die Übernahme von risiko als produktionsfaktor am beispiel von versicherungen

19

Click here to load reader

Upload: dirk-meyer

Post on 21-Mar-2017

217 views

Category:

Documents


3 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispielvon Versicherungen

Von Dirk Meyer, Kiel

In einer Welt mit raschem technologischen Wandel, kurzlebigen Produkt-lebenszyklen and einer in fast allen Lebensbereichen hohen Anpassungs-und Anderungsdynamik erlangen das Phanomen ,Risiko" and die Haftungfur Risiken eine zunehmende Bedeutung. Zumeist wird das Risiko nicht alsein eigenstandiger Faktor, sondern als ein Komplement anderen Faktorenzugeordnet. Beispielsweise wird eine Kreditvergabe mit einem gewissenAusfallrisiko kalkuliert, doch wird dieses Risiko nur selten von der eigent-lichen Kapitaliiberlassung getrennt. Der Zins ist der Preis fur die zeitlicheKapitaluberlassung and das eingegangene Risiko. Lediglich bei einer Biirg-schaft wird das Risiko von anderen Faktoren losgelost and die Risikouber-tragung mit einer Gebuhr erkauft.

Seit Bohm-Bawerk ist das ,Warten" i. S. einer Umwegproduktion als Pro-duktionsfaktor anerkannt. Als Erklarungsgrund fur den Zins verweist erhauptsachlich auf die Mehrergiebigkeit langerer Produktionsumwege. 1 InAnlehnung an diese These lautet die hier gewahlte Fragestellung: Gibt eseine Mehrergiebigkeit risikoreicherer Produktionsalternativen?

1. Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor

Ein ungedecktes Risiko eingehen heil3t, Entscheidungen ohne Haftung zutreffen. Da die Moglichkeit zur Externalisierung negativer Entscheidungs-folgen zu verantwortungslosem Handeln einladt, soil im folgenden lediglichdas durch ein Haftungspotential gedeckte Risiko hinsichtlich seinesAnspruches als Produktionsfaktor untersucht werden. 2

Daruber hinaus wird auf die Knightsche Unterscheidung zwischen demRisiko als einem quantifizierbaren Wagnis and der Unsicherheit als einemnicht meBbaren Wagnis i. S. eines ungewissen unternehmerischen Handelns

1 Vgl. Bohm-Bawerk (1961), S. 318ff. Siehe hierzu auch Sinn (1986), S. 561ff.2 Vgl. Meyer (1989), S. 194f.; anders bei Sinn (1988), S. 15; ders. (1986), S. 557ff.

sowie Nell (1990), S. 275 ff., die zumindest sprachlich ungenau vom Risiko als Produk-tionsfaktor sprechen. Die Ubernahme von Risiko durch Haftung and die Bereitstel-lung von Sicherheiten werden nachfolgend synonym verwandt.

Page 2: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

598 Dirk Meyer

verwiesen. 3 Die Versicherbarkeit ist an das Kriterium einer hinreichendsicheren Kalkulation der Schadenswahrscheinlichkeiten gebunden. Des-halb beschrankt sich die Analyse auf den Begriff des Risikos im Knight-

schen Sinne. 4

Die Bereitstellung von Sicherheit als eine Haftung fur Risiken gilt beiRisikoaversion als ein knappes okonomisches Gut, dessen Preis die Risiko-

pramie — hier der Versicherungsaufschlag — darstellt. Ein Versicherungsver-trag tauscht somit eine Wahrscheinlichkeitsverteilung von Ereignissen (Ein-kommen, Vermogen) gegen ein Sicherheitsaquivalent. 5

Eine Nutzenstiftung von Sicherheit 1ä1t sich direkt i. S. eines Konsum-gutes (Hausrat-, Privathaftpflicht-, Krankenversicherung) beschreiben oderindirekt als Inputfaktor im ProzeB der betrieblichen Gutererstellung(Betriebsunterbrechungs-, Transport-, Exportversicherung) • 6

Die Definition als Produktionsfaktor erfolgt aktivitatstheoretisch and istan drei Kriterien gekniipft: 7

(1) Der Einsatz im ProduktionsprozeB ist in Grenzen variierbar;

(2) ein veranderter Einsatz hat im Mittel bzw. in den Erwartungen der Pro-duzenten eine gleichgerichtete Ausbringungsanderung zur Folge;

(3) mit dem Einsatz ist ein Ressourcenverzehr verbunden, der Nachteilebzw. Opportunitatskosten verursacht.

In Anlehnung an Gutenberg 8 steht die ,,optimale Ergiebigkeit" des FaktorsHaftung fur Risiken (Kriterium 2) im Mittelpunkt der Betrachtung. Ent-scheidend hierbei ist, daB nicht eine positive Grenzproduktivitat per segefordert wird, sondern lediglich ihr Erwartungswert positiv sein muB. 9 DieVariierbarkeit (Kriterium 1) wird als unproblematisch erachtet and nach-folgend nicht weiter betrachtet.

3 „Our main concern will be with the contrast between Risk as a known chance andtrue Uncertainty ..." Knight (1965), S. 21.

4 Ob diese begriffliche Unterscheidung in der Praxis klar durchgehalten werdenkann, ist fraglich. Verlustsituationen and Konkurse in Versicherungsmarkten mitniedrigem Regulierungsniveau zeigen die enge Verbindung zwischen der t1bernahmevon Risiken and dem unternehmerischen Wagnis. Die Unterscheidung zwischen stati-schen and dynamischen Risiken nach Haynes (1895), S. 412f. bietet eine hilfreicheAlternative.

