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Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017

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  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick

    für die Europäische Union 2017

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  • http://www.eprs.ep.parl.union.eu/http://www.europarl.europa.eu/thinktankhttp://epthinktank.eu/

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 1 von 77

    ZUSAMMENFASSUNG

    In der vorliegenden Studie werden der Wirtschafts- und Haushaltsausblick 2017 für die Europäische Union vorgestellt, die jüngsten Entwicklungen in den EU-Haushaltsverhand-lungen untersucht und schwerpunktmäßig die Investitionslücke in der EU als eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen der Union betrachtet.

    Im Jahr 2016 setzte sich in der EU und den Volkswirtschaften des Euro-Währungsgebiets das moderate Wachstum (weniger als 2 %) fort, das auch mit der Schaffung von Arbeitsplätzen einherging. Auch wenn diese Entwicklungstrends für die nächsten zwei Jahre voraussichtlich anhalten werden, sind einige positive Faktoren, die ihnen zugrunde liegen, inzwischen erschöpft oder könnten es bald sein. Außerdem könnten die Trends durch die umfassenderen Herausforderungen, denen die EU auf wirtschaftlicher, poli-tischer und geopolitischer Ebene gegenübersteht, weiter abgeschwächt werden.

    Mit einem Umfang von 157,86 Mrd. EUR macht der EU-Haushalt für 2017 lediglich etwa 2 % der öffentlichen Gesamtausgaben in der Europäischen Union und damit etwa 1 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) aus. Der Haushalt hat jedoch Merkmale, die seine Auswirkungen verstärken, wie etwa die Fähigkeit zur Mobilisierung zusätzlicher Mittel (Hebelwirkung) aus anderen Quellen und für Zielbereiche, in denen die Zusammen-legung von Ressourcen einen Zusatznutzen für die EU als Ganzes erbringen kann (z. B. Forschung, Innovation und Entwicklungszusammenarbeit). Der Haushalt für 2017, der vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union nach intensiven Verhandlungen angenommen wurde, hat eine Struktur, die vom mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2014-2020 bestimmt wird. Allerdings wird zur Aufstockung der Ressourcen für die großen politischen Herausforderungen, die sich in den letzten Jahren herausgebildet haben, von den Flexibilitätsbestimmungen des EU-Finanzplanungs-instruments Gebrauch gemacht.

    Zu diesen politischen Herausforderungen gehören die europäische Finanz- und Staatsschuldenkrise und deren Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung sowie die wachsende Instabilität in Europas östlicher und südlicher Nachbarschaft, die einen bedeutenden Anstieg der Migrationsströme und zahlreiche Sicherheitsprobleme hervorgerufen hat. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt des Haushalts 2017 auf der Wachstumsförderung und der Schaffung neuer Arbeitsplätze, vor allem für junge Men-schen, sowie auf der Bewältigung der Migrationskrise und der Sicherheitsprobleme.

    Angesichts der vorgenannten Herausforderungen und im Rahmen der Diskussionen zur Vorbereitung des Programmplanungszeitraums nach 2020 würden viele Seiten eine weitere Rationalisierung des EU-Haushalts als Möglichkeit begrüßen, seine Reaktions-fähigkeit gegenüber den Anliegen der EU-Bürgerinnen und -Bürger und den beispiellosen Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht, zu stärken. Zu den maßgeblichen Entwicklungen gehören die derzeit verhandelte Halbzeitüberprüfung des MFR 2014-2020, der bis Ende 2017 zu unterbreitende Vorschlag für den nächsten MFR sowie mögliche Änderungen im Finanzierungssystem der EU.

    Im Rahmen des diesjährigen Wirtschaftsschwerpunkts wird die Investitionslage in der EU untersucht, wobei die gedämpften Investitionserwartungen in fast allen EU-Mitglied-staaten (d. h. Bruttoanlageinvestitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP)) nach der Finanzkrise 2008 im Vordergrund stehen. Diese Investitionslücke wiederum wirkt sich nachteilig auf die zaghafte Erholung der Wirtschaft aus und schadet der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der EU.

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 2 von 77

    In diesem Zusammenhang haben die EU-Organe mithilfe des EU-Haushalts und mit anderen Mitteln (Operationen der Europäischen Investitionsbank, der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) oder die Kapitalmarktunion) und in Einklang mit der Philosophie der Kofinanzierung den Versuch unternommen, Privatinvestoren zu Investitionen in langfristige Bereiche mit strategischer Bedeutung, wie Infrastruktur, Forschung oder Bildung, anzuregen und grenzüberschreitende Investitionen und Kapitalströme zu erleichtern. Während die ersten Ergebnisse des EFSI vielversprechend sind und die Kommission veranlasst haben, eine Verlängerung der Laufzeit bis 2020 vorzuschlagen, wurden vom Europäischen Rechnungshof diesbezüglich Bedenken geäußert. Auch von Wissenschaftskreisen und anderen Interessenträgern wurden Vor-schläge eingebracht, die entweder eine zusätzliche Zielsetzung oder eine andere Ausrich-tung des EFSI betreffen oder eine vollständige Überarbeitung des Fonds vorsehen.

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 3 von 77

    INHALT

    1. Einführung ..................................................................................................................... 6

    2. EU-Wirtschaft 2017 ....................................................................................................... 7

    2.1. Überblick ................................................................................................................. 7

    2.2. Die wichtigsten Indikatoren.................................................................................... 9

    2.2.1. Bruttoinlandsprodukt ................................................................................................... 9

    2.2.2. Arbeitsmarkt ............................................................................................................... 10

    2.2.3. Öffentliche Finanzen .................................................................................................. 13

    2.2.4. Handel und Entwicklungen auf globaler Ebene ......................................................... 14

    2.3. Inflation und Geldpolitik ....................................................................................... 15

    2.4. Blick in die Zukunft ............................................................................................... 17

    3. Der EU-Haushalt – ein Überblick ................................................................................. 17

    3.1. Umfang und Rolle des EU-Haushalts .................................................................... 17

    3.2. Struktur des EU-Haushalts: Einnahmen und mehrjährige Planung ..................... 21

    3.3. Die wichtigsten institutionellen Akteure in zwei entscheidenden Phasen des Haushaltszyklus ..................................................................................................... 23

    3.4. Herausforderungen in den letzten Jahren ........................................................... 24

    4. Der EU-Haushalt 2017 ................................................................................................. 25

    4.1. Ergebnis des Haushaltsverfahrens ....................................................................... 25

    4.2. Die Haushaltsrubriken im Einzelnen ..................................................................... 28

    4.3. Kontrolle der EU-Ausgaben: Verfahren im EP ...................................................... 34

    5. Der EU-Haushalt auf mittlere und lange Sicht............................................................. 36

    5.1. Zweite Hälfte des MFR 2014-2020 ....................................................................... 36

    5.2. Die Debatte über den MFR nach 2020 ................................................................. 40

    6. Wirtschaftsschwerpunkt: öffentliche und private Investitionen in der EU ................ 44

    6.1. Die größten Herausforderungen .......................................................................... 44

    6.1.1. Investitionslücke – Zahlen .......................................................................................... 44

    6.1.2. Investitionslücke – Ursachen und Auswirkungen ...................................................... 47

    6.2. EU-Investitionsförderung ..................................................................................... 49

    6.2.1. Maßnahmen der Europäischen Investitionsbank ...................................................... 50

    6.2.2. Europäischer Fonds für strategische Investitionen (EFSI) .......................................... 52

    6.2.3. Potenzial der Initiative für eine Kapitalmarktunion ................................................... 58

    6.3. Potenzielle Weiterentwicklungen ........................................................................ 60

    6.3.1. Öffentliche Investitionen in der EU in nächster Zeit .................................................. 60

    6.3.2. Mögliche Weiterentwicklungen des EFSI ................................................................... 60

    7. Wichtigste bibliografische Angaben ............................................................................ 63

    8. Anhänge ....................................................................................................................... 67

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 4 von 77

    Verzeichnis der Abbildungen

    Abb. 1 Reales BIP-Wachstum in den EU-Mitgliedstaaten, Prognose für 2017, in %

    Abb. 2 Arbeitslosenquoten in den EU-Mitgliedstaaten, Prognose für 2017, in %

    Abb. 3 Arbeitslosenquoten in ausgewählten Mitgliedstaaten der OECD, 1995-2007, 2016, in %

    Abb. 4 Haushaltssaldo in den EU-Mitgliedstaaten, Prognose für 2017, in %

    Abb. 5 EU-Haushalt und öffentliche Gesamtausgaben in der EU (2015, Mrd. EUR)

    Abb. 6 EU-Haushalt als Anteil der öffentlichen Ausgaben in einzelnen Mitgliedstaaten (2015)

    Abb. 7 EU-Einnahmen im Jahr 2015

    Abb. 8 Mehrjähriger Finanzrahmen 2014-2020 nach Rubrik (Mrd. EUR, jeweilige Preise)

    Abb. 9 EU-Haushalt 2017 (Mittel für Verpflichtungen, Mrd. EUR, jeweilige Preise)

    Abb. 10 Vergleich der EU-Haushalte 2016 und 2017 (Mittel für Verpflichtungen und Mittel für Zahlungen, Mrd. EUR)

    Abb. 11 Teilrubrik 1a – Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung, Mittel für Verpflichtungen 2017

    Abb. 12 Teilrubrik 1b – Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Mittel für Verpflichtungen 2017

    Abb. 13 Rubrik 2 – Nachhaltiges Wachstum: natürliche Ressourcen, Mittel für Verpflichtungen 2017

    Abb. 14 Rubrik 3 – Sicherheit und Unionsbürgerschaft, Mittel für Verpflichtungen 2017

    Abb. 15 Rubrik 4 – Europa in der Welt, Mittel für Verpflichtungen 2017

    Abb. 16 Rubrik 5 – Verwaltung, Mittel für Verpflichtungen 2017

    Abb. 17 Entlastungsverfahren für den EU-Haushalt aus Sicht des EP

    Abb. 18 Tragfähigkeit der Zahlungsobergrenzen

    Abb. 19 Zeitleiste der wichtigsten Ereignisse zum MFR 2014-2020

    Abb. 20 Bruttoanlageinvestitionen in den EU-Mitgliedstaaten, 1995-2015 (2000=100)

    Abb. 21 Bruttoanlageinvestitionen, Kern- und Kohäsionsländer, in % des BIP (2015)

    Abb. 22 Bruttoanlageinvestitionen, gefährdete Länder, in % des BIP (2015)

    Abb. 23 Bruttoanlageinvestitionen, ausgewählte EU-Länder, 1995-2015, in % des BIP

