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Lucius & Lucius Verlagsgesellscheft mbH is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Zeitschrift für Soziologie. http://www.jstor.org Lucius & Lucius Verlagsgesellscheft mbH Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks Author(s): Gerhard Vowinckel Source: Zeitschrift für Soziologie, Vol. 18, No. 5 (Oktober 1989), pp. 362-377 Published by: Lucius & Lucius Verlagsgesellscheft mbH Stable URL: http://www.jstor.org/stable/23845522 Accessed: 15-08-2015 05:41 UTC Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at http://www.jstor.org/page/ info/about/policies/terms.jsp JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. This content downloaded from 83.137.211.198 on Sat, 15 Aug 2015 05:41:28 UTC All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Zivilisationsformen Der Affekte Und Ihres Körperlichen Ausdrucks

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Lucius & Lucius Verlagsgesellscheft mbH

Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks Author(s): Gerhard Vowinckel Source: Zeitschrift für Soziologie, Vol. 18, No. 5 (Oktober 1989), pp. 362-377Published by: Lucius & Lucius Verlagsgesellscheft mbHStable URL: http://www.jstor.org/stable/23845522Accessed: 15-08-2015 05:41 UTC

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© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks1

Gerhard Vowinckel

Universität der Bundeswehr Hamburg, Fachbereich Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, Institut für

Gesellschaftswissenschaften, D-2000 Hamburg 70

Zusammenfassung: Anhand von Quellen aus mehreren Jahrhunderten werden soziale Standards für den

körperlichen Ausdruck der Affekte untersucht. Anstands- und Tugendlehrer forderten stets, daß Mienen, Gesten, Ton usw. die gefühls- und gesinnungsmäßige Übereinstimmung eines Menschen mit seinen moralischen Verpflichtun

gen gegenüber anderen Menschen ausdrücken sollten. Unterschiedliche Auffassungen gab es zu verschiedenen Zeiten über die Normierung der Gefühle selbst und über die Zulässigkeit des Heucheins. Einschlägige Normen sind

gedanklich eingebettet in umfassendere soziomoralische Arbeitsmodelle. Es wird deren jeweils unterschiedliche Logik und praktische Brauchbarkeit gezeigt. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß das psychologische Alltagswissen und die

kognitive Steuerung des sozialen Verhaltens von den Oberschichten bis zum siebzehnten Jahrhundert verfeinert und in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts vom Bürgertum simplifiziert worden sind. Die unterschiedlichen

Denkweisen werden mit den Lebensbedingungen ihrer Benutzer und mit strukturellen Wandlungen der Gesellschaften in Beziehung gesetzt.

1. Einleitung

In der Anmerkung 134 im zweiten Band seiner

klassischen Studie über den Prozeß der Zivilisation

beschreibt Norbert Elias einige Unterschiede zwi

schen höfisch-aristokratischer und bürgerlicher Mentalität (1969, 2. Bd.: S. 479-82). Im Vergleich zur bürgerlichen war die höfisch-aristokratische

Art, Menschen und Gesellschaft zu betrachten, nüchtern und illusionslos bis zu dem Grade, daß

sie den bürgerlich-mittelständischen Betrachtern

unmoralisch oder zumindest peinlich realistisch er

schien. Die Adeligen orientierten ihr gesellschaftli ches Verhalten intellektuell flexibel an Gesichts

punkten der Zweckmäßigkeit und einem psycholo

gisch scharfsinnigen Bild ihrer menschlichen Um

welt, während das Verhalten der Bürger stärker

durch internalisierte, aus dem Unbewußten wir

kende Selbstzwänge kontrolliert wurde, bei denen

die gedankliche Verbindung mit den gesellschaftli chen Fremdzwängen verlorengegangen war und

die daher den Charakter einer absoluten, keiner

Begründung bedürftigen Verbindlichkeit ange nommen hatten.

Während des achtzehnten Jahrhunderts wurden

die aristokratischen Denk- und Handlungsweisen

weitgehend durch bürgerliche aus dem Feld ge

schlagen: die realistischere, nuanciertere Alltags

psychologie durch die moralischere, die bewußte

re, stärker zweckorientierte Steuerung des sozialen

Verhaltens durch die weniger bewußte, schemati

schere. Diese Entwicklungen werden von Elias

dem Begriff eines Zivilisationsprozesses eingeord

net, der - angetrieben durch die Verdichtung,

Komplizierung und Ausweitung der gesellschaftli chen Interaktionsnetze - im wesentlichen einsinnig verläuft und zu dessen zentralen Entwicklungs

strängen Psychologisierung der Menschenbetrach

tung und Rationalisierung des gesellschaftlichen Verhaltens gehören. Die Diskrepanz zwischen den

in Fußnote 134 getroffenen Feststellungen und die

sem allgemeinen Bild des Zivilisationsprozesses ist

offenkundig.

Ich berichte im folgenden aus einer historisch

soziologischen Untersuchung von Wissensbestän

den zur Disziplinierung der Affekte und ihres kör

perlichen Ausdrucks. Dabei hatte ich mich zu

nächst von der Vorstellung eines in seinen ver

schiedenen Entwicklungssträngen einsinnig verlau

fenen Zivilisationsprozesses leiten lassen. Beim

Studium einschlägiger Quellentexte, dessen Er

gebnisse ich anschließend darstellen werde, kam

ich jedoch zu demselben Befund, den Elias in der

angeführten Fußnote beschreibt. Gegen die höchst

subtile praktische Psychologie und das kalkulierte

Verhalten der höfischen Aristokraten hatten die

Bürger Ideale der Biederkeit und moralischen Ein

falt gesetzt. Dabei knüpften sie, gelegentlich ganz

ausdrücklich, an Figuren des moralischen Denkens

1 Die Untersuchung, von der hier berichtet wird, wurde finanziell von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Die englische Version des vorliegenden

(überarbeiteten) Artikels wurde unter dem Titel

„Beautiful Souls and Political Brains. On the Civiliza tion of Affects and their Bodily Display" auf dem 83. Annual Meeting der American Sociological Associa tion (1988) in Atlanta, Ga. (USA) präsentiert. Sie ist erhältlich beim Sociological Abstract Document Deliv

ery Service. Ein Abstract findet sich in der SA Databa se unter der Zugangsnummer 88S20731.

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Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 363

an, wie sie im Mittelalter benutzt worden waren.

In einer Reihe von Merkmalen ähneln ihre Begrif fe und Argumente denen der ritterlichen Tugend lehrer des dreizehnten Jahrhunderts.

Natürlich läßt sich eine solche Wellenbewegung im

intellektuellen Niveau der ethischen Denkmittel

nicht mit der Vorstellung eines im wesentlichen

einsinnig verlaufenen Zivilisationsprozesses ver

einbaren. Die Erklärung, die ich stattdessen vor

schlagen werde, setzt den Wandel der Denkweisen

in Beziehung mit dem Übergang vom ständischen

zum staatlichen Organisationsmuster des menschli

chen Zusammenlebens.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die gesell schaftliche Normierung der Affekte und ihres kör

perlichen Ausdrucks. Ursprünglich hatte ich ange

nommen, die Regeln von Etikette, Lebensklugheit und Moral würden über die Jahrhunderte, im Zuge eines fortschreitenden Zivilisationsprozesses, eine

immer stärkere Unterdrückung und Reglementie

rung des spontanen Ausdrucks der Gefühle anzei

gen. Es fanden sich indessen keine überzeugenden Indikatoren für das quantitative Element dieser

Hypothese, die ich daher nicht weiter verfolgte. Ich fand aber, daß die Vorschriften zum Affekt

ausdruck auf einen einfachen gemeinsamen Nen

ner gebracht werden konnten: In den Ausdrucks

bewegungen, der „natürlichen Sprache des Ge

fühls", enthüllen sich die „wahren Gefühle", die

„eigentlichen Gesinnungen" (die Verhaltensbe

reitschaften) der Menschen. Das effektive soziale

Verhalten drückt die stärksten Verhaltensbereit

schaften aus, die häufig durch Nützlichkeitserwä

gungen, Furcht oder gesellschaftliche Kontrollen

bestimmt sind. Paßt die Miene, die einer macht,

nicht zu dem, was er tut, dann offenbart er die

Bereitschaft zu abweichendem Verhalten. Sein

Körper plaudert aus, daß er am liebsten zuschla

gen würde, während er sich mühsam beherrscht,

daß er vor Scham im Erdboden versinken möchte,

während er alle Vorwürfe zurückweist usw. Sein

Ausdruck entwertet so sein effektives Verhalten

und untergräbt das Vertrauen seines Mitmenschen

in die Verläßlichkeit der sozialen Beziehung. Da

her bezwecken die Normen zum Ausdrucksverhal

ten stets, die mimisch, gestisch usw. signalisierten

Verhaltensbereitschaften mit den Geboten überein

zubringen, die für das effektive Verhalten gelten. Der sozialisierte Gefühlsausdruck eines Menschen

zeigt an, daß sein offiziell an den Tag gelegtes Verhalten nicht durch abweichende Neigungen be

droht ist, sondern seinen „wahren" Gesinnungen und Gefühlen entspricht, daß er sich verhält, wie

man es von ihm erwartet, nicht widerwillig, lustlos

oder mit innerem Vorbehalt, sondern von ganzem Herzen.

In diesem Punkt stimmen die Quellen unterschied

licher Jahrhunderte überein. Ganz beträchtlich je doch haben sich seit dem dreizehnten Jahrhundert

die Meinungen darüber gewandelt, wie das „Lü

gen" in der „natürlichen Sprache der Gefühle" zu

bewerten sei, ob man Verstellung als Feinheit oder

Falschheit, Aufrichtigkeit als Tugend oder Torheit

anzusehen habe. Während ritterliche Tugendleh rer des dreizehnten Jahrhunderts freundlichen

Ausdruck ohne freundliche Gesinnungen als ver

werflich ansahen, erklärten politische Klugheits lehrer des siebzehnten Jahrhunderts das „Stellen und Verstellen" zur „Kunst der Könige", was ih

nen von den bürgerlichen Tugendlehrern am Ende

des achtzehnten Jahrhunderts sehr übel genom men wurde, die eine Diskrepanz zwischen innerer

und äußerer Gesittung unter keinen Umständen

zulassen mochten. Um diese unterschiedlichen

Auffassungen zu verstehen, mußte ich ihren weite

ren gedanklichen Zusammenhang untersuchen.