5 Vgl. Sinn (1988), S. 13; siehe auch Hax (1962 - 64), S. 14.6 Siehe Meyer (1989), S. 194.7 Siehe Meyer (1989), S. 195; ahnlich Sinn (1986), S. 559f. Vgl. auch die altere Lite-

ratur, so z.B. Haynes (1895), S. 411 and Hawley (1892), S. 285ff.8 Vgl. Gutenberg (1979), Bd. 1, 1. Teil.9 Am Beispiel des Faktors Arbeit last sich einfach zeigen, dali zwar mit einem

Mehreinsatz (Y7berstunde) die Erwartung eines positiven Grenzertrages verbundenist, eine Unachtsamkeit des Arbeitnehmers aber eine Betriebsstorung mit negativenErtragszuwachsen verursacht. Dennoch kann der Mehreinsatz bier als Produktions-faktor gelten.

Page 3: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Obernahme von Risiko als Produktionsfaktor 599

2. Versicherungsinduzierte Erhohung des Erwartungsschadens

Grundsatzlich steht der Versicherungsschutz zu anderen Sicherungsmit-teln in einer Substitutionsbeziehung. Alternatives waren die Moglichkeitender Schadensselbsttragung, der Schadensvorsorge oder gar der Schadens-meidung. 10 Damit sind die Eintrittwahrscheinlichkeiten eines Schadenfallessowie seine Hohe beeinfluBbar and richten sich nach der individuell kosten-minimalen Kombination der Sicherungsinstrumente. Diese Uberlegungenfiihren zur Fragestellung einer versicherungsinduzierten Erhohung des

Erwartungsschadens durch risikoreiches Handeln.

2.1. Das Grundmodellil

GemaB den Rationalitatsaxiomen von Savage wird ein Wirtschaftssubjektdiejenige Alternative wahlen, die bei einer subjektiven Wahrscheinlich-keitsverteilung eines Output-Gutes (X) den hochsten Erwartungsnutzenerzielt. 12

(1) E[u(X)l; u'(•) > 0

Aus Grunden der Operationalisierung wird die standardisierte Form nachdem p-B-Kriterium zugrunde gelegt.

X— E(X)(2) Z =

a(X)

Die strenge Konkavitat der Nutzenfunktion sichert die Annahme risiko-averser Wirtschaftssubjekte:

SU 6U(3) U (µ, a); S > 0; a < 0 mit µ = E (X)

S k I = 0fara=0,

Sa UO"' ) >0fiir a>0,und o a(X).

62 µS^ U(N. ,) > 0,

10 Siehe Manner (1984), S. 274; Ehrlich u. Becker (1972). Wie die haufig zu beob-achtende Forderung einer Mindestvorsorge bei Versicherungen zeigt, sind auch kom-plementare Beziehungen vorstellbar.

11 Siehe hierzu Sinn (1977), S. 508ff.12 Die Rationalitatsaxiome stellen in ihrer Ursprungsfassung auf den Erwartungs-

nutzen des Einkommens (Y) ab. Da jedoch Y = PX mit P = konst. gelten soil, ergebensich keinerlei Probleme.

Page 4: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

600 Dirk Meyer

Ein entsprechendes Indifferenzkurvensystem mit den Alternativen alsPunktewolke ist in Abb. 1 dargestellt. 13 Unter der angenommenen Risiko-praferenzfunktion wird die Alternative (A) gemaB dem µ-S-Kriteriumgewahlt. Sie gilt fur alle weiteren Betrachtungen als Referenzpunkt.

14Abb. 1: Das Grundmodell.

Die Ausfuhrungen sollen anhand der Exploration von Kupfervorkommenillustriert werden, die durch eine Direktinvestition einer deutschen Gesell-schaft unternommen werden soil. Dabei wird vereinfachend angenommen,daB die geologisch bedingte Ertragsfdhigkeit der Lagerstatten durch Probe-bohrungen hinreichend sicher vorherbestimmt werden kann. Desweiterenwird die Fordertechnologie zunachst als standortunabhdngig and gegebenbetrachtet. Die Forderkosten je Tonne Erz seien konstant. 14 Als standortbe-

13 Die Analyse ist nicht auf quadratische Nutzenfunktionen beschrankt. Generellgelten die Aussagen fur alle Nutzenfunktionen bei risikoaversem Verhalten der Wirt-schaftssubjekte.

14 Zur Vereinfachung setzt dies, mit Ausnahme des Einsatzes von Risiko, standort-unabhangige Faktorproduktivitaten and Faktorpreise voraus.

F

O

Page 5: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor 601

dingte Risiken konnen die Gefahren von Schlagwetterexplosionen, geologi-schen Instabilitaten, Uberflutung, Erdbeben and politische Risiken unter-schieden werden. Jede Standortalternative laBt sich in einer µ-b-Beziehungdarstellen. Die Aufzahlung der Risiken zeigt, daB der Ubergang zur Unsi-cherheit im Knightschen Sinne ein flieBender ist.

