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www.stefan-sell.deFrankenthal 15.11.2008
Prof. Dr. Stefan Sell
Fachhochschule Koblenz Institut für Bildungs- und Sozialpolitik ( ibus)
„Gute Arbeit kostet – und bringt allen mehr“
Anhörung als Sachverständiger beim Tribunal ungeschützte Arbeit
der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
15.11.2008
Frankenthal
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Die Anklagepunkte aus der ersten Runde der Beweisaufnahme
Minijobs
Tarif-Fluchtdurch
Leiharbeit
Niedriglöhnefehlender
Mindestlohn
Löhne
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„Gute Arbeit = Gute Löhne“ (?)
Die erste Runde der Beweisaufnahme zeigt – neben den vielen Belastungen
für die betroffenen Menschen – eines sehr deutlich:
Die Zunahme ungeschützter Arbeit führt im Ergebnis zu Lohnsenkungen
Gleichzeitig ist das Ziel einer Lohnsenkung auch Motor der Entwicklung
hin zu mehr Minijobs, mehr Leiharbeit, mehr Niedriglöhne und einer
Verweigerung von Mindestlöhnen gewesen.
Folglich könnte eine erste Forderung lauten:
„Gute“ Arbeit muss – nicht nur, aber auch – „gute“ Löhne bedeuten
Welche Beweisführung kann für diese Forderung
aus volkswirtschaftlicher Sicht vorgebracht werden?
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Die durchschnittliche jährliche Veränderung in den Jahren 2000 bis 2007
1,2%
2,1%
Wirtschaftswachstum
7,3%
3,7%
Exporte
0,2%
2,3%
Binnennachfrage
0,2%
1,5%
Beschäftigung
0,8%
3,2%
Löhne
Deutschland Euro-Raum ohne Deutschland
Quelle der Daten: Jahresgutachten 2008/09 des Sachverständigenrates
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- 0,8Deutschland
2,9
3,3
4,6
7,2
7,5
8,1
9,6
12,4
17,9
18,9
19
26,1
30,3
Österreich
Portugal
Spanien
Belgien
Italien
Luxemburg
Frankreich
Niederlande
Schweden
Finnland
Dänemark
Großbritannien
Irland
Entwicklung der Reallöhne pro Kopf in den Jahren 2000 bis 2008 (in %)
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Seit zehn Jahren „bescheiden“ sich die Arbeitnehmer bei der Lohnentwicklung …
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… und werden „belohnt“ durch eine Umverteilung von unten nach oben
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Zwischenfazit: Was heißt das mit Blick auf die Löhne?
Es gibt gute volkswirtschaftliche Gründe für eine andere Lohnpolitik,
gerade und nicht trotz der Rezession, die nun begonnen hat, denn
die extrem schwache Binnennachfrage ist das zentrale Problem der
deutschen Volkswirtschaft, nicht etwa mangelnde Wettbewerbsfähigkeit
Aber das heißt nicht einfach nur mehr Geld für die Arbeitnehmer
und die Arbeitgeber müssen dann unter höheren Kosten „leiden“:
Löhne sind betriebswirtschaftlich immer nur Kosten,
aber volkswirtschaftlich sind sie vor allem Nachfrage – und die
ist es letztendlich, die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung
bestimmt – letztendlich sind die Unternehmen ohne eine entsprechende
Nachfrage nichts.
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Aber Löhne sind mehr als nur unmittelbares Einkommen für die Menschen
Der Großteil unserer sozialen Sicherungssysteme basiert auf Beiträgen
aus sozialversicherungspflichtiger Arbeit – und dann auch noch begrenzt
durch Beitragsbemessungsgrenzen und der Möglichkeit der höheren Ein-
kommensgruppen, sich teilweise der Solidargemeinschaft zu entziehen
Neben den erheblichen Sicherungslücken für die Betroffenen, die gerade
aus den niedrig entlohnten Beschäftigungen erwachsen, untergräbt der Staat
seine eigenen Beitrags- und Steuereinnahmen, die er braucht
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Gute Arbeitaus Sicht der
Beschäftigten
Ein hohes Niveau von Entwicklungs-,
Einfluss- und Lernmöglichkeiten
sowie gute sozialen Beziehungen
Keine Über- oder Fehlbeanspruchung
des arbeitenden Menschen durch die
konkrete Tätigkeit
Das Einkommen aus der Arbeit muss
existenzsichernd sein und in einem
als gerecht empfundenen Verhältnis
zur eigenen Leistung stehen
„Gute Arbeit“ aus Sicht der betroffenen Beschäftigten (Fuchs 2006)
Quelle der drei Hauptfaktoren: Fuchs, Tatjana (2006): Was ist gute Arbeit?Anforderungen aus der Sicht von ErwerbstätigenKonzeption und Auswertung einer repräsentativen Untersuchung, Dortmund/Berlin/Dresden
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„Gute Arbeit“: Der Job Quality Index des Europäischen Gewerkschaftsinstituts
Qualität der Arbeit
Löhne Atypische Beschäftigung
Arbeitszeit undVereinbarkeit von Beruf und Familie
Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit
Weiterbildung und Karrierechancen
Kollektive Interessenvertretung
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Was kann man zu drei bisher genannten Bereichen der Anklage sagen?
Minijobs: Diese Form der staatlichen Subventionierung der Arbeitgeber
gibt es nur in Deutschland und Österreich
Mindestlohn: Immer wieder wird behauptet, der Mindestlohn zerstöre Beschäftigungs-
perspektiven gerade für die niedrig qualifizierten Arbeitskräfte
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Was kann man zu drei bisher genannten Bereichen der Anklage sagen?
Leiharbeit: Diese Beschäftigungsform ist dann ein Problem, wenn sie
a) für die Flucht aus den (besseren) Tarifverträgen verwendet wird oder
b) die Flexibilitätskosten einseitig auf die Arbeitnehmer verlagert.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!