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Page 1: Die Verfahrenstechnik als eine Basis der Planung chemischer Großanlagen

49. Jahrgang * November-Heft Nr. 11 - Seite 849-924 CHEMIE INGENIEUR TECHNIK Verfahrenstechnik Technische Chemie Appara tewesen

Die Verfahrenstechnik als eine Basis der Planung chemischer GroOanlagen*

Eberhard Futterer'*

Schwerpunkte der Verfahrenstechnik beim Chemieanlagenbau sind die Erfassung einer Anlage als System, die Notwendigkeit zur genauen Vorausberechnung infolge steigender Anlagengrofle sowie die Wirtschaftlichkeit hinsichtlich der Anlagen- und Betriebskosten und der Berechnung selbst. Der Senkung des Rohstoff- und Energieverbrauchs kommt besondere Bedeutung zu. Der Anstieg der Anlagenkosten im Zusammenhang damit ist zu beachten. Nach einer beachtlichen Produktionssteigerung der deutschen Chemie in den letzten beiden Jahrzehnten durch die Petrochemie sind heute gezielte Maanahmen zur Rohstoff sicherung erforderlich. Langerfristig wird man wieder vom Erdol und Erdgas zuriick zur Kohle gehen miissen. Die zukiinftige Entwicklung der Verfahrenstechnik wird in hohem Mai3e von der Nutzung des Computers gepragt sein.

Verfahrenstechnik

Die Verfahrenstechnik ging hervor aus der Zusammenfassung der Erfahrungrn beim Bau und Betrieb von Apparaten, Geraten und Maschinen zur technischen Durchfuhrung von chemischen Reaktionen, zur Aufbereitung der Einsatzstoff e und zur Reinigung bzw. Auftrennung der Produkte. Die Verfahrenstechnik als formale Disziplin ist in Deutschland verhaltnismaaig jung. In Hochst wurde 1936 die Abteilung Verfahrenstechnik gegriindet, deren erster Leiter Karl Win- nacker wurde. 1928 begann Kirschbaum mit Vorlesungen uber Apparatebau in Karlsruhe. Sein Institut trug zunachst nur den Namen Apparatebau, spater Apparatebau und Ver- fahrenstechnik. Es blieb in Deutschland bis 1951 das einzige Institut, das sich der wissenschaftlichen und systematisch- empirischen Durchdringung des Fachgebietes Verfahrenstech- nik angenommen hat [ 11. Mittlerweile gibt es entsprechende Institute und Le irstiihle an allen deutschen Technischen Uni- versitaten.

Vortrag auf dcr Dechema-Jahrestagung am 23./24. Juni 1977 in Frankfurt/M.

:i:L Dr.-Ing. E . Futterer, Uhde GmbH, Deggingstr. 10/12, 4600 Dortmund.

Wahrend friiher im Vordergrund des Interesses das Messen der Naturvorgange und das Erkennen der Zusammenhange stand, hat sich jetzt das Schwergewicht verlagert auf das Ausfeilen der gefundenen Zusammenhange, auf die Erweite- rung des Gultigkeitsbereiches der entwickelten Verfahren, auf deren Verallgemeinerung und auf die rechnerische Be- herrschung der Problematik, um Messungen auf ein Mindest- mai3 zu reduzieren. Einen Oberblick uber ,,Naturwissen- schafiliche und technologische Grundlagen des chemischen Apparate- und Anlagenbaus" gaben Behrens und Kirchner P I .

Chemieanlagenbau

Die Tatigkeiten eines Ingenieurunternehmens beim Bau chemischer Groflanlagen kann man einteilen in Akquisition, Verfahrenstechnik, Konstruktion und Abwicklung. Durch die Verlagerung eines wesentlichen Teiles der Anlagenbautatig- keit i n Lander der 3 . Welt ergeben sich zusatzliche Schwer- punkte, die in diesem traditionellen Schema nicht enthalten sind, wie beispielsweise die Finanzierung. Dennoch wird die zentrale Bedeutung der Verfahrenstechnik fur den Chemie- anlagenbau deutlich. Sie ist seine fachwissenschaftliche Grundlage.

Chern.-lng.-Tech. 119 (1977) Nr. 11, S . 849-857

0 Verlag Chernie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1977

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Selbstverstandlich werden beim Chemieanlagenbau viele Wissensgebiete angesprochen [3]. Dies reicht von der Chemie, der Physik und dem Ingenieurwesen im allgemeinen, uber die Mathematik, Informatik, Betriebswirtschaff und die Volkswirtschafi bis hin zu juristischen und geopolitischen Problemstellungen, ohne dafl diese Aufzahlung erschopfend ware.

Schwerpunkte der Verfahrenstechnik beim Chemieanlagen bau

Die Verfahrenstechnik ist, ahnlich wie fur die Anlagenpla- nung, auch eine theoretische Grundlage fur0 die chemische Technik, fur die Prozefltechnik und fur den Apparatebau. Jedoch ergeben sich unterschiedliche Schwerpunkte. Ein Schwerpunkt bei der Anwendung der Verfahrenstechnik auf die Planung von Chemieanlagen liegt darin, eine Anlage als System zu begreifen und nicht nur als die Addition ihrer Einheiten, der Grundverfahrensstufen. Dies wird wichtiger mit dem Trend zu groi3eren Anlagen, die eine preiswertere Produktion ermoglichen. Es wird aber auch notwendig im Zusammenhang mit dem Trend zum Energieverbund inner- halb einer Chemieanlage im Bestreben, Energieverschwen- dung weitmoglichst zu vermeiden.

In diesem Sinne aui3erte sich auch Blap anlafllich des Deut- schen Ingenieurtages 1977 [4] : ,,Rohstoff, Energie und Um- weltsituation werden die zukunftige Gestaltung verfahrens- technischer Prozesse in immer starkerem Mai3e pragen. Das Denken und Handeln des Verfahrensingenieurs wird in zu- nehmendem Mai3e auf die systematische Entwicklung kom- plexer Verfahrensablaufe ausgerichtet sein. Dementsprechend mufl eine Ausbildung uber die Analyse der Prozeflelemente und deren wissenschaffliche Grundlagen hinaus um die Pro- zei3systemtechnik erganzt werden."

Ein weiterer Schwerpunkt der Verfahrenstechnik bei der Planung von Chemieanlagen aber ist die Notwendigkeit zu genauerer Vorausberechnung. Grofiere und komplexere An- lagen erfordern wegen des erhohten Risikos zuverlassigere Rechenmethoden. So zeigt Abb. 1 die sturmische Entwicklung der Produktionskapazitat von einstrangigen Ammoniak-

1800

1600 t Id

1400

1200

1000

800

600

LOO

200

0 0 20 30 LO 50 60 70 80

Abb. 1 . Produktionskapazitat einstrangiger NHg-Synthese-An- lagen.

