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Corporate Identity & Corporate Design DAS KOMPENDIUM 3., AKTUALISIERTE UND ERWEITERTE AUSGABE HRSG.: MATTHIAS BEYROW / PETRA KIEDAISCH / NORBERT W. DALDROP

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Page 1: Corporate Identity & Corporate Design

Corporate Identity & Corporate Design

D A S K O M P E N D I U M3., A K T U A L I S I E R T E U N D E R W E I T E R T E A U S G A B E

H R S G.: M A T T H I A S B E Y R O W / P E T R A K I E D A I S C H / N O R B E R T W. D A L D R O P

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Corporate Identity & Corporate DesignDAS KOMPENDIUM3., AKTUALISIERTE UND ERWEITERTE AUSGABE

HRSG.: MATTHIAS BEYROW, PETRA KIEDAISCH, NORBERT W. DALDROP

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Inhalt Petra Kiedaisch, Norbert W. Daldrop Vorwort

Matthias Beyrow CI, CD etc. – ein Fach-ABC

HALTUNGEN

Florian Pfeffer Das neue Normal

Jochen R‰ deker Richtig ist das neue Schön

Claus Koch Vitalität und Konsequenz

Barbara Baumann / Gerd Baumann Alles soll so einfach wie möglich sein, ...

Thomas Manss Humor ist nichts zum Lachen

Ruedi Baur Eine Kuh ist eine Kuh

INSTRUMENTE

Frank Heidmann Interface Design: Corporate Interaction

Martin Jordan / Christian Vatter Corporate Service Design: Vom Image zur Experience

Norbert W. Daldrop Livekommunikation: Show – don‘t tell!

Wolfgang Strack Corporate Motion und Branding

Mark Lehmann / Carl­ Frank Westermann Corporate Sound und Branding

Erik Spiekermann Schrift ist sichtbare Sprache

Petra Kiedaisch Corporate Books

Danijela Djokic / Martin Grothmaak Corporate Code: Visuelle Programme

Paul Paulousek Dialog statt Dokumentation

Andreas Uebele Orientierung, ohhh …!

Jons Messedat Corporate Architecture

Thomas Hundt / Ingo Zirngibl In situ – Markeninszenierung im Raum

Michael Ostertag­ Henning Integrierte Markenführung

Uwe R. Br¸ ckner Corporate Scenography

J rgen R. Schmid Corporate Industrial Design

Christoph Bˆ ninger Corporate Product Design

Armin Angerer Corporate Packaging

Regina Henkel Corporate Fashion

Matthias Beyrow Merkwert Marke

Literatur- und Quellenverzeichnis

Autorenverzeichnis

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HANDLUNGSFELDERIm Modell der ! Corporate Identity von Birkigt, Stadler und Funck rahmen die drei Handlungsfelder ! Verhalten, ! Kommunikation und ! Design die ! Per-sönlichkeit einer Marke ein. Die unterschiedliche Wirksamkeit der drei Hand-lungsfelder war Birkigt, Stadler und Funck dabei wohl bewusst: Sie bezeichneten Kommunikationsmaßnahmen als sehr flexibel sowohl für langfristig-strategi-sche als auch für kurzfristig-taktische Ziele. Design sei eine kontinuierliche Klammer, die sich in angemessener Wandlung zur Aktualität befinden darf. Ver-halten ist schließlich das wirksamste Instrument einer ! Corporate Identity. Die Trennung dieser drei Bereiche war praktisch nie hilfreich und wurde wohl auch nie wirklich vollzogen. Allein schon, weil es immer einen ideologischen Graben zwischen (Corporate)Designern und Werbern gab und weil das Verhal-ten als vermeintlich internes Handlungsfeld meist den Unternehmen selbst über-lassen wurde. Darüber hinaus sind die Begriffe alles andere als trennscharf: De-sign kommuniziert – genauso wie Verhalten. Letzteres muss ebenso gestaltet werden wie Kommunikation. Gutes Design sowie gute Kommunikation sind längst selbst zu Indikatoren guten unternehmerischen Verhaltens geworden. Vielleicht liegt die Haupterrungenschaft dieser drei plakativen Handlungsfelder also a) in der erstmals so modellhaft formulierten Idee einer konzertierten Au-ßendarstellung quer durch alle Medien, b) in der Mahnung, dass ein Unterneh-men nicht nicht kommunizieren kann (frei nach Paul Watzlawick) sowie c) in der Forderung, möglichst wenig Wirkung dem Zufall zu überlassen. Diese drei Begriffe sind mithin zum Symbol für ganzheitliche Marken- und Unterneh-menskommunikation geworden und so haben Design, Kommunikation und Ver-halten Einzug in die Marketing-Lehrbücher gehalten – und damit auch in die Köpfe von Unternehmern.

