bosco automat von conrad bernitt/ about bosco photographic automate

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HTW Berlin FB 5 Kultur-,Technik- und Mediengeschichte SG Kons/Rest/Gr Wintersemester 2015/16 Studienbereich: AVF-MM Ira Alaeva / 1. Semester Inhalt 1. Vorwort 3 2. Die ersten Fotoautomatem 4 3. Konstruktionsmerkmale von Bernitts Erfindung 8 4. Das Arbeitsprinzip des Fotoautomaten 9 5. Ein Paar Worte über das fotografische Verfahren 12 6. Anhang 15 6.1 Literaturverzeichnis 15 6.2 Abbildungsverzeichnis 16 2

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HTW Berlin FB 5 Kultur-,Technik- und Mediengeschichte

SG Kons/Rest/Gr Wintersemester 2015/16

Studienbereich: AVF-MM Ira Alaeva / 1. Semester

Inhalt

!!1. Vorwort 3

2. Die ersten Fotoautomatem 4

3. Konstruktionsmerkmale von Bernitts Erfindung 8

4. Das Arbeitsprinzip des Fotoautomaten 9

5. Ein Paar Worte über das fotografische Verfahren 12

6. Anhang 15

6.1 Literaturverzeichnis 15

6.2 Abbildungsverzeichnis 16

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HTW Berlin FB 5 Kultur-,Technik- und Mediengeschichte

SG Kons/Rest/Gr Wintersemester 2015/16

Studienbereich: AVF-MM Ira Alaeva / 1. Semester

1. Vorwort

Schon immer hat der Mensch versucht, sein eigenes Abbild festzuhalten, aber bis zum

Erscheinen der digitalen Bildtechnik war dies keine einfache Aufgabe, vor allem für

Personen mit begrenzten materiellen Möglichkeiten. Einen großen Schritt dazu, das

Selbstportrait für jedermann erschwinglich zu machen, stellte die Entwicklung der

Fotoautomaten dar.

Fast jedem sind noch die analogen, „chemischen“ Fotokabinen bekannt, die bis vor

wenigen Jahren überall verwendet wurden, etwa für die Anfertigung von Passbildern. Ihre

Grundkonstruktion wurde 1927 von Anatol Josepho, einem russischen Emigranten, in New

York eingeführt, und danach nur noch abgewandelt und modifizert. Weniger bekannt ist, 1

dass bereits in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Fotoautomaten

konstruiert worden sind, die erfolgreiche „Selbstaufnahmen“ ermöglichten. Sie wurden

teils sogar in Serie gefertig und kommerziell eingesetzt. Auf die Geschichte und die

technischen Charakteristika dieser Proto-Fotoautomaten, die bis heute nur ungenügend

erforscht ist, will ich in dieser Arbeit einen Blick werfen.

Das Thema der Fotokabinen erlebt ja heute insgesamt eine gewisse nostalgische

Renaissance, und daher stammt auch mein eigenes Interesse an diesem Gegenstand: Ich

habe eine Kabine des „Typs Josepho“ (allerdings nicht aus den 20er, sondern aus den 80er

Jahren) vor einigen Jahren in Moskau selbst restauriert und betreibe sie gemeinsam mit

zwei weiteren des gleichen Typs als keines eigenständiges „business“. Während mir die

mechanischen und chemischen Prozesse, die in diesen Automaten eine Rolle spielen, im

Detail bestens vertraut sind , warf mir ihre Vorgeschichte stets Fragen auf. 2

!!

3

„Popular Science“, January, 1927, S.47 1

Das Funktionsprinzip des „Typs Josepho“ Fotoautomaten habe ich im Artikel „Kabinettfotografie“ im „Foto 2

&Video Russland“ Oktober, 2009 beschrieben, S. 102-109

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2. Die ersten Fotoautomaten

Im Jahr 1889 hat in Hamburg eine Gewerbe- und Industrieausstellung stattgefunden, mit

der die Öffentlichkeit über den damaligen Stand der Münzautomaten informiert wurde.