Das zugrunde gelegte Beispiel erhebt keinen Anspruch auf allgemeineAnerkennung, da die Einschatzung der Risiken individuell unterschiedlichsein kann. Es dient daher lediglich der Illustration. Eine Direktinvestition(fast) ohne Risiken soil im Norden Schwedens moglich sein (B). Dort beste-hen weder politische Unsicherheiten noch bereitet der Abbau der in gerin-ger Tiefe befindlichen Lagerstatten Probleme. Andererseits ist dort nur einegeringe Ertragsfahigkeit gegeben. Eine Forderung in den WiistengebietenAustraliens (A) ist ertragreicher, doch nehmen hier auch die geologischenRisiken des Abbaus zu. In den Andenregionen Chiles (C) sind die Erzvor-kommen stark angereichert. Die Forderung aus grol3er Tiefe sowie politischeInstabilitaten Lassen das Risiko dieser Direktinvestition ansteigen. Von denerwarteten Ertragen her vergleichbar, doch insbesondere aufgrund der poli-tischen Lage nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums ist ein Abbau inKasachstan (E) sehr viel risikoreicher. Das Maximum der erwarteten Kup-ferforderung wird im Kongo (D) erreicht. Punkt (F) bezeichnet eine Lager-statte in China am Jangtsekiang, die bei den periodisch wiederkehrendenUberschwemmungen hohe Risiken and einen relativ geringen Ertragswertdes Outputs besitzt.

Abb. 2 zeigt den auf der Basis des Grundmodells kontinuierlich angenom-menen Verlauf einer Produktionsfunktion der Kupferforderung. 15 Der alseinzig variabel gehaltene Inputfaktor ist in dieser Darstellungsform dasdurch ein Haftungspotential gedeckte Risiko fur die zu tatigenden Direkt-investitionen. Als Mai3einheit wird die Standardabweichung ((5) verwandt.Auf der Ordinate sind die jeweiligen Erwartungswerte der Kupferausbeute(Ec) abgetragen.

Wie die Illustration am Beispiel der Kupfergewinnung zeigt, ist dieAnnahme eines ertragsgesetzahnlichen Verlaufes nicht unplausibel. 16 Die

15 Sinn (1988), S. 15ff. and Nell (1990), S. 276ff., die sich mit einer ahnlichen Pro-blemstellung beschaftigen, beziehen sich an dieser Stelle nicht auf reale Output-ertrage,. sondern auf einen monetaren Gewinnerwartungswert. Insofern liegt eineGewinnfunktion vor, bei der zwar nach dem Dualitatstheorem eine eindeutige Bezie-hung zu einer Produktionsfunktion besteht. Aus einem dem Ertragsgesetz ahnlichenVerlauf der Gewinnfunktion laBt sich jedoch kein entsprechender Verlauf der Pro-duktionsfunktion herleiten. Dazu miiBte eine eineindeutige Beziehung bestehen.Anders verhalt es sich hier: Da die Forderkosten je Tonne Erz als konstant angenom-men werden, besitzen die Produktions- and die Gewinnfunktion eine ahnlicheGestalt.

16 Auch Sinn (1988), S. 15ff. kommt fur den Seehandel im Mittelmeer im 14.115.Jhd. zu ahnlichen Ergebnissen.

Page 6: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

602 Dirk Meyer

Analyse ist aber keinesfalls nur fur diese Familie von Produktionsfunktio-nen zutreffend. 17

Aus Abb. 2 ergibt sich, daB der Entscheidungstrager bei angenommenerRisikoaversion immer eine Alternative im Bereich positiver erwarteterGrenzproduktivitaten des eingesetzten Risikos wahlt (Kriterium 2), solangeer selbst fur das Risiko das Haftungspotential bereitstellt. Ihm entstehenaufgrund der Risikoaversion Opportunitatskosten (Kriterium 3). Im Beispielwurde ein Minenprojekt in Australien, Alternative (A), gewahlt werden. BeiSelbsthaftung ist Eigenkapital somit Risikokapital, das die Haftungsfunk-tion i. S. produktiver Wertschopfung als Produktionsfaktor erfizllt.

Abb. 2: Produktionsfunktion bei kontinuierlich angenommenemVerlauf and Eigenhaftung.

[A

2.2. Aquivalenztarif and beobachtbares Verhalten

Im folgenden wird angenommen, daB die mit der Direktinvestition einerKupfermine verbundenen Risiken prinzipiell versicherbar sind oder zumin-dest von anderen Risikotragern (Staat, Banken) ubernommen werden kon-nen. Hierfur wird eine vom Schadenerwartungswert E(S) abhangige Aqui-

17 Sie gilt z. B. entsprechend fur eine Leontief-Produktionsfunktion.

Page 7: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor 603

valenzprdmie (A) von der versichernden Institutionl 8 verlangt. Dies setztden in der Realitat selten gegebenen Fall einer vollstdndigen Beobachtbar-keit des Verhaltens des Versicherungsnehmers voraus.

