25 jahre deutsche gesellschaft für fettwissenschaft (dgf)

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25 Jahre Deutsche Gesellschaft fur Fettwissenschaft (DGF) I'on Prof. Dr. Dr. h. c. H. P. K a 21 f iir (in ti , Miinstcr (Wcrtf.) Drr riahstrlieridr Brriclzt beshruiikt sich nicltt auf einc Schilderirtig dr) Schicksals der Dcutscltrn GeAr11- daft fui Fettuu~~enrchnft in den vetgungenen 25 Jnh- 1 ~n. Er bi ingt zuglrich einen kurzen Oberblick uber die deutsche Feltwissencchaft srit der Jahrhirndert- wetide. Weun dabei aiicli die Schwierigkeiteit der Frttverborgung in zwei Kriegen wid zwei Inflationen Iio ctrrsgc btellt wciden. \o tnit der Absiclit, die Siticu- tion de? Buntlesrc.publik zu kmnzeichnen, die bei cine1 E? schwo ufig des Itnpoitrs eintreten koiante. Der Airfsatz, geschrieben nach eorg\altigena Studiunr rlc r Alzten de) ,,K~iegsaictscltiieses fur Fette und Ole" (191 i-1920). do ,, Wzc,ciisc~iaftlicheii Z~ntral~trlle jur 01- urid Fcttforschung e. V." (1920-1935) cowie dlcs c.zn,chlngigen Schrifttunis wid gestzctzt auf die cigciir 50juhriyc Kenntnis der Verhaltiste, ist ouch c iii Brill ug zri &in Themu: Fettwei sorgung und Frtl- for cthritig. H P. Knufmann EiweiB, Kohlenhydrate und Fette sind die Grund- nahrungsmittel des Menschen. Man sollte annehmen, dai3 die 1:orschung sich dieser drei Gebiete in gleicher Weise angenommen hatte. Dies ist aber nicht der Fall. Die Fettforschung ist bis in die neuere Zeit stark vernach- biicher der organischen Chemie viele Seiten iiber EiweiB und Kohlenhydrate, begniigen sich aber mit kurzen Erliiuterungen iiber Fette und Fettprodukte. Die Kennt- nis der zahlreichen Bausteine der Eiweiflstoffe und Koh- lenhydrate, ihrer Synthesen und Reaktionen gehort zum unentbehrlichen Riistzeug des jungen Chemikers, wenn er seine Examina bestehen will. Sein Wissen iiber die Chemie der Fettsauren und Glyceride ist meist ebenso kiirglich wie das iiber ihre industrielle Verar- beitung. Geht man den Ursachen dieser Vernachlassigung eines fur Ernahrung und Industrie gleich wichtigen Gebietes nach. so trifft man zunachst auf die Tatsache, dai3 die Entwicklung und der Aufschwung mancher wissenschaftlicher Disziplinen hervorragenden Forschern und ihren Schiilern zu verdanken ist. In einen Vortrag .,50 Jahre deutsche Fettforschung", verfai3t anlaalich des 50jShrigen Bestehens der American Oil Cheniisls' Sockty im Jahre 1950 flocht ich einige persdiche Eindriicke ein: Vor genau 50 Jahren war ich ein alterer Student der Chemie ;in der Universitat Heidclberg. Danials wirkten Chemiker von hohem wissenschaftlichemRang an den deutschen Hochschulen: in Berlin Elnil FiTdier, W. Nernst und E. Abderhalden, in Munchcn A. 7 ~ 1 1 Rrrcycr (itn Jahre 1915 gefolgt von R. Will- .rliittc,/-), €€. W'irlnnci und Hans Fischer, in Leipzig A. Hantzsch untl W. Ostwrild. in Freihurg 4. Windaus, in Strailburg /. Thicle, in Jenn L. Knorr, in Kiel C. Hurries, in Breslau A. LrrdctiL~nrg, in Karlsruhe F. Hciber - um nur einige welt- Ixkannte Namen zu nennen. In Heidelbrrg lehrte neben 7'11. Curtiris cin bejahrter Professor der Chemie, der. wenig beachtet, fur die Fcttforschung vie1 geleistet hat, namlich P. Krnfft, Er war der erste Fettchemiker, mit dem ich in 1 H. P. Knicjn~c~nn, Fifty Years of Fat Research in Germany, 1: ' nssigt ' worden. Noch heute bringen die meisten Lehr- J. Amer. Oil Chemists' Soc. 36, 415 [1959]. Bel-iihrung kam. In einem recht bescheidenen Laboratorium hat er in Fortsetzung der IJntersuchungen von M. Hcintz iihcr die Trennung von Fetlsauren eine Reihe wertvoller Arbeiten iiber deren chemische Konstitution durchgefiihrt, so z. B. durch den Ahbau der hiiheren zu den niedrigeren Sauren iiber die Alkylmethylketone. Er synthetisierte auch aus Mono- chlorhydrin und den Kaliumseifen die ersten reinen Mono- glyceride. In der Folgezeit zog es mich zu Enid Fisclzer nach Berlin. Seine grundlegenden Arbeiten, hesonders iiber Zucker und Eiweil3, hatten ihm 1902 den Nobel-Preis eingebracht. Aber auch die dritte grofle Gruppe von Nahrungsmitteln, die Fette, nahm er in Angriff. Als er im Jahre 1919 starb, wiirdigte einer seiner altesten Schuler, der Erfinder des Antipyrins und Schiipfer der Pyraaol-Chemie, mein unvergessener Lehrer Ltctlwig Knot-I ?, die wissenschaltlichen Verdienste seines Ixh- rers und Freundes bei einer Gedachtnisfeier in Berlin und schlol3 mit den Worten: ,,In do. lctzten Zeil vor seinem To& hat Fischer rine schijne Metlrorlcr zur Dnrstellung zion Glyceriden untcr BP- nutziing Zion Acctonglycerin uiisgpbriirt nncl Wanderungen dcr Acyl~csti~ feslgcstellt. Diesc Vermchr zeigrn, dab er die Absicht huttc, auch cias Gcbiet dcr Fettsirbstnnzen einer plan- niii13igen Un~ersirchrrng zu ttnterwrrfrn. Wir missen es aufs tiefstc brklagrn, dub cr dicse Absicht nicht mehr verwirk- lichen konntr." Diesem Bedauern miissen wir uns noch heute anschlie- flen, denn es ist unverkennbar. daB in der Folgezeit nur wenige der fiihrenden deutschen Chemiker sich niit dem Studium der Fette befaaten. Wahrend sich Kohlen- hydrate und EiweiB einer besonderen Beachtung er- freuten, ist das groi3e Gebiet der E'ettforschung bis in die jiingste Zeit vernachlassigt worden. Die Griinde liegen in den Schwierigkeiten der Erforschung von Ver- bindungen, die zu einem groi3en Teil schlecht kristalli- sieren, sich teilweise durch Autoxydation und Poly- merisation leicht verandern und eine Fiille von Isomerie- Moglichkeiten aufweisen. Noch heute gibt es in der Natur viele Fette und Ole, deren Zusammensetzung wir nicht kennen. Welch starke Impulse ein hervorragender Forscher auch der Industrie seines Vaterlandes geben kann, zeigt das Beispiel von 111. E. Chcvreul (1 786-1889). Er klarte die Glycerid-Struktur der natiirlichen Fette auf und schuf die Grundlagen der wissenschaftlichen Fettchemie '. Viele Namen, die er Fettstoffen gab, verwendet der Pettchemiker noch heute tagtaglich ". Franzosische For- scher erweiterten die von Chevreul erarbeiteten Erkennt- nisse (Braconnet. Bussy, Lecanu, Frdmy, Berthrlot u. a,), und wichtige Zweige der franzosischen Industrie s. den Nachruf auf L. Knorr von P. Dudcn und H. P. Kntcfincinn, Ber. dtsch. chem. Ges. 60, 1 [1927]. s. die Gedenkworte, die ich anlaillich der 150. Wiederkehr seines Todestages ,,Zur Erinnerung an Chevreul" schrieb, Fette u. Seifen 43, 149 [1936]. Die DGF verteilte wahrend ihrer Vortragsveranstaltung in Miinchen (2.-6. Oktober 1950) an die Teilnehmer eine Reproduktion des im Louvre in Paris befindlichen Bildnisses von Chevreiil. '$ Glycerin (franzosisch: glycbrine fur Ulsul3) ; Stearinsaure (acide stearique, aus Talg = stear hergestellt), vorher acide margarique (nach den perlmutterglanzenden Kristal- len des Kaliumsalzes der Palmitin- oder Stearinsiure; margaros = Perlmuschel), woraus sich spater der Name Margarine herleitcte; Ulsaure (acide oleique) sowie Ca- pronsaure und Caprinsaure (capra = Ziege). FETTE . SEIFEN . ANSTRICHMITTEL 63. Jahryany Nr 10 1961

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25 Jahre Deutsche Gesellschaft fur Fettwissenschaft (DGF) I'on Pro f . Dr. Dr. h. c. H . P. K a 21 f iir ( i n ti , Miinstcr (Wcrtf.)

Drr riahstrlieridr Brriclzt beshruiikt sich nicltt auf einc Schilderirtig d r ) Schicksals der Dcutscltrn GeAr11- d a f t f u i Fet tuu~~enrchnf t in den vetgungenen 25 Jnh- 1 ~ n . Er bi ingt zuglrich einen kurzen Oberblick uber die deutsche Feltwissencchaft srit der Jahrhirndert- wetide. Weun dabei aiicli die Schwierigkeiteit der Frttverborgung i n zwei Kriegen wid zwei Inflationen I i o ctrrsgc btellt wciden. \o tnit der Absiclit, die Siticu- t ion de? Buntlesrc.publik z u kmnzeichnen, die bei cine1 E? schwo ufig des Itnpoitrs eintreten koiante. Der Airfsatz, geschrieben nach eorg\altigena Studiunr rlc r Alzten d e ) ,,K~iegsaictscltiieses fur Fette und Ole" (191 i-1920). d o ,, Wzc,ciisc~iaftlicheii Z ~ n t r a l ~ t r l l e jur 01- urid Fcttforschung e. V." (1920-1935) cowie d l c s c.zn,chlngigen Schrifttunis wid gestzctzt auf die cigciir 50juhriyc Kenntnis der Verhaltiste, ist ouch c iii Brill u g zri &in Themu: Fettwei sorgung und F r t l - for cthritig.

H P. K n u f m a n n

EiweiB, Kohlenhydrate und Fette sind die Grund- nahrungsmittel des Menschen. M a n sollte annehmen, dai3 die 1:orschung sich dieser drei Gebiete in gleicher Weise angenommen hatte. Dies ist aber nicht der Fall. Die Fettforschung ist bis in die neuere Zeit stark vernach-

biicher der organischen Chemie viele Seiten iiber EiweiB und Kohlenhydrate, begniigen sich aber mit kurzen Erliiuterungen iiber Fette und Fettprodukte. Die Kennt- nis der zahlreichen Bausteine der Eiweiflstoffe und Koh- lenhydrate, ihrer Synthesen und Reaktionen gehort zum unentbehrlichen Riistzeug des jungen Chemikers, wenn er seine Examina bestehen will. Sein Wissen iiber die Chemie der Fettsauren und Glyceride ist meist ebenso kiirglich wie das iiber ihre industrielle Verar- beitung.

Geht man den Ursachen dieser Vernachlassigung eines fur Ernahrung und Industrie gleich wichtigen Gebietes nach. so trifft man zunachst auf die Tatsache, dai3 die Entwicklung und der Aufschwung mancher wissenschaftlicher Disziplinen hervorragenden Forschern und ihren Schiilern zu verdanken ist. In einen Vortrag .,50 Jahre deutsche Fettforschung", verfai3t anlaalich des 50jShrigen Bestehens der American Oil Cheniisls' Sockty im Jahre 1950 flocht ich einige p e r s d i c h e Eindriicke ein:

Vor genau 50 Jahren war ich ein alterer Student der Chemie ;in der Universitat Heidclberg. Danials wirkten Chemiker von hohem wissenschaftlichem Rang an den deutschen Hochschulen: in Berlin Elnil FiTdier, W. Nernst und E. Abderhalden, in Munchcn A . 7 ~ 1 1 Rrrcycr (itn Jahre 1915 gefolgt von R. Will- .r l i i t tc,/-), €€. W'irlnnci und Hans Fischer, in Leipzig A . Hantzsch untl W . Ostwrild. in Freihurg 4 . Windaus , in Strailburg /. Thicle, in Jenn L. Knorr, in Kiel C. Hurries, in Breslau A. LrrdctiL~nrg, in Karlsruhe F. Hciber - um nur einige welt- Ixkannte Namen zu nennen. In Heidelbrrg lehrte neben 7'11. Curtiris cin bejahrter Professor der Chemie, der. wenig beachtet, fur die Fcttforschung vie1 geleistet hat, namlich P. Krnfft, Er war der erste Fettchemiker, mit dem ich in

1 H. P. Knicjn~c~nn, Fifty Years of Fat Research in Germany,

1:' nssigt ' worden. Noch heute bringen die meisten Lehr-

J. Amer. Oil Chemists' Soc. 36, 415 [1959].

Bel-iihrung kam. In einem recht bescheidenen Laboratorium hat er in Fortsetzung der IJntersuchungen von M. Hcintz iihcr die Trennung von Fetlsauren eine Reihe wertvoller Arbeiten iiber deren chemische Konstitution durchgefiihrt, so z. B. durch den Ahbau der hiiheren zu den niedrigeren Sauren iiber die Alkylmethylketone. Er synthetisierte auch aus Mono- chlorhydrin und den Kaliumseifen die ersten reinen Mono- glyceride.

I n der Folgezeit zog es mich zu Enid Fisclzer nach Berlin. Seine grundlegenden Arbeiten, hesonders iiber Zucker und Eiweil3, hatten ihm 1902 den Nobel-Preis eingebracht. Aber auch die dritte grofle Gruppe von Nahrungsmitteln, die Fette, nahm er in Angriff. Als er im Jahre 1919 starb, wiirdigte einer seiner altesten Schuler, der Erfinder des Antipyrins und Schiipfer der Pyraaol-Chemie, mein unvergessener Lehrer Ltctlwig Knot-I ?, die wissenschaltlichen Verdienste seines Ixh- rers und Freundes bei einer Gedachtnisfeier in Berlin und schlol3 mit den Worten:

,,In do. lctzten Zeil vor seinem To& hat Fischer rine schijne Metlrorlcr zur Dnrstellung zion Glyceriden untcr BP- nutziing Zion Acctonglycerin uiisgpbriirt nncl Wanderungen dcr A c y l ~ c s t i ~ feslgcstellt. Diesc Vermchr zeigrn, dab er die Absicht huttc, auch cias Gcbiet dcr Fettsirbstnnzen einer plan- niii13igen Un~ersirchrrng z u ttnterwrrfrn. Wir missen es aufs tiefstc brklagrn, dub c r dicse Absicht nicht mehr verwirk- lichen konntr."

Diesem Bedauern miissen wir uns noch heute anschlie- flen, denn es ist unverkennbar. daB in der Folgezeit nur wenige der fiihrenden deutschen Chemiker sich niit dem Studium der Fette befaaten. Wahrend sich Kohlen- hydrate und EiweiB einer besonderen Beachtung er- freuten, ist das groi3e Gebiet der E'ettforschung bis in die jiingste Zeit vernachlassigt worden. Die Griinde liegen in den Schwierigkeiten der Erforschung von Ver- bindungen, die zu einem groi3en Teil schlecht kristalli- sieren, sich teilweise durch Autoxydation und Poly- merisation leicht verandern und eine Fiille von Isomerie- Moglichkeiten aufweisen. Noch heute gibt es i n der Natur viele Fette und Ole, deren Zusammensetzung wir nicht kennen.

Welch starke Impulse ein hervorragender Forscher auch der Industrie seines Vaterlandes geben kann, zeigt das Beispiel von 111. E . Chcvreul (1 786-1889). Er klarte die Glycerid-Struktur der natiirlichen Fette auf und schuf die Grundlagen der wissenschaftlichen Fettchemie '. Viele Namen, die er Fettstoffen gab, verwendet der Pettchemiker noch heute tagtaglich ". Franzosische For- scher erweiterten die von Chevreul erarbeiteten Erkennt- nisse (Braconnet. Bussy, Lecanu, Frdmy, Berthrlot u. a,), und wichtige Zweige der franzosischen Industrie

s. den Nachruf auf L. Knorr von P. Dudcn und H. P. Kntcfincinn, Ber. dtsch. chem. Ges. 60, 1 [1927]. s. die Gedenkworte, die ich anlaillich der 150. Wiederkehr seines Todestages ,,Zur Erinnerung an Chevreul" schrieb, Fette u. Seifen 43, 149 [1936]. Die DGF verteilte wahrend ihrer Vortragsveranstaltung in Miinchen (2.-6. Oktober 1950) an die Teilnehmer eine Reproduktion des im Louvre in Paris befindlichen Bildnisses von Chevreiil.

'$ Glycerin (franzosisch: glycbrine fur Ulsul3) ; Stearinsaure (acide stearique, aus Talg = stear hergestellt), vorher acide margarique (nach den perlmutterglanzenden Kristal- len des Kaliumsalzes der Palmitin- oder Stearinsiure; margaros = Perlmuschel), woraus sich spater der Name Margarine herleitcte; Ulsaure (acide oleique) sowie Ca- pronsaure und Caprinsaure (capra = Ziege).

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 63. Jahryany Nr 10 1961

Page 2: 25 Jahre Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft (DGF)

verdanken Chcvrcvtl u n d seinen Schiilern durch viele j a h r z e h n t e ihre in te rna t iona le Fiihrung. Nachdem Clie- z w c / ~ L genieinsam tnit C. Gay-Lussac i m Jah re 1825 ein Pa ten t zu r Her s t e l lung v o n Kerzen aus S tear insaure genommen hatte. bau te de M i l l y diesen Indus t r iezweig auf . D i e franzosische Se i fen- Indus t r ie n a h m gleichzeitig e inen beachtlichen Aufschwung, und Mdge-Mouri6s stell te in d e r Folgezeit die ers te Margarine her.