    Abb. 24 Sektoraler Erfassungsbereich von EFSI-Transaktionen, genehmigt mit Stand vom November 2016, in %

    Abb. 25 Regionaler Erfassungsbereich von EFSI-Transaktionen, genehmigt mit Stand vom Dezember 2016 (Mio. EUR)

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 5 von 77

    Liste der wichtigsten Abkürzungen

    AMIF: Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds

    BIP: Bruttoinlandsprodukt

    BNE: Bruttonationaleinkommen

    BUDG: Haushaltsausschuss (Europäisches Parlament)

    CEF: Infrastrukturfazilität „Connecting Europe“ (Connecting Europe Facility)

    CONT: Haushaltskontrollausschuss (Europäisches Parlament)

    COSME: Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und KMU (Competitiveness of Enterprises and Small and Medium-sized Enterprises)

    DAS: Zuverlässigkeitserklärung (déclaration d'assurance)

    DCI: Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit (Development Cooperation Instrument)

    ECON: Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Europäisches Parlament)

    EEF: Europäischer Entwicklungsfonds

    EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung

    EFSD: Europäischer Fonds für nachhaltige Entwicklung (European Fund for Sustainable Development)

    EFSI: Europäischer Fonds für strategische Investitionen

    EGFL: Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft

    EIAH: Europäische Plattform für Investitionsberatung (European Investment Advisory Hub)

    EIB: Europäische Investitionsbank

    EIF: Europäischer Investitionsfonds

    ELER: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums

    ELTIFs: Europäische langfristige Investmentfonds (European Long-Term Investment Funds)

    EMFF: Europäischer Meeres- und Fischereifonds

    ENI: Europäisches Nachbarschaftsinstrument

    ESF: Europäischer Sozialfonds

    ESI Fonds: Europäische Struktur- und Investitionsfonds

    EuRH: Europäischer Rechnungshof

    IAO: Internationale Arbeitsorganisation

    IPA: Instrument für Heranführungshilfe (Instrument for Pre-accession Assistance)

    ISF: Fonds für die innere Sicherheit (Internal Security Fund)

    KMU: kleine und mittlere Unternehmen

    MFR: mehrjähriger Finanzrahmen

    MfV: Mittel für Verpflichtungen

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 6 von 77

    1. Einführung

    Im Jahr 2016 lag das reale BIP-Wachstum in der EU-28 bei durchschnittlich 1,8 %1 und damit weit unter dem Vorkrisenhoch (3,3 % im Jahr 2006 und 3,1 % im Jahr 2007) und dem weltweiten BIP-Wachstum 2016 (3,0 %). Die Prognosen geben keinen Anlass zu Optimismus: In ihrer letzten Prognose geht die Kommission davon aus, dass das BIP-Wachstum in den kommenden zwei Jahren mehr oder weniger stagnieren wird (bei 1,6 % im Jahr 2017 und 1,8 % im Jahr 2018). Auch die Arbeitsmarktbedingungen bleiben schwach: Die Arbeitslosigkeit lag 2016 bei 8,6 % (10,1 % im Euro-Währungsgebiet) und wird aller Voraussicht nach auch in näherer Zukunft nicht auf Vorkrisenniveaus zurückfallen (den Vorausschätzungen der Kommission zufolge zumindest nicht bis 2018). Abgesehen von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten sieht sich die EU seit einigen Jahren mit einer Reihe beträchtlicher Herausforderungen konfrontiert: die zunehmende Instabi-lität in der östlichen und südlichen Nachbarschaft, eine bedeutende Zunahme der Migrationsströme und zahlreiche Sicherheitsprobleme. In diesem Zusammenhang konzentrieren sich die Medienschlagzeilen in hohem Maße auf die politischen Entschei-dungen einzelner Mitgliedstaaten. Gleichzeitig sind die europäischen Einrichtungen an der europäischen Antwort auf diese Krisen im Rahmen verschiedener Instrumente und Initiativen beteiligt, die zwar weniger sichtbar als hochrangige Gipfeltreffen sind, aber dennoch Aufmerksamkeit verdienen. In der vorliegenden Studie werden zwei von ihnen näher untersucht: der Haushalt der Europäischen Union und dessen Neuausrichtung mit dem Ziel, einigen der vorgenannten Herausforderungen zu begegnen, sowie die investi-tionsorientierten Initiativen der EU und der Europäischen Investitionsbank/des Europäischen Investitionsfonds, mit denen die erhebliche Investitionslücke in Europa – im Vergleich zu der Zeit vor der Krise – geschlossen werden soll.

    Zunächst werden die wirtschaftliche Lage in der EU und dem Euro-Währungsgebiet sowie Prognosen zu den wichtigsten Wirtschaftsindikatoren für die nächsten zwei Jahre dargelegt (Abschnitt 2). Obwohl sich 2016 der Trend der Erholung von den Tiefstständen der Finanzkrise (2008-2009) und der Staatsschuldenkrise (2011-2013) fortgesetzt hat und die Konjunkturbelebung von der Schaffung neuer Arbeitsplätze begleitet wird, ist das Wachstum nach wie vor schwach und bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Darüber hinaus sind die Kapazitäten im Bankensektor, der wichtigs-ten Finanzierungsquelle der Realwirtschaft, weiterhin eingeschränkt. Darüber hinaus wird die Erholung von Faktoren getragen (darunter niedrige Energiepreise, die expansive Geldpolitik der EZB und der schwächere Euro), die vorübergehender Natur sind, und ob das Wachstum stabil genug ist, um nach ihrem Wegfall anzuhalten, ist fraglich.

    1 Europäische Kommission: European Economic forecast – Autumn 2016 (Herbstprognose). Novem-

    ber 2016.

    NPBs: nationale Förderbanken (national promotional banks)

    MfZ: Mittel für Zahlungen

    STS-Verbriefung: einfache, transparente und standardisierte Verbriefung (STS für Engl.: simple, transparent and standardised)

    YEI: Beschäftigungsinitiative für junge Menschen (Youth Employment Initiative)

    http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/eeip/pdf/ip038_en.pdf

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 7 von 77

    In dieser Studie werden der EU-Haushalt, seine Beschaffenheit und Rolle (Abschnitte 3 und 4) vorgestellt und es wird ein Überblick über den Haushalt für 2017 gegeben. Der Haushaltsrahmen ist beschränkt – die vereinbarten Gesamtzahlungen in Höhe von 134,49 Mrd. EUR (136,64 Mrd. EUR im Jahr 2016) liegen unter den öffentlichen Ausga-ben eines Landes wie Dänemark bzw. entsprechen einem Anteil von 10 % der geplanten Staatsausgaben eines Landes wie Deutschland. Die vereinbarten Verpflichtungen belaufen sich im Jahr 2017 auf 157,86 Mrd. EUR (155,28 Mrd. EUR im Jahr 2016) und entsprechen einem Anteil von lediglich 1,05 % des Bruttonationaleinkommens der EU (EU-BNE). Der EU-Haushalt ist auf die Schaffung von Wachstum und Beschäftigung und die Bewältigung der Migrations-, Flüchtlings- und Sicherheitskrise ausgerichtet. Ein weiteres Ziel besteht darin, zur Verwirklichung der Haushaltsziele zusätzliche Finanzmit-tel aus anderen öffentlichen und/oder privaten Quellen zu mobilisieren. Daran anschlie-ßend wird in der Studie der weiter gefasste Haushaltsrahmen – der mehrjährige Finanz-rahmen (MFR) – erläutert (Abschnitt 5). Der aktuelle MFR bezieht sich auf den Zeit-raum 2014-2020 und enthält erstmalig – wahrscheinlich weil er auf dem Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise ausgehandelt wurde – weniger Ressourcen als der MFR des vorangegangenen Programmplanungszeitraums. Gegenwärtig wird eine Halb-zeitüberprüfung verhandelt, in der die Schaffung von Arbeitsplätzen, Migration und Sicherheitsbedrohungen als Bereiche benannt werden, in denen eine Aufstockung der Ressourcen erforderlich ist. Diese Aufstockungen hätten jedoch keine Änderung der Gesamtobergrenzen des MFR zur Folge. Darüber hinaus wird im Jahr 2017 auch die Debatte über den Finanzrahmen nach 2020 neue Impulse erhalten.

    Ein Mittel zur Stabilisierung des Wirtschaftswachstums sind Investitionen, doch seit 2008 liegen die Investitionsniveaus in der EU gegenüber anderen großen Volkswirtschaften und auch im Vergleich zu früheren Zeiten zurück. Aus diesem Grund werden im Rahmen des diesjährigen Wirtschaftsschwerpunkts (Abschnitt 6) die Investitionslücke in Europa und die Initiativen auf EU-Ebene (die Rolle der EIB, der vor Kurzem eingerichtete Europäi-sche Fonds für strategische Investitionen (EFSI) und der Aktionsplan für eine Kapital-marktunion) sowie die Vorschläge für ihre potenzielle Weiterentwicklung untersucht.

    2. EU-Wirtschaft 2017

    2.1. Überblick

    In der EU und den Volkswirtschaften des Euro-Währungsgebiets hat sich ein moderates Wachstum fortgesetzt, das den Vorausschätzungen zufolge für 2016 im Euro-Währungs-gebiet 1,7 % und in der EU-28 1,8 % beträgt. Auch in den nächsten zwei Jahren dürfte

    Der „Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union“ des Wissen-schaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments ist die erste Ausgabe einer geplan-ten Jahresreihe, die künftig jedes Jahr im Januar veröffentlicht werden soll. In der Stu-die werden Wirtschaftsprognosen und Haushaltsentwicklungen vorgestellt und jedes Jahr andere spezielle Wirtschaftsfragen schwerpunktmäßig behandelt. Die Haushalts-daten und die Angaben zum MFR geben den Stand von Dezember 2016 wider.

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 8 von 77

    sich das moderate Wachstum fortsetzen (im Euro-Währungsgebiet 1,5 % im Jahr 2017 bzw. 1,7 % im Jahr 2018; in der EU-28 entsprechend 1,6 % bzw. 1,8 %).2

    Darüber hinaus geht diese Erholung mit der Schaffung neuer Beschäftigungsmöglich-keiten einher: Den Schätzungen der Kommission zufolge wurden seit 2013 bis zu acht Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, wodurch sich die Arbeitslosigkeit im Euro-Währungsgebiet auf 8,6 % und in der EU-28 auf 10,1 % (2016) verringert und damit den niedrigsten Stand seit 2009 erreicht hat. Unterstützt wurde der Erholungstrend durch Faktoren wie die niedrigen Energiepreise3 und die Abwertung des Euro seit 20144 sowie die expansive Geldpolitik der EZB und einen wachstumsfreundlicheren fiskalischen Kurs5 in einigen EU-Mitgliedstaaten. Der Einfluss einiger dieser Faktoren ist jedoch bereits rückläufig. Der Euro-Wechselkurs bewegt sich weiterhin auf eher niedrigem Niveau, aber der Kommission zufolge scheinen einige positive Auswirkungen der Währungsabwertung von Anfang 2015 auf Exporte und Wirtschaftswachstum bereits auszuklingen. Das Gleiche gilt für den Anstieg des verfügbaren Haushaltseinkommens infolge der niedri-geren Energieverbrauchskosten.

