bericht über die 56. jahresversammlung der deutschen ornithologischen gesellschaft

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165 Bericht iJber die 56. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschafl. Verhandelt in Breslau, yore 2l.--24. September 1906. Es waren folgende Mitglieder anwesend: R. Blasius (Braunschweig), B r au n (Marienburg), D e d i t i u s (Grofs-Lichter- felde), Geisler (Hermsdorf b. Breslau), Hanke (Kentschkau), Kollibay (Neifse), Kuschel (Guhrau), Lauterbach (Stabelwitz), Mann (Konradswaldau), Matschie (Berlin), Natorp (Beuthen), Reichenow (Berlin), Schalow (Berlin), Schneider (Braun- schweig), Schottliinder (Wessig). hufserdem beteiligten sich folgende Mitglieder des Vereins schle- sischer Ornithologen: hegidi, Cerutti, Gensert, Grabowski, Grfinberger,Koske,Leist, Loew, Pohl,Proskauer, Suckow, Thielo, Zimmer und Fraulein Trowitzsch aus Breslau, die Herren Martini (Warmbrunn), Schelenz (Kanth), Schoener- marck (Friedland O/S.), Schiinhut (Grottkau), Schuchard (Gleiwitz), yon Stegmann und Stein (Hirschberg), Woite (Trebnitz). hls G~iste waren auwesend die Herren: Barsch, Brengst~ Deditius, Giitschmann, Pax, Kensing, Krumbach, Kiiken- thal, Reinhart, Reuscher, Schleier und Thilo aus Breslau, Gorzansky (Beuthen), Braun (KSnigsberg i. Pr.). Vorversammlung am Freitag, den 21. September 1906, Abends 8 Uhr im Miinchener Augustiner Brltu, Junkernstr. 37. Herr Kollibay begrfifste als Vorsitzender des Vereins schlesischer Ornithologen die Avwesenden, sprach seine Freude fiber die zahlreiche Beteiligung aus und gab der Hoffnung Aus- druck, das die Verhandlungen einen segensreichen Verlauf nehmen werden. Herr R ei c h e n o w eriiffnete alsdann eine gesch~iftliche Sitzung. Er brachte zun~chst Griffse einiger Mitglieder, die zu ihrem Bedauern an den Verhandlungen nicht teilnehmen kiinnen. Die Herren Graf Hans yon Berlepsch, Hartert, Reiser, v. Tschusi, Nehrkorn, W. Blasius, Nentwig haben brieflich oder darch Telegramm ihr Ausbleiben entschuldigt. Hierauf wurde die Tagesorduung in folgender Form fest- gelegt und angenommen: Tagesordnung: Freitag, den 21. September, hbends 8 Uhr, Versammlung im ,,Mfinchener hugustiner-Briiu", Junkernstrasse 37 Ecke Blficherplatz. Feststellung der Tagesordnung. Begrtffsungs- abend. Vortrag des Herrn Braun (Marienburg): Biologische Be- merkungen fiber gefangene SperlingsvSgel. Sonnabend, den 22. September, Vorm. 9 Uhr: Gesch~tftliche Sitzung: Wahl des Vorstandes und der neu zu w~ihlenden H~lfte des Ausschusses. Kassenbericht. 9,30: Wissenschaftliche

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Page 1: Bericht über die 56. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft

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Bericht iJber die 56. Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschafl.

Verhandelt in Breslau, yore 2l.--24. September 1906. Es waren folgende Mitglieder anwesend: R. B las ius

(Braunschweig), B r au n (Marienburg), D e d i t i u s (Grofs-Lichter- felde), Ge i s l e r (Hermsdorf b. Breslau), Hanke (Kentschkau), Kol l ibay (Neifse), Kusche l (Guhrau), L a u t e r b a c h (Stabelwitz), Mann (Konradswaldau), Matschie (Berlin), Na to rp (Beuthen), Re ichenow (Berlin), Schalow (Berlin), Schne ide r (Braun- schweig), Schot t l i inder (Wessig).

hufserdem beteiligten sich folgende Mitglieder des Vereins schle- sischer Ornithologen: heg id i , Ce ru t t i , Gense r t , Grabowski , G r f i n b e r g e r , K o s k e , L e i s t , Loew, P o h l , P r o s k a u e r , Suckow, Thielo , Z immer und Fraulein Trowi tzsch aus Breslau, die Herren Mar t in i (Warmbrunn), Schelenz (Kanth), S c h o e n e r - m a r c k (Friedland O/S.), Sch i inhu t (Grottkau), S c h u c h a r d (Gleiwitz), yon S t e g m a n n und S te in (Hirschberg), Woite (Trebnitz).

hls G~iste waren auwesend die Herren: Barsch , Brengst~ D e d i t i u s , Gii tschmann, Pax, Kensing, Krumbach , Kiiken- thal , R e i n h a r t , Reuscher , Schle ie r und Thi lo aus Breslau, Gorzansky (Beuthen), Braun (KSnigsberg i. Pr.).

Vorversammlung am Freitag, den 21. September 1906, Abends 8 Uhr im Miinchener Augustiner Brltu,

Junkernstr. 37. Herr Kol l ibay begrfifste als Vorsitzender des Vereins

schlesischer Ornithologen die Avwesenden, sprach seine Freude fiber die zahlreiche Beteiligung aus und gab der Hoffnung Aus- druck, das die Verhandlungen einen segensreichen Verlauf nehmen werden.

Herr R ei c h e n o w eriiffnete alsdann eine gesch~iftliche Sitzung. Er brachte zun~chst Griffse einiger Mitglieder, die zu ihrem Bedauern an den Verhandlungen nicht teilnehmen kiinnen. Die Herren Graf Hans yon Be r l epsch , H a r t e r t , Re iser , v. Tschus i , Neh rko rn , W. B las ius , Nen twig haben brieflich oder darch Telegramm ihr Ausbleiben entschuldigt.

Hierauf wurde die Tagesorduung in folgender Form fest- gelegt und angenommen:

Tagesordnung: Freitag, den 21. September, hbends 8 Uhr, Versammlung im ,,Mfinchener hugustiner-Briiu", Junkernstrasse 37 Ecke Blficherplatz. Feststellung der Tagesordnung. Begrtffsungs- abend. Vortrag des Herrn Braun (Marienburg): Biologische Be- merkungen fiber gefangene SperlingsvSgel.

Sonnabend, den 22. September, Vorm. 9 Uhr: Gesch~tftliche Sitzung: Wahl des Vorstandes und der neu zu w~ihlenden H~lfte des Ausschusses. Kassenbericht. 9,30: Wissenschaftliche

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166 Bericht tiber die 56. Jahresversammlung.

Sitzung im gros HSrsaal des Zoologischen Instituts auf der Sternstrasse.: Herr F. Braun: Uber Regun.gen des Spieltriebs bei gefangenen VSgeln. Herr Reichenow: Uber die Vogelwarte Rossitten und neuere Beobachtungen des Vogelzuges. Herr Blasius: t3ber neue Methoden der Erforschung des Vogelzuges. Derselbe: Besprech..ung der u des neuen Vogelschutzgesetzes. Herr Schalow: Uber die Vogelfauna Centralasiens. Herr Mat- schie: Zoogeographische Fragen. Herr Kollibay: Uber die Vogelfauna Schlesiens.

Sonntag, den 23. September, Vorm. 10 Uhr, Besichtigung des Zoologischen Gartens. Dort kleiner Imbiss. Nachm. 3 Uhr, Ftihrung durch das Zoologische Institut und das Zoologische Museum. Abends 7 Uhr, Festessen in der Weinhandlung yon Hansen. Schluss der Jahresversammlung.

Montag den 24. September, Vormittags 6,10, Ausflug in das Trachenberger Teichgebiet.

Zu Vorsitzenden dieser Versammlung wurden gew~hlt die tterren Blasius , Schalow und Koll ibay, zum Schriftftihrer Herr Matschie.

Herr Reichenow gab nunmehr Herrn Braun das Wort zu seinem angekiindigten Vortrage [siehe oben S. 135].

