die antiken in der kubanischen literatur: von kolumbus über martí bis carpentier

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Othmar Jaeggi Anna Laschinger L Archäologisches Seminar der Universität Basel E

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Othmar Jaeggi Anna Laschinger

L

Archäologisches Seminar der Universität Basel

E

Idee und Projektleitung: Othmar Jaeggi

Katalog

Herausgeber und Redaktion: Othmar Jaeggi Anna Laschinger

Autoren: J. Baerlocher S. Berghoff M. Blech E. Cardet Villegas A. Casoli G. Delgado Toirac H. den Boer P. Fernandez Prieto S. Graber J. Hevi 0. Jaeggi A. Laschinger A. Lezzi-Hafter S. Lutz L. Martin Brito W. Mufioz A. Rangel Rivero D. Reichenecker V. Stürmer S. Tausch

Übersetzung aus dem Spanischen: Sandra Carrasco Manuela Cimeli Othmar Jaeggi

Korrektorat: Thomas Fueglister Martin Guggisberg Marianne Mathys

Fotografien: Othmar Jaeggi

ISBN 978-3-905057-27-0

Gestaltung: Studio Sport Ronnie Fueglister und Martin Stoecklin www.studiosport.in

Lithografie: Gina Folly

Druck: Kösel GmbH & Co. KG Altusried-Krugzell

Impressum

Abbildung Cover: Die 1926 errichtete Grabkapelle des Friedhofs Tomas Acea bei Cienfuegos. Foto: 0. Jaeggi

Hintere Umschlagsinnenseite: El Valle Yumuri bei Matanzas. Foto: 0. Jaeggi

Abbildung vordere Umschlagsinnenseite: Mit freundlicher Genehmigung von USGS Earth Resources Observation and Science Center, Sioux Falls / SO, USA Satellit: Landsat 4-5 TM

Dank

Prof. Dr. Peter Blome

Ausstellung

Skulpturhalle Basel 18. September - 14. November 2010

Konzept: Anna Laschinger Othmar Jaeggi

Kurator in: Anna Laschinger

Assistenz: Werner Mufioz

Mitarbeit: Andrea Casoli Simon Graber Jared Hevi

Gestaltung Plakat: Studio Sport

Öffentlichkeitsarbeit: Anna Laschinger

Prof. Dr. Martin Guggisberg Dr. Tomas Lochman Prof. Dr. Antonio Loprieno Lic. phil. Annegret Schneider Prof. Dr. Rolf A. Stucky Dr. Ella van der Meijden

Max Geldner-Stiftung Emil Dreyfus-Fonds Basler Stiftung für Klassische Archäologie Fachgruppe Alte Geschichte der Universität Basel

Rektorat Universität Basel Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Skulpturhalle Basel

Skulpturhalle Basel, Abguss-Sammlung des Antikenmuseums Basel und Sammlung Ludwig, Mittlere Str. 17, 4056 Basel

© 2010 Alle Rechte vorbehalten

Gesamtkonzept: Othmar Jaeggi, Anna Laschinger

Das Copyright für die Texte liegt bei den jeweiligen Autoren.

Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den jeweils im Bildnachweis am Ende der Kapitel genannten Personen und Institutionen.

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Vorworte von Tomas Lochman und Martin Guggis berg

I

Kuba und die Klassische Antike Othmar J aeggi

II-IX Die Antikensammlung Condes de Lagunillas

II

Zur Geschichte der Antikensammlung Condes de Lagunillas, Museo N acional de Bellas Artes, La Habana

Ernesto Cardet Villegas

III

Muy Sefior ml.o - eine Erinnerung an den Conde de Lagunillas

Adrienne Lezzi-Hafter

IV

Die Vasensammlung JaredHevi

V

Zwei faszinierende Skulpturen: ein <skopasischer Kopf> und ein Kämpfender

Othmar J aeggi

VI

Kubas Aphroditen -vier Statuetten aus der Sammlung Condes de Lagunillas

Anna Laschinger

VII

Asklepios und Babalu-Aye - zwischen klassischem Griechenland und zeitgenössischem Kuba

Simon Graber

VIII

Zwei attische Grabstelen klassischer Zeit Jakob Baerlocher

IX

Zwei Satyrn Andrea Casoli

Inhalt

67

81

X-XVI Antikenrezeption in Architektur und Skulptur

X Architektur und Denkmäler

Othmar J aeggi

XI

Der Templete der Villa de San Crist6bal deLaHabana

Armando Rangei Rivero

XII

89 Der Eklektizismus in der Architektur von Havanna (1925-1935)

Pilar Fernandez Prieto

XIII

97 Universität und Capitolio Sarah Tausch Sabine Berghoff Dirk Reichenecker

XIV

121 Abgusssammlung der Universität Havanna -Museo Dihigo deArqueologfa Clasica

Glisel Delgado Toirac Veit Stürmer

XV

123 Der Neoklassizismus in Cienfuegos Lilia Martin Brito

XVI

13 7 Madrider Architektur von Karl III. bis Franco - ihre klassizistischen Traditionen