Anlagen seit Anfang der sechziger Jahre. Die dadurch erfor- derlichen verbesserten Berechnungsmethoden betreffen nicht nur die Grundverfahrensstufen, die mit aufwendigeren und genaueren Algorithmen zu behandeln sind, sondern auch die Gesamtanlage, deren Betriebsverhalten sich wegen der stei- genden Komplexitat nur erheblich aufwendiger voraus- berechnen 1ai3t. Schliefllich liegt ein Schwerpunkt in der notwendigen Wirtschaftlichkeit der Anlage hinsichtlich der Anlagenkosten wie der Betriebskosten.

Ein gerade aus der Sicht des Ingenieurunternehmens vorder- grundiger Schwerpunkt ist die wirtschaflliche Durchfuhrung der verfahrenstechnischen Berechnungen selbst. Dieser Zwang, Berechnungen wirtschafflich durchzufuhren, gilt nicht nur fur den Auftragsfall, sondern verstarkt noch fur Projekte im Angebotsstadium. Die bereits erwahnten hoheren Genauig- keitsanforderungen und die steigenden Personalkosten wur- den eigentlich implizieren, dafi diese Berechnungen immer teurer werden. Dies ist aber aus Wirtschaftlichkeits- und Konkurrenzgrunden nicht moglich. Es ist daher erforderlich, diese Mehrkosten aufzufangen. Darauf wird weiter unten noch eingegangen.

Umwelteinflusse

Der Chemieanlagenbau ist in eine Umwelt eingebettet, die Randbedingungen festlegt. Als wichtigste Randbedingung bleibt naturlich die Zuverlassigkeit, die Sicherheit der Anlage zu beachten. Einen kraftigen Impuls erhalt die Verfahrens- technik durch den Umweltschutz. Es ist sicherlich richtig, dafi die Versaumnisse fruherer Jahre auf diesem Gebiet nicht un- begrenzt fortdauern konnen. Man sollte sich aber ebensosehr davor huten, von einem Extrem ins andere zu fallen. So wird im Marz 1977 in dem amerikanischen Oil and Gas Journal [ 51 duster prophezeit, dai3 behordlicher Overkill das Wachstum der Petrochemie blockieren konnte. Die Fulle von Problemen, die der petrochemischen Industrie entgegen- stunden, wurden das zukunftige Wachstum bestimmen. Die Schwierigkeit fur die Produzenten liege darin, herauszufin- den, wie sie effektiv arbeiten sollen in einem Klima nie dagewesener Umwelt-Einschrankungen, steigender Kosten und einer Unsicherheit im Hinblick darauf, welche neuen Auflagen in Zukunff den Produkten aufgeburdet werden. Von der Manufacturing Chemists Association wird geschatzt, dai3 in den USA 1976 an Investitionen fur den Umwelt- schutz 762 Mio. $ aufgewendet werden mufiten [6].

Ein Anliegen des Umweltschutzes ist die Verringerung des Stickoxid-Austritts in die Atmosphare bei Salpetersaure- Anlagen. Durch verfahrenstechnische Maflnahmen ist es Uhde gelungen, diesen Wert durch saure Absorption ohne eine zusatzliche katalytische Spaltanlage noch unter 200 ppm zu senken, den heute geforderten Grenzwert. - Ein wichtiges Grundprodukt der chemischen Industrie ist Chlor. Die Pro- duktion liegt augenblicklich weltweit bei uber 30 Mio. t/a. Ein Vorteil des Amalgam-Verfahrens ist vor allem die Rein- heit der erzeugten Lauge sowie auch des Chlors. Verfahrens- technische Entwickhngen haben es moglich gemacht, die aus okologischen und okonomischen Grunden unerwunschte Quecksilber-Emission bei modernen Anlagen um 1 bis 2 Zeh- nerpotenzen abzusenken [7].

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Ein weiterer Einflufi, den die Umwelt fur den Anlagenbauer bereithalt, ist die Frage der Infrastruktur. Wenn man uber viele Jahre hauptsachlich in technisch hochentwickelten Lan- dern baut, kan i das Vorhandensein einer entsprechenden Infrastruktur selbstverstandlich erscheinen. Mit der Verschie- bung des Baues von Chemieanlagen zu Landern, die zwar rohstoff- oder eriergiereich sein mogen, jedoch hinsichtlich der Infrastruktur noch am Anfang der Entwicklung stehen, wurde immer deutlicher, was es bedeutet, ohne diese Voraus- setzung arbeitei zu mussen. Damit wuchs nicht nur das Finanzvolumen im Zusammenhang mit dem Bau einer be- stimmten Produktionsstatte ganz erheblich, sondern au& das damit verbundcne Risiko. Hier ist die Robustheit einer ver- fahrenstechnischen Losung wichtiger als der geringstmogliche Rohstoff- und Ilnergieverbrauch.

I

Interessant ist, sich die Groflenordnung der Weltjahrespro- duktion bedeutender Rohstoff e und Erzeugnisse [ 81 bewuflt zu machen. An der Spitze stand 1976 das Erdol rnit einer Erzeugung von 2,844 Mrd. t. Nach Steinkohle mit 2,255 Mrd. t und Erdgas rnit 1,444 Mrd. t SKE kam Getreide ein- schliefllich Mais mit 1,228 Mrd. t, Zement rnit 660 Mio. t, Rohstahl mit 646 Mio. t, Schwefelsaure rnit 107 Mio. t erst nach Papier mit 134 Mio. t und Fleisch rnit 114 Mio. t, ge- folgt von Zucker rnit 83 Mio. t, Stickstoff-Dunger rnit 66 Mio. t, Aluminium rnit 13 Mio. t, Baumwolle rnit 12 Mio. t und Chemiefasern mit 10 Mio. t. Zum Vergleich seien auch drei Zahlen uber die fur Pflanzen verwertbare Stickstoff- Bindung angegeben. In der NHS-Synthese sind dies 40 Mio. t, durch Gewitter 45 Mio. und biologisch 200 Mio. t pro Jahr [9].

Ulkrise

Von gro8er Bedeutung sind okonomisch-politische Einflusse fur den Anlagenbau. Eindrucksvollstes Beispiel war die 01- krise. Die steigende Abhangigkeit der Industrielander von

6

OM GJ

5

L

3

2

1

0

1 I

5 68 70 72 7L

Abb. 2. Der freie Erdgaspreis in den USA, Gulf Coast.