Der. Vors i t zende dankte dem Vortragenden ftir seine scharf durchdachten und auf viele Beobachtungen begrtindeten Mitteilungen und erSffnet die Besprechung. An ihr beteiligten sich die Herren Natorp , S c h o t t l ~ n d e r , Koll ibay, Reichenow und Braun.

Um 91/, Uhr wurde diese Sitzung geschlossen. Noch bis zum spiiten Abend blieben die Mitglieder und G~ste in lebhaftem Austausch der Meinungen vereinigt.

Erste Sitzung am Sonnabend, den 22. September, 1906, Morgens 9 Uhr im grossen H~rsaal des Zoolo#sehen

Instituts, Sternstrasse.

Da der President noch nicht anwesend war, erSffnete Herr Schalow die Sitzung.

Herr D edit iu s verlas den Kassenbericht. Auf den Vorschlag des Herrn Kol l ibay wurden die Herren Braun und Schne ide r durch Zuruf zu Kassenprtifern erwahlt.

Herr Schalow dankte Herrn Dedi t ius fiir die sorgsame u der Kasse.

Nunmehr erfolgte die Neuwahl des Vorstandes. Da Herr Schalow sein Amt als stellvertretender President niedergelegt hatte, war seiner Zeit durch den Ausschus Herr Heck in diese Stelle berufen worden. Dutch Zuruf wurde der bisherige Vorstaad wiedergew~ihlt und die Wahl des Herrn H eck zum stellvertre- tenden Vorsitzenden best~tigt. Der Vorstand setzt sich demge- miffs fiir die Jahre 1906--1908 aus folgenden Herren zusammen:

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Bericht llber die 56. Jahresversammlung. 167

R. B l a s i u s Pr~isident. P. Matsch ie Stellvertreten- L. Heck Vice-Priisident. der Sekretiir. A. ReichenowGeneral-Sekretiir . C. D e d i t i u s Kassenfiihrer.

Aus dem Ausschufs scheiden satzungsgem~ifs aus die Herren: Caban i s , W. Blas ius , F r e i h e r r yon K S n i g - W a r t h a u s e n , Ko l l i bay und Heine. Fiir das verstorbene Mitglied, unsern Altmeister Cabanis , wurde H. Schalow durch Zuruf neu ge- wr~hlt, ebenfails dutch Zuruf wurden die iibrigen vier Herren wiederum in den Ausschufs gew~ihlt.

Herr Scha low nahm die Wahl dankend an und fibergab nunmehr sein Amt als Vorsitzender der Jahresversammlung an den inzwisehen eingetroffenen Herrn Blas ius .

Herr B las ius schlofs hierauf die gesch~iftliche Sitzung. l~ach einer kurzen Pause erSffnete Herr B las ius die wissen-

schaftlichen Verbandlungen. Er erinnerte in seiner Ansprache daran, dais zum ersten Male die deutschen Ornithologen im Osten Deutschlands tagen, wo ihnen durch den Verein schlesischer Ornithologen ein warmes Nest bereitet worden ist. l~och niemals vorher haben die Mitglieder auf einer Wanderversammlung eine so grofse Schar begeisterter Anh~inger der Vogelkunde in der yon ihnen besuchten Stadt gefunden. Mit aufrichtiger Freude und berechtigter Anerkennung fiir das Wirken der schlesischen Ornithologen begriifse er die bier in Aussicht stehenden Verhand- lungen und danke vielmals far die so iiberaus herzliche Aufnahme. Ganz besonderem Dank sprach er abet im l~amen der Gesellschaft I:lerrn Professor Dr. K i i k e n t h a l , dem Direktor des Zoologischen Instituts in Breslau, aus, der die R~ume seines Hauses der Ge- sellschaft in liebenswtirdigster Weise zur Verffigung gestellt babe.

Herr K t i k e n t h a l nahm hierauf das Wort zu einer Be- grtifsungsrede. Er wies darauf bin, dafs das Breslauer Zoologische Institut vorwiegend Lehrzwecken zu dienen babe, dafs abet schon vor fast 100 Jahren durch G r a v e n h o r s t hier der Grund z u einer schlesischen Vogelsammlung gelegt worden sei, deren Aus- bau niemals vernachl~ssigt werden solle, l~amentlich durch die Wirksamkeit des Kustos dieser Sammlung, Herrn Dr. Z i m m e r , wurde ihre Vervollst~indigung nach Kr~iften gefSrdert. Er schliefse mit dem Wunsche, dars die jetzige Versammlung einen gedeihlichen Verlauf nehme.

Herr Schalow spricht in liingerem Bericht fiber das vor wenigen Tagen erschienene Werk yon P a u l Kol l ibay: ,,Die VSgel der Preufsischen Provinz Schlesien" (Breslau, Wilh. Gottl. Korn, 80 , 377 S.). Er betonte, dafs es ibm zu besonderem Vergntigen gereiche, gerade bei dieser Gelegenheit und in diesem Kreise die ttichtige Arbeit unseres Mitgliedes vorlegen zu kSnnen. Die Yogelwelt der Provinz bedurfte einer neuen und eingehenden Bearbeitung. Denn Schlesien mit seiner mannigfachen Boden, configuration und seiner iistlichen geographischen Lage besitzt eine ungemein reiche Vogelfauna, reicher vielleicht als sie eine andere

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168 Bericht fiber die 56. Jabresversammluug.

Provinz der Monarchie aufweist, beztiglich ihrer Kenntnis aber mufste man bis auf Glogers Wirbeltierfauna aus dem Jahre 1833 und auf tiberall zerstreute vereinzelte Mitteilungen zurfickgehen. Kollibay hat die in der Literatur vorliegenden Beobachtungen und Angaben fiber das Vorkommen seltener Arten eingehend nachgeprtift, die vielfachen Widersprtiche, irrttimlichen Angaben und Verwechselungen untersucht und uns, nach langj~ihrigen eigenen Forschungen und Durchsicht der bestehenden Lokal- sammlungen in dem vorliegenden Werke eine zuverliissige Arbeit gegeben, die als grundlegend fiir Schlesien bezeichnet werden daft. Von den 317 abgehandelten Species und Subspecies sind 202 BrutvSgel, darunter Arten wie" Turdus torquatus al2estris~ A nthus spipoletta, Anser a~ser~ Charadrius morinellus, i~ycticorax T~ycticorax, 1'etrao urogallus, tetrix und bonasia~ Accentor cotlaris, !Jicoides tridactylus, tlemi$a pendulina, u. a., Arten, die in den meisten anderen Provinzen PreuFsens als brfitende fehlen, und die den schlesischen Landen einen ganz bestimmten faunistischen Character aufpr~igen. Eine Geschichte der ornithologischen Er- forschung des Gebietes wie eine lJbersicht der Literatur (437 einzelne Nummern) leiten die treffliche Lokalarbeit ein.

In einem Funkt mSchte Ref. mit dem Autor rechten: in Bezug auf die night consequent durchgeftihrte Nomenklatur. Herr S c h a l o w fiihrt aus, dafs er wohl verstehen kSnne, wenn jemand in gegens~ttzlicher Auffassung die tern~tre Nomenklatur iiberhaupt verwirft und sie nicht gebraucht. Wendet er sic abel', wie der Autor des vorliegenden Werkes, an, so mufs er dies auch ganz tun. Kollibay huldigt derjenigen Richtung in dot Nomen- klatur, die in Hartert ihren berufensten Ftihrer sieht. Alle die- jenigen Vogelarten, yon denen mehrere Subspecies im Gebiet gefunden worden sind, werden auch tern/it genannt: .Budytes flavus flavus, B. f. borealis, 13. [. melanocephalus; Aeg~thalus caudatus caudatus, A. c. roseus; Carduelis carduelis carduelis, C. c. major; 2Vucifraga caryocatactes caryocatactes, 2V. c. macro- rhynchus, u. s.w. Ferner ftihrt Kollibay, um damit die bestimmte, Schlesien bewohnende Form zu characterisieren, - - und nach des Referenten Ansicht allein auch richtig, - - u. a. Colaeus monedula spermologus, Sirra europaea caesia, _Parus cristatus mitratus, Turdus torquatus alpestris, Cinclus cinclus merula, u. a. auf. Der Verfasser will damit sagen, dafs Sirra europaea caesia, nicht aber eine andere Form der Sirra europaea in $chlesien wohnt, dafs auf den Hiihen der schlesischen Gebirge nicht Turdus torquatus tor- ~uatus, sondern I . torquatus alpestris brtitet, und dergl, mehr. Nach diesem Vorgehen ist es aber nach des Referenten persiin- licher hnsicht nicht consequent, andererseits wieder nur yon $1otaeilla alba, Galerita cristata, Turdus merula, I'.oxia curvi- rostra, Sturnus vulgaris, Pica pica, Corvus corax, ,~omateria mollissima, l~aleo peregrinus, Archibuteo lagopus etc., zu sprechen. Analog der yore Verf. aufgeffihrten Sitta europaea caesia, -Parus

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Boricht Ilber die 56. Jahrosversammlung. 169

cristatus mitratus, Turdus torquatus alpestris mfifsten auch Mota- cilla a~ba alba, Galerida cristata cristala, Sturnus vulgaris vulga- ris,_Pica pica pica, etc. als in Schlesien vorkommende Subspecies verzeichnet werden.