(4a) A = a • (3 • E(S) mit E(S) = k(S)

a proportionaler Aufschlagfaktorj3 DeckungsgradE(S) SchadenerwartungswertE(S) kalkulierter Schadenerwartungswert

In einem ersten Fall wird von einer „fairen" Prdmie ausgegangen, d.h.a = 1 gesetzt. Die Versicherung erhebt keinen Aufschlag, der zur Abdeckungihrer Kosten, zur Finanzierung eines Sicherheitsaufschlages oder fur einenGewinnaufschlag verwendet werden kann. 19 Da der Preis fur die Risiko-ubernahme Null ist, wird der Investor diesen Faktor solange einsetzen, bisseine Grenzproduktivitat ebenfalls Null ist. Er wird sich deshalb fur eineKupfermine im Kongo (D) entscheiden, die fur ihn den hochsten Ertrag ver-spricht (Abb. 3). Die Versicherung tauscht die bei gleich hohem Erwartungs-wert unsichere Alternative (D) quasi kostenlos gegen ein Sicherheitsaquiva-lent (H). Bei freier Wahl des Deckungsgrades /3 wird er eine Volldeckunganstreben: Sowohl Kriterium (2) als auch Kriterium (3) werden nicht erfullt.

Fur die Gesellschaft ergibt sich eine Wohlfahrtssteigerung im AusmaB dergestiegenen Ertragserwartungen, die der Strecke HG entspricht. Sie wird imweiteren als „Rente" bezeichnet. 20 Dieser Vorteil fallt dem Investor zu.Gegenuber der Situation bei Nicht-Versicherung (A) ist gesamtwirtschaft-lich ein Anstieg der Wagnisbereitschaft um A b br zu verzeichnen, wahrendder Investor von alien versicherbaren Risiken entlastet wird.

Im zweiten Fall wird deco Minenbetreiber bei sonst gleichen Vorausset-zungen eine 50 %ige-Teildeckung angeboten. Fur den Versicherungsnehmerhalbieren sich die Risiken and die fur ihn relevante Funktion verschiebt sichmit dem Faktor des Deckungsgrades nach links (Abb. 4). Unter diesenBedingungen ist die Direktinvestition in Australien (A) nicht mehr optimal,da bei dem fur ihn verringerten Nettorisiko die marginale Risikoaversiongesunken ist (I). Er ist bereft, ein hoheres Risiko (K) einzugehen and ent-scheidet sich fur ein Abbauprojekt in Chile (C). Aufgrund seiner Risikoaver-

18 Nachfolgend wird vereinfachend von Versicherung gesprochen.19 Insofern bemerkt Nell (1990), S. 275 zu Recht, daB diese Pramie aus der Sicht der

Versicherung als hochst unfair zu bezeichnen ist.20 Den Anspruch einer Rente im okonomischen Sinne als derjenige Preisbestand-

teil, der die Opportunitatskosten ubersteigt, erfullt dieser Begriff kaum. In Anleh-nung an Sinn (1988), S. 13 mochte ich diesen Vorteil jedoch auch als ,Rente" benen-nen.

Page 8: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

604 Dirk Meyer

sion and des zu tragenden Restrisikos ist Kriterium (3) erfullt. Zudem wirddie Investitionsentscheidung immer im Bereich positiver Grenzproduktivi-taten erfolgen (Kriterium 2).

Abb. 3: Volldeckung bei ,fairer` Pramie.

'Rente'

E

OQnet

OQ6r

Versicherungsanalytisch ergibt sich ein Substitutionseffekt (1) von (A)nach (C), der die volkswirtschaftlich gestiegene Wagnisbereitschaft A 8br

widerspiegelt. Dieser wird von einem Versicherungseffekt (2) uberkompen-siert, der das Nettorisiko fur den Investor auf (K) um A 8 net vermindert. 21 DieVersicherung produziert im Umfang A bnet volkswirtschaftlich gesehenSicherheit. 22 Es entsteht ebenfalls eine ,Rente", die jedoch gegeniiber einerVolldeckung geringer ausfallt.

Das gegenuber der Alternative (A) um A bbr gestiegene Risiko kann nichtals verringerte Vorsorge i. S. eines Moral Hazards interpretiert werden, dabeobachtbares Verhalten vorausgesetzt wurde. Vielmehr mull in diesem Fall

21 Gleiches laBt sich auch fur den ersten Fall (Abb. 3) zeigen.22 Sinn (1988), S. 20f. weist darauf hin, daB die These ,Produktion von Sicherheit"

keine uneingeschrankte Giiltigkeit besitzt.

Page 9: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor 605

von einer volkswirtschaftlich erwunschten Wagniserhohung ausgegangenwerden, die sich in gesamtwirtschaftlich vorteilhaften Standortinnovatio-nen and ggf. risikoreicheren Abbaumethoden niederschlagen.

Abb. 4: 50 %-Teildeckung bei ,fairer' Pramie.

'Rente'

AO'net

In einem dritten Fall wird die Annahme der ,fairen" Pramie zugunsteneines Versicherungsaufschlages fallen gelassen. Der proportionale Aufschlagvon a > 1 soil die Verwaltungskosten der Versicherung sowie einen Sicher-heitsaufschlag fur das iibernommene Risiko abdecken and dari ber hinausggf. einen Gewinn ermoglichen. Die Versicherungsgerade verschiebt sichvon der Horizontalen bei positiver Steigung nach unten (Abb. 5). 23 Fur dieEntscheidung des Investors wird jetzt die Strecke MNDL zum effizientenRand seines Moglichkeitsraumes. Er wird sich fur die Alternative (N) ent-scheiden, die er gemaB seiner Praferenzfunktion zu 50 % absichert (I).

Bei entsprechend geringer Risikoaversion kann auch der Bereich ND furden Investor relevant werden. Eine Versicherung kommt hier aber nicht in

23 Das AusmaB der positives Steigerung hangt positiv vom Aufschlagsfaktor a anddem Ertragserwartungswert p ab, negativ von der Standardabweichung S.

