zur distalbiß-behandlung mittels aktivators

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204 Fortschritte der Kieferorthop~idie Bd. 22 H. 2 (1961) Aus der kieferorthopiidisehen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. H. Wunderer) der Westdeutsehen Kieferklinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. e. Dr. h. e. K. ttfiupl +) der Medizinisehen Akademie Diisseldorf Zur Distalbifl-Behandlung mittels Aktivators Von Dozent Dr. Walter Weise, Diisseldorf Mit 16 Abbildungen Die Frage, ob bei der RiickbiBbehandlung mittels Aktivators die Einstellung der Regelbiglage vorwiegend durch Zahnverschiebung innerhalb des Alveolar- fortsatzes oder vorwiegend durch Verschiebung des ganzen Unterkiefers erfolgt, ist yon grogem Interesse. Nicht nur aus wissenschaftlichen Grfinden ist diese Frage yon Bedeutung, ob ngmlich die BiBverschiebung vorwiegend dureh paradentalen oder vorwiegend durch mandibul/iren bzw. artikul/iren Gewebeumbau erfolgt. sondern auch aus praktischen Griinden. Denn bestimmte RiickbiBf/ille verlangen geradezu die Einstellung der RegelbiBlage durch Vorholen des ganzen Unter- kiefers, wohingegen dies bei anderen Fgllen unm6glich ist, weil sonst ein in iisthe- tiseher Hinsieht unbefriedigendes Gesichtsprofil entstehen wiirde. Zur Klgrung dieser Frage wurde an der kieferorthopgdisehen Abteilung der Westdeutsehen Kieferklinik in Dfisseldorf eine Reihenuntersuehung von behan- delten Riiekbigf/illen vorgenommen. Insgesamt wurden 148 Ffille untersueht, die im Milch-, Weehsel- und bleibenden GebiB standen. Die F/ille wurden in drei Gruppen danaeh unterteilt, ob bei ihnen ein DistalbiB mit Protrusion der oberen Front, ein Distalbil~ mit Retrusion der oberen Front oder ein einseitiger Distalbig vorlag. In einer vierten Gruppe wurden sehlieBlieh die Distalbil3f/ille zusammengefaf3t, bei denen eine Rfiekverlagerung des frontalen oberen Zahn- bogenanteils bei Extraktion der oberen ersten Prgmolaren und Aufreehterhaltung der seitliehen Distalokklusion angestrebt werden sollte. Zu dieser Untersuehung wurde ein eigenes Verfahren gewghlt, das an dieser Stelle 1) bereits ver6ffentlieht wurde und auf das hier deshalb nut kurz eingegangen werden kann. Es beruht auf der von E. Hausser ermittelten Tatsaehe, dab die Teilungsstellen der Gaumenfalten an der Raphe palatina bei Zahnversehiebungen ihre Stellung zum Kiefer nieht ver/tndern. Naeh solehen unver/inderliehen Be- zugspunkten werden auf den Oberkiefermodellen vor und naeh der Behandlung Megbl/itter in gleieher Weise ausgeriehtet und an Hand ihrer Millimetereinteilung eventuelle Versehiebungen der oberen Seehsjahrmolaren im Sinne der Einstellung der RegelbiBlage abgelesen. Im Unterkiefer ist dieses Verfahren nieht anzuwenden. Entspreehend dem reziproken Wirkungsprinzip des Aktivators werden abet im Unterkiefer die Seiten- z~hne in gleieher oder zumindest sehr/ihnlieher Weise wie die oberen -- allerdings entgegengesetzt -- beeinfluBt. Daher k6nnen vom Verhalten der oberen Seiten- z/ihne R/ieksehliisse auf das Verhalten der unteren Seitenzfihne gezogen werden. Hinzu kommt, dab erfahrungsgem~B Seitenzahnversehiebungen im Unterkiefer beim Lfiekensehliegen und Lfieken6ffnen meist langsamer ablanfen als im Ober- kiefer. Diese Erfahrung wurde dutch eigene Untersuehungen fiber die Dehnung mittels Aktivators 2) ergfinzt, welehe ergaben, dal.~ (lie Seitenzahnversehiebungen 1) Fortsehr. Kieferorthop. 18, a0a (1957). 2) Osterr. Zsehr. Stomat. 52. 272 (1955).