Die Untersuchung konnte sich daher nicht auf die

„feeling rules" (Hochschild 1979), die Fühlregeln, und die „display rules" (Ekman 1972), die Aus

drucksregeln, beschränken. Man kann diese Re

geln nur angemessen verstehen, wenn man sie im

Zusammenhang des jeweiligen gesellschaftlich moralischen Begriffs- und Überzeugungssystems

betrachtet, aus dem sie abgeleitet sind. Ein solches

gedankliches Arbeitsmodell des menschlichen Zu

sammenlebens benutzt bestimmte Begriffe von der

moralischen und emotionalen Natur des Men

schen. Es enthält Vorstellungen von der Beschaf

fenheit und Legitimität moralischer und rechtli

cher Normen, Auffassungen von der Natur des

Menschen und der Gesellschaft, und es macht

Annahmen über die Stellung des Menschen in der

Schöpfung und im Staat. Die Untersuchung dehnte

sich also aus auf das ethische, psychologische, so

ziologische, religiöse usw. Gebrauchswissen, das

die Menschen in ihrer kulturellen Umwelt vorfin

den und dessen sie sich gewöhnlich bedienen, um

sich selbst und ihre menschliche Umwelt zu verste

hen und um ihr Verhalten anzuleiten. Zu den

Quellen, mit deren Lektüre ich angefangen hatte,

ritterlichen Tugendlehren, Hofzuchten, Epen,

Spruchsammlungen, humanistischen Erziehungs

traktaten, Komplimentierbüchern, politischen

Klugheitslehren, Manierenschriften, bürgerlichen

Erziehungsschriften und Tugendlehren, traten

Schriften zu Theologie, Ethik und politischer

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364 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

Theorie. Beim Studium der Quellen schälten sich

allmählich die drei soziomoralischen Arbeitsmo

delle heraus, die anschließend in ihren Hauptzü

gen dargestellt werden.

Meine Quellen sind deutsch im Original oder sind

bald nach ihrem ersten Erscheinen aus einer ande

ren europäischen Sprache ins Deutsche übersetzt

worden. Ihre begrenzte Zahl erlaubt sicherlich nur

vorläufige Verallgemeinerungen. Sie wird aber

durch die Tatsache ein wenig ausgeglichen, daß sie

Autoren einschließt, die zu ihrer Zeit in Europa

große Namen hatten, viel gelesen wurden und für

weniger prominente Autoren Vordenker und

Stichwortgeber waren. Die untersuchten Schriften

richteten sich an Leser aus den gesellschaftlich

tonangebenden Schichten und waren auf deren

besondere Interessen zugeschnitten. Daß sich die

darin propagierten Denkweisen von denen niedri

gerer Schichten unterscheiden, kann man als sicher

annehmen.

Norbert Elias' Begriffe von „mehr" oder „weni

ger" in der Zivilisiertheit der Mentalitäten und

Affekthaushalte sind orientiert am psychoanalyti schen Seelenmodell. Dieses macht die Verinnerli

chung von Fremdzwängen als Selbstzwänge, ihre

Ablagerung in den unbewußten Schichten der Per

sönlichkeit zum Maßstab der Kulturentwicklung. Das analytische Instrumentarium ist spezifisch blind für einige Aspekte der „Psychologisierung" und „Rationalisierung"

- was wohl einer der Grün

de dafür ist, daß die eingangs erwähnten und an

schließend im Detail dargestellten Befunde in

Elias' Zivilisationskonzept nicht schlüssig inte

griert werden konnten.

In der vorliegenden Studie untersuche ich Mentali

täten und Affekthaushalte vor dem gedanklichen

Hintergrund von Begriffen und Theorien, die Jean

Piaget und Lawrence Kohlberg für entwicklungs

psychologische Zwecke entwickelt haben. Meine

Abwandlung dieser Analyseinstrumente habe ich

andernorts dargestellt (vgl. Vowinckel 1979;

1983). Ich verwende sie als Elemente für eine zu

entwickelnde soziologische Theorie moralischen

Orientierungswissens und seines Zusammenhangs mit den vitalen Lebens- und Überlebensproblemen von Gruppen und Gesellschaften. Die folgende

Untersuchung gibt ein Beispiel ihrer Anwendung.

2. Der hüfsche muot

Im dreizehnten Jahrhundert richteten weltliche

Leitfäden für Moral und Manieren ihre Ratschlä

ge, zumeist in Versform, an die Einwohner der

großritterlichen Feudalhöfe, die sich im Zeichen

eines gewissen Wohlstandes zu Mittelpunkten kul

turellen Lebens und zu Pflanzstätten von Minne

sang und courtoisen Umgangsformen entwickelt

hatten (Elias 1969). Sie preisen das Ideal des „hüf schen muot", der höfischen Gesinnung.

Die Verfasser von Hofzuchten, Ritterspiegeln und

Heldenepen betonen am körperlichen Ausdruck

der Affekte in erster Linie den Informationswert:

Aus den Mienen, Gebärden und Körperhaltungen des Menschen kann man ihre Affekte und Gesin

nungen erkennen, das, wessen man sich von ihnen

zu versehen hat. An „schönen Gebärden" (Tho masin 1215-16/1852: 208f.) und „fröhlichen Ge sichtern" (Facetus 13. Jh./1854: 109ff.) erkennt

man die guten Menschen, denen man vertrauen

kann, an „schalkhaften Blicken", „unsteten Fü

ßen" (Facetus 13. Jh./1854: 365ff.), „krummen

Blicken", „schiefem Gang" und „seltsamen Gebär

den" (Thomasin 1215-16/1852: 683ff., mittelhoch

deutsche Zitate ins Hochdeutsche übertragen, G. V.) die moralisch unzuverlässigen.

Natürlich ist es auch den mittelalterlichen An

stands- und Sittenlehrern nicht entgangen, daß

Menschen sich verstellen können. Damit weichen

sie von der natürlichen Ordnung ab, derzufolge die

Ausdrucksbewegungen die Gemütsverfassung an

zeigen. Gleichzeitig weichen sie von der morali

schen Ordnung ab, denn diese ist identisch mit der

natürlichen und durchaus kein künstliches Men

schenwerk. Im Gegensatz zu den Auffassungen der höfischen Aristokraten des siebzehnten Jahr

hunderts verwerfen die ritterlichen Tugendlehrer

jede Freundlichkeit oder Höflichkeit des Geba

rens, die nicht Ausdruck einer entsprechenden

Gesinnung ist (Walther 1215-20/1972: 310; Thoma

sin 1215-16/1852: 943ff.). Hinter „süßen Reden"

und „schönen Gebärden" (Thomasin 1215-16/

1852: 1377ff.) verbergen die falschen, bösen Men

schen ihre hinterhältigen Pläne und feindseligen

Gesinnungen. Sie sind dadurch unberechenbar

und bedrohen die Verläßlichkeit der zwischen

menschlichen Beziehungen.

Freilich findet man in den Hofzuchten auch An

weisungen, gesellschaftlich unerwünschte Gemüts

bewegungen zu verbergen. Dadurch soll aber kei

neswegs Unaufrichtigkeit legitimiert werden. Viel

mehr sollen in ihren körperlichen Ausdrucksfor

men die unerlaubten Gefühle selbst bekämpft wer

den (Winsbekin 1240/1973: 73ff.; Thomasin 1215-16/1852: 199ff.). Man erkennt daran, daß der

mittelalterliche Begriff der „hüfscheit" sich nicht

nur, wie die spätere „Höflichkeit", auf „das Sitten

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Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 365

ähnliche in der Ehrliebe und die äußere Anstän

digkeit" (Kant 1784/1978: 44) bezieht, sondern die moralischen Tugenden einschließt. Er bezeichnet

die Harmonie der Gesinnungen mit der sittlichen

Ordnung der Welt, die tugendhafte Gemütsverfas

sung, die sich im äußeren Gebaren auf natürliche

Weise ausdrückt. Ungeachtet der Heuchler und im

Gegensatz zu den Auffassungen späterer Jahrhun

derte werden äußere und innere Gesittung als Ein

heit gedacht. Das Schwergewicht liegt gleichwohl auf der moralischen Beschaffenheit des Gemüts:

Entscheidend für die Schätzung eines Menschen ist

nicht, was er tut, sondern die Gesinnung, mit der

er es tut.

Die Begriffe, mit denen menschliche Gemütsbe

wegungen und Gesinnungen beschrieben werden,

sind die der Tugenden und Laster. Zu den christli

chen Tugenden „Glaube", „Liebe" und „Hoff

nung" kommen gewöhnlich die aus der Antike

überlieferten Kardinaltugenden „Klugheit", „Mä

ßigkeit", „Tapferkeit" und „Gerechtigkeit". Diese

Tugenden stehen, z.B. bei Gregor dem Großen,

sieben Hauptsünden gegenüber, die sämtlich Aus

flüsse der „superbia", des „Hochmutes" sind, näm

lich „Eitelkeit", „Neid", „Zorn", „Trübsinn",

„Geiz", „Völlerei" und „Unzucht" (Dempf 1978:

57). Man erkennt leicht, daß es mit einem solchen

begrifflichen Apparat so gut wie unmöglich ist,

affektpsychologische Betrachtungen anzustellen,

ohne zugleich moralische Zensuren zu verteilen.

Eine nüchtern-empirische, psychologische Be

trachtung menschlichen Verhaltens ist mit diesen

Begriffen, die auf Zwecke unmittelbarer morali

scher Orientierung zugeschnitten sind, schwer

möglich. Der Katalog der Tugenden stellte im Mittelalter

das Inventar der menschlichen „Natur" dar; frei

lich nicht der „Natur" einer modernen „natur

wissenschaftlichen Betrachtungsweise. „Natur"

bezeichnet hier die göttliche Schöpfungsordnung, die auch das menschliche Verhalten ordnet. Sie

legt den „rechten Weg", den gottgefälligen Le

benswandel fest bis hin zu den Rollenerwartungen für die verschiedenen, zumeist durch Geburt fest

gelegten Positionen in der ständischen Ordnung.

Die von Gott gestiftete natürlich-moralische Ord

nung des gesellschaftlichen Lebens hat keine ge dankliche Alternative. Vor der Überheblichkeit

menschlichen Zweifels schützt sie die höchste aller

Tugenden, die Demut. Gegenspielerin der Demut

ist die „Hoffart", die Anmaßung, „gut" und „bö

se" selbst erkennen zu wollen. Sie ist die Rebellion

gegen Gott, die Usurpation seiner alleinigen

Machtbefugnis, die Ursünde der ersten Menschen,

die zur Vertreibung aus dem Paradies führte und

dem Menschen als einzigem unter den göttlichen

Geschöpfen die zweifelhafte Gabe verlieh, von

seiner „Natur" abzufallen und den Weg des La

sters zu gehen - und das heißt, sündigen Leiden

schaften und Gesinnungen zu folgen.

