artikel zum thema antiparlamentarismus

Upload: jeremy-bush

Post on 15-Oct-2015

25 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Zitate: "...eine Freiheit, die gegeben werden mu, ist keine Freiheit mehr."Maria L. Berneri"Die nationale Fahne deckt jedes Unrecht, jede Unmenschlichkeit, jede Lge, jede Schandtat, jedes Verbrechen..."Rudolf Rocker "Dennoch kann nichts auf der Welt das Gefhl des Menschen verhindern, fr die Freiheit geboren zu sein."Simone Weil"Wie sehr grinsen sich die politischen Kulissenschieber eins, wenn sie den Andrang der Menschen auf die neueste Attraktion in der politischen Kino-Show beobachten." Emma Goldmann***Artikel zum Thema Antiparlamentarismus --------------------------------------------------1# Erinnerungswrdig!Die "Erfolge" der rot-grnen Bundesregierung 1998 - 2005graswurzelrevolution 380, sommer 20132# Die Wahl und das atomisierte Individuum+3# "In der Bewegung liegt die Kraft" (Die Fantastischen Vier)graswurzelrevolution 341, september 20094# Radikale Kritik des Parteiensystems+5# Libertrer Fderalismus statt fderative Staatsverfassung+6# Die anarchistische Alternativegraswurzelrevolution 271, september 20027# Mehrheitsdiktatur und Konsensprinzipgraswurzelrevolution 210, sommer 19968# Wahlen contra Demokratiegraswurzelrevolution 343, november 20099# Italien 201310# Frankreich 201311# Schweiz 200712# EU-Verfassung 2005ergnzen? {Partito Radicale: Eine Unpartei treibt ihr Unwesen. Stationen eines Niederganges; transnationales in GWR 245, Januar 2000}-------------------------------------------------------------------------antiparlamentarismus graswurzelrevolution 380 sommer 2013http://www.graswurzel.net/380/rotgruen.shtmlErinnerungswrdig!Die "Erfolge" der rot-grnen Bundesregierung 1998 - 2005Helmut Kohl und die CDU/CSU/FDP hatten, als sie 1982 die Bundesregierung bernahmen, eine "geistig-moralische Wende" versprochen. Gegen Ende ihrer Regierungszeit wurde allgemein die Bilanz gezogen, davon sei nicht viel brig geblieben, die Regierung konnte ihre Plne grtenteils gegen den gesellschaftlichen Widerstand und unvorhergesehene Ereignisse nicht durchsetzen. Aber die "geistig- moralische Wende" fand in einer neoliberal modernisierten Fassung dann doch noch statt: Unter der rot-grnen Bundesregierung.Rot-Grn gelang es, die sozialen Bewegungen zu neutralisieren, die fr die Kohl-Regierung der Jahre 1982 - 1998 ein unberwindliches Hindernis gewesen waren.Diese verhielten sich nun ruhig, schlielich waren die Grnen fr viele aus diesen Bewegungen doch "ihre" Partei, und dies war "ihre Regierung", die "Reformregierung", das "rot-grne Projekt" all derer, die sich nun gezwungen sahen, ihr Leben und alles als "Projekt" zu verstehen in einem gewendeten neoliberalen Sinn.Auch die Gewerkschaften waren personell soweit mit der SPD verbunden, dass sie zum Widerstand unfhig waren, als wesentliche soziale Errungenschaften abgerumt wurden.Diese Ablufe, die von vielen heute verdrngt worden sind, wenn wieder einmal Rot-Grn als vermeintliche Alternative gehandelt wird, gilt es bewusst zu machen.Die Politiker, die 1998 als Symbolfiguren gegen die Regierung Kohl antraten, waren Gerhard Schrder, Oskar Lafontaine, Joseph Fischer und Jrgen Trittin.Schrder galt als Populist, Lafontaine als linker Reformer. Fischer und Trittin hatten die Grnen auf getrennten Wegen auf den autoritren Machtkurs getrimmt und alle wesentlichen demokratischen Innovationen bereits in den spten 80ern und frhen 90ern geschliffen und fr eine weitgehende Ausschaltung der innerparteilichen Basisdemokratie gesorgt (z.B. Abschaffung der imperativen Mandate und der Abgeordnetenrotation). Beide entstammten den machtbewusst-autoritren Flgeln der Linken (Fischer war Fhrer der "Putztruppe", einer machistischen Frankfurter-Sponti-Szene; Trittin war politisch sozialisiert durch den Kommunistischen Bund).Trotzdem und teilweise auch in der Erwartung, dass ein Populist wie Gerhard Schrder sich kaum gegen die eigene WhlerInnenbasis wenden wrde, nahm ich die Kassandrarufe eines befreundeten Anarchisten vor der Bundestagswahl 1998 nicht wirklich ernst.GWR-Mitherausgeber Johann Bauer warnte davor, dass nicht wenige politische Manahmen, die in der Bundesrepublik den Widerstand von sozialen Bewegungen und Brgerrechtlern angefacht hatten von 'linken' Regierungen gemacht worden waren.Er verwies auf die Erfahrung der 70er Jahre mit ihren Berufsverboten und dem Abbau von Freiheitsrechten ("Anti-Terror-Gesetze"), einer Rstungspolitik, die von schneidigen und bis heute in den einschlgigen Kreisen hoch geehrten SPD-Verteidigungsministern wie Schmidt und Leber (frher IG Bau Funktionr) vollzogen wurde, dem Atomprogramm und einer Verkehrspolitik, deren Ziel es war, dass niemand in der BRD weiter als 10 Kilometer von der nchsten Autobahnauffahrt entfernt leben sollte.Meine eigenen Erwartungen als Anarchist waren damals, dass es keine grundlegenden nderungen geben ("Wahlen ndern nichts"), aber vielleicht an einigen Punkten die Politik etwas moderater werden wrde, schon aus Rcksicht auf die WhlerInnen.VorabAuch die schlimmsten Erwartungen Johann Bauers wurden von der rot-grnen Bundesregierung der Jahre 1998 bis 2005 noch bertroffen. SPD und Grne haben es in dieser Zeit tatschlich geschafft, den Stillstand der ra Kohl zu berwinden und die gesamte Gesellschaft weit nach rechts Richtung Militarismus, Antisozialitt, struktureller Korruption und Bereicherung zu verschieben.Hier nur ein kurze Aufzhlung einiger der belsten Punkte. Eine Aufzhlung aller Schweinereien wrde den Rahmen dieser GWR sprengen.Deutsche Stiefeltritte fr alle WeltIm Wahlkampf 1998 trat Joschka Fischer als gesetzter Vizekanzler und Kandidat fr das Auenministerium gegen Volker Rhe (CDU) an. Im TV-Duell strich er als zentralen Unterschied zwischen seiner Position und der von Rhe heraus, dass die Grnen nie einem Militreinsatz in Jugoslawien ohne UN-Mandat zustimmen wrden.Wenige Monate spter war Fischer als Auenminister einer der militaristischen Einpeitscher, der den NATO-Angriffskrieg ohne UN-Mandat gegen Jugoslawien (Frhjahr 1999) rechtfertigte und offensiv bewarb.Von vielen JuristInnen wurde der Krieg als vlkerrechtswidrig eingestuft. Gerechtfertigt wurde er mit dem Schutz der albanisch stmmigen Bevlkerung vor Vertreibung und Vergewaltigung. Eine reale Gewalt, die aber mit gewaltfreien Mitteln htte bekmpft werden mssen, was mit entsprechendem Einsatz auch mglich gewesen wre.Die Folge des NATO-Krieges war die Vertreibung von Hunderttausenden nicht albanisch stmmigen BewohnerInnen des Kosovo, die Ermordung unliebsamer oppositioneller KosovarInnen, die sich nicht der mafisen, von autoritren Warlords gefhrten UCK unterordnen wollten, die Einrichtung des Kosovo zu einem Zentrum der Zwangsprostitution und des Frauen-, Menschen- und Organhandels mit Abertausenden von Opfern.Ich verweise hier als Quelle z.B. auf die Untersuchungen zur Zwangsprostitution im Kosovo von Amnesty International und die Untersuchungen der EU zum Organhandel.Durch den Militreinsatz wurden hnlich viele Menschen Opfer von Gewalt und Vergewaltigung durch die UCK und die Eingreiftruppen, wie vorher durch die serbischen Einheiten, nur wurde die Gewalt auf andere Bevlkerungsgruppen verschoben (z.B. Sinti- und Roma). Auch die Bundesrepublik sah hier als 'Schutzmacht' tatenlos zu. Bis heute wird das Kosovo praktisch von der Organisierten Kriminalitt regiert. Es gibt auer den Diensten fr internationale Organisationen im Land auch kaum andere Einkommensquellen. (1) Joschka Fischer ist ein Lgner und Wahlbetrger.In Deutschland werden die Folgen der Intervention aber bis heute schn geredet.Dabei ging es SPD und Grnen darum, Deutschland wieder kriegstauglich zu schieen, etwas das sich die Regierung Kohl nicht getraut hatte. Seine Fortsetzung fand dies mit der deutschen Beteiligung am Afghanistankrieg 2001, die Kriegsminister Peter Struck wie folgt rechtfertigte: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt".Die Militarisierung konnte aber nur begrenzt in der Bevlkerung verankert werden. Im Gegensatz zu ihrer Politik in anderen Bereichen gelang es der rot-grnen Bundesregierung nicht, den Militarismus in der Gesellschaft durchzusetzen.Deshalb sah Schrder sich im Vorfeld des Irakkriegs 2002 im Wahlkampf gezwungen, ffentlich zurck zu rudern und den Irak-Krieg zu verurteilen, trotzdem lie er den BND Ziele fr das US-Bombardement aussphen, wie sptere Zeitungsberichte aufdeckten. (2)Es ist ein "Erfolg" der Grnen und der SPD, dass Deutsche heute getragen von einer breiten Koalition im Bundestag wieder in aller Welt mitmorden.Verelendung und Hetze gegen sozial Schwache, damit wenige noch reicher werdenEs war die rot-grne Bundesregierung, die Hartz IV und die Zerschlagung wesentlicher Teile des Sozialstaates durchsetzte. Der Kern der rot-grnen Hartz-IV-Politik war und ist menschenverachtend.Die Folge war vor allem fr die unteren Lohngruppen ein Lohndumping, das zur massiven Absenkung der Realeinkommen fhrte, zur massiven Zunahme von Leiharbeit, und prekren Beschftigungsverhltnissen.Fr Arbeitslose fhrte diese Politik in die soziale Prkarisierung, mit der Folge, dass heute in Deutschland wieder Menschen Hunger leiden und auf Almosen angewiesen sind (Tafeln). Gleichzeitig wurden orwellsche Sprachregelungen durchgesetzt: Arbeitslose als KundInnen, ICH-AGs, "Fordern und Frdern", usw.Hartz IV stand nicht allein, es war Teil eines Paketes von Manahmen die Reichen und Superreichen noch reicher zu machen, auf Kosten des Rests der Bevlkerung und der weiteren Schwchung von ArbeitnehmerInnenrechten.Zu Hartz IV gehrt z.B. auch die weitere Strkung des MdK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) als Instanz zur technokratischen Drangsalierung Kranker, um ihnen notwendige Behandlungen vorzuenthalten und den Krankenkassen Geld zu sparen. Dazu gehrt eine zur Hartz IV-Einfhrung parallele Steuerreform durch Rot-Grn, die den Spitzensteuersatz von 53% auf 42% herabgesetzt hat und gleichzeitig weitere Gesetze, die viele Mglichkeiten der legalen Steuerhinterziehung fr Reiche und Unternehmen erffnet haben.Dazu gehren Finanzmarkttransaktionsgesetze, auf die ich unten noch eingehe.Zentral ist aber der Stimmungswandel, den in diesem Fall die Bundesregierung in breiten Teilen der Gesellschaft durchgesetzt hat. Da Arbeitslosigkeit sehr viele betraf, die sich das lange gar nicht vorstellen konnten, ging die Angst vor dem sozialen Abstieg um. Und diese Angst fhrt zu Abgrenzungen nach "unten", zur weiteren Entsolidarisierung in den Betrieben, zu versuchen, die eigene "Zugehrigkeit" auf Kosten der Ausgegrenzten zu behaupten, zur Angst in den Verteilungskmpfen "zu kurz zu kommen".Seit dieser Zeit ist in der Gesellschaft die Verachtung von Armen, ihre Drangsalierung und Stigmatisierung zum Konsens geworden.Durchgesetzt wurde dies von Rot-Grn in Eintracht mit den Hetzblttern u.a. der Springerpresse und mit Untersttzung der politischen Opposition von CDU und FDP.Durchgesetzt wurde eine Mobilmachung nach innen. Gegen Ende der Koalition war sie verbunden mit deutschnationalen Tnen, einer Renationalisierung und verstrktem nationalistischen Standortchauvinismus, der bis heute auf breiter gesellschaftlicher Basis Frchte trgt (siehe Hetze gegen Griechenland und andere "Sdlnder").Der SPD-Vorsitzende Franz Mntefering spitzte dies 2006 kurz nach dem