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Didaktik der Journalistik

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Beatrice Dernbach • Wiebke Loosen (Hrsg.)

Didaktik der Journalistik

Konzepte, Methoden und Beispiele aus der Journalistenausbildung

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Springer VSISBN 978-3-531-17460-0 ISBN 978-3-531-93447-1 (eBook)DOI 10.1007/978-3-531-93447-1

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar.

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2012Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu-stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über-setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en.

Einbandentwurf: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Mediawww.springer-vs.de

HerausgeberinnenBeatrice Dernbach Wiebke Loosen

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Inhalt Vorwort………………………………………………………………………….9 Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen Die didaktischen Herausforderungen in der Journalistik und der Journalistenausbildung……………………………………………………...….11 I Konzepte und Reflexionen Hans Heinz Fabris Der lange Blick zurück: Das Experiment Journalistik-Studium…………......….23 Wolfgang Donsbach Hausaufgaben noch immer nicht gemacht: Versäumnisse und Konzepte der Journalistenausbildung……………………………………………….….....31 Michael Haller Didaktischer Etikettenschwindel? Die Theorie-Praxis-Verzahnung in der Journalistik………........................................................................................45 Volker Lilienthal Die Sprache des Marktes: Hochschulgebundene Journalistenausbildung aus Sicht eines lehrenden Praktikers……………………………………….......59 Ulrich Pätzold Im Mittelpunkt steht immer die Nachricht: Didaktische Erfahrungen als Vorlage für die Forschung……………………………………………..….…...67 Margreth Lünenborg Das Geschlecht des Journalismus. Gender Studies und Journalistik ..…...…....79 Sylvia Egli von Matt Der Königsweg: Journalismus als Zweitausbildung…………………………...91

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Inhalt 6

Annette Hillebrand Ein Gruß aus der Küche und dann: Üben, üben, üben……………………......103 II Themenfelder und Lehrinhalte Wiebke Loosen und Armin Scholl Weder grau noch Kaffeesatzleserei. Zur Vermittlung zwischen/von Theorie und Empirie………………………………………………………….115 Beatrice Dernbach und Pia Schreiber Wissen über Medien: Herausforderungen für leidenschaftliche Praktiker……………………………………………………………………...129 Udo Branahl Wissen was Recht ist: Die Notwendigkeit rechtlicher Grundlagen…………………………………………………………….….......143 Rüdiger Funiok Verantwortung im Journalismus. Methoden und Ziele der Einführung in die journalistische Ethik………………………………………………..…..151 Thomas Schnedler Eine notwendige Auseinandersetzung. Das Verhältnis von Journalismus und Public Relations………………………………………………………….165 III Klassisches Handwerk und Medientraining Manfred Redelfs Spürnase oder Handwerk? Zur Didaktik der Recherche…………………...…183 Jürgen Friedrichs und Ulrich Schwinges „Was macht Sie da so sicher?“ Das Interview-Training……………………...199 Volker Wolff Nachrichtenschreiben: Keine Kunst, sondern erlernbares Handwerk……......209

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Inhalt 7

Friederike Stüven Reportageschreiben-Lernen: Vom Dschungel didaktischer Ansätze und den Wegen heraus………………………………………………….......…......221 Robert Donauer Fernsehen soll Bildergeschichten erzählen. Ein Erfahrungsbericht.………....233 Michaela Petek-Dinges Aus der Videojournalisten-Ausbildung: Technik wird selbstverständlich vorausgesetzt………………………………………………………………….245 Armin Himmelrath Journalismus im Radio: Entmystifizierung als Ermutigung..……………...…257 IV Theorie und Praxis integrierende Lehr- und Lernumgebungen Bernd Blöbaum Journalisten und Kommunikatoren: Praxisprojekte in Journalistik und Kommunikationswissenschaft………………………………………………..273 Jens Bergmann und Bernhard Pörksen Lernen als Ernstfall. Zur Integration von Theorie und Praxis in der Journalistik………………………………………………………...…...……..285 Walter Hömberg und Christian Klenk 20 Jahre Einsteins: Von der Zeitschrift zur crossmedialen Publikation..……297 Klaus Meier, Vanessa Giese und Tobias Schweigmann Das ‚Kreuzen‘ der Medien: Das Konzept des crossmedialen Labors…….......311 Petra Werner und Lars Rinsdorf Online-Projekte als Selbstlernumgebung: Metakognitive Kompetenzen fördern……………………………………………………………..………….323 Stephan Ruß-Mohl Wissenschaft für die Medienpraxis: Das European Journalism Observatory als Dienstleister und Ausbildungs Projekt………………...……335

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Inhalt 8

V International vergleichende Lehrerfahrungen und -inhalte Markus Behmer Bildkorrekturen: Sensibilisierung und anwendungsbezogene Kompetenzvermittlung für entwicklungspolitische Themen……...………….351 Susanne Fengler und Tina Bettels Der komparative Blick: Die Relevanz der Auslandsberichterstattung…….....365 Steffen Burkhardt Journalistik im Global Village: Das journalistische Kooperationsprogramm „Medienbotschafter China-Deutschland“……………………… ……..……..377 Barbara Thomaß Die Ermöglichung des Diskurses: Journalistische Ethik als Gegenstand transkultureller Seminare…………………………………………………..…393 Hans Ibold und Mark Deuze Comparing Experiences in Journalism Education: The Netherlands and the United States………………………………………………………..…….405 VI Zum Schluss: Nachdenkliches, Kommentare, Zwischenrufe Katharina Meischen Der Weg in den Journalismus: Ein Resümee nach sieben Semestern………..421 Ulrike Kaiser Die normative Kraft des Praktischen: Ein weiterer Zwischenruf zur Ausbildungsdebatte…………………………………………………………...431 Bijan Peymani Spätrömische Mediendekadenz: Wie und warum der Journalismus vor die Hunde geht……………………………………………………………...…….439 Siegfried Weischenberg Ende der Journalistik? Das Schicksal eines traditionell prekären Fachs im Bologna-Zeitalter………………………………………………………...…...447 Die Autorinnen und Autoren……………………………………………….465

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Vorwort

Mit der (Hochschul-)Lehre ist es wie mit dem Journalismus: Es gibt ein erlern-bares Handwerk, es gibt Methoden, Techniken, Werkzeuge, die einem die Ar-beit erleichtern oder gar erst ermöglichen. Ein bisschen Talent schadet nicht, das Wichtigste aber sind Aneignung und Umsetzung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Diese Überzeugung macht auch den Kern der Journalistik aus und so werden, seit es Journalistenausbildung an Hochschulen gibt, Fragen der Di-daktik diskutiert. Vielfach kreisen sie um die Integration von Theorie und Praxis – ein Aspekt, der eine Sonderstellung der Journalistik im Vergleich zu anderen, ebenfalls von der Intention her berufsqualifizierenden Hochschulabschlüssen markiert. Dabei aber werden die ganz konkreten didaktisch-praktischen Fragen, welche die Lehrenden in der Journalistik umtreiben, vergleichsweise selten thematisiert: Wie löse ich die Integration von Theorie und Praxis in einem Se-minar tatsächlich ein? Wie kann ich Studierende zur Mitarbeit aktivieren? Wie lässt sich ein Seminar anders als nur mit Referaten bestreiten? Wie lehren ei-gentlich die Kollegen, welche didaktischen Methoden setzen sie ein, was hat sich bei ihnen bewährt?