Diese unvermeidlich grobe und lückenhafte Skizze

des von den mittelalterlichen Anstands- und Sit

tenlehrern benutzten soziomoralischen Arbeitsmo

dells läßt sich so zusammenfassen: Das kulturell

disziplinierte Ausdrucksverhalten bringt die Über

einstimmung der Gesinnungen mit der, Mensch

und Gesellschaft einschließenden, göttlichen

Schöpfungsordnung zum Ausdruck. Wer die guten

Gesinnungen heuchelt und damit nicht seine inne

re Umkehr einleitet, sondern die Mitmenschen

über seine wahren Gefühle und Absichten zu täu

schen versucht, stellt sich aus der Ordnung heraus.

Er fällt ab von seiner göttlichen „Natur"; sein

Umgang muß gemieden werden.

3. Die politische Klugheit

Bereits in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts,

mit dem Niedergang des Rittertums, begannen die

Ideale des „hüfschen muot" zu verblassen (Elias

1969; Heckendorn 1970; Zaehle 1933). Es mehrten

sich die Klagen über die gesellschaftliche Wirklich

keit, die den moralischen Orientierungsmitteln nicht entsprach. Neben der offiziellen Sittenlehre,

die sich im Alltag als nicht praktikabel erwies,

gewannen eher zynische Lebensmaximen an Popu

larität, die nicht von Vertrauen in die göttliche

Ordnung des gesellschaftlichen Lebens zeugten. Neben der moralischen Betrachtung des gesell schaftlichen Lebens, die weiterhin an den religiö sen Überlieferungen orientiert war, entwickelte

sich eine empirische, die mehr daran interessiert

war, wie die Menschen tatsächlich waren, als dar

an, wie sie hätten sein sollen. Zu einer Moral für

Sonn- und Festtage gesellte sich eine „politische

Klugheit", die auf die Probleme der gesellschaftli chen Realität zugeschnitten war (vgl. Hirschmann

1980: 20ff.). Die neue, realistische Denkweise, die

sich zunächst in verhältnismäßig konkreten, nicht

auf eine allgemeine ethische Theorie bezogenen Maximen ausdrückte, wurde spätestens im sieb

zehnten Jahrhundert zu einem gedanklich durch

konstruierten moralischen Orientierungsmodell

ausgebaut, das in den Kreisen um die absolutisti

schen Herrscher, aber auch weit darüber hinaus, in

Gebrauch kam. Der gedankliche Ort, den die Af

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366 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

fekte und ihr körperlicher Ausdruck darin einnah

men, war ein ganz anderer als zur Zeit des „hüf

schen muots".

Zwar werden nach wie vor die gesitteten Mienen

und Gebärden als eine Art „public relations"-Me

dium betrachtet („sei tugendhaft und laß es jeden

sehen"). Aber die Tugendhaftigkeit der Gesinnun

gen wird zur Legitimierung einer vorteilhaften

Selbstdarstellung nicht mehr vorausgesetzt. Im

Gegenteil, den Ratgebern der politischen Klugheit ist es fast selbstverständlich, daß das äußere Ver

halten eines Mannes von Welt seine tatsächlichen

Gesinnungen und Gefühle nicht ausdrückt, son

dern verbirgt (La Bruyére 1688/1979 II: 85). Wie die Rede, so handhabt er auch die körperlichen Ausdrucksmittel ganz bewußt - als Instrumente

zur Beeinflussung der Menschen und zur vorteil

haften Gestaltung gesellschaftlicher Verbindun

gen. Sie befähigen zum Umgang mit Menschen

jedes Temperaments (Gracian 1653/1975: 40) und

jedes Standes, besonders aber mit Personen, zu

denen die sozialen Beziehungen unklar oder pro blematisch sind: mit Fremden (Bacon 1625/1970:

42) und mit Feinden.

Die gute Lebensart hat nämlich ihre eigentliche

Bewährungsprobe im Umgang mit Menschen, zu

denen keine moralisch definierten oder legitimier ten Beziehungen bestehen (Chesterfield 1774/1912

Bd. 2: 141). Aber auch Freunden darf man seine

wahren Gefühle nicht offenbaren. Die Lehrer der

politischen Klugheit schärfen ihren Lesern ein, daß

die Freunde von heute die Feinde von morgen sein

könnten und daß man sich nicht durch unange brachte Offenherzigkeit in ihre Hand geben dürfe

(Wolff 1720/1976: 585; Bessel 1669: 85; usw.). So ziale Beziehungen werden grundsätzlich als insta

bil, als zur Disposition stehend und daher gestalt bar angesehen. Werkzeuge dieser Gestaltung sind

die mit politischer Klugheit zweckmäßig eingesetz ten guten Umgangsformen des erfahrenen Welt

mannes.

Die ritterlichen Tugendlehrer hatten die Ordnung der menschlichen Gesellschaft als unwandelbaren

Teil der ewigen göttlichen Schöpfungsordnung an

gesehen. Die Tugend hatte für sie darin bestanden, sich demütig mit dem Platz zu bescheiden, den

diese Ordnung einem Menschen durch Geburt an

wies. Die politischen Klugheitslehrer beschreiben

die Gesellschaft in Begriffen des Spiels oder des

Krieges. Die Beteiligten, vor allem die politisch

ehrgeizigen Höflinge, betreiben in diesem Spiel oder Krieg ihre „Interessen", ihren „Eigennutzen" oder ihr „Fortkommen". Der einzige Weg, diese

Ziele bei Hof zu erreichen, führt über die Gunst

der Mächtigen, insbesondere des Herrschers.

Die im Mittelalter hoch gepriesene Demut wird

nun von Mandeville abgetan als „träge, verschlafe

ne Tugend", geeignet „für arme Hungerleider"

(1724/1980: 152). Zur Tugend erhoben, tritt der

Ehrgeiz in den Dienst eines Persönlichkeitsideals, das auf den Erwerb von Macht und gesellschaftli cher Geltung ausgerichtet ist (Chesterfield 1774/

1912 Bd. 1: passim; Gracian 1653/1975: 32). Die politischen Köpfe identifizieren sich nicht mit ih ren gesellschaftlichen Stellungen. Sie streben dar

über hinaus und verstehen es, sie zu ihrem Vorteil

zu verändern. Die Mitmenschen figurieren in ihren

Plänen als mögliche Gegner oder Verbündete.

Bündnisse und Gegnerschaften stehen jedoch zur

Disposition und werden bei Bedarf revidiert.

Der Erfolg im höfischen Machtspiel hängt davon

ab, daß man die Pläne und Intrigen der Mitspieler rasch genug durchschaut, um ihnen entgegentreten zu können; und daß man die eigenen Absichten so

sorgfältig tarnt, daß die Konkurrenten keine Ab

wehrmaßnahmen treffen können. Bei diesem tak

tischen Problem des Täuschens und des Durch

schauens der Täuschung spielt nun der körperliche Affektausdruck eine Schlüsselrolle. Obgleich in

der Zeit, von der wir sprechen, zu seiner Diszipli

nierung größere Anstrengungen unternommen

wurden als jemals vorher oder nachher, betrachten

doch die höfischen Aristokraten die „natürliche

Sprache des Gefühls" als die vergleichsweise zu

verlässigste Informationsquelle über die Gefühle,

Gesinnungen und Absichten ihrer Mitmenschen

(Chesterfield 1774/1912 Bd. 1: 244; Wolff 1720/ 1976: 132; usw.). Aus ihnen hofft man die tatsäch

lichen Einstellungen der Menschen zu anderen

Menschen oder zu bestimmten Ereignissen zu er

kennen (Bessel 1669 u. a.), aber auch ihre charak

terliche Beschaffenheit, insbesondere ihre „herr schenden Leidenschaften" (Chesterfield 1774/1912

Bd. 1: 197; Gracian 1653/1975: 16f.; usw.).

Der dergestalt durchschaute Mensch wird bere

chenbar und manipulierbar. „Wer sich nicht selbst

genug in seiner Gewalt hat, um unangenehme

Dinge ohne sichtbare Merkmale des Zorns oder

Veränderung der Miene, im gleichen angenehme ohne plötzliche Ausbrüche der Freude und Auf

heiterung des Gesichts anzuhören, der steht in der

Gewalt jedes listigen Betrügers oder unverschäm

ten Gecken" (Chesterfield 1774/1912 Bd. 1: 295f.). Um seine Pläne auf realistischen Annahmen über

das Verhalten der beteiligten Personen aufzubau

en, benötigt also der Hofmann genaue Menschen

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Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 367

beobachtung und psychologischen Scharfsinn. Da

mit er aber nicht seinerseits von den anderen

durchschaut und manipuliert werden kann, muß er

sich in der „Kunst der Könige" (Bessel 1669: 105)

üben, das heißt, er muß imstande sein, unpassende

Gemütsbewegungen zu verbergen und gegebenen falls die passenden zu heucheln. „Wer nicht alles

stellen und verstellen kann, der ist zum Regemente

ungeschickt, und kann nicht mit Nutzen in Herrn

Geschäfte gebraucht werden" (Bessel 1669).

Die Erfolgsaussichten von Täuschungsmanövern

steigen, wenn man im Rufe der Offenheit steht.

Dieser Ruf leidet aber naturgemäß, wenn man

solche Manöver zu häufig durchführt. Bacon hält

es für das Beste, „im Rufe und im Ansehen der

Offenheit zu stehen", aber notfalls „sich verstellen

und heucheln zu können" (1625/1970: 20; vgl. Che

sterfield 1774/1912: 243; Gradan 1653/1975: 109). Aber auch unabhängig von strategischen Rück

sichten gilt die Unverstelltheit des körperlichen Affektausdrucks als unschickliche Entblößung, ähnlich anstößig wie die Nacktheit des Leibes

(Gracian 1653/1975: 9; usw.).

Die (bürgerliche) Kulturgeschichtsschreibung, die

sich mit dem Wandel der Umgangsformen beschäf

tigt, betrachtet bis heute die Zeit der politischen

Klugheitslehren als eine Epoche zynischer Immo

ralität. Tatsächlich aber sind die beschriebenen

Verhaltensmaximen wohlintegrierte Bestandstük

ke eines gedanklich durchkonstruierten gesell schaftlich-moralischen Arbeitsmodells. Es unter

scheidet sich allerdings erheblich von der Denk

weise der ritterlichen und später der bürgerlichen

Tugendlehrer.

