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6 Basistherapie bei der Arbeit mit neurolymphatischen Reflexpunkten Die Voraussetzung für eine erfolgreiche und nebenwir- kungsarme Therapie sind die in Kap. 1.3.2 eingeführten Behandlungsrichtlinien. Um das Erlernen der neurolymphatischen Therapie für die Praxis zu erleichtern, wurden die Punkte in Behand- lungskomplexen zusammengefasst. Durch die gezielte Auseinandersetzung mit spezifischen Themen werden die praktische Umsetzung und das Vertrautwerden mit den Punktlokalisationen gefördert. ! Merke Es gibt nicht die korrekte Technik für jeden Punkt. Wichtig ist, dass es uns gelingt, jedem aktiven neurolymphatischen Punkt zur Entlastung durch Annäherung der umliegenden Gewebe ein Nestzu bauen. Wir entspannen ihn dadurch und initi- ieren die parasympathische bzw. regenerative Umschaltung. 6.1 Organbehandlung und Punktgruppen Neben der Behandlung einzelner Organe haben schon Chapman und Owens für akute Erkrankungen und kom- plexe funktionelle Beschwerdebilder auch den Einsatz in- dikationsbezogener Punktgruppen eingeführt. Sie be- schrieben eine Endokrine Gruppe, die Gastrointestinale Gruppe, die Infektionsgruppe und die große komplexe Punktabfolge des Becken-Schilddrüsen-Syndroms (Thy- reoid Pelvic Syndrome) zur globalen Stowechselstimu- lation. Diese Punktgruppen hatte Chapman empirisch ge- funden. Aus der Entwicklung der letzten Jahre ergaben sich einige weitere Behandlungskomplexe. Die Punkt- gruppen von Chapman und Owens sind aus heutiger kli- nischer Sicht nicht sofort spontan einleuchtend. Aus na- turheilkundlicher Perspektive sind sie allerdings ver- ständlich und sinnvoll. Die tradierten und die neuen Punktgruppen werden in den Einzelkapiteln ausführlich vorgestellt. 6.2 Basistherapie 6.2.1 Grundlagen/Voraussetzungen Vor der eigentlichen Punktbehandlung hat Chapman die Untersuchung und gegebenenfalls die Behandlung der Füße, der Hüftmuskulatur, des M. psoas und vor allem des Beckenrings empfohlen. Die Beckenstatik und das Gangmuster beeinflussen auf jeden Fall die dorsalen neu- rolymphatischen Zonen, die mehrheitlich über Facetten- gelenken liegen. Aus moderner Sicht liegt unser Fokus weniger auf der Notwendigkeit, den Beckenring auf artikulärer Ebene manualtherapeutisch zu behandeln als vielmehr das Spannungsgleichgewicht der großen beteiligten Muskeln anzusprechen. 6.2.2 Die wichtigsten funktionellen Faktoren von Belastungen der Beckenstatik Th 12-Irritationen Der häufigste ätiologische Faktor von Lumbalgien und Störungen der Beckenstatik ist die sternosymphysale Be- lastungshaltung mit Verkürzung der Mm. pectorales und der Überlastung der Th 12-Region: Facettengelenkbelastungen von Th11L 1 führen im Sinne eines Aufrichtemusters vom kompensatorischen Hartspann der Erektoren über Muskelfunktionsketten langfristig zu einer unphysiologischen Tonuserhöhung der Oberschenkel- und Wadenmuskulatur. Daraus re- sultierende Reizungen der Achillessehne führen zu Gangstörungen und Schonhaltungen. Von den Facettengelenken strahlen Schmerzprojektio- nen in das zugeordnete Dermatom auf Höhe der Wir- bel L4S2 und in die Lumbal- und Glutealregion (Abb. 6.1). Der Muskelhartspann der Erektoren kann zu Trigger- syndromen des M. iliocostalis und des M. thoracis lon- gus führen (Abb. 6.2). Die begleitenden Irritationen der 11. und 12. Rippe sind Auslöser für einen Muskelhartspann des M. qua- dratus lumborum und die konsekutive Beckenverwrin- gung bzw. ISG-Blockade (Abb. 6.3). Ventral findet sich auf Höhe Th 12 der Ansatz des M. psoas. Hüft- und Beckenbelastungen sind auch Folgen der Kontraktur des M. psoas. Koordinationsstörung von Zwerchfell und Beckenbo- den verschlechtern die Rumpfstabilität und belasten die Beckenstatik. aus: Weber u. a., Neurolymphatische Reflextherapie nach Chapman und Goodheart (ISBN 9783830477372) © 2014 Karl F. Haug Verlag 50

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6 Basistherapie bei der Arbeit mitneurolymphatischen Reflexpunkten

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche und nebenwir-kungsarme Therapie sind die in Kap. 1.3.2 eingeführtenBehandlungsrichtlinien.

