016 review hartung_der eine und das andere

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Rezension über: Josef van Ess: Der Eine und das Andere. Beobachtungen an islamischen häresiographischen Texten (= Studien zur Geschichte und Kultur des islamischen Orients. Beihefte zur Zeitschrift "Der Islam"; Bd. 23), Berlin: de Gruyter 2011, 2 Bde., XXVII + 1511 S., ISBN 978-3-11-021577-9, EUR 199,95 Buch bei Amazon bestellen Buch im KVK suchen Rezension von: Jan-Peter Hartung London Redaktionelle Betreuung: Stephan Conermann Empfohlene Zitierweise: Jan-Peter Hartung: Rezension von: Josef van Ess: Der Eine und das Andere. Beobachtungen an islamischen häresiographischen Texten, Berlin: de Gruyter 2011, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 10 [15.10.2011], URL: http://www.sehepunkte.de /2011/10/20095.html Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an. Forum: Diese Rezension ist Teil des Forums " Islamische Welten" in Ausgabe 11 (2011), Nr. 10 Rezension Kommentar schreiben Druckfassung Thematisch verwandte Rezensionen: Georges Tamer (Hg.): Humor in der arabischen Kultur, Berlin: de Gruyter 2009 Armin Schopen: Tinten und Tuschen des arabisch- islamischen Mittelalters. Dokumentation - Analyse - Rekonstruktion, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006 Michael Borgolte / Bernd Schneidmüller (Hgg.): Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationalen Frühlingsschule, Berlin: Akademie Verlag 2010 Hakan Rydving (ed.): Al-abarī's History. Interpretations and Challenges, Uppsala: Acta Universitatis Upsaliensis 2007 Doris Behrens- Abouseif (ed.): The Arts of the Mamluks in Egypt and Syria - Evolution and Impact, Göttingen: V&R unipress 2012 Weitere Rezensionen von Jan-Peter Hartung: Heike Franke: Akbar und Gahangir. Untersuchungen zur politischen und religiösen Legitimation in Text und Bild, Schenefeld: EB-Verlag 2005 Robert Gleave: Scripturalist Islam. The History and Doctrines of the Akhbārī Shīʿī School, Leiden / Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2007 Michael Borgolte (Hg.): Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne. Auf der Suche nach ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden in religiösen Grundlagen, praktischen Zwecken und historischen Transformationen, Berlin: Akademie Verlag 2005 Unterstützen Sie die sehepunkte Josef van Ess: Der Eine und das Andere Textgröße: A A A Das wissenschaftliche Zeitschriften hier und da ein Sonderheft bereitstellen, um eine Monographie zu publizieren, ist durchaus gängige Praxis. In der Regel haben solche Monographien einen eher moderaten Umfang, der wohl der durch die Bezeichnung 'Heft' gegebenen Suggestion entspricht. Im vorliegenden Fall allerdings ist die Bezeichnung 'Beiheft' zur renommierten islamwissenschaftlichen Zeitschrift Der Islam wohl etwas irreführend, umfasst das neue Opus von Josef van Ess doch stattliche 1.510 (!) Seiten inklusive Bibliographie und Indices, und kommt aufgrund dieser Dimension in zwei Bänden daher. Der Autor, dem wir mit Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra (ebenfalls verlegt durch de Gruyter, 1991-7) bereits das bahnbrechende und mit sechs Bänden ebenfalls beeindruckend umfangreiche Grundlagenwerk zur frühislamischen Theologiegeschichte verdanken, ist sich dieses Umstandes wohl bewusst, wenn er in seinem Vorwort auf die Beschränktheit "heutiger Lesefähigkeit" (XIII) anspielt. Es ist wohl in erster Linie der Prominenz des Autors zuzuschreiben, dass das Werk trotz dieses Umfanges eine ansehnliche Leserschaft finden wird. Dabei scheint das neue Opus von van Ess in gewisser Weise thematisch an sein voluminöses Vorgängerwerk anzuknüpfen (und erscheint im Verhältnis dazu tatsächlich eher als ein 'Beiheft'): Im Zentrum steht nun die Problematik von Einheit und Vielfalt islamisch-religiösen Denkens, mithin von Rechtgläubigkeit und Devianz. Gerade letzteres Begriffspaar erlebt gegenwärtig innerhalb des radikalislamistischen Spektrums eine dramatische Zuspitzung: Die komplexe und, ob ihrer Konsequenzen, einst mit größter Vorsicht gehandhabte religionsrechtliche Praxis der Bezichtigung des Unglaubens (takfīr) - hier etwas unglücklich mit dem der christlichen Theologie entlehnten Terminus 'Verketzerung' übersetzt - scheint heute zu einem opportunen Instrument für die Durchsetzung eigener Geltungsansprüche geworden zu sein und legitimiert denen, die es verwenden, zudem die physische Vernichtung jeglicher Opposition. Anders jedoch als jüngere gegenwartsbezogene Arbeiten geht es van Ess um die Darstellung der historischen Entwicklung dessen, was er mit 'Häresiographie' bezeichnet, nämlich die theologische Auseinandersetzung mit "Lehrabweichungen oder sektiererischen Gruppen" (1.201), und dies tut er, wie mit Recht erwartet werden durfte, mit äußerster Akribie und Umsicht. Den größten Teil nimmt dabei eine gründliche Betrachtung einzelner Autoren und deren relevanter Schriften ein, die sich zeitlich vom 8. bis zum 19. nachchristlichen Jahrhundert, räumlich zwischen Andalusien und dem indischen Subkontinent erstreckt, auch wenn der Schwerpunkt - wohl der größten Kompetenz des Autors geschuldet - deutlich auf den früheren Jahrhunderten liegt. Dieser höchst material- und detailreiche Hauptteil von über 1.000 Seiten ist allerdings wohl vor allem für SpezialistInnen von Interesse. Von Gewinn für eine breitere Leserschaft aber sind besonders der "Strukturelle Konstanten" betitelte einleitende Teil zu Ursprung und Frühentwicklung häresiologischen Denkens (7-102), und der abschließende dritte Teil, der sich der Beantwortung der Frage "Was verstehen wir unter islamischer Häresiographie" (1.201-1.369) aus literaturwissenschaftlicher, begriffsgeschichtlicher und zuletzt auch aus religionssoziologischer Perspektive nähert. Den größten Raum des ersten Teiles nimmt eine sorgfältige Analyse des sogenannten 'Sekten-adī' ein - hierin sagt der Prophet Muammad den Zerfall der muslimischen Gemeinde in 73 Sekten (firaq), von denen letztlich nur eine der Erlösung teilhaftig würde, voraus -, bildet dieser adīdoch den normativen START ABONNEMENT ÜBER UNS REDAKTION BEIRAT RICHTLINIEN IMPRESSUM Suche in sehepunkte ARCHIV Sie sind hier: Start - Ausgabe 11 (2011), Nr. 10 - Rezension von: Der Eine und das Andere Presse - Partner - Hilfe - historicum.net SEHEPUNKTE - Rezension von: Der Eine und das Andere - Ausgabe ... http://www.sehepunkte.de/2011/10/20095.html 1 von 2 29.11.2013 13:45