Die Geschicke der Forschung eines Landes s ind m i t seiner wirtschaftlichen u n d politischen Si tua t ion eng verknupft . Daf i i r g ib t es kein besseres Beispiel a l s d i e Fettforschung. W o l l t e m a n annehmen , dafi letztere in Deutschland bei giinstiger Wir t schaf t s lage besonders gefijrdert w o r d e n sei. so befande m a n sich i m I r r t u m ; denn d e r v o n Fri l z HnDer gezogene Vergleich zwischen Religion u n d Forschungsforderung ist leider richtig: So wie v i d e Menschen ers t in Notze i ten das Beten le rnen , so er innern sich die Regierungen meist erst dann der Forschung, wenn es ihnen schlecht geht . Aber oft ist es x u spat. Ein L a n d , das nicht a u s eigener P roduk t ion iiber ausreichende Lebensmi t te l o d e r industrielle Rohstoffe verfiigt, w i r d ohne d i e H i l f e einer auf weite Sicht ge- p lan ten 1:orschung i n N o t gera ten , sobald die Impor t e ausbleiben.

W e n n w i r der geschichtlichen Entwicklung der d e u t - s c h e n Fettforschung nachgehen, so sehen wir diese Zusammenhange bestatigt. Der Z e i t Liebigs, dessen Schiiler Varrriitrn/$. Rochleder, Fehling u. a. sich auch m i t d e r Fettchemie befafiten, folgten Perioden unge- storter wissenschaftlicher Arbe i t , d a n n Jahre der Fett- no t wiihrend des e rs ten Weltkrieges u n d der Inflation, da rau f des Fettuberflusses nach der Wahrungs re fo rm, seit 1933 der Autark ie-Bes t rebungen wahrend des na- tionalsozialistischen Regimes und des zwei ten Weltkrie- ges. dann nach d e m Zusammenbruch wieder einer Fe t t - no t von 1945-1948 u n d schliefilich des Uberflusses nach der W a h r u n g s r e f o r m des Jahres 1948.

L'or den1 prsteii ll'eltkrieg

N u r in grofien Zi igen konnen die deutsche Fe t t for - schung und die deutsche Fe t tversorgung, etwa beginnend mi t d e r J ah rhunder twende , gebracht werden l .

Auf dem Gebiet der Grundlagenforschung stoBen wir auf den Namen von A. Biimer, mit dem ich nach meiner Berufung nach Miinster viele Jahre freundschaftlich verbunden war und nach dessen Tod ich die Vertretung der Lebensmittelchemie an dieser Universitat iibernahm. Die Unterscheidung tech- nischcr und pflanzlicher Fette durch die Phytosterinacetat- Methode nach Riiiiter wird noch heute angewandt, ebenso der Nachweis von T'alg in Schweinefett nach seiner Schmelzpunkt- Differenz-Methode. Bijmer war auch einer der ersten, der sich mit der chemischen Konstitution gemischter Glyceride eingehender beschiiftigte, sie synthetisierte und aus Natur- frtten durch fraktionierte Kristallisation oder einige der- sclhen durch Hochvakuum-Destillation in reiner Form ge- wann. Um 1910 begannen die auf ahnlichen Gebieten liegen- tien Untersuchungen von '4. Grin. Auch die ersten Arbeiten vim A . \ I ' i nduus iiber die Konstitution des Cholesterins fal- Icn in diese Zeit. E r entdeckte die Digitonin-Fallung, die noch heute in Anwendung ist. Auf dem gleichen Gebiet war 0. Zlicls tatig. Fur die Konstitutionsermittlung ungesattigter Fettsauren erlangte die von C . Harries gefundene und erst- mals auf Ulsiure angewandte Ozonspaltung groBe Bedeutung. Z:. Eidmann erkannte 1909 die Konstitution der Linolensaure,

F E T T E ' S E I F E N ' 63 J a h i g s n q

A N S T R I C H M I T T EL Nr. 10 1961

E. Vongerichlen4 fand im 01 der Petersilien-Samen die Pe- troselinsaure und C . Paul hydrierte Ule und Fette, angeregt durch die Erfindung von W . Normann, mit Palladium- Katalysatoren. E. Abderhnldcn stellte optischaktive Gly- ceride her.

Die A n a 1 y s e d e r F e t t e fuflte zu jener Zeit auf dem Kennzahlen-System, das mit den Arbeiten osterreichischer Chemiker eng verkniipft ist. Die Namen Hiibl, I i o n u s , Rei- chert, Mcissl und Hazzcra sind noch heute dem Fettchemiker gelaufig. Man war bestrebt, zahlreiche Naturfette durch diese Kennzahlen zu charakterisieren. Dazu kamen die Farbreak- tionen, die heute in ihrer Bedeutung stark in den Hinter- grund getreten sind. Von den in dieser Epoche in Deutschland gefundenen Methoden sei die Krris-Keaktion erwahnt, die zum Nachweis der Ranziditat diente. Nur einige weitere Forscher, die sich mit der Fettanalyse beschaftigten, seien genannt: D. Holde, TY. Herbig, E. Erdniann. E. Gliimn, W. Fnhrion. W . Vaiibel, J . Davidson und H . W o l f i . Eine quantitative Methode zur Bestimmung des Glycerin-Gehaltes von Fetten beschrieb Ii. Willstutter. W'. Norinann verwandte erstmals Essigsaureanhydrid zur Bestimmung der Acetylzahl und Engler das nach ihm benannte Viskosimeter auf dem Fettgebiet. Die Analyse der Wachse forderte G. Ruchner; noch heute wird die Buchncr-Zahl benutzt.

Auf t e c h n i s c h - c h e m i s c h e m Gebiet weist diese Epoche eine Anzahl bedeutsamer neuer Verfahren auf. In erster Linie ist die katalytische Hydrierung der Fette zu nennen, erfunden von dem westfalischen Chemiker Wil l ie lm Normann. Viele Jahre war ich mit ihm befreundet und konnte ihm noch kurz vor seinem Tode im Jahre 1939 die Wahl zum Ehrenmitglied unserer Gesellschaft und die in Aussicht genommene Verleihung der Ehrendoktor-Wiirde der Universitat Miinster mitteilen 5 . Zwar wurde sein grund- legendes Patent bereits 1902 erteilt, die grofltechnische An- wendung in Deutschland fallt aber in die letzten Jahre vor dem ersten Weltkrieg. Die Fetthartung machte es moglich, erhebliche Mengen von Fetten und Ulen dem Ernahrungs- sektor zuzufiihren. Wahrend des ersten Weltkrieges wurden '/? bis */3 der industriell hergestellten Nahrungsfette unter Heranziehung der Fetthartung hergestellt. Welche Bedeutung sie auch fur die Bevolkerung anderer Lander hatte, geht aus den Worten eines fiihrenden japanischen Fettchemikers her- vor: Prof. Toyama brachte im AnschluB an die Verleihung der Normann-Medaille im Jahre 1958 in seinen Dankeswor- ten zurn Ausdruck, dai3 W. Norniann die Verwendung der Fischole zu Nahrungszwecken ermoglichte und damit ..zum Wohltater des japanischen Volkes" geworden sei.

In bezug auf weitere technische Fortschritte, die vor den] ersten Weltkrieg in Deutschland erzielt wurden, muB ich mich auf wenige Hinweise beschranken: Die kontaktfreie Fett- spaltung im Autoklaven (,,reine Wasserspaltung"), die Her- stellung van Standolen bei LuftabschluB, die Bleichung mit Benzoylperoxyd und mit Persulfaten, die Desodorisierung von Fetten und Ulen mit uberhitztem Wasserdampf ini Vakuuni, die Verwendung von Fettsaureamiden als Emulgatoren und die enzymatische Fettspaltung nach Cormstein. Erstmals wurde in der N l h e von Miinchen gewonnener Ton in aktivierte Bleicherde umgewandelt. Alkyl- und Arylester der Phthal- saure fiihrte man in die Lack-Industrie ein, stellte aus Phe- nolen und Formaldehyd die ersten Harz- und Schellacl- Ersatzmittel her und befaflte sich mit ,.Fettliiser-Seifen" sowie abgewandelten Tiirkischrotijlen.

s. H . P. Knufmonn, E. Vongerichten zum Gedachtnis, Ber. dtsch. chem. Ges. 64, 201 [1931]. s. If. P. Krrufmann, W . Normann zum Gedachtnis, Fette u. Seifen 46, 259 [1939]. Die D G F handigte anlai3lich ihrer Vortragstagung in Hamburg am 7.-11. 10. 1951 den Teil- nehmern das Bild W . Norinanns aus.

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Das kaiserliche Deutsche Reich der Vorkriegszeit er- ltaufte seine Entwicklung zum Industriestaat mit der Notwendigkeit, landwirtschaftlich erzeugte Nahrungs- mittel, in erster Linie Fette und Ole, einzufuhren. Der in fruheren Zeiten bliihende deutsche Ulsaaten-Anbau kam im Zuge der Industrialisierung fast ganz zum Er-

liegen, wahrend der Fettverbrauch standig anstieg. Die nachstehende authentische Statistik iiber die Fettversor- gung Deutschlands vor dem ersten Weltkrieg ist in verschiedener Hinsicht von Interesse. Sie stammt von dem ,,Kriegsausschu& fur Fette und Ole'', auf dessen Tatigkeit noch eingegangen werden soll.

Deritscher Verbrauch pflanzlicher und tierischer Ole und Fette vor den1 ersten Weltkr ieg

A. P f l a n z l i c h e a l e u n d F e t t e I. A u s O l s a a t e n

a) Azis dem Auslande Arten (Durchschn. 12/13) EinfuhriiberschuR

in to davon * /o 01 U1 in to

Raps, Riibsen Dotter, Olrettich, Hederichsaat Mohn, Sonnenblumensamen Bucheckern usw. E r d n ii s s e Sesam Leinsaat, Leinmehl Hanfsaat Kopra Baumwollsamen Sojabohnen-, Illipe-, Schinusse, Mowrasaat usw. Palmkerne und sonstige Z'llfriichte und Ulsamereien

133 516 2 569

18 495 383

83 978 107 525 440 444

5 756 189 109 216 947 125 488 247 715

35 27 37 22.5 45 48 31.5 28.4 62.1 17 14.5 45.5

46 731 693

6 843 86

37 790 51 612

138 740 1635

117 437 3G 880 18 196

112 710

b ) Aus dem Inlande Summe 569353 569 353

30 000 30 000

11. F e r t i g e U 1 e [EinfuhriiberschuS bzw. AusfuhriiberschuR (-) Durchschn. 12/13]

fette Z'lle

Raps, Riibol Leinol Bohnen-, Soja-, Lavat-,

samen-, Holz-, Ricinus-, Knochen- u. a. fettes 0 1

ErdnuS-, Sesamol Baumol fette Ole, nicht in Fassern

- 2 125 2 155

Sulfur-, Bauniwoll- Bucheckern-, Klauen-,

49 967 - 12 535

2 755 39

40 254 40 256

13 414 - 38 542 - 38 544 - 30 620

-21 136 2 235

10 235 10 235 - 47 667 - 47 667 - 47 GF7

speisefett - 11s - 118 - 118

Kakaobutter-, -Dl Muskatbutter, LorbeerGI, Baumwollstearin

Kokosnufiol Mowraol, Schibutter u. a. pflanzl. Ta lg (ung.) Ulsaure Pflanzl. Ta lg zum Genus Margarine, Kunstbutter, Margarinekase, Kunst-

Summe -35838 - 35 838 - 35 838

B. T i e r i s c h e F e t t e I. D u r c h E i n f u h r

Schweineschnialz (auch Ganseschmalz) Oleomargarin 132 204 Premier jus (auch rohes Schwrine- und Gansefett, Schweineflomen) 19 987 Talg von Rindern und Schafen, PreStalg 23 849

- 5 089 Tran, Speck, Fett von Fischen, Robben, Walfischen 42 582 Butter 54 650

Summe 268 183

[Einfuhriiberschufi bzw. AusfuhruberschuR (-) Durchschn. 12/13]

Knochenfette, Abfalliette, Stearinteer

268 183

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 63. Jahrgang Nr . LO 1961

Page 4: 25 Jahre Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft (DGF)

11. H e i m i s c h e P r o d u k t i o n

a) Fett nits Schlnchliingen b) Beschaupfl. Summe pro Kopf Schlachtungen aller Durchschn.

a) Hausschl. 11/12 Fette

Gattung Durchschn. 12/13 Schlachtungen in kg

Jungrinder iiber 3 Monate a) 23888

Kiihe a) 33004

Rullen a) 3201

Ochsen a) 2 853

Schafe a) 509444

Schwei ne a) 5794 165

b) 879032 902 920 25 22 573

b) 1733561 1766565 25 14 164

b) 598 138 601 339 15 9 020

b) 518244 521 097 35 18 238

b) 2092 989 2 602 433 4 10 410

b) 17 872 028 23 666 193 25 591 655

b) 469798 1201 653 2 2 403 Ziegen a) 731 855 1.. k .

Summe 698463 698 463

h ) Felt aus andrren Quellen Butter 399 300

12 000 Knochenfett und Knochenol (150 000 to Knochen, 8 O / o Extraktionsergebnis)

Summe 411 300 411 300

Gesamtsumme aller konsumierten pflanzlichen und tierischen Ule und Fette 1941 461

Aus der Tabelle ist ersichtlich, dai3 der im Durchschnitt der Jahre 1912 und 1913 insgesamt rd. 1.9 Mill. to be- tragende Bedarf an Fetten zu 1.5 Mill. to Nahrungsfette betraf gegeniiber 0.4 Mill. to fur technische Zwecke. Er wurde ganz iiberwiegend durch t i e r i s c h e Fette gedeckt. Der Konsum an Schweinefett betrug 591 655 to eigener Erzeugung und 132 200 to Importschmalz, ohne daB damals von Kreislauf-Erkrankungen oder Chole- sterin-Schaden durch tierisches Fett die Rede sein konnte! Weit geringer war der mit 569353 to ausgewiesene Verbrauch an sanitlichen pflanzlichen Ulen, die auch fur technische Zwecke (Leinol, Riibol, Ricinusol) bestimmt waren. Damals lag Leino1 an der Spitze, wahrend der Import des heute fiihrenden Sojaoles wenig mehr als 18 000 to betrug. Den groi3en Mengen importierter Ule bzw. Ulsaaten standen nur 30 000 to deutscher Erzeugung gegeniiber. Die Hoffnung auf eigene Rohstoffe aus den deutschen Kolonien wurde 1914 hinfallig. Da auch die aus den USA und Rui3land in einer Menge von 400 000 to jahrlich eingefiihrten Ulkuchen nach Ausbruch des ersten Weltkrieges fortfielen und daher der Viehbestand und die Buttererzeugung rapide zuruckgingen, hatte die eng- lische Blockade in bezug auf die Fettversorgung der Bevolkerung katastrophale Folgen. Wie man wahrend des ersten Weltkrieges und der darauf folgenden In- flationszeit die Fettnot beheben wollte und welche Rolle die Fettforschung dabei spielte, ist nach turbulenten Zeitliiufen in Vergessenheit geraten. Es sol1 darauf nachstehend kurz eingegangen werden.

Der crste Weltkrieg Als das Deutsche Reich im Jahre 1914 in Erfiillung sei-

ner Biindnisptlichten gegeniiber Usterreich in einen Krieg verwickelt wurde, verfiigte es nur uber diirftige Vorrate an Lebensmitteln. Nachdem sich der Glauben an eine kurze Kriegsdauer als irrig erwiesen hatte, begann man im Dezember 1914 mit der Zwangsbewirtschaftung der

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Lebensmittel. Zunachst wurden ,,Abrechnungsstellen" eingerichtet, so fur die Seifen- und Stearin-Fabriken, fur die Ulmiihlen und die Lack- und Farbenfabrikanten. Dann folgten die Bewirschaftung der Margarine und Speisefette, der Naturharze, des Oleins usw. Urn die Verteilung der Rohstoffe zu regeln, wurde im Februar 1915 der bereits erwahnte ,,Kriegsausschui3 fur pflanz- liche und tierische Ule und Fette" gegriindet. Ihr Leiter war Dr. Weigel t , Direktor der Deutschen Bank in Berlin. Dem Kriegsausschui3, dessen Kompetenzen nach und nach zu einer Monopolstellung fiihrten, oblagen auch die Beschlagnahme und die Aufbringung samtlicher im da- maligen Deutschland vorhandenen und produzierten Ule und Fette sowie die Verteilung der Margarine und Speiseole. Er begann seine Arbeit mit der Beschaffung des damals nicht vorliegenden statistischen Materials. Die angestellten Erhebungen ergaben die in der Tabelle geschilderten Verhaltnisse in bezug auf den Fettverbrauch, die eigene Produktion und die Einfuhr von pflanzlichen und tierischen Fetten sowie von Ulsaaten. Der durch- schnittliche Fettverbrauch je Kopf der Bevolkerung vor dem Krieg wurde auf 70 g taglich errechnet. Um die wahrend des Krieges immer schwieriger werdende Fett- versorgung - schon 1915 sank die zur Verfiigung stehende Fettmenge auf 860 000 to - aufrechtzuerhalten, wurden zuachst Verordnungen uber die Einsparung von Fetten und Ulen fur industrielle Zwecke erlassen. Der Fettverbrauch fur Seifen- und Waschmittel wurde auf ein Minimum reduziert und die Verseifung von Fetten verboten, desgleichen die Verwendung fur Lacke und in der Kosmetik, in FuGbodenolen, zu Schmierzwecken, zu Brennzwecken, zum Aui3enanstrich, in der Leder- und Textil-Industrie. Sogar der Verbrauch in Apothe- ken, Drogerien und chemischen Handlungen wurde untersagt. Dadurch konnte bereits Mitte 1916 der Ver- brauch auf industriellem Gebiet von 430000 auf etwa 40 000 to jahrlich gedrosselt werden. Um fur industrielle

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Zwecke aus Abwissern Fett zu gewinnen, veranlafite der KriegsausschuR den Einbau von etwa 4000 Fettabschei- dern in die Kanalisation.