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Rohstoff en und Primarenergietragern ist nur zu bekannt. Der Einflufi dieser Gegebenheiten auf die Petrochemie und damit auf den Chemieanlagenbau macht auch eine Stellung- nahme aus den USA deutlich: ,,Die steigenden Kosten fur Kohlenwasserstofle als eine Folge der Ulkrise haben sich eindeutig auf die petrochemische Produktion ausgewirkt. Prozesse, die in der Vergangenheit einen relativ hohen Ver- brauch an Energie und Rohprodukt hatten, konnen jetzt und in den folgenden Jahren okonomisch unattraktiv werden. Es wird eine wesentliche Innovation erforderlich sein, damit die Produzenten in einer Umwelt begrenzter Ausgangspro- dukte wettbewerbsfahig bleiben" [ 101.

Mit welchen Problemen die chemische Industrie, und als Folge davon der Chemieanlagenbau, zu kampfen haben, geht beispielsweise daraus hervor, da8 sich der freie Gaspreis in den Vereinigten Staaten innerhalb der Jahre 1970 bis 1975 auf uber das Zehnfache erhoht hat, s. Abb. 2 [ 101.

Senkung d e s Rohstoff- und Energieverbrauchs

Steinev wies kurzlich bei einem Vortrag darauf hin, dafl in den Jahren 1965 bis 1975 der auf gleiche Produktion bezo- gene Energieverbrauch in der Gesamtindustrie auf 80 O / o , in der Chemie sogar auf 600/0 gesenkt werden konnte [ I l l . So ist es gelungen, den Energieverbrauch fur die Ammoniak- Synthese durch eine immer ausgefeiltere Warme-Riickgewin- nung in integrierten Anlagen erheblich zu senken [12]. Abb. 3 zeigt dies deutlich. Aufgetragen ist der Verbrauch an

Schwerol

10

0 1955 60 65 70 75 80

Abb. 3. Energie- und Rohstoffverbrauch je t erzeugtes NH,

Rohprodukt und Energie uber die letzten Jahre umgerechnet in G J pro Tonne erzeugtes Ammoniak. Berucksichtigt wur- den typische Werte fur Kohle, Schwerol und Erdgas bzw. Naphtha als Einsatzstoff. Es ist moglich geworden, diesen spezifischen Verbrauch von uber 60 GJ/t in den 50er Jahren fast bis auf 30 GJ/t zu senken. Mit der dazu notwendigen warmewirtschaftlichen Integration werden die Anlagen aller- dings immer komplexer und erfordern immer mehr eine Behandlung als System. So hei8t es in ,,Obiective number four" der neuen Ziele des American Institute of Chemical Engineers: ,,Encourage changes in educational programs that will prepare chemical engineers for the increasing complexity and diversity of the profession" [13].

85 1

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Heute sind hohere Aufwendungen gerechtfertigt, als dies zuvor verantwortbar war, wenn sie dazu dienen, Energie oder Rohstoff e zu sparen. Der Leistungsbedarf einer IOOO-t/d- NHs-Anlage liegt bei oder unter 400 MW entsprechend einem Energie- und Rohstoffbedarf von 35 G J/t erzeugtem Ammoniak. Aus Abb. 4 geht hervor, welche Zusatzinvesti- tionen bei einer 1000-t/d-Amrnoniak-Anlage erforderlich sind, um den Rohstoffbedarf, gerechnet als Energie je Tonne

LO j I 1

Energiebedarf pro t NH:,

Abb. 4. Erforderliche Zusatzinvestitionen fur eine 1000-t/d-NH3- Anlage als Funktion des gewunschten Verbrauchs an Rohstoff und Energie (zusammengerechnet als Energie pro t erzeugtes NH,).

erzeugten Ammoniaks, auf einen bestimmten Wert zu sen- ken, ausgehend von einer ,,Referemanlagel' mit einem Ener- giebedarf von 40 GJ/t [14]. Deutlich ist der steile Anstieg des Kapitalbedarfs zu erkennen, um zu niedrigen Ver- brauchszahlen zu kommen. Wie weit ist dies lohnend? Dies hangt von dem zu Grunde gelegten Energiepreis ab. In Abb. 5 ist die wirtschafilich sinnvolle Zusatzinvestition in Mio. DM iiber dem Energiepreis in DM/G J fur eine IOOO-t/d- NHa-Anlage aufgetragen [ 141. Basis dieser Auftragung ist eine Kapitalruckfluflzeit von 4 a. Dazu ist zu bemerken, daR wegen der mit Sicherheit zukunftig steigenden Energiepreise praktisch ein noch hoherer Wert an Zusatzinvestitionen sinn- voll ist, als aus diesem Schaubild hervorgeht.

Um Einsparungen sinnvoll zu erzielen, ist eine Exergiebilanz wichtiger als eine Energiebilanz. Damit ergeben sich andere Schwerpunkte. Dies ist aus Tab. 1 [14] deutlich zu ersehen.

LO 1 I I NH3-Synthese,1000 Tat0

DM KapttalruckfluOzeit LJahre

C P -

L DM/GJ 5 Energiepreis

Abb. 5. Wirtshaftliche Zusatzinvestitlon als Funktlon des Ener- giepreises fur eine 1000-t/d-NH3-Anlage bei einer Kapitalriick- f l u k e i t von 4 a.

Tabelle 1. Energie/Exergie-Verluste bei der NHs-Herstellun C / o des Einsatzes).

1 Energie [O/o] I Exergie [O/o

Kamin Kuhlung (ohne Kompr. u. Synthese) Kompr. u. Synthese Cog-Wasche Reformer Zusatzkessel Abhitzekanal Sonstige Gesamtverluste

4 30 13,6 2

0 4

2 53

0,7

0,3

Ein Kaminverlust und die Kuhlung bei geringem Tempera- turgefalle bringt zwar hohe Energieverluste, jedoch ist diese Warme nicht vie1 wert, wie der geringe Exergieverlust zeigt. Anders ist es beim Warmeubergang mit hoherem Tempera- turgefalle bei der Synthese, bcim Reformer und beim Zu- satzkessel sowie im Abhitzekanal. Dort mussen Verbesse- rungen in erster Linie einsetzen. Jedoch wird die Erhohung des Wirkungsgrades chemischer Verfahren sicherlich nicht einfach sein. So betragt der exergetische Wirkungsgrad vieler grofltechnischer Verfahren bereits uber 50 o / o [ 151. Er liegt damit uber dem beispielsweise bei Krafiwerken iiblichen. Die Steigerung dieses Wirkungsgrades wird sich demnach in Grenzen halten. Auflerdem mufl man sehr sorgfaltig die Chancen von Einsparungen gegen die mit zusatzlichen Aus- rustungsteilen verbundenen Betriebsrisiken abwagen. Denn mit jedem zusatzlichen Ausriistungsteil wird der Keim fur neue Fehlerursachen gelegt.