Michael Blech

XVII-XX Antikenrezeption in der Literatur

XVII

149 Santerfa - die afroamerikanische Religion in Kuba

Anna Laschinger

XVIII

159 Die Antiken in der kubanischen Literatur: von Kolumbus über Marti bis Carpentier

Harm den Boer

XIX

167 Francisco Chofres La Odilea - die kubanische Odyssee

Werner Mufioz

XX 175 Die Antike als Zeitgenossin

-Alejo Carpentiers La consagraci6n de la primavera

SabinaLutz

Harm den Boer Universität Basel

Übersetzung: Sandra Carrä'."sco

III

159

XVII-XX Antikenrezeption in der Literatur

Muss es uns erstaunen, dass Havanna <die Stadt der Säu­len> ist und dass die klassische Literatur in Kuba auf eine lange Tradition zurückblicken kann? - Nur, wenn wir Europäer unsere Wahrnehmung der Insel auf die tropi­sche Welt des Rh ums und des Klangs oder auf die afrikani­sche Santerfa, also auf die Feier des Exotischen beschrän­ken wollen. Doch die Ausschliesslichkei t dieses Blicks zu pflegen käme - oh Lob der Ironie - einer kolonialisti­schen Handlung gleich, insofern als auf eine andersartige Welt der Gegenentwurf zum Westen projiziert würde. Darüber hinaus würde dies auch bedeuten, nicht nur die Spuren einer griechisch-römischen Kultur zu verwi­schen, sondern auch jene der christlichen, welche, durch Entdeckung und Eroberung errichtet, die karibische Insel tiefgreifend prägte. Die kubanische Literatur weist reichliche Beispiele für die Gegenwart der griechisch­lateinischen Kultur auf, währenddem sie zugleich in ein­deutiger Weise die Entwicklung von der <westlichen> Aneignung des Fremden bis zur <Enteignung> des auf­erlegten Westlichen widerspiegelt. Beschränken wir uns auf drei Namen, um diese Entwicldung aufzuzeigen: Kolumbus, Martl und Carpentier.

Kolumbus

Bei Christoph Kolumbus lässt sich, als Folge der westli­chen Erforschung und Eroberung, die Überführung der antiken Welt auf den amerikanischen Kontinent nach­weisen. Kolumbus, erfahrener Seemann und scharfsin -niger Betrachter, reist mit dem Gepäck der Kultur, der Ideen und Glaubenswelten seiner Zeit und seiner eigenen Lektüren. Der kühne und unabhängige Mann der Re­naissance schuldet allerdings den Berechnungen des Pto­lemäus seinen gewaltigen Irrtum zu glauben, es wäre Indien (Las Indias) die Inseln und der Kontinent, die er entdeckt. Dieses <Asien> ist ihm ein erforschungswür­diger, gelegentlich edenartiger Boden aus Gold und Gewürzen, zugleich Ursprung oder auch Ende der Welt («die Luft äusserst mild ( ... ) es ist eine Lust, sie einzuat­men, so angenehm ist ihr Duft», «zahlreiche Vögel des Feldes» und «wie im Monat April in Sevilla»), wo die tropische Wirklichkeit durch antike Legenden eines uto­pischen Goldenen Zeitalters und eines irdischen Para­dieses überlappt wird. Es ist eine geografische Wirklich­keit, die an der Erfahrung seiner vorangegangenen Reisen (durch das Mittelmeer und entlang der afrikani­schen Küste), aber auch an der Autorität von Plinius' Naturgeschichte gemessen wird. Beispiel: Am 12. Novem­ber 1492 beobachtet Kolumbus ähnliche Bäume wie jene, die er schon auf der Isla de Xio gesehen hatte und die er bei Plinius beschrieben fand.

«Letztere sind sehr zahlreich und gross und haben Blätter und Früchte wie der Mas­tixbaum; sie sind aber weit grösser, als Pli­nius sie schildert, was ich selber auf der Insel Schio im griechischen Inselarchipel beobachtethabe.» (Kolumbus 141; 12.11.1492)

Von Plinius, Herodot oder Plutarch stammt wahrschein -lieh auch seine Vorstellung der Amazonen, jetzt, da er auf einer antillischen Insel weilt, «auf der nur Frauen

leben» (Kolumbus 259; 6.1.1493) und «Ferner wusste er zu berichten, dass die Insel Matinino zur Gänze von Frauen bevölkert sei, ohne einen einzigen Mann» (Kolumbus 269; 13.1.1493). Kolumbus passt die Worte, die er von den amerikanischen Eingeborenen hört, seinen eigenen Vorstellungen und Lektüren an und ver­wechselt so <Cuba> mit Cib~o oder Cipango (Japan): Nie verflüchtigt sich seine Uberzeugung, sich in Asien zu befinden.

Der vielleicht offensichtlichste Zusammenstoss zwischen dem <antiken> Erwartungshorizont und der amerikanischen Wirklichkeit ist der berühmte Auszug aus dem Bordbuch er habe «drei Sirenen [gesehen], die sich aus den Wellen erhoben. Sie waren nicht so schön wie be­schrieben und besassen gar keine menschlichen Züge» (Kolumbus 217; 9.1.1493 ). Angesichts der Wirklichkeit scheint der Admiral an der Detailtreue der ererbten Tradition zu zweifeln, jedoch nicht an ihrer grundsätzli­chen Richtigkeit.