Auch in diesem Orientierungsmodell hat die

menschliche „Natur" eine zentrale argumentative Funktion. Der mit dem Wort verbundene Begriff hat sich aber gegenüber dem mittelalterlichen

gründlich gewandelt. Die „Natur" des Menschen

bezeichnet nicht länger seine göttliche Bestim

mung, in der er seit dem Sündenfall ständigen

Anfechtungen durch lasterhafte Begierden und

Leidenschaften ausgesetzt ist. Vielmehr sind nun

die „Natur" und die ehedem als Tugenden oder

Laster klassifizierten Leidenschaften entmorali

siert: Sie sind vom gut/böse-Dualismus abgekop

pelt und dienen nur mehr zur Feststellung von

Tatsachen, ohne daß mit dieser Feststellung not

wendigerweise schon eine Bewertung verbunden

wäre. Die unsozialisierten Gefühle und Begierden werden der natürlichen Triebausstattung des Lebe

wesens Mensch zugerechnet. Als solche dienen sie

der biologischen Selbsterhaltung und sind die pri

mären Motive aller menschlichen Bestrebungen, der erlaubten ebenso wie der verbotenen (La Bru

yére 1688/1979 II: 157; Hobbes 1642/1959: 69; Mandeville 1724/1980: pass.; usw.). Die „Reflexio nen und Maximen" des Herzogs von LaRochefou

cault beziehen ihre Pointen fast ausschließlich dar

aus, daß sie hinter allen moralischen Spitzenlei

stungen die natürlichen, „menschlichen" Motive

aufspüren (1665/1976: pass.).

Begierden und Leidenschaften als die angebore

nen, der Selbsterhaltung dienenden Verhaltens

programmierungen des Lebewesens Mensch bil

den den rein tatsächlichen Ausgangspunkt des ge sellschaftlich-moralischen Arbeitsmodells, das in

den Naturrechtslehren des siebzehnten und begin nenden achtzehnten Jahrhunderts logisch durch

konstruiert wurde. Wenn der Mensch nur tut, ja nur tun kann, wodurch er seine eo ipso eigennützi

gen Begierden zu befriedigen hofft (Mandeville 1724/1980: 236f.), dann muß eine brauchbare Ethik

diese Tatsache berücksichtigen. Die allgemeine

ungehemmte und ungeregelte Betätigung der Lei

denschaften brächte allerdings die Menschen in

eine höchst unbehagliche Lage (Hobbes 1642;

1651; Pufendorf 1673). Ohne wirksame Einrich

tungen der Konfliktregelung müßte es um die Mit

tel der Selbsterhaltung zu einem Kampf aller gegen alle kommen. Wenn jeder seine Bedürfnisse ohne

Rücksicht auf die der anderen zu befriedigen such

te, dann würden die Bedürfnisse aller im Ergebnis sehr schlecht befriedigt werden. Es ist daher

schlichte Eigenliebe, was die Menschen dazu

bringt, sich freiwillig dem „natürlichen Gesetz" zu

unterwerfen, das im Kern auf der Maxime beruht,

anderen nicht zuzufügen, was man nicht selbst

erleiden möchte. Der einzelne unterwirft sich dem

Gesetz, das der Betätigung seiner Begierden Gren

zen setzt, um zu einer im Resultat ergiebigeren

Befriedigung seiner Bedürfnisse zu gelangen.

Die Vorteilsrechnung, durch die Staatstheoretiker

des siebzehnten Jahrhunderts ihrem Publikum den

status civilis schmackhaft machen, bedient sich

noch weiterer kognitiver Errungenschaften. In der

Realität des menschlichen Seelenlebens sind die

Affekte und Begierden zunächst einmal vereinzel

te Anwandlungen, die unter bestimmten auslösen

den Bedingungen, bei bestimmten Bereitschaftszu

ständen des Körpers, zu bestimmten Zeiten und an

bestimmten Orten aktiviert werden. Sie dringen auf sofortige Verwirklichung ohne Rücksicht auf

die nicht gegenwärtigen direkten oder indirekten

Spät- und Nebenfolgen. Um diese zeitlich, räum

lich und ihrer Art nach heterogenen Handlungsim

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Page 8: Zivilisationsformen Der Affekte Und Ihres Körperlichen Ausdrucks

368 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

pulse in einer Vorteilsrechnung vereinigen zu kön

nen, müssen sie kommensurabel gemacht werden.

Das geschieht mit Begriffen wie „Lust", „Glückse

ligkeit" oder „Nutzen". Sie drücken die relative

Dringlichkeit der verschiedenen Bedürfnisse aus

und erlauben ihre Vereinigung in einem längerfri

stigen, auf Optimierung der Glücksbilanz angeleg ten Lebensplan. Der schließt dann auch die Beach

tung des natürlichen Gesetzes ein (Chesterfield 1774/1912 Bd. 1: 198f.; Spinoza 1677/1976: 243; usw.). Damit auch die Dummen, die die Vorzüge des natürlichen Gesetzes nicht begreifen (Wolff 1720/1976: Vorrede), und die, die sich bei allge meiner Geltung des Gesetzes von individuellen

Übertretungen Vorteile erhoffen (Hobbes 1642/

1959: 124ff.), das Gesetz achten, unterwerfen sich

die Menschen der Macht des Staates, der, auf der

Grundlage der natürlichen, bürgerliche Gesetze

erläßt und Übertretungen mit Strafen bedroht, die

so bemessen sind, daß Furcht die sträflichen Be

gierden überwiegt (Hobbes 1642/1959: 215f.).

In diesem Denkmodell ist ein Verhalten moralisch

gerechtfertigt, wenn es mit dem natürlichen Gesetz

übereinstimmt. Die Tugend besteht in der klugen

Bewirtschaftung der Chancen zur Befriedigung der

Bedürfnisse. Das Gewissen besteht in der Fähig

keit, durch eigenes Nachdenken - „durch die De

monstration" (Wolff 1720/1976: 183) -

gut und

böse aus den dargelegten Prämissen ableiten zu

können, also etwas zu tun, das im Mittelalter als

Hoffart gegolten hatte, als die unverzeihlichste

aller Todsünden. Gegenstand moralischer Wertur

teile sind nicht länger die Affekte und Gesinnun

gen eines Menschen, sondern sein Verhalten. Die

ganz unterschiedlichen und einander häufig wider

streitenden Antriebe, die als zunächst ungeordnete Motive in den Prozeß der Willensbildung einge

hen, werden als den Instinkten der Tiere entspre chende Werkzeuge der Selbsterhaltung sachlich

begriffen und moralisch entlastet. Da feindselige

Gesinnungen und niederträchtige Motive nieman

dem schaden und fromme Gefühle niemandem

nützen, sind sie als solche weder gut noch böse

(Hobbes 1651/1978: 66; Pufendorf 1673/1943: 8; Chesterfield 1774/1912 Bd. 1: 200).

Eine Zusammenfassung soll nochmals das morali

sche Arbeitsmodell im Überblick zeigen, das in

den politischen Klugheitslehren des siebzehnten

und beginnenden achtzehnten Jahrhunderts die

Affekte und ihren körperlichen Ausdruck regelt. Die vorsozialen, auf biologische Selbsterhaltung

programmierten „tierischen" Begierden und Lei

denschaften, die im Mittelalter, überwiegend als

Laster, moralisch vorzensiert waren, bilden nun

den rein tatsächlichen, moralisch neutralen Aus

gangspunkt, von dem aus das frühmoderne Natur

recht more geométrico seine Gesellschaftslehre

entwickelt. Da die ungehemmte Betätigung der

Leidenschaften die Menschen in die Anarchie des

gesellschaftlichen Naturzustandes stürzen würde, in dem der Kampf aller gegen alle die Chancen zur

Befriedigung ihrer Bedürfnisse drastisch beein

trächtigte, unterwerfen sie sich im vernünftig er

wogenen eigenen Interesse dem Gesetz. Gedankli

cher Ausgangspunkt für die Legitimierung der ge sellschaftlichen Einrichtungen und Motiv ihrer

Achtung durch die Bürger sind die primären, unso

zialisierten Bedürfnisse der Menschen und die

„geometrischen" Prinzipien ihrer Koordination.

„Gut" und „böse" sind berechenbar, gesellschaft liche Normen kritisierbar geworden.

Die Benutzer dieses moralischen Arbeitsmodells

sehen den Kern ihrer Identität in ihren der Gesell

schaft vorgeordneten individuellen Lebensansprü chen (Triebe, Begierden, Leidenschaften) und

nicht in den gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer

Person (Rollen, Normen). Die Disziplinierung der

Leidenschaften hat nicht ihre Abtötung, nicht ihre

Ersetzung durch moralische Gefühle, zum Ziel,

sondern die bessere Bewirtschaftung ihrer Befrie

digungschancen. Sie sind der Gegenstand ständi

ger Überwachung, damit sie nicht „Amok" laufen, sondern in längerfristige Lebenspläne integriert werden können.

Der körperliche Ausdruck der Affekte darf nicht

die Seele entblößen; deren Nacktheit ist so anstö

ßig wie die des Leibes. Der unverstellte Ausdruck

der Gefühle könnte das moralisch untadelige Ver

halten eines Menschen Lügen strafen und so Anlaß

zu Mißtrauen und Unfrieden geben. Hobbes (1651/ 1978: 137) und Pufendorf (1673/1943: 30) nehmen die sorgfältige Kontrolle der Mienen und Gebär

den unter die „natürlichen Gesetze" auf, die den

Bestand einer friedlichen Gesellschaft sichern sol

len. Wie alles sichtbare Verhalten werden sie mo

ralisch reglementiert - im Unterschied zu den Af

fekten selbst. Die sind in ihrer unsozialisierten

Form Kern und Symbol einer in ihren gesellschaft lichen Bestimmungen nicht aufgehenden Identität

und als solche zuweilen Gegenstand eines gestei

gerten Selbstgefühls: „Gute Manieren haben mit

Sittlichkeit oder Religion nichts zu tun; anstatt die

Leidenschaften auszulöschen, fachen sie sie eher

an. Ein Mensch von Takt und Erziehung schwillt

niemals mehr vor Stolz, als wenn er sie mit größ tem Geschick verbirgt" (Mandeville 1724/1980:

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Page 9: Zivilisationsformen Der Affekte Und Ihres Körperlichen Ausdrucks

Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 369

127). Nach den Regeln des natürlichen Gesetzes

darf man zwar die Menschen nicht zu ihrem Scha

den täuschen. Die Höfe aber stellen gewisserma ßen Kriegsschauplätze dar, auf denen sich die Höf

linge eher nach den Regeln des status naturalis

verhalten als nach denen des status civilis. Das

moralische Arbeitsmodell hält seinen Benutzern

beide Möglichkeiten offen.

