgerichtete Ereigniskette, die trotz verschiedener Hindernisse und dank einiger Zufälle zum gegenwärtigen Zustand geführt hat. Das Erzählen ihres Lebens bietet ihnen eine grundlegende Erkenntnisstruktur, die unübersichtliche Vielfalt der Ereignisse zu ordnen und Erklärungsmuster zu liefern.

(Fludernik 2006; 2010:9 f.)

Daniel Lawrence Schacter (1952*)

Insgesamt muß man wohl zusammenfassen, daß die scheinbar unmittelbare Erinnerung an biographische Erlebnisse und Ereignisse als Produkte subtiler Interaktionen all jener Prozesse zu verstehen ist [sic!], die am Werke sind, wenn unser Gehirn Erinnerungsarbeit leistet: Interaktionen also zwischen den Erinnerungsspuren an Ereignisse, dem Wiedererwecken von Emotionen, dem Import «fremder» Erinnerungen, affektiven Kongruenzen und ganz generell den sozialen Umständen der Situationen, in denen über Vergangenes erzählt wird.(Schacter 1996:132)

Andō Momofuku (1910-2007)

Es fiel mir ausgesprochen schwer, auf mein Leben, das beinahe ein ganzes Jahrhundert gedauert hat, zurückzublicken und dem Faden meines Gedächtnisses zu folgen. Namen bestimmter Personen wollten mir nicht einfallen. Vor- und Nachher gerieten durcheinander. Und weil [in dieser Zeit] so viel passiert ist, habe ich mehrfach alles durcheinandergebracht. Widerspricht das nicht den historischen Tatsachen? Ob die Ausdrucksweise nicht verletzend für jemanden ist? Über solche Dinge nachzudenken war für mich so anstrengend, dass ich des Nachts nicht schlafen konnte. Als der Monat der Veröffentlichung dann zu Ende war hatte ich meine komplette Geschichte erzählt, so dass ich mich nackt fühlte. Auf der einen Seite schämte ich mich zwar auf der anderen Seite fühlte ich mich aber auch frisch.(Andō 2008:8)

Autobiographie als Ich-Propaganda

Die Autobiographie ist eine Textart, in der eine Überzeugung narrativen Gehalts mit narrativen Mitteln propagiert wird. Der Autobiograph will seine Leser davon überzeugen, dass sich bestimmte Ereignisse in seinem Leben tatsächlich so zugetragen haben. Dies sucht er in der Regel dadurch zu erreichen, dass er einfach über die betreffenden Ereignisse berichtet. Bei umstrittenen Ereignissen wird er versuchen diese in seinem Sinne zu erklären bzw. seine Sicht der Dinge nahelegen und den Leser schließlich von der alleinigen Sinnhaftigkeit seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. (Kaufmann 2009:501 f.)

Autobiographie als Rechenschaftsbericht

Der Versuch, die Überzeugung des Hörers oder Lesers zu beeinflussen bzw. den Leser für die eigene Person und das eigene Leben, für das in der Autobiographie Rechenschaft abgelegt wird, einzunehmen, ist ein Grundelement einer jeden Kommunikation und somit eines jeden Textes.(Kaufmann 2009:500)

Noma Seiji (1878-1938)

Mein Ziel ist nicht Eigenruhm oder Reklame für mich selbst: Es ist kein anderes als mich getreulich und offenherzig beim englischen Lesepublikum einzuführen, damit man mich richtig versteht – so wie ich bin. [...]