Über Lehrerfahrungen wird eher informell gesprochen, am Rande von Ta-gungen, beim Treffen mit Kolleginnen und Kollegen, denen man vertraut und bei denen man manchmal Rat sucht. Das liegt sicher auch daran, dass wir alle ein Stück weit Learning-by-Doing betreiben, da der Beruf des Hochschullehrers keine formale didaktische Qualifikation und Qualifizierung erfordert. Zwar gibt es mittlerweile vermehrt Initiativen und Programme zur Verbesserung der Hochschullehre und an verschiedenen Standorten Zentren für Hochschuldidak-tik, dennoch sind die meisten Nachwuchswissenschaftlerinnen noch immer darauf angewiesen, sich autodidaktisch auf ihre Lehrtätigkeit vorzubereiten. Darüber hinaus ist die Forschung für die wissenschaftlich-akademische (Wei-ter)Qualifikation noch immer ungleich wichtiger als die Lehre; die Kapazitäten sich hier zu engagieren und weiterzubilden sind also vergleichsweise gering. Die ersten Lehrerfahrungen werden dann im Allgemeinen mit den Methoden bestritten, die man selbst während des eigenen Studiums kennengelernt hat – auch wenn man es immer anders machen wollte. Dann wurstelt man sich ir-gendwie durch, holt sich Tipps von Kolleginnen und Kollegen, Feedback von den Studierenden, probiert aus, entwickelt die eigenen Konzepte und die Lehr-

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Vorwort 10

persönlichkeit über die Jahre weiter und hat irgendwann das Gefühl, dass die Lehre ganz gut gelingt – hoffentlich aber auch, dass es immer noch etwas zu verbessern gibt.

Diese (Selbst- und Fremd-)Beobachtungen waren der Auslöser für den vor-liegenden Sammelband: Wir wollten Kolleginnen und Kollegen aus der Journa-listenausbildung dazu bewegen, ihre didaktischen Erfahrungen zu reflektieren, ihre Methoden zu schildern, ihre Lehrkonzepte vorzustellen, sich an einer eher ungewohnten Textsorte zu versuchen – dem didaktischen Erfahrungsaustausch einen Platz geben. Diesen Platz, das war von Anfang an unser Wunsch, wollten wir älteren ebenso wie jüngeren Dozentinnen und Dozenten aus möglichst ver-schiedenen Einrichtungen geben. Autoren sollten nicht nur Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Hochschulen sein, sondern sie sollten auch aus den verschiedenen anderen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen der Journaliste-nausbildung kommen. Das ist uns nur begrenzt gelungen: Die Leiterinnen und Leiter vieler Journalistenschulen konnten wir trotz zahlreicher Versuche leider nicht zu einem Beitrag bewegen. Durchweg positiv waren hingegen die Reakti-onen aus den Hochschulen; kaum einer der Angefragten hat lange mit der Zusa-ge gezögert.

Wir danken all unseren Autorinnen und Autoren für die sehr konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit. Wir wissen von vielen weiteren Lehr- und Lehrprojekten in der Journalistenausbildung und bedauern, dass wir für diesen Band selektieren und weitere Beitragsangebote ablehnen mussten. Wir sind davon überzeugt, dass die Journalistenausbildung im deutschsprachigen Raum nicht in der Krise ist, sondern sehr innovativ didaktische Modelle entwickelt und umsetzt.

Unsere Layouterin Katharina Meischen hat in der Mitte des publizistischen Entstehungsprozesses noch die Rolle der Autorin angenommen: Uns war aufge-fallen, dass wir – wie dies bei nahezu allen Tagungen zum Thema Ausbildung vorkommt – die Sicht der Lernenden nicht auf der Agenda hatten. Katharina Meischen war aufgrund der Lektüre aller Beiträge so ins Thema eingetaucht, dass sie nur noch die Gedanken niederschreiben musste, die sich ohnehin in ihrem Kopf festgesetzt hatten.

Mareike Scheler hat die Texte sorgfältig redigiert und uns Herausgeberinnen kenntnisreich begleitet. Last but not least bleibt Barbara Emig-Roller zu danken, die diesen Sammelband ins Programm aufgenommen und dessen Erscheinen ermöglicht hat.

Bremen und Hamburg im September 2011

Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen

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Die didaktischen Herausforderungen in der Journalistik und der Journalistenausbildung Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen 1 Erwartungen, Reflexionen und Bilanzen Die Beschäftigung mit einer Didaktik der Journalistik führt mitten in das Herz der Selbstverständnisdebatte der Journalistik. Seit jeher kreist diese um das Verhältnis von Theorie und Praxis. Immer wieder wird der Journalistik attestiert (und attestiert sie sich selbst), dass sie ihren expliziten Anwendungsbezug ver-nachlässige, „mit dem Rücken zur Praxis“ (Roß 2008: 640) operiere, ihren Ge-genstand nicht kenne (vgl. Pätzold 2008), während ihre eigentliche Stärke doch in der Integration von Theorie und Praxis liege (vgl. Haller 2004), die als die „Leitformel der Journalistik“ (Pörksen 2006: 301), als ihre „bedeutendste se-mantische Chiffre“ (Blöbaum 2008: 651) gelte, der sie letztlich ihre „Existenz-berechtigung“ (Weischenberg 1990: 215) verdanke.

Verhältnis- und Begriffsbestimmungen von Theorie und Praxis zeigen aber auch, mit welch vielfältigen Interpretationen diese semantisch unscharfen Be-griffe belegt werden (vgl. Blöbaum 2000: 120 ff.; Pörksen 2006: 301 ff.): Viel-fach ist ungeklärt, was mit Theorie und Praxis genau gemeint ist, was genau wo integriert werden soll und wie und auf welcher Ebene dies geschehen soll (z. B. zwischen Hochschule und Berufspraxis, innerhalb des Curriculums, auf der Ebene der einzelnen Lehrveranstaltung). Hieran schließt sich auch die Frage an, in welchem Verhältnis Forschung und Praxis zueinander stehen (sollen) (siehe Ruß-Mohl und Pätzold in diesem Band).

Viele Studierende nehmen häufig eine recht pragmatische Abgrenzung zwi-schen Theorie und Praxis vor, wünschen sich möglichst wenig Theorie und möglichst viel Praxis und meinen damit meist Übungen zum journalistischen Handwerk z. B. in Form von Nachrichtenschreiben, Recherchieren und Inter-viewführung. Das Nachdenken über den Einsatz der Reportage wird bereits als Theorie interpretiert, die Reflexion über die handlungs- und akteurstheore-tischen Aspekte journalistischen Handelns bisweilen als verzichtbares Zusatz-programm betrachtet. Dabei dürften sich die (studentischen) Erwartungen an die Lehre in einem Journalistik-Studiengang an Universitäten nicht grundlegend

B. Dernbach, W. Loosen (Hrsg.), Didaktik der Journalistik, DOI 10.1007/978-3-531-93447-1_1,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen 12

von Fachhochschulen unterscheiden, wenngleich letzteren die Anwendungsori-entierung ins Stammbuch geschrieben ist.

„Die Studierenden, die das Fach Journalistik gewählt haben, sehen darin in erster Linie eine Berufsausbildung. Die öffentlich dargestellte berufliche Orientierung der Studiengänge interpretieren sie – mit gutem Recht – als Berufsvorbereitung“ (Blöbaum 2008: 655).

Der ausgeprägte Wunsch nach Praxis, nach Berufs- und Anwendungsorientie-rung hängt also eng zusammen mit der Frage nach dem Sinn und Zweck, der Legitimation der hochschulgebundenen Journalistenausbildung: Sie wird vor allem von der Umwelt, von anderen Disziplinen, der journalistischen Berufspra-xis und nicht zuletzt auch von den Bewerbern um einen Platz in einem Journa-listik-Studiengang noch immer zur Diskussion gestellt. Verstärkt wird dies durch die (medien)ökonomische Krise, die gleichzeitig eine Krise des journalis-tischen Arbeitsmarktes ist. Vor ihrem Hintergrund fragen die Absolventinnen und Absolventen journalistischer Ausbildungseinrichtungen stärker denn je nach den zu erwerbenden und erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen. Ein hoher Praxisanteil erscheint da weniger begründungsbedürftig als ein Überhang an theoretisch ausgerichteten Veranstaltungen; ohnehin erfordert der Bologna-Prozess, dass die Bachelor-Studiengänge nun (noch) stärker berufsqualifizierend ausbilden. Gleichzeitig ist die Journalistik unter diesen Bedingungen aber mehr denn je gefordert, nicht nur auf die mitunter schnell wechselnde „Sprache des Marktes“ zu hören, will sie sich nicht selbst überflüssig machen (s. den Beitrag von Lilienthal in diesem Band).