IDENTITƒ TI. ist lange im Sinne einer formalen Uniformität (identisch sein) missverstanden worden. Das mag daran liegen, dass ausgerechnet Designer den Begriff als For-mel für optische Ähnlichkeit mit der Zielsetzung von Wiedererkennbarkeit ver-wendeten. Im Angelsächsischen steht identity noch immer kurz und knapp für Corporate Design. I. im Sinne der Gleichheit würde einem Unternehmen aus mehrerlei Gründen nicht gerecht werden: Erstens, weil die Interessen unter-schiedlicher Bezugsgruppen zu heterogen sind, als dass alle Inhalte in der glei-chen Art transportiert werden könnten: Produkte oder Services müssen anders übermittelt werden als Kennziffern, eine Nutzungslizenz beinhaltet andere Ver-bindlichkeiten als ein Newsletter. Der unterschiedliche Bedeutungsgehalt der Botschaften macht ein differenziertes visuelles Vokabular unumgänglich. Zwei-tens, weil auch die Produkt- oder Serviceangebote der Marken in aller Regel hete-rogen sind und sich an völlig unvergleichbare Konsumenten richten. Hier hilft der etwas kryptische Begriff der Eigenheit. Er meint I. in Unterscheidung zu an-deren, also anders, typisch und eigen zu sein. Das ist das, was I. als Denkmodell tatsächlich konzeptionell leisten kann: Typik in Abgrenzung zu anderen. Be-nennbare Eigenschaften sind eine grundsätzliche Voraussetzung für Identifizier-barkeit – was sich in Worte fassen lässt, kann begriffen werden.

MATTHIAS BEYROW * Einleitung: CI&CD-ABC

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IDENTITƒ TSBASIERTE MARKENF‹ HRUNGIm Marketing spricht man derzeit von i. M., wenn Persönlichkeit, Werte und Kompetenzen einer Marke in Leistungen münden (Markenidentität) und ein Konsument dabei funktionalen sowie symbolischen Markennutzen erfährt. Die-ser erzeugt ein subjektives Markenwissen (Markenimage). Dem Markenverspre-chen stehen dabei Markenbedürfnisse gegenüber und dem Markenerlebnis das Markenverhalten.14

IMAGELady Gaga oder die FDP können kein neues I. haben – ihre Anhänger aber schon. Letztlich ist I. zwar das Ziel aller Bemühungen, doch spielt sich I. allein in den Köpfen der Rezipienten ab. Nirgends sonst. Designer können zur I.-Bildung Im-pulse geben (siehe auch ! Corporate Image).

INHALTDas Salz in der Suppe: ohne I. keine ! Story, kein Film, keine Verständigung. Wie aber wird der Inhalt oder der Corporate Content formuliert?

INSZENIERUNGI. ist ein böser Begriff: Vor Jahren noch stand I. für unaufrichtiges Design, das Marken unangemessen aufbrezelte und mehr versprach als die Marke dann hielt. In Szene setzen aber bedeutet, den Inhalten eine Bühne zu bereiten, damit sie optimal zur Geltung kommen. I. setzt demnach empathisches Vermögen voraus. Solange I. tatsächliche Qualitäten verstärkt, ist das produktiv. Die Art und Weise einer I. macht Aspekte der Identität ablesbar.

INTEGRITƒ TMakellosigkeit und Unbescholtenheit – diese beiden Synonyme zur I. klingen im Kontext der Markenkommunikation seltsam fremd und beinahe zynisch. Das ist ein bedauerliches Phänomen unserer Zeit und kommt nicht von ungefähr – Me-dien berichten regelmäßig über den mutmaßlichen Raubbau von Unternehmen an Mensch und Natur. Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen wird dann sekundär. I. wird am Handeln gemessen, nicht an der Kommunikation.

Markenidentit‰ tSelbstbild

MarkenimageFremdbild

Vision!