Wahldebakel 2005 populistisch noch weiter zu, in der Hoffnung im selbst angerhrten trben Wasser WhlerInnen zu fischen: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". Bezogen war dies nicht auf die Banker und Superreichen, sondern auf Arbeitslose.Wenn heute Obdachlose zu Tode getrampelt werden, dann hat die rot-grne Bundesregierung der Jahre 1998 bis 2005 wesentlich zur Normalisierung des Hasses auf sozial Schwchere beigetragen und trgt nicht unwesentlich die Verantwortung. Ein weiterer "Erfolg" von Rot-Grn.Technokratische Phantasmen und berwachungsstaatNur wenigen ist bewusst, dass die Planungen zur elektronischen Krankenkassenkarte, zum elektronischen Personalausweis und ELENA (der elektronischen Erfassung der Beschftigungsdaten) usw. den technokratischen Phantasien der rot-grnen Bundesregierung der Jahre 1998 bis 2005 entsprungen sind.Geplant war die Durchsetzung einer allgemeinen ID-Card Strategie, die auf hchster Ebene von den Koalitionspartnern beschlossen wurde. Beabsichtigt war, nach kurzfristiger Umstellung der Krankenkassendaten und Krankendaten, der Einkommens-, Sozialversicherungs-, Steuerdaten usw. auf elektronische Systeme, alle Daten ber eine personalisierte ID-Card zusammenzufhren, die auerdem fr das Bankkonto, Zahlungen im Supermarkt, Telefonieren usw. genutzt werden sollte."Das Bundeskabinett hat eine neue eCard-Strategie beschlossen. Die elektronische Gesundheitskarte mit digitaler Signatur und lebenslang gltiger Versicherungs-ID soll auch als digitaler Personalausweis und als Signaturkarte fr das e-Government, etwa fr Steuererklrungen zum Einsatz kommen. Die einheitliche eCard-Strategie wird vom Wirtschafts-, Innen-, Gesundheits- und Finanzministerium untersttzt und soll in Deutschland flchendeckend zum Einsatz kommen.Elektronische Chipkarten sind die Ausweise und Fllfederhalter des 21. Jahrhunderts', stellte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement fest. Sein Kollege Schily freute sich, dass die Identifizierbarkeit des Nutzers und die elektronische Signatur vereinheitlicht werden und dass die Technologie somit mehr Sicherheit und Verlsslichkeit schaffe. Gesundheitsministerin Schmidt zeigte sich stolz darauf, dass die Gesundheitskarte die Pionierarbeit fr die anderen Funktionen bernehmen darf." (3)Ausgangspunkt war eine Mischung aus technokratischer Fortschrittsglubigkeit und der Unfhigkeit zur kritischen Reflektion des totalitren Potentials, das jedem Staat innewohnt.Die berwachungsgefahren wurden bagatellisiert bzw. es wurde davon ausgegangen, dass ein demokratischer Staat zu verantwortlichem Umgang mit diesen Daten fhig wre.Und das, obwohl bereits heute der Staat Menschen die Verbeamtung verweigert, z.B. weil sie eine (geheilte) Krebserkrankung hatten.Geplant war eine elektronische Totalerfassung aller BrgerInnen. Die einzige Forderung, die auf Widerstand stie, war, die Karte auch verpflichtend als Login im Internet zu etablieren (das wre sicher aber auch frher oder spter umgesetzt worden).Zumindest teilweise gescheitert ist dieser totalitre Wahnsinn bisher, nach Abwahl von Rot-Grn, am Widerstand der BrgerInnen und technischen Umsetzungsproblemen. Auerdem fhrten interne Streitereien der Koalitionsparteien FDP und CDU dazu, dass die Umsetzung der Gesundheitskarte sich verzgert hat.Dass Grne heute noch so tun, als wre Datenschutz eines ihrer Anliegen, ist lcherlich.Diese technokratischen Beglckungsphantasien setzen sich brigens mit der von SPD-Kanzlerkandidat Steinbrck aktuell fr das Feld neuer Technologien in seinem Kompetenzteam benannten Gesche Joost fort, die am liebsten noch jedes Kleidungsstck in die Cloud integrieren mchte und die Menschen dauerhaft und total mit ihr vernetzen will.Gespeichert wird dann kontinuierlich nicht nur alles, was wir sagen, was wir tun, wo wir uns aufhalten, sondern auch unsere Krpertemperatur, Herzfrequenz usw.Parallel wurden brgerrechtliche Schutzbestimmungen auch unter Rot-Grn weiter aufgeweicht. Erinnert sei hier u.a. an den "Otto-Katalog", die Gesetze, die vom Innenminister der rot-grnen Bundesregierung Otto Schily durchgesetzt wurden, sog. Anti-Terror-Gesetze, die Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten, Diskriminierung von MigrantInnen und Einfhrung des biometrischen Passes. Auch dies alles "Erfolge" von Rot-Grn.Der derzeitige Bundestagswahlkampf von SPD und Grnen besteht in fast allen Punkten in einer behaupteten Opposition - gegen ihre damalige Regierungspolitik!Die Veralltglichung struktureller Organisierter KriminalittUnter struktureller Organisierter Kriminalitt verstehe ich die Legalisierung von Strukturen, die Bereicherungs- und Einflussstrukturen der organisierten Kriminalitt gleichen und an deren Stelle treten.Diese Form der juristischen Absicherung der kriminellen Ausplnderung der Gesellschaft durch Gesetze und ihre dauerhafte Institutionalisierung ist als zentraler "Erfolg" der rot-grnen Bundesregierung zu sehen. Obwohl klar zu sagen ist, dass hier an die Politik der CDU/CSU/FDP-Regierung im Kontext der 'Privatisierung' des DDR-Vermgens durch die Treuhand angeknpft wurde, einer nicht weniger strukturell korrupten Praxis - also legalisierter Korruption. Die rot-grne Bundesregierung hat systematisch demokratische Gremien durch Expertenkommissionen, zusammengesetzt aus LobbyistInnen, ersetzt und wesentliche Gesetze von diesen Kommissionen erarbeiten lassen (z.B. Hartz IV). Sie hat 'ausgeliehene' Bankmitarbeiter damit beauftragt, die Gesetze zur Finanzmarktreform auszuarbeiten. (4) Sie hat im Gromastab die Kontrolle der Finanzmrkte ausgeschaltet und damit wesentlich das legal kriminelle Handeln der Banken, das zur Bankenkrise fhrte, mit ermglicht. Sie hat die Vermischung von politischen Aufgaben mit privatwirtschaftlicher Stellenakquise fr die Zeit nach dem Kanzler/Ministerjob/Beraterjob bzw. mit spteren privatwirtschaftlichen Ttigkeiten in verbundenen Bereichen zum Standard erhoben (siehe z.B. die Lebenslufe von Gerhard Schrder, Joschka Fischer, Walther Riester, Bert Rrup). Sie hat die Finanzmarktgesetze so gendert, dass Finanzdienstleitern ermglicht wurde, systematisch legal ihre KundInnen zu betrgen, legal im Sinne der Gesetze und Betrug nach Empfinden der KundInnen, und gleichzeitig wurden Teile ihrer Wahlkmpfe von Unternehmern aus diesem Bereich finanziert bzw. spter wurden engste Kontakte zu diesen gepflegt. (5) Sie hat auch den Unsinn von Public Private Partnership mit untersttzt und damit die legalisierte Ausplnderung von Kommunen.An anderer Stelle wurde dies in der Graswurzelrevolution bereits unter dem Stichwort des Beraterkapitalismus kritisiert.Viele dieser Instrumente der strukturellen organisierten Kriminalitt wurden auch nach Abgang der rot-grnen Koalition fortgefhrt und gehren heute zum Standard neoliberaler Entdemokratisierung.Orwellsches Neusprech und die Zerstrung emanzipativer BewegungenEine aus linker Sicht besonders widerliche Innovation der rot-grnen Bundesregierung, die wesentlich auf die Partei der Grnen zurckzufhren ist, ist die Integration emanzipatorischer Begriffe in das Vokabular der Herrschaftsdurchsetzung.Da bezeichnen sich Kriegstreiber auf einmal als Pazifisten, die robuste Friedensmissionen durchfhren im Interesse feministischer Forderungen, da reden die Herrschaftsknechte der Arbeitslosenverwaltung von Selbstorganisation und bezeichnen sich selbst als Serviceinstitution und die Verfechter totalitrer Sicherheitsgesetze begrnden dies als Kampf gegen Neonazis.Durch dieses orwellsche Neusprech wurde es gerade fr die nachfolgende politische Generation schwer, zwischen realen emanzipativen linken Ideen und menschenverachtender rot-grner Politik zu unterscheiden.Dazu kam, dass Teile von Organisationsstrukturen ebenfalls mit bernommen wurden. Und dass, kaum waren die Grnen wieder in der Opposition, so getan wurde, als htten all das oben genannte die anderen getan.Wichtig wre, dass sich die Basisbewegungen dies klar machen und sich klar den Instrumentalisierungsversuchen dieser Partei widersetzen.Letztendlich wurden die linken Basisbewegungen massiv geschwcht und auch dies ist ein "Erfolg" von Rot-Grn.Wahlen helfen nichtGrundstzlich gilt, dass FDP, CSU und CDU in keinem Punkt grundlegend andere Positionen vertreten, aber erst durch den Umschwung von SPD und Grnen konnten die neoliberale Menschenverachtung und der chauvinistisch militaristische Standortnationalismus auf breiter Basis in groen Teilen der Gesamtgesellschaft durchgesetzt werden.Wahlen helfen nicht nur nicht, sie fhren zur Legitimierung repressiver Politik!DjuAnmerkungen(1) Weitere Informationen hat dazu z.B. der Journalist Jrgen Roth zusammengetragen (viele Informationen sind auch auf dem Forum telepolis des Heise Verlages zu finden).(2) Z.B. SZ - 17 Mai 2010 - Geheime Kooperation BND half Amerikanern im Irakkrieg(3) Heise News - 09.03.2005 - Die Gesundheitskarte als Universal-ID(4) Report Mainz vom 6. Oktober 2003 - Bankenlobby im Hause Eichel: Wie im Finanzministerium Banker an Gesetzen mitschreiben(5) Siehe z.B. SZ - 5. Mrz 2011 - Altkanzler Schrder: Deal mit Maschmeyer - Das Millionengeschft / SZ - 28. April 2011 - Unternehmer Carsten Maschmeyer - Er half Schrder, wo er konnte --------#2: ausgehen von Demoskopie, a#http://www.graswurzel.net/341/wahl.shtmlantiparlamentarismus graswurzelrevolution 341 september 2009Die Wahl und das atomisierte IndividuumWie das Bedrfnis nach gesellschaftlichen Alternativen wieder entstehen knnteMitte August verffentlichte das Allensbacher Institut eine vom 1. bis 12.8.2009 durchgefhrte demoskopische Umfrage zur Stimmung in der Bevlkerung im Vorfeld der Bundestagswahlen. Die Ergebnisse widersprechen allzu einfachen libertren Hoffnungen auf die Folgen einer weit verbreiteten "Politikverdrossenheit". (Red.)Sicher sorgen sich die Menschen um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit nach den Wahlen. Doch, so jubelt der FAZ-Kommentator: "Laut Befund des Instituts fr Demoskopie Allensbach herrscht im Land keineswegs Krisenstimmung. Nur jeder Vierte befrchtet, dass ihn persnlich die Krise erwischen knnte. Das ist eine groe Leistung der Politik." (1)Keine Krisenstimmung also.Dabei ist die Krise von der Dimension der Geldvernichtung und ihrer Substituierung durch Geldspritzen aus dem Staatshaushalt her gravierender als 1929/30. Die Menschen erleben zwar die grte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, doch eine Krisenstimmung ist bei den BrgerInnen nicht bemerkbar!Sie sehen eine Schein-Konfrontation zwischen dem Auenminister und der Kanzlerin der Groen Koalition, bei 95-prozentiger bereinstimmung in allen wesentlichen Fragen. Die letzte Groe Koalition von 1966-69 hatte noch zu studentischer Revolte und zur auerparlamentarischen Opposition gefhrt. In den sechziger Jahren wurde nicht nur gegen eine Groe Koalition, sondern schon gegen eine erste, relativ minimale Rezession und auch gegen eine "formierte Gesellschaft" angekmpft.Selbst die FAZ wundert sich demgegenber heute: "Dass ein Wahlkampf weder von den Parteien genutzt wird, um sich neu zu profilieren, noch von den BrgerInnen in Anspruch genommen wird, die bisher vereinten Regierungspartner getrennt zur Rede zu stellen, ist in der Geschichte der Bundesrepublik ziemlich neu." (2)Will heien, die Politik hat es also geschafft, per Kurzarbeitergeld und Abwrackprmie den BrgerInnen vorzugaukeln, sie htte alles im Griff, so viel von Krise auch die Rede sein mag. Denn da heit es in den Ergebnissen der Studie: "Weder die Wahl noch die wirtschaftliche Entwicklung scheinen die meisten Brger zurzeit sonderlich zu bewegen. Nur 26 Prozent der Bevlkerung sehen den kommenden zwlf Monaten voller Befrchtungen entgegen.In Bezug auf die weitere konjunkturelle Entwicklung werden die Sorgen der Bevlkerung von Monat zu Monat schwcher. Anfang des Jahres rechneten noch zwei Drittel mit einem anhaltenden Abwrtstrend, im Mai noch 55 Prozent, im Juni 44 Prozent, jetzt 39 Prozent." (3)Mgen viele auch gleichzeitig das Gefhl haben, die PolitikerInnen seien abgehoben und machten sowieso was sie wollten; mgen viele deshalb wohl auch berlegen, nicht zur Wahl zu gehen: der Identifikation der BrgerInnen mit dem politischen System, mit ihrem Staat tut das keinen Abbruch."Nur 27 Prozent glauben, dass der Ausgang der Bundestagswahl darber entscheidet, wie rasch sich Deutschland wirtschaftlich erholt. 