Nach jahre- oder vielmehr jahrzehntelangen Diskussionen ist es mittlerweile aber weitgehend Konsens, dass die journalistische Aus- und Weiterbildung gleichermaßen Theorie und Praxis braucht, dass die besondere Beziehung zwi-schen Journalistik und Journalismus im Kern der (hochschulgebundenen) Jour-nalistenausbildung steht bzw. stehen sollte (vgl. z. B. Pätzold 2010), und dass die Theorie-Praxis-Verzahnung in der Journalistik nicht zu einem „didaktischen Etikettenschwindel“ (s. Haller in diesem Band) verkommen darf. Mit den Mo-dellprojekten in Dortmund, München, Eichstätt und Hamburg sowie den Studi-engängen in Mainz, Dresden, Salzburg und andernorts haben sich an Universitä-ten und seit den 1990er Jahren an Fachhochschulen unterschiedliche Konzepte etabliert. Seitdem ist die Medienausbildung aber auch immer unübersichtlicher geworden; bisweilen wird sie gar als „Wildwuchs“ bezeichnet (Hömberg 2010: 291 ff.; siehe auch 2002 und 1987), der für die „Generation IMM (‚Irgendwas mit Medien‘)“ (s. Kaiser in diesem Band) alle möglichen und mehr oder weni-ger unterscheidbaren Angebote bereithält. Gleichzeitig machen u. a. verschiede-ne Bildungsbiografien und eine notwendige Diversität in den Redaktionen aber

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Einleitung 13

auch verschiedene Ausbildungen und Wege in den Journalismus erforderlich (s. Egli von Matt in diesem Band) – ebenso wie die didaktisch z. T. eigenen Geset-zen unterliegende Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten (s. Hil-lebrand in diesem Band).

Darüber, ob die Journalistenausbildung an Hochschulen als „Erfolgsge-schichte“ gesehen werden kann (vgl. Hömberg 2010: 283), bestehen zumindest geteilte Meinungen (s. Weischenberg in diesem Band). Jedenfalls wird aufgrund der seit langem publizierten und der weiteren in diesem Buch vorgelegten Bi-lanzen (siehe hier v.a. Kapitel I) deutlich, dass die Journalistenausbildung ein-gebettet ist in ein komplexes gesellschaftliches Gefüge von politischen, ökono-mischen, rechtlichen, technologischen und kulturellen Rahmenbedingungen, die sich zudem kontinuierlich wandeln und die Ausbildung zwangsläufig zu einer „Dauerbaustelle“ (Fröhlich 2009) machen müssen. Auch sind Journalistikstu-diengänge gleichermaßen im Bildungs-/Hochschulsektor sowie im Mediensek-tor verankert (vgl. Harnischmacher 2010), die jeweils unterschiedliche Anforde-rungen und Ziele setzen. 2 Kompetenzorientierte Journalistenausbildung Einer der Schlüsselbegriffe in der heutigen Bildungslandschaft ist Kompetenz. Er bestimmt maßgeblich die Nomenklatur der Bologna-Reform und damit alle Bestrebungen, einen europäischen Bildungsraum zu schaffen, in dem alle Ab-schlüsse vergleichbar sind. Wichtigstes Instrument zur Feststellung einer sol-chen Äquivalenz ist der Europäische Bildungsrahmen (EQR) bzw. der im Ent-wurf vorliegende Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR). Der DQR unterschei-det zwei Kompetenzkategorien: „Fachkompetenz“, unterteilt in „Wissen“ und „Fertigkeiten“, und „Personale Kompetenz“, unterteilt in „Sozialkompetenz und Selbständigkeit“ („Vier-Säulen-Struktur“). Fächer wie Soziale Arbeit, Chemie sowie die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften haben in Deutschland so genannte Sektorale Qualifikationsrahmen ausgearbeitet, die definieren, über welche Kompetenzen der Absolvent eines Bachelor- und/oder Master-Studiengangs in dem jeweiligen Gebiet verfügen sollte. Die Kommunikations- und Medienwissenschaft in Deutschland ebenso wie die Journalistik haben ein solches in der wissenschaftlichen Fachgemeinschaft, der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft DGPuK, abgestimmtes Papier bis dato nicht – wie auch immer man das bewerten mag (siehe die Diskussion in DGPuK: Aviso Nr. 52).

Dennoch sind bei allen Diskussion im Detail die zentralen Kompetenzen, die Lernziele und -inhalte, die im Rahmen einer (hochschulgebundenen) Journalis-

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Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen 14

tenausbildung gefördert und erreicht werden sollen, verhältnismäßig klar umris-sen (vgl. Blöbaum 2000: 86 f.). Weitgehend konsentiert ist beispielsweise die Unterscheidung von Fach-, Sach- und Rollenkompetenz (vgl. Weischenberg 1990: 57 ff.; s. für ein modifiziertes Kompetenzmodell Nowak 2007: 93) – auch wenn nicht immer spezifiziert wird, warum genau bestimmte (Fach-)Kom-petenzen für künftige Journalisten und Journalistinnen nützlich sein sollen (s. Donsbach in diesem Band). 3 Herausforderungen einer Fachdidaktik Jenseits der Fragen nach dem Warum und Was der (hochschulgebundenen) Journalismusausbildung dreht sich das Wie um Fragen der Didaktik und damit um die wissenschaftliche Reflexion von Lehr- und Lernprozessen (vgl. Gudjons 2001: 233). Auch wenn sich die bereits skizzierten Diskussionen rund um die Theorie-Praxis-Integration auch häufig damit beschäftigen, wie diese denn ge-lingen könnte (s. Fabris in diesem Band), so wird doch vergleichsweise selten thematisiert, auf welche Weise genau theoretische, methodische und praktische Kenntnisse in den unterschiedlichen Ausbildungseinrichtungen (vor allem an Hochschulen und Akademien) didaktisch-praktisch vermittelt werden, wie die Ausbildung entsprechender Kompetenzen angeleitet wird, Seminarkonzepte (weiter-)entwickelt und welche didaktischen Methoden eingesetzt werden. Dies sind allerdings zentrale Bestandteile einer journalistischen Fachdidaktik, denn diese

„beinhaltet […] sowohl Informationen über Lerninhalte und Lernziele, die fach-wissenschaftlich, also in diesem Fall aus der Journalistik heraus legitimiert sind, als auch Informationen über die Vermittlung dieser Inhalte. Dabei spielt Methodik – also Lehrmethoden, Organisation, Zeit, Ergebniskontrollen und Auswertungen – eine Rolle, daneben aber auch Voraussetzungen, Rollenverständnis und Interaktion der Beteiligten (...)“ (Nowak 2007: 145).

Da jedes Fach andere Thematiken habe, so Claudia Walter (2011: 5-6), die stellvertretende Leiterin des DiZ Zentrum für Hochschuldidaktik in Ingolstadt, ergebe sich die Notwendigkeit von kontextbezogener Didaktik, die u. a. „Kenntnis der Strukturen und Zusammenhänge“ vermittelt.

Dies sind in der Journalistik z. B. die Themen, die sich auf den Erwerb von Sachkompetenz beziehen und zentrale Kontexte und Einflussfaktoren im Jour-nalismus markieren. Sie werden beispielsweise in Lehrveranstaltungen behan-delt, die grundlegendes Medienwissen vermitteln (s. Dernbach/Schreiber in diesem Band), die Notwendigkeit rechtlicher Grundlagen verdeutlichen (s. Bra-nahl in diesem Band), in die journalistische Ethik einführen (s. Funiok in diesem

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Einleitung 15

Band) oder auch für das komplexe Verhältnis von Journalismus und Public Relations sensibilisieren (s. Schnedler in diesem Band).