    Die Konjunkturerholung in der EU wird durch eine Reihe von externen und internen Herausforderungen behindert: i) größere geopolitische und politische Unsicherheit6 (Krisen in der europäischen Nachbarschaft, die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten (USA) und das Referendum im Vereinigten Königreich (UK)); ii) sich abschwächendes Wachstum außerhalb der EU;7 iii) schwacher Welthandel;8 iv) hohe Arbeitslosenquoten;9 v) hohe (private und öffentliche) Verschuldung;10 vi) eine alternde Bevölkerung,11 die stärkeren Druck auf die finanzielle Tragfähigkeit und Angemessenheit

    2 Europäische Kommission: European Economic Forecast – Autumn 2016 (Herbstprognose). Brüssel:

    9. November 2016, S. 185 und Anhang 6. Den Wachstumsprognosen für die Vereinigten Staaten zufolge wird das reale Wachstum bei 2,1 % im Jahr 2017 und 1,9 % im Jahr 2018 liegen.

    3 Für einen Überblick über die Ursachen und möglichen Auswirkungen von niedrigen Preisen siehe u. a. Husain, A. M. et al.: Global Implications of Lower Oil Prices. Diskussionspapier des IWF, Juli 2015.

    4 Siehe Eurostat: Wechselkurse und Zinssätze, Reihe „Statistics Explained“. 5 Im Sinne der „Ausrichtung, die Staaten ihrer Finanzpolitik durch diskretionäre Steuer- und Ausgaben-

    entscheidungen verleihen“. Siehe Europäische Kommission: Hin zu einem positiven fiskalischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet, COM(2016) 727 final.

    6 Die daraus resultierende Unsicherheit wiederum kann Privathaushalte zu verstärktem Vorsichtssparen veranlassen (wodurch sich der laufende Privatverbrauch unter Umständen verringert) oder dazu füh-ren, dass Unternehmen Investitionsvorhaben aufschieben. Nähere Informationen zu den Auswir-kungen von Unsicherheit siehe Europäische Zentralbank: The impact of uncertainty on activity in the euro area. EZB-Wirtschaftsbericht, Ausgabe 8, 2016, S. 55-74.

    7 Siehe unten „Handel und Entwicklungen auf globaler Ebene“. 8 Die Europäische Zentralbank benennt als Ursachen für diese Verlangsamung des Welthandels

    kompositionelle Effekte, durch die die weltweite Einkommenselastizität des Handels gedämpft wird, sowie verschiedene Entwicklungen, durch die die Elastizität des Handels auf Länderebene verringert wurde. Europäische Zentralbank: Determinants of the slowdown in global trade: what is the new normal?. EZB-Wirtschaftsbericht, Ausgabe 6, 2016, S. 30-33.

    9 Im Jahr 2016 betrug die Arbeitslosigkeit in sechs EU-Mitgliedstaaten (EL, ES, FR, IT, CY und PT) 10 % oder mehr.

    10 Im Jahr 2016 lag der öffentliche Schuldenstand in sieben Mitgliedstaaten (BE, EL, ES, FR, IT, CY und PT) ganz nahe an oder über 100 % des BIP und auch in den kommenden Jahren wird für diese Zahlen keine wesentliche Änderung prognostiziert.

    11 Eurostat zufolge erreichte 2015 der Anteil der Personen ab 65 Jahren in der EU-Bevölkerung einen Anteil von 18,9 % und erhöhte sich damit um 2,3 % gegenüber den Zahlen zehn Jahre zuvor. Die

    http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/eeip/pdf/ip038_en.pdf#page=197https://www.imf.org/external/pubs/ft/sdn/2015/sdn1515.pdfhttp://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Exchange_rates_and_interest_rates/dehttp://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:30353466-b172-11e6-871e-01aa75ed71a1.0010.02/DOC_1&format=PDFhttp://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:30353466-b172-11e6-871e-01aa75ed71a1.0010.02/DOC_1&format=PDFhttp://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ecbu/eb201608.en.pdf#page=56http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ecbu/eb201608.en.pdf#page=56http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ecbu/eb201606.en.pdf#page=31http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ecbu/eb201606.en.pdf#page=31http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Population_structure_and_ageing/de

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 9 von 77

    der sozialen Sicherungssysteme verursacht; vii) ein hohes Maß an Ungleichheit und ein beträchtliches, wenn auch langsam zurückgehendes, Risiko der Armut und sozialen Ausgrenzung. Und schließlich sind viii) in einigen Mitgliedstaaten auch die Kapazitäten des Bankensektors12 zur Finanzierung der Realwirtschaft beeinträchtigt, was an den bedeutenden Volumina an notleidenden Krediten und dem seit Ende der Krise anhaltenden Prozess der Bilanzsanierungen und des Schuldenabbaus liegt.13

    2.2. Die wichtigsten Indikatoren

    2.2.1. Bruttoinlandsprodukt Den vorläufigen Ergebnissen für 201614 zufolge stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu konstanten Preisen im Euro-Währungsgebiet um 1,7 % und in der EU-28 um 1,8 % an. Für die beiden folgen-den Jahre prognostiziert die Kommission für das Euro-Währungsgebiet ein BIP-Wachstum von 1,5 % im Jahr 2017 und 1,7 % im Jahr 2018, während es in der EU-28 bei 1,6 % (2017) bzw. 1,8 % (2018) liegen dürfte.15 Die Schätzung des Inter-nationalen Währungsfonds (IWF) für das Euro-Währungsgebiet liegt mit 1,6 % Wachstum in den Jahren 2017 und 2018 in einem ähnlichen Bereich.16 Die Trieb-kräfte für diese leichte Steigerung der EU-Wirtschaftsleistung werden vermut-lich die Binnennachfrage (privater und öffentlicher Verbrauch) und die Auswei-tung der Beschäftigung sein.

    Allerdings wird das reale BIP in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht gleich stark zunehmen (siehe Abbildung 1). Am vielversprechendsten sind die Prognosen für Rumänien (3,9 %), Luxemburg (3,8 %), Malta (3,7 %), Irland (3,6 %), Polen (3,4 %) und die Slowakei (3,2 %). Am anderen Ende des Spektrums erwartet die Kommission geringere Wachstumsraten in Frankreich (1,4 %), Belgien (1,3 %), Portugal (1,2 %), dem Vereinigten Königreich (1,0 %), Italien (0,9 %) und Finnland (0,8 %). Während die Aussichten im Jahr 2018 für Italien und Finnland mit Wachstumsraten von 1,0 % (Italien) und 1,1 % (Finnland) womöglich unverändert bleiben, wird für Griechenland eine Verbesserung erwartet. Nach einem negativen Wachstum von −0,3 % im Jahr 2016 wird die griechische

    Mitgliedstaaten mit den höchsten Anteilen an Personen ab 65 Jahren waren Italien (21,7 %), Deutschland (21,0 %) und Griechenland (20,9 %).

    12 Der 75 % der europäischen Wirtschaft finanziert. 13 Europäische Kommission: European Economic Forecast (Herbstprognose), ebd. 14 Daten aus: European Economic Forecast (Herbstprognose), ebd., letzte Aktualisierung im

    November 2016. 15 Allerdings sind bedeutende Unterschiede beim BIP-Wachstum festzustellen: Während für Irland im

    Jahr 2016 ein Wachstum um 4,1 % erwartet wird, liegt die Vorausschätzung für Italien bei 0,7 %. Auch das kumulierte BIP-Wachstum seit der Krise unterscheidet sich zwischen den EU-Mitgliedstaaten erheblich.

    16 Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook – Update. Washington DC: Januar 2017, S. 7.

    Abbildung 1 – Reales BIP-Wachstum in den EU-Mitgliedstaaten, Prognose für 2017, in %

    Quelle: Europäische Kommission, (Wirtschaftsprognose), November 2016.

    http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/eeip/pdf/ip038_en.pdfhttp://ec.europa.eu/economy_finance/publications/eeip/pdf/ip038_en.pdfhttp://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2017/update/01/pdf/0117.pdf

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 10 von 77

    Wirtschaft voraussichtlich um 2,7 % im Jahr 2017 und 3,1 % im darauffolgenden Jahr wachsen.

    Der private Verbrauch wurde 2016 durch ein kräftiges Beschäftigungswachstum und einen Anstieg der verfügbaren Haushaltseinkommen günstig beeinflusst,17 der wie-derum auf höhere Arbeitseinkommen und Kaufkraftgewinne infolge der geringen Inflation zurückzuführen war. In den Jahren 2017 und 2018 dürfte diese Expansion von einem stetigen, wenn auch verlangsamten Beschäftigungswachstum, von besseren Bedingungen für Bankkredite und moderat steigenden Löhnen weiter begünstigt werden. Durch diese Faktoren sollten die Auswirkungen ausgeglichen werden, die der geringe Anstieg der Verbraucherpreise und die unveränderte Sparquote der Haushalte (trotz Senkung der Nominalzinssätze) auf das reale verfügbare Einkommen18 haben.19

    Der Staatsverbrauch hat ebenfalls zum Wirtschaftswachstum beigetragen und wird dies in den nächsten zwei Jahren voraussichtlich weiterhin tun, wenn auch in geringerem Umfang (im Euro-Währungsgebiet von 1,9 % im Jahr 2016 auf 1,3 % in den Jahren 2017 und 2018; in der EU-28 entsprechend von 1,8 % auf 1,2 % bzw. 1,3 %). In den einzelnen Mitgliedstaaten bietet sich diesbezüglich ein unterschiedliches Bild, wobei flüchtlings-bedingte und sicherheitsbezogene Ausgaben in einigen Mitgliedstaaten weiterhin einen wichtigen Posten des öffentlichen Verbrauchs darstellen, während in anderen nach wie vor bedeutende Konsolidierungsbestrebungen bestehen.20

    2.2.2. Arbeitsmarkt Die Arbeitslosigkeit im Jahr 2016 wird auf 10,1 % im Euro-Währungsgebiet und 8,6 % in der EU insgesamt veranschlagt. Für die nächsten beiden Jahre wird ein weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit erwartet (im Euro-Währungsgebiet auf 9,7 % im Jahr 2017 und 9,2 % im Jahr 2018; in der EU insgesamt auf 8,3 % im Jahr 2017 und 7,9 % im Jahr 2018), der auch mit dem erwarteten Anstieg der Erwerbsquoten und der schrittweisen Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zusammenhängt.21 Genauer gesagt nehmen sowohl die „allgemeine“ als auch die Jugendarbeitslosigkeit langsam ab – wobei die Jugendarbeitslosigkeit immer noch höher ist, sich aber auch schneller verringert als die allgemeine Arbeitslosigkeit –, wobei jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Ebenso nimmt die Langzeit-arbeitslosigkeit weiter ab, hält sich jedoch auf weit höheren Niveaus als vor der Krise.