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Page 1: Zur Distalbiß-Behandlung mittels Aktivators

204 Fortschritte der Kieferorthop~idie Bd. 22 H. 2 (1961)

Aus der kieferorthopiidisehen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. H. Wunderer) der Westdeutsehen Kieferklinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. e. Dr. h. e. K. ttfiupl +)

der Medizinisehen Akademie Diisseldorf

Zur Distalbifl-Behandlung mittels Aktivators Von Dozent Dr. Walter Weise, Diisseldorf

Mit 16 Abbildungen

Die Frage, ob bei der RiickbiBbehandlung mittels Aktivators die Einstellung der Regelbiglage vorwiegend durch Zahnverschiebung innerhalb des Alveolar- fortsatzes oder vorwiegend durch Verschiebung des ganzen Unterkiefers erfolgt, ist yon grogem Interesse. Nicht nur aus wissenschaftlichen Grfinden ist diese Frage yon Bedeutung, ob ngmlich die BiBverschiebung vorwiegend dureh paradentalen oder vorwiegend durch mandibul/iren bzw. artikul/iren Gewebeumbau erfolgt. sondern auch aus praktischen Griinden. Denn bestimmte RiickbiBf/ille verlangen geradezu die Einstellung der RegelbiBlage durch Vorholen des ganzen Unter- kiefers, wohingegen dies bei anderen Fgllen unm6glich ist, weil sonst ein in iisthe- tiseher Hinsieht unbefriedigendes Gesichtsprofil entstehen wiirde.

Zur Klgrung dieser Frage wurde an der kieferorthopgdisehen Abteilung der Westdeutsehen Kieferklinik in Dfisseldorf eine Reihenuntersuehung von behan- delten Riiekbigf/illen vorgenommen. Insgesamt wurden 148 Ffille untersueht, die im Milch-, Weehsel- und bleibenden GebiB standen. Die F/ille wurden in drei Gruppen danaeh unterteilt, ob bei ihnen ein DistalbiB mit Protrusion der oberen Front, ein Distalbil~ mit Retrusion der oberen Front oder ein einseitiger Distalbig vorlag. In einer vierten Gruppe wurden sehlieBlieh die Distalbil3f/ille zusammengefaf3t, bei denen eine Rfiekverlagerung des frontalen oberen Zahn- bogenanteils bei Extraktion der oberen ersten Prgmolaren und Aufreehterhaltung der seitliehen Distalokklusion angestrebt werden sollte.

Zu dieser Untersuehung wurde ein eigenes Verfahren gewghlt, das an dieser Stelle 1) bereits ver6ffentlieht wurde und auf das hier deshalb nut kurz eingegangen werden kann. Es beruht auf der von E. H a u s s e r ermittelten Tatsaehe, dab die Teilungsstellen der Gaumenfalten an der Raphe palatina bei Zahnversehiebungen ihre Stellung zum Kiefer nieht ver/tndern. Naeh solehen unver/inderliehen Be- zugspunkten werden auf den Oberkiefermodellen vor und naeh der Behandlung Megbl/itter in gleieher Weise ausgeriehtet und an Hand ihrer Millimetereinteilung eventuelle Versehiebungen der oberen Seehsjahrmolaren im Sinne der Einstellung der RegelbiBlage abgelesen.

Im Unterkiefer ist dieses Verfahren nieht anzuwenden. Entspreehend dem reziproken Wirkungsprinzip des Aktivators werden abet im Unterkiefer die Seiten- z~hne in gleieher oder zumindest sehr/ihnlieher Weise wie die oberen - - allerdings entgegengesetzt - - beeinfluBt. Daher k6nnen vom Verhalten der oberen Seiten- z/ihne R/ieksehliisse auf das Verhalten der unteren Seitenzfihne gezogen werden. Hinzu kommt, dab erfahrungsgem~B Seitenzahnversehiebungen im Unterkiefer beim Lfiekensehliegen und Lfieken6ffnen meist langsamer ablanfen als im Ober- kiefer. Diese Erfahrung wurde dutch eigene Untersuehungen fiber die Dehnung mittels Aktivators 2) ergfinzt, welehe ergaben, dal.~ (lie Seitenzahnversehiebungen

1) Fortsehr. Kieferorthop. 18, a0a (1957). 2) Osterr. Zsehr. Stomat. 52. 272 (1955).

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im Sinne einer Bukkalverdrfingung im Unterkiefer geringgradig hinter denen des Oberkiefers zur/iekbleiben. Demnaeh kann angenommen werden, dab bei der Behandlung dysgnather BiBlagen im Unterkiefer hBehstwahrseheinlieh nut ge- ringere Zahnversehiebungen im Sinne der Einstellung der RegelbiBlage eintreten als im Oberkiefer.