Demgegenüber als notwendiges Übel betrachtet werden häufig (von vielen Studierenden und Journalisten) „Schwarzbrot-Veranstaltungen“, die sich mit Theorien und Methoden und damit mit den zentralen Werkzeugen wissenschaft-lichen Arbeitens beschäftigen. Didaktisch relevant ist hier insbesondere die Frage, wie es gelingen kann, gleichwohl auch für diese Veranstaltungen zu begeistern und einen spezifischen Praxisbezug herzustellen (s. Loosen/Scholl in diesem Band).

All diese Lehrinhalte müssen immer wieder an die sich wandelnden Beo-bachtungsobjekte Journalismus und Medien, die sich wandelnden Berufsfelder und Anforderungen angepasst werden: Internet und Online-Kommunikation haben in den Medienbetrieben u. a. zu vermehrt crossmedial organisierten Ar-beitsprozessen und einem zunehmend relevanter werdenden Online-Jour-nalismus geführt; deshalb spielen diese Entwicklungen in vielen Curricula eine inhaltlich ebenso zentrale wie didaktisch herausfordernde Rolle (s. die Beiträge von Hömberg/Klenk und Meier/Giese/Schweigmann sowie von Wer-ner/Rinsdorf in diesem Band). Vor diesem Hintergrund hat sich die Online-Kommunikation zu einem Querschnittsthema entwickelt, das sich in allen Lehr-inhalten der Journalistik niederschlägt.

Entsprechendes gilt auch für Internationalisierungs- und Globalisierungspro-zesse, die sich konsequenterweise z. B. in der Internationalisierung der deut-schen Ausbildungsangebote (siehe Fengler/Bettels und Behmer in diesem Band) widerspiegeln, aber auch in internationalen Kooperationen in Form von Aus-tauschprogrammen (siehe Burkhardt in diesem Band) sowie in transkulturellen Seminaren (s. Thomaß in diesem Band). Diese Beispiele verdeutlichen, dass sich Journalistik und Journalistenausbildung künftig verstärkt mit den Trends in der internationalen „journalism education“ auseinandersetzen müssen (s. Ibold/Deuze in diesem Band).

Mit einem weiteren Phänomen sehen sich Journalistenausbilderinnen und -ausbilder seit langem konfrontiert: die deutliche Mehrheit von Studentinnen in den Hochschulstudiengängen. Ob dies nun „eine Verweiblichung des Journa-lismus“ zur Folge haben wird oder nicht, die Genderforschung hat sich in den vergangenen Jahren fest in der Journalistik etabliert und formuliert zentrale Forschungs- ebenso wie Lehrthemen (s. Lünenborg in diesem Band).

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Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen 16

4 Journalistikspezifische Lern- und Lehrumgebungen

Unbestritten im Mittelpunkt der Journalistenausbildung stehen die Veranstal-tungen, in denen es um professionelle handwerkliche Kompetenzen geht. Hierzu zählen insbesondere die Recherche (s. Redelfs in diesem Band), das Interview (s. Friedrichs/Schwinges in diesem Band), Nachrichtenschreiben (s. Wolff in diesem Band), die Reportage (s. Stüven in diesem Band) sowie die Berücksich-tigung der speziellen Anforderungen, welche die Medien Fernsehen, (Video-) Film (s. Donauer und Petek-Dinges in diesem Band) und Radio (s. Himmelrath in diesem Band) mit sich bringen.

Lern- und Lehrumgebungen wie Labore, Lehrredaktionen, Fallstudien, Si-mulationen und (Forschungs-)Projekte haben in der Fachdidaktik der Journalis-tik traditionell einen besonders hohen Stellenwert für die Integration von Theo-rie und Praxis, von Reflexionsanspruch und Praxisorientierung (vgl. Blöbaum 2000: 93 ff.). Derartige Formate sind personal-, ressourcen- und zeitintensiv und unter den Bedingungen modularisierter Studiengänge nicht einfach umzusetzen.

Gleichwohl sind Projektveranstaltungen wie kaum ein anderer Veranstal-tungstyp dazu geeignet, gerade auch aktuelle Entwicklungen und Veränderun-gen des Journalismus wie z. B. die stärkere Beteiligung des Publikums an jour-nalistischer Aussagenentstehung didaktisch sinnvoll aufzugreifen (s. Blöbaum in diesem Band).

Im Rahmen von Praxisprojekten entstehen häufig sporadisch oder auch re-gelmäßig erscheinende journalistische Produkte: Das im Rahmen des Journalis-tik-Studiengangs in Eichstätt produzierte Einsteins beispielsweise hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre von der Zeitschrift hin zur crossmedialen Publikation entwickelt (s. Hömberg/Klenk in diesem Band). Gelegenheit zum Experimentie-ren und Reflektieren journalistischer Arbeit bietet auch die „Projektarbeit unter Marktbedingungen“, innerhalb derer auch ganze Bücher geschrieben werden können (s. Bergmann/Pörksen in diesem Band).

5 Es bleibt die (didaktische) Herausforderung

Die Anleitung derartiger Praxisprojekte erfordert viel (Lehr-)Erfahrung – und selbst dann läuft jede Veranstaltung anders, entwickelt ihre eigene Dynamik. Im Allgemeinen (nicht ausschließlich) sind es aber insbesondere die ersten Lehrer-fahrungen, die viele mit „unkomfortablen Situationen [verbinden], die jeder Dozent kennt, über die aber, klugerweise, keiner spricht“ (Weischenberg 1990: 213). So wird denn zwar in unregelmäßigen Abständen über Konzepte und Modelle der Journalistenausbildung diskutiert, über konkrete Lehrherausforde-

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Einleitung 17

rungen, -erfahrungen, -routinen und –probleme, aber höchstens in informellen Gesprächen am Rande von Fachkonferenzen. Dabei stellen sich – dies ist bis zu dieser Stelle deutlich geworden – gerade im Hinblick auf die Didaktik der Jour-nalistik ganz konkrete, diskussionsbedürftige Fragen:

Wie sehen die Rahmenbedingungen der beschriebenen Veranstal-tung/Lehreinheit aus (Modul an einer Hochschule? Teilnehmerzahl u. ä.) und welchen Stellenwert hat sie im jeweiligen Ausbildungspro-gramm?

Welche spezifischen Kompetenzen vermittelt die jeweilige Lehrveran-staltung und welche Relevanz hat sie mit Blick auf die Ausbildungs- und Kompetenzziele insgesamt?

Wie werden diese Kompetenzen vermittelt und wie werden die Lern-ziele überprüft? Welche Methoden werden dafür eingesetzt?

Welche Effekte haben langjährige Erfahrung in der Ausbildung einer-seits (Selbst-Evaluation) und die Evaluierung der Lernschritte und der Lernergebnisse (Fremd-Evaluation) andererseits auf die Didaktik? Wie werden Seminarkonzepte über die Jahre weiterentwickelt?

Wie werden – bei Wissenschaftlern – Erkenntnisse aus empirischer und anwendungsorientierter Forschung in die Lehre eingebracht? Welche Spin-offs entwickeln sich wiederum aus der Lehre für die Forschung?

Wie werden – bei Praktikern – Erfahrungen aus der Praxis in die Lehre eingebracht? Welche Spin-offs entwickeln sich daraus wiederum für die Praxis?

Wie werden Lehrbücher in der Präsenzlehre eingesetzt? Welche mögli-cherweise neuen Lehr(buch)-Konzepte ergeben sich daraus?

Welche Medien werden eingesetzt? Welche konkreten didaktischen Methoden werden zur Aktivierung der

Teilnehmerinnen und Teilnehmer (auch im Hinblick auf besondere zeitliche Rahmenbedingungen, z. B. Blockseminare) eingesetzt?