60 Prozent erwarten keine schwerwiegenden konomischen Auswirkungen. Diese Einschtzung ... erklrt sich aus der allgemeinen Erwartung, dass sich die Regierungskonstellation im Kern wenig verndern wird. Die berwltigende Mehrheit erwartet, dass die CDU/CSU nach der Wahl die Regierung fhren wird, ob in einer schwarz-gelben oder einer groen Koalition. (4)Das allgemeine Gefhl bleibt konform und egozentrisch, etwa nach dem Motto: Ich bin nicht betroffen und mir geht's ja noch gut! Eine Tendenz zu gesellschaftlicher Solidaritt mit den Marginalisierten, mit dem von der Krise negativ betroffenen Viertel der Bevlkerung gibt es nicht, daher auch keine Anzeichen fr Protest oder gar Revolte.Die Menschen suchen auch nicht nach gesellschaftlichen Alternativen, die sie sich zudem weniger vorstellen knnen.Eine organisierte Anstrengung anarchistischer Gruppen, andere gesellschaftliche Entscheidungskonzepte, Utopien, Alternativen unter die BrgerInnen zu bringen, wie noch bei frheren Bundestagswahlen, ist nicht auszumachen - die Resonanz der Bestellungen der Graswurzelrevolution-LeserInnen auf ein Info- und Aktionsblatt fr solche Zwecke, das in der Sommer-GWR angekndigt wurde, ist so gering, dass wir mangels Nachfrage auf die Produktion verzichtet haben.Nicht einmal die Gefahr, dass die "Politikverdrossenheit" nach rechts auen ausschlgt, ist in Deutschland derzeit besonders hoch zu veranschlagen. In Europa haben in fast allen Lndern rechtsextreme Parteien bei den letzten Europawahlen im Juni angesichts der Schwche der Verbreitung und Vermittlung linker oder libertrer Systemalternativen einen bedrohlichen Aufschwung erlebt, in Grobritannien die "British National Party" von Nick Griffin, in den Niederlanden die "Partei fr Freiheit" (was fr ein Name!) von Geert Wilders, in Ungarn die Jobbik-Partei von Gabor Vona (5).Deutschland war da eine Ausnahme, weil die "kleinen Parteien" von rechts bis links (FDP, Grne, Linke) vorlufig noch aufgefangen haben, was bei Groen Koalitionen oft nach rechts driftet, und was sich im Falle sterreich derzeit bei rund 18 Prozent fr BZ und FP tummelt.Wenn viele Leute also nicht zur Bundestagswahl gehen werden (mal abwarten, viele tun es ja dann doch, gehrt schlielich zur "demokratischen Pflicht"), dann vor allem deshalb, weil sie wissen, dass es auch ohne ihre Stimmabgabe genau so weitergehen wird, und dass ihre eigene berufliche Stabilitt und ihr falsches Selbstbewusstsein vom zu erwartenden Ergebnis nicht bedroht werden, ganz im Gegenteil. Hinzu kommen Tendenzen der "Entpolitisierung", des "Rckzugs" in private oder familire Kreise, und eine Alltagskultur der Anpassung und des Gehorsams, die zur "Unfhigkeit, sich ein Urteil zu bilden" fhrt. (6) So hte sich, wer meint, "Politikverdrossenheit" wrde sich unmittelbar in Protestbewusstsein oder gar in ein Bedrfnis nach Systemalternativen umsetzen.Martin Buber, das atomisierte Individuum und die Restrukturierung von GesellschaftDer heute nur noch als "Religionsphilosoph" bekannte Martin Buber (1878-1965), den ich eher als Philosophen der Gesellschaft und der Dialogfhigkeit bezeichnen wrde, sprach schon whrend und direkt nach dem Zweiten Weltkrieg (1946) in seiner libertren Schrift "Pfade in Utopia" (7) von einem "amorphen Charakter der heutigen Gesellschaftsordnung". Im Zusammenhang mit der Whlerbasis beim allgemeinen Wahlrecht sprach er, Proudhon zitierend, von "Atomismus", von einer "amorphen Basierung der Wahlen", und in der weiteren Auseinandersetzung mit Proudhon von der WhlerInnenbasis als einem "Agglomerat von Moleklen" (Buber) oder einem "Haufen Staub, den von auen ein ihm berlegener Gedanke, der zentrale Gedanke bewegt" (Buber zitiert Proudhon). Ursache fr die Atomisierung der Individuen sei "die Zerstrung der natrlichen Gruppen". (8)Was war damit gemeint?Von Gustav Landauer hatte Buber die Geschichtsinterpretation bernommen, dass der zentralisierte Staat erst seit dem 16. Jahrhundert die Gesellschaft der mittelalterlichen Stdte mit groen Freiheitsspielrumen und ihrer Organisiertheit in Gemeinschaften von Angesicht zu Angesicht, den Gilden und Handwerkervereinigungen verdrngt oder aktiv zerstrt habe. Das ist mit der "Zerstrung der natrlichen Gruppen" gemeint, die zwischen Staat und Individuum gelegen hatten. Sie hatten die gesellschaftliche Struktur gebildet und deshalb einen Gegensatz Gesellschaft versus Staat ausbilden knnen.Nun, nach der Zerstrung dieser natrlichen Gruppen sei, so Bubers Geschichtsphilosophie - und besonders nach den beiden Weltkriegen - das Individuum dem Staat ohne den Puffer dieser kommunikations- und gesprchsorientierten Gruppen und Gemeinschaften schutzlos ausgeliefert, zumal, so Buber in einem an diesen Gedankengang anschlieenden Aufsatz, "wenn die Gewalten der Propaganda seine Instinkte bekrftigen, um ihn besser verwenden zu knnen." (9)Unter Gewalten der Propaganda mssen wir uns heute die modern herrschenden Medien und ihren Diskurs vorstellen, unter "verwenden" eher "ausnutzen". Das atomisierte Individuum hat sozusagen keine Ebene der Gemeinschaft mehr, die es gegen die permanente Propaganda der "groen Kollektive" (Staat, Medien, zentralistische Nation nach Buber) immun macht und unabhngig hlt. Ergebnis ist die Identifizierung des Individuums mit dem Staat, die "Sprachlosigkeit" der egozentrischen Individuen zueinander, der amorphe Charakter der Gesellschaft, die wie eine Ansammlung von Moleklen wirkt, wie ein "Haufen Staub".Das war die Gesellschaftsanalyse Bubers. Doch er war notorisch optimistisch: In "Pfade in Utopia" suchte er deshalb nach gesellschaftlichen Tendenzen einer Re-Strukturierung der Gesellschaft, nach neuen "natrlichen Gruppen", die wirkliche Gesprche, wirkliche Kommunikation zu fhren und dadurch anderes Bewusstsein zu schaffen in der Lage sind. Sie sollten zwischen atomisiertes Individuum und Staat treten und den Gegensatz Gesellschaft versus Staat wieder erstehen lassen. Er fand sie ab dem 19. Jahrhundert in der Welle von Konsum- und Produktionsgenossenschaften, in Kooperativen, Assoziationen und in Kommuneexperimenten, nicht zuletzt der von ihm mit inspirierten Kibbutz-Bewegung, an der er stndig regen Anteil nahm, deren Niedergang in den fnfziger und sechziger Jahren er allerdings nicht verhindern konnte.All diese natrlichen Gruppen und Gemeinschaften hatten ihre eigenen, direktdemokratischen, von Angesicht zu Angesicht wirkenden Organisations- und Entscheidungsmechanismen, die Kommunikations- und Dialogfhigkeiten frderten, und dadurch urschlich zu Freiheit und Unabhngigkeit im Denken der Individuen beitrugen.Wenn wir Bubers Ansatz in die Gegenwart fort denken, erklrt sich auch die 1968er-Bewegung, die auerparlamentarische Opposition, die Wiederentdeckung nicht- oder sogar antiparlamentarischer Entscheidungs- und Organisationsformen wie etwa der Rte (z.B. bei den Arbeitskmpfen in Norditalien oder bei Arbeiterselbstverwaltungs-Bewegungen wie LIP in Frankreich), die Entstehung neuer Gemeinschaften wie in der Black Community der Schwarzenbewegung in den Sdstaaten der USA (der "band of brothers (and sisters)" im Student Nonviolent Coordinating Committee), durch eine Welle neuer Face-to-face-Gruppen und studentischer oder gegenkultureller Assoziationen (z.B. auch die Selbsterfahrungs- und Consciousness-Gruppen der neuen Frauenbewegung).Erst im Rahmen so einer Gruppen- und Gemeinschafts-Bewegung und ihrer neuen kommunikativen Unabhngigkeit entstand das "klein"-kollektive Bewusstsein und das Bedrfnis sowohl nach Kritik der Unzulnglichkeit der parlamentarische Demokratie, als auch das Experimentieren mit gesellschaftlichen Alternativen.So ging es weiter: Wirkliche Gemeinschaftsbildung auf gesellschaftlicher Ebene ging Staatskritik und alternativen utopischen Vorstellungen immer voraus, nicht umgekehrt. Ansonsten blieb da nur das atomisierte Individuum, das sich angesichts fehlender Gemeinschaften und Gruppen vllig mit dem "groen Kollektiv" (Buber) identifizierte. Als sich Mitte der siebziger Jahre in der BRD und Westeuropa die neuen sozialen Bewegungen entwickelten, die feministische Bewegung, die Anti-AKW-Bewegung, die kologische, spter die "Dritte Welt"-Soli- und die antirassistische Bewegung, geschah das auf der Basis nicht-amorpher, nicht-atomisierter Gruppen und Gemeinschaften, vor allem der Welle der damaligen BrgerInnen-Initiativen. Auf dieser Basis konnten Konzepte und Utopien der Basisdemokratie wachsen, die z.B. auch in den Parteibildungsprozess der Grnen eingingen - und ebenso wieder von den Grnen zerstrt wurden, weil Staatsorientierung nach Buber Gemeinschaftsorientierung, die "natrlichen Gruppen" zerstrt und nur das atomisierte, amorphe Individuum brig lsst.Auch 1989 und die weltweite Verbreitung von Phnomenen der People's Power knnen so interpretiert werden. Was entstanden aus den lange im Untergrund, in Face-to-face-Beziehungen agierenden Freundschafts-, Dissidenz- und Oppositionsgruppen, als sie nach dem Sturz des DDR-Regimes an die ffentlichkeit traten?Keine Parteien - nicht sofort! Sondern Runde Tische als "natrliche", im Sinne von authentische Ausdrucks-, Organisations- und Entscheidungsformen der Revolte. Erst als der westliche Zentralstaat Parteigrndungen forcierte und ihre eigenen Parteien imperialistisch diesem gesellschaftlichen Prozess berstlpte, wurden die Gruppen, Assoziationen und Brgerinitiativ-Bewegungen zerstrt, von auen durch banale Machtmechanismen und von innen durch Atomisierungsprozesse, die bei den Individuen mehr und mehr griffen und zur Zerstrung authentischer Gemeinschaften fhrten.Aus Bubers Ansatz knnen fr heute folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: Im Moment gibt es keine wirklichen Gemeinschaftsprozesse, die zwischen atomisiertem Individuum und groem Kollektiv, dem Staat, so verbreitet sind, dass ihre Dialog- und Kommunikationspraxis zu einem Hinterfragen der brgerlichen Demokratie fhren knnten. Es gibt keine weit um sich greifende Welle von BrgerInneninitiativen oder hnlichem. Es gibt wohl einige Gruppen und Assoziationen im Rahmen der weltweiten Bewegung fr eine andere Globalisierung, doch weit eher latent und nur selten, zu manchen Aktionsanlssen manifest - und dann zerfallen sie wieder bis zum nchsten Aktionsevent.Was not tut, wre ein kontinuierliches Gruppenleben als persnlicher Lebensmittelpunkt der Beteiligten, Gemeinschaft, eine libertre und gewaltfreie Kultur, die sich verbreitert und ein daraus entstehendes kommunikatives Milieu, das sich der Manipulation widersetzt.So kann eine Lust und ein Bedrfnis nach gesellschaftlichen Experimenten, nach anderen Entscheidungsformen und einer Kritik der herrschenden Entscheidungspraxis in den Parlamenten und Parteien wieder entstehen.The LamiaAnmerkungen(1) Georg Paul Hefty: Nichts zu fragen, in: FAZ, 19.8.2009, S. 1.