In der Erwägung, daß eine stetig wachsende Neugier besteht, über den Lebenslauf von Männern etwas zu erfahren, die in der Welt etwas erreicht haben und da auch ich mich in der Gefahr befinde, manchmal mit Farben und manchmal mit Schmutz abkonterfeit zu werden, glaube ich mir selbst nicht mehr als das einfachste Recht zuteil werden zu lassen, wenn ich eine wahre Geschichte von dem Mann erzähle, den ich vielleicht besser kenne, als irgendjemand sonst in der Welt.(Noma 1935:7)

Heinrich von Pierer (1941*)

An angebliche und nur gerüchteweise kolportierte illegale Zahlungen der Konkurrenz habe ich, wenn ich diese Äußerung überhaupt gemacht haben sollte, bestimmt nicht gedacht. Dass man dennoch diese Bemerkung im »Unterton« als Aufforderung zur Bestechung ansehen konnte, das bezeichnete ich gegenüber der Staatsanwaltschaft – höflich, aber doch deutlich – als weit hergeholt.(Pierer von 2011:12)

3. (Unternehmer)Autobiographien in Japan

Autobiographisches in Japan

jiden/jijoden 自自 / 自自自 (Autobiographie)

jidenteki tekisuto 自自自自自自自 (autobiographische Texte)

jiden meita mono 自自自自自自自 (autobiographieartige Texte)

kaisōroku 自自自 (Memoiren)

kaikoroku 自自自 (Lebenserinnerungen)

jibunshi 自自自 (Eigengeschichten)

nikki 自自 (Tagebücher)

zuihitsu 自自 (Miszellen)

waka-Dichtung 自自 (wörtl. japanisches Lied)

haibun 自自 (literar. Mischform aus Haiku und Prosa)

Autobiographien in Japan I

Als ich mich dann […] umsah, fielen die vorhandenen Abhandlungen über, sowie Untersuchungen zu Autobiographien unerwartet spärlich aus. Meines Wissens nach hat es bisher so gut wie keine systematische, umfassende Arbeit gegeben, die sich mit den Autobiographien von Japanern auseinandersetzt. […]

(Saeki 1974; 1991:15)

Autobiographien in Japan I

Egal wie viele japanische Literaturgeschichten ich aufschlug und egal in wie viele detaillierte Listen mit wissenschaftlicher Literatur ich auch schaute, es ließ sich partout kein Eintrag finden, der sich mit Autobiographien beschäftigt hätte. Es war nicht so, dass es sie an sich nicht gegeben hätte. [Zwar] existierte bereits eine beträchtliche Anzahl faszinierender Texte. Lediglich in der Literaturgeschichte und auf dem Gebiet der Literaturkritik waren sie anscheinend noch nicht rechtmäßig anerkannt. Weniger, als dass man sie als uneheliche Kinder behandelte, schien es vielmehr so, als wären sie von Anfang an ignoriert worden.

(Saeki 1974; 1991:15)

Autobiographien in Japan II

[Es] existierten damals zwei Wünsche in mir: ich wollte die Autobiographie irgendwie als legitimes literarisches Genre etablieren, also gewissermaßen das Motiv eines Kritikers, und ich wollte durch sie mit dem Leben und der Geschichte in Berührung kommen, also sozusagen ein universell menschliches Motiv. Ich erinnere mich noch an meine Unzufriedenheit mit der übermäßigen Romanzentriertheit, der Bedeutung, die dem Fiktionalen beigemessen wurde oder besser gesagt mit der Tendenz hin zu einem Roman-Imperialismus. Ich wollte die Autobiographie […] sicher auf literarisches Terrain führen.

(Saeki 1981, S. 285)

Das Interesse an Unternehmern findet seinen Ausdruck in:

Autobiographienautobiographischer Literatur mit Ratgebercharakter

MemoirenZitat-Sammelbänden

Sammelbänden zu UnternehmerbiographienManga Museen etc.

Titelbeispiele

Unternehmermuseum in Osaka

4. Projektvorstellung

Erkenntnisinteresse

Wie konstruiert der Unternehmer-Autobiograph sich selbst in seinem

Text ?

Für die Autobiographie […] mag das Gleiche gelten wie für die psychologische Selbstkonzeptforschung und die Psychologie des Selbstdarstellungsverhaltens ganz besonders: Es muß nicht Aufgabe des Wissenschaftlers sein, das Zutreffen des von einer Person bezüglich ihrer Persönlichkeit Behaupteten zu ergründen, sondern es kann seine Aufgabe gerade darin bestehen, in zutreffender Weise zu erforschen, wie eine Person sich als Persönlichkeit darstellt, wie sie von anderen als Persönlichkeit gesehen werden möchte.