Im Anschlufs an den Bericht fiber das Kollibay'sche Werk legt Herr S c h a l o w eine Anzahl yon Briefen schlesischer Orni- thologen - - Rob. Tobias, Gloger, Alexander yon Homeyer, Luchs, Graf Roedern, yon Zittwitz, Peck -- aus seiner Autographen- sammlung vor.

Herr Rei chenow zeigt hierauf einige Lieferungen des neuen Werkes yon G. K r a u s e : Oologia universalis palaearctica und weist auf die Vollkommenheit der Abbildungen him

Herr R e i c b e n o w spricht im l~ingeren Vortrage fiber die Einrichtung der Vogelwarte Rossitten, deren Zwecke und Ziele und geht insbesondere auf die yon Dr. T b i e n e m a n n ausgefiihrten Flugversuche und deren Ergebnisse ftir die Feststellung der Zug- strafsen ein. Der Vortragende macht namentlich auf die eigen- tiimlichen Zugverh~tltnisse yon Ciconia ciconia aufmerksam: ,,Frfiher hatte man angenommen, dafs die StSrche des mittleren Deutsch- lands im Herbst in sfidwestlicher Richtung nach den Winterherbergen ziigen und dementsprechend in Westafrika fiberwinterten. Der verstorbene Baurat Wfis tnei in Schwerin hatte im Jahre 1902 (Journ. f. Orn. 1902, 245) zuerst darauf aufmerksam gemacht, das die Storchscharen im Frfihjahr aus 5stlicher Richtung auf Poel eintreffen. Siebt man die bis jetzt vorliegenden Beobacht- ungen fiber den Winteraufenthalt des Storches in Afrika durch, so ergibt sich, dafs der Storch im ganzen Ostafrika yon Kordofan und Sennar bis Natal und dem Oranjestaat in der Winterherberge angetroffen wird. In Deutsch-Ostafrika wurden yon Fischer und Emin am Stidufer des Victoria Niansa, yon BShm bei Tabora und am Tanganjika, yon Schillings in der Massaisteppe grofse Scharen beobachtet. In Stidafrika, sfidlich des Oranjeflusses ist er nur vereinzelt bei Port Elisabeth und King Williams Town (nach W. L. Sclater) beobachtet. In Sfidwestafrika hat ihn A n d e r s s o n am Ngamisee und im nSrdlichen Damaralande in Benguella A n e h i e ta bei Kakonda angetroffen. Vermutlich sind die Wanderer in diesen Fallen yon Ostafrika her den Sambesi aufwiirts gezogen und so in die sfidwestafrikanischen Steppengebiete gekommen. In dem ganzen Westafrika ist der Storch hingegen noch niemals in der Winterherberge mit Sicherheit nachgewiesen. Die Angabe St. Thomas (Weirs) in des Vortragenden Buch ,,VSgel hfrikas" ist nicht einwandsfrei; der Geffihrte des Vortragen den, Dr. Lii h d e r, wollte wiihrend des hufenthaltes der Reisenden an der Goldktiste einmal ziehende StSrche gesehen haben, doc..h lag bier vermutlich eine Verwechselung mit Tantalus ibis vor. Ubrigens wfirde auch das westafrikanische Urwaldgebiet dem Storch, der Steppenvogel ist, keine seinen Lebensbedingungen zusagenden hufenthaltsorte bieten. Somit gewinnt die Wfistnei'sche Beobachtung an Be-

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deutung und es hat den Anschein, das die in Europa heimischen St6rche im Winter s~mtlich nach Ostafrika ziehen. DieseVermutung wird durch die in den Orn. Monatsb. 1902 S. 158 mitgeteilte Tatsache best~tigt, das ein bei Brandenburg in der Mark ge- zeichneter Storch bei Hermannstadt in Siebenbfirgen erlegt worden ist. Die Wanderschar, der dieser Storch angehSrte, kann entweder das Elbtal aufw~rts gezogen sein oder aber sie kann das Odertal benutzt, das M~rische Gesenke fiberflogen und das Marchtal entlang zur Donau gekommen sein, oder endlich - - und dies scheint dem Vortragenden das Wahrscheinlichste - - die VSgel sind ostw~rt bis zur Weichsel gezogen und durch Galizien nach Ungarn hinein. Diese Vermutung griindet sich darauf, dafs Herr Pastor Clodius , der die Wiistnei'sche Beobachtung weiter fort- setzt, diese 5stliche Zugrichtung der StSrche yon Mecklenburg his 5stlich der Oderm~indung bereits verfolgt hat (Archly. Fr. Naturg. Mecklenburg 1905, S. 143). Durch die in diesem Jahre yon Dr. Thienemann gezeichneten StSrche werden wir voraussichtlich die Kl~rung dieser interessanten Zugfrage zu erwarten haben.

Der Vortragende geht ferner auf die Lebensweise der See- taucher, Urinator, ein und weist nach, dales diese VSgel f~lschlich als MeeresvSgel bezeichnet werden. Sie sind vielmehr Kfisteu- und zum Teil BinnenlandvSgel und ihre Zugstrarsen, die sehr der Beachtung zu empfehlen sind, scheinen ausschlierslich fluviale zu sein und durch das Binnenland zu ffihren.

Herr Blas ius dankte far die mit grofsem Beifall aufge- nommene Mitteilung des Vorredners und schlofs daran seinen Vortrag fiber: ,,Neue Me thoden zur E r f o r s c h u n g des Vogel- zuges."

,Eine der Hauptfragen, die wir bei der Erforschung der Art und des Wesens des Vogelzuges zu erledigen haben, ist die, ob die VSgel nach dem Orte, wo sie geboren sind, zuriickkehren oder nicht. Diese Frage ist nur sicher zu beantworten, wenn wir die jungen NestvSgel mit Marken versehen und darauf achten, ob sie im n~ichsten Friihjahr wieder am Orte ihrer Geburt er- scheinen. Wie bekannt, hat der Leiter der Vogelwarte unserer Gesellschaft in Rossitten auf der Kuri~chen Nehrung, Herr Dr. Thienemann, seit mehreren Jahren dort vortiberziehende VSgel, namentlich Kr~then, mit Aluminiumringen versehen. Wir wissen aber nicht, woher die Kr~ihen gekommen sind, ehe sie den Ring in Rossitten bekamen. - - U m Herrn Dr. Thienemann in seinen Forschungen zu unterstiitzen, babe ich mir in diesem Friihjahr ein grSfseres Quantum solcher mit Rossitten und Nummer ge- zeichneter Ringe kommen lassen und damit in der Umgegend yon Braunschweig einige exquisite ZugvSgel, den weifse n St orc h, Ciconia ciconia L., und die R a u c h s c h w a l b e , Hirundo rustica L., bezeichnet. Zu diesem Zwecke wurde die erste Exkursion am 15. Juni d. J. in die DSrfer nSrdlich von Braunschweig nach der Grenze der Provinz Hannover zu gemacht. Ein gelernter

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Bericht fiber die 56. Jahresversammlung. 171

Dachdecker war mitgenommen, der mit einem grofsen Sacke versehen die auf den Bauernh~tusern befindlichen Storchnester erstieg und die Jungen mir herunterholte. Dieselben, durchschnitt- lich 4--5 Wochen alt, liefsen sich das Befestigen der Aluminium- ringe (1,6 cm breit, 1,8 cm im Durchmesser, 1/2 mm dick und 2,5 gr. schwer) an den Lauf (dicht oberhalb des Fufsgelenkes) sehr wohl gefallen. Das Umlegen des Ringes ist aufserordentlich einfach, der Ring, der flach als Band ausgebreitet fast 6 cm lang ist, wird ein wenig auseinander ~ebogen, um den Lauf gelegt und dann mit einer gewShnlichen Kneifzange an den beiden Enden des Bandes, an der einen Seite krallenartig fibergreifend, zusammen- gedrtickt. Dann wurden die ,,gezeichneten" StSrche wieder in den Sack gesteckt und vom Dachdecker in das Nest zurfickgebracht. Die ganze Arbeit war in 5--10 Minuten geschehen.