(2) Ebenda.(3) Renate Kcher: Keine Krisenstimmung, in: FAZ, 19.8.2009, S. 5.(4) Ebenda.(5) Das Time-Magazine brachte nach den Europawahlen eine Titelstory mit: "Far right turn. The new allure of European extremism", 10.8.2009, S. 22-26.(6) Johan Bauer: Kritik des Parlamentarismus, in: GWR 340, S. 16.(7) Die deutschsprachige Ausgabe ist 1950 erschienen; vgl. Martin Buber: Pfade in Utopia, Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1950; hier besonders relevant die Auseinandersetzung mit Proudhon, S. 53ff.(8) Buber, ebenda, S. 54. Patriarchale und antisemitische Tendenzen bei Proudhon sind dem Autor dieses Artikels bekannt, spielen hier aber keine Rolle, wie Buber in seiner Auseinandersetzung mit Proudhon auch dessen antisemtische Tendenzen nicht an einer Stelle erwhnte; T.L.(9) Martin Buber: Hoffnung fr diese Stunde, 1952, in Martin Buber: Hinweise, Manesse Verlag, Zrich 1953, S. 315.#3: ausgehen von Demoskopie, b#http://www.graswurzel.net/341/wahl2.shtmlkommentar graswurzelrevolution 341 september 2009"In der Bewegung liegt die Kraft" (Die Fantastischen Vier)Libertre Gedanken zur Bundestagswahl 2009Eine Forsa-Umfrage vom Juli 2009 offenbart, dass nur noch fnf Prozent der BundesbrgerInnen glauben, dass sie die Politik durch Wahlen mageblich mitbestimmen knnen.38 Prozent halten das gar nicht fr mglich. 57 Prozent meinen, durch Wahlen knne mensch wenigstens etwas mitbestimmen. Im Boulevardmagazin stern (Nr. 31, 23.7.09, S. 52) mokiert sich Chefkommentator Hans-Ulrich Jrges ber die Ergebnisse dieser Umfrage: "Vllig desillusioniert sind Arbeiter. Dass sie die Politik durch Wahlen mageblich beeinflussen knnten, meinen null Prozent. Null! Das ist der Offenbarungseid der reprsentativen Demokratie nach 60 Jahren Republik und Grundgesetz. Mitten im Superwahljahr'. Drei Viertel der Deutschen sind berzeugt, so die bestrzende Erhebung, dass die Politik auf die Interessen des Volkes keine Rcksicht nimmt."Es ist erfreulich und keineswegs "bestrzend", dass 75% der Menschen hierzulande erkannt haben, dass sie fr die ParteistrategInnen jeglicher Couleur in erster Linie als Stimmvieh von Interesse sind.Diese mittlerweile weit verbreitete Erkenntnis fhrt aber noch nicht dazu, dass sie jetzt massenhaft die Herrschaft von Menschen ber Menschen ablehnen.Sie fhrt noch nicht dazu, dass Millionen nach emanzipatorischen Formen suchen und mit Methoden der Entscheidungsfindung experimentieren, die ohne Fhrer, Hierarchien, Befehle und Eliten soziales Leben organisieren. Und die Erkenntnis fhrt auch nicht dazu, dass sich die Menschen nun massenhaft in den sozialen Bewegungen tummeln.Dabei zeigt die Geschichte, dass soziale Bewegungen die Gesellschaft im positiven Sinne verndern knnen. Erwhnt sei hier z.B. der Plan der Atomindustrie in der Bundesrepublik der 1970er und 1980er Jahre bis zu 200 Atomkraftwerke und die Plutoniumfabrik WAA zu bauen. Ein groer Teil dieser WAAhnsinnsprojekte konnte nicht gegen den Willen der sich mit phantasievollen Protestaktionen wehrenden Bevlkerung durchgesetzt werden.Nicht zuletzt in der Anti-Atom-Bewegung sehe ich auch heute noch ein Potential, das den Traum von einer gewaltfreien, herrschaftslosen Gesellschaft in vielen Kpfen und Herzen zum Wachsen bringen kann. Da stimme ich mit der recht pessimistischen Sichtweise von GWR-Autor The Lamia (siehe Seite 1, 13) nicht 100%ig berein."Das ursprngliche Motiv des Anarchismus ist das individuelle Bedrfnis, nicht regiert werden zu wollen, auch nicht von Mehrheiten, sondern die tglichen Angelegenheiten und Entscheidungen selbst und selbstbestimmt mit anderen zu regeln. Die direkte Aktion ist dabei die unmittelbare Form der Selbstbestimmung, parlamentarische Vertretung ist demgegenber das Abgeben des Selbstbestimmungsrechtes an andere, d.h. Selbstentmndigung", so steht es in dem GWR 146/47/48-Sonderheft zur Kritik der parlamentarischen Demokratie von 1994. Das ist immer noch aktuell.GraswurzelrevolutionrInnen halten eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, die nach den Prinzipien der Gegenseitigen Hilfe organisiert wird, fr die menschengerechteste Lebensweise. Daran hat sich nichts gendert.Die meisten Menschen halten dagegen das kapitalistische System fr alternativlos.Deshalb bekommen libertre SozialistInnen gebetsmhlenartig um die Ohren gehauen, dass die Abschaffung von Staat und Kapitalismus "unrealistisch" sei. Das Ende von Ausbeutung, Herrschaft und Krieg sei "nur eine Utopie".Wenn aber die Menschheit eine fr alle gerechte und lebenswerte Zukunft haben soll, ist genau diese "Utopie" der einzige realistische Weg.Bernd Drcke--------#4: Oligarchie#http://www.graswurzel.net/271/kw-oligarchie.shtmlkeine wahl! graswurzelrevolution 271 september 2002Radikale Kritik des ParteiensystemsBei den Spielchen mit Politskandalen gert das "Gesetz der Oligarchie" aus dem BlickfeldAch ja? CDU und SPD hatten in dieser Legislaturperiode ihre Parteispendenskandale in Millionenhhe! Hatten wir's nicht geahnt? Und Stoiber? Ist er nicht skandalgesthlt von der Amigo-Affre bis hin zur jngsten Parteispendenaffre via seiner Zeitung "Bayernkurier"? Wer erwartet von ihm saubere Hnde? 140.000 DM hatte Scharping bekommen, vom PR-Unternehmer und Rstungsdealer Hunzinger. Fr 55.000 DM hatte sich Scharping an einem Tag bei einer Nobelfirma eingekleidet, eine Summe, die fr viele Menschen das Jahresgehalt bersteigt. Ganz zu schweigen von den stndig erhhten Diten der Parlamentsabgeordneten.Interessant ist, dass die Menschen die Details gar nicht mehr interessieren. Jede/r wei, dass mehr vertuscht wird, als aus Wahlkampfzwecken und politischen Rnkespielen an die ffentlichkeit kommt. PolitikerInnen bereichern sich, und wenn sie sowieso schon von der Arbeit anderer leben. Das wissen alle. Doch die Reaktion darauf ist nicht Revolte, sondern Fatalismus und Gleichgltigkeit ("die machen ja doch, was sie wollen!").Die Gleichgltigkeit der whlenden Massen gegenber ihren politischen Fhrern ist ein Grundpfeiler, eine Bedingung der parlamentarischen Demokratie. Sonst wrde sie gar nicht funktionieren.Sagt Robert Michels, einer der klassischen und radikalsten KritikerInnen des Parteiwesens in der Demokratie. Wer?Der deutsch-italienische Soziologe Robert Michels hat die Herrschaftskritik in den Mittelpunkt seiner Analysen des Parteiensystems gestellt, im Jahre 1911 in seinem Werk "Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie".Das Buch war die Quintessenz seiner anarchosyndikalistischen Lebensphase, die von ca. 1905 bis 1911 reichte. Michels' damals entstandenes "ehernes Gesetz der Oligarchie" gilt heute als ein Klassiker der modernen Parteiensoziologie.AnarchistInnen bilden keine Parteien, beteiligen sich nicht am Parlamentarismus und haben zudem in ihren Organisationen die Anzahl der Funktionre und bezahlten Stellen abgeschafft oder denkbar klein gehalten. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT in Spanien hatte z.B. 1936, kurz vor der Revolution, ca. eine Million Mitglieder, aber nur einen bezahlten Funktionr! Obwohl Michels den anarchistischen Organisationen solche Gegentendenzen konzedierte, sah er selbst dort Oligarchisierungstendenzen und fand sein "ehernes" Gesetz auch bei anarchistischen Gewerkschaften besttigt. Michels Analysen enden so im Fatalismus, dass Oligarchien gar nicht zu vermeiden sind, was das Einstiegstor fr seine sptere Hinwendung zum italienischen Nationalismus und zum Fhrerprinzip wurde (1). Trotzdem haben AnarchistInnen seine Analysen immer wieder heran gezogen, um den Parlamentarismus grundstzlich zu kritisieren. Sie waren zudem wertvoll, um eigene Oligarchisierungstendenzen frhzeitig zu erkennen, zu vermeiden oder abzubauen. An Michels kritisierten die AnarchistInnen vor allem die angebliche "Ehernheit" des Gesetzes der Oligarchie, das Michels anhand seiner Parteienanalysen beispielhaft aufgezeigt hatte, dann aber auf jegliche Organisationsform ausgedehnt wissen wollte.Das Gesetz der OligarchieNach Michels ist die Parteiendemokratie eng mit der Monarchie verwandt, nur herrscht anstatt einem Knig eine ganze Kategorie von kleinen Knigen (Oligarchen anstelle des Monarchen). Oligarchie heit also, mehrere anstatt einem Fhrer zu haben. Da diese Tendenz in aristokratischen und konservativen Parteien des Parlamentarismus selbstverstndlich erschien, untersuchte Michels vor allem sich revolutionr nennende Parteien und Organisationen, die erklrtermaen keine Oligarchien ausbilden, sondern sie gerade abschaffen wollten.Sind die Fhrer von revolutionren Parteien nach Michels anfangs noch subjektiv ehrlich und von ihren Ideen berzeugt, also sogenannte "Diener" der Parteimitglieder, so kehrt sich mit zunehmender Parlamentarisierung der Partei alles um. Besonders sozialistische und sozialrevolutionre Parteien sind nach Michels Organisationen, die im Parlament in der tglichen Auseinandersetzung mit dem Gegner stehen und daher schnelle Entscheidungen fllen mssen.Dass alle Mitglieder bei solchen Entscheidungen beteiligt werden, erscheint Michels unmglich, weil Entscheidungen so lange verschleppt wrden, wie der Diskussionsprozess braucht. Gnstige taktische Mglichkeiten parlamentarischen Einflusses wrden so verpasst. Auf Dauer lsst sich im Parlament daher ein imperatives Mandat nicht aufrecht erhalten. Der Zentralismus, die hierarchische Gliederung der Partei, wird zur praktischen Notwendigkeit.Es vollzieht sich der Umschlag von Gewhlten zu FhrerInnen: "Aus der Delegation entwickelt sich das moralische Recht auf Delegation. (...) Aus der Wahl fr einen bestimmten Zweck wird eine Anstellung auf Lebenszeit." (2) Durch die erste Wahl wird der/die Delegierte den Mitgliedern bekannt, durch die Medien populr gemacht. Je lnger er/sie im Amt bleibt, desto sicherer, weil die zunehmende Popularitt bei den politisch gleichgltigen Massen zur Identifikation mit dem Bekannten und immer wieder Gezeigten fhrt. Hier wird deutlich, dass die Gleichgltigkeit der Massen gerade kein Ausdruck von Abwendung, sondern von Entsprechung zur Parteienherrschaft ist. Identifikation durch Popularitt aber macht kritikunfhig, die Gewohnheit der Wiederwahl von PolitikerInnen wird zum - von den PolitikerInnen so eingeschtzten - Recht auf Wiederwahl. Bei Parteitagen werden die wichtigen Posten bereits vorher festgelegt und Konkurrenten treten in der Regeln gar nicht erst offen zur Wahl an. Kommt einmal Kritik auf (z.B. dass gegebene Wahlversprechen nicht eingehalten wurden), droht der Gewhlte mit Rcktritt oder wirft subalterne Mitstreiter raus, auf welche die Kritik abgeleitet wird (diese Funktion hatte z.B. Scharping).Der/die permanent wieder gewhlte PolitikerIn wird BerufspolitikerIn. Er/sie macht sich gegenber WhlerInnen und Mitgliedern durch Kompetenz unentbehrlich. Die Landwirtschaftsministerin wird immer kompetenter in Sachen EU-Agrarrecht sein als jede/r BrgerIn, weil die Agrarbrokratie ihr Beruf ist und weder Parteimitglieder noch WhlerInnen