(Mummendey 1995:26)

Hans Dieter Mummendey (1940*)

Zentrale Begriffe der Untersuchung sind

das unternehmerische Selbstverständnis

die Selbstverortung des schreibenden Individuums im Hinblick auf verschiedene Bezugssysteme

die für die Außenwelt bestimmte Selbstkonzeption des Verfassers

Vorannahme

Unternehmerische Subjektivität ist das

Ergebnis eines Zusammenwirkens

verschiedener sozialer und politischer Diskurse.

Unternehmerische Bezugssysteme sind:

das Unternehmendie Familie

(politische) Institutionen Gewerkschaften

die „Gesellschaft“religiöse Gemeinschaften

etc.

Bei den ausgewählten Quellen handelt es sich um Texte…

von Verfassern, die im gleichen Zeitraum (1920-32) geboren wurden und zu den Trägern des raschen Wirtschaftswachstums Japans bzw. zu der Personengruppe zählen, die nach dem Zweiten Weltkrieg die notwendigen Bedingungen für selbiges geschaffen haben.

deren Verfasser zum Schreibzeitpunkt im gleichen Alter (70+) sind.

von Unternehmern, die durch ihre schriftstellerische Aktivität (Autobiographien und andere Selbstzeugnisse z.B. auf der eigenen Lebensgeschichte und persönlichen Erfahrungen basierende Texte zu Unternehmensführung, Personalmanagement, Unternehmensphilosophie usw.) auffallen.

die ursprünglich in der Kolumne Watashi no rirekisho [Mein Lebenslauf] der Nihon keizai shinbun erschienen sind.

die für die Publikation in Buchform umfassend überarbeitet und im Umfang teilweise um ein Vielfaches der ursprünglichen Textgestalt erweitert wurden.

Lebenszeit und Herkunf

t

Unternehmensgründung

Alter bei

Veröffentlichu

ng

Im Text abgedeckter Zeitraum

Textumfang

Higuchi Hirotarō

1926-2012Kyōto

(1986) 74 Jahre

Geburt bis Schreibzeitp

unkt283 Seiten

Tsukamoto Kōichi

1920-1998Shiga/Kyōto

1946 70 Jahre

Geburt bis Schreibzeitp

unkt174 Seiten

Inamori Kazuo

1932*Kagoshim

a 1959 70

Jahre

Geburt bis Schreibzeitp

unkt273 Seiten

Ishibashi Nobuo

1921-2003Nara

1955 70 Jahre

Geburt bis Schreibzeitp

unkt244 Seiten

Einige Verfasser- und Textkriterien

Higuchi Hirotarō 自自自自自 (2001; 2003): Wa ga keiei to jinsei 自自自自自自自 [Meine Unternehmensführung und mein Leben]. Tōkyō: Nihon keizai shinbun sha.

Tsukamoto Kōichi 自自自 一 (1990; 1991): Watashi no rirekisho 自自自自自 [Mein Lebenslauf] Tōkyō: Nihon keizai shinbun sha.

Inamori Kazuo 自自自自 (2002; 2004): Inamori Kazuo no gaki no jijoden 自自自自自自自自自自自 [Inamori Kazuos Autobiographie eines Lausejungen]. Nihon keizai shinbun shuppan sha.

Ishibashi Nobuo 自自自自 (1991; 1992): Futō fukutsu no hibi 自自自自自自自 [Unerschütterliche Tage]. Tōkyō: Nihon keizai shinbun sha.

5. Textbeispiele

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Higuchi Hirotarō

„Meine erste Bekanntschaft mit einem Katholiken fiel in meine Studentenzeit an der Universität Kyōto. Verbraucht von der Studentenbewegung wollte ich noch einmal ganz von vorn mit meinem Studium anfangen und ging, um mehr über das Christentum zu erfahren, zur Kirche in Nishijin. Dort fand ich in dem jungen Pater Fukuzawa einen Gleichgesinnten und trat dem christlichen Glauben bei.“ (Higuchi 2001; 2003:126 f.)