Es wurden mit Ringen versehen, die die Bezeichnung trugen: Vogelwarte Rossitten Ostpreus Germania, im Ganzen die

Jungen aus 5 Nestern: 1) auf der Scheune des st~idtischen Rieselgutes Steinhof 4 Junge,

bez. (I. Serie) 2. 3. 4. und 5. 2) auf dem Wohnhause des Landwirtes Saue in VSlkenrode 4

Junge, bez. (I. Serie) 3) auf dem Wohnhause

Junge, bez. (I. Serie) 4) auf dem verlassenen

Wendezelle 3 Junge,

6. 7.8. und 9. des Landwirtes Voges in Bortfeld 4 10. 11. 12. und 13. Wohnhause des Landwirtes Baars in bez. (I. Serie)14. 15. und 17.

5) auf dem Wohnhause des Landwirtes Rickmans in Zweidorf 3 Junge, bez. (I. Serie) 16. 18. und 19. Eine zweite Storchfahrt wurde am 19. Juli d. J. in die

Ltineburger Heide, Umgegend yon Gifhorn ausgefiihrt. Es wurden mit Marken versehen die Jungen yon 2 Nestern:

1) auf dem Wohnhause des Landwirtes Cordes in K~istorf 4 Junge, bez. (I. Serie) 20. und (II. Serie) 1. und 2 .

2) auf dem Wohnhause des Landwirtes Dorndorf in Wilsche 3 Junge, bez. (!I. Serie) 3. 4. und 5. Sofort nachdem die Jungen wieder in dem Neste oben auf

dem Dache angelangt waren, erschienen die alten StSrche wieder und ftitterten. Beim Ausnehmen aus dem Neste verhielten sich die Jungen meistens sehr ruhig und friedlich, nut bei einem Neste (die Jungen waren fast fltigge!) schlugen sie mit den Fltigeln und wollten:mit dem Schnabel hacken und beifsen. Die Alten verliefsen das Nest meist erst kurz vor der unmittelbaren An- naherung des Dachdeckers, benahmen sich abet gegen die ver- meintlichen Nestplfinderer sehr friedlich. Wie mir bestimmt versichert ist, haben die Jungen, mit den Ringen versehen, die man yon unten m i t dem Opernglase deutlich erkennen konnte, gesund und munter das Nest verlassen und sind sp~iter mit den Alten fortgezogen.

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Eine zweite Reihe yon Versuchen machte ich mit unseren Rauchschwalben. Es wurden bezeichnet mit Ringen in

1) dem Kuhstalle yon Herrn Landwirt Franz Drews in Braun- schweig am 2. August 1906 4 Junge mit den Nummern 660. 661. 662. 663.

2) ebendaselbst 4 Judge am 21. August 1906 mit den Nummern 664. 665. 666. 667.

3) an dem Bauernhause des Herrn Adam yon Buda ia Rea bei Hatseg in Siebenbiirgen (Ungarn) 3 Junge am 31. August 1906 mit den Nummern 668. 669. 670. Die Nummern 635--659 habe ich am 31. Juli d. J. Herrn

Rittergutsp~ichter Otto Grieffenhagen in Veltheim a. d. Ohe (Herzogtum Braunschweig) fibergeben, der dieselben jungen Rauch- schwalben in seinem Kuhstalle anlegen wollte. Diese Ringe haben eine Breite yon 4 ram, einen Durchmesser yon 2 mm und ein Gewicht yon 0,02 gr. Die Alten kehrten sofort, nachdem ich die Jungen wieder in das Nest gesetzt hatte, zu ihrer Familie zurfick und fiitterten weiter. Wie ich reich dutch Nachfragen tlberzeugt babe, sind s~imtliche Junge sp~tter ausgefiogen und fortgezogen. Bei der Kleinheit der Ringe konnte die Aufschrift Vogelwarte Rossitten Germania nicht angebracht werden.

Sollten derartig markierte StSrche oder Rauchschwalben er- tappt werden, so sind die Ringe mit genauer Angabe des Ortes und der Zeit des Fundes nach Rossitten an die Vogelwarte ein- zusenden, we nile diese Beobachtungen veto Leiter der Vogel- warte gesammelt werden. Bei den Stiirchen ist ein Erlegen nicht erforderlich, nachdem man mit dem Feldstecher den Ring am Laufe erkannt hat.

Derartige Versuche sollten nun mSgliehst zahlreich durch ganz Deutschland unternommen werden. Man wende sich an Herrn Dr. Thienemann nach Rossitten, der das nStige Material an bezeichneten Aluminiumringen einsenden wird.

Eine andere Frage in Betreff des Vogelzuges ist die der HShe fiber der Erdoberfi~iche. Wiehtige Beobaehtungen darfiber sind ja haupts~ichlich veranlafst durch Herrn Hauptmann yon Lucanus gelegentlich tier Luftballonfahrten. Es dtirfte sich em- pfehlen, diese Beobachtungen auch in anderen L~indern anzustellen und in gebirgigen Gegenden die bekannten BerghShen gewisser- mafsen als HShenmarken fiir den Vogelzug zu benutzen."

Herr B l a s iu s bemerkt zum Schlufs, dafs die Beobachtung mit der Marke am Fufse auch sicherer sei, als die Beobachtung mit dem Ohr, dafs z. B. ein Kuckuck mit heiserer Stimme an- geblich an den Ort seines vorj~ihrigen Aufenthalts zurfickgekehrt sei; fiber den Brocken, tier mitten im Harzgebirge liegt, gehe kein Vogelzug; das Kleid der geographischen Formen sei aller- dings eine Art Pals fiir das Berkommen des Vogels, aber es fehlten doch noch vielfach die Sammlungen, um jederzeit jedes Vogelkleid einwandsfrei bestimmen zu kSnnen; die Frage Helm

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contra G~ttke fiber das Ziehen der jungen Stare vor den Alten halte er noch nicht fiir zu Ungunsten G~itke's erledigt, die Beo- bachtungen G~itke's scheinen ihm absolut sicher und bedtirfe die Frage wohl noch weiterer Kliirung.

In der an die beiden Vortr~ige sich anschliessenden Bespre- chung hielt Herr B r a u n ftir wichtig, am Bosporus einen Beo- bachtungsposten einzurichten.

Herr Kol l ibay wies darauf hin, dafs viele der gezeichneten YSgel durch Verletzungen oder durch RaubvSgel in der ~'~ihe der Station zu Grunde gehen und sprach die hnsicht aus, dafs die sorgf~ltige Untersuchung geographischer Formen die besten Auf- schlfisse tiber die Heimat der ZugvGgel ergeben werde. Er legte als Beispiel solcher Formen zahlreiche Kohlmeisen aus verschie- denen Gebieten vor.

An der wciteren Besprechung beteiligten sich die Herren R e i c h e n o w , S c h n e i d e r , Braun , Schalow, M a t s c h i e , B l a s i u s und Kuschel .