Hand in Hand mit diesen seit Beginn der englischen Blockade imrner dringender werdenden Mafinahmen ging die Erzeugung von :,Ersatz"- und ,,Austauschstoffen". Auf dem Seifengebiet gab der Kriegsausschufi bestimrnte Rezepturen an. Nachdem noch im April 1916 durch eine Verordnung uber den ,.Verkehr mit Seifen, Seifenpulvern und anderen fetthaltigen Waschmitteln" pro Kopf der Beviilkerung gegen Vorlage der Brotkarte monatlich 100 g Feinseife und 500 g Seifenpulver ausgegeben worden waren, folgten genaue Vorschriften fur fettarme Waschpulver und Seifen. Da auch die Soda knapp wurde. bestand z. B. ein Waschpulver aus 5 O i n Fett- sauren, 25 O i o Soda, 15 bis 17 O i o wasserfreiem Natrium- sulfat und 10 bis 12Oia Wasserglas, wahrend die Stuck- seife des Kriegsausschusses (KA-Seife) a m Kaolin bzw. Ton unter Zusatz von 1 0 ° / o oder weniger Fettsauren bestand. In Nachahmung von Schmierseifen produzierte der Verband der Fabrikanten fettloser Waschmittel sog. .. Reinigungspasten" aus kolloidalem Calciumsilikat, das bei der Reaktion zwischen Wasserglas und Kalkniilch entsteht. Dam kainen Reinigungsmittel unter Zusatz von Leim, I'flanzenschleimen usw. Die Lack- und Papier- Industrie behalf sich im wesentlichen mit Naturharzen, die bei umfassender Harzung der Kiefernwaldungen an- fielen. Auch Cumaronharz wurde eingesetzt. Erstmals wurden das Tall61 und synthetische Harze benutzt. 'I'onhaltige Waschpulver-Rezepturen waren genehmi- gungsptlichtig, auch flussige Waschmittel der Kontrolle des Kriegsausschusses unterstellt. Nicht weniger als 2000 Erzeugnisse wurden zur Genehmigung angemeldet, die durch das Kaiserliche Gesundheitsamt erteilt wurde. Ein l'reisausschreiben, an dem sich .51 Bewerber beteiligten, betraf den Ersatz des Leinoles fur Anstrichzwecke. Harz, Terpentinol und Schellack wurden erfafit und rationali- siert, die Methoden der Harzung der Walder verbessert. Der Ausschufi ubernahm auch die Sorge um den von den Militarbehiirden benotigten Kaltleim fur Flugzeuge auf Casein-Basis.

Weit schwieriger war die Sicherstellung des Fett- bedarfs auf dem Ernahrungsgebiet. Im Vordergrund der hier notwendig erscheinenden Mafinahmen stand die Forderung des Olsaaten-Anbaues, in erster L i n k von Raps, Riibsen, Senf, Mohn, Lein und Leindotter. Der Soja-Anbau wurde versucht. Dazu trat die Fettgewin- nung aus bisher vernachlassigten Fettquellen, so z. B. aus Baumfruchten jvon Buchen, Ficht en. Linden, Ulnien, Ilrlen, Eschen, Akazien, Kastanien usw.), Kernen ver- schiedenartiger Obstsorten (so von Apfeln und Birnen), von Hagebutten, Kurbiskernen, Tabaksamen, Gemuse- samen usw. Man richtete zur Weiterleitung der meist von Kindern gesammelten Olfriichte zahlreiche Sammel- stellen ein. Der Olsaaten-Anbau stieg betrachtlich an. Im August 191 7 legte der Kriegsausschufi fur pflanzliche und tierische Ole und Yette dem Reichstag eine Denk- schrift uber die bis dahin im Reichsgebiet und den besetzten Gebieten getroffenen wirtschaftlichen Mafi- nahmen vor.

Die Anhauflache liir Olsaaten war auf 135 000 ha gestiegen, insgcsamt wurden 455 000 ha geplant. Die Einfuhr aus Hol- land und den nordischen Lindern ging unter englischem Druck zuriick. Die Tiirkei lieierte nur etwa 4000 to Ulsaaten bzw. Olivenol, nus Usterreich kamen nur 102 to herein. Um den

deutschen Ulsaaten-Anbau zu fordern, wurden an die Land- wirte 10000 to Dungemittel in Form von Pramien verteilt und im Fruhjahr 1917 Vertrage fur den Anbau heimischer Sommer-Ulfruchte abgeschlossen; auch hierfur wurclen Pramien (je Ilektar Mk 150.-) gewahrleistet. Mindestertrage warm j e Hektar 600 kg Mohn. 600 kg Sommerriibsen, Leindotter und Gelbsenf 800 kg, Braunsenf 1400 kg. Das Saatgut wurde unter dem Einstandspreis abgegehen. Fur die Kultur der Sonnenblume erwies sich das Klima ebenso wenig geeignet wie fur Soja. Ohstkerne und Fichtensamen lieferten etwa 4000 to 01, die Getreideentkeimung wurde angeordnet. Die Ule wurden der Margarine-Industrie zugefiihrt. Eine Anzahl der dieser Inclustrie angehdrenden Betriebe mudte wegen mangelhafter Fahrikation geschlossen werden. Als kriegswirt- schaftliche Madnahnie wurden etwa 700 Ulmuhlen bis auf 15 Grodbetriebe gegen Entschadigung stillgelegt. Daneben blieben 5 Extraktionsanstalten in Betrieb. Die gewerhliche Herstellung von Dl wurde genehmigungspflichtig. Dem an- bauenden Landwirt blieben 50 kg j e Ernte fur den eigenen Haushalt uberlassen.

Zur Erhiihung des Anfalls tierischer Fette wurde die Ver- wertung der Knochenfette, der Grieben, der Schlachtabfalle - fur technische Zwecke Abdeckereifette - gefordert.

Insgesamt ging trots! dieser Mafinahmen der Fett- anfall auf etwa der Vorkriegszeit zuriick. Da auch die Einfuhr aus neutralen. nicht der Blockade unter- worfenen Landern, insbesondere Skandinavien und der Turkei, immer unbefriedigender wurde, erreichte die Fettnot ein heute kaum noch vorstellbares AusmaR. Die Blockade fuhrte zu einer Katastrophe, die sich be- sonders in den ,,Ruben-Wintern" der letzten Kriegsjahre aufierte. Bei unzureichender Versorgung mit Brot (Bei- mischung von Blattpulvern) und Kartoffeln, die sich die Stadtbewohner in kleinen Mengen von der Landbevol- kerung erbettelten, blieben als nicht bewirtschaftete Nahrungsmittel in der Hauptsache Dorrgemiise, Ruben und Melasse. An Fett standen taglich kaum 7 g zur Ver- fugung, soweit uberhaupt die Belieferung auf Bezugs- scheine moglich war. Die Blockade hat infolgedessen wahrend des ersten Weltkrieges und in der Inflationszeit Millionen von Menschen, meist Frauen, Kindern und alteren Personen, Siechtum und Tod gebracht. Mogen sich die heute fur die Ernahrung der Bevolkerung ver- antwortlichen Stellen bewuflt sein, dai3 eine Absperrung der Bundesrepublik vom internationalen Markt zu noch schwereren Folgen fuhren mufi, verursacht durch die erhohte Bevolkerungsdichte und durch den Ausfall der Anbauflachen in ostlichen Agrargebieten.

Hat die Fettforschung im ersten Weltkrieg dazu bei- getragen, die Fettnot zu lindern?

Schon im Jahre 1915 rief der Kriegsausschufi fur Fette und Ole eine ,,Wissenschaftliche Abteilung" unter Vor- sitz von Dr. A . Kizetsch ins Leben. Unter den ,ordent- lichen Mitgliedern" finden wir die Namen hervorragen- der Forscher wie der Professoren E . Fischer (Berlin), C. Engler (Karlsruhe), F. Kerp (Berlin) und D. Holde (Berlin) sowie des Industriellen Dr. A . Welter (Krefeld). Ein ,,Arbeitsausschui3" bestand aus den Professoren Jzickennck (Preufiische Landesanstalt fur Lebensmittel-, Arzneimittel- und gerichtliche Chemie), Zzrn~z (Berlin) sowie aus ,,ordentlichen Referenten" (Dr. Fahrion, Dr. Bergcll, Dr. Stiepel, Dr. G c r l a h u. a,). Die fachliche Mitarbeit wurde in den Kommissionen A bis I geleistet: A : Erniihrungskommission (Vorsitz E. Fischer); B: Fett- sauresynthese-Kommission (C. Ettg ler , C. Harries) ; C: Vergleichsanbau-Kommission (Behrens); D: Lackleiniil- Kommission (D. Holde); E: Margarine-Kommission ( A .

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Kiictsch); 1:: Gewinnung pflanzlicher Ersatzstoffe (Kerf i ) ; G: Montansaure-Kommission (1. Marcusson); H : Leder- fett-Kommission (D. Holde); I: Fetthefe-Kommission ( WeigeZt). Jede dieser Kommissionen zog eine groi3e Zahl von Sachverstandigen heran. Es war also ein groi3es Aufgebot von Ver t rekrn der Wissenschaft, der Landwirtschaft und der Industrie. Ihre Aufgabe war, die Rationalisierungsmafinahmen wissenschaftlich zu untermauern. besonders aber auch die zahlreichen Vor- schlage zu priifen, die von Berufenen und Unberufenen gemacht wurden. Sie ziihlten nach Hunderten.

Auf dem Gebiet der pflanzlichen Ersatzstoffe gah es kaum eine Ulquelle, die nicht zur Diskussion gestellt wurde, so zahlreiche Baumfruchte (yon Linden, Eschen, Ulmen, Aka- zien, Ahorn), Samen verschiedener Kohlarten, von Farnen, Bilsenkraut. Fingerhut, Spitzwegerich und anderem Unkraut, von Klatschniohn, Kletten, Disteln, Sterhapfel usw. Man schlug vor, die Boden von Udland mit Alkohol zu extrahieren, um das Fett der Bodenbakterien zu gewinnen, und errechnete eine Ausbeute von 1.50 g Fett aus S O m3 Erde. Die Verwertung von Kaffee-Satz wurde ausgiebig diskutiert. Zwecks Gewinnung tierischer Fette fur technische Zwecke wurden die unglaub- lichsten Vorschlage gemacht, wie z. B. die Verarheitung von Ratten, Mausen, Krijten, Maikafern, Kaupen usw. Sogar die Haarabfille der Friseure sollten extrahiert werden, und man errechnete bei einer wochentlichen Ausheute von etwa 1 kg je Friseur und einem Gehalt von 3 O / o .,Fett" eine monatlirhe Ausheute von S bis 4 to. Wird auch der Fettchemiker derartige Vorschlage nur von der humoristischen Seite betrachten, so eeigen sie doch den Fcttmangel und die auderste Notlage der Bevolkerung.

Oberblickt man die grofie Zahl der in der Fettver- sorgung tatigen, teils hervorragenden Chemiker, Tech- niker, Biologen, Landwirte usw., so mui3 man das praktische Ergebnis als wenig befriedigend bezeichnen. Neben den Erschwernissen der Kriegs- und Nachkriegs- zeit ist daran in erster Linie die Vernachlassigung der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Fette und Fettprodukte verantwortlich zu machen. Nicht zu Unrecht schrieb im Oktober 1917 der Herausgeber der ,,Che- mischen [Jmschau'', Dr . Fahrion, dessen Name als der eines weitblickenden Chemikers genannt werden mui3: ,, Der gcgenwiirtigc Krieg hut i i m die hohe Bedeutii~ig der Felt[, fiir die nirnschliche Eriiufzrung wid f u r die Trclmik drirtlich vor Augen gefiihrt. Angesichts dieser Redcirtutig ist (IS einigrrmaflen bescliamend, dafl wir iiber dir %trsattiiiicrisetziing der natiirlichen Fettc noch verh~i l t i i i s i , r i i~ ig ?denig wisseii, obwofil Chewreul schon vnr 100 Johrcn die Gri ind lagen der wissenschaftlichen Fettcfteniie geschafcn fiat."

Fafirion machte dafur die ,,einseitige Bevorzugung der aromatischen Cheinie als Folge des Aufschwungs der Teerfarben-Industrie" verantwortlich, die auch die Fett- rhemie ,,in den Hintergrund gedruckt" habe.

N u n ist es nur zu verstandlich, dai3 wahrend der Kriegsjahre die Grundlagenforschung in den Hinter- grund trat. 'I'rotzdem liegt eine beachtliche Zahl von wichtigen Veroffentlichungen aus dieser Zeit vor.

Dic grundlegenden Arbeiten von E. Fisclzer und seinen Mitarhb., inshesondere M . BPrgnzann, wurden eingangs bereits erwiihnt; A . Wintlrriis und A. Griin setzten ihre Forschungen erfolgreich fort. Die. zunehmende Bedeutung der Fetthartung veranladte ein eingehendes Studium der sich hierbei ab- spielenden Vorgingr ( W. Norninnn, W. Mcigen, E. Erdnzrrnn, I<. H. l3,rrrc.r u. a,) . Groli war auch die Zahl der Publikationen ilul' prapnrativrm und nnalytischem Gebiet. A. Griin und /<. Linz/)iic/icr gelang die erste Synthese des Lecithins. Die

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. S E I F E N .

damaligen Untersuchungen von E. Fischer und W . Normnnn uher die Umesterung und Umsiuerung von Fetten sind heute wieder aktuell geworden. A. BGmei- und A. Heidushka cr- kannten die ,,Margarinsawe" als ein Gemisch von Palmitin- und Stearinsaure. C. Harries erbrachte wertvolle Nachweise der rhemischen Struktur der Schellacksauren. Viele Arheiten liegen vor iiber Glyceride, Kennzahlen, Naturfette und katnly- tische Hydrierung ( K . H . Bailer, C. Ambergrr, W . Herhig, H. Thonzs, D. Holde, CI. Grimme, A. Griin, H . W o l f f , A. B;j- mer u. a,). Den Nickel-Katalysator fur die Fetthartung stellte man im 01 aus Nickelformiat her ( K . H . Winzmcr). Auf dem schwierigen Gebiet der Naphthensiuren wurden Fortschritte erzielt (L. Davidsohn). Die Erkenntnisse der Vitaminforschung erweckten das Interesse am Vitamingehalt der Fette und Ole. Die lipatische Spaltung der Fette studierten R. Wil1stiittc.r und Mitarbb.

Die Notzeit der Kriegsjahre 1914-1918 und der dar- auf folgenden Inflation haben auf dem Fettgebiet auch zu technischen Erfolgen gefiihrt, d ie nur auf der Basis wissenschaftlicher Forschung erwachsen konnten.

Die bereits erwahnte Paraffin-Oxydation wurde weiter be- arbeitet ( E . Schaal, C. Harries, F. Fisclier, L. C . Kelber, A. Griin, L. Ubbelohdc, A. Eisenstein und H. H . Franrk. Kunst- harze (Keton-, Furfurol-, Cumaron-Harze, Albertole sowie polymere Acrylsaureester und Vinylester) fanden allein und in Kombination mit Naturharzen weitere Verbreitung. Auf dem Seifengebiet gewannen die ,,selbsttatigen Waschmittel*, d. h. die mit Persalzen versetzten, standig an Bedeutung. Glycerin gewann man durch Vergarung von Zucker nach Connstcin und Liiderke oder ersetzte es durch Glykole, konzen- trierte 1,osungen milchsaurer Salze (Per- und Perkaglycerin) und Pflanzenschleime. Wichtige Fortschritte erhrachten die Methoden der kontinuierlichen Extraktion von Ulsaaten nach Bollinann und Hildebrnndt.

Die Zeit iiach detn ersicn Weltkrirg und die Wizoff (I 920-1 935) Die ersten Jahre nach dem Krieg brachten keine Er-

leichterung der Fettversorgung der deutschen Bevolke- rung und der Industrie. Die erhoffte Entlastung des Fetthaushaltes des Reiches nach dem Ausscheiden RUG- lands aus der Front der alliierten Kriegsgegner - auf- grund eines Zollabkommens auf der Basis der Meist- begunstigungen wurde mit Rui3land ein Handelsabkom- men vereinbart - blieb aus. Die fortschreitende Ent- wertung der Mark machte die Einfuhr von Saaten und Fetten unmoglich. Der in einen ,,Reichsausschui3 fur Fette und Ule" umbenannte Kriegsausschui3 behielt seine Funktionen im wesentlichen bei. Bei der Erfassung und Verteilung der Fettrohstoffe stiei3 e r auf mancherlei Kritik, so z. B. bei der Zuteilung a n deutsche und a n in auslandische H a n d e ubergegangene Fabriken. Zum Schutz der deutschen Betriebe wurde ein ,Verband der Deutschen Ulmuhlen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen" mit dem Sitz in Berlin gegrundet.

Wahrend des Krieges hatte sich die Oberzeugung durchgesetzt, dai3 das Fehlen eines staatlichen und unab- hangigen Fettinstitutes ein grol3er Mange1 war. Schon fruhzeitig erorterte die ,,Wissenschaftliche Abteilung" des Kriegsausschusses f u r Fette und Ole die Frage der Errichtung eines Kaiser Wilhelm-Institutes oder eines Reichsinstitutes fur Fettforschung. Nach Kriegsende er- griff dazu auch W. Fahrion das W o r t B . E r bezeichnete die betrachtliche Steigerung des allgemeinen Ansehens der Wissenschaft als eine der wenigen erfreulichen

Chem. Umschau Gebiete Fette, Ole, Wachse, Hnrze 26. 135 [1919].

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Kriegsfolgen und gab der Verwunderung daruber Aus- druck, dai3 angesichts der Fettnot wahrend des Krieges nicht schon langst ein Fettforschungsinstitut ins Leben gerufen worden sei. Heute werde auch von Laien er- kannt, dai3 ein solches Tnstitut notwendig sei, das ,,auch der Allgemeinheit dienen wurde" . Unter Hinweis auf das im Jahre 1914 in Mailand gegrundete Fettinstitut umrii3 W. Fahrion die Wichtigkeit der Bearbeitung fol- gender Probleme: Untersuchung der chemischen Vor- gange beim Reifen von Ulsaaten, Synthese von Fettsau- ren und Glyceriden, Studium des Fettverderbens, Aus- bau der Fettanalyse und Normung der Methoden, wis- senschaftliche Klarung von industriellen Prozessen bei der Raffination, speziell der Bleichung der Ole, Ver- halten trocknender Ule bei der Verfilmung usw.