Persˆ nlichkeitWerte

Kompetenzen"

Herkunft

SubjektivesMarkenwissen

LeistungenVision

Persˆ nlichkeitWerte

KompetenzenHerkunft

Markennutzen­versprechen

Marken­verhalten

# $

# $

Marken­erwartung

Marken­erlebnis

Leistung Nutzen

Bed¸ rfnisse

14 Vgl. Burmann, Christoph/Halaszovich, Tilo/Hemmen, Frank: Identit‰ tsbasierte Markenf¸ hrung. Wiesbaden 2012, S. 103.

Systemische VerwandtschaftDie ª Identit‰ tsbasierte Marken­f¸ hrung´ von Burmann, Halaszo­vich und Hemmen ¸ bersetzt zeitgem‰ fl , was CI grunds‰ tzlich will: Die Transformation der Unternehmensidentit‰ t ¸ ber tats‰ chliche Leistungen in Mar­ken­ Versprechen und Marken­Verhalten.Dem stehen Maken­ Erwartun­gen und Merkenerlebnis gegen­¸ ber, die ein subjektives Marken wissen erzeugen, das Markenimage.Gra� k: Beyrow (vgl. Fufl note 14)

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Wer als Corporate Designer vor diesem Hintergrund verantwortlich handelt, agiert im Spannungsfeld von vier wesentlichen Kriterien: Verständlichkeit, Falsi-fikation, Nachhaltigkeit und Rückgrat. Sein Lohn ist nicht primär Geld, sondern Geltung. Wobei dieser Text kein Plädoyer für die schlechte Bezahlung und Selbstausbeutung von Designern ist, im Gegenteil: Wirtschaftlicher Erfolg ist bei konsequenter Haltung und quali-tätvollem Output eine von selbst mitlaufende Größe.

KRITERIUM EINS: VERST ƒ NDLICHKEIT DIE DINGE NICHT SCH÷ N MACHEN, SONDERN RICHTIGEines der Kernprobleme der Kreativen ist die begrenzte Validierbarkeit ihrer Er-gebnisse: War es das Packaging oder die Produktqualität, die zum Erfolg führte? Das konsistente Design oder die Performance des Managements? Die heraus-ragende Vertriebsleistung oder die kongeniale Kommunikationsidee? Einer der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Grundsätze lautet: Was nicht messbar ist, lässt sich nicht managen – und wird im Zweifel als Ausgabe, nicht als Investition behandelt. Beim Designprozess kommt erschwerend hinzu: Gutes Design ist vollkom-men unvernünftig und nur deshalb wirklich erfolgreich. Die meisten Menschen treffen Entscheidungen nicht mit dem Verstand, sondern aus dem Bauch heraus. Gerade deshalb sollten wir peinlich genau darauf achten, diese Wirkung genau-estens zu analysieren und auf Basis klarer Parameter logisch, messbar und ver-ständlich zu kommunizieren, denn hier liegt der Knackpunkt für die geschmäck-lerischen Entscheidungen vieler Auftraggeber und die miserable Bezahlung vieler

JOCHEN Rƒ DEKER * Richtig ist das neue Schön

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Designer. Ein guter Designer ist ein Unternehmensberater, der seine Empfehlun-gen auch noch selbst in die Tat umsetzt. Diese Wahrnehmung wirkt sich auch positiv auf das Honorar aus. Das Prinzip ist ganz einfach: Wir müssen nicht schön gestalten, sondern richtig. Erst das Hirn einschalten, dann Bildchen malen, sonst entsteht Blend-werk. Gestaltern bringt der Fokus auf ästhetische Gestaltung vor allem eines: Kunden, die sie als Gesprächspartner nicht ernst nehmen, die am Küchentisch entscheiden oder entscheiden lassen und nicht aufgrund logisch abgewogener Argumentationsketten, wie sie es sonst mit ihren beruflichen Themen tun. Ge-fallen darf es ihnen danach ja trotzdem – aber davor muss es die klar hergelei-tete, zwingend richtige, auf neurophysiologischen und wahrnehmungspsycholo-gischen Erkenntnissen beruhende Lösung einer differenzierten Aufgaben- und Problemanalyse sein, so gedacht, gemacht – und verkauft – werden. Wir müssen (und wir können) erklären, wann und warum ein gestalterischer Ausdruck bei wem welche Wirkung hervorruft. Nur so agieren Designer auf Augenhöhe mit ihren Geschäftspartnern – und erfahren eine adäquate Wertschätzung.