    17 Die Gesamtsumme des Geldes, das nach Abzug von Einkommenssteuern und Rentenbeiträgen für

    Ausgaben zur Verfügung steht. 18 Einkünfte nach Abgaben und Transfers, inflationsbereinigt. 19 In der Herbstprognose der Kommission heißt es weiter, dass es schwierig erscheinen kann, diese

    Stabilität damit in Einklang zu bringen, dass eine Zunahme des Einkommensgefälles beobachtet wird und ein größerer Einkommensanteil auf Haushalte mit vergleichsweise hoher Sparquote entfällt, wodurch die Nachfrage gedämpft würde. Allerdings könne durch eine höhere Konsumneigung der armen und Mittelschichthaushalte in Zeiten einer verstärkten Wahrnehmung von Ungleichheit (Trickle-down-Konsum) die höhere Sparquote von Besserverdienenden ausgeglichen werden.

    20 So wird für das vergangene Jahr ein Anstieg der Staatsverbrauchsausgaben von beispielsweise 3,9 % in Deutschland, 1,5 % in Frankreich und ein Rückgang von 0,7 % in Griechenland vorausgeschätzt.

    21 Siehe z. B. Eurofound: Approaches to the labour market integration of refugees and asylum seekers. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg: 2016.

    http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/eeip/pdf/ip038_en.pdf#page=43http://www.eurofound.europa.eu/sites/default/files/ef_publication/field_ef_document/ef1646en.pdf

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 11 von 77

    Allerdings bedeuten die leicht positiven Aussichten im Zusammenhang mit der auf aggregierter Ebene sinkenden Arbeitslosig-keit nicht automatisch, dass sich auch die Unterschiede zwischen den EU-Mitglied-staaten verringern (siehe Abbildung 2). In der EU-28 wird die Arbeitslosenquote voraussichtlich von 8,6 % im Jahr 2016 auf 8,3 % im Jahr 2017 sinken, aber die Progno-sen für Mitgliedstaaten wie Spanien (18 %), Italien (11 %) oder Portugal (10 %) bleiben uneinheitlich. Spanien beispielsweise ver-zeichnet seit 2013 einen anhaltenden Rückgang der Arbeitslosigkeit und könnte im Jahr 2018 einen Stand von 16,5 % errei-chen, womit sich die Gesamtzahl der Arbeitslosen auf 3,759 Mio. (von einem Höchststand von 6,05 Mio. im Jahr 2013) verringern würde.22 Für Italien hingegen wird ein nur unwesentlicher Rückgang der Arbeitslosenquoten vorausgeschätzt (2015: 11,9 %; 2016: 11,5 %; 2017: 11,4 %; 2018: 11,3 %). Entsprechend verringern sich die Arbeitslosenzahlen auf 2,934 Mio. im Jahr 2017 (2,952 Mio. im Jahr 2016). Ebenso wird die Arbeitslosigkeit in Portugal im Jahr 2017 voraussichtlich auf 10 % zurückgehen (2016: 11,1 %), im Jahr darauf jedoch über dem EU-Durchschnitt liegen (2018: 9,5 %; EU-28: 9,3 %).

    Positive Bedingungen in Ländern wie den Niederlanden (5,8 %) oder Deutschland (4,3 %) werden auch im Jahr 2017 zu deutlich geringeren Arbeitslosenquoten führen.

    Insgesamt betont die Kommission, dass sich der starke Anstieg der Arbeitslosenquoten infolge der Finanzkrise 2008 bisher noch nicht vollständig umgekehrt hat. Dieser Trend ist nicht nur ein Hinweis auf den anhaltenden Überhang23 auf den europäischen Arbeits-märkten, sondern durch ihn wird auch das Inflationsniveau, das ohnehin bereits auf einem Rekordtief angelangt ist, weiter abgeschwächt (siehe unten).

    Die Situation auf dem Arbeitsmarkt in der EU und dem Euro-Währungsgebiet hat sich verbessert und die Beschäftigung stieg 2016 um 1,4 % und damit stärker als in den Vorjahren an. Begünstigende Faktoren für diese Zunahme der Arbeitsplätze waren Wachstum, das auf die Binnennachfrage (innerhalb der EU) zurückzuführen ist, leichte Lohnzuwächse sowie fiskalpolitische Maßnahmen und Strukturreformen in einigen Mitgliedstaaten. In den kommenden zwei Jahren wird sich das Beschäftigungswachstum im Euro-Währungsgebiet voraussichtlich verlangsamen, aber mit etwa 1,0 % in den

    22 Daten aus der AMECO-Datenbank (jährlich aktualisierte makroökonomische Datenbank der

    Europäischen Kommission, zuletzt aktualisiert am 9. November 2016) und Eurostat „Gesamtarbeits-losigkeit“. Eurostat-Indikator [une_rt_a], zuletzt aktualisiert am 24. Januar 2017.

    23 Mit Überhang (slack) ist die Menge an Arbeit und Kapital gemeint, die produktiv eingesetzt werden könnte, aber nicht eingesetzt wird. Für eine umfassende, nicht technische Beschreibung siehe den Blog-Eintrag „Labor Market Slack: A Guide for the Perplexed“.

    Abbildung 2 – Arbeitslosenquoten in den EU-Mitgliedstaaten, Prognose für 2017, in %

    Quelle: Europäische Kommission, Herbstprognose, November 2016.

    http://ec.europa.eu/economy_finance/db_indicators/ameco/index_en.htmhttp://ec.europa.eu/eurostat/web/lfs/data/database?p_p_id=NavTreeportletprod_WAR_NavTreeportletprod_INSTANCE_IFjhoVbmPFHt&p_p_lifecycle=0&p_p_state=pop_up&p_p_mode=view&p_p_col_id=column-2&p_p_col_count=1&_NavTreeportletprod_WAR_Navhttp://www.cbsnews.com/news/what-do-economists-mean-by-slack/https://economix.blogs.nytimes.com/2014/03/13/labor-market-slack-a-guide-for-the-perplexed/

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 12 von 77

    Jahren 2017 und 2018 weiterhin positiv bleiben. In der EU-28 könnten die Beschäfti-gungsniveaus aufgrund des Wirtschaftsabschwungs im Vereinigten Königreich noch etwas weiter fallen (0,9 % im Jahr 2017 und 0,8 % im Jahr 2018).

    Die Beschäftigungsquoten in den EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich nicht nur bezo-gen auf die absoluten Werte, sondern auch im Hinblick darauf, in welchem Umfang sie sich im Zeitverlauf geändert haben: In Abbildung 3 werden Daten der OECD zur Beschäftigungstätigkeit als Durchschnittswerte für die Jahre 1995-2005 und für 2016, dem neuesten verfügbaren Zeitpunkt, dargestellt. Mit dieser Kombination können die deutlichen Veränderungen in den EU-Ländern veranschaulicht werden: so lagen die Beschäftigungsquoten in Estland beispielsweise bis 2007 bei durchschnittlich 57,6 %, stiegen dann aber auf 66,9 % im Jahr 2016 an. Diese positive Entwicklung entspricht den Aussichten eines aufstrebenden osteuropäischen Marktes Mitte der 1990er Jahre und kann in ähnlichem Umfang auch in Lettland (durchschnittlich 53,4 %; 2016: 60,6 %) oder Ungarn (durchschnittlich 48,2 %; 2016: 56,7 %) beobachtet werden, auch wenn die absoluten Werte dort niedriger lagen. Allerdings erfolgte in Deutschland eine vergleich-bare Aufwärtsverschiebung von einer Durchschnittsquote von 57,5 % bis 2007 auf 66,0 % im Jahr 2016.

    Abbildung 3 – Arbeitslosenquoten in ausgewählten Mitgliedstaaten der OECD, 1995-2007, 2016, in %

    Quelle: OECD, OECD-Wirtschaftsausblick, Ausgabe 2016/2, Paris: 21. Dezember 2016, Verhältnis zwischen der Gesamtbeschäftigung und der Bevölkerungsgruppe der 15- bis 74-Jährigen. Daten zum Euro-Währungsgebiet für die 16 Mitgliedstaaten, die zugleich Mitglieder der OECD sind, Stand vom 28. November 2016.

    Die aggregierten Daten für das Euro-Währungsgebiet änderten sich lediglich von 54,6 % auf 57,4 %. Die sozialen Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise sind in Portugal und Griechenland deutlich sichtbar. In beiden Mitgliedstaaten lag die Beschäftigungsquote im Jahr 2016 unter dem Durchschnittswert für die Jahre 1995 bis 2007.