4. Die schöne Seele

Lebensart und Denkweise der höfisch-aristokrati

schen Klugheitslehrer fanden selbst zu Zeiten ihrer

stärksten Verbreitung in den oberen Schichten der

Gesellschaft keine ungeteilte Zustimmung. Allzu

schwer ließen sie sich mit christlicher Lehre und

bürgerlichen Lebensformen vereinbaren. Nach

dem sie im siebzehnten Jahrhundert ihre charakte

ristische, hier geschilderte Form gefunden hatten, setzten sich im Verlaufe des achtzehnten Jahrhun

derts, ausgehend von England, bürgerliche Auffas

sungen gegen sie durch (Zaehle 1933: 142ff.). Die

Moral Weeklies signalisierten zu Beginn des Jahr

hunderts die geistig-moralische Wende; aber es

waren in der Mitte des Jahrhunderts die Schriften

Rousseaus, durch die die neue Denkrichtung ihre

intellektuelle Zuspitzung und breitenwirksame

Darstellung erfuhr.

Gleich in seinem ersten Discours von 1750 führt

Rousseau einen erbitterten Angriff auf eine der

zentralen Argumentationsfiguren der „politischen

Klugheit", nämlich die Abkoppelung des äußeren

Verhaltens von den inneren, den wahren Gesin

nungen und die moralische Indifferenz gegenüber den letzteren. Die Kluft zwischen den nicht soziali

sierten, eigensüchtigen Begierden und Affekten

und den „edlen Sitten und dem feinen Beneh

men", den „geschmeidigen und verbindlichen Um

gangsformen", „kurz: dem Scheinbild aller Tugen

den, von denen man keine einzige zu besitzen

braucht" (1750/1956) ist der zentrale Angriffspunkt von Rousseaus Kulturkritik. Die „politische Klug heit" hatte diese Differenz ausdrücklich vorgese hen und gebilligt. Nun aber „entlarven" die Pro

pagandisten der schönen Seele die gute Lebensart

und „entdecken" zu ihrer Entrüstung hinter der

Maske von Verbindlichkeit und Uneigennützigkeit die Leidenschaften und die Eigenliebe (Campe 1783/1875: 174). Höflichkeit gilt manchem von ih

nen nur mehr als „Behelf, wodurch die Seele ihren

verdorbenen Wuchs bedeckt" (Villaume 1788:

585).

Ihre Angriffe sind Teil der Klassenauseinanderset

zungen zwischen Bürgertum und dem Adel, der

vorerst noch die gesellschaftliche Spitzenschicht und politische Klasse ist, aus der sich die staatli

chen Funktionsträger rekrutieren, die namens des

Monarchen die Staatsgewalt ausüben. Der im Be

griff des „Weltmannes" - den Adeligen zugeschrie bene moralische Habitus wird zum Ziel der bürger lichen Kritik und zum negativen Bezugspunkt für

die Ausbildung einer spezifisch bürgerlichen Iden

tität. Der „verfeinerte Weltmensch" hat J. H.

Campe zufolge „seine Blicke, seine Mienen, jede

Bewegung der Gesichtsmuskeln, jede Stellung des

Körpers, sogar den Ton seiner Stimme unter die

Botmäßigkeit der Verstellungskunst gebracht. Al

le Leidenschaften und Laster sind in das Gewand

der ihnen entgegengesetzten Gemüthszustände

und Tugenden gehüllt" (1783/1875: 169).

Der Angriff richtet sich nicht eigentlich gegen Höf

lichkeit und Zivilisierung des äußeren Verhaltens, sondern gegen die Diskrepanz zwischen äußerem

Gebaren und wirklichen Gesinnungen. Wie in den

ritterlichen Tugendlehren des Mittelalters bedür

fen gute Umgangsformen der Rechtfertigung durch gute Gesinnungen (Villaume 1788; 581;

Campe 1783/1875). Der Angriff gilt also der Affek

tation, der „gezwungenen Nachahmung dessen, was natürlich und ungezwungen sein sollte"

(Locke 1693/1966: 42). Sie hatte schon für die

höfisch-aristokratische Gesellschaftsethik ein Pro

blem dargestellt (Bacon 1625/1970: 173f.). Es re

sultiert daraus, daß das menschliche Ausdrucks

verhalten in seinen wesentlichen Elementen ange boren und mit bestimmten Bereitschaftszuständen

des Körpers (Affekte, Begierden) fest verbunden

ist. Es kann zwar durch Verhaltenstraining und

bewußte Kontrolle der Bewegungen beherrscht

werden. Da aber die körperlichen Signale komplex und detailreich und dadurch schwer zu stellen sind,

da jedes Nachlassen der bewußten Kontrolle die

wahren Gefühle sichtbar werden läßt und jeder stärkere spontane Affekt die Herrschaft über die

Mienen, Gebärden und Laute an sich reißen kann, ist der verstellte oder gestellte Ausdruck stets in

der Gefahr, durch Ungeschick oder Unachtsam

keit unglaubwürdig zu werden.

Die höfische Kunst der Menschenbeobachtung hatte fest darauf gerechnet, daß sich die tatsächli

chen Gemütsbewegungen in unbewachten Augen blicken oder in unzureichend kontrollierten Ver

haltensdetails auch gegen die kunstfertigste Heu

chelei und ein lebenslanges Training in Höflichkeit

und Selbstbeherrschung durchsetzen würden. Die

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Page 10: Zivilisationsformen Der Affekte Und Ihres Körperlichen Ausdrucks

370 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

höfische Kunst der Selbstdarstellung hatte ver

sucht, dieser Gefahr durch Perfektionierung der

Darstellung zu begegnen. Da jedoch die Gegensei te darauf wiederum mit einer Verstärkung ihrer

Anstrengungen geantwortet hatte, war das Pro

blem innerhalb des vorherrschenden moralischen

Arbeitsmodells unlösbar geblieben.

Die schöne Seele löst es nun auf die denkbar

eleganteste Weise, indem sie nämlich von den

Affekten und Gesinnungen, die sie zeigen soll, tatsächlich erfüllt ist. „Die Handlungen, die einem

so wohlgeformten Wesen ganz natürlich entsprin

gen, gefallen uns ebenso, da sie echtes Zeugnis von

ihm ablegen; und da sie sozusagen natürliche Aus

flüsse des Geistes und einer inneren Veranlagung sind, können sie nur natürlich und zwanglos sein"

(Locke 1693/1966: 42). Locke vertritt hier sehr früh

Auffassungen, die später Allgemeingut werden.

Mandeville und noch Chesterfield hätten eine sol

che „schöne Seele" zweifellos für einen bedauerns

werten Tölpel von knechtischer Gesinnung gehal ten, der durch seine Arglosigkeit und sein Unge schick im Umgang mit Menschen zum gesellschaft lichen Untergang bestimmt war. Schiller jedoch rühmt seine Anmut, den „Anschein der Natürlich

keit des tugendhaften Verhaltens" (1793/o. J.:

166), als deren Bedingung er und seine Zeitgenos sen die Unwillkürlichkeit und Unbewußtheit des

äußeren Gebarens, insbesondere der Ausdrucks

bewegungen, erkennen (Schiller 1795/o. J.: 175; Kleist 1810/11; Jean Paul 1807/1963: 164f.; usw.).

Die moralischen Vorbehalte gegen die hinter ei

nem tugendhaften Äußeren verborgene unsoziali

sierte Trieb- und Affektnatur und die ästhetischen

Vorbehalte gegen den künstlichen Gebrauch der

„natürlichen Sprache des Gefühls" wirken zusam

men bei der Forderung nach der sittlichen Bildung des inneren Menschen, nach der „schönen Seele", bei der „sich das sittliche Gefühl aller Empfindun

gen des Menschen endlich bis zu dem Grad versi

chert hat, daß es dem Affekt die Leitung des

Willens ohne Scheu überlassen darf" (Schiller 1793/o. J.: 155). Dem angemessen sozialisierten

Menschen wird das sittliche Verhalten zum Be

dürfnis (Bahrt 1785: 94), zur „Natur". Dies ist der

Sinn von Rousseaus Forderung nach Rückkehr zur

Natur. Nicht die moralisch neutrale, biologische Natur des Menschen wird zum Ideal erhoben, son

dern die zur Natur gewordene sittliche Bildung der

Seele. Nicht das Gewährenlassen naturwüchsiger

Begierden und Affekte steht auf der Tagesord

nung, sondern die Intensivierung der erzieheri

schen Bemühungen mit dem Ziel, daß „vollkom

mene Kunst wieder Natur wird" (Kant 1786/1978:

93). Die eigennützigen sinnlichen Antriebe werden

als Motive für den Gehorsam gegenüber dem Ge

setz ausdrücklich ausgeschlossen.

Die im vorausgegangenen Denkmodell durchge führte Entflechtung von psychologisch beschrei

bender und moralisch wertender Betrachtungsart wird rückgängig gemacht, der gut-böse-Dualismus erneut in die seelenkundliche Begrifflichkeit einge führt. Das Gewissen hat etwa bei Rousseau nicht

mehr den Charakter der vernünftigen Kalkulation

voraussichtlicher Handlungsergebnisse, sondern

wird als „Stimme der Seele" den Leidenschaften, der „Stimme des Leibes" gegenübergestellt (1762b/ 1963: 585). Eigennützigkeit ist nicht länger das allgemeine Erklärungsschema für gutes wie böses

Verhalten, sondern wird als minderwertiges Motiv

den guten, uneigennützigen Trieben gegenüberge stellt (Campe 1783/1875: 138; Jean Paul 1807/1963:

205; vgl. auch Hirschmann 1980: 73ff.). Schiller spricht gar vom „Egoism" als dem „Erbfeind aller

Moralität" (1793-95/o. J.: 302; vgl. auch Kant 1793/

1978: 131).

Mit der Verwerfung der unsozialisierten Glücksan

sprüche der Individuen und der ihre Befriedi

gungschancen bewirtschaftenden Vernunft ist der

gedankliche Standort jenseits von gut und böse

zerstört, von dem aus eine kritische Beurteilung und Revision der herrschenden moralischen Ord

nung möglich war; die Autonomie der Menschen

bei der Bestimmung von gut und böse ist aufgege ben. An die Stelle der Menschen tritt als Gesetzge ber wiederum Gott bzw. seine zeitgemäße Erschei

nungsform: der Staat. Die Rousseau'sche Lehre

vom Gesellschaftsvertrag kann hier nicht darge stellt werden; sie böte ebenso wie Hobbes' Staats lehre dem Bürger sehr wohl gedankliche Anknüp

fungspunkte für die Ausarbeitung einer vor-móra

lischen, vor-staatlichen Identität und einer autono

men Moral. Genau dies will Rousseau jedoch ver

hindern: „Die guten gesellschaftlichen Einrichtun

gen sind diejenigen, die es am besten verstehen, dem Menschen seine Natur zu nehmen, ihm seine

absolute Existenz zu entziehen und ihm dafür eine

relative zu geben und das Ich auf die Einheit der

Gemeinschaft zu übertragen, so daß jeder Einzel

ne sich nicht mehr als eines, sondern als Teil der

Einheit fühlt, der nur noch im Ganzen empfin

dungsfähig ist" (1762b/1963: 112). Das neue Ideal ist der mit dem Staat moralisch verschmelzende

Staatsbürger, dem seine Pflichten zu Bedürfnissen

geworden sind und der Selbstbewußtsein und

Selbstwertgefühl allein aus seiner Rolle als Staats

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Page 11: Zivilisationsformen Der Affekte Und Ihres Körperlichen Ausdrucks

Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 371

bürger bezieht. Der reine, idealische Mensch,

meint Schiller, werde durch den Staat verkörpert. Der empirische Mensch könne dem Ideal angenä hert werden durch Unterdrückung oder Verwand

lung seiner „alten Natur", dadurch, daß er „Staat

wird" (1795/0. J.: 328).