Rohstoff- und Energie-Versorgung

Welche Anforderungen an die Verfahrenstechnik als Basis der Planung chemischer Groflanlagen gestellt werden, laflt sich an der sturmischen Entwicklung der Petrochemie in den letzten Jahren erkennen. Im wesentlichen durch die starke Entwicklung der Petrochemie konnte die Produktion der deutschen Chemie in den letzten zwei Jahrzehnten auf mehr als das Doppelte gesteigert werden. Dies wird aus Abb. 6

100 I I I I I I

10

'1950 1955 3960 1965 1970 1975

Abb. 6. kalien.

Anteil der petrochemishen Erzeugung von Primarchemi-

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deutlich, in dcr zunachst fur Deutschland der Anteil der auf Basis Erdol und Erdgas hergestellten Primarchemikalien wie z. B. Athylen, Propylen, Butadien, Aromaten und Kohlen- rnonoxid aufgetragen ist [16]. Die Kohle, die noch 1958 uber 70"/0 des damit gegebenen Bedarfs deckte, trug 1973 nur noch 5 "io bci, hauptsachlich in Form des bei der Ver- kokung gewonnenen Benzols [ 171. Die Abbildung zeigt cbenfalls die Situation fur den weltweiren Anteil der petro- chernischcn Erzeugung organischer Chemikalien [ 181. Dieser Anteil war schon fruher als in Deutschland bedeutend, um jctzt irn wesentlichen gleich zu verlaufen. Weltweit ist zu bemerken, dai3 die Kohle absolut gesehen als Einsatzstoff fur organische Chemikalien sogar noch zugenommen hatte mit cinem vorlaufigen Hohepunkt in den sechziger Jahren. Dar- aus geht hervor, dai3 eine derart rapide Entwicklung der organisch-chemischen Produktion wie in den letzten Jahr- zehnten ohnc das Erdol nicht moglich gewesen ware. Selbst- vcrstandlich ist cine derartige Anderung der Rohstoffbasis niit auflerordentlichen Anforderungen an die Verfahrens- technik verbunden.

Fraglich ist, wie lange Erdol und Erdgas in genugenden Mengen zur Verfiigung stehen werden, bzw. wem sie ZU- ganglich blciben. Durch die Funde von U1 und Gas in der Nordsee kann nach einer Untersuchung der Commerzbank der Energieselbstversorgungsgrad Westeuropas fur 10 bis 15 a von 5 O / O 1976 auf 25 O / o 1990 gesteigert werden, doch stellt dies nur eine energiepolitische Atempause dar, die zur Entwicklung von Alternativenergieii genutzt werden solltc [ 191. Zudcm ist die Nutzbarmachung des Nordseeols kcincswcgs billig. Bis 1976 betrug der Kapitalbedarf 50 Mrd. DM. Bis Anfang der achtziger Jahre werden nochmals 80 bis 100 Mrd. D M erforderlich sein. Auch das verfugbare Kapital ist eine beschrankte Ressource. Der Investitions- bcdarf dcr Mineralolindustrie weltweit ohne Ostblock wurde von der Chase Manhattan Bank in den Jahren 1966 bis 1975 zu 270 Mrd. US-Dollar geschatzt, fur die Jahre 1976 bis 1985, untcr Zugrundelegung einer Inflationsrate von 10"/11, zu 1345 Mrd. US-Dollar. Wichtig ist auch, dai3 neu gcbaute Anlagen relativ gut zugangliche Rohstoff e verarbei- ten. In Europa und speziell in Deutschland ist das Angebot an lcichtcn Raffinerieprodukten besonders knapp, wahrend sthwcrc Riickstandsole besser verfugbar sind. Auf langere Sicht ist diescs Problem dadurch losbar, dai3 die Raffinerien cntsprcchende Spaltanlagen bauen. Man kann aber auch die chcmischcn Verfahren dcrart umstellen, dai3 sie statt des teuren und knappen Naphtha mit schweren schwefel- und rnetallrcichcn Riickstandsolen arbeiten. Ein derartiges Kon- zept der Herstellung von chemischen Produkten aus schwe- rcn Ruckstandsolen 1ai3t sich heuzutage durchaus verbessern und bictct sich damit zur Realisierung a n [20].

Einr andere Liisung des Problems besteht darin, Chemie- anlagen dort ILI bctreiben, wo Einsatzstoff e verfiigbar sind. In~bcsondcrc die sonst abgefackelten Erdolgase oder weniger crgiebigc Erdgasqucllcn in verbraucherfernen Gebieten for- dcrn einc Nutzung hcraus. Ein Gastransport ist hierbei u. U. nicht wirtschafllich. Einc normale Anlage lohnt sich haufig nicht wegcn dcr Rcgrcnztheit der Vorkommen. Die bei sol- chen Vorkornmcn OR fchlende Infrastruktur liefle auflerdem den Bail der Anlage teuer und problematisch werden. Zu dicqcr Problcnistcllung wurdc eine unkonventionelle Losung

entwickelt. Abb. 7 zeigt das Modell eines Ammoniak-Erzeu- gungsschiff s, das Uhde geneinsam mit einer Schiffswerfl durchgearbeitet hat [21]. Die Anlage kann in unserem Lande mit allen Vorteilen vorhandcner Infrastruktur und hohem technischen Standard gcbaut werden. Danach wird die schwimmende Anlage, fiir die kcin eigener Antrieb vor- gesehen ist, an den Einsatzoi t geschleppt. Die Barkc kann in Kiistennahe verankert werden und beispielsweise Erdolgas oder Erdgas aus Off -Shore.Qucllen vcrarbeiten. Das Pro- dukt wird mit Schiffen abtrmsportiert. 1st das Erdol- oder Erdgasfeld erschopfl, bereitet die Verbringung des Animo- niak-Schiff es a n einen neuen Standort keine Schwierigkeiten.

Abb. 7. Modell eines Ammonia k-Erzeugungwhiffes.

Die Verankerung geschieht drehbar, das Mannschaflshaus liegt beim Drehpunkt. Die 13arke dreht sich in die Wind- richtung, so dai3 das Mannscliaftshaus vor Abgasen bewahrt bleibt. Eine Variante dieser Losung besteht darin, nur zum Transport schwimmfahige Teilanlagen in Kustennahe auf Land zu setzen. Man hat eine ortsfeste Anlage, jedoch die Vorteile des Baus und der Oilerprufung in einem technisier- ten Land.