Der inszenierte Skandal f¸ r das Schauspiel Stuttgart.Als Symbol f¸ r das staatliche Theater w‰ hlte Strichpunkt eine zum linken Kampfgrufl geballte Faust, die innerhalb k¸ rzester Zeit bundesweit die Diskussion in den Feuilletons bestimmte. Dank der grofl en Resonanz geriet das Schauspiel in den Fokus der Kritiker und wurde prompt zum Theater des Jahres gew‰ hlt; das urspr¸ nglich f¸ r eine Spiel zeit geplante Signet ¸ berdauerte acht Jahre; die Programmhefte wurden weltweit zu Sammlerobjekten.

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BEZIEHUNG SCHAFFT VERTRAUEN Marken und ihre Erscheinungsbilder könnte man nach Georg Franck als die neue Währung in unserem Leben bezeichnen. Wir umgeben uns mit ihnen wie mit Freunden, weil sie für uns von großer Bedeutung sind. Mit einer langen Be-ziehung wächst auch unser Vertrauen zu ihnen. Diese Beziehung wird noch ent-scheidender, wenn es um die eigene Zukunft geht. Die Institution HHL wird meine Visitenkarte für meinen Start in das Berufsleben – als Gründer eines Start-ups oder als High Potential in einem DAX-Unternehmen.

ZUKUNFT IST INTERNATIONALWer in die Zukunft blickt, sollte die Vergangenheit nicht vergessen. Bei der Ent-wicklung eines evolutionären Corporate Design sind die Anforderungen beson-ders hoch, da in der Langzeitbetrachtung der Markenauftritt beeinflusst wird vom Zyklus der Institution, von Aktivitäten anderer Universitäten, vom sich ver-ändernden Umfeld, von politischen Anforderungen und letztlich von der strate-gischen Ausrichtung, evtl. Neuausrichtung, der Hochschule.

Die Tradition muss erhalten werden, auch wenn die optische Darstellung des Kaufmanns viel abstrakter wird (um nicht nur attraktiv für Männer zu sein). Der Name wird international auszusprechen sein und die URL kann auch von einem indischen Studenten eingegeben werden: Aus Handelshochschule Leipzig wird HHL – Leipzig Graduate School of Management.

CLAUS KOCH * Vitalität und Konsequenz

Leipzig Graduate School of Management unten: Das alte Siegel (benutzt 1923ñ 1945 und 1989ñ 2012) und Logo (benutzt 1999ñ 2012).rechts: Das neue Logo, 2013

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Leipzig Graduate School of Management Blau und Gelb sind die Stadt­farben von Leipzig. Zusammen mit Anthrazit pr‰ gen sie den Auftritt. Mit dem neuen Erschei­nungsbild steht die HHL optisch auf internationalem Niveau, ist zeitgem‰ fl und attraktiv f¸ r Studenten aller Nationalit‰ ten.

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DIE WIRKUNG IM FOKUS: SERVICE DESIGNService Design hat zur Aufgabe, nützliche, benutzbare, begehrenswerte, effektive und unverwechselbare Dienstleistungen zu gestalten.9 Es ist ein holistischer An-satz, der in den Feldern Design, Management sowie Prozessplanung operiert und sich bei Methoden aus der Markt- und Sozialforschung sowie dem Marketing bedient.10 Infolge des wirtschaftlichen Wandels von einer Produktions- zu einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft erlangte Service Design als eigene Disziplin seit den frühen 2000er Jahren eine zunehmende Relevanz. In einem disziplinübergreifenden und iterativen Designprozess werden Interaktions-punkte, zumeist in einem wirtschaftlichen Kontext, identifiziert, definiert und ausgestaltet. Diese können sowohl materielle als auch immaterielle, jedoch klar determinierte Berührungspunkte mit den Kunden des Unternehmens sein und vom persönlichen Mitarbeiterkontakt über ein gedrucktes Formular bis zur digi-talen Applikation auf einem Mobiltelefon reichen. Service Design gestaltet Un-ternehmensverhalten hier aus der Perspektive des Kunden und mit Fokus auf sein Erleben. Da an diesen Berührungspunkten ein zuvor festgelegtes Unterneh-mensverhalten die Interaktion bestimmt, sollte im besten Fall ein identitätstreues Kundenerleben sichergestellt sein. Obschon sich Service Design intensiv mit Ver-halten beschäftigt, ist die gezielte Vermittlung von Unternehmenswerten und -persönlichkeit bisher jedoch unterrepräsentiert bis nicht vorhanden. Derzeit liegt dessen Schwerpunkt auf einem für den Kunden möglichst einfachen, nütz-lichen, effizienten sowie effektiven Interagieren mit dem Unternehmen. Es gibt also ein großes, bis dato ungenutztes Potential, Service Design sowie seine Me-thoden und Prozesse für die Vermittlung der Corporate Identity zu nutzen.