Page 10: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

606 Dirk Meyer

Betracht, da der Grenzertrag des Risikos nicht ausreicht, um den Aufschlagder Versicherung zu decken.

Hinsichtlich der Prufkriterien ist die Haftungsubernahme von Risiken furdiesen Fall gemaB den Kriterien (2) and (3) ohne Zweifel ein Produktions-faktor. Fur den Versicherungsnehmer reduziert sich der Vorteil aus der Haf-tungsabwalzung um den absolutes Aufschlag.

Abb. 5: Versicherungsaufschlag and Aquivalenztarif.

absol.Aufschl

'Rente

a

AQb,.

Abb. 6 zeigt die Auswirkungen einer Variation des Versicherungsauf-schlages a. Je graBer dieser Aufschlag,

— desto geringer wird der freigewahlte Deckungsgrad /3 mit 0 <_ /.i <_ 1;

— desto geringer fallt der volkswirtschaftliche Anstieg der Wagnisbereit-schaft A bbr aus;

— desto weniger Sicherheit A b net wird von der Versicherung produziert and

— desto geringer fallt der Vorteil fur den Versicherungsnehmer, dargestelltals ,Rente", aus.

Page 11: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Cbernahme von Risiko als Produktionsfaktor 607

Eine besondere Spezialitat ergibt sich fir den Fall, daB die Versicherungs-gerade durch den Punkt (A) verlauft. Der Investor ist hier indifferent in derWahl der Alternative (A), deren Risiko er ohne Versicherung voll i berneh-men wurde, and dem Projekt (M), dessen Gesamtrisiko er im Umfang AMversichern wurde. 24 Obwohl fur den Investor bzgl. beider Alternativen keinVorteil besteht, kann die Volkswirtschaft durch die Realisierung von Mdarn einen Wohlfahrtsgewinn erzielen, wenn der Aufschlag der Versiche-rung einen Gewinnbestandteil enthalt.

Abb. 6: Variation des Versicherungsaufschlages and Aquivalenztarif.

µ

absolutAufschl,

'Rente'

-- .... ^av br

Der entgegengesetzte Fall in Form eines Versicherungsabschlages bzw.einer Subventionierung ist in der Praxis die Ausnahme. Es ist dennoch vor-stellbar, daB die heimische Regierung des Investors die Direktinvestitionenin speziellen Landern fordern will and z. B. die Absicherung von politischenRisiken finanziell unterstiitzt. Denkbar ist auch eine Subventionierung spe-zieller Explorationsrisiken seitens des Gastlandes, um den Kapitalimportbesonders attraktiv zu gestalten.

24 Die ,Rente" ware fur ihn Null.

Page 12: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

608 Dirk Meyer

Bei einer proportionalen Forderung mit 0 < a < 1 verschiebt sich die Ver-sicherungsgerade von der Horizontalen bei negativer Steigung nach oben(Abb. 7). Bei freier Wahl des Deckungsgrades wird der Investor jedes Risikogrundsatzlich zu 100 % absichern lassen, d. h. /3 = 1. Der Investor wird den-jenigen Standort wahlen, der ihm bei Volldeckung den groBten Ertrag bie-tet. Das Optimum ist dort gegeben, wo der negative Grenzertrag des Risikosdem Subventionsfaktor entspricht. In dem gewahlten Beispiel ware dies einMinenprojekt in Kasachstan (E). Die ,Rente" des Investors GI setzt sich ausdem gestiegenen Ertragserwartungswert GH der Alternative (E) and demSubventionsbetrag HI zusammen.

Abb. 7: Versicherungsabschlag, Subventionierung.

IU

Subv.

'Rente

f Ao br a

Hieraus wird deutlich, daB die Kriterien als Produktionsfaktor bei einerSubventionierung mit dem Ergebnis einer „uberfairen" Pramie (a < 1) nichterfullt werden. Die TJbernahme von Risiken hat einen negatives Preis (Kri-terium 3) and die Grenzproduktivitat des Risikos ist negativ (Kriterium 2).Dieses Ergebnis setzt allerdings voraus, daB sich die Subventionierung nichtmit externen Ertragen des Risikos — beispielsweise einer politischen Stabili-

Page 13: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor 609

sierung in Kasachstan — rechtfertigen laBt. Fur diesen Fall wurde eine Pro-duktionsfunktion unter Einbezug der positiven externen Effekte gelten. Dieprivate Grenzproduktivitat ware zwar negativ, durch die positiven externenEffekte ware die gesellschaftliche Grenzproduktivitat jedoch positiv, so daBunter diesen Bedingungen die Kriterien (2) and (3) aus gesamtwirtschaft-licher Sicht erfullt wurden.

Zur Vermeidung negativer Grenzproduktivitaten ware es notwendig, daBdie Subventionsgeber bei der Forderung von Risiken hohen Anspruchen aneine Rechtfertigung unterliegen wurden. Daruber hinaus vermeidet eineSubvention, die geringer als der Kostenaufschlag ist (a > 1), die beschriebe-nen Probleme. Eine andere Moglichkeit zur Beeinflussung der Risikobereit-schaft ware die Abschwachung der Risikoaversion durch „Moral Suation"and Appelle an die Hilfsbediirftigkeit risikobelasteter Investitionsstandorte(siehe (K) in Abb. 7). Dies wurde die Einhaltung der Kriterien (2) and (3)ebenfalls sicherstellen. Zudem waren keine Subventionszahlungen notwen-dig.