Um das Erlernen der neurolymphatischen Therapie fürdie Praxis zu erleichtern, wurden die Punkte in Behand-lungskomplexen zusammengefasst. Durch die gezielteAuseinandersetzung mit spezifischen Themen werdendie praktische Umsetzung und das Vertrautwerden mitden Punktlokalisationen gefördert.

! MerkeEs gibt nicht die korrekte Technik für jeden Punkt.Wichtig ist, dass es uns gelingt, jedem aktivenneurolymphatischen Punkt zur Entlastung durchAnnäherung der umliegenden Gewebe ein „Nest“zu bauen. Wir entspannen ihn dadurch und initi-ieren die parasympathische bzw. regenerativeUmschaltung.

6.1

Organbehandlung undPunktgruppen

Neben der Behandlung einzelner Organe haben schonChapman und Owens für akute Erkrankungen und kom-plexe funktionelle Beschwerdebilder auch den Einsatz in-dikationsbezogener Punktgruppen eingeführt. Sie be-schrieben eine Endokrine Gruppe, die GastrointestinaleGruppe, die Infektionsgruppe und die große komplexePunktabfolge des Becken-Schilddrüsen-Syndroms (Thy-reoid Pelvic Syndrome) zur globalen Stoffwechselstimu-lation. Diese Punktgruppen hatte Chapman empirisch ge-funden. Aus der Entwicklung der letzten Jahre ergabensich einige weitere Behandlungskomplexe. Die Punkt-gruppen von Chapman und Owens sind aus heutiger kli-nischer Sicht nicht sofort spontan einleuchtend. Aus na-turheilkundlicher Perspektive sind sie allerdings ver-ständlich und sinnvoll. Die tradierten und die neuenPunktgruppen werden in den Einzelkapiteln ausführlichvorgestellt.

6.2

Basistherapie6.2.1 Grundlagen/Voraussetzungen

Vor der eigentlichen Punktbehandlung hat Chapman dieUntersuchung und gegebenenfalls die Behandlung derFüße, der Hüftmuskulatur, des M. psoas und vor allemdes Beckenrings empfohlen. Die Beckenstatik und das

Gangmuster beeinflussen auf jeden Fall die dorsalen neu-rolymphatischen Zonen, die mehrheitlich über Facetten-gelenken liegen.

Aus moderner Sicht liegt unser Fokus weniger auf derNotwendigkeit, den Beckenring auf artikulärer Ebenemanualtherapeutisch zu behandeln als vielmehr dasSpannungsgleichgewicht der großen beteiligten Muskelnanzusprechen.

6.2.2 Die wichtigsten funktionellenFaktoren von Belastungen derBeckenstatik

Th12-Irritationen

Der häufigste ätiologische Faktor von Lumbalgien undStörungen der Beckenstatik ist die sternosymphysale Be-lastungshaltung mit Verkürzung der Mm. pectorales undder Überlastung der Th12-Region:● Facettengelenkbelastungen von Th11–L 1 führen im

Sinne eines Aufrichtemusters vom kompensatorischenHartspann der Erektoren über Muskelfunktionskettenlangfristig zu einer unphysiologischen Tonuserhöhungder Oberschenkel- und Wadenmuskulatur. Daraus re-sultierende Reizungen der Achillessehne führen zuGangstörungen und Schonhaltungen.

● Von den Facettengelenken strahlen Schmerzprojektio-nen in das zugeordnete Dermatom auf Höhe der Wir-bel L 4–S 2 und in die Lumbal- und Glutealregion(▶Abb. 6.1).

● Der Muskelhartspann der Erektoren kann zu Trigger-syndromen des M. iliocostalis und des M. thoracis lon-gus führen (▶Abb. 6.2).

● Die begleitenden Irritationen der 11. und 12. Rippesind Auslöser für einen Muskelhartspann des M. qua-dratus lumborum und die konsekutive Beckenverwrin-gung bzw. ISG-Blockade (▶Abb. 6.3).