9 Vgl. Mager, Birgit: Service Design. Paderborn/Stuttgart 2009, S.42.10 Vgl. Stickdorn, Marc / Schneider, Jakob: This is Service Design Thinking. BIS Publishers. Amsterdam 2010, S. 84.

Touchpoints des Carsharing­ Dienstes car2goWerbung auf einem Billboard, Registrierungsprozess in einer Filiale sowie Fahrzeugsuche und Reservierung mit einer App. Fotos: Daimler AG

Martin Jordan / Christian Vatter * Corporate Service Design

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Service Design gestaltet schwerpunktmäßig die Interaktion mit dem Individuum und damit das Erleben des Einzelnen. Daher können seine Methoden und Vorge-hensweisen eingesetzt werden, um insbesondere auf der oben angeführten Wirk-ebene Human-to-Human und Service-to-Human zu beeinflussen – also bei der Interaktion zwischen Kunden und Mitarbeitern sowie bei der Benutzung von Angeboten. Diverse Prinzipien sind dem Gestaltungsprozess immanent und ent-scheidend. So ist Service Design kundenzentriert. Es stellt den Nutzer, nicht das Unternehmen in den Mittelpunkt und fokussiert weniger auf dessen Verhalten als mehr auf die vom Kunden wahrgenommenen Resultate. Es ist kontextbezo-gen, denn es beachtet Bedürfnisse, Situationen und zu erreichende Ziele der Menschen gleichzeitig. Service Design betrachtet nicht fragmentiert einzelne Medien, sondern stets ganzheitlich ihre Summe und Zusammenhänge. Hierbei mag man an die Haltung des Architekten Eero Saarinen erinnert sein: »Always design a thing by considering it in its next larger context – a chair in a room, a room in a house, a house in an environment, an environment in a city plan.« 11 Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Kunden werden nicht einzeln, sondern sequenziell und über die Zeit hinweg bedacht, indem Nutzungsszena-rien und wirkliche Handlungen berücksichtigt werden. Die Entwicklung von Berührungspunkten findet gemeinsam mit dem Kunden statt. Zudem werden aufgrund der erhöhten Komplexität ein iteratives Vorgehen sowie Nutzertests eingesetzt – insbesondere bei Interaktionen im Dienstleistungsbereich.

11 Harriss, Harriet: 08. The taxonomy and transposition of architectural knowledge. RIBA Research Symposium 2009. London 2009, S. 1.

car2go Touchpoints÷ ffnen eines Autos durch Ber¸ hren mit Mitgliedskarte und Fahren mit integriertem Navigationssystem.Fotos: Daimler AG

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Eine anderer wichtiger Aspekt des generativen Corporate Designs sind Flexibili-tät, Modularität und Aktualisierbarkeit.

E.ON Unter dem Motto Energie im Gespräch lud E.ON auf der größten Industriemesse Europas zum offenen Dialog ein. Milla & Partner, verantwortlich für das Stand- und Kommunikationskonzept, beauftragten Projekttriangle Design Studio mit der Gestaltung und Programmierung einer interaktiven Anwendung für einen Multitouch-Medientisch. Entwickelt wurde in dieser gemeinsamen Arbeit ein umfassendes Interaktionskonzept mit mehreren Spielen rund um das Thema Energieversorgung. Eine Applikation war eine generative Wortwolke, die mittels relevanter Stichworte weiterführende Informationen bot.