Bzgl. des Aquivalenztarifes and beobachtbarem Verhalten laBt sichzusammenfassend folgendes festhalten:

1. Die Ubernahme von Risiken erfullt grundsatzlich die Anforderungeneines Produktionsfaktors gemaB der Kriterien (2) and (3). Als Ausnahmensind eine Volldeckung (/3= 1) bei „fairer" Pramie (a = 1) sowie die Sub-ventionierung von Risiken bis zur jiberfairen" Pramie (0 < a < 1) zunennen. Diese Ergebnisse gelten allerdings nur, soweit keine externenEffekte vorliegen.

2. Gesamtwirtschaftlich erhoht sich die Wagnisbereitschaft durch die Risi-koabdeckung von Versicherungen. Aufgrund des beobachtbaren Verhal-tens kann dieser Anstieg jedoch nicht als Moral Hazard bezeichnet wer-den and ist volkswirtschaftlich bis auf obige Ausnahmen positiv zusehen.

3. I. d. R. sinkt das vom Unternehmer zu tragende Nettorisiko gegenuberder Referenzalternative ,Selbsthaftung". Die Versicherung produziertSicherheit.

4. Die durch die Risikoteilung realisierte Erhohung des Ertragserwartungs-

wertes kann einerseits als Vorteil bzw. ,Rente" an den Unternehmergehen, andererseits zur Finanzierung eines Versicherungsaufschlages die-nen. Der im Aufschlag ggf. enthaltene Versicherungsgewinn stellt eben-falls eine Rente dar.

39 Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 4

Page 14: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

610 Dirk Meyer

2.3. Durchschnittstarif and nicht beobachtbares Verhalten

Liegt nicht beobachtbares Verhalten vor, so ist der individuelle Erwar-tungsschaden zur Bestimmung der Pramienhohe nicht zu ermitteln andlediglich eine Durchschnittstarifierung moglich. Am Beispiel des Abbausvon Kupfererzen seien die durch Probebohrungen ermittelten geologischenDaten zwar dem Investor bekannt, der Versicherung gegenuber kann er aberwesentliche Risiken, die eine problemlose Forderung behindern konnten,verschweigen. Es liegt eine asymmetrische Informationsverteilung vor.Hieraus wird deutlich, daB ein vollstandig nicht beobachtbares Verhaltenebenso realitatsfern ist wie die in 2.2. gesetzte gegenteilige Annahme.

Der Durchschnittstarif orientiert sich am Durchschnittsschaden der ver-gangenen Periode, so daB folgende Pramienformel gilt:

(4b) D = a- f3 • E(S)K mit E(S) K = SK_ 1

E(S)' kalkulierter durchschnittlicher erwarteter Schadenje Mitglied des Kollektivs

SK beobachteter durchschnittlicher Schaden je Mitglieddes Kollektivs

Zur Vereinfachung erhebt die Versicherung keinen Aufschlag, d. h. a = 1.Die Versicherungspramie (D) ist somit eine Konstante and kann vom Versi-cherungsnehmer nicht beeinfluBt werden. 25 BeeinfluBbar bleibt jedoch wei-terhin das Risiko. Da das Verhalten als nicht beobachtbar angenommenwurde, wird der Investor diejenige Alternative wahlen, die ihm unabhangigvom Risiko and vom Ertragserwartungswert den hochsten Ereigniswert ver-spricht. Er handelt gemaB dem individuellen Maximierungskalkul:

(5) GKRisikoerhbhung = 0 = GE Risikoerhohung

mit GK = GrenzkostenGE = Grenzertrag.

Die damit verbundenen Risiken deckt er voll (f3 = 1) durch eine Versiche-rung ab.

Dieses Risikoverhalten kann eindeutig als Moral Hazard bezeichnet wer-den, da der Versicherungsnehmer im BewuBtsein einer unbehindertenKostenexternalisierung im Schadenfall handelt. Der Vorteil einer unterlas-senen VorsorgemaBnahme fdllt allein dem Investor zu, wahrend die erhoh-ten Unfallkosten auf das Versichertenkollektiv abgewalzt werden konnen.

25 Sollte sich die Pramie am aktuellen Durchschnittsschaden ausrichten, so wurdesich der individuelle EinfluB auf 1 / n bis zur Unmerklichkeit reduzieren.

Page 15: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor 611

In Abb. 8 wird angenommen, daB sick das Kupfervorkommen mit demgroBten Ereigniswert in Kasachstan (E) befindet. Damit liegt die gewahlteAlternative wiederum rechts vom Maximum des Ertragserwartungswertesim Bereich negativer Grenzertrage. Dies ist jedoch nicht zwingend notwen-dig, denn der maximale Ereigniswert kann in Ausnahmefallen auch linkshiervon liegen. 26 Bei Volldeckung durch die Versicherung realisiert derInvestor die Alternative (E) and erhalt als Sicherheitsaquivalent den maxi-malen Ereigniswert (I). 27

Abb. 8: Moral Hazard bei Durchschnittstarif and Volldeckung.

µ

Quasi-Sub-vention

'Rente'

c AQbr

^^net

OQMA

26 Nell (1990), S. 282 f. zeigt dies anschaulich anhand einer Beispielsrechnung auf.27 Die Steigung der Versicherungsgeraden hangt ab vom maximalen Ereigniswert,

dem damit verbundenen Risiko and generell vom AusmaB der asymmetrischen Infor-mation.