Damals hatte die Geschichte der Selbstbedienungsautomaten gerade erst begonnen: Das

erste Patent für einen Verkaufsautomaten war 1883 vergeben worden, und zwar für einen

„Automatischen Verkaufsbehälter für Cigarren“.

Auf dieser Ausstellung wurde ein Pavillon mit 17 Automaten errichtet, manche von ihnen

dienten dem Verkauf verschiedener Waren, die andere bestimmten Gewicht und Größe der

Besucher, dritte besprühten dieselben mit Kölnischwasser. Es wurde aber bei der gleichen

Gelegenheit auch „etwas bis dahin nicht dagewesenes“ präsentiert: ein Fotoautomat, der 3

eine Momentaufnahme anfertigte.

An der Entwicklung der ersten Fotoautomaten waren, soweit sich rekonstruieren lässt, drei

Personen beteiligt: Der Lithograf, Fotograf und Verleger Carl Greise, der Ingenieur Joseph

Raders und ein Herr namens Christel Föge, der selbst bereits einen Handel mit anderen

Automaten betrieb. In dern Erinnerungen von Carl Geise heißt es: „Im Jahre 1888. Ich […]

beschäftigte mich also in der Photographie vielseitig. Ein Ingenieur, Joseph Raders aus

Frankfurt, kam zu mir auf Empfehlung eines Herrn Föge […]. Herr Raders, ein junger

intelligenter Herr, suchte einen Photographen, der sich für die automatische Photographie

Aufnahmen interessierte.“ Aus derselben Quelle geht hervor, dass andere Hamburger 4

Fotografen, an die sich der junge Erfinder Raders gewandt hatte, ziemlich skeptisch waren.

Sie lehnten seinen Vorschlag, in dieses Geschäft einzusteigen, mit folgenden Worten ab:

„Die Photographie ist eine Kunst und nicht für Automaten verwendbar.“ 5

Dieser Ansicht war Greise offenbar nicht. Die Zusammenarbeit muss erfolgreich gewesen

sein und schnell vonstattengegangen sein, denn schon am 20 Februar des folgenden Jahres

4

Leipziger Illustrirte Zeitung, №2405, August 1889, S.1213

„Erinnerungen: des Hamburger Lithographen und Verlegers Carl Griese“, Books of Demand, Norderstedt, 4

2013, S.113

ebenda5

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(1889) erhielt Josef Raders – gemeisam mit Föge und Geise – das Reichspatent 51081 auf

seinen „Apparat zur selbstthätigen Herstellung von Photographien“. Im Mai desselben

Jahres präsentieren sie der erstaunten Öffentlichkeit ihre Erfindung auf der hamburgischen

Ausstellung. (Abb.1)

Ein Bericht von Dr. Richard Tannert in der „Leipziger Illustrierten Zeitung“ erklärte das

Wirkprinzip des Automaten:

„[…] gegen Einwurf von 10 Pf. liefert er uns nach wenigen Minuten ein wohlgetroffenes

Photogramm unserer Physiognomie, zu welchem ein benachbarter Automat den Rahmen

herausgibt. […] Der Einwurf des Geldstücks wirkt auf einen Hebel, der für einen

Augenblick den vor der inneren Trichtermündung befindlichen Schieber entfernt; sofort ist

die Aufnahme erfolgt. Die Platte wird von einem Zängelchen erfaßt und der Reihe nach in

die drei Bäder - Entwicklungs-, Fixir- und Färbebad - die auf einer mit Ausschnitten

versehenen und in Drehung befindlichen Eisenscheibe stehen, getaucht. Nach jedem Bad

wird die Platte von der Zange durch die Ausschnitte hindurch in einen unterhalb der