E.ON Interaktiver Multitouch­ Medientisch Projekttriangle, Milla und Partner

DANIELA DJOKIC / MARTIN GROTHMAAK * Corporate Code: Visuelle Programme

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FAZITEigentlich ist die methodische Herstellung eines generativen Corporate Designs nicht wirklich neu. Die problemorientierte und methodische Herangehensweise der Ulmer Schule beispielsweise zur Definition eines klassischen Erscheinungsbildes eines Unter-nehmens lässt sich schon mit der Herstellung eines Programms vergleichen. Es werden neben der Einführung eines visuellen Grundrepertoires auch Regeln zu deren Anwendung definiert. Aus diesen Anwendungen und den neuen Anforde-rungen und Applikationen heraus werden neue Produkte generiert. Diese resultie-ren aus den Ergebnissen der Anwendung eines generativen Gestaltungsprozesses. Jedes Unternehmen braucht eine starke Identifikation. Diese ist heute nicht mehr nur durch ein statisches Zeichen kommunizierbar. Jedes Unternehmen verändert sich, beispielsweise in Größe oder strategischer Ausrichtung. Ein generatives Coprorate Design kann sich mit dem sich entwi-ckelnden Unternehmen verändern und anpassen. Es ist flexibel und modular. Es besteht aus vielen verschieden kombinierbaren Gestaltungsparametern. Es kann sich der steigenden Komplexität der Unternehmensstruktur anpassen und auf unvorhergesehene Veränderungen einstellen und reagieren. Das bietet mehr Frei-raum für die uneingeschränkte Weiterentwicklung des Unternehmens. Zusätz-lich bieten die neuen, zum Teil interaktiven Medien, den Freiraum, den Parame-ter Zeit didaktisch und dramaturgisch als Gestaltungsparameter einzusetzen. Somit wird deutlich, das jedes zukünftig zu erstellende oder zu redesignende Corporate Design die genannten Ansprüche erfüllen sollte. Ein guter Gestalter wird diese immer in seine Arbeitsweise integrieren. Eine Differenzierung zwi-schen generativem Design und Corporate Design sollte sich somit erübrigen.

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OBSESSION Wichtig ist, nicht stehenzubleiben und beispielsweise aus Gewohnheit, wegen eigener Vorlieben – oder weil man sich bestimmten Gestaltungsschulen ver-pflichtet fühlt – immer dieselben Schriften einzusetzen. Unser Büro hat sich zum Beispiel vorgenommen, bei jedem neuen Projekt eine neue, zeitgemäße Schrift einzusetzen, die nicht älter als drei bis fünf Jahre ist. Außerdem versu-chen wir, die Elemente der Gestaltung, also Fläche, Schrift und Konstruktion, in einen eigenständigen Charakter zu überführen, der künstlerischen und grafi-schen Aspekten verpflichtet ist.

ODER DIGITAL? Digitale Orientierungssysteme sind für bestimmte Anwendungen sinnvoll und es gibt gute Beispiele dafür. Digitale Systeme sind tendenziell aktiv, der Betrach-ter muss handeln. Im Gegensatz dazu ist das analoge System ein passives, man kann es auch ignorieren, es ist ein Angebot. Passive digitale Systeme sind auch denkbar, aber der Nutzer ist immer involviert und abgelenkt. Außerdem sind sie wartungsintensiv. Auch analoge Systeme müssen von Zeit zu Zeit erneuert wer-den, aber die digitalen erfordern einen deutlich höheren Aufwand an Zeit und Geld. Das Digitale wird aber ein selbstverständlicher Teil der Kommunikation für den Zweck der Orientierung werden. Ein analoges Orientierungssystem funktioniert auch bei Stromausfall.

ANDREAS UEBELE * Orientierung, ohhh …!

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OFFENHEIT Ein Architekt muss alle Gewerke zusammenführen und generalistisch denken – was er in seiner Ausbildung auch lernt. Bei manchem führt dies – bedauerlicher-weise, auch für sein Werk – dazu, dass er nicht abgeben kann, also am liebsten die Beschriftungen, die Innenarchitektur und die Fotografie auch selbst über-nimmt. Das ist ungünstig, denn je offener man ist und andere Kräfte zulässt, desto reicher wird ein Werk.

OHNEGLEICHEN Orientierungssysteme können auch einen künstlerischen, freieren Ansatz haben und sich von der Aufgabe im engeren Sinne lösen, über das klassische System hi-nausgehen. Diese Systeme kommunizieren unterschwellig die Hardware, also die Wegeführung. Die psychologische, den Raum bestimmende Ordnung, oder bes-ser gesagt, Zuordnung, oder noch besser: Stimmung der Räume ist die Software, sie hilft unterbewusst bei der Orientierung.