Für Amerika, für Kuba, wird sich die wiederholte, wenn auch ausweichende Darstellung der kannibali­schen Stämme als das weitestreichende Erbe von Kolum­bus' Projektionen erweisen, die die Wilden, die Monster, die tiefste Verkörperung des amerikanischen Anderen als Gegensatz zu den paradiesischen (wenn auch feigen) guten Indios abbilden. Es sind die <hombres de Carib>, also Menschen, die, einer ersten Beschreibung zufolge «nur einäugig seien, und solche, die eine Hundschnauze hätten, welche sich von Menschenfleisch nährten und jeden Menschen, dessen sie habhaft würden, sofort enthaupteten, sein Blut tranken und seine Genitalien abschnitten.» (Kolumbus 133; 4.11.1492).

Auch wenn die wirkliche Begegnung mit diesen Menschen fortwährend verschoben wird, identi­fiziert Kolumbus die <Caribes>, die er auch die von <Canima> oder <Caniba> nennt, mit den Untertanen des grossen Khan, des grossen Königs aus dem Orient.

«Alle Indianer, denen ich bisher begegnet, machen aus ihrer Furcht vor den Be­wohnern von Caniba oder Canima kein Hehl. Sie behaupten, dass jene aufBohio ansässig seien, das meiner Ansicht nach sehr gross sein muss. Diese Canibaleutesol­len die Indianer aus ihren Ländern und Behausungen fortschleppen, da sie feige und wehrlos sind. Meine an Bord befindli- -chen Indianer pflegen nicht in den Küs­tengegenden zu hausen, da die Insel Bohio allzu nahe liegt. So bald sich die Armada anschickte, Bohio anzusteuern, ergriff die Indianer banges Entsetzen aufgefres-sen zu werden. Dazu beteuerten sie, dass die Canibaleute ein einziges Auge und ein Hundegesicht hätten. Ich war der Mei­nung, dass die Indianer die Unwahrheit sprachen, undhegteden Verdacht, dass die gefürchteten Menschenfresser nichts anderes als Untertanen des Grossen Khan waren, die sie in Gefangenschaft schlepp­ten.» (Kolumbus 161-162; 26.11.1492)

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XVIII Die Antiken in der kubanischen Literatur: von Kolumbus über Marti bis Carpentier

Vermutlich ohne es zu merken, hatte sich Kolumbus mit dieser Gleichsetzung eine Rechtfertigung der Erobe­rung und Kolonisierung Amerikas zurechtgedacht.

Die Vorstellung von diesen kannibalischen Wesen kann als erneute Verbindung von althergebrachten­antiken oder mittelalterlichen - Diskursen mit der ame­rikanischen Wirklichkeit gelesen werden. Das Wort <canibales> (Kannibale) ruft schreckliche Assoziationen hervor, ist jedoch nichts anderes als eine Variante von <caribes> oder <caribefi.os> (karibisch). In der Folge der Shakespeare'schen Komödie, The Tempest, in Amerika breit rezipiert und mit lauter mythologischen und Ovid'schen Elementen versehen, enthält das Wort eindeu­tig Anklänge an die Antike. Bekanntlich tritt hier der wilde, primitive und von Prospero versklavte Caliban auf, eine Figur, die Widerspiegelung und zugleich Medita­tion über das kolonisierte Subjekt ist. Der uruguayische Essayist, J ose Enrique Rod6 ( 1871-1917), veröffent­lichte 1902 seinen in der iberoamerikanischen Welt unge­heuer einflussreichen Aufsatz, Ariel, der die gleichna­mige Figur als Vermittler zwischen Menschen und Göt­tern, als Entwurf einer lateinamerikanischen Spiritualität und Gegenmittel gegen die in Prospero verkörperte nordamerikanische (puritanische, angelsächsische) Vor­herrschaft vorschlägt. Seine Sicht auf die neuen Kolonial­mächte, Vereinigte Staaten und England, als Vertreter eines einverleibenden Materialismus und Utilitarismus und Gegenentwurf zu iberoamerikanischen Werten der Spiritualität ist der Antwort sehr ähnlich, die spani­sche Intellektuelle in Bezug auf das gleiche historische Ereignis formulierten, nämlich in Bezug auf den Eingriff Nordamerikas in Kuba 1898.

1972 veröffentlicht der kubanische Schriftsteller und Denker, Roberto Fernandez Retamar, einen Auf­satz, in dem er bekräftigt, dass die Zeit gekommen sei, um sich auf Caliban zurückzubesinnen, auf jene Verkörpe­rung des vom unterdrückenden Kolonialismus verstellten Eingeborenen, der sich nun zu entkolonisieren und stolz die Identität anzunehmen habe, die ihm bislang ver­weigert wurde (F ernandez Retamar).