In einer Umgebung knapper werdenden Rohstoff - und Energieangebotes werden Stimmen laut, die in zweifacher Hinsicht zur Sparsamkeit aufrufen. Neben der Forderung, generell mit den Vorraten haushalterisch umzugehen, ver- langen sie insbesondere damit aufzuhoren, Kohlenwasser- stoff e durch Verbrennung zur Energieerzeugung zu zerstoren. D a m seien sie zu schade, d a sie in kunftigen Jahren als Chemierohstoff benotigt werc en. Augenblicklich werden nur 7 o / o des verbrauchten Erdols und Erdgases als Chemieroh- stoff eingesetzt.

Die Kohle deckt heute nur 5 3 / 0 des Bedarfs a n Kohlenwas- serstoff als Chemierohstoff, wie bereits erwahnt. D a die Kohle langer vorhalten wird als Erdol und Erdgas, wird es notwendig sein, die letztgenarinten beiden Energietrager und Rohstoffe in einer Umkehr des Trends der vergangenen Jahre wieder durch die Kohle zu ersetzen. Angesichts der Erdgasverknappung in den USA hat kurzlich die Tennessee Valley Authority im Rahmen der Diingemittel-Forschung in den USA der Entwicklung von Ammoniak-Anlagen auf Kohlebasis die hochste Priorit a t eingeraumt [22].

Bereits 1974 ordnete die Federal Energy Administration fur 32 KraRwerke in den USA die Umstellung von 231 oder Gas auf Kohle an. 31 weitere Kra3werke erhielten jetzt die Mit-

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teilung, dafl auch sie mit einer entsprechenden Anordnung rechnen mussen [ 231. 24 Industrieanlagen, darunter Chemie- anlagen und alraffinerien, erhielten ebenfalls derartige Be- scheide 1241. Im Auftrag der Energy Research & Develop- ment Administration wird z. 2. eine Pilot Plant fur das H-coal-Projekt in Catlettsburg/Ky. (USA) gebaut [ 251. Der Aufwand wird auf 180 Mio. $ veranschlagt. Aus 600 t Kohle/d sollen taglich etwa 300 t synthetisches Rohol bzw. Einsatzstoff fur die Chemie erzeugt werden. Verfahren, die, wenn auch weiterentwickelt, a n die Kohlehydrierung der IG Farbenindustrie und an die Fisher-Tropsch-Synthese an- knupfen, werden in Zukunft a n Interesse gewinnen. Dies crgibt fur die Verfahrenstechnik der nachsten 10 bis 20 a interessante Aufgabenstellungen [26]. Dazu ist nach einer Bemerkung von James Fair bei einem kiirzlich veroffent- lichten Round-Table-Gesprach anlafllich des 75jahrigen Be- stehens der Zeitschrifi ,,Chemical Engineering" der Aus- bildungsstandard der Verfahrensingenieure in den USA anzuheben [27]. Als wesentliche Quelle, die schwindenden Olvorrate der Welt rechtzeitig wenigstens teilweise zu er- setzen, wird nach einem neuen, unter internationaler Mit- wirkung zustande gekommenen Bericht neben Kohle bis zum Jahr 2000 nur die Kernenergie angesehen [28].

I m Zusammenhang mit der Verknappung von Rohstoffen gewinnen Verfahren an Bedeutung, die immer minderwerti- gere Ausgangsstoffe zu nutzen gestatten. So haben es ver- fahrcnstechnische Entwicklungen erlaubt, minderwertige Erze zu nutzcn, deren Gewinnung friiher nicht in Erwagung gezogen werden konnte [ 291. Beispielsweise betrug der durchschnittliche Kupfer-Gehalt der in den USA genutzten Erze 1935 noch 1,570/0, heute dagegen nur noch ein Drittel davon, 0,5 o/o. 10 010 des gewonnenen Kupfers wird bereits durch Laugung aus Abraum gewonnen mit einem Kupfer- Gehalt von nur O,2 bis 0,3 O/O. Dabei stieg die Kupfer- Produktion in den USA von 100 t im Jahre 1845 auf 1,4 Mio. t 1975. Die USA sind damit der groflte Kupfer-Produ- zent dcr Welt.

Die Entwicklung dcr Verfahrenstechnik in einer sich andern- den Uniwclt kostct iiaturlich vie1 Geld. Solche Aufwendun- gcn fallcn zu cincm bctrachtlichen Anteil Landern zu, die nicht sehr mit Rohstoffcn oder Energietragern gesegnet sind, zu tlcnen auch dic Bundcsrepublik Deutschland zahlt. Fur solchc Lander ist die Fahigkeit zu einer qualifizierten Ver- cdlung cinc cntscheidendc Frage. In diesem Zusammenhang ist zu bcgriifien, daf3 zur Sicherung der Rohstoffversorgung bis 1979 durch dic Bundesregicrung 291 Mio. D M fur For- schungs- u n d Entwicklungsmafinahmen vorgesehen sind [ 301. I s ist jcdoch vicllcicht zu fragen, ob gerade dieser Posten nicht crhcblich bcsscr ausgcstattet wcrden muflte. In den USA, die mit Kohstoffcn vie1 reichlicher versehen sind als Deutschland, hat die Rcgierung einen erheblich hoheren Be- trag vorgcsehcn.

Zukiinftige Entwicklung

Die Verfahrenstechnik besitzt eine erhebliche Bedeutung aIs Basis f u r die Planung chemischer Groflanlagen. Dementspre- chend ist es interessant, sich uber den Stand und die Weiter- fiihrung der Entwicklung dieser Wissenschaft klar zu werden. Die bisherige verfahrenstechnische Entwicklung war gekenn-

zeichnet durch das Auffinden einzelner Zusammenhange und fundamentaler Beziehungen. Uni die Verfahrenstechnik zu einem befriedigenden Instrument zu machen, mu13 die ge- wonnene Kenntnis verallgemeinut werden. Diese Arbeit ist mehr quantitativ definiert und scheint weniger reizvoll als die friihere Pionierarbeit zu seir,. Sie ist aber nicht weniger notwendig. Die Berechnung der einzelnen Unit Operations mui3 durchgearbeitet und fur di: Anwendung am allgemei- nen Fall ausgetestet werden. Die Berechnung von Stoff- werten und Gemischwerten mu13 vervollkommnet werden bis es moglich ist, jedes beliebige Gemisch in jedem vor- gegebenen Temperatur- und Druckbereich hinsichtlich aller in der Verfahrenstechnik benotig ten St'off daten einschliefllich des Realverhaltens vollstandig zi i beherrschen. Die einzelnen Elemente von Chemieanlagen mussen in ihrer gegenseitigen Beeinflussung, d. h. als System jicher vorausberechnet wer- den konnen.