Die Ergebnisse dieser Untersuehung seien nun vorgefiihrt und jeweils dureh ein typisehes Beispiel erl/iutert.

I. Bei keinem Fall der ersten Gruppe, die die Patienten mit Dis- talbiB und Protrusion der oberen Front ent- hielt, wurde eine Ver- sehiebung der ersten oberen Molaren im Sinne der Einstellung der Regelbiglage gefunden. Eine Versehiebung der ersten unteren Molaren im Sinne der Einstel- lung der Regelbiglage ist denmaeh ebenfalls nieht anzunehmen. Dieses Er- gebnis besagt, dab bei den untersuehten F/illen ai,b. 1 al,1,.-, dieser Gruppe die Ein- stellung der RegelbilL lage aussehlieglieh dureh Versehiebung des ganzen Unterkiefers erfolgte.

Hierzu sei ein typi- sehes Beispiel vorge- f/ihrt: Es handelt sieh um eine bei Behand- lungsbeginn 11 Jahre 9 Monate alte Patientin, bei der ein DistalbiB mit Tiefbig und lfiekiger Abb. 3 Al~b. 4 Protrusion der oberen Front vorlag (Abb. 1). Naeh einer Behandtungszeit von 2 Jahren 1 3Ionat bestand Regelbig und abgestimmter Frontzahn/iberbiB. Augerdem war (lie Protrusion der oberen Front beseitigt (Abb. 2).

Der KonstruktionsbiB des verwendeten Aktivators war bei einer Unterkiefer- stellung genommen, die der RegelbiBlage etwa entspraeh. Im Seitenzahnbereieh bestand eine Sperre yon # ram. AuBerdem waren die Ffihrungsfl/iehen des Akti- vators auf Bighebung sowie im Sinne der Einstellung der RegelbiBlage, also auf Distalbewegung der oberen und Mesialbewegung der unteren Seitenz'ahne, ein- gesehliffen. Der Kunststoff hinter den oberen Sehneidez/ihnen und dem vorderen Oaumenanteil war entfernt.

Die Untersuehung dieses Falles naeh der angegebenen Methode ist auf den

14 . F o r t s e h r i t t e d e r K ie fe ro r tho !0 / id i e I~d. 22 H . 2

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206 Fortsehritte der Xieferorthopgdie 13d. 22 H. 2 (1961)

Abb. 3 und 4 dargestellt. Auf den Oberkiefermodellen vor und naeh der Behanct- lung sind Mel3bl/itter naeh gleiehen Bezugspunkten angebracht worden. Die Seehsjahrmolaren haben vor und naeh der Behandlung in sagittaler Riehtung den gleiehen Abstand yon den trarLsversalen Geraden der Mefibl/ttter. Diese Z/thne haben also keine sagittale Versehiebung durehgemaeht. Die stattgefundene BiB- verschiebung ist bei diesem Fall demnaeh Ausdruek einer Verlagerung des ganzen Unterkiefers.

II. Bei den Ffillen der zweiten Oruppe, die die F/ille mit Distalbil3 und Retrusion der obe- ren Front, also im we- sentlichen Dysgnathien der Deckbil3gruppe ent- hielt, wurde in einzelnen F/illen eine sagittale Ver- schiebung der oberen ersten Molaren um 1 bis 2 m m i m Sinne der Ein- stellung der RegelbiB- lage festgestellt. Diese Distalverschiebung be- traf abgesehen von einer Ausnahme jedoeh nur

Abb. 5 Abb. 6 solche F/~lle, bei denen die Abst/itzung des Ak- tivators zweeks Protru- sion der oberen Front im oberen Seitenzahn- bereich erfolgte. Die Verschiebung ist dem- nach allein als Folge der Eigenart der Abst/itzung anzusehen. Es kann da- her angenommen wer- den, (tab im Unterkiefer

al)b. ; Abb. s keine Versehicbungen des ersten Molaren im

Sinne der Einstellung der Regelbif31age stattfanden. Also aueh bei den unter- suehten Fallen der zweiten Gruppe erfolgte die Einstellung der Regelbil31age im allgemeinen dureh Unterkieferversehiebung. Lediglich bei einigen wenigen Ffillen trat noeh eine geringe paradentale Biltversehiebung hinzu.