5

Abb.1 Das Publikum vor dem ersten Fotoautomat

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Scheibe angebrachten Wasserbehälter gesenkt, der die Waschungen besorgt. Ein Uhrwerk

setzt den ganzen Mechanismus in Bewegung unter genauer Regelung der für jeden

einzelnen Vorgang nöthigen Zeit. Aus der letzten Waschung hebt die Zange die Platte auf

eine schiefe Bahn, durch welche sie ins Freie befördert und dem Eigenthümer, der durch

einen außen angebrachten Zeiger den Fortgang der Operation erfährt, zugestellt wird.“ 6

Dieser durchgängig mechanisierte Apparat funktionierte ohne Assistenz eines Fotografen

und erregte das Erstaunen aller Besucher der Ausstellung. Für das Publikum, welches

daran gewöhnt war, zuerst das Atelier des Fotografen zu besuchen und dann wochenlang

auf seinen Fotoabzug zu warten, war dieser Mechanismus vermutlich ein echter Zauber.

Dr. Tannert, der eventuell sich mithilfe des Automaten fotografieren ließ, berichtete weiter

im Artikel: „Aber ich konnte mich selbst überzeugen, daß der ganze Act des

Photographierens von dem Automaten selbstthätig ausgeführt wird.“ 7

Die Ausstellungsjury stimmte einhellig für die Verleihung einer goldenen Medaille an die

Urheber der Erfindung. Es wurde betont, dass dieser Mechanismus „eine geistvolle

Construktion“ war. Der Erfolg des ersten Fotoautomaten, das Interesse der Öffentlichkeit 8

und der Fortschritt in der Fotoindustrie waren dafür verantwortlich, dass bald auch

Mitteilungen über neue Patente von anderen Erfindern wie Pilze aus dem Boden schossen.

Zum Beispiel der deutschstämmige Fotograf Mathew Steffens aus Chicago beantragte am

31. Mai 1889 ein U. S. Patent auf seinen Automaten. Ebenso wurde im Jahr 1894 ein

Automat vom Erfinder Juan Ferrer y Girbau aus Barcelona patentiert. Zwischen 1889 und

1900 wurden weltweit mindesten 25 Patente für Fotoautomaten angemeldet.

Aber die meisten dieser Apparate erwiesen sich als kommerziell nicht rentabel und

forderten einen hohen finanziellen Betriebsaufwand. Nur einem Apparat gelang es, Erfolg

zu erzielen und weltweit bekannt zu werden.

6

„Leipziger Illustrirte Zeitung“, №2405, August, 1889, S.1226

ebenda 7

„Erinnerungen: des Hamburger Lithographen und Verlegers Carl Griese“, von Carl Griese, Books of 8

Demand, Norderstedt, 2013, S.114

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Der bekannteste „Photographier-Automat“ des ausgehenden 19. Jahrhunderts war der

sogenannte „Bosco“-Automat, dessen Name vom berühmtesten europäischen

Zauberkünstler Bartolomeo Bosco hergeleitet wurde. Schon nach drei Minuten nach der

Aufnahme entstand der fertige Fotoabzug aus dem Apparat, was an und für sich für

ehrliche Magie gehalten werden konnte.

Das Patent D.R.P. 58613 auf seinen Apparat beantragte der Konstrukteur dieses Apparates,

Conrad Bernitt, aus Hamburg am 16 Juli 1890. Im Hamburger Telefonbuch aus dem

Zeitraum zwischen den Jahren 1880 und 1908 können verschiedene Adressen gefunden

werden, an denen sich die Werkstätten von Bernitt nacheinander befanden. Wenn nicht alle

Zeichen trügen, könnten die Standortwechsel auf dem Platzbedarf der sich erweiternden

Werkstätten zurückgeführt werden, in welchen die Fotoautomaten gebaut wurden.