je die Zeit haben werden, sich zustzlich zu ihrem eigenen Beruf so in diese Materie einzuarbeiten wie die Agrarministerin, der Verkehrsminister, die Familienministerin usw. usf. Der Vorwurf der Inkompetenz ist gleichzeitig eine beliebte Form der Verteidigung der FhrerInnen gegen KritikerInnen.Mit zunehmender Brokratie wird die Zielvorstellung der Partei, etwa Sozialismus (nennen wir hier mal die PDS als Beispiel), verwaschener und die Spezialisierung der Aufgaben, das zahlenmige Wachstum und der Bestand der Organisation werden zum Selbstzweck, der nicht etwa durch eine revolutionre Aktion riskiert werden darf. Die Parteiverwaltung, das Management, die Presse und Pressestellen und die Mitgliedsbeitrge werden von Parteichargen kontrolliert und erhhen die Macht der FhrerInnen ber die Gefhrten. Die unteren Parteiangestellten sind so finanziell von ihren FhrerInnen abhngig, was zu einer Interessenidentitt fr die nchste Wiederwahl fhrt. So entstehen Seilschaften und Parteien, die geschlossen zu ihren FhrerInnen stehen, auch wenn die wie Gysi als Wirtschaftssenator in Berlin oder wie Schrder zum Beispiel mit dem neoliberalen Hartz-Programm (mehr Zeitarbeit, Druck auf Arbeitslose, Frderung von Unternehmertum) ganz gegenstzlich zur ursprnglichen Programmatik Politik machen. Parteispaltungen sind nach Michels eine Folge von Konflikten verschiedener Oligarchen, von FhrerInnen oder Fhrungsgruppen, die mit ihren Seilschaften konkurrieren und gegenseitig um die Macht in der Partei kmpfen. Die unterlegene Seilschaft und ihr Fhrer bilden dann die Abspaltung. Sie sind unfhig zur Ausbildung radikaler Parlamentarismuskritik und bilden schnellstmglich neue Parteien, um wieder am Parlamentarismus teilzunehmen. Manchmal ereignen sich Spaltungen in geschichtlichen Zeiten revolutionrer Umwlzung, dann versucht eine Partei kurzfristig auch, die Macht ber militrische Siege zu erobern, die sie dann "Revolution" nennt (whrend eine gewaltfreie Graswurzelrevolution immer zugleich eine parteilose, soziale Revolution meint). Doch schon 1921, zwei Jahre nach der deutschen Revolution von 1918/19 hatte sich z.B. in der KPD die Teilnahme am Parlamentarismus wieder vollstndig durchgesetzt.Manche analytischen Aussagen von Michels waren von groer Voraussicht und sind heute nach wie vor aktuell: "Die politische Organisation trgt zur Macht. Die Teilnahme aber an der Macht macht stets konservativ. (...) Mit dem Wachstum der Organisation wird der Kampf um groe Prinzipien unmglich." (3)Die Fhrungskmpfe in der politischen Organisation und im Staate selbst reduzieren sich nach Michels auf Machtkmpfe ohne weiteren Inhalt, "zwischen einer sich um den Besitz ihrer Herrschaft wehrenden alten Minderheit und einer in der Eroberung der Macht begriffenen, ehrgeizigen neuen Minderheit, die sich mit der alten vermischen oder sie sogar entthronen will." (4) Es werden nur Eliten ausgetauscht (sowohl im parlamentarisch wie im bewaffnet ausgetragenen Machtkampf), die Masse soll gleichgltig bleiben und nicht strend eingreifen - oder sie wird unterdrckt. Die parlamentarische Demokratie hat sich nach Michels die Aufgabe gestellt, FhrerInnen zu beseitigen und versagt (die Grne Partei hat sich anfangs die Aufgabe gestellt, "Promis" und Personenkult zu beseitigen und versagt).Der politische SkandalRcktritte und politische Skandale wie derjenige Scharpings gehren zu diesen Machtkmpfen "ohne weiteren Inhalt". Sie sollen eine Selbstreinigungsfhigkeit im Parlamentarismus vorspiegeln, um die Menschen gleichgltig und passiv zu halten.Der wirkliche Skandal ist aber, dass Scharping wegen seines vergleichsweise kleinen Finanzskandals aus wahltaktischen Grnden gehen musste (Schrder wollte monatelange Diskussionen vermeiden), aber seine Durchfhrung von drei Kriegen als Verteidigungsminister in der letzten Legislaturperiode nicht als Skandal gilt. Auch Stoiber htte diese Kriege gefhrt und in den Medien wre das nicht als Skandal gehandelt worden. PolitikerInnen sind Charaktermasken, OpportunistInnen reinsten Wassers, Zeligs (vgl. den gleichnamigen Film von Woody Allen ber den Opportunisten par excellance), die sich an die vom Parlamentarismus verlangten Rollen anpassen mssen. Das ist geradezu eine Berufsbeschreibung. Welches Bild sie dabei individuell abgeben, ist vllig irrelevant. Scharping ist ja wirklich eher zu bemitleiden, ein lcherlicher, skurriler, hilflos rudernder, dabei disziplinierter Parteibrokrat, der sich selbst als ein zu Gefhlen, gar zu Liebe fhiger Hedonist darstellen will (es hat nicht geklappt, deswegen wird er immer noch "Rudolf" und nicht lieblich kosend "Rudi" genannt).Um den Strukturen des Parlamentarismus und der Parteienpolitik beizukommen, reicht der rger ber Skandale nicht aus. Das Problem der Parteipolitik und des Parlamentarismus ist ein Herrschaftsproblem, es ist das Problem der Entstehung von Fhrern und Gefhrten. Solange die Menschen sich passiv und fatalistisch wie Gefhrte verhalten, wird das Parteiensystem weiter existieren. Es kann nur durch alternative Selbstorganisation sowie durch den aktiven Kampf gegen das Parteiensystem aufgebrochen werden.Dabei darf nicht vergessen werden: In den bisherigen "Demokratien" stellt sich wirkliche Macht nicht den Wahlen. Und sie wird deshalb auch durch Wahlen nicht angefochten: Die Manager der Banken und Grokonzerne, die mit dem Umleiten von Geldstrmen politische Entscheidungen zunichte machen oder ihre eigenen Entscheidungen treffen, entziehen sich weitgehend ffentlicher Kontrolle. Umgekehrt: sie kontrollieren mit Kapitalflucht, Whrungspolitik, mit ihren konomischen Entscheidungen ber Industrieansiedlung, Abbau von Arbeitspltzen usw. oft genug die Parlamente und Regierungen. Massenmedien, Unterhaltungsindustrien, die ihre Sicht der Welt ohne Unterbrechung allen mitteilen, whrend abweichende Sichtweisen dort nicht vorkommen oder der Lcherlichkeit ("nicht realistisch", "nicht effektiv", "unprofessionell") preisgegeben werden, sind bewusstseinsprgende Machtinstrumente, die sich jeder Kontrolle durch ihre "Basis" entziehen. Die militrischen, polizeilichen und Geheimdienst-Verbnde, die zur Kontrolle und Bekmpfung sozialer Bewegungen aufgeboten werden, harter Kern und Rckgrat des Staates, kontrollieren eher die Parlamente (etwa mit "Erkenntnissen" aus dem Privatleben von PolitikerInnen, Verbindungen zu feindlichen Mchten usw.) als dass sie auch nur parlamentarisch kontrolliert wrden.William WrightAnmerkungen(1) Robert Michels wurde im Anschluss an seine anarchosyndikalistische Lebensphase italienischer Nationalist und tendierte Stck um Stck weiter nach rechts, um 1923 trat er den Faschisten unter Mussolini bei. Diese Lebensentwicklung Michels' ist dem Autor bewusst. Er ist der Meinung, dass Michels' Parteienkritik inhaltlich von seiner weiteren Entwicklung hin zum Faschismus zu trennen ist und wesentlich der anarchosyndikalistischen Phase Michels' zuzuordnen ist, auch wenn sich dort bereits einzelne Elemente finden lassen, die das Tor zu Michels' weiterer ideologischen Entwicklung ffneten. Darber ausfhrlicher und genauer, als dies hier aus Platzgrnden mglich ist: Robert Michels und das eherne Gesetz der Oligarchie. Ein Klassiker libertrer Parlamentarismuskritik und die Problematik seines Autors, in Graswurzelrevolution Sonr. Parlamentarismuskritik, Nr. 146-48, S. 28ff. Zu bestellen ber GWR-Vertrieb.(2) Robert Michels: Soziologie des Parteiwesens, S. 42.(3) ebenda, S. 343.(4) ebenda. S. 351. ----------#5: Libertrer Fderalismus #http://www.graswurzel.net/271/kw-foed.shtmlkeine wahl! graswurzelrevolution 271 september 2002Libertrer Fderalismus statt fderative StaatsverfassungDer Staatsaufbau des parlamentarischen Systems der BRD gliedert sich in Kommunal-, Lnder- und Bundesparlamente. Doch weisungsbefugt sind immer die oberen gegenber den unteren Ebenen. "Von oben nach unten", das ist das Prinzip des Staates, der sich in der BRD ein fderatives Mntelchen umgehngt hat. "Von unten nach oben", das ist das Prinzip des anarchistischen Fderalismus, wobei die regionale Ebene keineswegs mit den gegenwrtigen Lnderebenen und die berregionale Ebene schon gar nicht mit der nationalen Ebene bereinstimmen muss.Die territorialen Ebenen werden sich sehr wahrscheinlich neu ausbilden, wenn sich ein libertrer Fderalismus durchsetzen sollte. Die rtlichen Gemeinden oder Regionen werden sich, wo ntig, durch "freie Vereinbarungen" fr bestimmte Zwecke, etwa die soziale Verteidigung gegen Angriffe von auen, verbnden und die dadurch geschaffenen Institutionen wieder auflsen, wenn der Anla des Bndnisses nicht mehr vorhanden ist. Gerade damit die berregionalen Institutionen sich nicht verselbstndigen, mssen sie von unten kontrolliert werden, die Delegierten mit imperativem Mandat versehen und stndig abberufbar sein.Neben der territorialen Ebene kennt der anarchistische Fderalismus auch eine funktionale Ebene, auf welcher Rte entstehen. Vor allem die anarchosyndikalistische (auf autonomen Gewerkschaftsgruppen basierende) Bewegung praktizierte in ihrer Geschichte die Organisationsform der Produktionsrte (funktionale Ebene: die von ArbeiterInnen in den Betrieben, Bauern/Buerinnen usw. gewhlten Rte, in denen anhand der Mglichkeiten heraus gefunden wurde, was und wie viel produziert werden kann) und der Konsumptionsrte (territoriale Ebene: rtlich gewhlte Rte, in denen anhand der Bedrfnisse der Menschen in einem Stadtviertel oder einer Gemeinde heraus gefunden wurde, was an Nahrungsmitteln und Industriegtern ntig ist, um alle geuerten Bedrfnisse zu befriedigen). In der spanischen Revolution von 1936 haben sich Produktions- und Konsumptionsrte vielerorts vernetzt und in mehreren Wirtschaftsbranchen als funktionstchtig erwiesen.Oft entstanden die Rtestrukturen aber auch spontan in den Betrieben. Leider wurden sie in den russischen Revolutionen von 1905 und 1917 sowie in der deutschen Revolution von 1918/19 sehr schnell von Parteien dominiert. (hnliches knnte fr die "Runden Tische" von 1989 in der DDR gesagt werden, die keine klassischen Rte waren, aber von vielen Oppositionsgruppen, die sich bewusst nicht als Partei organisierten, anfangs ebenso als Alternative zum Parlament betrachtet wurden.) Parteipolitik verdrngte die Rte, die damit ihrer ursprnglich sozial-wirtschaftlichen, selbstverwaltenden Funktion beraubt wurden. Um die Majorisierung von Rten durch parlamentarische Parteien oder gar die Degeneration von Rten zu Rtediktaturen nach staatskommunistischem Muster zu verhindern, forderte die anarchistische Bewegung als Konsequenz aus den gemachten historischen Erfahrungen, dass in den Rten qualifizierte Minderheitenrechte in fderalistischen Strukturen garantiert werden mssten, um die existentiellen Interessen von Randgruppen, Minderheiten oder traditionell unterdrckten Strmungen (Frauen, Schwule/Lesben, Flchtlinge, Behinderte usw.) oder aber auch von Betroffenen industrieller Groprojekte (Militrlager, AKWs usw.) zu schtzen.lg-------#6: Selbstorganisation#http://www.graswurzel.net/271/kw-alt.shtmlkeine wahl! graswurzelrevolution 271 september 2002Die anarchistische AlternativeSelbstorganisation statt parlamentarische FremdbestimmungDie parlamentarische Demokratie mag die beste aller mglichen Regierungsformen sein - die anarchistische Parlamentarismuskritik richtet sich jedoch gegen die Zumutung, berhaupt regiert zu werden. Es geht