    Obwohl die Beschäftigungsquoten zu den Leitindikatoren der sogenannten Strategie Europa 2020 gehören, wurde die angestrebte Zielvorgabe von 75 % der Erwerbs-bevölkerung (Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen) in der EU bisher noch nicht erreicht. Die neuesten verfügbaren Daten liegen für 2015 vor und aus ihnen geht hervor, dass

    http://www.oecd-ilibrary.org/economics/oecd-wirtschaftsausblick_19990901

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 13 von 77

    diese Schwelle lediglich in Dänemark, Estland, Deutschland, den Niederlanden, Schwe-den und dem Vereinigten Königreich überschritten wurde. Der Durchschnittswert für die EU-28 beträgt 70,1 %.24

    Durch konjunkturbedingte Aspekte (kräftige Erholung nach starkem Beschäftigungs-rückgang) und Einzelmaßnahmen (Beschäftigungsanstiege, die durch kurzfristige fiska-lische Maßnahmen gestützt werden) wurde das Beschäftigungswachstum in den letzten Jahren angeregt. Durch strukturelle Veränderungen – darunter der Übergang von der verarbeitenden Industrie zum Dienstleistungssektor, die zunehmende Teilzeitbeschäf-tigung und der abnehmende Beschäftigungsschutz – wurde ebenfalls zu diesem Trend beigetragen, indem ein Arbeitsmarkt gestaltet wurde, der flexibler als vor der Krise ist.25

    Darüber hinaus hat speziell die Zunahme von Teilzeitverträgen – wodurch teilweise der erhöhte Flexibilitätsbedarf von Unternehmen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit verdeutlicht wird – dazu geführt, dass sich die Zunahme der Beschäftigtenzahlen nicht in einem Anstieg der Arbeitsstunden, die von Lohn- und Gehaltsempfängern insgesamt geleistet werden, niederschlägt. Noch bedenklicher ist der Umstand, dass Befragungs-daten von Eurofound zur Qualität der Arbeitsbedingungen in allen Teilen der EU darauf schließen lassen, dass sich die Arbeitsplatzunsicherheit auf dem Niveau von 2010 gehal-ten hat. Fast 20 % aller Arbeitnehmer glauben, dass sie ihren Arbeitsplatz innerhalb der kommenden sechs Monate verlieren könnten.26

    2.2.3. Öffentliche Finanzen Das Verhältnis von gesamtstaatlichem Defizit zu BIP und das Verhältnis von Bruttoverschuldung zu BIP im Euro-Währungsgebiet haben sich im Jahr 2016 weiter verringert, was auf die anhaltende wirtschaftliche Expansion und die sehr niedrigen Zinssätze zurückzuführen ist. Diese werden voraussichtlich weiter fal-len, wenn auch langsamer als in den letzten Jahren.

    Konkret ausgedrückt wird sich das Defizit im Euro-Währungsgebiet voraussichtlich von −1,8 % des BIP im Jahr 2016 auf −1,5 % in den Jahren 2017 und 2018 verringern, in der EU-28 von −2 % im Jahr 2016 auf −1,7 % im Jahr 2017 bzw. −1,6 % im Jahr 2018 (für 2017 siehe Abbildung 4). Die Kommission sieht den Grund für diesen Rückgang weniger in einer Verringerung des Verhältnisses von

    24 Es ist anzumerken, dass Beschäftigung mit dem Indikator der Strategie Europa 2020 in einer enger

    gefassten Altersgruppe gemessen wird als bei den Berechnungen der OECD: „Erhöhung des Beschäftigungsgrades der 20- bis 64-Jährigen auf mindestens 75 %“. Das Ergebnis sind niedrigere absolute Werte im Falle der OECD. Siehe Eurostat. EU-Daten für 2016 liegen noch nicht vor.

    25 Europäische Zentralbank: The employment-GDP relationship since the crisis. EZB-Wirtschaftsbericht, Ausgabe 6, 2016.

    26 Neueste verfügbare Daten für das Jahr 2015. Siehe Eurofound: Sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen: 2015 (EWCS). Dublin: 17. November 2016.

    Abbildung 4 – Haushaltssaldo in den EU-Mitgliedstaaten, Prognose für 2017, in %

    Quelle: Europäische Kommission, Herbstprognose, November 2016.

    http://ec.europa.eu/eurostat/web/europe-2020-indicators/europe-2020-strategy/headline-indicators-scoreboardhttps://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/eb201606_article01.en.pdfhttps://www.eurofound.europa.eu/de/surveys/european-working-conditions-surveys/sixth-european-working-conditions-survey-2015https://www.eurofound.europa.eu/de/surveys/european-working-conditions-surveys/sixth-european-working-conditions-survey-2015

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 14 von 77

    gesamtstaatlichem Defizit zu BIP,27 sondern vielmehr in einer verlangsamten Verringerung des Verhältnisses von Einnahmen zu BIP.28 Tatsächlich ist der Rückgang sowohl auf höhere Primärüberschüsse und einen günstigeren Schneeballeffekt infolge gesunkener Zinsaufwendungen, eines leichten Wachstums des realen BIP und des erwarteten Aufwärtsknicks der Inflation zurückzuführen (siehe unten).

    Ebenso wird erwartet, dass sich beim Verhältnis von öffentlichem Schuldenstand zu BIP im Jahr 2016 der Abwärtstrend mit einer Verringerung auf 91,6 % im Euro-Währungs-gebiet (86,0 % in der EU-28) fortsetzen wird, der voraussichtlich auch bis 2018 sukzessive anhalten wird. Für das Euro-Währungsgebiet wird eine weitere Abnahme dieses Verhält-nisses auf 90,6 % im Jahr 2017 (85,1 % in der EU) und auf 89,4 % im Jahr 2018 (83,9 % in der EU) vorausgeschätzt. Die treibenden Faktoren für diese Verringerung sind höhere Primärüberschüsse und die kombinierten Auswirkungen von geringeren Zinsaufwen-dungen, leichtem Wachstum des realen BIP und geringem Inflationsanstieg.

    In Abbildung 4 werden die Unterschiede zwischen den EU-Ländern dargestellt. Am günstigsten fallen die Prognosen für das Jahr 2017 für Deutschland (Überschuss von 0,4 %), Luxemburg (ausgeglichen: 0,0 %), Schweden (−0,1 %) und Österreich (−0,3 %) aus. Am anderen Ende des Spektrums werden die höchsten Defizite in Spanien (−3,8 %), Rumänien (−3,2 %), Polen (−3,0 %), dem Vereinigten Königreich (−2,6 %) und Italien (−2,4 %) erwartet.

    2.2.4. Handel und Entwicklungen auf globaler Ebene Der Handel zwischen den Mitgliedstaaten blieb im Jahr 2016 stabil, aber die Ausfuhren der EU (und des Euro-Währungsgebiets) wurden von der aktuellen Schwäche des Welthandels in Mitleidenschaft gezogen. Auch wenn der Welthandel den Prognosen zufolge allmählich wieder anziehen wird, werden seine Auswirkungen womöglich dadurch gedämpft werden, dass in einigen EU-Mitgliedstaaten und bei einigen der wichtigsten EU-Handelspartnern zunehmend protektionistische Bestrebungen beste-hen. Auch wenn es noch zu früh ist, die Auswirkungen des Brexits zu beurteilen, wird sich die deutliche Abwertung des Pfunds gegenüber dem Euro seit dem Referendum sehr wahrscheinlich nachteilig auf die Ausfuhren der Mitgliedstaaten in das Vereinigte Königreich auswirken, während die Handelsströme durch die Ungewissheit im Hinblick auf die neue Beziehung, die das Vereinigte Königreich mit der EU aufbauen wird, beeinträchtigt werden dürften. Dieser Rückgang steht mit Faktoren wie den geringeren Sozialtransfers in Zusammenhang, die ihrerseits auf die sinkende Arbeitslosigkeit, die Mäßigung bei den Personalausgaben im öffentlichen Sektor und die geringeren Zinsaufwendungen zurückzuführen sind.

    Für das Wachstum außerhalb der EU geht die Kommission davon aus, dass 2016 mit 3,2 % – ein geringfügig niedrigerer Wert als 2015 – die Talsohle erreicht ist und anschließend eine bescheidene Erholung auf 3,7 % im Jahr 2017 und 3,8 % im Jahr 2018

    27 Das Ergebnis der geringeren Belastung (als Prozentsatz des BIP) durch Einkommenssteuer und

    Sozialabgaben aufgrund von Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung der Arbeit. Im Euro-Währungsgebiet dürfte sich das Verhältnis von Staatseinnahmen zu BIP von 46,2 % im Jahr 2016 auf 46,1 % im Jahr 2017 und 45,9 % im Jahr 2018 verringern, in der EU-28 von 44,9 % im Jahr 2016 auf 44,9 % im Jahr 2017 und 44,7 % im Jahr 2018.

    28 Sowohl im Euro-Währungsgebiet (von 48,0 % im Jahr 2016 auf 47,7 % im Jahr 2017 und 47,4 % im Jahr 2018) als auch in der EU insgesamt (von 46,9 % im Jahr 2016 auf 46,6 % im Jahr 2017 und 46,3 % im Jahr 2018) infolge der geringeren Ausgaben für Sozialtransfers. Diese sind ihrerseits auf den Wirtschaftsaufschwung und die sinkende Arbeitslosigkeit, die Mäßigung bei den Personalausgaben im öffentlichen Sektor und die geringeren Zinsaufwendungen zurückzuführen.

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 15 von 77

    eintreten wird. Aus dieser Erholung geht zwar hervor, dass der Abschwung in vielen aufstrebenden Ländern die Talsohle überwunden hat, ihr gesamtwirtschaftliches Wachs-tum wird allerdings voraussichtlich nicht an frühere Trends heranreichen.

    Für die Vereinigten Staaten wird erwartet, dass die Wirtschaftstätigkeit in der zweiten Jahreshälfte 2016 wieder anziehen und sich dieser Trend 2017 in relativ stabilem Tempo fortsetzen wird, da die dämpfende Wirkung des Lagerabbaus, der vorangegangenen Aufwertung des Dollars und der niedrigen Energiepreise allmählich nachlässt. Dennoch wird die Expansion im Jahr 2018 als moderat eingeschätzt, da die Konjunktur die Reifephase erreicht. In Japan wird das Wachstum voraussichtlich durch konjunktur-stützende makroökonomische Maßnahmen in diesem Jahr vorübergehend angekurbelt, bevor sich einige dieser Auswirkungen zurückbilden und das Wachstum im Jahr 2018 wieder nachlässt. In China wird bis 2018 eine Beruhigung des Wachstums auf 6 % erwar-tet, sofern makroökonomische politische Maßnahmen weiterhin unterstützend sind und die derzeitige finanzielle Instabilität unter Kontrolle bleibt. Allerdings bleiben diese Aussichten weiterhin mit erheblichen und zunehmend negativen Risiken verknüpft.

    Was schließlich die aufstrebenden Märkte insgesamt anbelangt, bleibt die dortige Wirtschaftstätigkeit verhalten. Nach mehrjährigem Abwärtstrend scheint es, als hätte das BIP-Wachstum im Jahr 2015 seinen Tiefststand erreicht (mit 3,8 %, der niedrigste Wert seit 2009) und es zeichnet sich eine leichte Erholung im Jahr 2016 (auf 4,0 %) und eine weitere Belebung in den Jahren 2017 und 2018 (auf 4,6 % bzw. 4,7 %) ab. Diese Erholung, die die treibende Kraft für den weltweiten Konjunkturaufschwung im Prognosezeitraum ist, ist in hohem Maße davon abhängig, dass sich die Rohstoffpreise weiterhin kontinuierlich erhöhen, dass in China eine „sanfte Landung“ und eine geord-nete Wiederherstellung des Gleichgewichts stattfindet und dass sich jene Volkswirt-schaften schrittweise verbessern, die derzeit von der wirtschaftlich, politisch und geopolitisch angespannten Lage betroffen sind.