Bosco-Automaten wurden auf Volksfesten und auf Ausstellungen im In- und Ausland 9

eingesetzt. Ab dem Jahr 1894 wurden die ersten Automaten in Berlin aufgestellt, z.B. in

Castans Panopticum und der Urania . In München wurde ein solcher Automat im 10

Münchner Löwenbräu-Keller betrieben. Der Bosco-Fotoautomat wurde in Stockholm im 11

Rahmen der Gewerbe- und Industrie Ausstellung im Jahr 1897 und unter dem

Markennamen Leoni in Paris im Jahr 1900 präsentiert. Im selben Jahr kam der Bosco-

Automat nach Australien. Darüber berichtete eine Zeitungsnotiz der Zeitung „The South

Australian Register“: „[…] imagine, then, a photograph taken and developed in three

minutes! That is what is taking place at Bosco's premises in the Adelaide Arcade. […] Mr.

W. Newnhan is the Adelaide representative of this wonderful invention!“ 12

7

„Allerdings gibt es auch in der Geschichte dieses Mediums einige Erscheinungen, welche in ihrer Form eng 9

mit Jahrmarkt verbunden sind, denn neben professioneller Dienstleistung diente die Photographie auch als Mittel der Volksbelustigung.“ Aus „Eintritt frei, Kinder die Hälfte: Kulturgeschichtliches vom Jahrmarkt“ von Uwe Geese, Johnas Verlag 1981, S. 57

„Leipziger Illustrirte Zeitung“, №2654, Mai 1894, S. 51610

Als bekannteste Aufnahme aus diesem Apparat gilt ein Foto von Henri Matisse. „Im Herbst 1910 11

entstanden im Münchner Löwenbräu-Keller mindestens vier fotografische Gruppen-Selbstbildnisse der Maler Henri Matisse, Hans Purrmann und Albert Weisgerber.“ Aus „Rundbrief Fotografie“ Vol. 16 (2009), S. 3

The South Australian Register, März, 1900. Internetabruf unter: http://www.trove.nla.gov.au/ndp/del/12

article/56553217 (letzter Zugriff: 01.03.2016)

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Bis etwa 1902 war der Bosco der weltweit erfolgreichste Fotoautomat.

!3. Konstruktionsmerkmale von Bernitts Erfindung

Im Folgenden werden die von Bernitt vorgeschlagenen technischen Lösungen vorgestellt,

die seiner Erfindung ermöglichten, den Fotoautomaten-Markt Ende des 19. Jahrhunderts zu

erobern. Damit hinterließ die Erfindung ihre Spuren in der Technikgeschichte und nahm

eine würdige Stellung in den Kollektionen der Museen ein.

Es ist anzunehmen, dass die Haupterfindung von Bernitt nicht die Konstruktion des

Apparates selbst war, sondern eine besondere Ausführung der Fotoplatte. Diese wurde

ebenfalls patentiert. Dafür liefert das Patent D.R.P. 57159 „Lichtempfindliche Platte für

Apparate zur selbstthätigen Herstellung von Photographien“ einen Beweis.

!!!!!!!!!!Die mit einer Mischung aus schwarzem Pigment und Schellack lackierte Blechplatte, die

für die Aufnahme verwendet wurde, hatte einen aufgebogenen erhöhten Rand, der sich laut

Patent „an der lichtempfindlichen Seite der […] benutzten Platten” befand, und „die zum

Hervorrufen und Fixiren erforderlichen Flüssigkeiten zu fassen vermag und gleichzeitig als

8

Abb.2 Zeichnung zum Patent „Lichtempfindliche Platte für Apparate zur selbstthätigen Herstellung von Photographien“

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Rahmen für das Bild dient.“ Das bedeutet, dass die Platte gleichzeitig sowohl wie ein 13

Träger für die Fotoschicht als auch eine Entwicklerwanne für die fotografische Chemie

diente. Auf der zum Patent gehörenden Zeichnung wurde der Rand als a1 und die Bildseite

der Platte als a bezeichnet. (Abb. 2)

Bernitt konstruierte seinen Automat auf solche Weise, dass sich im Inneren keine offenen

Behälter mit der flüssigen fotografischen Chemie befanden. Dies machte zum einen die

Bedienung des Apparats leichter und billiger, zum anderen vermied es die Verschmutzung

und das Verderben der fotografischen Chemie.