Hierzu sei ein typisches Beisl?iel vorgetfihrt : Es handelt sieh um eine bei Be- handlungsbe~inn 12 Jahre alte Patientin, bei der ein Deekbif~ mit Tiefbi[3, Distal- bib und Platzmangel f~ir die oberen Eekziihne bestand (Abb. 5). Naeh einer Be- handlungszeit yon 1 Jahr 3 Monaten bestand 1Regelbil3 und abgestimmter Front- zahn/iberbi[3. AuI3erdem waren die oberen Sehneidezfihne ausreichend protrudiert und (lie Eckz/ihne eingeordnet (Abb. 6).

Der Konstruktionsbig des verwendetcn Aktivators war bei einer Unterkiefl'r- stelhmg genommen, die der Regelbi[31age etwa entspraeh. ]m Seitenzahnbereieh

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bestand eine Sperre von 5 mm. Die oberen Sehneidez/ihne sollten protrudiert werden; die Abstfitzung hierzu erfolgte dureh das Kaufl/iehenrelief im oberen Seitenzahnbereieh. Als (tie Sehneidez/ihne ausreiehend protrudiert und die Eek- z/ihne eingeordnet waren, wurde das Kaufl/iehenrelief entfernt und auf Bighebung sowie im Sinne der Einstellung der Regelbiglage eingesehliffen.

Die Untersuehung dieses Falles naeh der angegebenen Methode ist auf den Abb. 7 und 8 dargestellt. Auf den Oberkiefermodellen vor und naeh der Behand- lung sind wieder MeBbl'atter in gleieher Weise angebraeht. Es ist gut zu erkennen, dab sieh die Seehsjahrmolaren im Laufe der Behandlung um 2 mm naeh distal, also im Sinne der Einstellung der Regelbiglage, versehoben haben. Bei diesem Fall erfolgte die Bigversehiebung also zu einem kleinen Teil dureh Zahnversehiebung, der gr6Bere Anteil an der Einstellung der Regelbiglage entfiel jedoeh auf die Ver- sehiebung des ganzen Unterkiefers.

I l i . Bei keinem Fall der drit ten Gruppe, die die Patienten mit einseitigem Distalbil3 infolge Unterkiefersehwenkung enthielt, wurden Versehiebungen dee oberen Seehsjahrmolaren im Sinne der Einstellung der RegelbiBlage gefunden. Verschiebungen der ersten unteren Molaren im Sinne der Einstellung der Regel- biNage sind demnaeh wohl ebenfals auszusehlieBen. Fallweise wurden allerdings ausgepriigte Transversalversehiebungen im Seitenzahnbereich gemessen. Diese fiihren hier zur Aufreehterhaltung des seitliehen f]berbisses bei der Rfieksehwen- kung des Unterkiefers, insbesondere abet zur Beseitigung von seitliehen Kreuzbifi- verzahnungen, die nieht selten mit einseitigen Distalbissen vergesellsehaftet sind, jedoeh nieht zur Beseitigung yon einseitigen Distalbissen. Dieses Ergebnis besagt, dag bei den untersuehten F/tllen dieser Gruppe (tie Einstellung der Regelbiglage allein dutch Unterkieferverlagerung erfolgte, deren ~Vesen bier in einer Art Rota- tion liegen mug.

Hierzu sei ein typisehes Beispiel vorgefiihrt: Es handelt sieh um einen bei Behandlungsbe~nn 1 1 Jahre 6 Monate alten Patienten, bei dem ein rechtsseitiger roller BistalbiB bei Unterkieferschwenkung um 5 mm bzw. volle untere Sehneide- zahnbreite naeh reehts vorlag. Augerdem bestand ein oberer und unterer Sehmal- kiefer mit Tiefbig (Abb. 9). Naeh einer Behandlungszeit yon 2 Jahren 4 Monaten bestand Regelbi6. Die Kiefermitten waren eingestellt, der Big gehoben und beide Kiefer ausreiehend verbreitert (Abb. 10).

Der Konstruktionsbig des verwendeten Aktivators war bei einer Unterkiefer- stellung genommen, bei der die Kiefermit ten um den Betrag der urspr/ingliehen Sehwenkung iiberkorrigiert waren. Im Seitenzahngebiet bestand eine Sperre yon �9 5 mm. Es war auf Extrusion der Seitenzghne sowie im Sinne der Einstellung der 1RegelbiI}lage eingeschliffen worden. Sehlieglieh war eine medianeNachstellsehraube zur Kieferverbreiterung angebraeht.