Welche Erfahrungen wurden und werden mit onlinebasierten Lehrfor-men/E-Learning gemacht?

Nicht alle diese Fragen wurden von allen Autorinnen und Autoren des vorlie-genden Sammelbandes gleichermaßen bearbeitet. Auch stellt dieser keine ganz-heitliche Didaktik der Journalistik dar (wie die konstruktivistische Didaktik von Pörksen 2008), sondern versammelt vielmehr grundlegende didaktische Konzep-te und Reflexionen (Kapitel I), Themenfelder und Lehrinhalte (Kapitel II), Klas-sisches Handwerk und Medientraining (Kapitel III), Theorie-und-Praxis-integrierende Lehr- und Lernumgebungen (Kapitel IV), International verglei-chende Lehrerfahrungen und -inhalte (Kapitel V) sowie Zum Schluss: Nach-

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denkliches, Kommentare, Zwischenrufe (Kapitel VI). Im Mittelpunkt stehen dabei immer die didaktisch-praktischen Zugänge, die Reflexion des Lehrens und Lernens in der Journalistik, ihre Analyse und Evaluation. Übergeordnet ist dem allem die Frage, wie es gelingen kann, künftige Journalisten und Journalistinnen gleichermaßen wissenschaftlich und empirisch fundiert sowie praxisorientiert aus- und weiterzubilden. Dies ist eine didaktische Herausforderung – auf der Ebene der Konzepte und der Lehrpläne ebenso wie auf der Ebene der einzelnen Lehrveranstaltung.

Wie dies umgesetzt werden kann, hängt (mindestens) von zwei Aspekten ab: den didaktischen Kompetenzen der Lehrenden und den Lern-Kompetenzen der Studierenden (s. Meischen und Peymani in diesem Band). Für Letztere wird viel getan (v.a. in den Ausbildungsgängen, in denen es kleine Gruppen, Übungen und Tutorien u.a. gibt) – für Erstere etablieren sich die Trainingsangebote ver-gleichsweise langsam.

Grundlegende Voraussetzung für die didaktisch fundierte Verzahnung von Theorie, Empirie und Praxis sind aber vor allem andere Rahmenbedingungen als sie heute an vielen Hochschulen existieren: Lernen in kleinen Gruppen, die sich als Projektteams einen Gegenstand auswählen, den sie theoretisch-wissen-schaftlich bearbeiten, empirisch überprüfen und praktisch umsetzen. Hierbei kann dann auch das gelehrt und gelernt werden, was unter sachlichen, zeitlichen und sozialen Gesichtspunkten für die berufliche Praxis bzw. den Arbeitsmarkt gefordert ist: Projektmanagement, Ressourcen- und Zeitplanung, Teamfähigkeit, Kommunikations- und Koordinationskompetenzen. Nicht, um journalistischen Alltag zu simulieren oder zu kopieren, sondern um „gerade die Unterschiede zwischen Journalistik-Studium und Medienredaktion als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Lernformen und die Vermittlung von Lerninhalten zu neh-men“ (Blöbaum 2008: 653; 2000).

Auch wenn die Journalistik (derzeit) unter schwierigen Bedingungen ope-riert, zeigen die in diesem Band versammelten Beiträge doch deutlich, welche zentrale Bedeutung der Befähigung zur (Selbst-)Reflexionsfähigkeit, dem „Nachdenken über journalistisches Handeln“ (Weischenberg 1990: 58) in der hochschulgebundenen Journalistenausbildung eingeräumt wird. Für die Journa-listik markiert dies eine „Didaktik, die das ständige Reflektieren lehrt“ (s. Pät-zold in diesem Band) – und dieses auch auf sich selbst anwendet.

Literatur Altmeppen, Klaus-Dieter/Hömberg, Walter (Hrsg.) (2002): Journalistenausbil-

dung für eine veränderte Medienwelt. Wiesbaden. Westdeutscher Verlag.

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Einleitung 19

Blöbaum, Bernd (2000): Zwischen Redaktion und Reflexion. Die Integration von Theorie und Praxis in der Journalistenausbildung. Münster: LiT.

Blöbaum, Bernd (2008): Die hybride Disziplin. Das Spannungsfeld der Theorie-Praxis-Integration in der Journalistik. In: Pörksen et. al. (2008): 649-661.

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htm (letzter Zugriff am 07.09.2011). Fröhlich, Romy (2009): Dauerbaustelle. Aktuelle Probleme und Herausforde-

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Hömberg, Walter (2002): Expansion und Differenzierung. Journalismus und Journalistenausbildung in den vergangenen drei Jahrzehnten. In: Alt-meppen et. al. (2002): 17-30.

Hömberg, Walter (2010): Journalistenausbildung an Hochschulen – eine Er-folgsgeschichte? In: Eberwein et. al. (2010): 283-312.

Löffelholz, Martin (Hrsg.) (2004): Theorien des Journalismus. Wiesbaden: VS Verlag.

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Pätzold, Ulrich (2008): Die Kluft der Kulturen. In: Pörksen et. al. (2008): S. 679-694.

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Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen 20

Pätzold, Ulrich (2010): Die Anfänge in Dortmund – ein Erfolgsgeschichte mit viel Glück. In: Eberwein et. al. (2010): 313-326.

Pörksen, Bernhard (2006): Die Beobachtung des Beobachters. Konstanz: UVK. Pörksen, Bernhard (2008): Schule des Sehens. Aporien und Paradoxien des

Journalismus als zentrale Elemente einer Fachdidaktik. In: Pörksen et. al. (2008): 663-678.

Pörksen, Bernhard/Loosen, Wiebke/Scholl, Armin (2008): Paradoxien des Jour-nalismus. Theorie – Empirie – Praxis. Wiesbaden: VS Verlag.

Roß, Dieter (2008): Ein Forschungsparadox: Datenflut und Realitätsverlust. In: Pörksen et. al. (2008): 635-646.

Walter, Claudia: Nahezu perfekt. Interview. Aviso 52. 2011. 5-6. Weischenberg, Siegfried (1990): Das „Paradigma Journalistik“. Zur kommuni-

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Wilke, Jürgen (Hrsg.) (1987): Zwischenbilanz der Journalistenausbildung. Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommu-nikationswissenschaft Band 14. München.

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Kapitel I Konzepte und Reflexionen

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Der lange Blick zurück: Das Experiment Journalistik-Studium Hans Heinz Fabris Das Buch, nach dem ich als erstes zur Vorbereitung dieses Beitrages gegriffen habe, war der von Walter Hömberg 1978 herausgegebene Sammelband „Journa-listen-Ausbildung. Modelle, Erfahrungen, Analysen“ (Hömberg 1978). Darin sind die Referate im Rahmen der Arbeitstagung der DGPuK 1976 in Salzburg „Studieninhalte – Curricula – Studienordnungen“ sowie weitere Berichte aus der Ausbildungspraxis enthalten. Es war eine Zwischenbilanz nach einem knappen Jahrzehnt mehr oder weniger intensiver Diskussionen seit den sechziger Jahren und der Einrichtung der ersten Reform-Studiengänge. Weitgehenden Konsens gab es bezüglich der Kritik an vielen Erscheinungsformen des Journalismus und der Notwendigkeit einer wissenschaftlich fundierten, geregelten Ausbildung. Einiges schien bereits gelungen, vieles blieb jedoch Postulat, so auch die Forde-rung Walter Hömbergs, neben „verstärkten Bemühungen um eine Theorie jour-nalistischen Handelns und einer Ausweitung der empirischen Untersuchungsfel-der“ vordringlich die „Entwicklung neuer didaktischer Formen zur Integration von ´Theorie` und ´Praxis`“ zu betreiben (Hömberg 1978b: 20-21).

Wie war damals die Ausbildungssituation im deutschsprachigen Raum? Was war der Normal-Standard journalistischer Aus- und Weiterbildung? Welche didaktischen Methoden wurden verwendet? Was wurde aus Hömbergs Postulat? Was lässt sich dazu aus persönlichem Erleben sagen?