Computer-Einsatz

Es ist offensichtlich, dafl diese Ziele nur durch Computer- Einsatz erreicht werden konnen. Welche enormen Leistungs- steigerungen die Computer-Technik in den letzten Jahren ermoglicht hat, zeigt Abb. 8 beis Jielhaft an der Entwicklung

370- =I5 I 158 1158-3

Abb. 8. Interne Verarbeitungsgescliwindigkeit des Computers bei Uhde.

auf diesem Gebiet in der Uhdc GmbH. Ober der Zeit als Abszisse ist die interne Verarbei xngsgeschwindigkeit der bei Uhde aufgestellten Computer i i Mio. Bytes/s aufgetragen. 1 Byte Hauptspeicher genugt zur Speicherung einer Ziffer oder eines Buchstabens, 4 Bytes genugen fur fast jede in der Technik praktisch vorkommende Zahl. Unter der Abszisse sind zusatzlich System und M3dell der bei Uhde jeweils installierten Computer angegeben. Man sieht deutlich den beachtlichen Anstieg, insbesondere seit Anfang der sicbziger Jahre. Dies hat weniger technologische Grunde, sondern eine hausspezifische Ursache. D a m a h entschlof3 sich Uhde nam- lich, die technische und kaufmannische Datenverarbeitung auf einem Computer zu vereinigen, der dann naturlich be- sonders leistungsfahig ausgestatt 3 t werden konnte. Eine ahnliche Entwicklung maclite die bei Uhde installierte Hauptspeichergrofle durch, die in Abb. 9 in Mio. Bytes wie-

854 Chern.-lng.---ech. 49 (1977) Nr. 11, S. 849-857

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derum uber der gleichen Zeitachse aufgetragen ist. Mit der beachtenswerten Entwicklung der Computer-Technologie verbunden war ein bedeutender Ruckgang der spezifischen Kosten, Abb. 10. Wiederum uber der gleichen Abszisse wie

- 11.0 1

- 360 - 370 -

30 ILOl50 145 I 158 1158-3

lL0l

oben ist in dieser Abbildung die Monatsmiete in DM, bezo- gen auf 1 Byte Hauptspeichergrofle aufgetragen. Obwohl in dieser Monatsmiete auch die betrachtliche Vergrogerung peripherer Anlagen wie Schnelldrucker, Magnetplattenspei- cher usw. enthalten ist, hat sich doch im Laufe der Jahre eine auflerorderitlich deutliche Abnahme dieser spezifischen Ko- sten ergeben. Denkt man noch an die in Abb. 8 gezeigte Er- hohung der internen Verarbeitungsgeschwindigkeit, dann wird die Verbesserung der WirtschaRlichkeit des Computers noch deutlicher. Dem steht ein steiler Anstieg der Personal- kosten ge;enuber. Dies zeigt deutlich die Notwendigkeit, die Moglicchkeiten des Computers nutzbar zu machen.

360- 370- 30 \Lo150 1L5 I 158 1158-3

Eine wichtige Basis aller verfahrenstechnischen Berechnungen ist die Ermittlung der Stoff- und Gemischdaten. Dies ist von Hand sehr zeitraubend, da die gegenseitige Beeinflussung der Komponenten und reale Abweichungen vom idealen Verhalten zu beachten sind. Auf diesem Gebiet ist schon vie1 erreicht worden. Uhde hat hierzu ein Programmsystem, den Stoffdaten-Compiler entwickelt, der aus dem Stoff - datenversorgungsteil unseres Process Compilers [ 3 11 her- vorgegangen ist [32]. Er besteht aus den Programmen zur Berechnung der Reinstoff daten in Abhangigkeit von Tem- peratur und Druck sowie Programmen zur Errechnung des Realverhaltens und des Gemischeinflusses, s. Abb. 11. Diese

Programm Schatzung van Bas i s d a t cn

I Basisdaten Bib1 i o t h e k 400 j e Komp.

(ASS. )

Konstantcn Zve ikomponcn ten B i b l i o t h e k Xec h s e 1 w i r kun g s -

na r ame te r

Interface

Reinstoffe Realverhalten Genische (FORTRAN)

Scha t z u n g m n Bas i s -

A : Ergebniszk. ischenspelcher B: Bibliothek Basisdaten honstantenparameter

Abb. 11. Uhde-Stoffdacen-Compiler (Schema).

Programme stutzen sich ab auf eine Bibliothek mit Basis- daten fur haufig benotigte Komponenten, eine Konstanten- Bibliothek und auf Zweistoff-Wechselwirkungsparameter. Fur seltener gebrauchte Stoffe lassen sich die Basisdaten, so- weit bekannt, spezifizieren. Der Rest kann durch ein wei- teres Programmsystem zur Schatzung unbekannter Basis- daten aufgrund physikalisch-chemischer Zusammenhange er- halten werden. Wichtig ist fur den Benutzer in der Tages- routine der schnelle Zugriff zum Computer, damit nicht ein Teil des Zeitgewinns bei der Errechnung mit dem Programm- system durch Warten auf den Computer wieder verloren- geht. Dazu ist ein Terminal mit direktem Zugriff zum Computer erforderlich. Abb. 12 zeigt unsere Losung des Bildschirmanschlusses an den Stoff daten-Compiler, der in FORTRAN als Programmiersprache geschrieben wurde. Der Bildschirm als Ein/Ausgabe-Gerat des Benutzers ist durch das TCAM-Kontrollprogramm zunachst mlt dem Monitor

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Page 8: Die Verfahrenstechnik als eine Basis der Planung chemischer Großanlagen

in der Maschinensprache ASSEMBLER verbunden. Nach dem Start stellt dieser Monitor eine direkte Verbindung zum TCAM-FORTRAN-Interface in ASSEMBLER her. Die vom Be- nutzer am Bildschirm spezifizierte Aufgabenstellung wird iiber einen Common-Bereich an das Programmsystem iiber- geben. Nach der Berechnung, die etwa 1 s in Anspruch nimmt, wird das Ergebnis iiber einen Zwischenspeicher auf einer schnellen Magnetplatte an den Bildschirm zuruck- gegeben. Die Zwischenspeicherung ermoglicht, nach Uber- priifung des Gesamtergebnisses iiber mehrere Bildschirme hinweg zu entscheiden, ob man zusatzlich einen Ausdruck wiinscht.