Auch Gott wird nun - teils authentisch, teils seiner

Nützlichkeit wegen - wieder ins Spiel gebracht.

Um den Gesetzen Autorität und die Aura von

Heiligkeit zu verleihen, nimmt Rousseau ihn in

den Dienst des Staates. Die Glaubenssätze der für

jeden verpflichtenden bürgerlichen Religion lau

ten so einfach wie zweckmäßig: „Die Existenz

einer mächtigen, vernünftigen, wohltätigen, vor

ausschauenden und vorsorglichen Gottheit; das

künftige Leben; die Belohnung der Gerechten, die

Bestrafung der Bösen; die Heiligkeit des Gesell

schaftsvertrages und der Gesetze" (1762a/1977:

103; 207). Andere Autoren, etwa Jean Paul (1807/ 1963: 61), scheinen - mehr als Rousseau - die

religiösen Überzeugungen zu teilen, die sie predi

gen. Aber auch bei ihnen ist kein großer Unter

schied zwischen der Frömmigkeit zu Gott und der

zum Staate.

Die von den bürgerlichen Tugendlehrern propa

gierte Gefühls- oder Gesinnungsethik geht davon

aus, daß den angemessen sozialisierten Menschen

schon seine Gefühle, d. h. seine spontanen, unre

flektierten Verhaltensbereitschaften zu dem Ver

halten drängen, das in der Vernunftethik der poli tischen Klugheitslehrer aus der vernünftigen Regu

lierung primär asozialer Triebimpulse resultierte.

In der Gesinnungsethik verliert die individuelle

Vernunft ihr Amt bzw. wird zum Instrument einer

zweitrangigen Sittlichkeit. Ein wahrhaft edler

Mensch bedarf ihrer nicht, denn er kann nicht

anders als gut handeln. Wer erst überlegen muß,

bevor er handelt, macht sich als moralisch unzu

verlässig verdächtig (Schiller 1793/o. J.: 155). Die

Vernunft, von der bei Rousseau so viel die Rede

ist, ist nicht die individuelle Vernunft der mora

lisch handelnden Menschen, sondern die in den

Gesetzen des als volonté générale verfaßten Staa

tes objektivierte Vernunft. In diesen Gesetzen sind

die gemeinsamen Interessen der Menschen derge stalt „aufgehoben", daß die Individuen sie nicht

länger auf eigene Faust verfolgen müssen; und

indem sie sich den Gesetzen anvertrauen, sie ver

innerlichen, werden sie von dem Leid erlöst, das

aus dem Gegensatz erwächst, der „zwischen unse

ren Pflichten und unseren Neigungen, zwischen

der Natur und den sozialen Einrichtungen, zwi

schen dem Menschen und dem Bürger besteht"

(Rousseau 1977: 235). Die Durchsetzung der Ver

nunft in den kollektiven Regelungen des gesell schaftlichen Lebens macht ihren privaten Ge

brauch überflüssig, wenn nicht sogar verdächtig. Die guten Umgangsformen, das ganze äußere Ge

baren, kann unter solchen Bedingungen natürlich

nicht länger den Charakter eines planvoll gehand habten Instruments zur Gestaltung der sozialen

Beziehungen haben. Sie werden zur Außenansicht

der schönen Seele.

Die politischen Klugheitslehrer hatten ihrem Pu

blikum die Gesellschaft in Begriffen der Kriegs kunst und der Gesellschaftsspiele beschrieben.

Der schönen Seele hingegen entspricht ein im we

sentlichen harmonisches Bild von der Gesellschaft.

Der Körper ist dafür ein geeignetes Gleichnis

(Rousseau 1762a/1977: 74). Der höfische Gesell

schaftsmensch hatte die sozialen Beziehungen mit

prinzipiellem Mißtrauen betrachtet und viel Auf

merksamkeit auf die genaue Erforschung seiner

menschlichen Umwelt und auf die Zweckmäßig keit seines Verhaltens verwendet. Das hatte ihm

das gesellschaftliche Überleben in einer moralisch

desintegrierten menschlichen Umwelt ermöglicht, nämlich bei Hofe, im Konkurrenzkampf der Höf

linge, im politischen Geschäft. Eine schöne Seele

wäre dort verloren gewesen. Für den braven Bür

ger sind die sozialen Beziehungen kein Gegen stand intensiver Aufmerksamkeit und planvoller

Gestaltung. Für ihn steht ein für allemal fest, was

gut und böse ist. Seine Moralität ist im Gefühl

verankert. Als Glied eines moralischen Ganzen

darf er sich geborgen fühlen und auf die Verläß

lichkeit der sozialen Beziehungen vertrauen. Er

hat den Kopf frei für seine Geschäfte, seine beruf

lichen Tätigkeiten (Locke 1693/1966: 110; Campe 1783/1875: 209).

Das bürgerliche Berufsleben erfordert die Ver

sammlung von Energie und Konzentration auf die

Verfolgung von langfristigen Plänen, das Durch

stehen von langen Durststrecken ohne unmittelba

re Befriedigung emotionaler Bedürfnisse. Einem

höfischen Aristokraten, dem seine Art zu denken

die primären affektiven Impulse stets gegenwärtig

hält, würde ein solches Leben wohl schwer fallen.

Die „Glückseligkeits- oder Lustlehre" eignet sich

nicht für die kognitive Organisation der Tugenden, mit denen man in bürgerlichen Berufen Erfolg hat

(Jean Paul 1807/1963: 214f.). Campe ist überzeugt, daß die höfischen Lebensformen „alle Lust und

Fähigkeit zu einer einförmigen und ausdauernden

Geschäftigkeit in uns ersticken, und in der wüsten

Seele nichts als Ekel an unseren Berufspflichten

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Page 12: Zivilisationsformen Der Affekte Und Ihres Körperlichen Ausdrucks

372 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

und ein immer wiederkehrendes Sehnen nach neu

en berauschenden Zerstreuungen zurücklassen"

(1783/1875: 172). Die Versittlichung der Seele ist pädagogisch ein

äußerst ehrgeiziges Projekt. Die vorsozialen Be

gierden und Affekte können kaum je vollständig sozialisiert oder unterdrückt werden. Damit sie

nun nicht zu einer Anfechtung der Tugend oder

gar zum Anknüpfungspunkt einer außermorali

schen, personalen Identität werden, werden sie als

Laster, als böse Triebe diskreditiert oder als

Krankheiten der Seele pathologisiert (Rousseau 1762b/1963: 219f.; Jean Paul 1807/1963: 48f.). Der

Begriff der Krankheit hat gegenüber dem alten

Sündenbegriff sogar einen Vorzug darin, daß er

eine in der Regel zeitlich begrenzte Abweichung von der natürlichen Norm bezeichnet. Diese Ab

weichung stellt etwas dem eigentlichen Wesen des

Betroffenen Fremdes, Unzugehöriges dar, lädt al

so kaum zur Identifikation ein. Überdies profitiert der Begriff Krankheit vom Prestige der aufsteigen den Legitimationsinstanz Wissenschaft. (Über Zie

le und Techniken einer Erziehung zur schönen

Seele vgl. Vowinckel: in Vorbereitung.)

Der Mensch, der sich mit Hilfe des von den bür

gerlichen Tugendlehrern verordneten moralischen

Arbeitsmodells orientiert, identifiziert sich mit der

moralischen Ordnung im allgemeinen und seinen

gesellschaftlichen Rollen im besonderen. Was die

se von ihm fordern, ist ihm ins Gefühl übergegan

gen und zur zweiten Natur geworden. So beschäfti

gen ihn die sozialen Beziehungen wenig, und er hat

den Kopf frei für sachlich bestimmte Tätigkeiten.

Diejenigen Begierden und Leidenschaften, die

sich der Versittlichung des Gemüts entzogen ha

ben, werden als Laster oder Krankheiten von der

moralisch bestimmten Identität ausgeschlossen.

Mienen, Gebärden, Laute usw. sollen tugendhafte

Gesinnungen ausdrücken und entsprechend den

gesellschaftlichen Rollenbeziehungen nuanciert

sein. Ihre Armut ergibt sich auf natürliche Weise

aus der inneren Gesittung und ist nur in Verbin

dung mit ihr legitim. Der künstliche, auf Wirkung berechnete Gebrauch der körperlichen Ausdrucks

mittel ist in einer Gesellschaft weder sinnvoll noch

legitim, in der die individuellen Interessen in den

unbeugsamen Gesetzen des Kollektivkörpers „auf

gehoben" (konserviert und suspendiert) sind, in

der also der Einzelne die gesellschaftliche Ord

nung vollziehen, aber nicht nach individuellen In

teressen mitgestalten kann.

5. Moralische Arbeitsmodelle und

gesellschaftliche Existenzformen

Die in den vorangegangenen Abschnitten be

schriebenen Denkweisen können als Werkzeuge der moralischen Orientierung betrachtet werden.

Werkzeuge sind gewöhnlich auf ihre besonderen

Funktionen zugeschnitten. Da wir unterschiedliche

Werkzeuge vorgefunden haben, stellt sich die Fra

ge, worin sich die gesellschaftlichen Lebensweisen

der Benutzer unterschieden und wie ihr Wissen

darauf zugeschnitten war. Ich beschränke mich

zunächst darauf, die jeweiligen Vorzüge der von

den „politischen Köpfen" und den „schönen See

len" benutzten Wissensbestände auf die Erforder

nisse einer aristokratischen bzw. bürgerlichen Le

bensführung zu beziehen (vgl. Vowinckel 1986b). Die Quellen selbst enthalten eine Fülle von Hin

weisen auf die Zusammenhänge, so daß keine

gewagten Spekulationen erforderlich sind. Zum

Schluß werde ich vermutungsweise eine Verbin

dung zwischen langfristigen gesellschaftlichen

Strukturveränderungen und den festgestellten mo

ralischen Paradigmenwechseln herstellen. Dabei

werde ich auf den „hüfschen muot" zurück

kommen.