39*

Page 16: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

612 Dirk Meyer

Die negative Steigung der Versicherungsgeraden weist darauf hin, daB dieUbernahme von Risiko einen negativen Preis besitzt and Kriterium (3) somitnicht erfullt ist. Nimmt man als Referenz den Fall einer „fairen" Aquiva-lenzpramie mit Volldeckung (D), so erhalt der Investor insgesamt einen Vor-teil in Hohe GI, der im Umfang HI aus einer Quasi-Subvention durch dieVersicherung besteht. Haufig liegt die fur den Versicherungsnehmer opti-male Alternative im Bereich negativer Grenzproduktivitaten, so daB auchgegen Kriterium (2) verstoBen wird. Der volkswirtschaftlich knappe FaktorHaftung fur Risiken wird verschwenderisch eingesetzt.

Gegenuber einer Selbsthaftung (A) steigt die gesamtwirtschaftliche Wag-nisbereitschaft um A bbr auf (E). Verglichen mit dem Referenzpunkt (D)kann die Risikosteigerung auf (E) als Moral Hazard (AS MH) interpretiertwerden. 28

Da sich jedes Mitglied im Versicherungskollektiv so verhalten wird,kommt es zu einer dynamischen Rationalitatenfalle mit einem immer weitersteigenden Subventionsbedarf bzw. wachsenden Beitragen. Bei unverander-ten Rahmenbedingungen kann dies zu einem Zusammenbruch des Systemsfiihren. 29

Eine Reihe von Losungsansatzen zum Moral Hazard-Verhalten wird inAbb. 9 dargestellt. Die Versicherungsgerade mit der individuell optimalenAlternative (E) and dem realisierten Sicherheitsaquivalent (I) wurden zumVergleich aus Abb. 8 iibertragen. Eine Drehung in Richtung der Horizon-talen auf die Versicherungsgerade (1) wird durch verstarkte Beobachtungenseitens der Versicherung erreicht. Die Moglichkeiten zur Kostenexternali-sierung aufgrund asymmetrischer Informationen werden hierdurch einge-schrankt (H).

Ein zweiter Ansatz zur Begrenzung der Moral Hazard-Effekte schranktden Alternativenraum des Versicherungsnehmers ein. Beispielsweise wer-den nur noch solche Projekte versichert, die maximal ein Risiko in Hohe (K)beinhalten. Dies kann durch Verbote, AusschluBklauseln oder Vorsorge-gebote geschehen. Die Ubernahme von Risiko wird auf Bereiche mit positivenGrenzproduktivitaten (Kriterium 2) beschrankt. Kostenexternalisierungenbleiben allerdings weiterhin moglich (G).

Als dritte Moglichkeit kann die Versicherung einen relativ hohen Auf-schlag zur Abdeckung dynamischer Kosteneffekte erheben. Zum einen wirdjetzt eine Selbstbeteiligung fur den Versicherungsnehmer attraktiv (L), zumanderen entstehen verstarkt Anreize zur adversen Selektion and zur Bil-

28 Der Umfang des so festgesetzten Moral Hazards ist somit ein relatives Mall, dasvon der Wahl der Referenzalternative abhangt.

29 Das System der Gesetzlichen Krankenversicherung bietet hierfur ein Beispiel.

Page 17: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Obernahme von Risiko als Produktionsfaktor 613

dung von Risikoklassen. Zu gleichen Ergebnissen fiihren hohe Selbstbetei-ligungsraten. Das Angebot der Versicherungen zur Risikoubernahme wirdhiervon abhangig gemacht. Da die Moglichkeit zur Kostenexternalisierungerheblich verringert wird, sind risikoreiche Alternativen jetzt wenigerattraktiv and negative Grenzproduktivitaten scheitern am individuellenOptimierungskalkul.

Abb. 9: Losungsstrategien zum Moral Hazard.

rr

Zusammengefal3t ergeben sich fur den Durchschnittstarif bei nicht beob-achtbarem Verhalten folgende Ergebnisse:

1. Das individuelle Optimierungskalkul wird sehr haufig zu Alternativengelangen, die eine negative Grenzproduktivitat des eingesetzten Risikos

Page 18: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

614 Dirk Meyer

beinhalten. Die asymmetrische Informationsverteilung erlaubt eineKostenexternalisierung im Schadensfall, so daB eine Quasi-Subventio-nierung durch die Versicherung stattfindet. Die Kriterien (2) and (3)eines Produktionsfaktors werden damit generell nicht erfullt.

2. Durch die Versicherung erfolgt ein Anstieg der gesamtwirtschaftlichenWagnisbereitschaft um A6br . Zumindest teilweise kann diese Risikostei-gerung als Moral Hazard i. S. einer nicht beobachtbaren Vorsorgeunter-lassung gedeutet werden. Der Umfang dieses festgestellten MoralHazards (d bMH) kann jedoch lediglich relativ, bezogen auf einen Refe-renzpunkt, angegeben werden.