● Ventral findet sich auf Höhe Th12 der Ansatz des M.psoas. Hüft- und Beckenbelastungen sind auch Folgender Kontraktur des M. psoas.

● Koordinationsstörung von Zwerchfell und Beckenbo-den verschlechtern die Rumpfstabilität und belastendie Beckenstatik.

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6.2 Basistherapie

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Leber/Galle

Darm

Menses

VenenLymphgefäße

Blase

Herz

Obstipation

Th10Th11Th12L1L2

▶Abb. 6.1 Dermatom des Segmentes Th 12.

▶Abb. 6.2 Triggersyndrome im Th 12-Segment.

▶Abb. 6.3 Hartspann des M. quadratus lumborum.

M. iliopsoas und M. tensor fasciae latae

● Eine Kontraktur des M. iliopsoas verändert die Hüftge-lenkstellung durch die Tendenz zur Beugung und Au-ßenrotation des Oberschenkels. Das führt zu weiterenBecken- und Haltungsstörungen.

● Die oben genannten Faktoren der Beckenverwringungführen über myofasziale Fortleitung zu einer kompen-satorischen Tonuserhöhung des M. glutaeus maximus.Dieser setzt kaudal zu zwei Dritteln faszial am Tractusiliotibialis an, was wiederum zu einem Hartspann desM. tensor fasciae latae führt. Die vermehrte Becken-spannung bds. durch die beiden Tensoren erhöhtfunktionell den Zug auf die Ligamenta lata und kannauf diesem Wege diffuse Kreuzschmerzen auslösen(▶Abb. 6.4).

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6 – Basistherapie

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Behandlung

▶Abb. 6.4 M. iliopsoas und M. tensor fasciae latae.

6.2.3 Palpation und Therapie derTh 12-Irritation

Palpation des Bezugspunktes Th12 (Jones)

Von der Medio-Axillarlinie bis drei Querfinger nach ven-tral lässt sich auf bzw. an der Innenseite des Darmbein-kamms (Crista iliaca) der Th12-Bezugspunkt ertasten.Eine schmerzhafte oder kitzelig-schmerzhafte Verspan-nung weist auf eine Th12-Belastung hin.

Behandlung in Rückenlage● Der Therapeut steht auf der Befundseite und hält mit

dem Mittelfinger der kopfwärtigen Hand Kontakt zumBezugspunkt Th12. (▶Abb. 6.5)

● Der Patient stellt seine Beine an. Der Behandler führtdie angebeugten Knie des Patienten dann so weit zurBrust, bis sich der Bezugspunkt optimal entspannt. DasBewegungsausmaß differiert individuell. (▶Abb. 6.6)

● Der Therapeut umgreift dabei mit dem freien Arm dieKnie des Patienten. Ein klein gewachsener Behandlerkann sich die Unterschenkel auf die Schulter laden undmit dem Arm die Oberschenkel fixieren. (▶Abb. 6.7)

● Anschließend erfolgt die Seitneigung der Patientenkniezum Behandler hin.

● Die abschließende Rotation der Unterschenkel – meistzum Behandler hin – ermöglicht eine weitere Entlas-tung des Th12-Punktes. (▶Abb. 6.8)

● Die optimal eingestellte Position wird bis zu einerweiteren lokalen Entspannung oder einer vegetativen

Entspannungsreaktion wie spontan tiefes Durchatmengehalten, in der Regel 4–6 Atemzüge lang.

● Die passive Rückführung des Patienten in die Neutrallageund Befundkontrolle schließen den Behandlungsgang ab.

▶Abb. 6.5 Palpation des Referenzpunktes Th 12.

▶Abb. 6.6 Anbeugen der Beine unter Palpationskontrolle.

▶Abb. 6.7 Technik mit Unterschenkeln auf der Schulter desTherapeuten.

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6.2 Basistherapie

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▶Abb. 6.8 Seitneigung und Rotation der Unterschenkel zumTherapeuten hin.

▶Abb. 6.9 Isometrisch-isotonische Entlastung von Th 12 inBauchlage.

Behandlung in Bauchlage● Der Therapeut steht auf der Befundseite und palpiert

mit der kopfwärtigen Hand die maximal druckempfind-liche Muskulatur über den Facettengelenken von Th12.

● Mit der freien Hand umgreift er die gegenüberliegendeHüfte des Patienten und hebt sie mit leichtem Zug zumPunkt hin an, bis eine Entspannung unter dem Palpati-onsfinger eintritt.