Die vorgenannte Wissenschaftliche Abteilung" blieb zunachst bestehen, lijste sich aber im Oktober 1920 auf.

Bereits im April 1920 war der Plan aufgetaucht, eine ,, Wissenschaftliche Zentralstelle fur Ul- und Fettfor- schung", abgekurzt Wizoff, ins Leben zu rufen. Die konstituierende Versammlung wahlte am 29. 10. 1920 den ordentlichen Professor der pharmazeutischen Chemie der Universitat Berlin und Direktor des Pharmazeu- tischen Instituts in Berlin-Dahlem, Geheimrat H . Thonas, zum Vorsitzenden.

Es ist kein Zufall, dai3 auch der Vertreter der wissenschaft- lichen Pharmazie i n Leipzig, Prof. K . H. Bailer, und ich selbst, der ich etwa 20 Jahre spater den Lehrstuhl von H . Thoins ubernahm, Vertreter der wissenschaftlichen Phar- mazie waren; denn Fette, Ole und daraus hergestellte Pro- dukte - Glycerin, Seifen, Salben, Pflaster, Linimente usw. - sind in dem DAB \'I mit etwa 70 Arzneimitteln vertreten und erfordern daher das besondere Interesse des Pharmazeuten.

H . Thorns, als vortrefflicher Organisator bekannt, plante eine vielseitige Tatigkeit der Wizoff. Ein Ver- waltungsausschui3 unter seinem Vorsitz bestand aus den Professoren Rrrbner, Holde und Kerp, samtlich in Berlin, Kleberger, Giessen, aus Dr. Welter , Krefeld, Dr. Knetsch und Dr. Weigel t , Berlin, und Direktor B P l l Z ,

Hamburg-Harburg. Die Arbeitsausschiisse waren im wesentlichen die gleichen wie die der Wissenschaftlichen Abteilung des fruheren Kriegsausschusses: Ernahrungs- kommission (Prof. Rribner), Fettsauresynthese-Kommis- sion (Prof. Harries), Ulfruchtanbau-Kommission (Prof. Appel), Leinol-Kommission (Prof. Marcusson), Kunst- speisefett-Kommission (Prof. Kerp) , Seifen-Kommission (Dr. Welter ) , Wirtschaftspolitische Kommission (Dr. Weigel t ) . Als wissenschaftliches Organ wurde die ,,Che- mische Umschau" bestimmt, deren Herausgeber Dr. Fnhrion dem Verwaltungsrat der Wizoff beitrat. Die interessierten Behorden - Reichsernahrungsministe- rium, Reichsgesundheitsamt, Materialpriifungsamt usw. - sagten Unterstiitzung zu. Wieder wurde die Notwen- digkeit eines Spezialinstitutes fur Fettforschung betont. Fur ein Kaiser Wilhelm-Institut fehlte das Geld. Man fand sich daher rnit dem Gedanken ab, dat3 auch in bereits bestehenden staatlichen Instituten anderer Ar- beitsrichtungen die Fettforschung betrieben werden konnte. Die Ergebnisse sollten dann in der W i z o f f zusammenflieflen. Der fur diese zentrale Verwaltungs- stelle anfangs aufgestellte Etat war groi3zugig und wies einen stattlichen Personalbestand auf: 1 Chemiker und 1 chemisch-technischen Sachverstandigen, 2 Laboran- tinnen, 3 Stenotypistinnen, 1 Buchhalter, eine ,,Regi- strierdame", 1 Statistiker rnit 2 Hilfskraften und 2 Lauf-

burschen. Sogar ein Juristisches Zentralbiiro" war ge- plant. Auch wenn man die im Jahre 1919 bereits begin- nende Geldentwertung berucksichtigt, war der Gesamt- etat von 650 000 RM beachtlich. Diese optimistischen Erwartungen erfiillten sich leider nicht. Die Hilfe von seiten des Kriegsausschusses fur Fette und Ole blieb aus, da sich dieser mit Hinterlassung einer erheblichen Unterbilanz aufgelost hatte. Gunstiger hatte die Kriegs- leder AG gearbeitet, die nach Kriegsende einen erheb- lichen Betrag fur die Griindung eines Lederforschungs- institutes hinterliei3. Die Stadt Freiberg i. Sa. stellte fur dieses den Grund und Boden kostenlos zur Verfiigung, der Staat Sachsen einen einmaligen Betrag von 500 000 RM und einen jahrlichen Zuschui3 von 50 000 RM.

Die Wizoff wurde keineswegs von der gesamten Fett- Industrie mit Beifall aufgenommen. In Erinnerung an den Kriegsausschui3 befiirchtete man eine Bevormundung und die Heranziehung der Industrie zu den entstehen- den Kosten. Aufrufe, auch an die Apparate- und Ma- schinen-Industrie gerichtet, hatten nur einen beschei- denen finanziellen Erfolg. Enttauscht von der geringen Unterstiitzung durch die Industrie, erklarten fiihrende Personlichkeiten, wie die Professoren Rribner, Thorns, Kerb und Jzidenack, ihren Austritt aus der Wizoff, deren weitere Entwicklung sie sehr skeptisch beurteil- ten. Nunmehr iibernahm D. Holde den Vorsitz, dem zunachst der Chemiker Rohricht, dann der Privatdozent Dr. H . H . Franck, als Geschaftsfuhrer zur Seite standen. Dai3 aber in den Reihen der in der Industrie beschaf- tigten Chemiker ein lebhaftes Interesse an der Fett- forschung vorhanden war, bewies die Grundung einer ,,Fachgruppe fur Chemie der Fett- und 01-Industrie" in dem Verein Deutscher Chemiker im Mai 1921. Vor- sitzender wurde Dr. Fafarion, sein Stellvertreter Dr. Nornaann. Die Mitglieder dieser Fachgruppe waren im wesentlichen die gleichen wie in der Wizoff. Verniinf- tigerweise tagten die beiden Gruppen wiederholt ge- meinsam. Der Wizoff wurde die Fortfiihrung der wich- tigen Arbeiten auf dem Gebiet der Vereinheitlichung der Methoden der Fettanalyse uberlassen. Bestrebungen in Richtung vereinheitlichter Analysen-Methoden wa- ren schon fruher in der Industrie der Seifen, Wasch- mittel und Textilhilfsmittel im Gange gewesen. Es sei bemerkt, dai3 etwa zur gleichen Zeit die ,,American Oil Chemists' Society" die seit Jahren bestehenden Ana- lysen-Methoden der ,,Society of Cotton Products Ana- lysts'' ubernahm und weiter ausbaute.

Die Entwicklung der Wizoff wurde durch die fort- schreitende Inflation gehemmt. So mui3te 1922 der Bei- trag der 83 Mitglieder auf 1000 Mark fur Einzelperso- nen und 10 000 Mark fur Industrie-Mitglieder erhoht werden. Wie schnell die Entwertung der Mark fort- schritt, geht daraus hervor, dai3 eine einschlagige Fach- zeitschrift den vierteljahrlichen Abonnementspreis von 1.50 bzw. 2.- Mark mit einem Multiplikator versehen muate, der als ,,Schlusselzahl" im Laufe des Monats Oktober 1923 von 100 Millionen auf 16 Milliarden anstieg! Die Ausgaben des Reichshaushalts verhielten sich damals zu den Einnahmen wie etwa 1000:1. Das Wort des griechischen Philosophen Heraklit ,,alles fliei3t" wurde durch den Galgenhumor der Bevolkerung nicht zu Unrecht in ,,alles zerfliedt" abgewandelt.

Die vorstehende Epoche der Kriegs- und Inflations- zeit fand mit der Wahrungsreform Ausgang des Jah-

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res 1923 ein Ende. Die meisten Deutschen hatten i n der Inflation ihr Vermogen verloren; v i d e Fabriken waren infolge der grofieren Kaufkraft auslandischer Wahrun- gen in fremden Besitz ubergegangen. So mufite man von vorn anfangen. Die Stabilitat der ,,Rentenmark" fuhrte in Deutschland aber bald zu einem Umschwung, aus dem auch die Fettwirtschaft Nutzen zog. Der auslan- dische Olsaaten-Anbau hatte inzwischen erhebliche Fort- schritte gemacht, und zahlreiche neue fettverarbeitende Betriebe waren entstanden, so z. B. in den U S A und England. D e r Fortfall der Bewirtschaftung und die stabile Mark erlaubten eine uneingeschrankte Einfuhr von Mlsaaten, Ulen und Fetten. Die gesamte Industrie nahm zunachst einen unerwarteten Aufschwung, aber ihre Kapazitat uberstieg mehr und mehr die Absatz- moglichkeiten. Die Preise der Fette und Fettprodukte sanken unter dem EinfIui3 des Importes aus Staaten groi3en Fettreichtunis und billiger Arbeitskrafte, so z. B. des Sojaoles aus der Mandschurei, auf ein Mini- mum ab. Damals kosteten - es war die Zeit des Hin- denburg-Telegramms an den USA-Prasidenten Hoover - j e 100 kg Sojaol etwa 20.--, Leinol und gehartetes Walol 30.--, Erdnufiweichfett 50.- RM, wahrend die Butter hei 4.- bis 4.80 R M lag. Durch eine Notverordnung vom 23. 12. 1952 ordnete das Reichsernahrungsministeri- um die Beimischung von Butter zu Margarine an. Dime Vorschrift loste innerhalb der Wizoff lebhafte Diskus- sionen aus, und mit Recht sprach Stadlinger von der .gefesselten Margarine". Die damalige Notlage offen- barte sich in den1 Zusammenbruch der groBen Darm- stadter und Nationalbank (Danat-Bank).

Dan auch die Forschung - insbesondere in den Hoch- schul-Instituten - unter der Intlation schwer zu leiden hatte', liegt auf der Hand. Trotzdem ist in dieser Epoche. die bis zum Beginn des nationalsozialistischen Regimes reicht, auf den1 Lipoid-Gebiet mit Erfolg ge- forscht worden.

R. Kithn synthetisierte farbige P o I y e n s a u r e n. Die Konstitution des Cholesterins wurde endgultig sichergestellt ( A . Windniis, H . Wic>land, 0. Dicls). Die ersten Veroffent- lichungen von A. Hutenandt auf dem Steroid-Gebiet erschie- lien, die in der Folgezeit bahnbrechend wurden. A . Griin bcnutzte die Isoolsiiuren zum Nachweis geharteter Fette; mit F. Wit t ka arbeitete er uber die oxydative Spaltung ungesat- tigter Fettsiiuren. W. Normnnn fand in der Dilatation ein wertvolles Mittel zur Untersuchung geharteter Fette. E. Le- derer erbrachte wichtige Beitrage zur physikalischen Chemie der Fette. H . Schmalfufl fand unter den Geruchstoffen der Butter das Diacetyl. Die wieder zur Verfiigung stehenden trocknendcn Ule erfreuten sich einer besonderen Beachtung. Aus den1 Laboratorium von A . Eibner in Miinchen erschienen zahlreiche Veroffentlichungen iiber die Autoxydation und Verfilmung, die Sikkativierung, die Oxyne, iiber den Einflufi der Pigmente auf die Trocknung usw. Die Bromierung der ungesattigten Fettsauren wurde praparativ zur Ermittlung der Zusamniensetzung der Fettsauren natiirlicher Ule heran- gezogen. K. H . Bnitcr befafite sich mit dem Holzol und den Elaeustearinsauren, desgleichen E. Fonrobert und F. Pal- I m f , die auch die Abietinsaure und ihre Ester untersuchten. F. Wilhorn cntdeckte im Oiticica-01 die Licansaure. J . Schei- /)or mid H . W01g versuchten die Polymerisationsvorgange zu tleutrn. /. rl'Ans berichtete iiber anstrichtechnische Versuche. Von der lebensmittelchemischen Seite her hearbeiteten A . Bii- m('r und A . Heid~r.schka zahlreiche Fette. J . Grossfeld verhes- serte die Fettanalyse. und G. Grf i t fmann trennte auf pr i -

' s. H . P . Kaufmaizn, ,,Die Not der chemischen Hochschul- -~

Laboi-atorien", Chemiker-Ztg. 44, 793 [1920].

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parativem Weg die Glyceride des geharteten Waloles. Zahl- reiche Arbeiten berichteten iiber Jodzahl-Methoden, u. a. B. M. Margosches. K. Taufe l und H. Schmalfzr/( begannen eine Serie wertvoller Untersuchungen uber das Fettverderhen. In meinem Laboratorium wurde mit der Enometrie (Rho- danometrie) die ,,systematische Fettanalyse" begonnen, die Emissions-Spektrographie zum Nickel-Nachweis in geharte- ten Fetten henutzt, die Interferometrie und die UV-Spektro- graphie auf dem Fettgebiet angewandt, die jodometrische Saurezahl ausgearbeitet und die gleichzeitige Hartung und Fettspaltung studiert. Wahrend H . Stadlinger sich besonders mit Oleinen beschaftigte, untersuchten I . Dauidsohn und TI'. Herbig die Waschniittel. W . Schrauth studierte die Fettspal- tung. Man erkannte die grofie Bedeutung der von der Hiirte des Wassers unabhangigen und in neutraler oder saurer Flotte waschenden Detergentien. Die Igapone wurden tech- nisch eingesetzt und die Sulfate der Fettalkohole (Typ Fewa) grofitechnisch gewonnen ( H . Bertsch). Die hierzu henotigten Fettalkohole gewann man aus den Fettsauren durch die Hochdruck-Hydrierung (W. Normann, W. Schraiith, 0. Schmidt [1930 bis 311). Mono- und Diglyceride wurden als Emulgatoren eingeliihrt. Die Destillationsentsauerung gc- staltete man kontinuierlich.

Die nach der Wahrungsreform eintretende Blute ging leider an der Wizoff vorbei. Es mufi anerkannt werden, dafi sie sich trotz der schmalen finanziellen Basis bemiihte, die Fettforschung voranzutreiben. Wiih- rend sich die Fachgruppe des VDCh, die nur Mitglieder dieses Vereins umfafite, in erster Linie mit technisch- wissenschaftlichen Problemen beschaftigte (Extraktion, Raffination, Fettspaltung, Har tung usw.), konzentrierte die Wizoff ihre Arbeit mehr und mehr auf die Grund- lagenforschung, insbesondere auf das analytische Ge- biet. Z u r Unterstutzung von Hochschullehrern und freien Untersuchungsanstalten wurden nach Kriegsende bescheidene Betrage an verschiedene Hochschullehrer (Holde, Bomer, Rubner, Neuberg, Berthold u. a.) zwecks Forderung von Forschungsarbeiten auf dem Fettgebiet gegeben. Ein Preis fur wertvolle Arbeiten wurde aus- gesetzt, der nach meiner Kenntnis nur einmal verliehen worden ist, und zwar fur die Einfuhrung des freien Rhodans i n die Mafianalyse und seine Anwendung in der Fettchemie. I n den ,,Generalversammlungen", die teils i n Gemeinschaft rnit der Fachgruppe des VDCh abgehalten wurden, bot die Wizoff wertvolle Vortrage, so z. B. von A . Griin, A . Eibner, D. Holde, G. Greitc- niann, K . Tuufel und H. Stadlinger.

Nach dem Ableben von W. Fahrion (1922) ubernahm K. H. Bazier die Herausgabe der ,,Fettchemischen Um- schau", die damals wochentlich erschien. Es wurde sogar die Herausgabe eines ,, Jahrbuches der Wizoff " beschlossen (Redaktionskomitee: K . H . Bauer, D. Holde, M . Pfliickr). AnlaBlich der Generalversammlung im Jahre 1928 be- riet man daruber, ,,in welcher Weise die Wizoff im Rahmen ihrer finanziellen Krafte die im Argen liegende wissenschaftliche Tatigkeit auf fettchemischem Gebiet fordern und beleben konne". 1,eider waren diese finan- ziellen Moglichkeiten sehr beschrankt. WerbungsmaB- nahmen hatten nur wenig Erfolg, obwohl die im Herbst 1927 erschienene Erstauflage der ,,Einheitlichen Unter- suchungsmethoden fur die Fett-Industrie" den Wer t dieser Wizoff -Tatigkeit unter Beweis gestellt hatte. Die zweite Auflage erschien Mitte 1930 mit Nachtragen uber die Prufung von Klauenolen und die Untersuchung von Tiirkischrotolen (in Gemeinschaft mit dem Verband der Turkischrotol-Fabrikanten, Krefeld). Eine Herauf- setzung des Mitgliederbeitrages verbesserte den Etat

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der Wizoff, deren Einnahmen in1 Jahre 1929 nur .'NOO.- RM betrugen, wenig. Zum Vorsitzenden der Wi - ziiff wurde 1927 Prof. H . H . Fraiick gewahlt, die Lei- tung des Verwaltiingsausschusses blieb in den Handen von Dr. Wcigclt. Die Wizoff trat zugleich der Fach- gruppe Fettchemie des VDCh als korporatives Mitglied bei und stellte damit die Verbindung ihrer Mitglieder z u letzterer her. Zu Ehrenniitgliedern wahlte man die I'rofessoren HoleIc und Facchiiii (Mailand). Die Ver- bindung zu dem vorgenannten italienischen Fettforscher kam zustande, nachdem dieser den Anstoi3 zu einem internationalen Gedankenaustausch iiber fettanalytische Methoden gegeben hatte. Der auf seine Anregung hin ini Jahre 1931 in Genf ins Leben gerufenen .,Com- mission Internationale de I'Etude des Corps Gras" (abgekiirzt IC) schlossen sich auch Italien und Deutsch- land an, in der Folgezeit weiterhin die Schweiz, Hol- land und die Tschechoslowakei. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Facchini, zu seinem Stellvertreter Prof. Steger (Holland) und zum Sekretar der Msterreicher Dr. Sporcr gewahlt. Im Jahre 1933 ging der Vorsitz an Prof. Riutils (Frankreich), im Jahre 1936 an Prof. Ve.sely (Prag) uber.