    2.3. Inflation und Geldpolitik

    Die Inflation im Euro-Währungsgebiet hielt sich 2016 auf einem niedrigen Stand. Während die Inflation im Januar noch bei 0,3 % lag, führten fallende Energiepreise bis Juni zu negativen Werten. Anschließend nahm sie wieder zu und erreichte im November 0,6 %.29 Allerdings scheinen diese extrem niedrigen Inflationsraten Ende 2016 einen Wendepunkt erreicht zu haben. Aus Daten von Eurostat geht für Dezember 2016 ein Anstieg auf 1,1 % im Euro-Währungsgebiet und auf bis zu 1,2 % in der Europäischen Union insgesamt hervor.30

    Nach Angaben der EZB steigen die Inflationsraten wahrscheinlich31 weiter auf 1,3 % im Jahr 2017 und 1,5 % im Jahr 2018, hauptsächlich bedingt durch die steigenden Energiepreise.32 Abgesehen vom Bereich Energie weisen niedrige Inflationsraten in der EU aber auch auf einen erheblichen Überhang auf dem Arbeitsmarkt hin und sind ein Abbild der langfristigen Inflationserwartungen der Käufer. Durch den derzeitigen und den erwarteten Anstieg der Verbraucherpreise im Euro-Währungsgebiet könnten die

    29 EZB-Daten. 30 Eurostat: Pressemitteilung. Luxemburg: 18. Januar 2017. Daten auf Jahresbasis. 31 Basierend auf den aktuellen Preisen von Öltermingeschäften. 32 Europäische Zentralbank: Economic and monetary developments. EZB-Wirtschaftsbericht,

    Ausgabe 8/2016.

    http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/7809608/2-18012017-BP-DE.pdf/4da51a3d-4d3e-4647-87a4-a943616b2416

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 16 von 77

    Mitgliedstaaten in eine schwierige Lage kommen.33 Ein hohes Maß an freien Kapazitäten, zum Beispiel auf den Arbeitsmärkten in Italien und Spanien, bedeutet der EZB zufolge, dass eine Rückkehr zu der Zielvorgabe der Europäischen Zentralbank von knapp 2 % nur dann möglich ist, wenn andere Volkswirtschaften, vor allem Deutschland, wieder Inflationsraten weit über 2 % verzeichnen.34

    Die Europäische Zentralbank hat im Jahr 2016 ihre unkonventionelle Geldpolitik fort-geführt, indem sie ihr Ankaufprogramm für Wertpapiere um Anleihen aus dem Unter-nehmenssektor erweitert hat.35 Im Rahmen dieses zusätzlichen Programms, das im Juni 2016 angelaufen ist, kaufte die EZB innerhalb von sechs Monaten Unter-nehmensanleihen im Wert von 51 Mrd. EUR an, um die Fähigkeit der Geldpolitik zu stärken, die Finanzierungsbedingungen in der Realwirtschaft zu verbessern. Gleichzeitig hat die Bank ihre anderen drei Programme weitergeführt und im November 2016 einen Gesamtbestand von 1 477 Mrd. EUR erreicht.36 Zwar wird das Kauftempo nach März 2017 nachlassen (von monatlich 80 Mrd. EUR auf 60 Mrd. EUR), aber die Programme sollen bis mindestens Dezember 2017 weiterlaufen.37

    Mit den Programmen und dem aktuell sehr niedrigen Zinssatzniveau wurde dazu beigetragen, dass die Wachstumsrate von Darlehen an den Privatsektor allmählich gestiegen ist38 (auch wenn sich in den „anfälligen“ südlichen Mitgliedstaaten ein differenzierteres Bild zeigte)39 und dass in verstärktem Maße Unternehmensanleihen und Aktien ausgegeben werden. Auch wenn die Finanzierungsmittel auf den Finanz-märkten in den nächsten zwei Jahren – unterstützt durch die Ankaufprogramme der EZB und die Aussicht auf weitere Mittel für die externe Unternehmensfinanzierung – weiter zunehmen dürften, wird der weitere Anstieg der Kreditvergabe durch Banken in vielen Mitgliedstaaten stark davon abhängen, inwieweit die Lage des Bankensektors40 verbessert und so dafür gesorgt wird, dass die Banken in geringerem Maße als jetzt am Schuldenabbau beteiligt sind.

    33 Jones, C.: Soaring eurozone inflation presents ECB with dilemma. In: Financial Times, 4. Januar 2017. 34 The Economist: Inflation: a welcome revival, 14. Januar 2017. 35 Diese „politische“ Dimension des Vorgehens gegen deflationäre Tendenzen wird in den Mitschriften zu

    der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates vom Dezember deutlich. Europäische Zentralbank: Account of the monetary policy meeting of the Governing Council of the European Central Bank. Frankfurt: 7.-8. Dezember 2016.

    36 22,5 Mrd. EUR für das ABSPP, 202,7 Mrd. EUR für das CBPP3, 47,2 Mrd. EUR für das CSPP und 1 204,4 Mrd. EUR für das PSPP (Daten zum Stand von November 2016).

    37 In den Worten der EZB „bis Ende Dezember 2017 oder erforderlichenfalls darüber hinaus [...] und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkenne, die mit seinem Inflationsziel im Einklang stehe“.

    38 Nach Angaben der Kommission hat insbesondere das jährliche Wachstum der wertberichtigten Darlehen für Haushalte von 1,5 % im April auf 1,8 % im September und für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften von 1,2 % im April auf 1,9 % im September zugenommen.

    39 Die Kommission stellt fest, dass beispielsweise in Italien, Spanien und Portugal im Jahr 2016 die jährlichen Zuwachsraten bei der Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften noch immer negativ waren.

    40 In diesem Zusammenhang stellt der gleichbleibend hohe Umfang der notleidenden Kredite in den Bilanzen vieler Banken nach wie vor ein großes Problem dar. Nach Angaben der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) lag der Anteil der notleidenden Kredite in der EU im dritten Quartal 2016 bei 5,4 %. Siehe EBA: Risk Dashboard. London: 13. Januar 2017; Magnus, M. und Duvillet-Margerit, A.: Bank stress testing: stock taking and challenges. Europäisches Parlament/EGOV, Brüssel: 18. März 2016.

    https://www.ft.com/content/68b3a6b8-d26a-11e6-9341-7393bb2e1b51http://www.economist.com/news/finance-and-economics/21714375-deflationary-fears-are-last-point-being-banished-inflationhttp://www.ecb.europa.eu/press/accounts/2017/html/mg170112.en.htmlhttp://www.ecb.europa.eu/press/accounts/2017/html/mg170112.en.htmlhttps://www.eba.europa.eu/documents/10180/1715099/EBA+Dashboard+-+Q3+2016.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2016/587358/IPOL_BRI(2016)587358_EN.pdf

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 17 von 77

    Der Wechselkurs des Euro blieb über die ersten drei Quartale 2016 in nominaler effektiver Rechnung weitgehend unverändert. Durch diese Stabilität werden jedoch erhebliche Ausschläge bei den bilateralen Wechselkursen verschleiert, vor allem gegenüber dem Pfund Sterling und dem japanischen Yen, infolge der politischen Unsicherheit und der sich ändernden Erwartungen daran, wie sich die Geldpolitik in Japan und dem Vereinigten Königreich künftig verändern wird. Während der Euro gegenüber dem US-Dollar mit schwankenden Werten zwischen 1,08 und 1,14 USD in den letzten fünf Monaten keinen klaren Trend zeigte, legte er gegenüber einer Reihe anderer europäischer Währungen und den meisten Währungen der aufstrebenden Märkte zu.

    2.4. Blick in die Zukunft

    Angesichts der oben beschriebenen Lage und prognostizierten Entwicklungen (zaghafte Erholung, einige Ungewissheit) sprach die Kommission41 am 16. November 2016 die Empfehlung aus, durch eine „fiskalische Lockerung um bis zu 0,5 % des BIP auf Ebene des Euroraums“ einen positiven finanzpolitischen Kurs einzuschlagen. In dem Begleit-dokument zum Bericht42 merkt die Kommission weiter an, dass ein wirksames Mittel, um der aktuellen Situation einer zögerlichen Zunahme der Nachfrage und einer Inflation unterhalb der Zielmarke trotz Leitzins-Rekordtief zu entkommen, darin bestehen könnte, koordinierte Maßnahmen zur Mobilisierung von Ressourcen für öffentliche und private Investitionen und zur Stützung des Aufschwungs zu ergreifen. Obgleich die Finanzpolitik auch weiterhin überwiegend eine Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten ist, werden die diesbezüglichen Maßnahmen mithilfe von Prozessen wie dem Europäischen Semester zunehmend auf EU-Ebene koordiniert.43

    3. Der EU-Haushalt – ein Überblick

    Der EU-Haushalt macht nur einen begrenzten Anteil der öffentlichen Ausgaben in der Europäischen Union aus, hat jedoch Merkmale, durch die seine Auswirkungen verstärkt werden können. Durch die neuen Herausforderungen der letzten Jahre hat sich die Debatte über die Rolle und eine mögliche Reform des Haushalts ausgeweitet.

    3.1. Umfang und Rolle des EU-Haushalts

    Mit einem Umfang von 145,2 Mrd. EUR im Jahr 2015 macht der EU-Haushalt etwa 1 % des Bruttonationaleinkommens der Europäischen Union (EU-BNE) aus, während die öffentlichen Ausgaben der Mitgliedstaaten im Durchschnitt einem Anteil von 49 % ihres jeweiligen BNE entsprechen. Der EU-Haushalt beläuft sich damit auf etwa 2 % der öffentlichen Gesamtausgaben in der Europäischen Union (siehe Abbildung 5), worin sich zeigt, dass die Zuständigkeit für Ausgaben und Ressourcen in den meisten Politik-bereichen vorrangig auf nationaler und/oder kommunaler Ebene liegt. Aus den Daten wird eine Situation erkennbar, die ganz anders als bei föderalen Strukturen ist, wo die Bundesausgaben bei dezentralem Aufbau wie in den Vereinigten Staaten üblicherweise

    41 Siehe Europäische Kommission: Hin zu einem positiven fiskalischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet.