Der Adressatenkreis der politischen Klugheitsleh ren bestand in erster Linie in den Adeligen, die an

den Höfen der absoluten Monarchen des siebzehn

ten und beginnenden achtzehnten Jahrhunderts

verkehrten. Ein typischer Vertreter war der Her

zog von LaRochefoucault, aus dessen Reflexionen

und Maximen ich zitiert habe. Erzogen in den

Überlieferungen eines freien, auf seine weitgehen de Unabhängigkeit stolzen Rittertums, erlebte er

die planmäßige politische Entmachtung des Adels

durch Richelieu und seine Unterwerfung bzw. Er

setzung durch eine zentralisierte bürokratische

Staatsverwaltung. Er beteiligte sich 1648 an der

Fronde, dem letzten Aufstand gegen das sich festi

gende Macht- und Steuermonopol der Zentralge walt in Frankreich, der 1653 mit einer Niederlage endete. LaRochefoucault und die anderen „oppo sitionellen Herzöge" (Elias 1969, Bd. 2: 382f.) arrangierten sich mit der neuen Ordnung, jedoch ohne sich mit ihr zu identifizieren. Die Adeligen unterwarfen sich der durch den König repräsen tierten staatlichen Macht wohl äußerlich, aber

nicht innerlich.

Als Anhaltspunkte für die Ausbildung einer außer

gesellschaftlichen, vor-moralischen Identität dien

ten ihnen die Überlieferungen der Ungebunden heit und Autonomie eines freien ritterlichen Le

bens und die traditionellen Legitimitätsbegriffe,

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Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 373

denen zufolge der König auch nur ein Edelmann

war, wenn auch mit Vorrechten, und nicht die

autonome Quelle und Inkarnation der gesellschaft lichen Ordnung.

Das Bild, das Elias (1969, Bd. 2: 81ff.) von den

Beziehungen der Krieger in der feudalen Gesell

schaft zeichnet, und die Schilderung, die Hobbes, Pufendorff u. a. vom Naturzustand geben, ähneln

einander in den Hauptzügen: Jeder ist sein eigener Herr und handelt nach seinem eigenen, durch kei

ne Macht und kein Gesetz eingeschränkten natürli

chen Recht in der ungehemmten Betätigung der

Leidenschaften und Begierden. Die theoretische

Argumentation der Naturrechtslehrer traf sich mit

den Überlieferungen der Adeligen von Ebenbür

tigkeit und Ungebundenheit und trug bei zur Aus

arbeitung des begrifflichen Instrumentariums, mit

dem die Verhältnisse zwischen vorgesellschaftli chem Selbst und den Zwängen der politisch-gesell schaftlichen Ordnung gedanklich erfaßt und geord net werden konnten. Das neue Selbstverständnis

verdichtete sich zum Leitbild des honnéte homme,

in dem „die psychologischen und sozialen Span

nungen abgeschwächt und aufgefangen (wurden), die die gewaltsame Einfügung der vom altadeligen Ideal der Ungebundenheit, Unabhängigkeit und

regellosen wie eigenmächtigen Lebensführung be

stimmten Aristokratie in den Hof- und Staats

dienst des absolutistischen Staates mit sich brach

te" (Zunkel 1979: 18f.).

Gute Manieren waren ein wesentlicher Bestandteil

dieses Ideals. Die treibenden Kräfte menschlichen

Handelns, die vorsozialen Begierden und Leiden

schaften, durften nach außen nicht sichtbar wer

den. Sie wurden von der Vernunft gelenkt und

gemäß ihrer relativen Wichtigkeit (Nutzen, Glück

seligkeit) in langfristige Verhaltenspläne einge

baut, die wiederum mit denen der anderen Men

schen - more geométrico - koordiniert wurden.

Die politische Klugheit gab den Adeligen die

Denkmittel an die Hand, mit deren Hilfe sie sich in

gesellschaftliche Verhältnisse schicken konnten,

die weder ihren ständischen Überlieferungen noch

ihren persönlichen Prägungen entsprachen. Sie

paßte aber auch zu den Stellungen und Aufgaben, die sie in der neuen, staatlichen Ordnung übernah

men. Zum Befehlen gewissermaßen geboren (Ba con 1625/1970: 42ff.), strebten sie politische Wür

den und Ämter an, die mit Machtanteil und Ein

fluß auf die Entscheidungen der Fürsten verbun

den waren. Sie bildeten die politische Klasse, de

ren Angehörige ihre Aufgaben nicht innerhalb und

unter Voraussetzung der bestehenden politisch

sozialen Ordnung hatten, sondern diese Ordnung nach Maßgabe der Interessen des Staates oder des

Fürsten erst gestalteten (vgl. Weber 1964: 1051). In dieser Tätigkeit setzten die „verhöflichten Krie

ger" (Elias 1969) ihre den staatlichen und gesell schaftlichen Institutionen vorgeordnete Existenz

form fort.

Das Verhältnis der Bürger zum Staate war anders.

Seine Ordnung war für ihre Tätigkeiten nicht Ge

genstand, sondern Voraussetzung. Vom Macht

spiel ausgeschlossen, erwarteten sie von den Ge

setzen und Institutionen vor allem zuverlässige

Geltung und Schutz für ihre beruflichen Tätigkei ten. Man kann sagen, daß das Wirken der höfi

schen „politici" die Veränderbarkeit der gesell schaftlichen Dinge voraussetzte, das der Bürger aber ihre Unverbrüchlichkeit. Die Lebenschancen

und Bewährungsmöglichkeiten der Adeligen lagen auf gesellschaftlichem Gebiet, die der Bürger in

sachlich bestimmter Berufstätigkeit. Christian

Garve (1792), ein zeitgenössischer Analytiker der

unterschiedlichen Lebensformen der Stände, führ

te es auf diesen Umstand zurück, daß es die Bürger trotz Intelligenz, beruflicher Tüchtigkeit und son

stiger Verdienste niemals zu der gleichen gesell schaftlichen Gewandtheit und Formbeherrschung brachten wie die Adeligen (vgl. auch Elias 1969

Bd. 2: 352 und neuerdings Curtin 1985).

Garve gibt noch weitere Hinweise auf die Zusam

menhänge zwischen Lebensweise und moralischem

Habitus bei Bürgerlichen und Adeligen: In den

Verkehrskreisen der Adeligen, besonders bei Ho

fe, verkehren Menschen, die sich nach Herkunft

und Lebensstellung stark unterscheiden. Die Zu

sammensetzung des Publikums höfischer Gesellig keit ändert sich ständig; es beteiligen sich ausländi

sche Geschäftsträger und anderes kosmopoliti sches Publikum; es gibt große Unterschiede des

Ranges, kurz: Es herrscht menschliche Vielfalt.

Bei den geselligen Zusammenkünften der Bürger treffen sich immer wieder dieselben Menschen, die

sich zudem in Rang und beruflichen Verhältnissen

ähneln. Für die Bürger sind Geselligkeiten ein

Zeitvertreib für Mußestunden in der von berufli

cher Tätigkeit freien Zeit. Die höfische Gesellig keit hingegen ist Schauplatz des Konkurrenzkamp fes der Höflinge, bei dem es um fürstliche Gunst

und staatliche Ehrenstellen, um Einfluß und

Pfründe geht. Wer aus diesem Wettbewerb nicht

ausscheiden will, muß geschickt sein im Umgang mit den Mächtigen und mit Menschen, die seinen

„Absichten, Entwürfen und Glücksaussichten ...

in den Weg kommen" (Garve 1792: 372). Bürger

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374 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

hingegen, die einander nicht mögen oder die ge

gensätzliche Interessen haben, gehen einander aus

dem Wege.

Am plausibelsten aus heutiger -

bürgerlicher -

Sicht erscheint der Gebrauch der politischen Klug heit in der internationalen Diplomatie, deren

Schauplätze ebenfalls die Höfe waren. Die Staaten

bzw. Monarchen befanden sich untereinander im

Naturzustand, d.h. im Zustand der freien, durch

kein Machtmonopol geregelten Konkurrenz

(Wolff 1720/1976: 601). Dementsprechend beweg ten sich ihre an andere Höfe entsandten diplomati schen Vertreter in einer menschlichen Umwelt, in

die sie weder moralisch noch durch Übereinstim

mung der Interessen integriert waren. Sie konnten

den ständigen direkten Kontakt mit den Machtha

bern des Gastlandes und den diplomatischen Ver

tretern anderer Staaten nur aufrechterhalten, wenn sie die Formen ihres Umgangs unabhängig machten von der Konkurrenz oder gar Feindschaft

ihrer Staaten und dem Gegensatz der von ihnen

vertretenen Interessen. Als „Diplomatie" er

scheint uns die Freundlichkeit und Verbindlichkeit

des Verhaltens, die unter dem Vorbehalt abwei

chender Auffassungen und Interessen steht, ge

rechtfertigt.

Daß sich das Selbstkonzept der höfischen Aristo

kraten aus der freien und ungebundenen Lebens

weise des Feudaladels entwickelt hat, wird beson

ders deutlich am aristokratischen Ehrbegriff. Er

fand seinen schärfsten Ausdruck in der Ehrenwah

rung durch das Duell. Garve (1792: 360) leitet

diese Sitte historisch ab aus der „Mangelhaftigkeit der gesellschaftlichen Einrichtungen" und der

„Ungebundenheit der Leidenschaften". Beides

führte zu der „Anmaßung der vornehmern Glieder

des Staates, sich selbst Recht zu schaffen", aber

auch zur Bändigung der Leidenschaften. Die ari

stokratische Ehre liegt in einer der Gesellschaft

und der Moral vorgeordneten Autonomie und

Souveränität der Person, die als Identitätskern

auch in der Gesellschaft und im Staate festgehalten wird und die nur durch den Einsatz der eigenen Person bewahrt werden kann. Das Duell stellt die

Rückkehr in den Naturzustand dar, eine Durch

brechung des staatlichen Monopols legitimer Ge

waltsamkeit, die notwendig wird, weil mit der Eh

renkränkung ein Stück der Person angegriffen

wurde, das nicht mit der bürgerlichen, durch die

Gesetze des Staates und der Gesellschaft definier

ten und geschützten Person identisch ist. Die Bür

ger fanden diesen Ehrbegriff anstößig und unver

ständlich, weil er sich mit allen Arten von Lastern

und Missetaten verträgt (Zunkel 1975: 41). Es

handelte sich aber gar nicht um moralische Ehr

würdigkeit, sondern um etwas, das man mit Tho

mas Manns Worten (1971: 809) die „Fleischeseh re" nennen könnte, um etwas, dessen Kränkung auch wir empfinden, z.B. bei sexueller Untreue

des Partners oder wenn wir der Gewalt einer Ban

de von Halbstarken weichen müssen. Solche Krän

kungen lassen sich nicht durch richterlichen

Schuldspruch und staatliche Sanktionen heilen.