Herr S c h a l o w h~lt einen Vortrag fiber die Vogelfauaa Centralasiens und fiber die zoogeographischen Beziehungen dieses Gebietes zu denen der angrenzenden Teile der pal~iarktischen Region.

Der Vortragende geht yon der Bearbeitung zweier Sa..mm- lungen aus, die er in den letzten Jahren ausffihren konnte. Uber diejenige Dr. Holderers ist bereits eine VerGffentlichung erfolgt (J. f. O. 1901 S. 393--456), fiber die zweite, welche eine Bear- beitung der yon Dr. Merzbacher im Ti~nschan gesammelten VGgel enthiilt, wird demn~ichst eine liingere hrbeit erscheinen, hus der Beschiiftigung mit diesen Sammlungen und aus den, mit der Be- arbeitung derselben verbundenen vergleichenden Studien haben sich dem Vortragenden eine hnzahl yon Gesichtspunkten ergeben, die er in Bezug auf die Zusammensetzung der centralasiatischen Vogelfauna wie in Hinsicht auf allgemeine zoogeographische Gesichtspunkte eingehend zu erSrtern versucht. Unter Hinweis auf die grofse oro- und hydrographische Wandkarte Centralasieas yon Justus Perthes, welche im Saale ausgeh~ingt ist, wie auf eine kleinere Specialkarte des Ti~nschan yon Dr. Friederichsen (Zeitschr. Ges. f. Erdkunde Berlin 1899) gibt Herr Schalow einen Rtick- blick auf die ornithologische Erforschung Centralasiens yore Jahre 1857 bis 1904. Wie durch die politischen Verhiiltnisse bedingt, sind es haupts~chlich russische Forscher gewesen, denen wir die Aufhellung des beregten Gebietes zu danken haben. Semenow, Sewerzow, Fedschenko, Romanowski, Potanin, Przewalski, Grum - - Grzimailo, Pewtzow, Kozlow, Roborowski -- ein jeder dieser Namen bezeichnet eine Etappe in der Erforschung der Vogelfauna Centralasiens. Herr Scha low geht speciell auf die Arbeiten yon Nicolai Sewerzow, den kennen zu lernen er noch das Gltick hatte, und auf diejenigen Przewalski's ein. Leider sind viele der Arbeiten genannter Forscher in russischer Sprache verGffentlicht,

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sodafs sie ffir uns schwer benutzbar sind. Von wenigen existieren deutsche Bearbeitun~en. Unter diesen ist die wichtigste, die

.weitesten Gesichtspunkte erSffnende und fundamentale zoogeo- graphische Gesetze festlegende Arbeit diejenige Sewerzow's: Allgemeine Ubersicht der aralotianschanischen Ornis und ihrer horizontalen und vertikalen Verbreitung (J. f. O. 1873--1875). Einen aufserordentlichen Fortschritt in unserer Kenntnis der ornithologischen Verh~ltnisse Centralasiens bezeichnen die Arbeiten Pleske's und Bianchi's fiber die Sammlungen und Forschungen N. M. Przewalski's aus den Jahren 1877--1885. Diese Arbeiten, yon denen bis jetzt erst vier Lieferungen erschienen sind (1889-- 1906), die vom Vortragenden vorgelegt werden, werden, wenn ein- mal abgeschlossen, ffir immer ein standard work tiber die Orni- thologie Centralasiens sein und bleiben. Pleske, der die ersten 3 Lieferungen bearbeitet hatte, berichtete in denselben nut fiber die Sammlungen Przewalski's, Bianchi aber, der das Werk fort- setzt, gibt einen Bericht fiber das gesamte ungeheure Material, welches sich aus Centralasien im Petersburger Museum befindet. Einen Beweis, wie reich dasselbe ist, ffibrt Herr Schalow an. Als Oberholser seine bekannte Arbeit: A review of the larks of the genus Otocorys (1902) verSffentlichte, standen ibm flit dieselbe - - neben einem grofsen nearktischen Material - - nur rund 40 Exemplare aus dem pal~arktiscben Gebiet zur Verffigung. Da- gegen besitzt das Petersburger Museum yon den in den meisten Sammlungen nur sehrsp~rlich vertretenen Formen Otocoris brandti brandti, O. b. montana, O. b. przewalskii, O. elwesi elwesi, O. e. kamensis, O. telesehowi und O. penicillata allein ca 400 speciminal

Eingehend beriehtet Herr Scha low alsdann fiber die grofs- artig angelegte Forschungsreise Dr. Gottfried Merzbachers in Miinehen nach dem Ti~n-schan (1902 und 1903), mit der beson- deren Aufgabe, den bisher nie bestiegenen Khan Tengri (7200 m) geographisch und alpinistiscb festzulegen, was dem Reisenden auch nach Unsttglichen Mfihseligkeiten gelungen ist. Das yon Dr. Merzbacher gesammelte ornithologisehe Material, welches in den Besitz des Zoologischen Museums in Mfinchen gelangt ist, ist sehr reichhaltig. Durch das liebenswfirdige Entgegenkommen Dr. Merzbachers ist es dem Vortragenden zur Bearbeitung iibergeben worden. Er legt aus den Sammlungen unter Hinweis auf die dif- ferierenden Charactere einzelne seltenere Exemplare vor: Merula merula intermedia Richm., ttallus aquaticus kore]ewi Sarud., Tota- nus totanus eurhinus Oberh., Aecipiter nisus pallens Stein., 1innun- culus naumanni pekinensis Swinh., Accentor collaris rufilatus Sew., :Passer montanus dilutus Richm., Sylvia nisoria merzbacheri Schal., Asio accipitrinus pallidus Sarud., Merula relicta Sarud. u. Korej., Cannabina cannabina merzbacher~ Schat., l~utieilla rufiventris pleskei Schal. u .a . Eingehender geht der Vortragende bei der Vorlage der gesammelten Sturnus vulgarisporphyronotus Sharpe auf die sehr schwierige Frage der Verbreitung de r Sturniden in

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Centralasien ein. 5Teben dem genannten Sturnus vulgaris porphyro- horus Sharpe diirften noch St. v. dresseri But., St. v. harterti But., St. v. loudoni But. das Gebiet als BrutvSgel bewohnen, wiihrend St. v. polteratzkii Finsch., St. v. dzungaricus But. und St. v. johansoni But. als Strich- bezw. ZugvSgel vorkommen dfirften. Hier bietet sich noch ein weitausgreifendes Feld ffir eingehende Untersuchungen.

Die Ergebnisse aus den his jetzt vorliegenden Bearbeitungen der vorhandenen Sammlungen lassen sich zoogeographisch dahin zusammenfassen, dafs der eigentamliche Character der central- asiatischen Vogelfauna die zoologische Selbst/indigkeit Central- asiens als einer scharf umgrenzten Provinz des palaearctischen Faunengebietes annehmen 1/ifst. Ferner gestattet das heute vor- handene Material den Begriff Centralasien faunistisch festzulegen und damit auch eine genauere Grenze der palaearctischen Region nach Osten zu ziehen. Mit Bianchi mufs man Centralasien im Norden durch die sfidsibirischen Gebirgszfige, im Westen durch das russische Turkestan, im Saden durch die Nordabhiinge des Himalaya und im Osten durch das Chingangebirge abgrenzen. Ferner darf eine Verschiedenheit der Vogelfaunen des nSrdlichen und des sfidlichen Ti~n-schan angenommen werden. Im Norden sibirische Formen, im Saden ein starker Einschlag yon indischen. Hier Carduelis carduelis orientalis Eversm., Loxia curvirostra curvirostra L., dort Carduelis carduelis caniceps (Vig.), Loxia curvirostra albiventris Swinh. u. a. Dasselbe gilt, soweit die Sammlungen Pewtzow's und Waltons ein Urteil zulassen, vom niirdlichen und siidlichen Tibet. Hier ein pr~ivalierend palaeare- tischer Character, dort neben palaearctischen Gattungen bereits ein grofser Prozentsatz yon indischen wie Urocissa, Trochalopteron, Stachyridopsis, .Babax, Microeiehla, Dendrotreron, Lophophorus, Ceriornis, u. a. Leider liegen aus dem interessanten Hochlande yon Tibet erst wenige Sammlungen vor.