Die Untersuehung des Falles ist auf den Abb. 1l und 12 dargestellt. Bei Be- traehtung der Oberkiefermodelle zeigt sieh, dab zwar sehr ausgeprggte trans- versale Versehiebungen, jedoeh keine sagittalen Versehiebungen im Sinne der gin- stellung der RegelbiBlage stat tgefunden haben. Vielmehr stehen die ersten oberen Molaren auf dem Modell naeh der BehaDdlung geringgradig weiter mesial als auf dem Anfangsmodell. Sie haben si~.h also sogar im Sinne einer Versehleehterung der Bil31age versehoben, was mit dem Ausfall bzw. Weehsel der zweiten oberen Milehmolaren zusammenh/ingt, lm Unterkiefer waren die Milehmolaren bereits bei Behandhmgsbeginn dutch ihre bleibenden Naehfolger ersetzt. Es kommt also eine Versehiebung der ersten unter'en Molaren im Sinne (let Einstelhmg der Regel- 1 4 " .

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208 Fortschritte der Kieferorthopgdie Bd. 22 H. 2 (1961)

biBlage weder dutch den Aktivator noch dnrch den Zahnwechsel in Betracht. Die stattgefundene Bii3versehiebung kann bei diesem Fall daher als Ergebnis einer reinen Unterkieferverlagerung angesehen werden, deren Wesen oben mit einer Art Rotation des Unterkiefers charakterisiert wurde. Schon die Tatsache, dab die urspriinglich um 5 mm abweichende Unterkiefermitte am Schlul~ der Be- handlung sich mit der Oberkiefermitte deekte, zeigt eindeutig die Verlagerung des ganzen Unterkiefers.

IV. In gleicher Weise wurden die in der vier- ten Gruppe zusammen- gefaftten F/ille mit Dis- talbil3 untersucht, bei denen es aus /istheti- schen Gesiehtspunkten umn6glich war, die Ein- stellung der RegelbiB- lage dutch Vorholen des Unterkiefers vorzuneh- men, weil sonst ein un- befriedigendes Gesiehts- profil entstanden w/ire. Bei diesen F/illen waren die ersten oberen Pr/i- molaren extrahiert und

.~bl)..() al)b. ~0 eine Riiekverlagerung des frontalen oberen Zahnbogenanteils bei Aufl'eehterhaltung der seitliehen Distalokklu- sion angestrebt worden. Die Entseheidung ffir dieses Vorgehen wurde naeh einem yon L. Pe- t r ik 1) angegebenen Vor- gehen getroffen, naeh dem bei Behandlungs- beginn der Unterkiefer

Abb. 11 Abb. r' versuehsweise in Regel- biglage vorgesehoben

wird. Dutch grfindliehe Analyse des so versuehsweise gewonnenen Gesiehtsprofils wird dann festgelegt, ob die Einstellung der Rege|biftlage dureh Vorholen des ganzen Unterkiefers m6glieh oder unm6glieh ist. Diese Analyse kann fallweise je naeh Notwendigkeit entweder direkt am Patienten oder am Profilphoto oder sogar am Fernr6ntgenseitenbild (jeweils bei versuehsweise ill gegelbiBlage vorgeholtem Unterkiefer) vorgenomnlen werden.

Die Auswertung der F/ille dieser Gruppe ergab, dab zwar immer ausgepr~gte Rfiekverlagerungen des frontalen oberen Zahnbogenanteils eintraten, (tab sieh andererseits aber aueh geringe Mesialversehiebungen der oberen Seitenz/ihne nieht

1 ) A n d r e s e n- H ~i u p 1- P e t r i k, Funkt ionskieferorthopiidie. 6. Aufla ge. Mtinehen 1957.

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W. Weise, Zur DistalbiB-Behandlung mittels Aktivators 209

vermeiden liel~en. Letzteres wird durch die Extraktion der ersten Pr/~molaren erm6glieht und dutch alas Prinzip der reziproken Abstfitzung bei der Aktivator- behandlung begiinstigt. Hieraus folgt, dab auch bei Fallen mit Extraktion tier ersten oberon Prgmolaren und angestrebter Rfiekverlagerung des frontalen oberen Zahnbogenanteils entgcgen dem Behandlungsplan falhveise der ganze Unterkiefer etwas nach mesial verschoben werden mul l wenn am SchluB der Behandlung eine exakte H6cker-Fissuren-1)istalverzahnung bestehen soll.