dem Anarchismus nicht um eine alternative Regierung, sondern um Alternativen zur Regierung.Ausgangspunkt anarchistischer Gesellschaftsutopien ist das menschliche Bedrfnis nach Freiheit. Es ist der individuelle Wille, nicht regiert werden zu wollen, auch nicht durch Mehrheiten, auch nicht durch gewhlte VertreterInnen, sondern die eigenen Angelegenheiten gemeinsam und gleichberechtigt mit anderen selbst zu regeln. Voraussetzung ist die Vorstellung eines menschlichen Individuums, das aktiv und am Tagesgeschehen interessiert Gesellschaft selbst gestalten will und nicht durch ParteifhrerInnen und Parlamente tagtglich darin bestrkt wird, apathisch den Entscheidungen anderer zu folgen oder den vielen Gesetzgebungsprozessen in den Parlamenten passiv und ehrfrchtig zuzusehen. Die Parlamente spiegeln eine Komplexitt und Flle von notwendigen Entscheidungen nur vor, um den Individuen den Mut zu nehmen, die sie betreffenden Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.Doch es ist ja gar nicht so, dass so viele Entscheidungen wirklich berregional gefllt werden mssten, wie es die Parlamente vorgaukeln. Der Anarchismus stellt berhaupt erst die Frage, welche Dinge jedes Individuum fr sich entscheidet und welche gemeinsam mit anderen entschieden werden mssen. Der Anarchismus stellt auch die Frage, mit wem entschieden wird: nur mit den NachbarInnen oder der Gemeinde oder einer greren Region.Dadurch werden sich die notwendigen gesamtgesellschaftlichen Entscheidungen auf weniger, aber substantielle, wirklich alle betreffende Fragen reduzieren. Das wiederum entzieht den BerufspolitikerInnen ihre Daseinslegitimation. Die ungeheure Menge parlamentarischer Gesetzgebungsverfahren mit Hunderten von Gesetzgebungsentwrfen und Gesetzen pro Legislaturperiode hat auch den Zweck, bei den BrgerInnen jegliches Vertrauen in die eigenen Fhigkeiten, sich selbst zu organisieren, zu zerstren.In den siebziger und achtziger Jahren, als die Grnen noch nicht oder nur als chancenlose Radikalopposition in den Parlamenten vertreten waren, als parlamentarische Machtbeteiligung und Mitregierung noch jenseits aller parlamentarischen Mglichkeiten schien, gab es gleichzeitig vielfltige Formen der Selbstorganisation innerhalb sozialer Bewegungen: selbstverwaltete Betriebe, Projekte, Lebensmittelkooperativen, Kommunen, Genossenschaften, Kollektive, Frauenprojekte, selbst verwaltete Presse- und Informationsnetze (zig Alternativzeitungen, Informationsdienst-ID, taz als selbst verwaltete Tageszeitung in den Anfangsjahren), soziale Aktionsgruppen, vielerlei ehrenamtliches Engagement in kologisch und sozial orientierten BrgerInneninitiativen. Dass diese Initiativen der Selbstorganisation heute zahlenmig rcklufig sind oder sich Chefstrukturen zugelegt haben und von brgerlichen Kleingewerbetreibenden nicht mehr zu unterscheiden sind, hat durchaus hnliche Ursachen wie der Parlamentarisierungsprozess der Grnen selber (Kapitulation vor dem neoliberalen Kapitalismus, individualisiertes Karrieredenken, angeblicher Realismus durch opportunistisches, angepasstes Verhalten usw.). Aber die sozialen Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre haben gezeigt, dass vielfltige Formen der Selbstorganisation von einer zahlenmig relativ groen gesellschaftlichen Minderheit eine Zeit lang in die Praxis umgesetzt werden konnten.Auch heute fllen wir im Alltag stndig Entscheidungen ber Konsumgewohnheiten, kologische oder synthetische Nahrung, fleischhaltiges oder veganes/vegetarisches Essen, ber Investieren oder Sparen, ber das Verhalten in Beziehungen, gegenber NachbarInnen, zwischen Frauen und Mnnern, ber einen den eigenen Fhigkeiten entsprechenden Berufswunsch, ber die sozialen Auswirkungen unserer Arbeit und Arbeitsprodukte usw. Die Vielzahl der Entscheidungen, die wir je nach Notwendigkeit allein oder gemeinsam mit anderen treffen, fllt uns gar nicht mehr auf, weil wir sie gewohnt sind und fr selbstverstndlich halten.Dass uns die Fhigkeit, diese Entscheidungen fllen zu knnen, Kraft und Selbstvertrauen zur Wiedereinforderung und Wiederaneignung fremdbestimmter, lange enteigneter Entscheidungskompetenzen geben knnte, kommt uns nicht in den Sinn. Zu oft akzeptieren wir die vorgegebenen Grenzen unserer Handlungsspielrume, anstatt sie selbstbewusst zu durchbrechen und Selbstbestimmungsfhigkeiten zu erweitern.Das parlamentarische Organisationsprinzip strkt diese Tendenz, eigene Verantwortung an Gewhlte abzugeben, die dann auf angeblich "reprsentative" Weise die Interessen der WhlerInnen zu vertreten vorgeben (StellvertreterInnenpolitik, "Reprsentation"). Doch verfassungsrechtlich sind die Gewhlten nur ihrem eigenen Gewissen verantwortlich, was der Willkr ihrer Entscheidungen Tr und Tor ffnet.AnarchistInnen wollen eine andere, wirklich freie Gesellschaft. Im Unterschied zur nationalistischen und neonazistischen Parlamentarismuskritik kritisiert der Anarchismus am Parlamentarismus nicht, dass zuviel, sondern dass zuwenig frei diskutiert wird, er kritisiert nicht dessen anscheinende Unfhigkeit, sondern seine tatschliche Fhigkeit zur Entscheidung, nicht seine Ineffektivitt, sondern seine Effektivitt des Regierens. Die auf das Parlament und immer wieder neue Oppositionsparteien hoffenden BrgerInnen von heute verhalten sich in Wirklichkeit weitgehend entmndigt. Die sozialen Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre haben gezeigt, dass sich nur im Widerstand, im Kampf gegen parlamentarische Entscheidungen Alternativen entwickeln: die rtlich Betroffenen wollten das letzte Wort darber haben, ob ein industrielles Groprojekt bei ihnen gebaut wird; Partei- und Parlamentspraktiken wie Abstimmungen und Mehrheitsentscheid wurden durch das bei direkten Aktionen praktizierte Konsensprinzip erstmals in Frage gestellt. Nur ber die direkte Aktion wird erlernt, die eigenen Belange selbst in die Hand zu nehmen, sie den reprsentativen InteressenvertreterInnen zu entreien, die in Anspruch nehmen, anstelle der Individuen zu handeln und sie dadurch beherrschen. Direkte Aktion bedeutet permanente Rebellion der Individuen gegen alle Versuche der Entuerung ihrer Selbstbestimmungsfhigkeiten. Nicht in der unpolitischen, fatalistischen Abkehr, sondern nur im Kampf gegen parlamentarische Herrschaft und ihre Entscheidungen entwickelt sich daher die anarchistische Alternative. Nur so knnen aktive, an den vielfltigen gesellschaftlichen Belangen interessierte Individuen entstehen.Das massenhafte Erlernen von individuellen Selbstbestimmungsfhigkeiten durch direkte Aktion mndet unmittelbar in den revolutionren Prozess der Gesellschaftsvernderung. Direkte Aktion als individuelle und selbstbestimmte Handlung fhrt zu freiheitlichen Formen der Verbndung mit anderen und kollektiver direkter Aktion, wo gegen Herrschaft und staatliche Versuche, individuelle Freiheiten zu beschneiden, gemeinsam mit anderen vorgegangen werden muss, um zu Erfolgen und sozialen Vernderungen zu gelangen. Wenn sich direkte Aktionen ausschlielich gegen Herrschende richten und von ihren Durchsetzungsformen her gewaltlos bleiben, besteht die Chance, dass sich durch ihre massenhafte Anwendung die Freiheitsspielrume aller Individuen vergrern, ohne neue Herrschaftsformen - vor allem militrischer Art - zu schaffen, die an die Stelle der alten treten. In einer freien Gesellschaft wird dagegen die direkte Aktion eher wieder zur Ausnahme, denn eine Gesellschaft weitgehend selbst organisierter, mndiger und selbstbestimmter Individuen wird es nicht mehr ntig haben, sich stndig gegen Herrschaft und Entmndigung zu verbnden.lg -------#7#http://www.graswurzel.net/210/konsens.shtmlgraswurzelrevolution 210 sommer 1996Mehrheitsdiktatur und KonsensprinzipKonsensverfahren als anarchistische Alternative zum Mehrheitsprinzip?In der heutigen Gesellschaft der BRD wird das Prinzip der Mehrheitsentscheidung nur von wenigen BrgerInnen in Frage gestellt. Wahlen und Abstimmungen gelten als Werkzeuge der Demokratie. Das "allgemeine und gleiche Wahlrecht" ist ein Grundsatz, der von vielen als demokratisches Ideal gesehen wird, nach dem am besten die ganze Welt organisiert werden sollte. Doch bei nherem Hinsehen entpuppt sich der Mehrheitsentscheid als etwas, das es sich durchaus zu hinterfragen lohnt. (Red.)Zunchst einmal ist es ohnehin sehr zweifelhaft, ob die jahrhundertelange Herrschaft von Minderheiten ber eine Mehrheit nun tatschlich von einer "demokratischen" Herrschaft der Mehrheit abgelst worden ist.Politische Entscheidungen werden in der BRD von einer politischen Klasse gefllt, die sich in Parteien organisiert, in denen insgesamt nur etwa drei Prozent der Bevlkerung Mitglieder sind. Im Bundestag wird eine bunt gemischte Bevlkerung zur Hlfte von juristisch verbildeten AkademikerInnen reprsentiert, die sich zwar darauf berufen knnen, "demokratisch" gewhlt zu sein, aber nach den Wahlen oft genug tun, was sie wollen, ohne Rckkopplung zu den WhlerInnen.Noch mchtiger als PolitikerInnen sind die fhrenden ManagerInnen der groen Konzerne, die oft berhaupt nicht gewhlt worden sind, wenngleich auch sie vorgeben, auf dem Boden eines "demokratischen" Systems zu stehen. Daher stellt sich die Frage, ob in der heutigen Gesellschaft die Meinung der Mehrheit wirklich so relevant ist, wie uns immer vorgegaukelt wird - oder ob nicht vielmehr politische und kapitalistische Eliten (sprich: Minderheiten) den Begriff der "Mehrheitsdemokratie" zur Legitimation ihrer Herrschaft benutzen.Es geht mir aber in diesem Beitrag nicht darum zu errtern, wie demokratisch das Gesamtsystem der BRD ist. In erster Linie will ich versuchen, die Frage zu klren, ob das Prinzip des Mehrheitsentscheids grundstzlich fr den Aufbau einer herrschaftsfreien Gesellschaft taugt. Dazu werde ich von der gesamtgesellschaftlichen Ebene auf die Ebene kleinerer Gruppen bergehen.Die Grenzen des MehrheitsprinzipsWo es eine Mehrheit gibt, da gibt es auch stets eine Minderheit. Wie wird in einer Gesellschaft oder Gruppe, die sich nach dem Prinzip des Mehrheitsentscheids organisiert, mit Minderheiten umgegangen? - Zunchst einmal: Minderheiten werden schlicht und einfach berstimmt. Ist den BefrworterInnen der Mehrheitsposition erst einmal klar, da ihre Position eine Mehrheit erhalten wird, so knnen sie oft den Abstimmungsproze beschleunigen, die Diskussion um die Bedenken der Minderheit abbrechen. In greren Zusammenhngen entstehen hufig stndige Minderheiten, die von den Beschlssen einer stndigen Mehrheit zunehmend ausgegrenzt und unterdrckt werden. Das Mehrheitsprinzip fhrt zu Kampfabstimmungen, bei denen es darum geht, durch geschickte Rhetorik oder Taktik eine Mehrheit hinter sich zu bringen, wobei es vorkommen kann, da eine qualifizierte Minderheitenposition von einer wenig informierten, von ein paar wenigen manipulierten Mehrheit niedergestimmt wird. Am Ende stellt sich der Mehrheitsentscheid nicht als urdemokratisches Prinzip dar, sondern als eine Struktur, die zu einer Diktatur der Mehrheit ber eine oder mehrere Minderheiten fhrt.Stellen wir uns einmal eine ganz konkrete Sitzung vor, in der nach Mehrheitsprinzip entschieden wird: Da sitzen etwa zwanzig Menschen um einen groen Tisch herum, alle sind Delegierte aus kleineren Gruppen. Zusammen bilden sie einen Ausschu, der - theoretisch - eine eigenstndige Gesamtheit sein soll, nicht die bloe Summe der einzelnen, in dem Ausschu