● Diese Position wird einige Atemzüge gehalten. Dannfordert der Behandler den Patienten auf, die Hüftesanft in Richtung der Unterlage zu drücken, hält einigeSekunden einen isometrischen Widerstand und lässtdann die Hüfte weich auf die Unterlage sinken.(▶Abb. 6.9)

6.2.4 Untersuchung und Therapie beiFehlstellungen der Darmbein-schaufeln (Ossa ilii)

Untersuchung des Beckenrings

Im Seitenvergleich erfolgt im Stehen die Untersuchung● der vorderen oberen Darmbeinstachel,● der Darmbeinkämme,● der hinteren oberen Darmbeinstachel.

Als Normbefund gilt eine achsensymmetrische Anord-nung der drei Bezugspunkte, wobei die Punkte beiderSeiten jeweils auf einer Horizontalen zueinander stehen.

Weitere Untersuchungsmöglichkeiten

● Beinlängentest in Rückenlage bei Rotationsfehlstellun-gen

● Vorlauftest im Stehen/Sitzen zum Nachweis einer ISG-Blockade oder Beckenverwringung

● Rotationsprüfung des Os ilium nach posterior(▶Abb. 6.10)

● Rotationsprüfung des Os ilium nach anterior(▶Abb. 6.11)

+ TherapieBehandlung der Iliumrotation durch betontePositionierungPosteriorrotation – Prüfung und Behandlungin Bauchlage (▶Abb. 6.10)Der vordere obere Darmbeinstachel steht mehr decken-wärts (dorsal) als die Gegenseite, der Scheitelpunkt desBeckenkamms steht kranialer und der hintere obereDarmbeinstachel mehr liegenwärts (ventral) als auf derGegenseite. Im Liegen in Rückenlage erscheint das Beinverkürzt. Das Os ilium posterior hebelt die Hüftgelenk-pfanne nach ventral-kranial. Die Behandlung erfolgtdurch das Betonen des Präferenzmusters. Sollte dieIliumrotation nach posterior für den Patienten ange-nehmer sein als nach anterior, halten wir die Position3–4 Atemzüge lang.▼

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6 – Basistherapie

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Behandlung

▼Anteriorrotation – Prüfung und Behandlungin Bauchlage (▶Abb. 6.11)Bei einer Anteriorrotationstendenz des Iliums steht dervordere obere Darmbeinstachel relativ liegenwärts (ven-tral), der hintere obere Darmbeinstachel mehr decken-wärts (dorsal). Im Liegen scheint das Bein länger zu sein,weil das Darmbein die Hüftgelenkpfanne nach distal-fußwärts verschiebt. Wir betonen das bei der Prüfungvorgefundene Präferenzmuster – hier die Anteriorrota-tion. Wir halten die Position etwa 3 Atemzüge lang.

Isometrische Behandlung in Rückenlage(▶Abb. 6.12)Der Behandler greift unter dem Oberschenkel einer Seite(relative Posteriorrotation) durch und legt seine Handauf den Oberschenkel der Gegenseite (relative Anterior-rotation). Der Patient übt mit langsam zunehmenderKraft eine gleichzeitige Scherbewegung beider Beinegegen den Unterarm bzw. die Hand des Behandlers aus.Es genügt, wenn der Patient gerade so viel Kraft aufwen-det, dass er spürt, wie sein Beckenring auf die isometri-sche Anspannung zu reagieren beginnt.Unser Patient soll die Übung pro Übungssequenz3–4-mal wiederholen. In der Eigenübung ersetzt einmit einem Handtuch umwickelter Besenstiel denUnterarm des Behandlers.

▶Abb. 6.10 Rotationstest nach posterior.

▶Abb. 6.11 Rotationstest nach anterior.

▶Abb. 6.12 Isometrische Behandlung der Beckenverwringung.

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6.2.5 Belastungen des oberenSprunggelenks

Untersuchung

Im oberen Sprunggelenk erfolgt die Streckung und Beu-gung des Fußes. Eine anhaltende Spannungszunahme desM. gastrocnemius kann zu einem relativen Schienbein-vorschub führen, da der Muskel die Ferse über die Achil-lessehne nach dorsal zieht. Bei der Palpation des Schien-beinvorschubs finden sich distal der Knöchelgabel einekleine schmerzhafte Stufe und manchmal eine relativeEinschränkung der Dorsalflexion.