In der Tat wird das, was man beiKolumbus beob­achten kann, nämlich die fortwährende Anpassung des Anderen an die europäische (Bezugs- )Welt, das Argument sein, welches die Gegenwart der antiken Tradition in Kuba in den Jahrhunderten der Kolonisierung legitimiert und bestimmt. Ebenso wahr wie der Bezug zu Aristote­les bei J uan Gines de Sepulveda, des berühmten Gegners von fray Bartolome de Las Casas, um in den Eingebo­renen <natürliche Sklaven> zu sehen, ist auch die Tatsache, dass derselbe Verteidiger der Indios ein Bild von diesen hegte, das sich genauso aus Vorstellungen speist, die der Antike entnommen sind, so etwa diejenige der <Ley natural>.

Sehr bald schlagen die Antiken Wurzeln in der Neuen Welt. Das in Kuba errichtete Bildungssystem, zugänglich für die Untertanen der Kolonialmächte, nicht jedoch für die afrikanischen Sklaven, fusste auf dem Humanismus der Renaissance und begründete damit eine Tradition der Antike, die sich nahezu ununterbrochen bis ins 20. Jh. hinein hielt ( 1607 gründet der Bischof fray J uan de las Cabezas Altamirano das Seminario Triden­tino, die ersten Lehrer waren Grammatiker, also Latein­kundige. 1689 gründet ein anderer Bischof, Diego

Evelino de Compostela, das Colegio de SanAmbrosio in Havanna. 1721 gewährt Papst Inozenz XIII. mit einer Bulle die Gründung der Universität).

Es überrascht somit nicht, dass die Schriftsteller des Kolonialzeitalters gelegentlich Zeugnisse einer beeindruckenden klassischen Bildung abgeben. Eine be­vorzugte Gattung in der frühen Kolonialliteratur ist die Epik, die die Eroberung verherrlicht, indem sie diese der Gründung des griechischen und des römischen Reichs gleichsetzt. Ein gutes Beispiel für diese Gattung ist der Text, der als ältestes Denkmal der kubanischen Literatur gilt, das Espejo de paciencia von Silvestre de Bal­boa. Der Schriftsteller Alejo Carpentier zeigt in seinem Concierto Barroco, das uns später noch b~schäftigen wird, das befremdliche Moment, mit dem die Uberführung der antiken Welt auf amerikanischen Grund behaftet ist.

«Filomeno ( ... ) der Urenkel eines Negers Salvador, der vor hundert Jahren die Hauptrolle bei einer so aufsehenerregenden Heldentat gespielt hatte, dass ein Dichter des Landes, Silvestre de Balboa mit Namen, sie in einer langen, kunstvoll gereimten Ode mit dem Titel <Spiegel der Geduld> be­sungen habe ... » (Carpentier 1998, 24-25)

«Und so gross ist die Freude der Alten, der Jubel der Frauen und das ausgelassene Lärmen der Kinder, dass sich das Laub der Guajavebäume und das Schilf mit Zuschau­ern füllen, die zu ihrem Kummer nicht zu der Lustbarkeit geladen waren, ein gan­zes Publikum (sagt Filomeno und illust­riert die Aufzählung, indem er Kleidungs­stücke, Hörner, Attribute mit Gesten beschreibt) von Satyrn, Faunen, Sylvanen, Kentauren, Najaden und sogar Hama­dryaden <in Unterröcken>. Das mit den aus kubanischen Guajavebäumen lugenden Satyrn und Kentauren schien dem Reisen­den denn doch mehr der überhitzten Einbil­dungskraft jenes Dichters Balboa zuzu­schreiben zu sein, auch wenn er aus dem Staunen darüber nicht herauskam, dass ein kleines Negerlein aus Regia so viele aus heidnischer Frühzeit überlieferte Namen auszusprechen vermochte.» ( Carpentier 1998,29)

Den Höhepunkt des Überlebens der heidnischen Götter zu Zeiten der Gegenreformation und auf der kolonia­listischen Bühne bildet die kurze epische Dichtung eines anderen kubanischen Kolonialdichters, Manuel Zequei­ra, die die Seeschlacht des Hernan Cortes in La Laguna evoziert. Genau wie Balboa, lässt Zequeira mythologische Wesen in die Schlacht eingreifen, was umso merkwür­diger erscheint als ein Teil des Gedichts der Siegesverkün­digung des christlichen Glaubens in der Neuen Welt gewidmet ist. Als himmlische Erscheinung verkörpert, tritt die Religion vor Cortes' Augen auf den Plan, der sich alsdann von <dem Olymp> beflügelt fühlt:

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XVII-XX Antikenrezeption in der Literatur

«DerOlymphauchtneuenAteminmeinen Arm ein, er unterhält uns, er will, dass vergessend das unreine Protokoll, den Christus eine Neue Welt anbeten soll.» (Henr.lquez Ureiia 101).

Dieser klassizistische Duktus, dessen hauptsächliche Inspirationsquelle die Metamorphosen des Ovid sind, wird einen Abschnitt in Kubas Kolonialgeschichte bezeich­nen, in der die überwältigende natürliche und kulturelle Gegenwart der Karibik hinter einem Wald von auf­gezwungener- christlicher und griechisch-römischer -Kultur verborgen bleibt.