Auf dieses Konstruktionsmerkmal, das den Automaten „System Bernitt“ von anderen

ähnlichen Apparaten unterschied, wurde im Text zum Patent hingewiesen: „Die zuletzt

angefertigten Bilder werden daher auch ebenso rein und klar wie die ersten, was bei

keinem der bekannten selbstthätigen Apparate zur Herstellung von Photographien erreicht

worden ist.“ 14

!4. Das Arbeitsprinzip des Fotoautomaten

Das Gerät stellt ein aus Holz gebautes Gehäuse dar, im welchen sich befand: eine

Fotokamera, ein Kasten mit den Fotoplatten, die Glasbehälter mit der fotografischen

Chemie, ein für das mechanische Teil der Aufnahmeprozessen zuständiges Uhrwerk, und

eine Horizontalwalze. Der Apparat wurde im zwei Größen produziert. Die eine Version, für

feststehende Montage, war 140 Kilogramm schwer und 2,7 m hoch, eine andere,

transportable, war für Volksfeste und Ausstellungen vorgesehen und in der Ausführung

leichter (ungefähr 56 Kilogramm) und kürzer (93 cm). (Abb. 3, nächste Seite) Der Apparat

konnte auch für Blitzlicht eingerichtet werden, das mithilfe von einer Batterie entzündet

werden konnte.

10

Internetabruf auf der Website des Deutsches Patent- und Markenamts unter: https://depatisnet.dpma.de/13

DepatisNet/depatisnet?action=pdf&docid=DE000000057159A (letzter Zugriff: 04.03.2016)

Internetabruf auf der Website des Deutsches Patent- und Markenamts unter: https://depatisnet.dpma.de/14

DepatisNet/depatisnet?action=pdf&docid=DE000000058613A (letzter Zugriff: 04.03.2016)

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!!!!!!!!!!!!!Der Besucher saß dem Objektivsfenster C gegenüber und warf ein 50-Pfennig-Stück ein,

um den Beginn der Aufnahme auszulösen. Das sich unten der Kabine befindende Uhrwerk

H trieb eine mit entsprechend angeordneten Vertiefungen T oder Erhöhungen U versehen

Horizontalwalze S an, durch welche die Mechanismen zur Ausübung der verschiedenen

Tätigkeiten in Bewegung gesetzt wurden. Zuerst wurde eine Fotoplatte aus dem Magazin-

Kasten B in einen Halter geschoben, eine Klingel signalisierte, dass in diesem Moment der

Kameraverschluss geöffnet ist. Die Aufnahmezeit dauerte 2 Sekunden, während der die

lichtempfindliche Schicht der Platte belichtet wurde. Das Uhrwerk brachte dann die Platte

in horizontale Lage. Auf die Platte wurde dann eine Portion des Entwicklers aus der

Flasche A1 aufgebracht. Dann wurde die Platte mit Wasser aus der Wasserleitung oder aus

dem Reservoir gespült, das sich unter dem Dach des Apparates befand. Darauf folgte die

Einwirkung des Fixiermittels aus der Flasche A2 und des Toners aus der Flasche A3. Die

10

Abb.3 Links (rot) ist die große und rechts (blau) die kleine Version des Apparates (Maßstäbe unterschiedlich).

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verbrauchten Flüssigkeiten wurden in einen entsprechenden Container Q abgeführt. Nach

3-4 Minuten rutschte die fertige Platte auf einer Gleitbahn I aus dem Apparat heraus.

(Abb. 4)

!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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Abb. 4 Innenraum und Mechanismus des Bosco-Automaten

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Die Fotografie auf mit schwarzem Lack beschichtete Eisenblech im Format 5x7,5 cm mit

einem erhöhten Rand, der mit einem goldfarbenen Muster verziert war, wurde in ein

passendes Etui aus Pappkarton verpackt. Dieses diente einerseits als Schutz vor

verschiedenartigen Beschädigungen, andererseits als Informationsträger. Auf ihm konnten

z.B. der Aufnahmeort oder einfach das Datum abgedruckt werden. (Abb. 5)

!!!!!!!!!!5. Ein Paar Worte über das fotografische Verfahren.