1 Learning by doing Den Normalfall der Ausbildung zum Journalisten konnte ich zu Beginn der sechziger Jahre, während meines Studiums an der Universität Wien, am eigenen Leib erfahren. 1962/63 wurde ich ehrenamtlicher Mitarbeiter im Pressereferat der Hochschülerschaft und bald Mitbegründer der ersten Hochschülerschafts-Zeitschrift der Wiener Universität en face. Ich lernte damals das ganze Hand-werk des Medienmachens, wenn auch in einem vergleichsweise geschützten Raum, was Finanzierung, Zeit- und Organisationsdruck betrifft. Dazu gehörte

B. Dernbach, W. Loosen (Hrsg.), Didaktik der Journalistik, DOI 10.1007/978-3-531-93447-1_2,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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etwa noch der Klebe-Umbruch, bei dem mit Schere und Klebemitteln hantiert wurde. Dazu gehörte mein ganz unrealistisch rascher Aufstieg zum Leiter des Pressereferates und en face-Chefredakteur. Fast alles erfolgte damals als „Lear-ning by doing“ oder nach der Devise „Trial and Error“. Das setzte sich bei mei-ner Tätigkeit als freier Filmkritiker für verschiedene Medien fort. Ähnlich ge-staltete sich auch der nächste Schritt. Ich wurde Volontär in der Redaktion der traditionsreichen Wiener Tageszeitung Die Presse und begann im Wirtschafts-Ressort gleich mit dem Einrichten der täglichen Börsen-Kurse – was damals freilich mit einem Telefonanruf erledigt war. Wenn ich heute in den Fernseh-Nachrichten viele sehr junge Gesichter bei Presse-Meetings beobachte, erinnere ich mich oft an meine erste Bilanz-Pressekonferenz der Chemie Voest, einem großen österreichischen Unternehmen, im Hotel Sacher. Nur gut, dass es auch damals schon eine Mappe mit zahlreichen „Informationen“ gab, mit deren Hilfe ich einen knappen Zweispalter verfassen konnte. Etwas breiter wurde das Erfah-rungsgebiet dann im Lokalressort. Dort gab es jedoch gleichfalls keine Betreu-ung, sondern nur Lernen aufgrund von Fehlern, die dem Ressortleiter aufgefal-len waren.

Durch den Wechsel an die Universität Salzburg und den Beginn einer wis-senschaftlichen Laufbahn habe ich das Kapitel journalistische Berufspraxis für mich weitgehend abgeschlossen, auch wenn ich später immer wieder fachjour-nalistische Beiträge für verschiedene Medien verfasste. Eine kritisch gebrochene Faszination hat mich mit dem Journalismus immer verbunden. Dies war wahr-scheinlich ein wichtiger persönlicher Impuls für Lehre und Forschung und die Tätigkeit in wissenschafts-publizistischen Funktionen. Ähnliches gilt auch für jene Erfahrungen, die ich als Mitarbeiter von Franz Zöchbauer, dem Salzburger Medienpädagogen, bei TV-Diskussions-Trainings unter anderem mit Parla-ments-Abgeordneten und mit der damals neuen Video-Technik machen konnte.

2 Berufsforschung und Lehre Mein erstes Forschungsprojekt zum journalistischen Berufsbild war eine Befra-gung der Redaktionsmitglieder aller vier Salzburger Zeitungsredaktionen (Fab-ris 1971). Es sollte Grundlagen für ein geplantes Ausbildungsprojekt schaffen und besonders Einstellungen zur Aus- und Weiterbildung und zum eigenen Rollenverständnis erheben. Das erste größere grenzüberschreitende Forschungs-vorhaben am Institut betraf die Ausbildungssituation in den Zeitungsredaktionen der BRD. Es handelte sich dabei vor allem um eine repräsentative Volontärs-befragung. Günter Kieslich, erster Vorstand des jungen Salzburger Instituts für Publizistik und Kommunikationstheorie, hatte den Auftrag dazu bekommen. Er

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war zusammen mit Wolfgang Langenbucher Autor des Memorandums zur pub-lizistischen Aus- und Weiterbildung, das einen wichtigen Anstoß zu den Re-formbestrebungen in diesem Bereich gab. In Österreich war er bemüht, Ausbil-dungskurse in Salzburg auf die Beine zu stellen. Daraus ist später, im Zusam-menwirken mit Herausgeberverband und Journalistengewerkschaft, das Kurato-rium für Journalistenausbildung beziehungsweise die Österreichische Medien-akademie entstanden. Günter Kieslich bemühte sich sehr um die Zusammenar-beit zwischen Wissenschaft und Berufspraxis, was für mich auch in der Folge-zeit wichtig blieb.

Die Kooperation mit der österreichischen Journalistengewerkschaft ging etwa so weit, dass Mitte der siebziger Jahre eine gemeinsame Zeitschrift, Infor-mation und Meinung gegründet wurde. Was die Zusammenarbeit mit der Wis-senschaft betraf, bestand deren Rolle in der Regel freilich darin, als Experten für das Wissen über die Medien und Rezipienten zu fungieren, während die Ver-mittlung von Skills fast ausschließlich den Berufspraktikern zugetraut wurde.

Für die zunächst zwei, später drei Institute für Publizistik- beziehungsweise für Kommunikationswissenschaft in Österreich stellte sich in diesem Zusam-menhang die Frage, wie die Studierenden dennoch so qualifiziert werden konn-ten, dass sie (auch) im Berufsfeld Journalismus den beruflichen Einstieg schaf-fen konnten.

Anders als in der BRD oder auch in anderen Ländern ist es nicht zur Einrich-tung eines eigenen Studiengangs Journalistik, sondern erst vor einigen Jahren und der Überwindung von Widerständen aus der Praxis zur Gründung einer einschlägigen Fachhochschule gekommen. In Salzburg wurde der Ausdifferen-zierung des Faches und der Medien- und Kommunikationsberufe insofern Rechnung getragen, als neben einem Kern-Curriculum für alle Studierenden verschiedene Teil-Curricula entwickelt und Studien-Schwerpunkte (Journalistik, Public Relations, AV-Medien, später auch Medienökonomie und transkulturelle Kommunikation) eingerichtet wurden, für die eigene Abteilungen verantwort-lich waren. (Statt Schwerpunkten gibt es heute im neuen Studienplan so genann-te Kompetenzbereiche.)

Im Journalistik-Schwerpunkt und durch das Journalistik-Curriculum sollten neben dem kommunikationswissenschaftlichen Kern-Studium spezifische Qua-lifikationen wie medien- und berufsbezogenes Wissen, theoriegeleitete Reflexi-on, aber auch praxisrelevante Skills vermittelt werden Es handelte sich um ein abgespecktes Curriculum, zusätzlich zum kommunikationswissenschaftlichen Kern-Studium.

Hier galt es wieder an die in den späten sechziger und dann Mitte der siebzi-ger Jahre geführte Diskussion anzuknüpfen. Dies betraf nicht zuletzt didaktische Überlegungen, die schon in der studentischen Protest-Bewegung und Hoch-

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schul-Reformbewegung eine erhebliche Rolle spielten, auch wenn sie gegenüber inhaltlichen Fragen bald in den Hintergrund rückten. Gefordert wurden etwa ein selbstbestimmtes Studium, Organisation des Unterrichts in Kleingruppen, Ab-bau der Lehr-Hierarchie, des Frontal-Unterrichts, die Verbindung von Theorie und Praxis. Für mich war vor allem die Idee der Labore interessant, die in den siebziger Jahren in Berlin entwickelt wurde. Es sollte nicht zuletzt eine Aufgabe des universitären Studiums sein, mit neuen Formen und Inhalten zu experimen-tieren, Alternativen zur herrschenden, oft berufsideologisch verengten Berufs-praxis zu entwickeln. Allerdings hat sich bald heraus gestellt, dass ein Anfän-ger-Geist allein zu wenig ist, um erfolgreich innovativ zu werden. Zur Nachhal-tigkeit bedarf es entsprechender Ressourcen.