Mart1

Soziale und politische Begebenheiten in den Kolonien, katalysiert durch den nordamerikanischen U nabhän­gigkeitskrieg und die Französische Revolution, beein­flussten unter den kubanischen Schriftstellern, wenn auch verspätet, die Haltung gegenüber der griechisch-lateini­schen Tradition. Während eines ganzen Jahrhunderts vorherrschender Unabhängigkeitsbestrebungen, dem 19. Jh., bleibt die Bildung weiterhin traditionsgebunden, verwurzelt in der Scholastik und gegründet auf der lateinischen Grammatik und Rhetorik.Und es ist diese Kultur, die noch aus den Intellektuellen spricht, die sich am aktivsten für den antikolonialistischen Kampf einsetzen.

Ihre Inspiration suchen diese Intellektuellen frei­lich in den politischen Schriftstellern des lateinischen Zeitalters und in jenen Themenkomplexen der ldassischen Literatur, welche Tyrannei und Korruption kritisieren. Cicero, Cato, Tacitus und andere werden so zu Ideen­trägern der Französischen Revolution gemacht. Der lm­banische Jurist, Journalist und <romantische> Dichter, J ose Maria Heredia ( 1803-1839 ), verwendet seine fundierte Kenntnis der Antiken, um in En el Teocalli de Cholula, Oda al Niagara und Al Oceano einen amerikani­schen Kontinent zu durchqueren, in dem die Musen und Götter der Antike ihre Position als blosses Ornament aufgeben und stattdessen instrumentalisiert werden, um die Grösse und Schönheit der Neuen Welt zu überhö­hen.

Heredia war auch ein Kämpfer für die U nabhän­gigkeit seines Landes, eine Haltung, die ihm die L~n­desverweisung einbrachte. Als Schriftsteller und Uber­setzer von Tragödien mit römischen Diktatoren in den Hauptrollen, greift er einmal mehr auf die Antiken zurück, um seine Freiheitsliebe und seine Ideale sozia-ler Gerechtigkeit auszudrücken ( Suarez Piiia - Duran Ro­dr.lguez 2008).

Ende des Jahrhunderts, gelangt der grosse Schrift­steller, Denker, Politiker und <Vaterlandsheld>, J ose Martl ( 1853-1895 ), zu einer noch tiefgründigeren Sicht auf die Bedeutung des antiken Erbes für seinen Konti­nent. In seinem berühmten Text, Unser Amerika, setzt er die einheimische Geschichte und Mythologie der anti­ken Kultur gleich:

«Die europäische Universität muss der amerikanischen weichen. Die Geschichte Amerikas, von den Inkas an, muss man

im kleinen Finger haben, auch wenn man die der Archonten Griechenlands nicht beherrscht. Unser Griechenland ist dem Griechenland vorzuziehen, das nicht unseres ist. Wir brauchen es notwendiger. Die einheimischen Politiker müssen an die Stelle der fremden Politiker treten. Man pfropfe die Welt auf unsere Republi­ken, aber unsre Republiken müssen der Stammsein. Der besiegte Pedant möge schweigen; es gibt kein Vaterland, in dem der Mensch mehr Stolz empfinden kann als in unseren beklagenswerten amerikani­schen Republiken.» (Mart167).

Die antike Welt fungiert weiterhin als Inspiration und verliert nicht an Ruhm, jedoch hat sie von nun an ihren Platz mit den amerikanischen Klassikern zu teilen.

Von Martl ist ein wunderbares Werk bekannt, das seine Liebe zur Tradition offenlegt und zugleich als Zeugnis für seine eigentümliche Haltung ihr gegen-über dient. Es handelt sich um einen kurzen Text mit dem Titel La Iliada de Homero (Die Ilias des Homer), erschie­nen in der Zeitschrift La Edad de Oro. Mart1 startete die Publikation dieser ZeitschriftvonNewYorkaus, die den Kindern Amerikas gewidmet war. Diese monatliche Zeitschrift zur Unterhaltung und Lehre ist eines der frühesten Beispiele für IGnderliteratur im engeren Sinne, in einer klaren, einfachen Sprache geschrieben und aus einem neuen, in der Romantik verwurzelten Verständnis heraus konzipiert, das ein IGndheitsideal entwirft, wel­ches sich aus der Herrschaft traditioneller Moralkataloge zu befreien gedenkt.

So erschien La Iliada de Homero bereits in der ersten Ausgabe der Zeitschrift. In knapp zehn Seiten ( we­niger als 5' 000 Wörtern) stellt uns Mart1 dort Autor und Werk vor, bringt in einer pointierten Zusammenschau den Kern der Handlung auf den Punkt und zeigt zugleich die Schönheit des epischen Ausdrucks auf. Es ist ein Text, der schon immer Aufmerksamkeit erregt hat inmit­ten zweier Extreme, die in ihm die Banalisierung eines klassischen Textes sahen und derer, die ihn als wahrhafti­gen Schatz und als beste Heranführung von Jugendlichen an das Lesen literarischer Werke betrachteten, welche die der Ilias eigenen Werte mit einem neuen, frischen und kri­tischen Blick vereinigt.