vertretenen Gruppen. Das Bewutsein der Delegierten ist aber interessanterweise ein ganz anderes: Sie verstehen sich einzig und allein als VertreterInnen ihrer jeweiligen Gruppen, die anderen Delegierten sind in ihren Augen entweder freundlich, feindlich oder neutral gesinnt. Sinn und Zweck ihrer Anwesenheit in dem Ausschu sehen fast alle Delegierten darin, unter allen Umstnden die Position der eigenen Gruppe durchzusetzen. Mittel dazu sind berzeugungsknste, strategisches und taktisches Vorgehen, oft auch einfach "Totdiskutieren" der gegnerischen Position, Diskreditierung der "GegnerInnen" und andere Nettigkeiten. Auf das, was andere sagen, wird nur insofern gehrt, als sich die einzelnen VertreterInnen die Frage stellen, ob es zur Durchsetzung ihrer Position notwendig ist, auf das Gesagte zu reagieren oder nicht. Alles in allem herrscht eine Kampfatmosphre, und da sich viele der Anwesenden schon aus frheren Sitzungen kennen, sind die Frontlinien lngst abgesteckt. In den seltenen Pausen wird gemauschelt, getuschelt, intrigiert, ausgewertet. Zart besaitete Gemter brechen bei derlei Sitzungen schon mal in Trnen aus, der "Verschlei" an Delegierten ist recht hoch; doch die hrtesten unter ihnen kann das nicht schrecken, sie vertreten ihre Gruppen fast seit Menschengedenken - "survival of the fittest"! Und sie wissen, wie sie es anstellen, sind kompetent genug, mit Satzung und Geschftsordnung nach Belieben umgehen zu knnen, wissen, was ein Geschftsordnungsantrag ist und wie ntzlich es sein kann, nach einem solchen von der "Gegenseite" gleich noch einen eigenen hinterherzuschicken, um die Tagesleitung endgltig zu berfordern und dann aus formalen Grnden diesen oder jenen gegnerischen Antrag fr ungltig zu erklren. Am Ende der Sitzung Zufriedenheit bei der Mehrheit, Frust bei der Minderheit, und eine Reihe persnlicher Zwistigkeiten wurde wieder einmal gepflegt oder neu geschaffen.Horrorvision? - Nein, das war nur ein persnlicher Erfahrungsbericht von Sitzungen, wie ich sie in den letzten Jahren zuhauf erleben durfte; Sitzungen, bei denen fast alles fehlte, was zur Verwirklichung der Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft unabdingbar ist: Toleranz, gegenseitiges Zuhren, Respekt vor den Mitmenschen (unabhngig von deren Position), Wille zur Zusammenarbeit und zur Bercksichtigung aller bei der Entscheidungsfindung.Konsens als Ausweg?Die Herrschaft der Mehrheit ber Minderheiten mag zwar ein historischer Fortschritt sein - doch um zu einer wirklich freien Gesellschaft zu kommen, ist es notwendig, smtliche Herrschaftsmechanismen abzuschaffen und alle von einer Entscheidung betroffenen Menschen an der Entscheidungsfindung derart teilhaben zu lassen, da ihnen nicht ein fremder Wille bergestlpt wird. Dazu ist das Mehrheitsprinzip nicht in der Lage; um das zu erreichen, braucht es Konsens - das heit: Ein Beschlu mu so gefat werden, da ihn alle Betroffenen mittragen knnen.Das Konsensprinzip ist keineswegs eine moderne Erfindung. Es existierte bereits in vierlerlei Gestalt in anarchischen Gesellschaften, einzelnen feudalen Strukturen, in religisen, sozialistischen, anarchistischen Gemeinschaften vergangener Jahrhunderte.Was bedeutet Konsens? - Wer sich noch nicht nher damit beschftigt hat, wird das Wort wahrscheinlich spontan mit "Einstimmigkeit" bersetzen, in der Vorstellung, da die "Gegenstimme" einer einzelnen einen Beschlu unmglich machen wrde. Aber ganz so einfach ist es nicht. Es gibt verschiedene Wege, mit Bedenken einzelner oder einer Minderheit umzugehen.Im Idealfall wird die Minderheit durch Argumente so weit berzeugt, da sie den Beschlu voll und ganz mittragen kann, oder es wird ein Kompromi gefunden, mit dem alle einverstanden sind. Manchmal ist es jedoch nicht mglich, Bedenken auszurumen. In diesem Fall gibt es im wesentlichen drei Mglichkeiten: Die Minderheit legt gegen den Beschlu ein "Veto" ein und verhindert damit den Konsensentscheid. Die Minderheit stellt ihre Bedenken zurck und trgt den Beschlu mit, was natrlich nur funktioniert, wenn die Bedenken nicht sehr schwerwiegend sind. Die Minderheit trgt den Beschlu nicht mit, verzichtet aber auf ein "Veto", um einen Beschlu gem der Mehrheitsmeinung nicht zu blockieren.Wird ein "Veto" eingelegt, so mu sich die Mehrheit einer Gruppe nicht unbedingt diesem "Veto" beugen, denn das knnte - bei Mibrauch des Konsensprinzips - leicht zur Diktatur einer Minderheit fhren oder zur vlligen Beschluunfhigkeit.Es ist durchaus mglich, in diesem Fall den Anspruch, im Konsens zu entscheiden, aufzuheben. Logische Folge ist allerdings in aller Regel die Spaltung der Gruppe.Ist das Konsensprinzip der ideale Weg zur herrschaftsfreien Gesellschaft, zur Bercksichtigung aller in der Entscheidungsfindung?Eine leicht absurde VorstellungNehmen wir uns den vorhin beschriebenen Ausschu vor. Nach langjhriger Praxis in Mehrheitsentscheiden hat der Ausschu in einer besonders turbulenten Sitzung einen folgenschweren Beschlu gefat: Es soll knftig im Konsens entschieden werden! "Also gut", sagen sich die Delegierten, "da mssen wir uns jetzt umstellen." Und sie tun es auch. Die Kampfabstimmungen sind jetzt pass. Stattdessen bezichtigen sich die Anwesenden gegenseitig, Beschlsse zu blockieren, tun aber eben dies auch immer selbst, sobald ihnen ein Beschlu nicht pat. Es hagelt ein "Veto" nach dem anderen, der Ausschu ist zur totalen Entscheidungsunfhigkeit verdammt - mal abgesehen von ein paar vllig unwichtigen Entscheidungen. - In der Tat: So wrde es wohl aussehen, wenn von einem auf den anderen Tag ein in Mehrheitsentscheid "gebtes" Gremium sich auf Konsensentscheid umstellen wrde. Denn um im Konsens entscheiden zu knnen, braucht es einige wichtige Voraussetzungen.Voraussetzungen fr KonsensentscheidEine Grundvoraussetzung, ohne die jeder Versuch, im Konsens zu entscheiden, zum Scheitern verurteilt ist, ist die, da sich alle Anwesenden darber einig sind, im Konsens entscheiden zu wollen. Ist diese Einigkeit nicht gegeben, so ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem "Vetoprinzip" und einigen anderen Charakteristika des Konsensprinzips uerst unwahrscheinlich. Fr die Delegierten der beschriebenen "Modellgruppe" bedeutet dies, da sie erst einmal lernen mten, sich nicht mehr (nur) als VertreterInnen ihrer jeweiligen Gruppe zu verstehen, sondern (auch) den Ausschu als eine eigene Gruppe und sich selbst als Teil von dieser zu begreifen. Das alleine reicht jedoch noch nicht aus. Unbedingt notwendig ist es, das bisherige Gegeneinander und Sich-durchsetzen-wollen durch den Wunsch nach Kooperation und die grundstzliche Bereitschaft zu Kompromissen zu ersetzen. Das Verhalten mu von gegenseitigem Respekt und von gegenseitigem Zuhren geprgt sein, d.h., jede einzelne versucht nun, auf das von anderen Gesagte einzugehen, die Argumente - auch und gerade die "gegnerischen" - sorgfltig und vorurteilsfrei zu prfen. Persnliche Zwistigkeiten haben im Konsensentscheid keinen Platz; wo sie vorhanden sind, mssen sie bei der Entscheidungsfindung zurckgestellt werden. Bei der Beschlufassung mu sich jede einzelne bewut sein, fr die Entscheidungen der Gruppe mitverantwortlich zu sein.Neben dem Zuhren gehrt zum Konsensentscheid auch die Bereitschaft, auf das "Totreden" anderer zu verzichten und das eigene Redeverhalten (und die Redezeit!) zu berprfen. Kommen auch weniger Redegewandte ausreichend zu Wort? Wird dem, was sie sagen, die gleiche Bedeutung beigemessen wie den rhetorisch Geschickteren oder den in der Gruppe Erfahreneren? Bestehen innerhalb der Gruppe informelle Hierarchien? Wird mit geuerten Bedenken verantwortungsvoll umgegangen - von seiten der "Mehrheit" wie auch von seiten derjenigen, die die Bedenken uern? Wie konzentriert werden Entscheidungen und Beschlsse gefllt, wie sorgfltig werden sie vorbereitet? - Diese Liste von Fragen zeigt deutlich, vor welche Schwierigkeiten eine Gruppe gestellt ist, will sie im Konsens entscheiden. Doch auch wenn der Weg zu einem Konsensentscheid weitaus beschwerlicher ist als der zu einem Mehrheitsentscheid, so lohnt es sich doch, ihn zu gehen. Denn am Ende sollte eine Entscheidung stehen, mit der alle Betroffenen leben knnen. - Oder etwa nicht?Probleme des KonsensentscheidsIn der Praxis luft es nicht immer so ab, da Konsensentscheidungen von allen Betroffenen wirklich mitgetragen werden. Auch in Gruppen, die im Konsens entscheiden, kann es vorkommen, da sich einzelne von einem Beschlu "berfahren" fhlen. Wie das?Das Konsensprinzip verlangt von jedem einzelnen Mitglied einer Gruppe sehr viel Engagement, Kooperationsbereitschaft und Verantwortungsbewutsein. Wer in Konsensentscheiden noch unerfahren ist, wird nicht selten Schwierigkeiten damit haben. Wann soll ich meine Bedenken uern, wann nicht? Wann ist ein "Veto" angebracht, wann nicht? Wie reagiere ich auf die Bedenken anderer?In relativ homogenen Gruppen, die bereits ber eine lange Erfahrung mit dem Konsensprinzip verfgen, funktioniert die Sache meist sehr gut. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Gruppe recht heterogen ist, die einzelnen Menschen in ihr einen sehr unterschiedlichen (Entscheidungs-)Erfahrungshorizont haben. Hier finden sich oft informelle Hierarchien, die Empfindung von Gruppendruck und ein bergroes Bedrfnis nach falsch verstandener Harmonie. Oft geschieht dies, weil die ntige Zeit fehlt (oder zu fehlen scheint!), um alle Aspekte einer Entscheidung und alle auftretenden Bedenken so lange zu errtern, bis eine von allen getragene, verantwortungsvolle Entscheidung herauskommt. Ein Hinweis dazu: Meine Erfahrung (und die vieler anderer) mit Entscheidungsfindungen ist die, da Pausen zwischen einzelnen Redebeitrgen oder lngere Pausen in einer festgefahrenen Diskussion den Entscheidungsproze eher verkrzen als verlngern, weil dadurch die Mglichkeit geschaffen wird, sich noch einmal in Ruhe Gedanken zu machen oder zu einer durch stundenlanges Gerede verlorengegangenen, fr verantwortungsbewute Entscheidungen aber unabdingbaren Konzentrationsfhigkeit zurckzugelangen. Ich will sogar behaupten, da eine zweimintige Pause schon so manches Mal ein halbstndiges Aneinander-Vorbeireden htte verhindern knnen!Ein weiteres Problem beim Konsensentscheid ist die Frage der Gruppengre. Je grer und heterogener die Gruppe, desto schwieriger wird es, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Oft kommt es dann zu faulen Kompromissen, die nichts sind als ein "Minimal-Konsens", eher widerwillig gefat, um berhaupt zu einem Beschlu zu kommen. Das erzeugt Unzufriedenheit und Frustration und fhrt nicht selten dazu, vom Konsensprinzip wieder abzurcken.Dieser Schwierigkeit kann begegnet werden, indem Entscheidungen so dezentral wie mglich gefllt werden. Nur dort, wo es unbedingt notwendig ist, sollten Entscheidungen von einer Basisgruppe auf eine grere Ebene verlagert werden. Allerdings ist es in einer komplexen Gesellschaft natrlich alles andere als einfach zu erkennen, welche Entscheidung auf welcher Ebene gefllt werden sollte.Konsens und KonfliktAn seine Grenze stt das Konsensprinzip endgltig, wenn unberbrckbare Interessensgegenstze auftauchen. Im gesamtgesellschaftlichen Kontext knnen solche Konflikte oft mit sehr unterschiedlichen Machtpotentialen der beteiligten Konfliktparteien einhergehen. Beispielsweise haben AKW-BetreiberInnen in aller Regel erst einmal ein weit