    COM(2016) 727 final, Brüssel: 16. November 2016. 42 Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Report on the Euro Area concerning the

    Recommendation for a Council Recommendation on the economic policy of the euro area. SWD(2016) 391 final, Brüssel: 22. November 2016.

    43 Angerer, J. und Bitterlich, M. T.: Key features of 2017 Draft Budgetary Plans. Europäisches Parlament/EGOV, Brüssel: 9. Januar 2017.

    http://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:30353466-b172-11e6-871e-01aa75ed71a1.0010.02/DOC_1&format=PDFhttps://ec.europa.eu/info/file/36654/download_en?token=pq69XvGuhttps://ec.europa.eu/info/file/36654/download_en?token=pq69XvGuhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2016/587372/IPOL_BRI(2016)587372_EN.pdf

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    mindestens etwa 50 % der öffentlichen Gesamtausgaben (bzw. 15-20 % des Bruttoinlandsprodukts) ausmachen.44

    Abbildung 5 – EU-Haushalt und öffentliche Gesamtausgaben in der EU (2015, in Mrd. EUR)

    Quelle: EPRS, auf der Grundlage von Daten der Europäischen Kommission (GD Haushalt und Eurostat).

    In Analysen45 wird darauf verwiesen, dass der EU-Haushalt bisher zwei der drei Funktionen übernimmt, die in der Wirtschaftstheorie traditionell dem staatlichen Finanz-wesen zugeschrieben werden: die Bereitstellung öffentlicher Güter (z. B. Förderung von Forschungs- und Innovationsmaßnahmen); eine gewisse Umverteilung der Mittel zur Verringerung von Ungleichheiten46 in Einklang mit den Zielen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts zwischen EU-Regionen nach Maßgabe des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).47 Die beiden Funktionen schließen einander nicht aus, da im Rahmen von Politikbereichen mit Umverteilungs-zielen, wie der Kohäsionspolitik, auch öffentliche Güter bereitgestellt werden können.

    In Studien wird häufig auf den verhältnismäßig geringen Umfang des EU-Haushalts verwiesen und daraus der Schluss gezogen, dass durch dieses und andere Merkmale seine allgemeine Fähigkeit, öffentliche Güter bereitzustellen und eine Umverteilungs-rolle zu erfüllen, beschränkt wird. In einer Arbeit48 wird beispielsweise die jährliche Umverteilung der Mittel, die in den letzten 15 Jahren über den EU-Haushalt verwaltet wurden, auf 0,2 % des EU-BNE veranschlagt49 und der Vergleich zu dem entsprechenden Anteil von 1,5 % im Falle des Bundeshaushalts der Vereinigten Staaten gezogen. Anders ausgedrückt flossen 80 % der Mittel an denjenigen Mitgliedstaat zurück, von dem sie bereitgestellt wurden.

    Allerdings sollte die Rolle, die der EU-Haushalt aufgrund einiger seiner Merkmale für die Wirtschaft und die Verwirklichung der politischen Zielsetzungen der EU spielen kann, nicht unterschätzt werden. Beispiele sind unter anderem der für Investitionen vorgesehene Anteil des EU-Haushalts (im Vergleich zu den nationalen Haushalten, in denen die meisten Mittel für Verbrauch und Transfers vorgesehen sind) sowie die Fähigkeit des EU-Haushalts, Komplementärfinanzierung zu mobilisieren (z. B. durch innovative Finanzierungsinstrumente) und Vorteile wie Skaleneffekte in Politikbereichen

    44 Cottarelli, C. und Guerguil, M. (Hrsg.): Designing a European Fiscal Union: Lessons from the experience

    of existing federations. Routledge: 2015. Die Verfasser untersuchen für eine Stichprobe von 13 föderalen Staaten (alle mit einem nominalen BIP über 400 Mrd. USD im Jahr 2011) die Haushaltsregelungen zwischen der zentralen und der subnationalen Staatsebene.

    45 Bénassy-Quéré, A.; Ragot, X. und Wolff, G. B.: Which Fiscal Union for the Euro Area?. Les notes du conseil d'analyse économique, Nr. 29, Paris: Februar 2016.

    46 Die dritte, vom EU-Haushalt nicht übernommene Funktion ist die makroökonomische Stabilisierung. 47 Teil Drei Titel XVIII AEUV. 48 Pasimeni, P.; Riso, S.: The redistributive function of the EU budget. IMK – Hans-Böckler-Stiftung,

    Working Paper Nr. 174, November 2016. 49 In den vergangenen Jahren hat sich dieser Anteil infolge einer zunehmenden Diversität in der EU auf

    0,3 % erhöht, die einerseits durch den Beitritt von 13 Mitgliedstaaten mit geringeren Pro-Kopf-Einkommen seit 2004 und andererseits durch die wachsenden Unterschiede bedingt ist, die nach der Wirtschafts- und Finanzkrise in Bezug auf Wirtschaftsleistung und Arbeitslosenquoten entstanden sind.

    http://ec.europa.eu/budget/figures/interactive/index_de.cfmhttp://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?query=BOOKMARK_DS-416345_QID_-1AB74F24_UID_-3F171EB0&layout=TIME,C,X,0;GEO,L,Y,0;UNIT,L,Z,0;SECTOR,L,Z,1;NA_ITEM,L,Z,2;INDICATORS,C,Z,3;&zSelection=DS-416345SECTOR,S13;DS-416345INDICATORS,OBS_FLAG;DS-http://www.cae-eco.fr/IMG/pdf/cae-note029-en.pdfhttp://www.boeckler.de/pdf/p_imk_wp_174_2016.pdf

  • Wirtschafts- und Haushaltsausblick für die Europäische Union 2017 Seite 19 von 77

    zu erzielen, in denen die Zusammenlegung von Ressourcen auf EU-Ebene zu einer wirksamen Umsetzung der Ziele beitragen kann (z. B. auf dem Gebiet der Entwick-lungszusammenarbeit mit Drittländern).

    In einigen Ländern kann der EU-Haushalt eine wichtige Quelle für Investitionsmittel sein.50 Zum Beispiel liegt in 12 Mitgliedstaaten, darunter vorwiegend jene, die der Euro-päischen Union nach April 2004 beigetreten sind, der Anteil des EU-Haushalts an den öffentlichen Gesamtausgaben weit über 2 % mit Zahlen zwischen 4,85 % in Slowenien und 12,90 % in Bulgarien (Abbildung 6).51

    Abbildung 6 – EU-Haushalt als Anteil der öffentlichen Ausgaben in einzelnen Mitgliedstaaten (2015)

    Quelle: EPRS, auf der Grundlage von Daten der Europäischen Kommission (GD Haushalt und Eurostat).

    Wird das Augenmerk ausschließlich auf Investitionen gelegt, ist der Beitrag des EU-Haushalts zu den öffentlichen Investitionen in der Union zudem höher: der Kommission zufolge entfielen im Zeitraum 2007-2013 allein auf die Kohäsionspolitik durchschnittlich 6,5 % der staatlichen Investitionen in der Union, wobei dieser Anteil in vier Mitglied-staaten (Ungarn, Lettland, Litauen und Slowakei) Spitzenwerte von über 50 % erreichte.52 Im Zusammenhang mit Investitionen in Forschung und Innovation ist Horizont 2020 das weltweit größte transnationale Programm für diesbezügliche Aktivi-täten: im Jahr 2015 waren das Vereinigte Königreich, Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Belgien (in absteigender Reihenfolge der Gesamtsumme, die in ihren Hoheitsgebieten angesiedelte Empfänger aus dem Programm erhielten) die größten Empfänger.

    50 Die Kommission veröffentlicht zwar die Ausgabenzuweisung an die Mitgliedstaaten, betont jedoch,

    dass dies lediglich der Rechnungslegung dient, aber keinen vollständigen Überblick über die Vorteile gibt, die sich für die einzelnen Mitgliedstaaten aus der EU-Mitgliedschaft insgesamt ergeben. In Anhang 1 wird diese Zuweisung für jede größere Kategorie der EU-Ausgaben im Jahr 2015 zusammen-gefasst.

    51 Die Gruppe schließt auch einige Mitgliedstaaten ein, die der EU vor 2004 beigetreten sind. Die Einbeziehung von Luxemburg (7,10 %) beispielsweise erklärt sich vorrangig aus der Größe des Landes, seiner Rolle als Standort verschiedener EU-Einrichtungen bzw. -Organe und den Verwaltungsausgaben, die in diesem Zusammenhang auf das Land entfallen. Was den EU-Haushalt angeht, schließt die Abbildung weder die Ausgaben in Ländern außerhalb der EU noch Ausgaben ein, die sich keinem bestimmten Mitgliedstaat zuordnen lassen. Im Jahr 2015 belief sich diese Zahl auf 15,1 Mrd. EUR.

    52 Kommissionsmitglied Creţu, C.: Cohesion policy: Delivering added value to the EU and its citizens. Vortrag auf der Konferenz „EU Budget Focused on Results“, 27. September 2016. Außerdem ist anzumerken, dass der Nutzen der Kohäsionspolitik nicht allein denjenigen Mitgliedstaaten zugutekommt, die direkte Empfänger von Mitteln sind, da die Projekte zur Umsetzung der Programme auch an Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten vergeben werden können.

    http://ec.europa.eu/budget/figures/interactive/index_de.cfmhttp://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?query=BOOKMARK_DS-416345_QID_-1AB74F24_UID_-3F171EB0&layout=TIME,C,X,0;GEO,L,Y,0;UNIT,L,Z,0;SECTOR,L,Z,1;NA_ITEM,L,Z,2;INDICATORS,C,Z,3;&zSelection=DS-416345SECTOR,S13;DS-416345INDICATORS,OBS_FLAG;DS-http://ec.europa.eu/budget/library/budget4results/bfor-conference-2016-p1-presentation-commissioner-cretu.pdf

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    Aus diesem Blickwinkel betont die Kommission,53 dass sich der EU-Haushalt in Wesen und Funktion von nationalen Haushalten dahin gehend unterscheidet, dass es sich vorrangig um ein Investitionsbudget mit Schwerpunkt auf Maßnahmen mit europä-ischem Mehrwert handelt. Mit dem aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), in dem die EU-Haushaltsstruktur für den Zeitraum 2014-2020 festgelegt wird, sollen sich die Ausgabenprioritäten gemäß den Zielen der Strategie Europa 2020 und in Einklang mit den Prioritäten der Juncker-Kommission auf nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren.54

    Kofinanzierung ist ein Merkmal des EU-Haushalts, durch das dessen Auswirkungen auf das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen verstärkt werden können. Das bedeutet, dass EU-Mittel in der Regel zusammen mit Finanzmitteln aus anderen öffentlichen und/oder privaten Quellen verwendet werden, was dazu führt, dass die Gesamtinvestitionen höher sind als der Beitrag der EU für sich genommen. Zum Teil ist dies auch schon bei herkömmlichen Zuschüssen der Fall. Außerdem wurden zur Maximierung des sogenannten Multiplikatoreffekts des EU-Haushalts innovative Finanzierungsinstrumente (zur Beschaffung von Eigenkapital, Quasi-Eigenkapital, Fremd- oder Garantiemitteln) entwickelt, mit denen wirtschaftlich tragfähige Investitionen in Einklang mit den Zielen der EU unterstützt werden sollen.