Ein zeitgenössischer Leser kann dieses Werk noch immer als grossartige Quintessenz des homerischen Werks lesen. Mart1, der die aktuellste Forschung zum Epos kennt, stellt, nachdem er die Entstehungszeit thematisiert hat, kurz die Thesen zum kollektiven bezie­hungsweise individuellen Autor vor, bevorzugt Letzteres und beschreibt die grundlegenden Vorzüge, die dem Werk seinen einzigartigen literarischen Charakter verlei­hen: die Charakterisierung der Figuren, die Versifikation, die Musikalität. Von vornherein unterstreicht er den künstlerischen Wert des Epos und betont, wie Homer, anstatt den gesamten trojanischen Krieg zu erzählen, es vorzog, sich auf ein einziges Ereignis zu konzentrieren, das mit dem Zorn des Achilleus seinen Anfang nimmt. Dieses Verfahren veranschaulicht Martls Vorliebe für die Verdichtung des Wesentlichen und die Wichtigkeit der poetischen Anspielung vor dem Hang zur Beschreibung.

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XVIII Die Antiken in der kubanischen Literatur: von Kolumbus über Marti bis Carpentier

Getreu diesen Prämissen, strebt Marti, indem er es vor­zieht, ausgewählte Aspekte der Iliaszu kommentieren, auch keine Vollständigkeit der Werkzusammenfassung an.

Über das Gelingen der Martl'schen Synthese, werden die aktuellen Leser selbst urteilen können, sowie· darüber, wie er in ihr die Vorführung der Hauptfigu-ren mit der Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse verknüpft und dies in einer Ausdrucksweise tut, die die homerische Kunst auf den Punkt bringt und zugleich nachbildet.

Die tiefe Bewunderung, die Marti für Homer ver­spürt und die er seinem jungen Publikum vermittelt, bewahrt ihn nicht davor, sein Hauptaugenmerk auf dieses und dessen Erwartungshorizont zu richten. Marti stellt das griechische Epos nicht als blosses Denkmal dar, son­dern betont «die unterschiedliche Denkweise der antiken Völker und die Umstände, unter denen sie die Götter nach ihrem Bilde formten, so dass die Leser daraus Lehren für ihr zeitsenössisches Leben ziehen können» (Miranda Cancela 21). Der pädagogische Charakter des Textes ist daher nicht bloss im ästhetischen Wert des Gedichtes angesiedelt oder in der Überformung der antiken Epik als patriotisches Modell. Dies erschliesst sich bereits aus den übrigen Aufsätzen der Zeitschrift La Edad de Oro. So wurde bereits festgestellt, dass der erste Aufsatz, Tres heroes, Bolivar, Hidalgo und San Martin gewidmet ist, währenddem die homerischen Figuren nie als Helden be­zeichnet werden (Miranda Cancela 21). Dass es, auf der anderen Seite, einen Aufsatz gibt, der von indischen Geschichten und Sagen handelt, weist daraufhin, dass Marti nicht an das griechisch-lateinische Erbe als einzigen oder gar wichtigsten Bezugspunkt für die literarische und kulturelle Bildung dachte.

Bewunderung und eine gewisse Abmilderung ge­ben sich so beim Reden über Homer die Hand:

«In der Ilias, auch wenn es nicht danach aus­sieht, ist viel Philosophie vorhanden und viel Wissenschaft und viel Politik und man zeigt den Menschen, wie nebenbei, dass die Götter in Wirklichkeit nicht mehr als phantasierte Dichtungen sind und dass die Länder nicht unter der Willkür eines Tyrannen regiert werden können, sondern unter dem Konsens und Respekt derbe­deutendsten Menschen, die das Volk wählt, um zu erklären, auf welche Weise es re­giert werden will.» (Marti, zit. inMiranda Cancela21)

Im Bewusstsein, dass die Werte und Vorlieben sich wan­deln, können die neuen Leser eigene, demokratische Schlüsse ziehen ...

Carpentier

Alejo Carpentier ( 1904-1980 ), Romanautor aber auch Journalist und Musikwissenschaftler ist vermutlich der moderne Schriftsteller, der die Haltung gegenü her der antiken Tradition in der kubanischen Literatur seit Beginn der Republik, 1902, am besten verkörpert. Intellektuelle wie er, die in den ersten Jahrzehnten