Schon 1951 gab es Auseinandersetzungen iiber die Arbeitsbereiche der Wizoff. Im Jahr darauf entstanden Meinungsverschiedenheiten in bezug auf eine Um- benennung der Wizoff in eine ,. Wissenschaftliche Zen- tralstelle der 01- und Fett - I n d u s t r i e". Dagegen wandten sich im Interesse unabhangiger Forschung meh- rere in der Wiziiff tatige Ilochschullehrer. Eine von industrieller Seite vorgelegte Denkschrift brachte zum Ausdruck, dai3 1:ragen der Rationalisierung und tech- nische Probleme nicht zii den Kompetenzen der Wizoff gehorten. Diese miisse vollig neutral bleiben, zumal sie kein eigenes Forschungsinstitut habe und offentliche Mittel nicht ztir Verfugung stiinden. Notwendig sei die Besetzung des Sekretariats mit einer hauptamtlich ta- tigen, akademisch und auch fettchemisch ausgebildeten Kraft. Dr.Kcwtrld wandte sich dagegen. dai3 die Wizoff in Patentsachen als Gutachterin auftrat. Manche Sorgen bereitete auch die ,,Fettchemische Umschau", deren Ver- leger von der M'izoff einen Zuschufi erbat. Letztere iibernahm die Herausgabe und Schriftleitung aufgrund cines im Jahre 1931 niit der Wissenschaftlichen Ver- lagsgesellschalt mbH, Stuttgart, geschlossenen Vertrages. Herausgeber wurde K . H . Hairer, der aber noch im gleirhen Jahr zurucktrat. Seine Aufgaben iibernahm der Sekretiir der Wizoff, K . Rir tz . Cregensatze zwischen dem Vorsitzenden und dem Sekretiir sowie zwischen diesem und Mitgliedern der Ausschusse lahmten die weitere Entwicklung. Es zeigte sich, dai3 nur absolutes Ver- trauen innerhalb einer Gemeinschaft ehrenamtlich ta- tiger Menschen und die selbstlose Hingabe an eine ein- ma1 iibernommene Aufgabe zum Erfolg fiihren konnen. Kine der Hauptschwierigkeiten lag auch in dem schon geschilderten Mange1 einer gesicherten finanziellen Basis, an der auch die Anstellung eines hauptamtlich und ausreichend besoldeten Geschiftsfiihrers scheiterte.

Schon 1933 setzten totalitare Bestrebungen der NS- Korperschaften ein, und im Dezember des gleichen Jah- res trat der Verein deutscher Chemiker mit dem Vor- schlag der Eingliederung in einen ,,Chemie-Block" an (lie Wiziiff heran. Ein Teil der Mitglieder verhielt sich ablehnend und riet ziir Gewinnung von Zeit durch

Verhandlungen, andere, auch in der Fachgruppe tatige Chemiker neigten zum Anschlui3. Zu einer Losung die- ser schwierigen Frage kam es nicht. da die Wizoff. durch finanzielle Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten innerhalb des Vorstandes und des Verwaltungsrates nahezu arbeitsunfahig, auch ohne die Vereinigung mit der VDCh-Fachgruppe vor der Auflosung stand. Uni so schwieriger wurde spiiterhin die Situation fur die DGF, worauf noch eingegangen werden soll. Zu jener Zeit schwebten Verhandlungen mit dem RAL, der die von der Wizijff erarbeiteten Methoden in seine Lieferbedin- gungen aufnehmen wollte. Im Januar 1935 betonte Prof, Frctnck, dai3 ,,die finanzielle Lage der Wizoff im Gegensatz zu den Leistungen stehe, die von ihr erreicht wiirden". Die Verbandszuschusse blieben aus. die Mit- glieder-Beitrage wurden immer weniger. Zunachst be- schlol3 man eine Trennung der letzteren von den Re- zugsgeldern der ,,Fettchemischen Umschau", dann wurde ein gemeinsamer ,,Forschungsausschui3" von Wizoff und der Fachgruppe des VDCh vorgeschlagen, nachdem Prof. Schraritlz betont hatte. dai3 letzterer eine berufsbetonte Vereinigung von Chemikern sei, die Wizoff aber eine wissenschaftliche Gesellschaft. Nachdeni eine Aussprache, die im Anschlui3 an eine Gemeinschaftstagung mit der VDCh-Fachgruppe stattfand, keine Behebung der Schwierigkeiten brachte, legte Prof. Frniick in der Sit- zung des Verwaltungsrates am 25. 1 1 . 1935 den Vorsitz nieder, den zunachst Prof. Rnuer ubernahm, bis im Dezember des gleichen Jahres die Wizoff ihre Auf- losung beschloi3.

Betrachtet man riickblickend die Periode der Wizoff, so mui3 anerkannt werden, dai3 - nehint alles nur in allein - Manner der Wissenschaft und Industrie sich redlich bemuhten, der Fettforschung den Boden zu bereiten. Wenn die gesteckten hohen Ziele auch nicht erreicht wurden, so kann ein zweifacher Erfolg nicht bestritten werden: Die Schaffung der Deutschen einheit- lichen Untersuchungsmethoden auf den1 Fettgebiet und die Aufnahme iiiternationaler Kontakte im Rahrnen der 1C.

Die Derilsclie Gcsellsclitrft f i i r Fettwissr.nschaft rind dcr mleitc Weltkrieg

Von der Notwcndigkeit iiberzeugt, auch nach der Auflosung der Wizoff die deutsche Fettforschung voran- zutreiben, schlug ich im Dezember 194.5 die Griindung einer ,,Deutschen Gesellschaft fur Fettforschung" (ab- gekiirzt DGF) vor. Der grol3te Teil der etwa 60 Mit- glieder der aufgelosten Wizoff erklarte sich zu einem Beitritt bereit. Am 24. .3. I936 tagte eine konstituierende Versammlung, die iiber die Satzungen beriet und die Ziele der DGF in 2 derselben wie folgt formulierte:

Die Zzwcke der Gesellscliaf/ sind folgende: a) Faclileutc tius Wissensdiaft, l rchnik iirid Wir t -

sthaft aiif dem Crbiet der Fette zir einer Gemeiri- schnftsarbeit zzi uereinigen.

h ) wissenscliaftlichr iind praktische Forschimgsarbci- tcvi aiif diesem Gebiet zrr fordern,

c) die fachlichc Aicshilcliinp: aiif deni g~~scrrnten Fctt- gchiet zit f i irdern,

( I ) drrrch W o r t rind Srhrif t iiber nlle niit Fetten rind clarorr.r g ~ ~ ~ ~ ~ c ~ r i r r ~ ~ t r ~ r r Erzcirgnisseri z z ~ s r r n i ~ n o i h u ~ i - grndoi Frcigcn nirfkliirend und belehrenrl zu wir-

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ken zind clas allgemeine lnteresse fi ir diese Fra- g e n zu wecken,

e ) Normungs- uncl Einheitsniethoden zu firufen wid auszuarbeiten.

Erwerbs- orlcr sonstige eigenwirtschnftliche Zwecke sind ausgesch fossrn. Die Geselfsrhaf f uerfolgt ausschliefi- lich wid unmittelbar gem&iniitzige Zwecke.

Die Eintragung als gemeinnutziger Verein in das Register des Amtsgerichts Berlin-Mitte erfolgte am 6. X. 1936.

Wie aus den Satzungen ersichtlich, erblickte die DGF ihre Hauptarbeit in der Forderung der Gemeinschafts- arbeit aller an Fetten und 1:ettprodukten interessierten Kreise, also der Chemiker, Ingenieure, Biologen, Wrzte, Rpotheker, Landwirte usw. Die Gesellschaft bot damit eines der ersten Beispiele eines Teamworks, wie es sich spiiter in England bei der Entdeckung des Penicillins so sehr bewihrte. Probleme der Grundlagenforschung, insbesondere der Analyse. sollten in gleicher Weise berucksichtigt werden wie die biologische und die tech-

Prof. Dr. IM. Lor([- Tamuyo, Madrid,

Ehrenmitglied der DGF

nisch-wissenschaftliche Seite. Den1 Vorstand, in dem mir Prof. K . H . Baucr als Stellvertreter sowie die Her- ren Rechtsanwalt H . Willmisen, Dr. Greitenaann und Dr. il. Wel tc r (Schatzmeister) zur Seite stariden, war ein Vorstandsrat beigegeben, dessen Mitglieder auf - grund ihrer personlichen Eignung, aber auch mit Ruck- sicht auf spezielle Fachkenntnisse der betreff enden Behorden und Industriezweige gewahlt wurden. Als Ixiter von DGF-l:achgruppen, die zugleich dem Vor- standsrat angehorten, stellten sich zur Verfugung: Prof. K. H. Rmcr fur Allgemeine Chemie der Fette; Prof. P. :1. Thic f im fur Physikalische Chemie der Fette; Prof. K . Tiiiifcl fur Fette in der Ixbensmittelchemie; Prof. W . Kudorf fur Olsaaten; Dr. H . Bertsch fur Sei- fen und Waschmittel; Dr. G. Greitemann fur die Ein- heitsmethoden; Prof. /. Scheiber fur Anstrichmittel; G. Buchner fur Wachse und Prof. H . Schinalfufl fur die Biologie der Fette. Kurz darauf wurden eine Fachgruppe fiir Korperpflegemittel, die gemeinsam von den Pro- fessoren H . Schmalfufi und G. H o p f geleitet wurde, sowie eine Fachgruppe fur Maschinen und Apparate angeschlossen. Die Leiter der Fachgruppen berichteten ausfuhrlich uber ihre Forschungsarbeiten *.

Fette u. Seifen 43, 121 [1936]

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Keichsminister a. D. Dr. Dr. h. c . -4. H e r - mes, Bonn, Ehrenniit-

glied der DGF

Im August 1936 trat die DGF anlafilich einer gemein- sam mit der Fachgruppe des VDCh in Munchen veran- stalteten Vortragstagung erstmals an die Offentlichkeit. In einem Aufruf wurden die Ziele der Gesellschaft geschildert. Zahlreiche Ministerien, Gesellschaften usw. stellten Grufiworte zur Verfugung, so u. a. der Reichs- und Preuflische Minister fur Ernahrung und Landwirt- schaft, das Reichsgesundheitsamt, das Staatliche Mate- rialprufungsamt, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Verein Deutscher Lebensmittelchemiker, die indu- striellen Fachgruppen fur We und Fette, fur Seifen und Waschmittel sowie auch auslandische Vereinigungen, z. B. die Professoren Farrhini, Rivals und Dr. Bolton im Namen der IC.

Bei dem organisatorischen Aufbau der DGI; und ihres wissenschaftlichen Organs erfreute ich mich der tatkraftigen und unermudlichen Hilfe von Frl. Dr. Maria Schmidt, die infolge politischer Schwierigkeiten nach 1933 den Schuldienst aufgeben mufite und bei der DGF bis Ende des Krieges eine Zuflucht fand. Heute wirkt sie als Professorin an der Piidagogischen Akademie in Paderborn. Auch des wissenschaftlichen Mitarbeiters

Direktor Dr. h. c. 1.V. A . Menne, Frankfurt,

Ehrenmitglied der DGF

meines damaligen Universitatsinstitutes Dr. Herbert Fiedler sol1 an dieser Stelle gedacht werden, der mich nicht nur bei der Mitglieder-Werbung, sondern auch bei der Organisation der internationalen Zusammenarbeit

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in der IC, insbesondere bei der Schaffung vereinheit- lichter Analysen-Methoden, in vorbildlicher Weise unter- stutzte. Dai3 der Gedanke der Gemeinschaftsarbeit auf dem Fettgebiet von Erfolg war , bewies d ie Tatsache, dal3 sich die Zahl der 60 friiheren Wizoff-Mitglieder bereits innerhalb eines Jahres verzehnfachte. Leider verlor die DGF im gleichen Jahr durch das Ableben von A . BornerO einen Freund und Forderer.

Besonderen W e r t legte die DGF auf eine wissen- schaftlich und technisch hochstehende Fachzeitschrift. Die von dem Industrieverlag von Hernhaussen erworbene Zeitschrift ,,Fettchemische Umschau" erhielt den kur- zeren Ti te l ,,Fette und Seifen", spater ,,Fette. Seifen. Anstrichmittel" (FSA). LJm eine Zersplitterung des einschlagigen Zeitschriftenwesens zu beseitigen, wurden von dem Verlag folgende Zeitschriften erworben und dem wissenschaftlichen Organ der DGF eingegliedert: ,,Ole, Fette, Wachse, Seife, Kosmetik"; ,,Chemisch-tech- nische Rundschau"; , ,Parfum und Seife"; die ,,Deutsche Margarine-Zeitschrift" ; der ,,Farben-Chemiker"; .Ge- latine, Leim, Klebstoffe" und ,,Die Ernahrungsindu- strie". Dadurch, dai3 FSA die Arbeitsgebiete der vor- genannten Zeitschriften iibernahm, wurde sie zu einem wirklichen Dachorgan. Der Verlag ha t jederzeit den Wiinschen der DGF in entgegenkommender Weise Rech- nung getragen. In Fachkreisen des In- und Auslandes ist die monatlich erscheinende Zeitschrift gut bekannt. Sie ist tatsachlich zu einer .,Visitenkarte" der deutschen Fettforschung geworden.

I m Jahre 1937 entfaltete die D G F eine lebhafte Titigkeit. Die erste Vortragsveranstaltung fand in1

Februar in Berlin, in den Raumen des Landwehr-Ca- sinos, statt.

In einfiihrenden Vortriigen besprachen der damalige Mi- nisterialrat im Reichsernahrungsministerium, Dr. K . A . W e - g m c r - spater Staatssekretar im Ernahrungsministerium des Landes NRW -, auf der Basis umfangreichen statistischen Materials die zur Fettversorgung notwendigen organisatori- schen Maanahmen, der Vorsitzende der DGF die sich daraus ergebenden Aufgaben der Fettforschung. Prof. W . Rzidorf. Max-Planck-lnstitut fur Ziichtungsforschung, Miindeberg. hehandelte dns gleiche Thenia im Hinblick auf Ziichtungs- forschung und Ulsaaten-Anbau, Prof. /. Schmidt, lnstitut fur Tierziichtung, Berlin, auf tierische Fette und Dip1.-Ing. F . Benz, Harburg-Wilhelmsburg, in einem Filmvortrag den Walfang und die Waliil-Gewinnung. Spezielle Vortrige befafiten sich mit Themen des Anbaucs von Ullein (Prof. Schilling, Sorau), von Soja (Prof. Sessozts, Giessen) und der neuzeitlichen Butterherstellung (Prof. W . Mohr, Kiel). In den Arbeitsausschiissen der DGF sprachen u. a. Prof. K . Tiiic- {el, Karlsruhe, iiber den Lebensmittelverderh, Obering. Ter- rcs, Magdeburg, iiber maschinelle Fortschritte auf dem Gebiet der Fettgewinnung. Auch zahlreiche Themen der technischen Spark wurden zur Diskussion gestellt, so von Prof. P. A. Thiemn, Berlin-Dahlem, die Seifen-Herstellung, von Dr. E. Wcrker die Raffination und Entsauerung von Speiseolen, Dr. Stiimges, Koln, die Fette in der Herstellung von Korper- pflegemitteln. von Prof. /. Scheiber, Leipzig, und Dr. E , Ro,s.T- rnatzn, Bcrlin, die Anstrichmittel-Forschung.

Eine besondere Note gewann die Tagung durch die damaligen Bestrebungen des deutschen Soja-Anbaues. Das Mittagessen im Landwehr-Casino bestand nur aus Zubereitungen auf der Basis Soja. In der a m Abend stattfindenden kameradschaftlichen Zusammen-

s. H. P. Kaufmann, A . Biirncr zum Gediichtnis, Fette u %fen 43, 177 [1936].

kunft wunschte Ministerialrat Dr. h'. A . Wegener der DGF eine gluckliche Zukunft: ,,Wir haben den Saug- ling DGF i n die Wiege gelegt und hoffen, dal3 er sich zu einem stattlichen Jungling entwickeln moge! " Diese Tagung konnte die junge Gesellschaft als einen vollen Erfolg buchen, so dai3 H . Stadlinger sie als die ,,Ge- burtsstunde einer neuen Aera deutscher Fettwissenschaft" bezeichnete lo.

Im Oktoher des gleichen Jahres beteiligte sich die DGF an den bereits erwahnten Veranstaltungen der IC und ver- anstaltete im gleichen Monat in Munster einen Fortbildungs- lehrgang. Hierfiir stellte das Institut fur Pharmazie und chemische Technologie die notigen Laboratorien zur Ver- iiigung. Unter zahlreicher Beteiligung von Fettchemikern des In- und Auslandes unterrichteten die Herren Taufel, Schmal- fz& Leithe, Rossmann, Lindner und Ramp unter Mitwirkung der Dozenten und Assistenten des vorgenannten Institutes iiber die Refraktometrie, iiber enometrische Methoden (Jod- zahl, Hydrier- Jodzahl, Rhodanzahl, Dienzahl), uber Saulen- Chromatographie, Viskositats-Bestimmungen, Farbmessungen, neue Verdorhenheits-Reaktionen. iiber die Bestimmung der Oberflachenspannung, der Wasserstoff ionen-Konzentration und der Schaumkraft van Seifen-Losungen sowie iiber Methoden der Priifung van Anstrichfilmen usw.

Tagung der IC in Rom im Jahre 1938 Vordere Reihe von 1. nach r.: Martinenghi, Loew, Voerman,

Pacchini, Vesels, Raufmann, Sturm, Margaillan, Greitemann. Paleni

Hintere Reihe von 1. nach r.: Shefiherd, W o l f , Burgdorf, Vizern, Fiedler, Pinken

Trotz mancher Schwierigkeiten fanden auch i n der Folgezeit gut besuchte Vortragsveranstaltungen der D G F statt. I m Jahre 1938 wurde gleichzeitig eine Aus- stellung in Hamburg organisiert, bei der die einschla- gige Apparate- und Maschinen-Industrie ihre Erzeug- nisse zeigte. Durch den erfreulichen Anstieg der Mit- glieder-Zahl und die damit gegebene finanzielle Basis ruckte die DGF in die Reihe der grol3ten deutschen wissenschaftlichen Organisationen ein. Ihre Entwicklung wurde aber leider durch politische Ereignisse gehemmt. I n die Tagung im September 1938 fielen die bekannten politischen Ereignisse. Deren Beilegung in Munchen und die Abwendung der Kriegsgefahr versetzten die Teil- nehmer in eine freudige Stimmung und lieflen die Ta- gung i n schoner Weise ausklingen.