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Josef van Ess: Der Eine und das Andere.Beobachtungen an islamischenhäresiographischen Texten (= Studien zurGeschichte und Kultur des islamischenOrients. Beihefte zur Zeitschrift "DerIslam"; Bd. 23), Berlin: de Gruyter 2011, 2Bde., XXVII + 1511 S., ISBN978-3-11-021577-9, EUR 199,95Buch bei Amazon bestellenBuch im KVK suchen

Rezension von:

Jan-Peter HartungLondon

Redaktionelle Betreuung:

Stephan Conermann

Empfohlene Zitierweise:

Jan-Peter Hartung: Rezension von: Josefvan Ess: Der Eine und das Andere.Beobachtungen an islamischenhäresiographischen Texten, Berlin: deGruyter 2011, in: sehepunkte 11 (2011), Nr.10 [15.10.2011], URL:http://www.sehepunkte.de/2011/10/20095.html

Bitte geben Sie beim Zitieren dieserRezension die exakte URL und das DatumIhres Besuchs dieser Online-Adresse an.

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Diese Rezension ist Teil des Forums"Islamische Welten" in Ausgabe 11 (2011),Nr. 10

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Thematisch verwandte

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Georges Tamer (Hg.):Humor in derarabischen Kultur,Berlin: de Gruyter2009

Armin Schopen:Tinten und Tuschendes arabisch-islamischenMittelalters.