des 20. Jh. geboren wurden, vereinen eine sehr umfangrei­che, wenn auch traditionelle Bildung mit Ansprüchen an die Unabhängigkeit der Insel, nicht nur in politischer sondern auch in kultureller Hinsicht. Carpentiers Ge- ' samtwerk weist eine überwältigende Breite an Kenntnis­sen der westlichen, europäischen Kultur auf. Beein­druckend ist seine Kenntnis der spanischen, französi­schen und englischen Literatur sowie der plastischen Kunst und natürlich der Musik, die Achse, um die seine Bildung kreist und seine Leidenschaft, ein Leben lang. Ebenso verblüfft die Gelehrsamkeit, mit der diese Kenntnisse durch unzählige Verweise, Anspielungen und intertextuelle Bezüge glanzvoll vorgeführt werden. Jedoch hat sich Carpentiers Haltung zum europäi-schen Erbe grundlegend verändert im Vergleich zu den früheren Schriftstellern. In ihm ist das Europäische, Klassische zwar eindeutig präsent, es steht allerdings im Dialog oder aber in herausforderndem Widerspruch zu den einheimischen amerikanischen Kulturen. In der Forderung nach einer angemessenen Stellung für die nichteuropäischen Kulturen, die die hispanoamerikani­sche Identität ausmachen, gelangt er zu einer grund­legenden Kritik am Kolonialismus. Berühmt ist sein Auf­satz über das real maravilloso (das Wunderbar Wirkliche), in dem er eine lateinamerikanische Kultur fordert, die aus natürlicher Kraft, aus den Glaubenswelten und aus den Traditionen heraus die Grenzen einer vernunft­geprägten, müden, westlichen Kultur sprengt. Findet sich die Formulierung dieser Kulturtheorie in seinem essayis­tischen Werk ( Carpentier 1981) wieder, so fordert sein literarisches Werk den Schlaf der europäischen Vernunft heraus und zwar mit Hilfe von nicht vernunftgeprägten Kräften, seien diese nun einheimische oder afrikanische kulturelle Einflüsse oder aber andere Arten, die Wirklich­keit wahrzunehmen, in denen herkömmliche Repräsenta­tionsformen einer Umkehrung unterzogen werden.

Die klassische Tradition erscheint bei Carpentier als ein vordergründig sehr vertrautes Element, das im Nachhinein neu positioniert wird. Für unsere Zwecke lässt sich dieses Verfahren am besten mit Concierto Barroco (Barockkonzert) veranschaulichen. Dieses kleine Werk, ein kompositorisch meisterhaftes Stück, könnte zum einen als <divertiment0>, zum anderen als Verdich­tung von Carpentiers Kulturtheorie gelesen werden. Schon in seiner Handlungsfügung ist das Werk auf Über­raschungen angelegt. Der Roman schildert eine wer kehr­te> Reise vom amerikanischen Kontinent zum Europa des 18. Jh., die allmählich der Umkehrung der Zeitverläu­fe anheimfällt, wenn etwa die Figuren Vivaldi und Händel das Grab des Strawinski entdecken oder diese Protago­nisten sich im gleichen Zug motorisiert fortbewegen und der Trompete des Louis Armstrong lauschen.

Fassen wir die Handlung kurz zusammen: Barock­konzert erzählt die Reise eines mexikanischen Kreolen, das heisst eines Sohnes spanischer Kolonisten, nach Europa in Begleitung seines kubanischen Dieners, des Schwarzen, Filomeno, sowie die Wahrnehmung des Auf­enthalts in der Alten Welt aus der Sicht beider Figuren. Was zunächst als Bericht einer anspruchsvollen Bildungs­reise eines kolonisierten Kreolen, von Lebenseindrück­ken und höfischen Abenteuern in Spanien und vor allem im Italien des 18. Jh. daherkommt, wird bald mit einer tiefgreifenden Kulturkritik aufgeladen.

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XVII-XX Antikenrezeption in der Literatur

Die ersten Anzeichen dieser Kritik sind die Kommentare des Herrn über die schockierende Gegenwart der My­thologie, die im Epos des Silvestre de Balboa nach Ameri­ka überführt wurde. In der Begegnung mit Europa ist die Ernüchterung der erste Eindruck des Indios beim An­blick eines bescheidenen und schmutzigen Madrid, nun­mehr erblassender Mittelpunkt der spanischen Kolo­nialmacht, im Gegensatz zur Kolonialstadt und einstma­ligenAztekenhauptstadtMexiko. Daraufhin, in Venedig angekommen, geben sich Herr und Diener den Verlo­ckungen der Stadt hin und werden sich gleichwohl ihres moralischen Verfalls bewusst. Sie nehmen am Karne-val teil, der Kreole verkleidet sich als den aztekischen Kaiser, Moctezuma, so dass die Maskerade zu einer glän -zenden Gelegenheit wird, um die jeweiligen Vorstel­lungen darzulegen, die Europäer und Amerikaner von -einander haben. An diesem Ort lernen die amerikani­schen Protagonisten die Komponisten Vivaldi und Hän -del kennen. Es ereignet sich dann ein Augenblick musikalisch-kultureller Begegnung zwischen beiden Welten, ausgelöst durch den Gesang des Dieners Filome­no beim Anblick einer Schlange.

«Wie aus Furcht, die Schlange könnte aus dem Rahmen springen, und während er auf ein rauh tönendes Tablett schlug und die Anwesenden fixierte, als ob er eine seltsame rituelle Zeremonie feiern würde, fing er an zu singen: ( ... )Und dann stellte er sich, als wollte er die Schlange aus dem Bild mit einem riesigen Tranchiermesser töten, und schrie: <Die Schlange ist tot, Ca -la -ba-s6n, / Son-s6n. / Ca-la-ba-s6n, / Son­son>. » ( Carpentier 1998, 53)

Der Komponist, Vivaldi, ergänzt, als er ihn hört:

«<Kabala-sum-sum-sum> fiel Antonio Vival­di ein und gab aus Priestergewohnheit dem Kehrreim unversehenes den Tonfall psalmodierten Lateins.» ( Carpentier 1998, 54)

In diesem kurzen Auszug wird das Thema des Werksdeut­lich: Es hat sich ein< barockes> Moment ereignet, der nach Carpentiers Auffassung stets mit Hybridisierung und Vermischung einhergeht: Es widerspiegelt Miss­verständnisse und beinhaltet zugleich ein Moment kultu­reller Fruchtbarkeit. In einem ironischen Gestus erliegt die griechisch-lateinische Kultur so der amerikanischen Lebendigkeit.