Wie schon früher ausgeführt wurde, verfertigten die erste Fotoautomaten die Fotografien

auf Eisenblech, es handelte sich um sogenannte Ferrotypien. Es wurde allerdings nicht 15

der klassische Prozess der Ferrotypie verwendet, wie er vom französischen Chemiker

Adolph Alexandre Martin im Jahr 1853 veröffentlicht worden war. Dieser bestand darin,

dass auf eine Platte eine Schicht von Kollodium (einer Lösung von Pyroxylin und Iod- 16

und Bromsalzen in Ethanol und Ether) aufgetragen wurde. Dann musste die Platte sofort

12

von lateinischen ferrum=Eisen15

„Das Pyroxylin ist ein Körper, den man erhält, wenn man Baumwolle, Leinen, Papier in eine Mischung 16

von concentrirter Salpetersäure und Schwefelsäure eintaucht und dann sorgfältig auswäscht und trocknet.“ Aus „Lehrbuch der Photographie“ von Dr. H. Vogel, Verlag von Robert Oppenheim, Berlin, 1870, S. 94

Abb.5 Die Fotografie aus dem Bosco-Automaten mit einem passenden Etui

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sensibilisiert werden (bzw. durch Eintauchen in Silbernitratlösung), um lichtempfindlich zu

werden. Danach wurde die noch feuchte fotografische Platte zur Aufnahme verwendet,

denn im trockenen Zustand verlor sie ihre Lichtempfindlichkeit. Es liegt nahe, dass dieser

Prozess nicht für die Anwendung in den Fotoautomaten verwendet werden konnte.

20 Jahren nach Martins Erfindung wurde eine neue Methode für Ferrotypie vorgestellt. Am

8. September 1871 in einem Bericht aus dem Britisch Journal of Photography wurde

mittgeteilt, dass der englische Arzt Richard L. Maddox eine Möglichkeit für Herstellung

einer mit der Bromsilbergelatine bedeckten trockenen Platte entdeckt hatte. Sie war es, die

wegen ihrer Haltbarkeit und hohen Lichtempfindlichkeit in den Fotoautomaten

Verwendung fand. Darüber schrieb J. M. Eder in seinem „Ausführlichen Handbuch der

Photographie“: „Später (um 1900) tauchten die Ferrotypien wieder vorübergehend in Form

von Bromsilbergelatineplatten auf und es wurden Apparate, sog. photographische

Automaten, verwendet, bei welchen die Belichtung (Magnesiumblitzlicht oder elektrisches

Licht), Entwicklung und Fixierung automatisch erfolgte […]“ 17

Als Entwickler im Bosco-Apparat wurde das kurz zuvor auf den Markt gebrachte Produkt

Rodinal von Agfa verwendet, das noch heute vielfach in Gebrauch ist. Das Patent (D. R. P.

Nr. 60174) für diesen auf p-Amidophenol basierten Entwickler hatte am 28.Januar 1891 18

ein Dr. Momme Andresen erhalten. Für die Fixierung wurde eine Lösung von

Natriumthiosulfat gebraucht und als Toner Quecksilberchlorid, „welches das Bild weiss

färbt“ . 19

!Wie man sieht, hat Bernitt in seiner Maschine den damals neuesten Stand der Technik und

der fotochemischen Prozesse umgesetzt. Die Entwicklung blieb jedoch an dieser Stelle

nicht stehen. Mit der Entstehung des Negativ-Positiv-Verfahrens auf Fotopapier kamen ein

13

„Ausführliches Handbuch der Photographie“ (Erster Band, erster Teil) von Hofrat Prof. Dr. Josef Maria 17

Eder, Verlag von Wilhelm Knapp, 1932, S.514

p-C6H4(OH)(NH2) - farblose oder grünliche Krystalle. Die wässerige Lösung färbt sich rötlich.18

„Photographische Mitteilungen für Fachmänner und Liebhaber“, 30. Jahrgang (1893-1894), S. 19 19

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neuer Typ von Maschinen auf. Über diese schreibt der schon erwähnte J. M. Eder: „Auch

für solchen raschen Bedarf an Gelegenheitsbildern verdrängte das Bromsilberpapierbild

die alte Ferrotypie.“ 20

Spurlos verschwunden ist der Urahn der späteren modernen Fotoautomaten jedoch nicht.