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Higuchi Hirotarō

„Diejenigen, die nichts über die katholische Religion wissen, denken vielleicht, dass dies ein besonders steifer Glaube sei. Doch lachen wir immer fröhlich, und letztendlich zählt nur, dass man sich seinen Glauben bewahrt. Richtig sind nur die Gesetze Gottes, und solange man an diese glaubt und sich nach ihnen richtet ist es gut. […] Aber nicht nur das, ich gehe auch zum Schrein in unserer Firma und klatsche dort in die Hände oder falte an einem Tempel meine Hände zum Gebet. […] In meinem Herzen streiten die Götter und Buddhas nicht miteinander. Heute sind in mir Shintō, Buddhismus und die katholische Religion miteinander vermischt.“ (Higuchi 2001; 2003:177 f.)

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Tsukamoto Kōichi I

„Im übrigen war der religiöse Führer, dem ich auf der Hochzeit […] eines Gründungsmitglieds von Wakōru im Jahre Shōwa 25 begegnet war, der Führer der Organisation Shizen sha Ono Etsu-sensei. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit den bra pads, mit denen ich gerade erst begonnen hatte, bereits an einem toten Punkt angekommen, gerade zu einem Zeitpunkt, als ich ohnehin von allen Seiten von Feinden umgeben war. Da fragte ich Ono-sensei nach einer Geisteshaltung mit der ich meine Schwierigkeiten würde überwinden können. Er antwortete mir äußerst simpel: „Auf dieser Welt gibt es so etwas wie Schwierigkeiten überhaupt nicht.“ […]

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Tsukamoto Kōichi I

[A]nschließend besuchte ich für ungefähr zwei Jahre früh morgens nach dem Aufstehen seine Klasse und ließ mich von ihm anleiten. […] Die Shizen sha predigt die Gesetze des Universums und die Essenz des Menschen. Die Vollendung der Lehre bestand in der Erkenntnis, dass man „leben gelassen wurde.“ […] In mir regten sich nach und nach immer mehr Zweifel, und ich holte mir Rat. Ich erinnere mich noch an den Moment, als sich auch mein letzter Zweifel aufgelöst hatte. Mit den Worten „Ich habe verstanden“ kippte ich mit tränenden Augen und laufender Nase um. Das nahm ich zum Anlass, aus der Shizen sha auszutreten. Denn ich war Unternehmer und kein Mann der Religion.“ (Tsukamoto 1991:83 f.)

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Tsukamoto Kōichi II

Als wir das neue Hauptgebäude bauten, wollten wir einen alten Kampferbaum, der mitten auf dem Grundstück stand, abholzen. Doch an seinem alten Stamm waren noch die Abdrücke eines geweihten Strohseils zu erkennen. Als ich meinen Bekannten, den Geistlichen Kurata […] mitnahm lautete sein Orakelspruch „Es handelt sich hier um eine Drachengottheit. Da Ihre Vorfahren ihr einmal geholfen haben, ist sie als Zeichen der Dankbarkeit aufgetaucht. Sie muss als Gottheit verehrt werden.“

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Tsukamoto Kōichi II

Damit die Drachengottheit unser altes Wakō shōji Firmenschild sowie andere Gegenstände in ihre Obhut nahm gaben wir ihr den Namen „Wakō dairyūjin“ [Große Wakō Drachengottheit] und bauten einen Schrein für sie. Der Wakō-jinja [Wakō-Schrein], neben dem Eingang des heutigen Hauptgebäudes, dient der Verehrung dieses Wakō dairyūjin. Es ist eine Tatsache, dass sich das Schicksal des Unternehmens mit jeder Opfergabe auf wundersame Weise zum Besseren wendet.(Tsukamoto 1991:113)

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Inamori Kazuo I

„Am 7. September 1997 (Heisei 9) erhielt ich im Empuku-ji des Hachiman in Kyōto die buddhistische Priesterweihe und den buddhistischen Namen „Daiwa“. Priester war Meister Nishikata Tansetsu vom Empuku-ji, ein Angehöriger der Rinzai-Schule des Myōshin-Schreins gewesen.