Die Teilnahme der Protagonisten an Vivaldis Oper Moctezuma ist ein anderes Moment, in dem man der verfälschenden, entstellenden Vorstellungswelt des Wes­tens über Amerika begegnet und das die Bildungsreise beider Figuren vervollständigt.

«Der Priester Antonio hat mir mit seiner extravaganten mexikanischen Oper sehr zu denken gegeben. Ich bin der Enkel von Leuten aus Colmenar de Oreja und Villam­anrique del Tajo, der Sohn eines Mannes, der in Estremadura zu Hause war und

in Medellin getauft wurde -wie Hernan Cortes. Und dennoch geschah mir heute, an diesem Abend, vor einem Augenblick, etwas sehr Seltsames.Je mehr die Musik Vival-dis dahineilte, je mehr ich mich hinreissen liess von den dramatischen Begebenhei-ten der Handlung, die sie veranschaulicht, desto grösser wurde mein Wunsch, dass die Mexikaner triumphierten, und es wuchs das Verlangen nach einem unmöglichen Ausgang, obgleich ich, der ich dort geboren bin, besser als irgend jemand wissen musste, wie alles geschehen ist. Ich habe mich bei der verrückten Erwartung ertappt, Monte­zuma werde die Überheblichkeit des Spa­niers brechen, und seine Tochter, wie eine biblische Heroine, den angeblichen Ramiro ermorden. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich auf der Seite der Amerikaner stand, mit ihnen den Bogen spannte und den Untergang derer wünschte, die mir das Blut und den Namen gegeben haben. ( ... ) <Und was soll die Theaterillusion anderes bewirken, als dass wir von da, wo wir sind, dorthin versetzt werden, wohin wir aus eigenem Willen nicht gelangen können?> fragte Filomeno. Dank dem Theater kön­nen wir uns in die Zeit zurückversetzen und - etwas für unser gegenwärtiges Fleisch ganz Unmögliches - in Epochen leben, die für alle Zeiten entschwunden sind. - Es dient aber auch dazu - das hat ein alter Philosoph geschrieben-, uns von Ängsten, die im Tiefsten und Geheimsten unseres Seins verborgen sind, zu reinigen ( ... ). Vor dem künstlichen Amerika des schlech­ten Dichters Giusti hörte ich auf, mich als Zuschauer zu fühlen, um Mitspieler zu werden.» ( Carpentier 1998, 86-87)

In Barockkonzert erlangt der Amerikaner zunehmend das Bewusstsein, dass die Zeiten der westlichen Beherr­schung der Kultur vorbei sind und dass die Zeit gekom­men ist, die eigene Identität anzunehmen und sogar mitihr die Alte Welt zu befruchten.

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XVII-XX Antikenrezeption in der Literatur

Literatur:

• A. Carpentier, Concierto barroco (Mexiko 1974).

• A. Carpentier, La novela latinoamericana en visperas de un nuevo siglo y otros ensayos (Mexiko 1981).

• A. Carpentier, Barockkonzert (Frankfurt am Main 1998).

• R. Fernandez Retamar, Caliban and Other Essays (Minneapolis 1997).

• S. K. Gillman, Otra vez Caliban/Encore Caliban: Adaptation, Translation, Americas Studies, American Literary History 20, 1-2, 2008, 187-209.

• M. Henriquez Urena, Panorama hist6rico de la literatura cubana (Havanna 1978). Ch. Kolumbus, Bordbuch. Aufzeichnungen seiner ersten Entdeckungsfahrt 1492-1493 (Zürich 2005).

• J. Marti, Unser Amerika, in: Mit Feder und Machete. Gedichte, Prosaschriften, Tagebuchaufzeichnungen. Dt. Übers. von Ch. Bauer, H.- 0. Dill, Ch. Dobenecker und F. Hexel (Berlin 1986) 62-74.

• E. Miranda Cancela, lPor que «La Iliada, de Homero», en La Edad de Oro?, in: M. C. Alvarez Moran - R. M. Iglesias Montiel (Hg.), Contemporaneidad de los clasicos en el umbral del tercer milenio: actas del congreso internacional de los clasicos. La tradici6n grecolatina ante el siglo XXI. La Habana, 1 a 5 de diciembre de 1998 (Havanna 1999) 19-24.

• V. B Suarez Pina - G. Duran Rodriguez, Tradici6n Clasica Grecolatina en el teatro de Jose Maria Heredia a traves de sus obras originales y traducciones (Santiago 2008) 116. 156-174.

Bildnachweis:

• Abb. 139: Foto: 0. Jaeggi.

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