Herr M a t s c hie drackte in der Besprechung dieses Vortrages seine Freude darfiber aus, dais die yon dem Vorredner ausge- ftihrten Darstellungen fiber die Verbreitung der iViigel in Inner- asien in auffallender Weise mit den Ergebnissen fibereinstimmen, die er selbst durch die Untersuchung yon S/iugetieren gewonnen babe.

Es masse wohl als sichere Tatsache gelten, dafs viele Tier- gattungen nur hrten enthalten, deren Verbreitungsgebiete einander ausschliefsen oder nur wenig an ihren Grenzen abereinandergreifen. So seien z. B. von Fuchs, Hermelin, Wiesel, Waldmaus, Daehs, Wildkatze, Rothirsch, Wildschwein u . s. w. zahlreiche sich geo- graphisch vertretende Arten bekannt geworden. Sobald irgend eine Siiugetierform in vielen Einzeltieren aus zahlreichen Teilen ihres Gesamtverbreitungsgebietes genauer untersucht werde, s tel le es sich heraus, daFs man es mit einer ganzen Reihe yon Arten zu tun habe, deren jede ein besonderes Teilgebiet bewohne.

Ferner habe es sich ergeben, da is far die bisher betrachteten geographischen Arten diese kleineren Verbreitungsgebiete im

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wesentlichen dieselbe Ausdehnung haben und bei jeder Gattung bezfiglich Untergattung wiederkehren. Westeuropa masse dabei vorliiufig aus dem Spiel gelassen werden, well dort die ursprang- lichen Verh~ltnisse durch allerlei Umwiilzungen, namentlich auch durcb die Eiszeit, wesentlich gestiirt worden sind. hber in anderen Teilen der Erde treten diese merkwtirdigen Teilgebiete deutlicher in die Erscheinung. Wir wissen jetzt mit ziemlicher Sicherheit, dars, wenigstens fiir S~iugetiere, in Mittelasien eine Reihe yon enger umgrenzten Tiergebieten sich erkennen lassen, deren jedes nur je eine besondere Art, jeder Untergattung aufweist. Man kann so z. B. das Tarim-Becken, alas Gebiet des hmu Darja, des Syr Darja, des Balkasch-Beckens, der westlichen Gobi, des Kukunor- Beckens, des oberen Brahmaputra Gebietes~ u. s. w. unterscheiden, in deren jedem je eine besondere Art des Wildschafes, Steinbockes, Edelhirsches, Murmeltieres, der Wildkatze, des Luchs u.s.w, lebt.

Diese geographischen Formen sind einander mehr oder weniger ~hnlich, aber immer leicht dutch eine kurze Diagnose zu erkennen. Nicht nur in der Fiirbung, sondern auch in der Gestalt und im Sch~idelbau zeigen sie erhebliche Unterschiede, und diese Unter- schiede sind bei jeder dieser Arten allen zu ihr gehSrigen Einzel- wesen eigentiimlich. Die hb~inderung der einzelnen Tiere h~ilt sich stets innerhalb der Grenzen der air die Art bestimmenden Merkmale. ~bergangsformen kennt man bei Si~ugetieren noch nicht und wird sie wahrscheinlich niemals kennen lernen; denn ilberall, wo ein in freier Wildbahn erlegtes Tier Kennzeichen zweier hrten in sich vereinigt, konnte man bisher feststellen, dafs es aus einem Grenzgebiet stammt, wo zwei Arten in ihrer Verbreitung sich berahren und AngehSrige beider neben einander leben, und dafs es wahrscheinlich als Ergebnis geschlechtlicher Mischung aus zwei Arten anzusehen ist.

Noch ist erst der kleinste Teit aller S~ugetiergattungen nach dieser Richtung bin genauer untersucht werden. Je welter abet unsere Kenntnis fortschreitet, desto griifser wird die Zahl der Best~itigungen far die hier vorgetragenen hnsichten.

Es stellt sich immer klarer heraus, dafs die grolsen Tier- gebiete, die man jetzt anzunehmen gewohnt ist, das palaearctische, aethiopisehe, indische Gehiet und andere, tats~ichlich in eine ganze Menge kleinerer Gebiete zerfallen, gewissermafsen in Tiergaue und dafs die an den Grenzen zweier grSfserer Tiergebiete liegenden Gaue ein Gemisch yon Gattungen beider aufweisen. So ist eine scharfe hbgrenzung der grSfseren Tiergebiete rein willkarlich. Man nimmt eben einige Formen heraus, betrachtet sie gewisser- mafsen als Leitarten und begrenzt nach ihrer Verbreitung will- kiirlich die grofsen Gebiete. So wenig brauchbar also diese Einteilung in solche weiten Regionen ist, umso befriedigendere Ergebnisse schafft die Betrachtung der kleinere Teilgebiete. Auch viele yon ihnen enthalten Gemische yon Gattungen benachbarter Gaue, aber in jedem ist jede Untergattung durch je eine besondere

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ftir den Gau bestimmende Form vertreten. Alle in einem be- stimmten Gau, den man ,,hrtgebiet" nennen kSnnte, vorkommende hrten tragen gewissermas den Stempel ihrer Heimat.

Ob diese hnschauungen auch fiir die Vogelwelt allgemein gelten, mufs weiterer Prtifung vorbehalten bleiben. Immerhin lohnt es sieh, dieser Frage niiher zu treten. Selbstverst~tndlich darf man nur BrutvSgel zun~ichst in den Kreis der Betrachtung ziehen. hrten, die zu gewisser Zeit ihre Heimat verlassen, erschweren die Untersuchung. Wir haben aber schon viete Hinweise darauf, dafs auch in der Vogelwelt iihnliche Verbreitungsverh~ltnisse wie bei den Siiugetieren vorhanden sind. Es sei nur, um ein Beispiel anzufiihren, daran erinnert, dafs H a r t e r t 25 geographische Formen yon sirra anfzithlt. Auch bei Eremophila, Certhia, Carpodacus, Galerita, Montifringilla begegnen wir iihnlichen Verh~ltnissen.

Schon Linnd hat der Species den ,,Pagus" als Verbreitungs- gebiet angewiesen, nach seiner Anschauung war die Species als der Begriff der kleinsten Einheit n~ichst dem Individuum aufzufassen. Seine Varietas war keineswegs der von manchen neueren Zoologen mitVorliebe benutzten Subspecies entsprechend, sondern bezeichnete rein individuelle hb~inderungen, wenigstens in der zehnten Ausgabe seiner Systema Naturae yon der die Ornithologen ausgehen.

Je besser man die geographisch sich ersetzenden Vogelarten kennen lernen wird, desto sicherer werden ihre unterscheidenden Merkmale festgestellt werden, desto mehr mufs die Zahl derjenigen abnehmen, die noch jetzt durch Ubergangsformen verbunden zu sein schei.nen, desto besser werden wir erkennen, dafs alle soge- nannten Ubergangsformen als Mischlinge aufzufassen sind.

Nur die Untersuchung der geographischen Arten kann uns eine feste Grundlage fiir die Erkenntnis tier Tierverbreitung und damit ftir die L6sung der wichtigsten Fragen tiber die Entstehung der Tierwelt geben.

Herr Blas iu 's dankt ftir die Vortr~ge, macht noch einige geschRftliehe Mitteilungen und gedenkt alsdann derjenigen, die im Verlauf des letzten Jahres durch den Tod aus unserer Mitre abberufen worden sind, der Herren H u n d r i e h , F r i ck , C a b a n i s und Leverk t ihn .

Die hnwesenden erheben sich zum Andenken an die Ver- storbenen yon den Sitzen.

Der Vorsitzende schliefst hierauf die Vormittagssitzung. Ehe die Mitglieder der Versammlung sich trennen, wird

das Seewasseraquarium des Zoologischen Instituts besichtigt. Das Mittagsessen nahm man gemeinsam im Gasthof zum

Deutschen Hause ein. Zweite Sitzung~ am Sonnabend, den 22. September 1906,

Naehmittags 3,4:0 Uhr im grossen Hiirsaale des Zoologisehen Instituts, Sternstrasse.