OHNMACHT Als Planer eines Orientierungssystems ist man den Architekten zunächst nach-geordnet – auch juristisch. Es ist deshalb wichtig, einen respektvollen Umgang miteinander zu pflegen. Wenn der Gestalter des Orientierungssystems den not-wendigen Freiraum erhält, entstehen gute Ergebnisse – er stimmt Räume und hilft bei der Orientierung. Der Architekt muss dem Eingriff in sein Werk zustim-men, besser noch: er muss ihn wollen.

Dreidimensionale Kommuni­kation Mensa MorgenstelleUniversit‰ t T bingenEin Spiel mit Worten des Philoso­phen Hannes Bˆ hringer beglei­tet die Menschen in der Univer­sit‰ t T bingen nicht etwa beim Studieren, sondern beim Essen: Die grofl en, leuchtenden Worte sind in der Essensausgabe der Mensa unterhalb der Decke montiert. Der Wortlaut und seine mˆ gliche Bedeutung gestalten den Aufenthalt in dem funktionalen Raum kurzweilig und anregend. Verschieden­farbige Lichtsequenzen schaffen eine st‰ ndig wechselnde Atmo­sph‰ re.Neben Buchstaben, Worten und R‰ tseln schenkt die Gestaltung dem Raum ein Thema.Gestaltung: b¸ ro uebele(Projektleitung: Anja Kathrin Klein), 2009; In Zusammenarbeit mit ZieglerB¸ rg B¸ ro f¸ r GestaltungText: Hannes Bˆ hringer Foto: Daniel Fels

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!KODA MUZEUM WIEDERBELEBUNGIm neuen !koda Muzeum in Mladá Boleslav – dem Geburtsort und wichtigsten Produktionsstandort von !koda – schaffen die alten Produktionshallen einen faszinierenden und authentischen Kontext für die Reise durch die Marke. Die Fahrzeuge werden in der Logik der ehemaligen Produktionsstraßen insze-niert. Jeder Raum erzeugt ein erlebbares Bild: Fahrzeugpaare eröffnen Zeitspan-nen und vermitteln die Markenwerte, eine chronologisch aufgereihte Armada von Fahrzeugen wird zum begehbaren Zeitstrahl, eine sich weitende Werkbank macht die technischen Meilensteine begreifbar, das Regal verweist auf die zahl-losen Fahrzeugtypen und deren Verbindungen, die vier wesentlichen Phasen ei-ner Oldtimer-Renovierung werden zum gebauten Zeitraffer des aufwendigen Restaurierungsprozesses.

!koda Muzeum Mlad· Boleslav / Tschechien, 2012 Foto: Lukas Roth, Ingo Zirngibl (rechts)

THOMAS HUNDT / INGO ZIRNGIBL * Markeninszenierung im Raum

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DIE VERPACKUNG ALS VISUAL MERCHANDISINGGerade im Lebensmitteleinzelhandel ist Packaging das Visual Merchandising ei-ner Marke. Das Regal entspricht einem Schaufenster, in dem sich alle präsentie-ren, in dem »meine« Marke auffallen muss. Aber: Der Kampf fängt viel früher an. Denn vor dem Regal steht der Einkäufer. Und auch er muss von der Geschichte, die eine Marke erzählt, überzeugt werden, damit er ihr Platz einräumt in seinem »Schaufenster« – mit Sales-Unterlagen, die die Geschichte mit den für ihn rele-vanten Punkten unterfüttern, mit attraktiven PoS-Materialien, die die Ge-schichte und den Abverkauf unterstützen, bis hin zur Präsentation der (neuen oder relaunchten) Marke auf Fach- und Einkäufermessen. Auch hier müssen Stand und Story zusammenpassen. Möchte ich eine neue Marke handgemachter Kartoffelchips in den Handel bringen, die mit der Geschichte einer uralten Män-nerfreundschaft zwischen Seemann und Farmer in England spielt, sollte ich un-bedingt mit entsprechenden Attributen arbeiten: traditionelle Werkzeuge der Landwirtschaft, Zitate aus Seefahrt und Entdeckertum, natürliche Materialien, natürliche Farben, kein Plastik, keine Knallfarben, keine »aufmerksamkeitsstarke« Elektromusik. Handmade-Produkt verlangt nach Handmade-Präsentation.