Bis in die neunziger Jahre ist am Salzburger Institut jedoch immer wieder versucht worden – nicht zuletzt aufgrund des Mitbestimmungsrechtes von Stu-dierenden und akademischem Mittelbau bei Fragen des Studienplans und der Organisierung der Lehrveranstaltungsprogramme – Kleingruppen zu bilden und mit Hilfe von Tutoren zu arbeiten. Es gab – und gibt – zahlreiche Block-Lehr-veranstaltungen, um intensivere Erfahrungen als im üblichen Zwei-Stunden- Takt zu ermöglichen. Lehr-Redaktionen wurden unter zumindest teilweise ähn-lichen Bedingungen wie in der Berufspraxis organisiert. Lehr- und Forschungs-projekte hatten das Ziel, für die Berufspraxis interessante Medienprodukte zu erstellen. Seminar- und Abschlussarbeiten sollten sich mit Themen und Proble-men aus dem journalistischen Berufsfeld befassen und die Ergebnisse dieser Arbeiten sollten so wie die Forschungsergebnisse der Lehrenden wieder in das Lehrangebot einfließen.

Curriculare Zielformulierungen besonders für die Praktika betrafen sowohl im Journalistik- wie im AV-Schwerpunkt 1. Selbstqualifikations-Möglichkeiten, bis zur Abschlussarbeit, 2. die Vermittlung berufspraktischer Skills, 3. die Schaffung von medialen Produkten, 4. Kontinuität und Selbstorganisation, 5. die Verbindung mit anderen einschlägigen, stärker wissenschaftlich und kritisch-reflexiv ausgerichteten Lehrveranstaltungen. Unterschieden wurde zwischen einführenden und Spezial-Praktika sowie Forschungs-Projekt-Seminaren.

3 Schlechte Rahmenbedingungen Für viele dieser Lehrveranstaltungen mussten erst die Voraussetzungen geschaf-fen werden. Es ging um studienrechtliche, organisatorische, zeitliche und nicht zuletzt um finanzielle Probleme, die angesichts der fortdauernden Krise der Universitäten, ihrer notorischen Unterfinanzierung und des Ansturms der Stu-dierenden – der freie Zugang zu den Hochschulen galt in Österreich lange Zeit

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als eine „heilige Kuh“ – besonders auf die Massenfächer, zu denen die Publizis-tik- und Kommunikationswissenschaft seit der Mitte der siebziger Jahre zählte, immer dringender wurden. Selbsthilfe war unter diesen Rahmenbedingungen besonders gefragt. Es gab eine kontinuierliche Studienplan-Diskussion, es wur-den Lektoren-Betreuung und die Evaluierung der Lehrveranstaltungen durch Teilnehmer-Befragungen organisiert sowie zahlreiche Unterrichtsmaterialien hergestellt. Das gesamte Spektrum didaktischer Methoden, auch – sobald es möglich war – E-Learning wurde eingesetzt. Das Massenstudium hat jedoch letztlich viele der Bemühungen um didaktische Fortschritte ad absurdum ge-führt. Unter diesen Bedingungen ging es oft nur noch um eine für die Studieren-den halbwegs erträgliche Mangelverwaltung. Block-Lehrveranstaltungen oder Projekt-Seminare waren nur mit freiwilliger Mehrarbeit und über die Wochen-enden, durch Auslagerung und ein großzügiges Umgehen mit universitären und studienrechtlichen Regeln durchzuführen. Ohne die Mitwirkung zahlreicher Lektoren und Lektorinnen von außen wäre der Lehrbetrieb nicht aufrecht zu erhalten gewesen. Die internen Möglichkeiten waren in Salzburg lange Zeit vor allem durch die Praxis der Ressourcenverteilung in einer traditionell geisteswis-senschaftlichen Fakultät eingeschränkt, in der es kein Verständnis für technische Einrichtungen wie eine Lehrredaktion oder ein Film- und Fernsehstudio und für die Lektoren und Lektorinnen aus der Berufspraxis mit manchmal mangelnder wissenschaftlicher Qualifikation gab. Anders als an den Fachhochschulen war etwa an eine Orientierung der Mittelverteilung nach den Studienplatz-Kapazitä-ten nicht zu denken.

Dies hat dann bewirkt, neue Angebote vor allem für den Bereich des Fach-journalismus über Universitäts-Lehrgänge und in Kooperation mit anderen Stu-dienrichtungen ins Auge zu fassen. Exemplarisch dafür waren die vor zehn Jahren erfolgte erfolgreiche Einrichtung eines Universitäts-Lehrgangs für Sport-journalismus zusammen mit der Sportwissenschaft oder die Einrichtung der European Union Studies.

Im Rückblick ist heute davon auszugehen, dass viele der offiziellen Lehrzie-le unter diesen Voraussetzungen nicht umsetzbar waren, dass die Umstände jedoch andererseits dazu geführt haben, dass Qualifikationen erworben wurden, die sich – wie etwa Flexibilität, Improvisationsvermögen, Selbstorganisation, Hartnäckigkeit, Kooperationsfähigkeit usw. – später in der Berufspraxis als durchaus wichtig erwiesen haben, was sich nicht zuletzt an den Karriere-verläufen vieler Studierender sowie einer langen Reihe von erfolgreichen Un-ternehmensgründungen in der Medien- und Kommunikationsbranche ablesen lässt.

Wie ich aus Gesprächen mit vielen Absolventen und Absolventinnen weiß, waren es nicht zuletzt Erfahrungen im Rahmen eines (häufig individuell gestal-

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teten) Projekt-Studiums, in Verbindung mit Praktika außerhalb der Universität, welche die Berufsmotivation und Berufswahl entscheidend beeinflusst haben.

Das Uni-Radio war eines der ersten derartigen Radios im gesamten deutschsprachigen Raum. Es erhielt einen festen wöchentlichen Sende-platz im Salzburger ORF-Programm. Viele der Studierenden haben durch dieses Projekt in einen einschlägigen Beruf gefunden, viele arbeiten heu-te in einem kommerziellen Privatsender oder auch in einem der nicht-kommerziellen Radios. Das Konzept des Uni-Radios war es, nicht nur über Wissenschaft und Universität zu berichten – was heute etwa die Aufgabe des Forschungs-Fernsehens ist –, sondern das Geschehen in Stadt und Land Salzburg aus studentischer Sicht heraus möglichst umfas-send zu reflektieren.

Das Online-Medium der.salzburger ist so wie das Uni-Radio ein viele Jahre laufendes, immer wieder erneuertes Projekt geworden, das ur-sprünglich aus einer Lehrveranstaltung entstanden ist.

Wichtig ist vor allem die Einrichtung des Print-Lab gewesen, das sich am Beispiel Eichstätt orientiert hat. Hier ist es nach und nach gelungen, die Voraussetzungen für eine Lehrredakion zu schaffen, so wie im AV-Bereich das AV-Studio heute technisch auf professionellem Standard für die Durchführung von Praktika sowohl für Radio wie für Film und Fern-sehen geeignet ist.

Als vor allem im studentischen Forschungsbereich angesiedelt, möchte ich im folgenden näher auf das von mir initiierte und lange Zeit betreute Projekt Journalismus-Bericht, in Verbindung mit dem Forschungs-Schwerpunkt Qualität im Journalismus eingehen, das für mich auch ein „best practice“- Beispiel ist.