Hierzu sei ein typi- sehes Beispiel vorge- fiihrt. Es handelt sieh um eine bei Behand- lungsbeginn 13 Jahre 1 Monat alte Patientin, bei der ein DistalbiB mit Protrusion der oberen Front beihorizontal offe- nem BiB vorlag (Abb. 13). Das versuehsweise Vorholen des Unter- kiefers bei Behandlungs- beginn ergab die Not- wendigkeit einer Riick- verlagerung des fron- talen oberen Zahnbogen- anteils, weil bei Einstel- Abb. ~:~ .~b~,. 14 lung der Regelbiglage dureh Vorholen des Un- terkiefers ein /~sthetiseh unbefriedigendes Ge- siehtsprofil zu erwarten war. Es wurden daher (lie ersten oberen Prfi- molaren extrahiert und eine Rfickverlagerung der oberen Front an- gestrebt. Nae.h einer Be- handlungszeit yon 3 Jah- ren t0Monaten war (lie abb. 15 Abb. 16 obere Front ausreiehend rfiekverlagert worden, und die Extraktionsliieken waren gesehlossen (Abb. 14).

Der KonstruktionsbiB des verwendeten Aktivators war bei einer Unterkiefer- stellung genommen, die der individuellen Okklusion etwa entspraeh. Die Rfiek- verlagerung der oberen Front sollte dureh den Labialbogen und Dorne mesial der Eekz/ihne erfolgen. Die Abstfitzung erfolgte dureh das allseits belassene Kau- fl/tehenrelief. Augerdem waren Dorne mesial der oberen zweiten Prfimolaren an- gebraeht.

Die Untersuehung des Falles naeh der angegebenen Methode ist auf den Abb. 15 und 16 dargestellt. Die obere Front ist deutlich rfiekverlagert worden, es trat jedoeh aueh eine Versehiebung der oberen Seehsjahrmolaren urn 2 mm naeh mesial ein. Um eine exakte Distalverzahnung aufreehtzuerhaiten, muBte

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210 For tschr i t te der Kieferorthopiidie Bd. 22 14.2 (1961)

d e r U n t e r k i e f e r e n t g e g e n d e m B e h a n d l u n g s p l a n e t w a u m d e n g l e i c h e n B e t r a g n a e h m e s i a l v e r l a g e r t w e r d e n .

Zusammenlassung

Zusammengefal3t zcigen diese Untersuchungen folgendes: 1. Bei der Distalbi i3behandhmg mittels Akt ivators erfolgt (lie Herstellung der t~egelbiB-

lage fast ausschliel31ieh durch Verlagerung des Untei'kiefers. 2. Dam Einsehleifen des Aktivators im Sinne einer Distalbewegung der obcren und Mesial-

bewegm~.g der unteren Seitenzhhne ist nieht notwendig. Eine Pdiekverlagerung des oberen bzw. Vorverlagerung des unteren Zahnbogens innerhalb der Kiefer ist auf diese Weise nieht zu erreichen. Lediglieh bei F~illen mit angestrebter Protrusion der Frontzghne, also im wesent- liehen bei den Dysgnathien der DeekbiIlgruppe, t r i t t bei Absti i tzung im Seitenzahngebiet eine geringe zus/itzliehe Einstellung der Regelbil31age durch Distalbewcgung der oberen Sechs- jahrmolaren ein.

3. Bei DistalbiBfiillen. bei denen aus ~isthetisehen (;riinden die Ext rak t ion der ersten oberen Prgmolaren vorgenommen und eine Riickverlagerung der oberen Front bei Aufrecht- erhal ten der seitliehen Distalokklusion angestrebt wird, t r i t t neben der l l i iekverlagerung der oberen Fron t aueh eine geringe Mesialversehiebung der oberen Seitenziihne ein, die im Inter- esse einer exakten H6eker-Fissuren-Distalverzahnung entgegen dem Behandlungsplan ein geringes Vorholen des Unterkiefers erforderlieh machen kann.

4. Das Vorgehen nach L. P e t r i k iibcr das versuchsweise Vorholen des Unterkiefers ist bei der Akt iva torbehandhmg von besonderem prognostisehen Wert. da hier die Einstelhmg der I/egelbil31age fast ausschlieBlieh dureh Verschiebung des ganzen Unterkiefers bewirkt wird.

Anschrift d. Verf.: Dtk-seldorf, Westdeutsche Kicferklinik, Himmelgeisterstr. 152