Herr Ko l l i bay h~lt einen Vortrag tiber die schlesischen Vogelwelt, tier im wesentlichsten seinem soeben erschienenen

Jo~'a. f. Orm LV, Jahrg. Januar 19{YA 12

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Werke fiber die VSgel Schlesiens entsprieht. An die mit Beifall aufgenommenen Mitteilungen des Redners schliefst sich eine sehr lebhafte Besprechung, in der yon den Heeren B las ius , Scha low, Ma t seh ie und Ko l l ibay namentlich auf den Wert der Beob- achtung geographischer Vogelformen hingewiesen wird.

Herr M a t s c hi e macht besonders darauf aufmerksam, dafs manche S~iugetierarten nur in dem iistlichen Tell yon Schlesien bisher nachgewiesen seien, wie der Hamster und der Ziesel, sowie das in der N~the yon Breslau zwei deutlich unterschiedene Formen des EichhSrnchens, ein zimmetrotes und ein braunrotes vor- kommen. Das braunrote sei das in der Mark gewShnliche, zimmetrot seien alle bisher bekannten oberschlesischen. Viel- leicht werden auch iihnliche Fiille bei Vogelarten festzustellen seiv.

Herr Re i chenow legt nunmehr im Namen des Herrn T h i e n e m a n n zwei auffallend blasse Stticke der Sumpfohreule vor, die veto Einsender in Rossitten erbeutet sind und yon ihm ffir die kfirzlich beschriebene Asio accipitrinus pallidus angesprochen werden.

In der Besprechung dieses Vortrages macht Herr S chal ow darauf aufmerksam, dafs die Thienschan-Ohreulen besonders hell sind. Herr K o l l i b a y erw~igt die MSglichkeit, dafs unter den zablreichen Ohreulen, die im Jahre 1901 in Schlesien erlegt worden sind, die Form ~allidus zu ridden sei. Es empfehle sieh, die Sammlungen daraufhin durchzusehen.

Herr B l a s i u s h~ilt alsdann einen Vortrag tiber die Ab- [inderungen, die in dem neuen dem Reichstage vorgelegten Vogel - s c h u t z g e s e t z e vorgeschlagen werden.

Redner will hier in der Deutschen Ornithologischen Gesell- schaft diese Frage nur zur Besprechung bringen, um derselben, die bisher nicht vom Gesetzgeber befragt sei, Gelegenheit zu geben, sich fiber die Ab~tnderungsvorschliige auszusprechen.

Mit Dank ist es anzuerkennen, dafs Hr. Carl K. Hennicke in der Ornithologischen Monatsschrift, in der Beilage zu Nr. 6, Juni 1906, XXXI. Jahrgang, SeRe 321--371r unter der UbeI- schrift: ,,Das Vogelschutzgesetz im Reichstage" I. die Vortriige und ihre Begrfindung, II. den stenographischen Bericht fiber die Verhandlungen in der 89. Sitzung, am 28. April 1906, bringt.

bIach Vorlesung der Hauptpunkte des Gesetzentwurfes geht Redner besonders auf die Bestimmungen fiber den K r a m m e t s - voge l f ang ein. ,,Wenn der Entwurf, so wie er vorliegt, Gesetz wird, dana darf der Krammetsvogelfang, da wo der Vogel zu den jagdbaren VSgeln gehSrt, ruhig veto 21. September bis zum 31. Dezember welter getrieben werden. Dagegen mfissen wir uns wenden, dean im Dohnenstiege werden nicl~t nut die eigent- lichen Kram m ets v5 ge I im engeren Sinne, Wachholderdrofseln, Schacker, Turdus pilari8 (L.), gefangen, sondem alle Drosselarten und auch, wie ich das mehrfach in grSfseren Zusammenstellungen nachgewiesen habe, viele kleine SingvSgel, wie Dompfaffen,

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Rotkehlchen u. s. w. Von den Drosseln sind es namentlich die Singdrossel und Schwarzdrossel, zu unseren schSnsten SingvSgeln gehSrig, die da, wo sie grofs geworden sind, in den Dohnen gefangen werden. Hierdurch wird unsere Vogelwelt in der empfind- lichsten Weise gesch~digt. Wir mtissen darauf halten, dais die aus dem Norden Rurslands und Skandinavien zu uns kommenden Weindrosseln (Turdus iliacus L.), die ja die Hauptmasse des Krammetsvogelfanges bilden, nicht so massenweise bei uns in den Dohnen weggefangen werden. So lunge wir in Deutschland den Schweden und Norwegern ihre schSn singenden Weindrosseln wegfangen, kSnnen wir kaum yon den Italienern vertangen, dafs sie unsere aus Deutschland kommenden SingvSgel schonen. Was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Deshalb fort mit dem Krammetsvogelfange, Reichsgesetz geht aber Landesgesetz. Mit Freuden ist das neue Gesetz zu begrtifsen, wean jeglicher Krammetsvogelfang in ganz Deutschland verboten wird."

In der an den Vortrag sich anschliefseaden sehr lebhaften Besprechung, an der die Herren Reichenow, Kotlibay, Kuschel, Koske, Schalow und Aegidi sich beteiligen, wurden namentlich der Drosselfang in Dohnen, die Bedeutung des Eiersammelns ftir den Vogelschutz und die Zweckm~fsigkeit der VogetschutzgehSlze eingehender erSrtert.

Hr. B l a s i u s bemerkt, dab er selbst oft den Dohnenstieg abgegangen und die gefangenen Drofseln eingesammelt habe, keine Fangart kenne er, die so tierqualerisch sei, wie z. B. das Fangen der VSgel in einer Fufsschlinge. Entschieden zu bestreiten ist es, dafs unsere Singdrossel nicht abgenommen babe, nicht den zehnten Tell so viel, wie vor 20 Jahren habeu wir jetzt z. B. bei Braunschweig. Den Italienern gegentiber mtisse man mit gu~em Beispiele vorangehen, so lange wir den Massenmord der Drosseln methodisch betreiben, kSnnen wir uns ihnen gegen- fiber nur mit einem kurzen Stocke wehren. Wie vortrefflich der Vogelschutz wirke, kSnne man daraus ersehen, dab die Lerchen fast allgemein in Deutschland sehr bedeutend zugenommen haben, seit der Lerchenfaag verboten sei.

Herr B 1 a si u s fafste alsdann das Ergebnis dieser Besprechung in folgender Weise zusammen. Es sei schwer, aus den ver- schiedenen Meinungs~ufserungen ein greifbares Resultat zu ziehen, tiber den Krammetsvogelfang sei man geteilter Ansicht, aber einig sei man dartiber, dars das vorgeschlagene Gesetz im Ganzen immerhin als ein Fortschritt zu betrachten sei.

Die am Vormittage fiir die letzte Sitzung in Aussicht ge- nommene Besprechung fiber Nomenklaturfragen fund auf allgemeinen Wunsch nicht statt, damit auch einmal eine Ornithologen-Ver- sammlung abgehalten sei, ohne dieses heikle Thema, das niemals zur Ruhe k~me, zu besprechen.

Die Herren B r a u n und S c h n e i d e r berichteten alsdann fiber die yon ihnen vollzogene Durchsicht der Kassenbticher und

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drtickten ihre Befriedigung fiber die sorgf~tltige hufstellung de r Rechnungen aus. Die Versammlung erteilte dem Schatzmeister Herrn Dedit ius Entlastung, und der Vorsitzende sprach im Namen der Mitglieder der Gesellschaft dem Schatzmeister herz- lichen Dank ffir seine umsichtige Tittigkeit aus.

Nach einigen gesch~iftlichen Mit te i lungen wurden die wissenschaftlichen Verbandlungen der Jahresversammlung ge- schlossen.

Den hbend verbrachten die Ornithologen nach gemeinsamem Theaterbesuch bei anregenden Gespr~tchen in dem Augustiner Br~iu.

Besiehtigung des Breslauer Zoologisehen Gartens am Sonntag, den 23. September 1906, Morgens 10 Uhr.