4 Journalismus-Berichte als Qualitäts-Monitoring Als ein Schwerpunkt der Journalistik-Abteilung wurde viele Jahre lang über journalistische Qualität gearbeitet. Zumindest einmal im Studienjahr gab es ein Haupt-Seminar dazu und wurde eine Projekt-Lehrveranstaltung durchgeführt, deren Ziel es war, Beiträge zu einem „Bericht über die Lage des Journalismus“ zu erstellen, der sich vor allem als Qualitäts-Monitoring verstand (vgl. Fabris u.a. 1996 ff., Fabris/Renger 2003). Es sollte empirisch erhoben werden, welche Rahmenbedingungen für Qualität im Journalismus sich im Berichtsjahr verbes-sert oder aber verschlechtert hatten. Die Ergebnisse wurden einerseits als wis-

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senschaftliche Arbeiten, andererseits in fachjournalistischer Form aufbereitet und der breiten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht.

In den Seminaren wurden zahlreiche einzelne Qualitäts-Produktanalysen, aber auch Analysen von Medienunternehmen oder verschiedener infrastrukturel-ler Einrichtungen (Aus- und Weiterbildungsangebot, Selbstkontrolle, Medien-journalismus, Berufsorganisationen, Medienrecht, Medienpolitik, Medienwirt-schaft u.a.) durchgeführt, die dann häufig in Abschlussarbeiten vertieft wurden. Dazu kamen wissenschaftliche Publikationen (vgl. Fabris/Rest 2001) und fach-journalistische Beiträge, die Organisation von Fachtagungen und das Bemühen um das Interesse der Berufspraxis. Die Gründung einer Initiative Qualität er-folgte nach Schweizer Beispiel und in enger Kooperation zwischen Wissen-schaft und Praxis. Damit gelang ein zumindest teilweiser Transfer in Richtung Medienunternehmen und Journalismus, der vor allem von jenen Personen getra-gen wurde, die sich in ihren Abschlussarbeiten intensiv mit dem Thema ausei-nander gesetzt und viele Personen aus der Medienpraxis dazu interviewt hatten. Diskussionen etwa um das „public value“-Konzept des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder grobe Verstöße der Boulevardmedien gegen journalistische Regeln, aber auch um journalistische Selbstkontrolle und die Rolle der Medien-politik sind hier angestoßen und/oder kritisch analysiert worden.

5 Resümee Ein wichtiger Anstoß für Forschung und Lehre in der Journalistik waren für mich wohl die eigenen journalistischen Erfahrungen. Davon ist, so wie wahr-scheinlich bei vielen Lektoren und Lektorinnen vor allem aus der Berufspraxis, einiges auch in die Fachdidaktik eingeflossen.

Wesentlich im Zusammenhang mit einer Verbesserung des Stellenwerts di-daktischer Fragen im Rahmen des Journalistik-Studiums erscheint mir heute, im Rückblick, besonders die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen. Diesbe-züglich waren die außeruniversitären Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung oft im Vorteil. Dies gilt in Österreich heute in erster Linie für die einschlägigen Fach-Hochschulen, die sich ihre Studenten selbst aussuchen können und über vergleichsweise gute Ressourcen verfügen.

Rahmenbedingungen werden aber auch durch die allgemeine Situation der Medien geprägt. Hier gibt es einen deutlichen Widerspruch. Das Praxis-Leitbild des „Learning by doing“ gilt heute zwar nur noch in eingeschränktem Maße, doch hat die Wirtschaftskrise – die längst auch eine Medienkrise geworden ist – dazu geführt, dass in der gesamten Branche vor allem billige Arbeitskräfte ge-sucht werden und der berufliche Stellenwert der Qualifikation dadurch erheblich

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geringer geworden ist. Die Generation Praktikum ist heute weitgehend für sich selbst verantwortlich. Vielfach scheint die Devise ein Zurück zum „everything goes“ zu sein.

Auf der anderen Seite hat es noch nie ein derart breites Spektrum an Ange-boten der Aus- und Weiterbildung, hat es noch nie so viele einschlägige Lehr-bücher und so viele ausgewiesene Lehrende in der Journalistik gegeben. Die Journalistik hat sich im deutschsprachigen Raum mit der Schaffung einer Reihe von neuen Studiengängen, nicht zuletzt mit fachjournalistischen Bezügen, etab-liert.

Wie lassen sich diese unterschiedlichen Entwicklungen beurteilen? Zurzeit scheint der Trend nicht in die Richtung der Verbesserung der Qualifikationen und Kompetenzen von Journalisten, sondern in Richtung verbesserter Öffent-lichkeitsarbeit zu gehen. In immer mehr Medienhäusern geht es heute nur noch darum „Content“ zu produzieren, der dann auf unterschiedlichste Weise verwer-tet werden kann.

Dies bedeutet eine große Herausforderung für alle, die in der Aus- und Wei-terbildung für Journalisten tätig sind, aber auch für Medienwirtschaft und Medi-enpolitik. Die Aufgaben des Journalismus sind unter den gegebenen gesell-schaftlichen Bedingungen nicht geringer geworden, sondern erfordern höchst mögliche Kompetenz. Das Projekt Journalistik steht bei allen inzwischen er-reichten Fortschritten vor neuen Herausforderungen, die keineswegs geringer als damals erscheinen, als Walter Hömberg seine Analyse verfasste.

Literatur Bucher, Hans Jürgen/Altmeppen, Klaus Dieter (Hrsg.) (2003) : Qualität im

Journalismus. Wiesbaden : VS Verlag. Fabris, Hans Heinz/Renger, Rudi/Rest, Franz (Hrsg.) (1996 ff.) :Bericht zur

Lage des Journalismus in Österreich. Salzburg : Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft.

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Hömberg, Walter (Hrsg.) (1978) : Journalistenausbildung. Modelle, Erfahrun-gen, Analysen. München.

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Hausaufgaben noch immer nicht gemacht: Versäumnisse und Konzepte der Journalistenausbildung Wolfgang Donsbach Die Quintessenz meines Beitrags wird sein, dass wir – und mit „wir“ meine ich die Institute, die ich aus eigener Anschauung erlebt habe – unsere Hausaufgaben in der Journalistenausbildung noch immer nicht richtig gemacht haben. Sowohl in meinen eigenen Lehrveranstaltungen als auch in der Organisation der Lehre, für die ich als Professor und Institutsdirektor verantwortlich war und bin, wurde bisher kaum ein Konzept verwirklicht, das den besonderen Anforderungen einer angemessenen Journalistenausbildung gerecht wurde. Noch immer haben wir es mit Parallelwelten zwischen den verschiedenen Kompetenzbereichen zu tun, die einen guten Journalismus ausmachen. Und noch immer dominieren überall auf der Welt Ausbildungsinstitutionen, in denen solche Kompetenzbereiche entwe-der gar nicht oder unzureichend vermittelt werden. Dabei ist fast ein halbes Jahrhundert vergangen, seit nicht nur die Kommunikationswissenschaft, sondern die Gesellschaft – durch Entwicklungen, die ich weiter unten beschreibe – zu-nehmend gezwungen war, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

1 Ohne Konzept – ein historischer Prolog Als ich zum Winter-Semester 1969/70 nach zwei Semestern Volkswirtschafts-lehre an der Universität Mainz zur Publizistik wechselte, waren meine Motive für dieses Fach sicher ähnlich denen der anderen Studenten, die bereits dort waren: Ich wollte erstens etwas Praktischeres und zweitens etwas Politischeres studieren. Die makrotheoretischen Modelle der Volkswirtschaftslehre entfernten sich angesichts der Politisierung der Gesellschaft in Folge der sogenannten 68er-Generation in meiner und der Wahrnehmung vieler anderer immer weiter von der prickelnden Realität inner- und außerhalb der Universität. Nun war das Institut für Publizistik unter der damals noch einzigen Professorin Elisabeth Noelle-Neumann ebenso wie die ganze Universität Mainz nicht wirklich das Epizentrum der Studentenbewegung. Auch die damaligen Lehrbeauftragten wie

B. Dernbach, W. Loosen (Hrsg.), Didaktik der Journalistik, DOI 10.1007/978-3-531-93447-1_3,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2012