Dokumentation - Analyse -Rekonstruktion, Göttingen:Vandenhoeck & Ruprecht 2006

Michael Borgolte /Bernd Schneidmüller(Hgg.): HybrideKulturen immittelalterlichen

Europa. Vorträge undWorkshops einerinternationalenFrühlingsschule, Berlin:Akademie Verlag 2010

Hakan Rydving (ed.):Al-Ṭabarī's History.Interpretations andChallenges, Uppsala:Acta Universitatis

Upsaliensis 2007

Doris Behrens-Abouseif (ed.): TheArts of the Mamluksin Egypt and Syria -Evolution and

Impact, Göttingen: V&Runipress 2012

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Legitimation in Text und Bild,Schenefeld: EB-Verlag 2005

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Leiden / Boston / Tokyo: BrillAcademic Publishers 2007

Michael Borgolte(Hg.): Stiftungen inChristentum,Judentum und Islamvor der Moderne. Auf

der Suche nach ihrenGemeinsamkeiten undUnterschieden in religiösenGrundlagen, praktischenZwecken und historischenTransformationen, Berlin:Akademie Verlag 2005

Unterstützen Sie die

sehepunkte

Josef van Ess: Der Eine und das Andere

Textgröße: A A A

Das wissenschaftliche Zeitschriften hier und da

ein Sonderheft bereitstellen, um eine

Monographie zu publizieren, ist durchaus gängige

Praxis. In der Regel haben solche Monographien

einen eher moderaten Umfang, der wohl der

durch die Bezeichnung 'Heft' gegebenen

Suggestion entspricht. Im vorliegenden Fall

allerdings ist die Bezeichnung 'Beiheft' zur

renommierten islamwissenschaftlichen Zeitschrift

Der Islam wohl etwas irreführend, umfasst das

neue Opus von Josef van Ess doch stattliche

1.510 (!) Seiten inklusive Bibliographie und

Indices, und kommt aufgrund dieser Dimension in

zwei Bänden daher. Der Autor, dem wir mit

Theologie und Gesellschaft im 2. und 3.

Jahrhundert Hidschra (ebenfalls verlegt durch de Gruyter, 1991-7) bereits das

bahnbrechende und mit sechs Bänden ebenfalls beeindruckend umfangreiche

Grundlagenwerk zur frühislamischen Theologiegeschichte verdanken, ist sich

dieses Umstandes wohl bewusst, wenn er in seinem Vorwort auf die Beschränktheit

"heutiger Lesefähigkeit" (XIII) anspielt. Es ist wohl in erster Linie der Prominenz

des Autors zuzuschreiben, dass das Werk trotz dieses Umfanges eine ansehnliche

Leserschaft finden wird.

Dabei scheint das neue Opus von van Ess in gewisser Weise thematisch an sein

voluminöses Vorgängerwerk anzuknüpfen (und erscheint im Verhältnis dazu

tatsächlich eher als ein 'Beiheft'): Im Zentrum steht nun die Problematik von

Einheit und Vielfalt islamisch-religiösen Denkens, mithin von Rechtgläubigkeit und

Devianz. Gerade letzteres Begriffspaar erlebt gegenwärtig innerhalb des

radikalislamistischen Spektrums eine dramatische Zuspitzung: Die komplexe und,

ob ihrer Konsequenzen, einst mit größter Vorsicht gehandhabte religionsrechtliche

Praxis der Bezichtigung des Unglaubens (takfīr) - hier etwas unglücklich mit dem

der christlichen Theologie entlehnten Terminus 'Verketzerung' übersetzt - scheint

heute zu einem opportunen Instrument für die Durchsetzung eigener

Geltungsansprüche geworden zu sein und legitimiert denen, die es verwenden,

zudem die physische Vernichtung jeglicher Opposition.

Anders jedoch als jüngere gegenwartsbezogene Arbeiten geht es van Ess um die

Darstellung der historischen Entwicklung dessen, was er mit 'Häresiographie'

bezeichnet, nämlich die theologische Auseinandersetzung mit "Lehrabweichungen

oder sektiererischen Gruppen" (1.201), und dies tut er, wie mit Recht erwartet

werden durfte, mit äußerster Akribie und Umsicht. Den größten Teil nimmt dabei

eine gründliche Betrachtung einzelner Autoren und deren relevanter Schriften ein,

die sich zeitlich vom 8. bis zum 19. nachchristlichen Jahrhundert, räumlich

zwischen Andalusien und dem indischen Subkontinent erstreckt, auch wenn der

Schwerpunkt - wohl der größten Kompetenz des Autors geschuldet - deutlich auf

den früheren Jahrhunderten liegt. Dieser höchst material- und detailreiche

Hauptteil von über 1.000 Seiten ist allerdings wohl vor allem für SpezialistInnen

von Interesse. Von Gewinn für eine breitere Leserschaft aber sind besonders der

"Strukturelle Konstanten" betitelte einleitende Teil zu Ursprung und

Frühentwicklung häresiologischen Denkens (7-102), und der abschließende dritte

Teil, der sich der Beantwortung der Frage "Was verstehen wir unter islamischer

Häresiographie" (1.201-1.369) aus literaturwissenschaftlicher,

begriffsgeschichtlicher und zuletzt auch aus religionssoziologischer Perspektive

nähert.