Abb. 13 zeigt oben die Eingabemaske des Stoffdaten-Corn- pilers mit einem Testbeispiel. Die unterstrichenen Angaben werden am Bildschirm spezifiziert. Dies sind die Tempe- ratur, der Druck, eine Steuergrofle fur die Art der Berech- nung des Dampf/Flussigkeits-Gleichgewichts, eine Steuer- gro13e fur die Art der Masseneinheiten, die Gesamtmenge, die Zahl und Identitat der Komponenten mit einem Nurn- mernschliissel, die Zusammensetzung des Gemisches und eine Option, die die Menge und Art des gewiinschten Ergebnisses anzusteuern gestattet. Die gesamte Spezifikation ist bei etwas Obung in wenigen Sekunden moglich. Abb. 13, unten, zeigt einen Ausschnitt der auf dem Bildschirm angezeigten Ergeb- nisse. In vielen Fallen wird, wie hier gezeigt, ein Stoffwert nach verschiedenen Verfahren errechnet, so dafl eine Plausi- bilitatskontrolle erleichtert wird.

TITEL TEMPERATUR GRD C DRUCK (ABS) AT I2 FLAG (FLASH) 4- KG/H:O, K M O L / H : ~ T GESAMTMENGE 2000

ZUSAMMENSETZUNG %#,32,7,4,16,1 &8,97,86,134,7,

ANZAHL DER KOMPONENTEN KODE-NR

1 AUSDRUCKOPTION e

I V H D E STOFFDATENCOMPILER 1

U H D E STOFFDATENCOMPILER I DAMPFIGAS PHASE (FORTS.)

I 0.4009 MOL/L 13.22 G/L 0.4123 MOL/L 13.59 G/L

BEATTIE-BRIDGM. 0.4149 MOL/L 13.68 G/L MOLWARME

MOL-GEM 11 .24 CAL/ 0.3409 CALI I BWR 11.69 (MOL K) 0.3544 (G K) ADIABATENEXPONENT 1,273 K ~ M P R E S S I B I L I T ~ T S F A K T O R

BWR 0,9723 BEATTIE-BRIDGM. 0,9661 i

Abb. 13 des Stoff daten-Compilers (Ausschnitt).

oben: Bildschirrneingabemaske; unten: Bildschirmausgabe

Der Uhde-Stoffdaten-Compiler wird von bedeutenden Un- ternehmen in Deutschland benutzt. Wegen der zentralen Wichtigkeit von Stoffdaten wird seine Weiterentwicklung unter aktiver Mitwirkung der DECHEMA mit einem nam- haften Betrag von BMFT unterstutzt. Die DECHEMA be-

treibt auf Basis des Uhde-Stoff daten-Compilers einen all- gemein zuganglichen Stoff datendienst.

Beachtliche Erfolge wurden auch auf dem Gebiet des Process Compilers erzielt [31]. Mit diesem modularen Programm- system kann eine beliebig verschaltete Chemieanlage ohne manuellen Eingriff in einem Zuge hinsichtlich ihrer Mate- rial- und Energiebilanz berechnet werden. Der Verfahrens- ingenieur simuliert die Anlage mit Hilfe einer von Uhde speziell entwickelten, ihm nahestehende Sprache mittels ein- zelner Programmbausteine entsprechend den Grundverfah- rensstufen.

Ausblick

Die weitere Entwicklung wird den Ausbau zu voll integrier- ten Berechnungssystemen [ 331 einschliefllich der Auslegung, der cornputergestiitzten Erstellung von Zeichnungen, seien es Schemata oder Konstruktionszeichnungen, bringen. Schliefl- lich wird dies einmiinden in die Erstellung von Informa- tionssystemen, bei denen die Zwischeninformation automa- tisch an den nachsten Verarbeitungsschritt weitergegeben wird und die von der verfahrenstechnischen Berechnung iiber die konstruktive Gestaltung, die festigkeitsmaflige Berech- nung bis hin zur ingenieurmafligen und kaufmannischen Abwicklung alle Tatigkeiten luckenlos unterstiitzen. Es ist sicherlich eingetreten, was van Krevelen im November 1966 anlafllich der Verleihung der Wurde eines Doktor-Ingenieurs E.h. durch die Technische Hochschule Darmstadt sagte: ,,Bei der chemischen Verfahrenstechnik erwarte ich eine immer wachsende Anwendung des mathematischen Modells und des Elektronenrechners. "

Wir befinden uns in dieser zweifellos auflerordentlich inter- essanten Entwicklung, die gerade dern Anlagenbau wesent- liche Impulse gegeben hat.

Eingegangen am 20. Juli 1977 [B 41191

Literatur

Festschrift zum 25jahrigen Bestehen der Forschungsgesellschafi Verfahrenstechnik (GVT) 1977. Behrens, D.; Kirchner, K.: Chemie: Experiment + Technolo- gie 3 (1977) Nr . 516, S. 1671177. vgl. z. B. Mach, E.: Planung und Errichtung chemischer Fa- briken. Verlag Sauerlander, Aarau-Frankfurt/M. 1971. BfaJ?, E.: VDI-Nachrichren (1977) Nr. 13, S. 33. Oil Gas J. 7fi (1977) Nr. 12, S. 55. Putnarn,B. R.: Chem. Eng. 84 (1977) Nr. 12, S. 1581161. Payer, S.; Strasser, B.: Chlorine Bicentennial Symposium. The Electrochemical Society, Princeton, N.Y., USA (1 974) S . 1331144. Neumann, K1.-K.; Neumann, H.-J.: Chemie: Experiment f Technologie 3 (1977) Nr. 516, S. 145/150. Biotechnologie. Studie im Auftrag des BMFT, ausgearbeitet von der DECHEMA. 3. Aufl., Frankfurt/M. 1976. Brownstein, A . M.: Trends in Petrochemical Technology. Tulsa/Okla. 1976. Steiner, R.: Rohstoff- und Energieversorgung der chemischen Industrie - mittel- und langfristige Prognosen. Vortrag an der Universitat Dortmund, 13.6.1977. vgl. a. Mundo, K. I., in: Winnuher-Ktichler, Chemische Tech- nologie, Band 1, Anorganische Technologie I, Verlag Hanser, Miinchen 1969, S. 595 ff. Chem. Eng. Prog. 73 (1977) Nr . 4, 5.41145.

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Page 9: Die Verfahrenstechnik als eine Basis der Planung chemischer Großanlagen

[14] Nach Mundo, K. 1.: Die Energiewirtschafi in Ammoniak- Anlagen. Vortrag beim 2. lateinamerikanischen Dungemittel- kongreR, Caracas 1976.