+ TherapieBehandlung● ▶Abb. 6.13● Der Behandler unterfasst von dorsal den Unterschen-

kel des Patienten knapp eine Handbreit proximal derKnöchelgabel.

● Die andere Hand hält das Sprungbein mit einem Ga-belgriff von ventral direkt knapp distal der Knöchelga-bel.

● In einer Schaufelbewegung – wie mit einer Mehl-schaufel – wird das Sprungbein zuerst in RichtungTisch, dann gegen die Knöchelgabel geführt. DiesePosition kann man mit leichtem Schub 10–30 Sekun-den halten.

▶Abb. 6.13 Behandlung des Tibiavorschubs.

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6.2 Basistherapie

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7 Hormonelle Dysfunktion und vegetative Dystonie(Stress)

7.1

Einführung

Vegetative Stresssymptome und funktionelle hormonelleStörungen ähneln einander nicht selten und bedingensich häufig wechselseitig. Da Disstress den Sympathikusim Sinne der „Angriff oder Verteidigung“-Reaktion stimu-liert, werden unter Stress vor allem der Bewegungsappa-rat und das ZNS aktiviert und vorrangig mit Blut undNährstoffen versorgt. Gleichzeitig verschlechtert sich dieTrophik der Stoffwechselorgane, die der Regenerationund dem Aufbau dienen.

Zur Zeit Chapmans zählte man noch Tonsillen, Thymus,Milz, Leber, Duodenum, exokrines Pankreas und Prostatazu den endokrinen Drüsen. Dies erklärt, warum das be-währte Behandlungsschema der Endokrinen Gruppe diePunkte Prostata/Ligamentum latum, Uterus, Gonaden,Schilddrüse und Nebennieren umfasst.

Die Behandlung der hormonellen Dysregulation undder vegetativen Dystonie wird in diesem Kapitel gemein-sam dargestellt.

! MerkeMit den Chapman-Punkten werden vor allem funk-tionelle Beschwerdebilder behandelt. Bei manifes-ten Organerkrankungen, z. B. einem Hyperaldoste-ronismus oder einer Hashimoto-Strumitis, dienendie Punkte zunächst der unterstützenden Begleit-therapie, wobei die funktionelle Komponente auchorganischer Veränderungen nicht unterschätztwerden darf.

7.1.1 Zeichen der thyreogenenRandendokrinopathie

Klinisch besonders bedeutsam ist die „thyreogene Rand-endokrinopathie“ nach Hopfer. Die Schilddrüsenwerteder Patienten sind dabei oft normal, also euthyreot, odernur geringfügig hyper- oder hypothyreot. Unabhängigvon den Laborwerten zeigen die Patienten eine deutlicheSymptomatik, wie wir sie bei einer manifesten ausge-prägten Hormonstörung erwarten könnten. Bei der Rand-endokrinopathie werden diese Symptome als funktionel-les Überlastungszeichen interpretiert.

7.1.2 Funktionelle hormonelle undvegetative Symptome

● Hyperthyreose ähnliche Randendokrinopathie: InnereUnruhe, Herzrhythmusstörungen mit Tachykardie undTachyarrhythmie, Dissimulation (Patient bagatellisiertdie Beschwerden), Gewichtsverlust, Heißhunger, ver-mehrte Stühle, feinschlägiger Tremor, muskuläre Adyn-amie, endokrine Dermopathie mit prätibialen Myx-ödemen, Wärmeintoleranz und Schweißneigung. Imhöheren Lebensalter finden wir auch eine auffälligekörperliche Unruhe mit Bewegungsdrang, unklareOberbauchbeschwerden, Übelkeit, Inappetenz, spasti-sche Obstipation, Apathie, Antriebsarmut und agitierteDepression, Affektlabilität.

● Hypothyreose ähnliche Randendokrinopathie: allge-meine Verlangsamung, Depressionen; tiefe, raue, lang-same Sprache, trockenes Haar; trockene, raue, schup-pende, fahlgelbe Haut; Bradykardie, Kälteintoleranz,Obstipation, Meteorismus, Polyneuropathie, muskuläreSchwäche, ataktischer Gang, Lidödem, Gesichtsödem.Im höheren Lebensalter stellen sich Psychosyndromemit Zeichen des geistigen Verfalls, Depression und Apa-thie sowie Myopathien, Adynamie, rheumatoide Symp-tome und Schwerhörigkeit ein.