Die von der Wizoff aufgenommenen i n t e r n a t i o - n a l e n R e z i e h u n g e n hat die DGF fortgesetzt und

1" Chemiker-Ztg. 61, 193 [1937].

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vertieft. Die mai3gebenden Sachverstandigen beteiligten sich an allen Beratungen, die die Schaffung international vereinheitlichter Analysen-Methoden im Rahmen der 1C zum Gegenstand hatten: 1931 in Zurich, 1932 in Prag, 1933 in Rom, 1934 in Paris, 1935 in London, 1936 in Luzern, 1937 in Paris und 1938 wieder in Rom. Nachdem im Jahre 1937 der Vorsitz auf einstimmigen Beschlui3 in deutsche Hinde iiberging, war ich zunachst um eine Erweiterung des Kreises der mitwirkenden Nationen bemuht mit dem Ergebnis, dai3 Belgien, Bulgarien, China, Dinemark, England, Finnland, Grie- chenland, Japan, Norwegen, Schweden, Spanien, die Turkei und Ungarn ihre Mitarbeit in Aussicht stellten. Im Oktober 1939 sollte ein internationaler Fettkongrei3 in Berlin stattfinden. Nach umfassenden organisatori- schen Vorbereitungen - fur den Festakt und die Plenar- sitzungen war die Kroll-Oper gemietet worden - hat- ten rund 2000 Personen ihre Teilnahme zugesagt, als der zweite Weltkrieg ausbrach.

Im Jahre 1939 verlor die DGF hervorragende Felt- chemiker: Dr. Willielm Norniann l1 sowie Prof. Wal- tlier Sdirn~i l l i~? und 1941 Prof. K . H . Bazier13. Zum Gedachtnis No1 )nunns stiftete die Gesellschaft die , ,Nor-

Dr. W. Nr~rmann f , Ehrenmitglied der DGF

vicinn-Medaille" fur hervorragende Leistungen auf dem Fettgebiet. In der Folgezeit wurden Forscher des In- und Auslandes von internationalem Ruf rnit dieser Medaille geehrt, darunter zwei Nobelpreistrager.

In den ersten Jahren des nationalsozialistischen Re- gimes konnte der Fettbedarf noch durch betrachtliche Einfuhren von Olsaaten bzw. Wen und Fetten gedeckt werden. Die politischen Verhaltnisse fuhrten aber zu einer standig wachsenden wirtschaftlichen Isolierung Deutschlands und damit zu den Autarkie-Bestrebungen unter dem Motto der ,,Nahrungsfreiheit des deutschen Volkes". Man entsann sich der wahrend der Fettnot

'l H . P. Kaufmann, W. Normann zum Gedachtnis, Fette u. Seifen 46, 259 [1939]. H. Bertsch, W. Scl~rauth zum Gedachtnis, Fette u. Seifen 46, 265 [1939].

l 3 H. P. Kaufmann, K . H. Bauer zum Gedachtnis, Fette u. Seifen 51, 384 [1944].

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des ersten Weltkrieges und der darauf folgenden Infla- tion gesammelten Erfahrungen und baute sie auf fort- schrittlicherer Basis aus, vorangetrieben durch das au- toritire Regime im Rahmen eines ,,Vierjahresplanes". Die Landwirtschaft, in einer geschlossenen Organisation zusammengefaflt, verstarkte die Milch- und Butter- Gewinnung sowie die Erzeugung anderer tierischer Fette. Der Olsaaten-Anbau bediente sich einer inten- siven Zuchtungsforschung (Prof. S e s w u ~ : Soja; Prof. Rudorf: Lupinen; Prof. Schilling: Lein) und erreichte durch Gewahrung von Pramien eine Verbesserung der Olausbeuten. Die Anbauflache fur Raps stieg auf etwa 400000 ha. Aus gehirtetem Rub01 gewann man das ,,deutsche Rapsfett". In Deutschland nicht benutzte 01- saaten wurden studiert und z. 7'. auch angebaut, so z. B. Saflor, Erdmandel, Ulrauke. Auch Rucheckern, Nusse, Obstkerne, Kiirbis- und Traubenkerne, Kasta- nien, Tabaksamen usw. wurden wieder extrahiert. Eine besondere Entlastung des Fettmarktes bedeutete die Wiederaufnahme des deutschen Walfangs. In fruheren Jahrhunderten war Deutschland am Walfang wesent- lich beteiligt. Nunmehr wurden zahlreiche technische und wissenschaftliche Probleme des Walfangs geldst. In den Walfang-Mutterschiffen richtete man schwimmende Fa- briken ein, die den Walkorper rationell verarbeiteten. Neben dem Fett und dem Fleisch wurden die Knochen, die Eingeweide, die Barten usw. restlos verwertet. Durch eine Ausstellung ,,Segen des Meeres" in Hamburg wurde den Verbrauchern der Wert der Fischnahrung vor Augen gefiihrt. Die einschliigige Industrie stand wieder unter dem Motto: , , A h genui3fahige Fett in die Ernahrung!" Daher wurde nunmehr die Paraffin-Oxydation zu einer grolitechnischen Fabrikation ausgebaut ( A . Imhausen zind Fettsuure-Werke, Witten, 1. G. Farbindustrie, Oppau. Hicbbe itnd Fahreaholz, Magdeburg), deren Kapazitat etwa 100 000 to Fettsauren'jahrlich betrug. Nur geringe Mengen dieser Sauren wurden versuchsweise mit Gly- cerin verestert und als Nahrungsfette erprobt. Die Hauptmenge ging in die Seifen-Industrie; die niedriger und hoher siedenden Fraktionen der Destillation der Sauren wurden anderen technischen Zwecken zugefuhrt. Die Lack-Industrie bediente sich immer mehr der Pro- dukte der organischen Synthese. Aus synthetischem Kau- tschuk wurde Chlorkautschuk gewonnen, Phthalsaure diente fur olsparende Alkydharze, und zahlreiche Vinyl- Verbindungen, Styrol usw. wurden auf Lackrohstoffe verarbeitet. Dazu kamen die Produkte der Nitrierung und Acetylierung der Cellulose, Kunstkopale usw. Den Anstreichern wurde ein ,,Einheitsfirnis" (abgekurzt EL-Firnis) zur Verfugung gestellt, der nur rd. 20"/0 Leinol-Stand01 enthielt; dehydratisiertes Ricinusol und Fischole erfullten den gleichen Zweck, und Emulsions- anstriche gewannen durch die Tarnfarben an Bedeutung.

Vide Probleme der Versorgung der Bevolkerung mit Nahrungsfetten und der Industrie mit Austauschproduk- ten machten die Mithilfe der Forschung notwendig. Die DGF griff die bereits im ersten Weltkrieg erhobene Forderung der Grundung eines Fettforschungsinstitutes alsbald nach ihrer Grundung wieder auf. In einem Auf- satz .Die Aufgaben der deutschen Fettforschung" l4

schrieb ich: ,,Die h e d g e Wirtdzaftslage erlaubt die Schaffung

e k e s ,,Dezitschen Iizstitzcts fiir Fettfor rclzung" nicht, daher

l4 Fette u. Seifen 44, 104 [1937].

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f t l i i f i dir DGF die F o r s r h t i g rlczcntralisiert, grsfi itzt mi Ircitc iitid op\crbri.eite Mitarhcitrr, bctroibeti. Sic wird cilicr dicscs gro/3c % i d niclit oiis dciu Airgc ucrlie,tri. z4uch zctcviti cs erst uuch Jnlzrcti odcr Ja/ir,-chnteia zii crreidieii ist, wircl sic Stein t i i r f Stein fiigcn, iun spiitcr eiiirr j imgeii , nicfslrebendeii Kraft die Stiitte tiir erfolg- rcichcs Schaffrti zir bereiten."

Zunachst scheiterten samtliche Institutsplane an dem Widerstand der verschiedenen wirtschaftlichen und poli- tischen Organisationen des damaligen Regimes. Die Ubernahme eines Vierjahresplan-Institutes fiir Fettfor- schung lehnte ich ab, da dieses in starker Abhangigkeit von der Industrie hatte arbeiten mussen. Dann wider- sprach das Ministerium Specr, dessen Funktionare die D G F aus politisclien (hiinden befehdeten. Dagegen fand die DGF Verstandnis und Unterstutzung bei dem Reichs- kultusministerium und dem Reichsernahrungsministe- rium. Die bei letzterem noch bestehenden Bedenken einer Reeintriichtigung der Forschungsarbeiten der Institute fiir Milchwissenschaft in Kiel und Weihenstephan konn- ten in einer Sitzung, die unter Vorsitz von Ministerial- rat Dr. K . '4. Weger ier in Weihenstephan stattfand, aus- geraumt werden. Die Arbeitsgebiete der Institute wurden in der Weise aufgeteilt, daD die Forschungen auf dem Buttergebiet den Milchinstituten iiberlassen, wahrend die iibrigen Speisefette und industriellen Fettprodukte von dem Fettforschungsinstitut bearbeitet werden soll- ten. Die Errichtung eines Institutsgebaudes in Berlin wurde in Aussicht genommen, die Deutsche Forschungs- gemeinschaft iibernahm die Etatisierung des Institutes. Zunachst standen die Laboratorien des Institutes fiir I'harmazie und chemische Technologie in Munster und des I'harmazeutischen Institutes in Berlin-Dahlem, beide durch den Vorsitzenden der DGF geleitet, zur Verfiigung. Leider kanien aber diese Mafinahmen zu spat. Nachdem das Insfitut in Dahlem im'Fruhjahr 1943 bei einem Bonibenangriff schwer beschadigt worden war, brannte das Institut in Munster im Oktober des gleichen Jahres vollig aus. Eine Verlagerung nach weniger luftgefahr- deteii Gebieten erlaubte nur behelfsmai3ige Forschungs- arbeiten, zumal die Verbindung mit Berlin zur For- schungsgemeinschaft unterbrochen war. Auch der Mange1 an Chemikern und Technikern machte sich einpfindlich bemerkbar, wenn es auch gelang, eine Reihe tiichtiger Fettchemiker durch die sog. Osenberg-Aktion zu rekla- niieren bzw. von der Front zuruckzuholen. So stand wenigstens ein kleiner Stab von Fettchemikern zur \'er- fiigung, so z. B. die Herren Baltes, Bcrger. Groll, GriiD- lcr, Hawitlienbrniick, Keller, Liethcii, Ncudei-t, Rocrwr, SieDert, W . W'oltf u. a. Trotz aller Erschwernisse durch die Kriegsverhaltnisse hat das von mir ehrenamtlich geleitete Reichsinstitut niitzliche Arbeit geleistet, die Grundlagenforschung gefordert und eine Reihe von Problemen, insbesondere der industriellen Fettversor- sung, mit Erfolg gelost.

Auch die Herausgabe des wissenschaftlichen Organs der DGF wurde im Laufe des zweiten Weltkrieges iminer schwieriger. Die Zuweisung des notwendigen Papiers erfolgte durch eine ,,Papier-Verteilungsstelle" im Reichsamt fur Wirtschaftsausbau, die Reichspresse- kanimer verfugte die Beschrankung von Umfang und Erscheinungsfolge. Sogar das h e n fur die Heftklani- mern wurde durch das vorgenannte Reichsamt bewirt- schaftet, das der DGF-Zeitschrift einen Jahresbedarf von 12 kg Eisen bewilligte. Als die Druckerei Aschendorff

einem Luftangriff auf Munster zum Opfer fiel, lief3 der Verlag die Zeitschrift ,, Fette und Seifen" in Berlin drucken. Leider gingen aber auch dort durch Boniben die bereits gesetzten bzw. versandfertigen Nummern der Zeitschrift verloren. So verbrannte die wertvolle Mono- graphie von R. Schiifer ,,Die physikalische Chemie der Lacke", deren Drucklegung durch Frl. Dr. Schmidt auf das sorgfaltigste bearbeitet worden war (4000 Literatur- Zitate!). Die Geschaftsstelle der DGF wurde bereits 1943 vollig zerstort. Sie siedelte in mein noch stehengeblie- benes Privathaus uber, wo sie die Schrecken des Luft- krieges erlebte. Am 23. Marz 1945 fielen auf Munster wahrend eines 6stdg. Alarms 2600 Sprengboinben, 8000 Brandbomben und 8 Lxftminen. Ein Teil der Akten war rechtzeitig in ein kleines Dorf in der Nahe Munsters transportiert worden.

Schon kurz nach der Grundung der DGF begannen die Versuche nationalsozialistischer Organisationen, die DGF ,,gleichzuschalten", d. h. ihr durch Eingliederung alle Rechte auf ein Eigenleben - z. B. im Hinblick auf die Satzungen, die Wahl des Vorstandes usw. - ZII

nehmen. Es soll nicht bestritten werden. dai3 ubergeord- nete groi3e Verbinde. zumal wenn sie zugleich die In- teressen bestimmter Berufszweige vertreten, notwendig sind. Die fortschreitende Spezialisierung der Forschung macht aber daneben den Zusammenschlui3 engerer Fach- gebiete zu Vereinigungen notwendig, die sich in selb- standigem Einsatz entfalten konnen, damit aber auch ein hohes Mai3 an Verantwortung zu ubernehmen bereit sind. Diese Oberzeugung habe ich zu jener Zeit vertreten und meine Ansicht bis heute nicht geandert.

In einer Sitzung des Vorstandes und Vorstandsrates am 10. 7 . 1936, an der die fur die Fettversorgung ver- antwortlichen staatlichen Stellen sowie Prof. NottOoAin und Prof. Schrazlth fur den VDCh teilnahmen, wurde eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit der Fach- gruppe Fettchemie beschlossen. Die m. E. beste Losung wurde gefunden, als Dr. Karl Mcrck nach Obernahme der Leitung des VDCh den Vorsitzenden der DGF zum Leiter der Fachgruppe bestellte. Aber diese Regelung war leider nicht von Dauer. Im Zeichen wachsender Totalitatsanspriiche sollten alle wissenschaftlichen Ge- sellschaften gleichgeschaltet werden. Nunmehr bemiihte sich die Reichsfachschaft Chemie, die DGF dem NS- Bund deutscher Technik (NSBDT) einzugliedern. Ich vertrat demgegenuber den Standpunkt, daD das statu- tenmai3ige Ziel der DGF die Gemeinschaftsarbeit a 11 e r an Fetten und Fettprodukten beteiligten Kreise sei. Den Vermittlungsvorschlag, innerhalb der DGF verschiedene Abteilungen z u griinden und diejenige der Fettcheniie dem NSBDT einzugliedern, lehnte ich ab. Daraufhin rief dieser innerhalb dcr ihm eingegliederten Deutschen Ge- sellschaft fur Lebensmittelchemie eine Fachgruppe ,.Ole und Fette" ins Leben und lud gemeinsam mit der Reichs- fachgruppe Chemie und dem Reichsamt fur Wirtschafts- aufbau zu einer Fett-Tagung auf der Plassenburg bei Kulmbach ein. Sie scheiterte in der Folge an den sich ubersturzenden Kriegsereignissen.

Die Gegnerschaft bestimmter NS-Organisationen ver- scharfte sich, als ich mich der Verwendung der Glycerin- ester synthetisch aus Paraffin gewonnener Fettsauren zur menschlichen Ernahrung widersetzte. Entgegen der Be- urteilung durch das Reichsgesundheitsanit (Prof. Dr. 0. Flossncr) hielt ich dieses Fett fur ernahrungsphysio-

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logisch bedenklich und nahm dazu auch offentlich in einem Aufsatz Stel1ungl5, den ich als Sonderdruck zu Hunderten versandte, so auch an Ministerien und poli- tische Organisationen. Zu dem Plan, eine viele Millionen erfordernde Fabrik zur Herstellung von Paraffingatsch nach Fischer-Tropsclt zu errichten, aui3erte ich mich ab- lehnend. Zwei hohere Beamte, die mich in der Ab- lehnung des synthetischen Speisefettes unterstutzten. wurden mit Amtsentsetzung (Ministerialrat Dr. Kiiglcr. Wirtschaftsministerium) bzw. Kaltstellung (Oberregie- rungsrat Dr. Engrrof j6, Reichsanit fur Wirtschaftsaus- bau) bestraft.

Auch die ,, Einheitsmethoden" wurden zum Anlai3 der ,.Gleichschaltungs"-Bemiihungen. Noch ani 24. 2 . 1945 teilte mir der Deutsche Normen-Ausschui3 mit, dai3 ich die ,,bindende Verpflichtung" hatte, die Einheitsmethoden in das deutsche Normenwerk zu iiberfuhren. Dieses in diktatorischer Form gehaltene Schreiben enthielt bereits bis ins einzelne gehende Weisungen. Die standigen Luft- angriffe auf die deutschen Stiidte, besonders auf Berlin, fiihrten zur Verlagerung vieler Dienststellen in weniger luftgefahrdete Gebiete. Gleichzeitig rissen die Verbin- dungen ab, so dai3 weitere Angriffe auf die DGF bis zum Zusainmenbruch unterblieben.

Die DGF kann fur sich in Anspruch nehmen, dai3 sie trotz personlicher Bedrohung ihres Vorsitzenden als einzige deutsche wissenschaftliche Gesellschaft ihre Selbstandigkeit wahrend des NS-Regimes bewahrt hat.