Bei gutem Wetter versammelten sich die Mitglieder am Eingange des Zoologischen Gartens, um unter der liebenswfirdigen Ffihrung des Herrn Direktor Grab o wski die reichen Sammlungen lebender Tiere zu durchmustern. Es darf wohl hervorgehoben werden, dafs alle Anwesenden fiberrascht waren yon der Zweck- m~fsigkeit der Baulichkeiten und dem vorziiglichen Zustand, in dem sich die Tiere befanden. Die Anordnung erschien in jeder Weise zufriedenstellend, auch die deutschen Arten waren wfirdig und in guten Exemplaren vertreten. Unter den aus- l~ndischen VSgeln fanden sich zahlreiche Seltenheiten, yon denen nur eiuige hervorgehoben seien: Bubo poe~sis, Larus dominicanus, ~ranta hutchinsi, Grus lil[ordi, Coloburis bengalensis, Artamus- Arten, Garrulax-hrten, Grallina australis, Myiophoneus temmincki, Merops apiaster.

Nach beendetem Rundgange wurde im Restaurant des Gartens ein Frfihstfick eingenommen, an dem sich auch die Damen der Mitglieder beteiligten. Hier driickte Herr Blasius im Namen der Anwesenden Herrn Grabowski unumwundene Anerkennung ftir das im Garten Gebotene und herzlichen Dank aus, worauf dieser mit dem Wunsche erwiderte, dafs die Ornitholo- gische Gesellschaft weiter bliihen und gedeihen mSge.

Besiehtigung des Zoologischen Institutes und Nuseums, am Sonntag, den 23. September 1906, Naehmittags 3 Uhr.

Unter der Ffihrung der Herren Professor Dr. Kf iken tha l , Dr. Z immer und Dr. Krumbach wurde ein Rundgang durch die Sammlungen angetreten. Herr Dr. Z immer sprach zun/ichst einige einleitende Worte und wies darauf hin, days namentlich die vaterl~ndische..Sammlung erst im Entsteben begriffen sei.

Allgemeine Uberraschung und Anerkennung erregten die schSnen Einzelgruppen schlesischer VSgel, deren Nester in einer der Wirklichkeit sorgsam nachgebildeten Umgebung aufgestellt waren. Mit lebhaftem Interesse besichtigten die Ornithologen die

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zahlreichen Irrgiiste, die auf sehlesischem Boden erbeutet worden sind.

Atich in der systematischen Sammlung fanden viele kostbare Stticke die verdiente Wtirdigung; namentlich die beiden Alca impennis wurden sehr bewundert.

Allm~ihlich zerstreuten sich die Mitglieder zu kleineren Gruppen, jeder suchte ftir die ihn besonders besch~ftigenden Fragen Vergleichsstiicke, und so ergaben sich denn bald schSne Biider angeregter und anregender Betiitiguag wissenschaftlieher Forschung in den verschiedenstea Teilen des Breslauer Zoolo- gischen Museums.

Dankbar erinnern sich gewiss alle Teilnehmer dieser Jahres- versammlung an das, was sie im Breslauer Museum gelernt haben.

Am Sonntag hbend 7 Uhr versammelten sich die Teilnehmer der Jahresversammlung zu einem Festessen. Gehirn und Magen haben nun einmal gewisse enge Beziehungen und nach geistiger Arbeit ist ein Mahl fast als dringendes Bediirfnis zu erkennen. So gehSrt es zu den alten Gepflogenheiten der Gesellschaft, an den Schlufs unserer Jahresversammlungen ein gemeinsames Essen zu setzen, huch diesmal hat es stattgefunden, auch diesmal war es gewiirzt van Trinksprtichen, in denen alle diejenigen dankbaren Empfindungen zum Ausdruck gelangten, die in den Herzen tier Teilnehmer unserer Versammlung dureh den so sehr befriedigenden Verlauf der schSnen Tage aufgespeichert worden sind.

Mit hoher Befriedigung dtirfen wir auf die Breslauer Tagung zurtickblicken: sie hat uns mancherlei hnregung geboten, sie hat uns Gelegenheit gegeben, alte Freundschaft zu erneuern, neue Freundschaftsbunde zu schlies und jeder wird auch an wissen- schaftlichen Erfahrungen etwas mit sich genommen haben.

Gern h~itten wir den Abend in die hTacht ausgedehnt, das Scheiden war schwer; aber unserer harrte am frtihen Morgen die Fahrt zu den Trachenberger Seen und datum mufsten wir im herrlichsten Geniefsen Miifsigkeit bewahren.

Der Himmel schien unfreundlich, Regen strSmte herab~ als wit uns yon einander verabschiedeten; abet wir hofften darauf, das das Geschick sich ffir den Ausflug gfinstig gestalten wtirde.

Die Fahrt nach dem Trachenberger Seengebiet am Montag, den 24. September 1906.

In aUer Frtihe, um 6 Uhr, versammelten sich ungef~ihr 20 Teilnehmer zu dem Ausflug. Das Wetter war kalt, aber trocken. Als wir iaTrachenberg einen kleinen Imbifs einnahmen und ftir die zu erwartende lange Fahrt uns mit den niitigen St~rkungen versorgten, machte sich schon ein gewisses Bedtirfnis nach ost- preussischen W~irmemitteln geltend. Bald wurden die bereit ge- haltenen Wagen bestiegen. Die Herren Kameraldirektor H a a s e und Forstmeister Z i m m e r m a n n hatten in liebenswiirdigster

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Weise die Ffihrung tibernommen. In schneller Fahrt erreichten wir den Altteich, der ungef~hr 17000 Morgen bedeckt. Ehe die Kahne bestiegen wurden, land eine kurze Besichtigung der Ge- weihsammlung des Herrn Teichverwalters Schanz statt. Dann ging es hinein in die Binsen. Das Vogelleben, das sich uns zeigte, war selbstverstiindlicb zu dieser Jahreszeit nicht mehr so arten- reich wie im Frfihling, aber trotzdem bot sich doch ein Bild, das allen Teilnehmern unvergessen bleiben wird. Gauze Ketten yon Stockenten, LSflelenten und Krickenten strichen eilevden Fluges niedrig fiber das Rohr dahin, vereinzelt erschienen einige Weifs- augenenten. Kraniche und Graug~inse wurden aufgescheucht, auch Rohrweihen, in der Ferne ein Fischadler und ein rfittelnder Turmfalk wurden sichtbar. Taucher, Bl~fshtihner und seltener Bekassinen und Wasserl~iufer erregten die hufmerksamkeit, und der traurige F15tenruf der Brachviigel klang an unser Ohr. Als wir nach ziemlich langer Fahrt an dem waldigen Ufer die K~ihne verliefsen, etwas durchgefroren, abet in vorzfiglicher Stimmung dank der mitgenommenen hlkoholika, konnten wir mit roller Befriedigung auf diese anregende Fahrt zurtickblicken.

l~'ach einem hbstecher an den Rand der Luge, eines wild verwachsenen Erlenbruches, der an gewisse Teile des Spreewaldes erinnert, war Trachenberg wieder erreicht and dort wurden durch einige Gl~ser Grogk die frostigen Lebensgeister wieder soweit erweckt, dafs bald bei dem gemeinsamen Mittagsmahle frShliche Stimmung bei allen Teilnehmern entstand. Mit herzlichem Dank an die liebenswfirdigen Ftihrer verabschiedeten wir uns und nahmen mit uns die Erinnerung an eine unvergefsliche Fahrt.

huf dem Bahnhofe in Breslau sehfittelten sich die Ornitho- logen noch einmal die Hiinde zum hbschied und daun zerstreuten sie sich, jeder seiner Heimat entgegen.

Druekfehlerberiehtigung. Durch ein bedauerliehes Versehen ist die Abhandlung:

,,Die pal'~larktisehen Apodiden yon Paul Kol l ibay" im lnhattsverzeichnisse des Jahrganges 1905 des Journal ffir Orni- thologie ausgelassen, worauf hiermit aufmerksam gemacht sei. Aufser der Beschreibung einer neuen Art Apus apus carlo und kritischen Bemerkungen fiber andere Formen enth~.lt die hrbeit eine ~bersicht der paliiarktischen Apodidae.

Sohrif t lei tung.