Den größten Raum des ersten Teiles nimmt eine sorgfältige Analyse des

sogenannten 'Sekten-ḥadīṯ' ein - hierin sagt der Prophet Muḥammad den Zerfall der

muslimischen Gemeinde in 73 Sekten (firaq), von denen letztlich nur eine der

Erlösung teilhaftig würde, voraus -, bildet dieser ḥadīṯ doch den normativen

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Ausgangspunkt für die Entstehung der islamischen Häresiographie. Deutlich geht

aus der Untersuchung hervor, dass bereits in der Frühzeit vielfältigste Gruppen

einzelne Varianten dieses ḥadīṯ zur Rechtfertigung der eigenen Rechtgläubigkeit

und gleichzeitigen Ausgrenzung aller anderen instrumentalisiert haben. Interessant

ist in diesem Zusammenhang, vor allem in Hinblick auf Entwicklungen seit dem

späten 19. Jahrhundert, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die

Vergangenheit als Zeit politischer Einheit und moralischer Integrität mytisch

verklärt worden ist: Nur der Zerfall der politischen Gemeinschaft, so wurde schon

damals argumentiert, habe das Aufkommen von moralisch verwerflichen Praktiken

und Ideen ermöglicht, die allesamt Gegenstand des bis heute andauernden

Diskurses um die Etablierung von Orthodoxie geworden waren und, im Bestreben

um Erlösung am Jüngsten Tag, zwangsläufig werden mussten.

Teil 3 schließlich systematisiert die philologischen Funde des oppulenten

Hauptteiles: Angesichts des Umstandes, dass sich innerhalb der islamischen

Literatur kein klar definiertes eigenständiges Genre für die "Kunst des verbalen

Ausgrenzens" (1.243) - die Häresiographie - herausgebildet hatte, ist es nur

folgerichtig, dass van Ess zunächst auf der Grundlage der im Hauptteil

abgehandelten Autoren und Werke die verschiedenen literarischen Genres, die

hierfür konstitutiv, oder doch zumindest kontributiv, gewesen sind, einschließlich

möglicher vor- und nichtislamischer Vorbilder bespricht. Dem schließt sich,

ebenfalls gespeist aus den Funden des Hauptteiles, eine gründliche

terminologische Untersuchung von Gruppenselbst- und -fremdbezeichnungen und

Gattungsbegriffen (hier insbesondere 'Sekte' [firqa] und ihre Nebenbegriffe, sowie

Orthodoxie und - in einem 14-seitigen begriffsgeschichtlichen Exkurs - zu takfīr)

an.

Im letzten größeren Abschnitt des dritten Teiles schließlich sucht van Ess zu

erklären, warum, wann und wie es zum Bedürfnis der Etablierung von Orthodoxie

gekommen war, und durch welche Mechanismen diese zu etablieren gesucht

wurde. Hierfür beleuchtet er verschiedene Akteursgruppen - religiöse wie eher

weltlich-politische -, sowie die Aushandlungsprozesse von Zuständigkeitsbereichen

zwischen diesen, denen hier etwas unglücklich der historisch recht klar besetzte

Begriff 'Kulturkampf' (1.323) gegeben wurde, wenn zugegebenermaßen in

Anführungszeichen. In dem Moment, da gelehrte Gemeindevertreter - die späteren

'ulamā' - ihr Definitionsmonopol in Glaubensfragen durchgesetzt haben, entstand

wohl Häresiographie im eigentlichen Sinne, "ursprünglich eher eine

Bestandsaufnahme" (1.358) verschiedenster Interpretationen von Religion, die zu

einem bestimmten Zeitpunkt existiert haben. Erst im Zuge der zunehmenden

Institutionalisierung des religiösen Wissens im Lehrbetrieb machten sich in

wachsendem Maße Kanonisierungstendenzen bemerkbar, die schließlich zur

Häresiographie als "Kunst des verbalen Ausgrenzens" führte. Was hieraus jedoch

deutlich hervorgeht, ist die Anerkenntnis von vielfältigen und oft widerstreitenden

Lehrmeinungen, mithin von Pluralität, ob nun von den einzelnen Autoren begrüßt

oder verdammt. Diese Pluralität aufzuzeigen ist van Ess erneut durchaus

beeindruckend gelungen, auch wenn man sich eventuell gelegentlich eine weniger

antiquierte Ausdrucksform und mehr historisch-kritische Distanz angesichts der

wohl durch diesen Stil begünstigten regelmäßig auftauchenden Allsätze und

Mutmaßungen gewünscht hätte.

Jan-Peter Hartung

issn 1618-6168 / www.sehepunkte.de

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