greres Machtpotential als AKW-GegnerInnen und sind daher imstande, ihre Position relativ leicht durchzusetzen. In einer solchen Situation wre es sicher absurd, wenn die AKW-GegnerInnen den Konflikt durch einen Konsens mit der Gegenseite beizulegen versuchten. Im Gegenteil ist es in diesem Fall notwendig, der eigenen Position erst einmal mehr Gewicht zu verschaffen, z.B. durch gewaltfreie Widerstandsaktionen, mit dem Ziel, zumindest ein Machtgleichgewicht herzustellen. Das bedeutet, da der Konflikt zuerst bewut gemacht und - unter Umstnden auch konfrontativ - ausgetragen wird, ehe ein Lsungsversuch in Angriff genommen wird. Um zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft zu gelangen, ist im gesamtgesellschaftlichen Kontext ein dogmatisches Beharren auf dem Konsensprinzip fehl am Platz. Die Gesellschaft kann unmglich verndert werden (zumindest nicht radikal), wenn wir uns um der lieben Harmonie willen nicht auf Konfrontationen mit den Herrschenden einlassen.Auch in homogeneren, kleineren Gruppen kann es vorkommen, da es Situationen gibt, in denen keine Einigkeit mglich ist. Dann kann es unter Umstnden sinnvoll sein, doch wieder auf einen anderen Entscheidungsmechanismus zurckzugreifen, sofern eine Entscheidung notwendigerweise gefllt werden mu. Allerdings sollten wir uns auch eingestehen, da es Konfliktsituationen gibt, die sich erst einmal nicht lsen lassen - weder per Konsens noch auf andere Weise - und eben ausgehalten werden mssen. Manches Mal ist das sehr unangenehm; ein anderes Mal kann es auch sein, da gerade das Stehenlassen eines Konflikts sich als fruchtbar erweist.FazitEs mu sicher nicht noch einmal betont werden, da das Prinzip des Mehrheitsentscheids zum Aufbau einer herrschaftsfreien Gesellschaft nicht taugt, sondern diesem im Gegenteil im Wege steht. In der Entscheidungsfindung sind das Konsensprinzip und die mglichst weitgehende Dezentralisierung von Entscheidungen zweifellos die besten Mittel, um die Gesellschaft von den derzeitigen Herrschaftsstrukturen zu befreien. Aber der Konsensentscheid ist ein sehr hoher Anspruch, der nur erfllt werden kann, wenn alle Beteiligten sich entsprechend dafr einsetzen, ihr eigenes Verhalten bei der Entscheidungsfindung selbstkritisch berprfen, Verantwortungsbewutsein fr die Gruppe entwickeln und bereit sind, sich auf die Schwierigkeiten eines Konsensentscheids einzulassen. Wo diese Voraussetzungen fehlen, kann das Konsensprinzip nicht oder nur unzureichend verwirklicht werden. So elementar der Konsensentscheid fr den Aufbau einer herrschaftslosen Gesellschaft erscheinen mag, so sollten wir ihn keineswegs zu einem starren, formalistischen Dogma degenerieren lassen. Konsens funktioniert nmlich erfahrungsgem am besten mit viel Phantasie, Flexibilitt und Spontaneitt!Charlie BlackfieldAnmerkungZur Vorbereitung dieses Artikels diente mir in erster Linie die Broschre "Konsens - Anleitung zur herrschaftsfreien Entscheidungsfindung", hrsg. von der Werkstatt fr Gewaltfreie Aktion Baden, Am Karlstor 1, 69117 Heidelberg; auch erhltlich bei Pazifix, c/o Sonnhild und Ulli Thiel, Alberichstr. 9, 76185 Karlsruhe. --------#8#kommentar >> 343 november 2009Wahlen contra DemokratieGastkommentarDas kann nicht sein. ber 71 Prozent der staatsbrgerlichen Gesellschaft der BRD von 18 Jahren aufwrts whlten am 27. September. Wer drfte diese Flle von Personen wie du und ich nicht als selbst bestimmende BrgerInnen ernst nehmen. Was aber anders ist Demokratie?An den Wahlen als solchen ist nicht viel zu kritisieren. Allgemein, gleich, geheim. Ja, aber nicht ganz. Seit einer Generation und mehr drfen Millionen von Brgerinnen und Brger, nur weil sie nicht ahnentief deutschbltig sind, an Wahlen nicht teilnehmen. Eine drastisch beschnittene, nicht allgemeine, nicht gleiche Wahl!Ansonsten alles in "deutscher", vor allem demokratischer Ordnung? Sehen wir uns die Wahlen in aller gebotenen Krze ein wenig genauer an.1. "Alle Gewalt geht vom Volke aus", heit es eindrcklich in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Man stolpert ein wenig ber den so oft missbrauchten Ausdruck "Volk". Als sei das ein kollektives Subjekt von tendenziell 80 Millionen. Es sind aber viele Subjekte. Richtiger wre es darum, von Bevlkerung zu reden. Sie besteht aus "Parallelpersonen".2. Den "Gewalt"-Ausschlag aber gibt, dass die BrgerInnen nur strikt vermittelt teilnehmen.Zwischen so genannten Reprsentanten darf gewhlt werden. Diese sollen dann frs "Volk", nirgendwo mit ihm oder durch es, als (Funktions-)Elite von Abgeordneten frei, ihrem Suchbild "Gewissen verantwortlich", das vergegenwrtigen, was als demokratischer Schleier bleibt.3. Anders sei Demokratie in einer Massengesellschaft grorumig nicht mglich. Das trifft zu. Direkte Demokratie von Millionen ist ein schon rumliches Unding. Das Internet verkrzte demokratische Beteiligung vollends auf den Tastendruck. Was aber wird getan, um die BrgerInnen whlend zu ermchtigen, sie nicht darauf zu beschrnken, periodisch wahlspektakelunterbrochene Eliteherrschaften, abgehobene Herrschaften auf Zeit, zu etablieren?Der demokratische Unterbau fehlt. Der wre essentiell. Lokale Demokratie, die den Namen verdient. Das tut sie nicht. Die Gemeinden ebenfalls nach reprsentativem Prinzip organisiert, sind die Schau- und Putzlumpen oben abgehoben bestimmenden Staates unten. Demokratisierung aller brgerlich wichtigen Bereiche wre unabdingbar. Fehlt jedoch durchgehend. Ein demokratieloser Schrecken der Leere. Des Bildungssystems in all seinen als Einheit zu behandelnden, gleiche Chancen durchgehend gewhrenden Stufen. Des riesig ausufernden Gesundheitssektors. BrgerInnen werden unmndig als PatientInnen oder als neuerliche KundInnen existentieller Selbst- und Mitbestimmung enteignet. Schon die Voraussetzungen, mitbestimmend zu verstehen und verstehend mit zu bestimmen, sind in diesem kapitalistisch-brokratisch-wissenschaftlich-technologischen Komplex nicht gegeben.Die BrgerInnen werden nur als Wahlvieh mit tuschungsgrnem Propagandafutter wie satt gefttert. Sie leiden darum bis zur eingeflten Selbsttuschung an demokratischem Muskelschwund. Sie knnen nicht gehen.4. Aber da gibt es doch die Abgeordneten, die vier Jahre ttig fr uns wuseln. Darum lohnt sich zu whlen. Gewinnen mehr gute Leute von dieser oder jener Partei, dann wird endlich Hartz IV abgeschafft, die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik insgesamt uns, den Whlenden auf der Schattenseite des Habens und des Herrschens, angemessener gesetzentschieden werden. Ach wie knnte es reprsentativ entlastet schn sein.5. Blickten wir genauer hin, shen wir ins Loch unserer Tuschung. Die knnen es nicht. Und wollten sie. Das Parlament ist materiell nicht mglich, aber soziopolitisch ein kleines, mehr steril aufgeregt mitredendes, denn machtvolles, also Probleme anders machendes und gestaltendes Gremium inmitten eines "dynamischen betonharten Interessenkampfes". Der Exekutive und ihres parlamentarisch nicht kontrollierbaren Gewaltmonopols. Das unterliegt allem. Ein vor- und nachdemokratisches Staatsfundament. Der global geokapitalistisch entgrenzten konomie. Die definiert. Zuerst den gnzlich undemokratischen Arbeitsmarkt. Die kapitalistisch verbundenen und prokapitalistischen internationalen Regelungsinstanzen. Zuerst das brokratische Monstrum mit dem Namen EU.6. Ist es mit dem Parlament und den fast verstaatlichten, auf jeden Fall von oben wirkenden Parteien nichts gewesen, dann vielleicht mit den Regierungsspesen. Diese wren im global konkurrierenden Machtgeschiebe rundum berfordert, ginge es ihnen um irgend demokratisch menschenrechtlich gewandte Reformen. Das trifft auch und gerade fr den im Hindukusch-Krieg weiter fhrenden Obama zu. Machtlos. Die Regierungen sind nur die andere, die abhngig sichernde Seite des Kapitals. National ntzlich, aber nicht zu bndigen.7. Nein, da bleibt kein Hauch von Demokratie. Die Wahlen sind allein erforderlich, um die miteinander widersprchlich verhakten Herrschaftsinteressen zu legitimieren. Wer whlt, untersttzt, ohne es zu wollen, die Institutionen und ihre getuscht tuschenden VertreterInnen. Diese sind notwendig, damit die Strukturen und Funktionen immer erneut hergestellter Ungleichheit unter den Menschen erhalten werden. Jngster Testfall: die homopathische "Lsung" der finanzkapitalistischen Katastrophen. Die rmsten der Armen hier und vor allem anderwrts haben sie auszubaden. Die Sicherheitsstaaten ziehen indes ihre Schrauben fester.Drum ist nichts mit den Wahlen. Drum radikaldemokratische Initiativen allerorten. Drum nicht innerstaatlich, sondern mittendrin und an den Rndern eine mitbestimmende, Grundrechte konkret verwirklichende "Logik" versuchen. Gewaltfrei! Auch in dieser Hinsicht nicht staats- und das heit staatsgewaltkonform.Wolf-Dieter NarrDr. Wolf-Dieter Narr (* 13. Mrz 1937) lehrte von 1971 bis 2002 als Professor fr empirische Theorie der Politik am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universitt Berlin. Er ist Mitgrnder und Mitsprecher des Komitees fr Grundrechte und Demokratie. ----------#9#transnationales >> 379 mai 2013Italien nach der WahlBeppe Grillos Fnf-Sterne-Bewegung bekmpft den Berlusconismus auch mit Berlusconismus"Fatti non foste a viver come bruti, ma per seguir virtute e conoscenza." (Nicht wardt Ihr gemacht um wie Bestien zu leben, sondern um der Tugend und der Erkenntnis zu folgen). Dies sind nicht etwa die Worte aus einem der Texte Errico Malatestas, Peter Kropotkins, Leo Tolstois oder gar Francisco Ferrers, sondern ein Verspaar aus Dantes "Divina Commedia" - geschrieben vor beinahe tausend Jahren. Das aktuelle Italien ist jedoch nicht nur durch den Lauf der Jahrhunderte weit von diesem Motto entfernt. Die Nation ehemals groer Kultur findet sich derzeit fest in der Hand der Krise: konomisch, sozial, kulturell und politisch. Das eine bedingt dabei unausweichlich das andere.Wirtschaftlich gesehen schrappt das Land seit Jahren nur Haarscharf an der Pleite vorbei.Dies betrifft nicht allein die Volkswirtschaft, sondern lastet besonders schwer auf kleinen und mittelstndischen Unternehmen. Tglich ist in den Zeitungen von mindestens einem Selbstmord eines berschuldeten Kleinunternehmers oder Handwerkers zu lesen und die Zahl der Geschftsschlieungen liegt bei einem bisher ungesehenen Ausma.Die neuesten Statistiken sprechen von gut 5,7 Millionen Arbeitslosen - ein Rekordniveau - von denen laut aktuellsten Verffentlichungen des italienischen Statistikinstituts ISTAT erstmals mehr als die Hlfte zwar gern eine Arbeit htten, jedoch jedwede Hoffnung aufgegeben haben, eines Tages wieder in Lohn und Brot zu kommen.Rechnet man nun zu diesen Zahlen noch gut 600.000 Unterbeschftigte, werden die Zahlen noch einmal dramatischer. Gleichzeitig regiert im Kulturbereich eisern der Rotstift (die Region Latium mit der Hauptstadt Rom steckt z.B. lediglich 0,01% ihres Haushaltes in die Kultur und auch in der Bildung sieht es nicht besser aus: in den letzten Jahren wurden 200.000 (prekre!) Lehrstellen gestrichen und 4.000 Schulen geschlossen.In den Oberschulen brechen 17,6% der SchlerInnen ihre Laufbahn ohne Abschluss ab, an den Unis bringt es nur jeder fnfte zum Abschluss.Setzt man diese Zahlen nun in das Gesamtbild einer Rekordarbeitslosigkeit von 12% in der gesamten Eurozone, ergibt sich tatschlich ein wenig rosiges Bild fr die Zukunf