● Zusätzliche Symptome bei funktioneller Nebennieren-störung: Chronische Erschöpfung, reduzierte Stress-belastbarkeit, Flush-Symptome

● Zusätzliche Symptome bei funktioneller Gonadenstö-rung: Zyklusanomalien, menstruelle Migräne, Impo-tenz, Affektlabilität, Pelvipathien, Hirsutismus, Zysten-bildung, Laktationsprobleme

7.2

Endokrine Gruppe

Die Anwendung des Therapiekomplexes „EndokrineGruppe“ kann man direkt an die Basisbehandlung des Be-ckens anschließen. Die ersten Organpunkte der Gruppeergänzen durch ihre gleichzeitige Wirkung auf die Mus-kulatur die manuelle Behandlung des Beckenringes. DiesePunkte können auch primär für die Beckenbehandlungeingesetzt werden. Da Stress heute einen der gesundheit-lichen Hauptbelastungsfaktoren darstellt, bietet sich dieKombination der Hormongruppe mit Stresspunkten füreine Basisdiagnostik und -therapie bei vielen funktio-nellen und psychosomatischen Beschwerden an. Die Be-handlung der unter der Palpation aktiven Zonen erfolgtin der angegebenen Reihenfolge (▶Abb. 7.1).

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a b

▶Abb. 7.1 Punkte für die hormonelleund vegetative Dysregulation (Stress),a dorsal, b ventral.

Endokrine Gruppe:1. Ligamentum latum/Prostata2. Uterus/2. Prostatazone3. Gonaden (Ovarien und Hoden)4. Schilddrüse5. Nebennieren6. Zusatzpunkte: Leber, Milz, Pankreas, Duodenum

7.2.1 Ligamentum latum/1. Prostata-Zone

Ventral

Seitlich am Oberschenkel verläuft die Zone unter dem so-genannten Generalstreifen auf dem ganzen Verlauf desTractus iliotibialis vom Trochanter major bis ca. 5 cm pro-ximal des Kniegelenkspaltes.

Dorsal

Über dem lumbosakralen Winkel.

Symptome

Häufiger Drang, Wasser zu lassen, inkomplette Blasen-entleerung, Dysurie, Regelschmerzen, Pelvipathie, abdo-minaler Schmerz direkt kranial der Symphyse, tief sit-zender diffuser Kreuzschmerz, Insertionstendopathie inder Lumbal-Aponeurose, Gefügestörungen des Beckens,Schmerzen seitlich an der Hüfte durch eine Bursitis tro-chanterica wegen des zu hohen Anpressdrucks über demM. tensor fasciae latae.

Muskuläre Bezüge

Ventral:M. tensor fasciae latae, M. glutaeus maximus.

Dorsal: M. opponens pollicis, M. opponens digiti minimi,M. peronaeus longus, M. peronaeus brevis, M. peronaeustertius, M. flexor hallucis longus, M. flexor hallucis brevis,ischiokrurale Muskulatur, M. glutaeus maximus, M. rectusabdominis. Konsequenzen und Behandlung siehe Uterus.

Zusatz: Die M.-tensor-fasciae-latae-Zone liegt dorsalflächig auf der Lumbal-Aponeurose.

Interpretation

Der M. tensor fasciae latae sorgt als einer der tonischenMuskeln des Körpers unter Dauerlast für die regelrechteStellung des Hüftkopfes. Eine erhöhte Spannung führtdurch Zug außen an der Beckenschaufel zu Spannungs-veränderungen der innen im kleinen Becken liegendenLigamenta lata, den Haltebändern der Gebärmutter. DieMehrspannung erschwert die Durchblutung vor Ort undbahnt damit Störungen der Organe im kleinen Beckenwie der Adnexen und der Ovarien. Weil die Gebärmuttersich während der Periodenblutung gegen den vermehr-ten Gegenzug der Ligamenta lata zusammenziehen muss,kann es zu verstärkten Regelschmerzen kommen.

Die begleitende Verspannung des M. glutaeus maximuserklärt sich daher, dass der Muskel zu großen Teilen fas-zial am Tractus iliotibialis ansetzt (▶Abb. 7.2). Die dor-sale flächige Zone für den M. tensor fasciae latae in derLumbalaponeurose stellt wiederum die direkte Fortlei-tung der Faszienzüge des kaudal am Beckenkamm an-

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