Die DGF nuch den1 zweiten Weltkrieg

Der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschland hat auch die deutsche Forschung schwer getroffen. Hatte sie schon unter dem Krieg gelitten. so folgten jetzt nicht minder schwere Jahre. Aufgrund des Morgcnthnii-Planes sollte Deutschland wieder ein Agrar- land werden. Das Reichsinstitut fur Fettforschung wurcle verboten, desgleichen ihr wissenschaftliches Organ. die Zeitschrift ,,Fette und Seifen". Die meisten Fabriken und Forschungsinstitute waren zerstort worden oder zum mindesten nicht mehr arbeitsfahig. Zahlreiche deutsche Forscher wurden entlassen und mufiten in der folgenden Zeit ein ,,Entnazifizierungsverfahren" durchmachen. Es war eine trostlose Zeit. Aber bereits im Oktober 1945 versandte die Gesellschaft folgendes Rundschreiben an ihre Mitglieder:

.,Da iinsere Gesellschaft selbstatzdig irnd utrnbhii?~gig vim parleifiolitischer Beeinflussung geblieben war, e l . -

lcidrt iAre Arbeit keine Unterbrechzrng. W i e friifier wollen wir in ekrenamtlicher Tiitigkeit iinscren Mil- glirdern dieneri wzd den wissenschaftlirlzeri Gedankcn- aiistniisch fortsetzcn. Die Zeit fiir die Azifnahine der Uc- ziclizrngen zii den airsliindisclien Fnchgenossen ist noth nicht gckoinmen. Sie sol1 i m s aber bereit finden, die freiitidschaftliche Zzcsananienarbeit der fr i iheren Johrc 7oieder aiifzritiehnicn. Wir griiben zmsere Mitglieder w i d icwdcn uns freiren, gelegentlicli iiber ihr Ergellen, i i m jctzige Ansrhrift iisw. zzi horen."

la H . P. Knrrjnzunn, Fettversorgung und Fettforschung, Fette u. Seifen 51, 2115 [1944]. Dieses aufrechten Mannes, der hei der Besetzung Berlins erschlagen wurde, sei bei dieser Gelegenheit ehrend ge- dacht.

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Ein groi3er Teil der Briefe kam als ..unzustellbar" ZLI- ruck, viele Mitglieder berichteten von der Zerstorung ihrer Betriebe. oder sie waren von freniden Truppen besetzt worden. Soweit Fabriken in Geldschwierigkeiten geraten waren, befreiten wir sie von der Reitragszahlung. Nur wenige Firmen nahnien wieder Fuhlung mit der DGF, so dai3 ein kleiner Bestand treuer Mitglieder vei= blieb. Die Aufteilung in vier Besatzungszonen erschwerte den Wiederbeginn und die offizielle Anerkennung der DGF. Nach unablgssigen Bemuhungen erteilte erst am 1 . 8. 1947 die Research Branch der englischen Militar- regierung in Gottingen die offizielle Genehmigung der Zulassung der DGF unter Anderung ihres Namens in ,.Deutsche Gesellschaft fur Fett w i s s e n s c h a f t" (For- schung war noch verboten) mit dem Zusatz ,,Britische Zone". Dagegen hatten die Bestrebungen, die Zeitschrift ,,Fette und Seifen" zuzulassen, keinen Erfolg. Am 21. und 2 2 . Mai 1948 fand eine durch die Firma 7'1iywis.~e~i vorbereitete Sitzung des Vorstandsrates in Neuss statt. Die erschienenen 16 Mitglieder desselben billigten die vorgelegten Satzungen. die als wesentliche Anderungen die vorgenannte Namensanderung, eine vierjahrige Amtsperiode des Vorstandes und als neuen Sitz der Gesellschaft Miinster vorsahen. Dort erfolgte die Ein- tragung in das Vereinsregister des Amtsgerichtes am 19. 8. 1948. Der Schatzmeister, Dr. W e l t e r , berichtete, dai3 das uber 300000.- RM betragende Vermogen der Gesellschaft, das in der Hauptsache in Reichsschatz- anleihen angelegt worden war und der DGE' zur Er- richtung eines eigenen Hauses dienen sollte, nur noch einen geringen Wert reprasentiere. Zum stellvertreten- den Vorsitzenden wurde Prof. Buiittiut~ti, Cheniisclze llrerke Hiils, gewahlt, zum Schatzmeister anstelle von Dr. Welter , der das 80. Lebensjahr erreichte, H. Slock- haicscn, Krefeld. In den auf 7 Herren erweiterten Vor- stand traten Direktor Dresclicrs, Hamburg, Dr. A'lan~hot, Diisseldorf, Rechtsanwalt VVillelnseti, Uerdingen, und Dr. Greitenzann, Kleve, ein, im darauf folgenden Jahr Rechts- anwalt Dr. Harz, Bad Homburg vor der Hohe, als ehren- amtlicher Justitiar. Zu den bereits fruher dem I'or- standsrat angehorenden Mitgliedern kainen der fruhere Preui3ische Staatsminister i. R., dann Finanzbevollniiich- tigter des Landes Westfalen, Prof. Dr. Hijjiker-Aschofl, Dr. Th. Goldschmidt, Essen, sowie Direktor W . A . Metine, Hiltrup. Bei den Arbeitsausschussen traten Prof. voii Stackelberg, Bonn, fur Prof. Tfiici.sseri; Prof. o r l f i n u ~ Hochst, fur Prof. Buuer, Dr. Liidecke fur G. Brichner ein. Fur den Fall, dai3 die schwebenden Verhandlungen mit dem Industrieverlag von Hernhaussen wegen des wissen- schaftlichen Organs der DGF nicht ztiin Erfolg fuhren sollten, wurde die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift beschlossen. Die Herausgabe der Einheitsmethoden. nun- niehr in Form eines Ringbuches, sollte bei der Wissen- schaftlichen Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, blei- ben, den Mitgliedern aber ein angemessener Rabatt ge- wahrt werden. Die auf den 28. Juli 1948 nach Marl ein- berufene Mitglieder-Versammlung, bei der Dr. A nwi ide iiber ,,Waschaktive Stoffe" sprach, und die mit einer Besichtigung der im Wiederaufbau befindlichen Chcnii- schen W e r k e Hiils schloR, bestatigte einstimmig die in Neuss gefai3ten Beschliisse.

Nun galt es, die DGF wieder aufzubauen. DaB der Vorstand gewillt war, nach den friiheren Grundsiitzen weiterzuarbeiten, zeigt am besten der Aufruf, den ich

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zu Anfang des Jahres 19.50'' an die friiheren Mitglieder richtete:

,,Nachdem die Ergcbnisse einer bald 15jihrigen unermudlichen Arbeit mit dem deutschen Zu- sammenbruch in ein Nichts ver- sanken, gehoren Mut und Opfer- bereitschaft dazu. unter erschwer- ten Verhaltnissen wieder auizu- bauen. Wir haben das Vertrauen zu allen, die uns fruher kamerad- schaftlich zur Seite standen, da13 sie unserem Aufruf Folge leisten und sich erneut zu gemeinnutzigei- Arbeit zusammenfinden werden. Aber wenn wir jetzt wieder von vorn anfangen, so haben wir doch gegenuber dem fruheren Beginn wrsentliche Vorteile voraus: Die Erfahrung vieler Jahre und die in der Vergangenheit erbrachten Reweise erfolgreicher Arbeit.

Selten hat eine wissenschaftliche Gescllschaft eine glanzen- dere Entwicklung genommen als die DGF. Sie war der Beweis dafiir, dai3 neben der immer starker werdenden, durch die Fiille neuer Erkenntnisse bedingtcn Spezialisierung die Zu- samtnenfassung aller Krafte in1 Rahmen eines groi3en Arbeits- gebietes eine Notwendigkeit ist. Chemiker verschiedenstcr Arbeitsrichtungen aus Wissenschaft und Praxis, die sich mit Ulsaaten, Nahrungsfetten, Seifen, Lacken, Harzen, Wachsen, technischen Fettsauren, kosmetischen und pharmazeutisrhen Produkten, Linoleum und zahlreichen anderen Erzeugnissen befassen, fanden sich mit Biologen, f rz ten und Apothekern, mit Ziichtungsforschern und Landwirten zusammen. Der die apparative Seite betreuende Ingenieur und auch wissenschaft- lich interessierte Vertreter des Handels schlossen sich an, so dai3 ein Mitgliederbestand von nahezu 1500 erreidit wurde. Glanzvolle Tagungen, die bis 800 Teilnehmer aufweisen konnten, Fortbildungskurse und Beratungen im engeren Kreise der Arbeitsausschiisse zwecks Schaffung vereinheitlichter Ana- lysenverfahren schlugen die Briicke, unterstutzt durch eine im In- und Ausland weit verbreitete Zeitschrift. Preisausschreiben und die Stiftung der Nomiurzn-Meddle belohiiten erfolg- reiche Arbeit. Als einzige deutsche wissenschaitliche Gesell- schaft sich von parteipolitischer Beeinflussung freihaltend, ging die DGF zielbewui3t ihren Weg. Aber manche hochgesteckien Plane, z. B. die Schaffung eines eigenen Heimes und Labora- toriums zur Ausarbeitung von Analysenmethoden und zur experimentellen Schulung der Mitglieder sowie Errichtung einer Zentralbibliothek der Fettforschung, gingen nicht in Erfiillung. Die fur diese Zwecke durch sparsamste Geschiiits- fiihrung angesammelten Mittel gingen nach Kriegsetide ver- loren, und im Jahre 1943 erlitt die DGF bei der Zerstorung ihrer Geschaftsraume herbe Verluste."

In dem MaBe, wie der Wiederaufbau der Bundes- republik vorankam, entwickelte sich auch die DGF zu ihrer friiheren Bedeutung. I n ihrem Mitgliederbestand war sie allerdings auf den Bereich der Bundesrepublik und auslandische Freunde angewiesen. Besonders nach der Wahrungsreform nahm die deutsche Fettforschung einen erfreulichen Aufschwung. Er fand wieder seinen Niederschlag in den jahrlichen V o r t r a g s v e r a n - s t a 1 t u n g e n , die in jedem Jahr Hohepunkte der DGF- Tatigkeit waren. Das groBe Interesse der Fachwelt ging aus der sich standig steigernden Besucherzahl hervor, die in letzter Zeit auf 1000 anstieg. Darunter befanden sich zahlreiche Auslander, die sich auch a n den Vortragen

17 H . P. Kaufmann, Fette u. Seifen 52, 1 [1950].

Festakt anlai3lich der DGF-Hauptversammlung 19.53 in Frankfurt

und Diskussionen beteiligten. Tagungsorte waren - z. T . wiederholt - Berlin, Munchen, Frankfurt, Koln, Diissel- dorf, Baden-Baden, Munster, Hannover und Hamburg, dessen Gastfreundschaft wir sogar fiinfmal genieaen durften. Wahrend der Festakte kamen prominente Red- ner mit Themen von allgemeinem Interesse zu Wor t , so z. B. der Bundesminister Prof. Dr. Balke und der Land- wirtschaftsminister NRW Nierina?in, Reichsminister a. D. Dr. Hernzes, die Staatssekretare Prof. Dr. B r a d , Dr.

Staatssekretar Prof. Dr. h. c. Dr. E. h. L. Bmndt , Dusseldorf, Stellvertretender Prisident der DGF

SonTietntinn und Dr. Tillnzanti, Ministerialdirektor Prof. Dr. Oefteriizg (damals Bundesfinanzininisterium), die Professoren Baade (Kiel), Plank (Karlsruhe) und Rudorf (Koln), sowie Direktor Dr. h. c. Mcwze (Hiltrup, spater Hochst). Unter den zahlreichen auslandischen Rednern befand sich der Nobelpreistrager Prof. Dam, Kopen- hagen. Diese Veranstaltungen gaben Gelegenheit zu freundschaftlicher Fuhlungnahme, besonders wahrend der

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Gesellschaftsabende, zu denen meistens die ortsansassige lndustrie einlud. Auch bot letztere die Moglichkeit zu Betriebsbesichtigungen. Die wissenschaftlichen Vortrage wurden in der Zeitschrift Fette . Seifen . Anstrichmittel laufend veroffentlicht, deren Umfang sich von Jahr zu Jahr erweiterte und die auch im Ausland hochste An- erkennung fand.

Um das Interesse an wissenschaftlichen Fragen zu wecken, setzte die DGF fur die Bearbeitung bestimmter Themen Preise aus, die iiberwiegend auf analytischem Gebiet lagen. Die Ergebnisse der G e m e i n s c h a f t s - a r b e i t e n der DGF auf experimenteller Basis. insbe- sondere im Hinblick auf vereinheitlichte Analysen- Methoden - Leiter dieser Fachgruppe waren: Dr. Greite- nlnnn, Dr. Fictllcr., Dr. Hintermaier und Dr. Baltes, zur- zeit fiihrt I'rof. Seller den Vorsitz -, wurden in zahl- reichen Verijffentlichungen niedergelegt. Sie behandeln chemische und physikalische Kennzahlen, die Analyse von tllsaaten. Olkuchen und Schroten, das Fettverderben, die I'robenahme; Besatz-Analyse, Seifen- und Glycerin- Analyse, Waschrohstoffe und Textilhilfsmittel, Wachse und Wachsprodukte, technische Fettsiuren, Puder, Sal- ben usw. Die durch gemeinsame Untersuchung von Proben und in zahlreichen Beratungen erarbeiteten 13- gebnisse werden in den als Ringbuch herausgegebenen ,,Deutschen Einheitsmethoden zur Untersuchung von Fetten, Fettprodukten und verwandten Stoffen". in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, verlegt, veriiffentlicht, standig weiter gepruft und auf den letzten Stand gebracht.

LJm schwierige Untersuchungsmethoden experimentell demonstrieren und durch Interessenten selbst durch- fuhren zu lassen, hat die DGF eine Reihe von F o r t - b i 1 d u n g s k u r s e n abgehalten, so 1937 in Munster, 1941 in (iraz. 1942 in .Jena (unter Mitwirkung der Phy- siker Dr. Lijzcv, Dr. Ranzb, Dr. Gossler, Dr. k'eck der %ciss-Wr.rkc: kolorimetrische. refraktometrische und spektrographische Methoden auf dem Fettgebiet), sowie 19.55 und 1%57 wieder in Munster. Leider ist z. Z. infolge Raumniangels die Abhaltung derartiger Kurse erschwert; doch konnten zahlreiche Besucher des Fettinstitutes aus den1 I n - und Ausland in der Handhabung der neuen Methoden unterwiesen werden.

Anstelle des 1051 verstorbenen Schatzmeisters Hans aStotkliu~i.sen I " trat Dr. Jti l ius Storkhatc.ten. Im Jahre 1954 verlor die DGF ihren Freund und Forderer Prof. Dr.

"' Vrroffentlichungcn in Fette u. Seifen: H. P . Kazifnannn, 43, 218 [1!)3h]; 44, 15, 1.50, 196 [1937]; H . Sc/znialfzi/3, 44, 60 [ 19371; If. F i c d l o t . 44, 399, 471 [1937]; G. Greitenaann, 45. 3 1 1 [1938]; H . P. Karifniann, 45, 232, 312, 332 [1938]; G. G r c 4 m r m n , 45, 350 [1938]; H. Sc/amalfir/3. 47, 49 [ 194OJ; K . Ttirrfr I , 47, 348 [1940]; G. Grritcwiann, 49, 401 [1042]; H . P . Kurifmann, 49, 629 [1942]; H . P. Kaufmini i u. K. Ncri. 52, 683 [1950]; H . P. Kaufniann, 52, 529 [1950]: H . I'. Knirfmann u. R. Neu. 53, 28 [1951]; H. P. Knuf- nr(mn u. J . Bnltes, 53, 445 [1951]; H. P. Kaufnzann u. h'. Nori, 53. (iY0 [1951]; H. P. Kaufmann u. J . Boltcs, 54. - . ~ i . 409 [l!).i2]; H . Pardun, 55, 290 [1953]; 1. Baltes, 55. L!).?, ,305. i 1 7 , 687. [1953]: J . Baltes, 56, 490, 857 [1954]: I l . Ht~nz/i~,l u. A . Hintermaicr. 57, 185 [19.55]; G. von Roseriberg, 58, 1.3, 598 [1956]; 59. 28 [1957]; A . Seher, 59, 4.31, 53.5 [1957]; 61, 16 [1959]; A. Sehcr u. G. von Roscn- bcrg, 61, 1 7 [19.i9]; H . E. Klcine-Natrop, 61, 771 [1959]; A . Scht~r, 61, 1211 [1959]; 62, 412 [1960].

In K. P. Kaii fmunn, Nachruf auf H. Stock/rniisen, Fette u. Seifen 53, 729 [1951].

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i, - -

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Dr. h. c. H . H o / ~ k e r - A s c l t o f ~ ~ und ihren langjahrigen treuen Mitarbeiter Prof. Dr. H . SclzirtaZfu/3

Nach dem zweiten Weltkrieg konnten die internatio- nalen Beziehungen nur langsam wieder aufgenommen und die abgerissenen Faden wieder gekniipft werden.

Interessenten zu unseren Vortragsveranstaltungen ein und hatten die Freude, viele bei uns zu sehen. Nachdem ich auf zahlreichen Auslandsreisen (Italien. Spanien, Schweiz, Osterreich, Frankreich, Holland, Danemark. Belgien, UdSSR, USA, Brasilien usw.) zur Abhaltung von Vortragen oder der Teilnahme an fachlichen Ta- gungen die Bereitschaft zu einem wissenschaftlichen Gedankenaustausch festgestellt hatte, erliefi ich einen Aufruf", in dem ich schrieb:

,,Wir wollen ~wersz~clicn, iinter Azcsschaltiing aller nu- tionnlen i i n d /iolitischen Gcsiclzts~i~rikte in eincr ,,Inter- ncitionalcn Gesellscliaft t u r Fettwiswnschajt" cincn zwangloven Gednnkenaustait vch yoti Einzelpet tonliclikei- ten he? brizzifiihreii, die der Forderiitig unseret Wissens- g d i c t r rind clanlit dc17n Fort.dritt dienen sol/, uri deni cillc, trillinbeti 1 7 rotinen.

7 : ' ,unachst luden wir wie in fruheren Jahren auslandische

Und weiter: ,, lJnter Beschrriiikzing air/ ein Mindestmafl orgnni-

cc~tori~( l~cr Maflnalznien sollen die Vorbereitzingen iind dic I.eitririg eiiwrii Fachgeriossen oder riner wissenschnlt- lichen V e r ~ i n i g ~ i n g desjenigen Lnnrlrs iibertrngen zeic'i - t l rn , i n detn wir u n s t re fcn . -4uf diesr Weise ho(fen wir, ( i n / besondere Satziingen, aiif cin stiiridiges Prii\i- d i i m ztnd aicf Beitrage vcrzichtcn z u kijnneri."