[15] Rieckert, L.: VDI-Nachrichten (1977) Nr. 13, S. 33. [16] Chemiewirtschaf? in Zahlen, Hrsg.: Verband der Chemischen

[17] Madsah, H.-J.; Buskies, U.-H.; Gaenslein, H.: VDI-Nach-

[18 ] Hansen, F. H.: Chem. Ind. 24 (1973) S. 444/448. [19] Koch, E.: Erdol und Erdgas aus der Nordsee. Eine Studie

der Comrnerzbank, Dusseldorf, Marz 1977. [20] Mundo, K . J.: Die Arnmoniak-Erzeugung aus schweren Ruds-

xandsolen, zur Veroffentlichung vorgesehen. [21] Mundo, K . J . ; Wilharm, E.: Schwimmende Chemieanlagen,

zu r Veroffentlichung als BMFT-Bericht vorgesehen. [22] Eur. Chern. News 30 (1977) Nr. 777, S. 30. [23] Oil Gas J. 75 (1977) Nr. 18, S. 129. [24] Oil Gas J . 75 (1977) Nr. 20, S. 51.

Industrie, Frankfurt/M. 1974, S. 92.

richten (1977) Nr. 13, S. 35.

[25] Hall, J . R.: Chem. Eng. Prog. 73 (1977) Nr. 5, S. 32/34. [26] Falbe, I.: Nachr. Chem. Tech. Lab. 2 1 (1977) Nr. 5, S. 227/

[27] Fair, J . R., in: Chem. Eng. 84 (1977) Nr. 12, S. 1041113. [28] Wilson, C. L. (Hrsg.): ,,Energy: Global Prospects 1985-

2000". Erstellt unter der Leitung des MIT durch den ,,Work- shop on Alternative Energy Strategies (WAES)" durch Fach- leute aus 15 Landern, darunter die Hundesrepublik Deutsch- land. Mai 1977. Vgl. auch Oil Gas J. 75 (1977) Nr. 21, S. 29/31.

[29] Rampacek, C.: Chem. Eng. Prog. 7.1 (1977) Nr. 2, S. 57/68. [30] Haunschild, H . H.: VDI-Nachrichter (1977) Nr. 24, S. 2. [31] Futterer, E.: Dechema-Monographieri, Bd. 67, Teil2, S. 477/

[32] Neumann, K1.-K.; Ostertag, G. A.: Chem. Ind. 28 (1976)

[33] Futterer, E . : The Institution of Chemical Engineers, London,

232.

501, Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1971.

S . 2531255.

Symp. Ser. No. 35 (1972) 2:44/2:51.

Tendenzen und spezielle Probleme im Chemieanlagenbau"

Gottfried Kremer**

Tendenzen im Chemieanlagenbau lassen sich bei der Kapazitat und technischen Kon- zeption der kontinuierlichen und diskontinuierlichen Anlagen beobachten, ebenso wie in den Nachbargebieten der Werkstofftechnik sowie der Mefl- und Regeltechnik. Im Hin- blick auf die Normung und Standardisierung erwartet die chemkche Industrie eine dem Stand der Technik entsprechende Festlegung von Teilen, Teilegr ippen und kornpletten Aggregaten mit dem Ziel, Kosten bei der Beschaffung und Unterhaltung zu sparen, die Lagerhaltung von Ersatzteilen zu optimieren und schliefllich die Verfugbarkeit der An- lagen zu erhohen. I m Anlagenbau werden heute bewahrte untl sich stetig weiterent- wickelnde Sicherheitskonzepte zugrundegelegt. Die Grundlagen 3es Sicherheitskonzepts - die Vorschrifien und Technischen Regeln und das Know-how des Anlagenbauers und -betreibers - sowie die Methodik der Anwendung werden beh mdelt. Weiterhin wird uber bisherige Erfahrungen mit dem Genehmigungsverfahren n ~ c h dem Bundesimmis- sionsschutzgesetz und uber Tendenzen in der Gesetzgebung berichtet.

Bedeutung und Wandel des Anlagenbaues

Der Chemieanlagenbau ist eng verknupfl rnit der Entwick-

these neuer Stoffe hinzu, die sich teilweise zu ausgespro- chenen Massenprodukten entwickelten, z. B. viele Kunst- stoffe. - -

lung der chcmischen Industrie. In den Jahren 1960 bis 1972 investierte die Chemie in den westlichen Industrielandern einschliealich Japan etwa 300 Mrd. DM. Diese Investitionen wurden von Firmcn dcs Anlagenbaues oder eigenen Pla- nungsabteilungcn der Bctreiber abgewickelt. Wenn man unterstellt, daR ca. 15 "/a der Investitionskosten fur die Planung und Abwicklung des Anlagenbaues benotigt wer- dcn, waren mit diescn Investitionen Ingenieurleistungen von etwa 45 Mrd. DM verbundcn. Diese wenigen Zahlenangaben mogen verdeutlichen, welch wichtiger Partner der Anlagen- bau fur die chcmische Industrie ist.

Die chcmische Tndustrie ist seit ihrem Bestehen einem stan- digen Wandel unterworfen. Standen am Anfang Gewin- nung, Verbcsscrung und Ersatz bestimmter Naturprodukte, z. B. der Farbstoffe, im Vordergrund, so kam bald die Syn-

':. Vortrag auf der Decherna-Jahrestagung, 23./24. Juni 1977 in

':.':. Dip1.-Ing. G. Kremer, Hoechst Aktiengesellschaf?, Postfach IrankfurtIM.

800 320, 6230 FrankfurtIM. 80.

Die im Laufe vieler Jahrzehnte volli ogenen Wandlungen in der Chemie sind charakterisiert durci eine enge Zusammen- arbeit zwischen Chemikern und In? enieuren. Entsprechend ist auch der Chemieanlagenbau eiriem standigen Wandel ausgesetzt. Verscharfung der nunme i r weltweiten Konkur- renz, Verschiebungen der Kostenverhaltnisse zwischen Roh- stoffen, Energien, Personal und K a p tal sowie die Erfullung neuer Anspruche (z. B. in bezug auf Umweltschutz und er- hohte Sicherheit), Kostendruck und Preisverfall der Pro- dukte, verlangen heute Vorausschau, Anpassung und Weiter- entwicklung auf den Gebieten Verfaf renstechnik, Werkstoffe, Automatisierung usw. Wie sehr da: Konzept der Chemie- Anlage selbst, aber auch ihre Planung und ihre Erstellung, von diesen Oberlegungen gepragt werden, sei an einigen Beispielen erlautert.

Die fruher fast ausschliealich als Ch irgenbetriebe ausgefuhr- ten Produktionsanlagen waren im Grunde ins GroRe uber- tragene Laboratoriumsapparaturen, gekennzeichnet durch 1, personalintensive Vor-Ort-Bedie lung, 2. sparliche Aus- stattung mit Meageraten und geringer Information uber

Chern -1ng.-Tech 49 (1977) N r . 11, S. 857-864 D Verlag Chernie. GrnbH, D-6940 Weinheirn, 1977

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