Durch eine frühere Begegnung mit einem Yoga-Gelehrten war ich einfach davon ausgegangen, dass mein Leben ungefähr 80 Jahre dauern würde. Die zwanzig Jahre nach meiner Geburt dienten der Vorbereitung, um in die Gesellschaft hinauszugehen. Die darauffolgenden 40 Jahre waren die Zeit für die Gesellschaft zu arbeiten und die eigenen Kenntnisse zu vertiefen. Die letzten zwanzig Jahre dienten der Vorbereitung für den Aufbruch der Seele. Zwar hatte ich bereits an meinem sechzigsten Geburtstag die Absicht gehabt mit den Vorbereitungen zu beginnen, doch durch die starke Arbeitsbelastung kam es anders, als ich es mir vorgestellt hatte.

(Inamori 2002; 2004:253)

„Als ich das ungewohnte Almosensammeln fortsetzte, da schrammte ich mit meinem aus den Strohsandalen herausschauenden Zeh über den Asphalt, so dass dieser zu bluten anfing. Daran lässt sich jetzt auch nichts ändern dachte ich, doch als ich den Schwerpunkt auf die Ferse verlagerte und weiterlief, da schmerzte es mir plötzlich in der Wade. Es wurde Abend, und ich ging mit herunterhängender Schultertasche und erschöpftem Gang weiter, als eine ältere Dame, die herabgefallene Blätter aufsammelte, auf mich zu kam und sagte: „Sie haben es nicht leicht, was! Bitte kaufen Sie sich davon doch Brot oder etwas anderes“, wobei sie mir unauffällig eine 100 Yen-Münze zusteckte. Als ich diese an mich nahm, da erfüllte mich, ohne zu wissen warum, ein unbeschreibliches Glücksgefühl, und ich war den Tränen nahe. […] Dieses Glücksgefühl war, als würde es meinen ganzen Körper durchziehen, und voller Rührung dachte ich, dass auch dies die Liebe der Götter und Buddhas sei.“

(Inamori 2004:256)

Selbstkonstruktion als religiöses Subjekt: Inamori Kazuo II

Auswahlbibliographie

Fludernik, Monika (2006; 2010): Erzähltheorie. Eine Einführung. 3. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Goeudevert, Daniel (1996): Wie ein Vogel im Aquarium. Aus dem Leben eines Managers. Berlin: Rowohlt. Holdenried, Martina (2000): Autobiographie. Stuttgart: Reclam. Lejeune, Philippe (1975; 1994): Der autobiographische Pakt. Frankfurt/ M.: Suhrkamp. Markus, Sandra (2002): Bilanzieren und Sinn stiften. Erinnerungen von Unternehmern im 20. Jahrhundert. Studien zur Geschichte des Alltags, Bd. 20. Stuttgart: Steiner.

Noma Seiji (1935): Kodansha. Die Autobiographie des japanischen Zeitungskönigs. Berlin: Holle & Co. Pierer von, Heinrich (2011): Gipfel-Stürme. Die Autobiografie. Berlin: Econ. Kaufmann, Paulus (2009): „Narrative als Mittel der Überzeugung in Kūkais Hizōhōyaku“. In: Steineck, Christian; Müller, Simone (Hg.) (2009): Asiatische Studien. Zeitschrift der Schweizerischen Asiengesellschaft, LXIII, 3, 2009. Narratologische Untersuchungen zu japanischen Texten. Bern etc.: Peter Lang, S. 497-514.

Saeki Shōichi (1974; 1991): Nihonjin no jiden [Autobiographien von Japanern]. Tōkyō: Kōdansha gakujutsu bunko.

Ders. (1981): Kindai nihon no jiden [Moderne japanische Autobiographien]. Tōkyō: Kōdansha. Ders. (2001): Jiden no seiki [Das Jahrhundert der Autobiographie]. Tōkyō: Kōdansha bungei bunko. Wagner-Egelhaaf, Martina (2005): Autobiographie. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

.