Den in drei Sprachen verfafiten Aufruf unterzeich- neten aui3er deutschen Fettchemikern fuhrende Fach- genossen aus Belgien, Brasilien, England, Frankreich, Holland, Indien, Italien. Osterreich, Neuseeland, Schwe- den, der Schweiz, Spanien, der Turkei und den USA. Die an dem DGF-Kongrefi in Hannover anwesenden auslandischen Fachgenossen billigten einstinimig die vorgeschlagene Vereinigung, so dafi ich wahrend des Festaktes am 26. 10. 1954 davon Mitteilung machen konnte. Dieser 'Tag ist der Geburtstag der ISF (Inter- national Society of Fat Research). Den Vortrag an12fi- lich des Festaktes in HannoverZ3 schlo8 ich mit den Worten ,,Wir wissen nicht, ob die neue und neuartige ,Internationale Gesellschaft fur Fettwissenschaft' Erfolg haben wird. Wi r hoffen es und wiirden uns freuen, auf diesem Weg einen bescheidenen Beitrag zur Annahe- rung der Nationen geleistet zu haben. Dann kann die diesjahrige Tagung unserer Gesellschaft zu einem Mark- stein in der Entwicklung der Fettwissenschaft werden! "

Als Sekretar der Gesellschaft wurde Prof. Gorbnch, Graz, gewahlt. Im darauf folgenden Jahr tagte sie gemeinsam mit der DGF in Munster, 1956 gemeinsam mit der Italienischen Chemischen Gesellschaft in Mai- land, 1957 in Paris, 1958 in Sevilla, 1959 in Graz, 1960 in Danzig. In Zukunft sollen die Vortragsveran- staltungen in zweijahriger Folge stattfinden, und zwar 1962 in London vom 9. bis 1 3 . April.

H . P . Kar~fmann, Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h. c. H. Hobher- Aschofl, Fette . Seifen . Anstrichmittel 56, 79 [1954].

r1 H . P . Knufmtznn, Nachruf auf Prof. Dr. H . Schnialfrr/3 57, 322 [1955].

"z s. den Wortlaut in Fette . Seifen . Anstrichmittel 56,909 [1951]. s. H. P. Kaufnzann, ,,Internationale Beziehungen auf dem Gebiet der Fette und Fettprodukte", Fette . Seifen . An- strichmittel 56, 910 [1954].

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Wenn die ISF nur als eine lose Vereinigullg zwecks Veranstaltung von Vortragen und Dis- kussionen, wie sie etwa bei einem Symposium iihlich sind, in dem vorgenannten Aufruf geplant war, so mit der Absicht, jedes Ressentiinent personlicher oder nationaler Art unmoglich zu machen. Dazu kommen in bezug auf die Beitrags- zahlungen die Schwierigkeiten unterschiedlicher Wahrungen und der Transferierung in bestimm- te Valuta. Leider wurdcn bereits kurz nach der Gruntlung Vorschlige im Hinblick auf vereitis- mai3ig-e Satzungen gemacht und Mitgliedsbeitrage festgelcgt. Dainit erhohen sich Fragen einer zweckmafligen Abstimmung - es ist verstandlich, dai3 das jeweilige Tagungsland in der Regel die meisten Stimmen aufbringen wird - und der Kassenverwaltung (Schatzmeister, Kassen- priiferj. Die geringen Kosten fur den Sekretir hit ten durch freiwillige Zuwendungen bestritten werden konnen. Eine kostspielige Reprasentation, verbunden mit Festessen usw., ist unnotig. Sollte man sie nicht enthehren wollen, so mussen sie durch Tagungsheitrige bestritten werden. Andernfalls konnte die ISF kaum in kleinen Landern tagen.

Die fortschreitende Spezialisierung macht auch vor den Fetten und Fettprodukten nicht halt. Als Beispiel sei der internationale Zusammenschlufl der Kosmetik- Chemiker genannt, der die Griindung einer gleich- namigen deutschen Gesellschaft notwendig machte. Um auf dem standig bedeutsamer werdenden Gebiet der synthetischen waschaktiven Stoffe (Detergentien, Sur- factants oder Tenside genannt) internationale Ausspra- chen zu ermoglichen, wurde bereits 1953 in Paris das Comite International de la Dktergence gegriindet (CID). Die deutsche Vertretung liegt in den Handen des Ver- bandes der Chemischen Industrie e. V., derzeitiger Pra- sident ist Direktor Dr. W . Hagge, Leverkusen. Die l a - gungen in Paris (1954), London (1957) und Koln (1960) sind als Erfolge zu bewerten. Die Gemeinschaftsarbeit wird in drei Ausschiissen geleistet: Terminologie, Ana- lyse und Anwendungstechnik, zu denen neuerdings ein AusschuD fur Wasserfragen kam. Das lebhafte Inter- esse, das diese Arbeitsgebiete - zu den Detergentien sind neuerdings wissenschaftliche und technische Fragen grenzflachenaktiver Stoffe ganz allgemein getreten - finden, geht aus den etwa 250 Vortragen und iiber 2000 Teilnehniern der letzten Tagung hervor. Die DGF hatte besonders in dem Analysen-Ausschui3 mitgearbeitet und in Koln auch den Prasidenten des wissenschaftlichen Komitees gestellt. Sie war weiter auf Tagungen anderer einschlagiger wissenschaftlicher und technischer Vereini- gungen vertreten, so z. B. an den Jahresversarnmlungen der Internationalen D'lmiiller-Kongresse (International Association of Seed Crushers, abgekiirzt IAS) und der Association Internationale de la Savonnerie (ACS).

Durchdrungen von der Oberzeugung, dai3 die fried- liche und freundschaftliche Zusammenarbeit auf inter- nationaler Basis eine Notwendigkeit ist, war die DGF auch bemuht, die Griindung auslandischer Gesellschaften fur Fettwissenschaft nach Kraften zu unterstutzen. Sie hofft, dai3 die Verbindung zwischen den Fachgenossen der verschiedenen Lander durch politische Spannungen keine Storung erfahrt.

Besondere Bemuhungen der DGF galten der Wieder- errichtung des F e t t i n s t i t u t e s , das als Reichsinstitut herrenlos geworden war. Die Max-Planck-Gesellschaft

Deutsches Institut fur Fettforschung, Miinster

lehnte 1946 seine Eingliederung ab und nahm leider auch im vergangenen Jahr auf erneutes Befragen diesen Stand- punkt ein. Daher iibernahm zunachst die DGF die Be- treuung des Fettinstitutes, in verstandnisvoller Weise unterstiitzt durch Staatssekretar Dr. W e g e n e r (NRW) sowie durch Ministerialrat Dr. T i e t m a n n vom Bundes- ernahrungsministerium, welch letzteres einen beacht- lichen ZuschuD gab. Anfangs notdiirftig in dem noch halb zerstorten Institut fur Pharmazie und chemische Technologie der Universitat Miinster untergebracht, gelang es infolge des Entgegenkommens des Regierungs- prasidenten und der Stadtverwaltung in Miinster, in dem friiheren Wohnhaus des kommandierenden Gene- rals des Luftgaues VI Laboratorien einzurichten. Bis zum Jahre 1953 teilte das Fettinstitut bei aui3erordent- licher Raumnot dieses Gebaude mit dem Chemischen Landesuntersuchungsamt NKW, das 1946 auf meine Initiative hin gegriindet und von mir acht Jahre ehren- amtlich geleitet wurde". Im Jahre 1953 iibernahm das Bundesernahrungsministerium auf einen Antrag hin das Fettinstitut und gliederte es - nachdem eine Kommission des ,,griinen Kreises" unter Leitung des Ministerial- direktors Dr. Dr. Fuclis (friiher Bundesrechnungshof) zum Befremden der DGF ein selbstandiges Fettinstitut fur uberflussig erklart hatte - als neuntes Institut verwal- tungsmaflig in die Bundesforschungsanstalt fur Milch- wirtschaft in Kiel ein. Im Jahre 1954 traten Bedenken dagegen auf, dal3 das Bundesernahrungsministerium auch Forschungen auf industriellem Gebiet finanziert. Nach Verhandlungen mit der DGF erfolgte von seiten des damaligen Ernahrungsministers folgender Erlafl:

I m Eirivernehmen mit der Gesellschaft f u r Felt- wisserrschuft e. 17. in M i i m t e r l W . ordne ich hierrnit Ubernahrne der For.tchurigsailfgciben des Deutschen Institiits f u r Fettforschuiig iu MiiasterlW. a u f d r m Ernahrungssek~or durch die Rutidesversuchs- irnd Forschungsanstult f u r Milchwirtschaft in Kiel an.

Zu clicsern Zweck wird i m Rahirirn der Burides- versuchs- m d Forschtingsanstalt f i ir Milchwirtschaft in Kiel eiii l t ist i tut fi ir Fettforschiing riirkwirkend ab I . Apr i l I953 errichtrt.

24 H . P. K n ~ r f n z a n n , ,,Das Chemische Landesuntersuchungs- amt Nordrhein-Westfalen", Chemiker-Ztg. 75, Nr. 10, vom 5 . April 1951.

F E T T E . S E I F E N . A N S T R I C H M I T T E L 63 . Jahrgang Nr 10 1961 906

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Die Forscliirrigsnufgahetz au f dem industrielleti Scktor z"dcn dagegen wie bisher won detn Deut- sclirii Institiit jiir Fs+t forsclzzrng i t i Miinster, dessen l<cditslri jgr~- dii, Gesellsrliaft f i i r Fctt7C~i.~.srti.~clinft ct. V . in Miirrslcr ist. i o r i g ~ ~ f i i l i r t . Diese Trennung mag haushaltsmaflig berechtigt sein,

in der Sache ist sie schwierig; denn viele Nahrungsfette werden zugleich auf dem technischen Sektor benutzt, so z. B. Sojaol, Rubiil, 1,einoI und auch Talg. An der (;rundlagenforschung, insbesondere der Analyse, sind beide Sparten in gleicher Weise interessiert. Das gleiche gilt fur viele technische Methoden, so z. B. der Raffi- nation und der Hydrierung. Gehartete Fette werden in Speisefetten und auch in der Technik, z. B. in Seifen und Waschmitteln, benutzt. Die Erforschung der Aut- oxydation der Fette - und damit der Pro- und Anti- oxydantien - ist fur beide Sparten wichtig, wenn auch aus entgegengesetzten Grunden: Bei Speisefetten sind hutoxydation und Prooxydantien unerwiinscht, da sie zuni Fettverderben fiihren, dagegen Antioxydantien zur Vernieidung des letzteren erwunscht. Auf dem tech- nischen Sektor liegen die Verhaltnisse, soweit trock- nende Ole verwandt werden, umgekehrt, so bei der Verfilmung der Anstrichmittel. Trotz vorstehender Ee- denken hat die DGF den Vorschlag des Ministeriums angenommen. Soniit entstand unter volliger Trennung von dem Bundesinstitut eine weitere Forschungsanstalt, die den Namen .,Institut fur industrielle Fettforschung" fuhrt. Im Augenblick noch notdurftig in einer Baracke untergebracht, wird sie in absehbarer Zeit ein zwar bescheidenes. aber zunachst ausreichendes Laboratorium beziehen kiinnen, dessen Kosten das dem Ministerprasi- dent des Landes NRW unterstellte Landesamt fur For- schung in verstandnisvoller Weise iibernommen hat. Es gebiihrt ihm und seinen Dezernenten - Staatssekretar Prof. Dr. h. c. Dr. E. h. Dip1.-Ing. L. Brandt, Ministerial- dirigent Hurrgg und Oberregierungsrat Dip1.-lng. Hue- feher - der Dank aller an der deutschen Fettforschung interessierten Kreise. Die Koordinierung der beiden Fett- institute liegt in den Hsnden eines Kuratoriums, dessen Vorsitz Reichsminister a. D. Dr. Dr. h. c. A . Hermes und Direktor Dr. h. c. W . A . Menne innehaben. Mitglieder sind: Staatssekretir Dr. Sonnemunn, Staatssekretar F . T i l l n i u / i n . Staatssekretar a. D. Dr. K . A . Wrgeizsr, Ministerialdirigent Hurrgg, Ministerialdirigent Dip].-Ing. Hiiisch. Professor Dr. M'. Rudorf, Direktor Dr. I+'. iVatirhot, Dr. /. Stockhailsen, Direktor Dr. G. Greite- ~ ~ ( L I ~ I L , Rechtsanwalt Dr. C. Hurz, Direktor 7'11. Dre- .sc/icrs. Ober das fernere Schicksal des Bundesinstitutes fur Fettforschung ist eine Entscheidung noch nicht ge- troffen worden. Das Bundesernahrungsministerium setzte im Jahre 195fi eine Kommission zur Koordinierung seiner 1:orschungseinrichtuiigen ein. Gegen das von dieser Kom- mission erstattete Gutachten (,, Mnlzlow-Gutachten"), das ni. I-. der Bedeutung des Fettforschungsinstitutes nicht ausreichend Rechnung trug, niuflte ich Einspruch erheben. Bei einer in der Bundesforschungsanstalt fur Milchwirt- schaft. Kiel, stattgeiundenen, durch den Haushaltsausschufl des Buntlestages veranlaflten Aussprache, an der auch Abgeordnete des Gesundheitsausschusses des Bundestages teilnahmen, konnte ich meine Bedenken vorbringen. Er- freulicherweise stellte sich der Haushaltsausschufl auf den Standpunkt, dai3 das Fettinstitut als einziges seiner Art in der Bundesrepublik erhalten bleiben miisse. Er hielt eine Ausgliederung aus der Kieler Anstalt fur rat-

F E T T E . S E I F E N ' A N S T R I C H M I T T E L 63 J a h i y a n q N r . 10 1961

Sam und schlug vor, die DGF auch das Bundesinstitut iibernehmen zu lassen. Die Verhandlungen sind noch im Gange. Sobald eine Klarung erfolgt ist, werde ich ausfuhrlich iiber das wechselvolle Schicksal des Reichs- institutes fur Fettforschung berichten.

Trotz Raumnot und chronischem Mitarbeiter-Mange1 - die von behordlicher Seite festgelegten Gehalter der wissenschaftlichen Mitarbeiter sind vollig unzureichend; keiner derselben ist beamtet! - waren die beiden Fett- institute auf allen Gebieten der Fettforschung mit Er- folg tatig: Ulsaaten-Analyse, Analyse und Synthese von Fettsauren, Fettaldehyden, Fettalkoholen und Glyceri- den; Veranderungen der Fette durch Oxydation, Poly- merisation, Hydrierung und Umesterung; Biologie der Nahrungsfette und ihrer Begleitstoffe; Technologie der Raffination und Hartung, der Margarine und der Schlachtfette; Chemie und Technologie der Seifen und synthetischen Waschmittel, der trocknenden Ole und anderer fetthaltiger Anstrichmittel, der Wachse, Emul- gatoren usw. Die in zahlreichen Publikationen nieder- gelegten Forschungsarbeitenz5 haben die Anerkennung inlandischer und auslandischer Fachgenossen gefunden. Ministerien und andere Behorden bedienen sich in fett- chemischen und lebensmittelrechtlichen Fragen des Ra- tes der Institute in Munster. Die DGF und die Fett- institute wollen zur weiteren Entwicklung der Fettfor- schung in der Bundesrepublik nach Kraften beitragen. Auf a n a l y t i s c h e m G e b i e t zeichnen sich die ver- schiedenen Epochen, sich naturgemal3 iiberschneidend, immer klarer ab: I. Alteste Analyse zum Zweck der Strukturerforschung und als industrielles Hilfsniittel; 11. Farbreaktionen, physikalische und chemische Kenn- zahlen; 111. ,,Systeniatische" Analyse der Fettsauren, d. h. Erkennung nach Art und Menge; IV. Analyse der Glyceride und ihrer Gemische. Hierbei haben sich die modernen Methoden der Spektrographie und Chro- matographie hervorragend bewahrt. Auch auf anderen Teilen der Grundlagen-Forschung werden neue Wege beschritten, nicht minder auf den Gebieten der Techno- logie der Fette und Fettprodukte sowie der Biologie und Ernahrungsforschung.

Die DGF mui3 bedauern, dai3 in der Bundesrepublik die Bedeutung der Fettforschung noch nicht allgemein erkannt worden ist, wahrend im Ausland zahlreiche leistungsfahige Fettinstitute entstanden sind 26.

Die vorstehenden Darlegungen zeigen, daB die DGF noch wichtige Aufgaben zu erfullen hat. Sie ist uber- zeugt, dafl sie dabei mit der Mitwirkung ihrer Mit- glieder rechnen darf. In den 25 Jahren ihres Bestehens hat kein Mii3ton die vertrauensvolle und freundschaft- lich: Zusammenarbeit gestort. Auch aus diesem Grund ist es mir ein Bedurfnis, anlai3lich der Feier des 25jCh- rigen Bestehens allen Mitarbeitern, Freunden und For- derern der Gesellschaft den herzlichen Dank des DGF- Vorstandes und -Vorstandsrates auszusprechen!

2s s. z. B. Forschungsbericht, Fette . Seifen . Anstrichmittel 62, 959 [1960].

"G s. die Serie der Veroffentlichungen ,,Die Fettforschung im Ausland": P. Dosniiclle (Frankreich), Fette u. Seifen 53, 1 [1951]; W . Lzindl~erg (USA), Fette . Seifen . Anstrich- mittel 58, 2.54 [1956]; /. Martinez Moreno (Spanien), ehenda 59, l i 4 [1957]; G. / m i n i (Italien), ebenda 59, 449 [1957] ; H . P . KaU/??lU?L?Z (Sowjet-Union u. Brasilien), ebcn- da 61, 451, 660 [19:iY]; M. Jriky (Ungarn), ebenda 62. 274 [ 19601 ; W . Liindbcrg (USA), ebenda 62, 1083 [ lWO] ; G. Loew (Argentinien), ebenda 62, 1158 [1960]; A . 1:ut- Rowski (Polen), ebenda 63, 85 [1961].