Mindestens zwei Exemplare der Bernittschen Fotoautomaten sind bis heute erhalten

geblieben, einer von ihnen in der Sammlung des Deutschen Museums in München , der 21

andere im Tekniska museets in Stockholm , und die Fotografien aus diesen Maschinen – 22

allesamt Unikate – erfreuen sich bei Sammlern großer Nachfrage.

!!!!!!!!!!!

14

„Ausführliches Handbuch der Photographie“ (Erster Band, erster Teil) von Hofrat Prof. Dr. Josef Maria 20

Eder, Verlag von Wilhelm Knapp, 1932, S.514

„Ein Original dieses Apparates steht im Deutschen Museum zu München, Abteilung Photographie nebst 21

einer großen Zahl der erwähnten Steinheil’schen Objektive und Apparate.“ Aus „Carl August von Steinheil der Erfinder und Schöpfer der Kleinbild-Photographie vor 100 Jahren“ von Dr. Rudolf Loher, Druck: J.B. Lindl, München, 1939, S. 13

„The photobooth was showed at The General Art and Industrial Exposition of Stockholm in 1897. The 22

photobooth was donated to the museum by Helmer Bäckström and donated to him by a phographer in Kalmar, southern Sweden in 1936 named Walter Olsson . It is possible that he had been touring with the photobooth around Sweden.“ Aus meinem Briefwechsel mit Frau Emilie Sabel, der Kuratorin des National Museum of Science and Technology Sweden.

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6. Anhang

6.1 Literaturverzeichnis

1. Chiesa, Gabriele; Gosio, Paolo: „Dagherrotipia, ambrotipia, ferrotipia positivi unici e

processi antichi nel ritratto fotografico“, E-Book (Internetabruf : http://www.gri.it/

dagherrotipia-book/DAF-filigranato.pdf), 2012

2. Eder, Josef Maria: „Ausführliches Handbuch der Photographie“ (Erster Band, erster

Teil), Verlag von Wilhelm Knapp, Halle, 1932

3. Geese, Uwe: „Eintritt frei, Kinder die Hälfte: Kulturgeschichtliches vom Jahrmarkt“,

Johnas Verlag, Marburg, 1981

4. Griese, Carl: „Erinnerungen des Hamburger Lithographen und Verlegers“, Books of

Demand, Norderstedt, 2013

5. Häußler, Franz: „Fotografie in Augsburg 1839 bis 1900“, Wißner-Verlag, Augsburg,

2004

6. Kemp, Cornelia; Gierlinger, Ulrike: „Wenn der Groschen fällt ... Münzautomaten -

gestern und heute“, Deutsches Museum, München,1989

7. Loher, Rudolf: „Carl August von Steinheil der Erfinder und Schöpfer der Kleinbild-

Photographie vor 100 Jahren“, Druck: J.B. Lindl, München, 1939

8. Massen, Ernst: „Kleine Geschichte der Fotoautomaten“, Photo Antiquaria Nr. 103

(4/2011)

9. Valenta, Eduard: „Photographische Chemie und Chemikalienkunde“, Velag von

Wilhem Knapp, Halle, 1899

10. Vogel, Hermann Wilhelm: „Lehrbuch der Photographie“, Verlag von Robert

Oppenheim, Berlin, 1870

11. „Leipziger Illustrirte Zeitung“, №2405, August 1889

12. „Leipziger Illustrirte Zeitung“, №2654, Mai 1894

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