3. Losungsansatze bestehen in einer verbesserten Information durch dieVersicherung sowie einer Begrenzung des versicherbaren Risikos durchHaftungsausschluB and Vorsorgepflichten. Dariiber hinaus sind ein Ver-sicherungsaufschlag and eine hohe Selbstbeteiligung wirkungsvolleInstrumente zur Einschrankung des Moral Hazards. Sie bieten eine hin-reichende Gewahr fur positive Grenzrisiken. Eine vollstandige Deckungdes Risikos durch Versicherungen ist fur den Fall der asymmetrischenInformation abzulehnen.

4. Ergebnisse

Die Fragestellung nach der Mehrergiebigkeit risikoreichen Verhaltens imProduktionsprozeB hat verschiedene Antworten ergeben. Unter der realisti-schen Pramisse risikoaversiver Nutzenfunktionen erfullt eine Ubernahmevon Risiken bei Selbsthaftung die Kriterien eines Produktionsfaktors unein-geschrankt. Die Kongruenz von Entscheidung and Haftung sichert dieInformationsfunktion bzgl. zukunftiger Ertrags- and Schadenskonstellatio-nen. Dezentrales, auf Eigenkapital als Haftungsbasis gegri ndetes Handelngarantiert somit einen effizienten Einsatz des Risikokapitals, soweit externeEffekte ausgeschlossen sind. Das gleiche Ergebnis resultiert bei beobacht-barem Verhalten and einer Versicherung zu einem Erwartungsschaden pro-portionalen Aquivalenztarif mit Kostenaufschlag fur die Organisation andVerwaltung.

Probleme ergeben sich insbesondere bei nicht beobachtbarem Verhalten,das lediglich eine Versicherung zu Durchschnittstarifen zulaBt. Die Mog-lichkeit zur Externalisierung eventueller Schadenskosten and die damiteinhergehende Quasi-Subventionierung risikoreichen Handelns verstoftgegen die Kriterien eines Produktionsfaktors. Risiko wird grundsatzlichineffizient, d. h. uberoptimal eingesetzt. Besondere Probleme entstehen beieiner Zwangsversicherung, bei der nicht einmal ein Exit-Mechanismuswirksam werden kann. Die beschriebenen Losungsansatze verbessern dasInformationsverhalten and schranken die Kostenexternalisierung ein.

Page 19: Die Übernahme von Risiko als Produktionsfaktor am Beispiel von Versicherungen

Die Ubernahme von Risiko als Produktionsfaktor 615

Allen Versicherungsfallen gemeinsam ist ein An'stieg der Wagnisbereit-schaft. Je nachdem, ob es sich um ein beobachtbares oder nicht beobachtba-res Verhalten handelt, wird das gedeckte Risiko mit unterschiedlich hoherProduktivitat eingesetzt. Die Realitat ist zumeist durch eine Mischung bei-der Verhaltensformen gekennzeichnet. Am Beispiel des Principal Agent-Verhaltnisses wird die praktische Bedeutung sichtbar. Die RisikoteilungbeeinfluBt nicht nur die Motivation des Agenten zu umsichtigem, vorsorg-lichem Handeln, sondern auch seine Auswahl der mit unterschiedlichenRisiken behafteten Produktionsverfahren and Standortalternativen. Einestrenge Unterscheidung durfte aber im Einzelfall sehr schwierig sein.

Literaturverzeichnis

Bohm-Bawerk, E. v. (1961), Kapital and Kapitalzins, Bd. II, 4. Auflage, Meisenheim/Glan.

Ehrlich, I. u. Becker, G. S. (1972), Market Insurance, Self-Insurance, and Self-Protec-tion, in: Journal of Political Economy, Vol. 80, S. 623 - 648.

Gutenberg, E. (1979), Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Erster Band: Die Pro-duktion, 3. unveranderte Auflage, Berlin, Heidelberg, New York.

Hawley, F. B. (1892), The Fundamental Error of ,Kapital and Kapitalzins", in: Quar-terly Journal of Economics, Bd. 6, S. 280 - 307.

Hax, K. (1962 - 64), Wesen, Bedeutung and Gliederung der Versicherung, in: Allge-meine Versicherungslehre, Studienplan BI 1, S. 1 - 50, Wiesbaden.

Haynes, J. (1895), Risk as an Economic Factor, in: Quarterly Journal of Economics,Bd. 9, S. 409 - 449.

Knight, F. H. (1965), Risk, Uncertainty and Profit, New York.

Manner, L. (1984), Versicherungsnachfrage — Theorie and Realitat, in: Zeitschrift fiirdie gesamte Versicherungswissenschaft, 73. Bd., S. 271 - 293.

Meyer, D. (1989), Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Versicherungswesens mitbesonderem Bezug zur Risikoallokation, in: Zeitschrift fur die gesamte Versiche-rungswissenschaft, 78. Bd., S. 191 - 206.

Nell, M. (1990), Die Bedeutung des Risikos als Produktionsfaktor, in: Zeitschrift fiirdie gesamte Versicherungswissenschaft, 79. Bd., S. 275 - 285.

Sinn, H. -W. (1977), Die Allokationswirkungen der Versicherung, in: Zeitschrift fur diegesamte Versicherungswissenschaft, Bd. 66, S. 507 - 538.

Sinn, H.-W. (1986), Risiko als Produktionsfaktor, in: Jahrbuch fur Nationalokonomieand Statistik, Bd. 201, S. 557 - 571.

Sinn, H.-W. (1988), Gedanken zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Versiche-rungswesens, in: Zeitschrift fur die gesamte Versicherungswissenschaft, Bd. 77,S.1 - 27.