Der bürgerliche Ehrbegriff hingegen besteht ganz wesentlich in der Unbescholtenheit, im Rufe der

Tugendhaftigkeit und Rechtschaffenheit. Er ent

spricht einer Identität, die durch die gesellschaftli chen Bestimmungen (Rollen, Normen) der Person

definiert wird. Das Selbstwertgefühl wird aus dem

Bewußtsein der Tugendhaftigkeit und der Über

einstimmung mit den Gesetzen bezogen. Die bür

gerliche Ehre wird vom Gesetz und vom Staat

geschützt (Zunkel 1979: 31). Im bürgerlichen Ehr

begriff spiegelt sich eine Lebensweise, die auf das

Funktionieren der gesellschaftlichen Ordnung an

gewiesen ist, während der ritterliche Ehrbegriff die

Möglichkeit, zu dieser Ordnung auf Distanz zu

gehen, stets gegenwärtig hält.

6. Strukturwandlungen und soziomoralische

Paradigmenwechsel

Die höfischen Aristokraten des siebzehnten Jahr

hunderts stammten von den Rittern des dreizehn

ten ab und dachten dennoch in ganz anderen Be

griffen als jene. Unter den Autoren und Lesern

politischer Klugheitslehren waren viele Bürger, und die bürgerliche Wende des achtzehnten Jahr

hunderts erfaßte auch den Adel. Ist es angesichts so vieler Ausnahmen von der Regel möglich, die

gesellschaftliche Verbreitung einer Denkweise

(nur) mit den Orientierungsbedürfnissen der je weils herrschenden Klasse zu erklären? Und wei

ter, kann man vernünftigerweise annehmen, daß

sich gesellschaftliches Wissen über einen Gegen stand zurückentwickelt, während doch die Über

lieferung ungebrochen weitergeht? Meine Antwor

ten auf diese Fragen sind vorläufig noch sehr spe kulativ und nicht mehr als Arbeitshypothesen.

Als erstes sei daran erinnert, daß „Macht" und

„Herrschaft" Beziehungen bezeichnen und keine

Substanzen. Die Macht und noch mehr die Herr

schaft einer Klasse von Menschen besteht nicht in

den materiellen und kulturellen Gütern, die sich in

ihrem Besitze befinden, sondern in dem, was sie in

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Gerhard Vowinckel: Zivilisationsformen der Affekte und ihres körperlichen Ausdrucks 375

einer gegebenen sozialen Figuration zu Wohl und

Wehe der anderen Beteiligten beitragen können.

Erst die Figuration macht Güter zu Machtfakto

ren. Ob und auf welche Weise die Besitzer imstan

de sind, von ihren Chancen Gebrauch zu machen,

hängt von ihrer Interpretation der Situation ab,

also von ihrem soziomoralischen Orientierungswis sen. Dessen Tauglichkeit hängt wiederum davon

ab, wie gut es den Erfordernissen der sozialen

Figuration entspricht. Herrschaft einer Klasse und

Vorherrschaft eines bestimmten Wissenstyps erge ben sich also gleichermaßen aus der Dynamik des

gesellschaftlichen Verflechtungszusammenhangs.

Meine zweite Annahme ist riskanter. Wenn Denk

weisen intellektuelle Technologien sind, die Men

schen in der Auseinandersetzung mit bestimmten

Problemen entwickeln und benutzen, dann zeigt die Vorherrschaft bestimmter Denkweisen die

Dringlichkeit bestimmter Probleme für viele Men

schen an. Die Stärke der „politischen Klugheit"

liegt im Analysieren und Neuordnen anomischer

Situationen. Sie setzt weder die Selbstverständlich

keit einer „natürlichen" Ordnung der Gesellschaft

noch bestimmte verinnerlichte Moralbegriffe vor

aus. Ein solches Denkmodell ist offenbar geeignet für lange Zeiträume gesellschaftlicher Instabilität.

Die Art, wie Menschen mit „hüfschem muot" oder

„schöner Seele" denken, eignet sich besser für

Zeiträume anhaltender Stabilität. Sie befestigt ei

ne bestimmte Ordnung der Gesellschaft in den

Köpfen der Menschen, indem sie sie als unantast

bar und natürlich darstellt. Sie entlastet das Be

wußtsein von der Entscheidung über moralische

Fragen, die längst gesellschaftlich vorentschieden

sind. Indem sie Alternativen zur Konformität von

vornherein abblendet, erspart sie die Frustration

abweichender Begierden.

Diese Voraussetzungen, zusammengenommen mit

den Ergebnissen der vorangegangenen Abschnitte,

bringen mich zu der Vermutung, daß die festge stellten moralischen Paradigmenwechsel mit dem

Übergang von der ständischen zur staatlichen Ver

fassung der europäischen Gesellschaften zu tun

haben. Im frühen dreizehnten Jahrhundert war die

feudale Ordnung noch vergleichsweise intakt. So

lange Machtkämpfe und soziale Konkurrenz sich

innerhalb eines im großen und ganzen gleichblei benden Strukturmusters abspielten, das heißt, be

vor der Monopolmechanismus (Elias 1969) die

ständische Ordnung sichtbar zu zerstören begann, konnte sich das Denkmodell einer von Gott gestif teten Ordnung der Gesellschaft und die darauf

gegründete Gefühlsmoral halten.

In der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhun

derts begann sich der beschleunigte Verfall feuda

ler Bindungen auf das moralische Orientierungs wissen auszuwirken. Die überlieferten Denkmittel

büßten ihre praktische Brauchbarkeit ein, und die

Verankerung einer zweifelhaft gewordenen mora

lischen Ordnung in den Tiefenschichten der Per

sönlichkeit, im Gefühl, wurde zu einem Anpas

sungshindernis. Machiavelli fand, daß das Festhal

ten an überlieferten Moralbegriffen, insbesondere

an ständischen Treuebindungen zur lebensgefährli chen Dummheit geworden war (1532/1937: 92-94). An das Kollektiv oder an moralisch privilegierte soziale Beziehungen anknüpfende Identifikationen

wurden ersetzt durch die Idee der „universal other

hood" (Nelson 1969), der prinzipiellen Fremdheit

der Menschen untereinander. „Politische Klug heit" entwickelte sich als eine realistische und

theoretisch leistungsfähige Denk- und Fühlweise

für das Überleben in einer durch und durch und

auf Dauer prekären gesellschaftlichen Umwelt, die

stabile Identifikationen nicht erlaubte, aber dem

strategischen Denken und politischen Handeln

weite Spielräume eröffnete.

Die wohl wichtigste Erscheinungsform dieser fun

damentalen Desintegration war die soziale Freiset

zung der Gewalt (Vowinckel 1986a). Diese wurde

zumeist ausgeübt durch Söldner, die jedem dien

ten, der sie bezahlte. Jedoch konnte niemand sie

auf Dauer bezahlen. Ohne stabiles Steuermonopol konnte sich kein stabiles Gewaltmonopol entwik

keln. Da es nicht gelang, die Gewalt dauerhaft an

bestehende soziale Strukturen zu binden und diese

so zu stabilisieren, wandte sie sich mal hierhin, mal

dorthin und war ein über lange Zeiträume nicht zu

bändigendes Ferment der politisch-gesellschaftli chen Desintegration (Howard 1981: 54).

Im allgemeinen gewannen die Fürsten erst im sieb

zehnten Jahrhundert die Oberhand über die Stän

de und monopolisierten Steuern und bewaffnete

Macht für sich. Mit Hilfe von zentralen Verwaltun

gen gelang es ihnen, staatliche Grundsätze der

gesellschaftlichen Organisation gegen die ständi

schen durchzusetzen. In der Folgezeit wurde der

neue institutionelle Bezugsrahmen allmählich zur

zunehmend selbstverständlichen Voraussetzung für stabile Verhaltensanpassungen.

Vor allem begünstigte er den Aufstieg des Bürger tums. Die Konsolidierung und funktionale Integra tion der Staatsgesellschaften engte den Handlungs

spielraum der politischen Klasse ein. Die Idee

einer „natürlichen" Ordnung der gesellschaftlichen

Dinge gewann neue Plausibilität. In der bürgerli

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376 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Heft 5, Oktober 1989, S. 362-377

chen Revolution wurde sie ironischerweise gegen

jene gewendet, die diese Ordnung als Instrument

ihrer Macht durchgesetzt und geformt hatten. Die

Fürsten mit ihren dynastischen oder sonst system fremden Interessen erschienen als das letzte Hin

dernis vor der Errichtung einer idealen gesell schaftlichen Verfassung, etwa im Sinne der „volon

té générale". Mit der Revolution wurde die neue

Ordnung nicht geschaffen, sondern konsolidiert.

Ihre Verläßlichkeit - oder Unausweichlichkeit -

machte den intellektuellen Aufwand der politi schen Klugheit mehr oder weniger überflüssig und

begünstigte den Triumph der Mittelklassetugen

den, die „schöne Seele".

Die grobe Skizze des Zusammenhangs zwischen

gesellschaftlichen Wandlungen und moralischen

Paradigmenwechseln in diesem letzten Abschnitt

kann sicherlich nicht mehr sein als eine Arbeitshy

pothese. Weniger hypothetisch sind die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte, aus denen deut

lich wird, daß es in den Oberschichten westeuro

päischer Gesellschaften und besonders in der deut

schen Gesellschaft einen einsinnigen Trend zur

Psychologisierung der Menschenbetrachtung und

zur Rationalisierung des gesellschaftlichen Verhal

tens nicht gegeben hat. Wachsende Komplexität und Reichweite der Interaktionsnetze bewirken

nicht ohne weiteres einen solchen Trend, wie man

Elias (miß-)verstehen könnte. Verläßliche und lei

stungsfähige soziale Einrichtungen können wach

sende Komplexität soweit reduzieren, daß indivi

duelle Strategien zu ihrer Bewältigung weder er

folgversprechend noch erforderlich sind. Rechts

und Wohlfahrtsstaaten nehmen ihren Bürgern die

Lösung vieler existentieller Probleme gesellschaft licher Natur ab. Da kann der von Riesman (1952), Sennett (1983) und anderen beklagte Verfall der

politischen Klugheit kaum verwundern.

Literatur

(Wo nach dem Titel eine Jahreszahl in Klammern ange

geben ist, bezieht sie sich auf die erste Publikation in der

Originalsprache.)

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