ARMIN ANGERER * Corporate Packaging

John & John Der Legende nach beruht die Marke ª John & John´ auf der Freundschaft eines Farmers und eines Abenteurers: Beide heifl en John und kommen aus England. Auf der Suche nach exotischen Gew¸ rzen bereiste der Abenteurer die Weltmeere, w‰ hrend der Farmer daheim altenglische Kartoffel sorten anbaute. Bei einem Bier im heimischen Pub beschlossen sie, hochwertige Kartoffelchips herzustellen ñ die Marke ª John & John Crisps war geboren.Gestaltung: Peter Schmidt Group, 2012

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DER WEG ZUR RICHTIGEN GESCHICHTEDie Entwicklung der Story geht nicht immer vom Packaging selbst aus. Beim Relaunch einer existierenden Marke gibt es die bisherige Marke, die dem Kunden bekannt ist, und es gibt den Anlass für den Relaunch – in der Regel sind das be-triebswirtschaftlich-strategische Gründe. Hier muss das Packaging Design in einem deutlich engeren Korsett arbeiten als bei der kompletten Neuentwicklung einer Marke, für die es im Zweifel noch nicht einmal einen Namen gibt. Be-währtes muss bewahrt werden, die Neu- oder Weiterentwicklung dennoch er-kennbar oder zumindest spürbar sein. Auf dem Weg von der Idee zur fertigen Verpackung im Regal stehen dabei ganz unterschiedliche Herausforderungen: Da ist zum einen die Vielfalt der zu verpackenden Produkte. Funktioniert ein Verpa-ckungsdesign auf einer vier Zentimeter hohen runden Dose Erbsen genauso wie auf einer 30 Zentimenter hohen rechteckigen Cornflakes-Schachtel? Dann sind die zunehmend globalen Märkte zu beachten – mit unterschiedlichsten kulturel-len Konnotationen von Farben, Namen und Formen. Ein Verpackungsdesign, das in deutschen Supermärkten hervorragend funktioniert, stößt in asiatischen Märkten unter Umständen auf empörte Ablehnung. Umso wichtiger ist es als Agentur, die sich mit Packaging Design befasst, internationale Erfahrung mitzu-bringen. Nichts wäre also teurer, als ein neues Packaging einzuführen – und nach kurzer Zeit wieder zurückzurufen, weil an irgendeinem Punkt ein entschei-dender Aspekt übersehen wurde, z. B. dass die Farbe des Produktlogos den ethi-schen Grundsätzen in einem der Kernmärkte zuwiderläuft.

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Das Standardwerk Corporate Identity & Corporate Design ist seit 15 Jahren für zahlreiche Nutzer in Agenturen, Unternehmen und in der gesamten Kom - mu ni kationsbranche ein unverzichtbarer Ratgeber. Um weiterhin den neuesten Entwicklungen in der Markenkommunikation gerecht zu werden, legen die Herausgeber hiermit die dritte, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe des populären Leitfadens vor, der gewohnt detailliert und an schaulich über die wichtigsten Bestand teile von Erscheinungsbildern informiert – theoretisch und praktisch. Corporate Architecture, Audio, Books, Codes, Events, Fashion, Film, Industrial Design, Interface Design, Marke, Motion, Orientierungssysteme, Packaging, Product Design, Scenography, Sound, Typography, Service Design sind die Stichworte, die jeweils von Experten auf ihrem Gebiet analysiert und beleuchtet werden.

MIT BEITRÄGEN VONArmin Angerer Peter Schmidt Group. Barbara Baumann / Gerd Baumann Baumann + Baumann. Ruedi Baur Intégral Ruedi Baur. Matthias Beyrow Buerobeyrow/Vogt. Christoph Böninger Auerberg. Uwe R. Brückner Atelier Brückner. Norbert W. Daldrop avcommunication. Danijela Djokic / Martin Grothmaak Projekttriangle. Frank Heidmann. Regina Henkel. Thomas Hundt / Ingo Zirngibl janglednerves. Martin Jordan / Christian Vatter. Petra Kiedaisch. Claus Koch CLAUS KOCH™. Mark Lehmann / Carl-Frank Westermann WESOUND. Thomas Manss Thomas Manss & Company. Jons Messedat. Michael Ostertag-Henning SCHMIDHUBER. Paul Paulousek. Florian Pfeffer one/one. Jochen Rädeker Strichpunkt. Jürgen R. Schmid Design Tech. Erik Spiekermann Edenspiekermann. Wolfgang Strack LARSEN. Andreas Uebele büro uebele.

! 69,90 (D)ISBN 978-3-89986-185-3