    Innovative Finanzierungsinstrumente werden zwar nicht für alle Arten von öffentlichen Ausgaben als passend angesehen, weisen jedoch Merkmale auf, die sie für einige Politik-bereiche und -ziele attraktiv machen, insbesondere indem sie 1) zusätzliche Finanzmittel aus anderen Quellen mobilisieren (Hebelwirkung) und 2) mit den Rückzahlungen der Mittelempfänger Einnahmen generieren, die für neue Operationen im Rahmen der gleichen Politikziele verwendet werden können (revolvierender Charakter der Instru-mente). Die Hebelwirkung der einzelnen Instrumente kann sich erheblich unterscheiden. Für die Fazilität EPMF-G (European Progress Microfinance Guarantee) beispielsweise wird die Hebelwirkung auf einen Wert von 13 geschätzt: das bedeutet, dass mit Mitteln aus dem EU-Haushalt in Höhe von 23,6 Mio. EUR weitere Finanzmittel aus anderen Quellen in solcher Höhe mobilisiert werden sollten, dass für die Endempfänger des Programms eine Gesamtsumme von 284,9 Mio. EUR zur Verfügung steht.55

    Die hochrangige Gruppe „Eigenmittel“ (siehe Abschnitt 5.2) gelangt anhand einer von ihr beauftragten Studie56 zu dem Ergebnis, dass reichere Mitgliedstaaten bei der Mittel-beschaffung in Verbindung mit den wichtigsten Finanzierungsinstrumenten einen

    53 Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: The added value of the EU budget. SEC (2011) 867,

    29. Juni 2011. 54 Die zehn Prioritäten der Juncker-Kommission lauten Beschäftigung, Wachstum und Investitionen;

    digitaler Binnenmarkt; Energieunion und Klimaschutz; Binnenmarkt; eine vertiefte und fairere Wirtschafts- und Währungsunion; ein ausgewogenes Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA; Justiz und Grundrechte; Migration; mehr Gewicht auf der internationalen Bühne und demokratischer Wandel.

    55 Für nähere Einzelheiten zu den Vorteilen und Herausforderungen von Finanzierungsinstrumenten siehe: Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Activities relating to financial instruments. SWD(2016) 335, 24. Oktober 2016; Europäischer Rechnungshof: Vollzug des EU-Haushalts durch Finanzierungsinstrumente: aus dem Programmplanungszeitraum 2007-2013 zu ziehende Lehren. Sonderbericht Nr. 19/2016.

    56 Núñez Ferrer, J.; Le Cacheux, J.; Benedetto, G. und Saunier, M.: Study on the potential and limitations of reforming the financing of the EU budget. CEPS, Université de Pau et des Pays de l’Adour, LSE Enterprise und Deloitte, 3. Juni 2016.

    http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?qid=1481303681090&uri=CELEX:52011SC0867https://ec.europa.eu/commission/index_dehttp://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52016SC0335http://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR16_19/SR_FIN_INSTRUMENTS_DE.pdfhttp://ec.europa.eu/budget/mff/hlgor/library/highlights/hlgor-studies-external-studyonfinancingofeu-budget-june-2016_en.pdfhttp://ec.europa.eu/budget/mff/hlgor/library/highlights/hlgor-studies-external-studyonfinancingofeu-budget-june-2016_en.pdf

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    komparativen Vorteil haben.57 Daher unterscheidet sich die Verteilung solcher Mittel im Vergleich zu den traditionellen Ausgabenbereichen der EU (z. B. Kohäsion und Landwirt-schaft). Aufgrund der Hebelwirkung und des revolvierenden Charakters dieser Instru-mente bestätigt sich, dass mit der üblichen Darstellung der Zuweisung von EU-Ausgaben an die Mitgliedstaaten (siehe Anhang 1) nur ein unvollständiges Bild des Gesamtnutzens gezeichnet wird, der sich aus dem EU-Haushalt und der EU-Mitgliedschaft ergibt.58

    In einigen Politikbereichen kann die Zusammenlegung von Ressourcen auf EU-Ebene zu Vorteilen wie Skaleneffekten und Vermeidung von Doppelarbeit führen, wodurch ein Zusatznutzen für die EU entsteht und Ergebnisse wirksamer erzielt werden können. In der Entwicklungszusammenarbeit beispielsweise betrachtet die OECD die geografische Reichweite, die Größenordnung und den Geltungsbereich von EU-Programmen als drei komparative Vorteile der EU.59 Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind weltweit die größten Geber von Entwicklungshilfe. Jedoch stellen die Mitgliedstaaten neben den EU-Program-men Entwicklungshilfe auch über nationale und/oder zwischenstaatliche Programme bereit. Den Untersuchungen zu den Kosten des Nicht-Europa zufolge, die im Jahr 2013 für das Europäische Parlament erarbeitet wurden, könnten durch eine verstärkte Koordi-nierung der EU-Geberländer Gemeinkosten von jährlich etwa 800 Mio. EUR für Tätig-keiten wie Planung, Durchführung und Überwachung der Unterstützung eingespart und gleichzeitig die Gesamtauswirkungen von Entwicklungstätigkeiten vergrößert werden.60

    Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der EU-Haushalt zwar verhältnismäßig klein ist, dafür aber Merkmale aufweist, die seine Gesamtauswirkung verstärken können. Dennoch sind sich viele Analysten und Interessenträger in der Diskussion über die Vorbereitung des Finanzierungszeitraums nach 2020 einig, dass der EU-Haushalt trotz der vielen bereits erfolgten Änderungen noch weiter angepasst und vereinfacht werden muss, um seine Reaktionsfähigkeit gegenüber den Anliegen der EU-Bürgerinnen und -Bürger und den beispiellosen Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht, zu stärken. So heißt es beispielsweise in einer Analyse des Thinktanks CEPS,61 dass klar-gestellt werden müsse, welches die wichtigsten Ziele des EU-Haushalts in der Welt von heute sind, und dass die Sichtweise, bei der jeder Mitgliedstaat vorrangig an seiner Nettobilanz interessiert ist, zugunsten einer Haltung aufgegeben werden müsse, im Rahmen derer der EU-Haushalt als Ergänzung zu den nationalen Haushalten betrachtet und sein Schwerpunkt weiter auf EU-Ziele verlagert, die auf EU-Ebene besser umgesetzt werden können.

    3.2. Struktur des EU-Haushalts: Einnahmen und mehrjährige Planung

    Während mithilfe des Eigenmittelsystems festgelegt wird, wie der EU-Haushalt zu finan-zieren ist, wird die Gliederung der Ausgabenseite des Haushalts für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren durch ein mehrjähriges Planungsinstrument – den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) – bestimmt.

    57 Hochrangige Gruppe „Eigenmittel“: Future financing of the EU: Final report and recommendations.

    Dezember 2016. 58 Siehe Fußnote 50. 59 OECD: European Union – DAC Peer Review of Development Co-operation. 2012. 60 Nogaj, M.: The Cost of Non-Europe in Development Policy: Increasing coordination between EU donors.

    Europäisches Parlament, Referat Europäischer Mehrwert, 2013; Bigsten, A.: Quantifying the economic benefits of increased EU donor coordination. 2013.

    61 Núñez Ferrer, J.: The Multiannual Financial Framework post-2020: Balancing political ambition and realism. CEPS-Strategiepapier Nr. 2016/2, 18. November 2016.

    http://ec.europa.eu/budget/mff/hlgor/library/reports-communication/hlgor-report_20170104.pdfhttp://www.oecd.org/dac/peer-reviews/50155818.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2013/494464/IPOL-JOIN_ET(2013)494464_EN.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2013/494464/IPOL-JOIN_ET(2013)494464(ANN03)_EN.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2013/494464/IPOL-JOIN_ET(2013)494464(ANN03)_EN.pdfhttps://www.ceps.eu/publications/multiannual-financial-framework-post-2020-balancing-political-ambition-and-realismhttps://www.ceps.eu/publications/multiannual-financial-framework-post-2020-balancing-political-ambition-and-realism

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    Anders als die nationalen Haushalte darf der EU-Haushalt kein Defizit aufweisen. Seine Finanzierung wird über drei Haupteinnahmequellen sichergestellt: 1) traditionelle Eigen-mittel (Zölle und Zuckerabgaben); 2) Eigenmittel, die auf einer harmonisierten Mehr-wertsteuer-(MwSt.-)Bemessungsgrundlage beruhen; 3) Eigenmittel, die auf dem BNE der Mitgliedstaaten beruhen, wodurch der Haushalt ausgeglichen wird. Der Höchstsatz der Mittel für den EU-Haushalt ist auf 1,23 % des EU-BNE festgesetzt (die „Eigenmittel-obergrenze“, die seit den 1990er Jahren praktisch unverändert geblieben ist).62

    Derzeit wird der Hauptteil der Einnahmen (im Jahr 2015 mehr als 80 %, siehe Abbil-dung 7) über BNE-Eigenmittel und MwSt.-Eigenmittel erzielt, die die Mitgliedstaaten eher als nationale Beiträge statt als EU-Eigenmittel wahrnehmen. Durch diesen Umstand wird nach Ansicht verschiedener Analysten und Interessenträger, einschließlich des Europäischen Parlaments (EP), dazu beigetragen, dass der Schwerpunkt der Haushaltsverhandlungen auf den Nettobilanzen der Mitgliedstaaten und auf Programmen mit vorab geografisch zugeteilten Mitteln liegt. Bei der jetzigen Gestaltung des Systems63 werden die Beiträge der folgenden Mitgliedstaaten durch dauerhafte und/oder vorübergehende Korrekturmechanismen verringert: Österreich, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Schweden und Vereinigtes Königreich.64 In Anhang 2 wird ein Überblick über die nationalen Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten und die traditionellen Eigenmittel gegeben, die im Jahr 2015 im Namen der EU erhoben wurden.

    Was die Ausgabenseite des Haushalts anbe-langt, wird im MFR 2014-2020 für jede Haupt-kategorie („Rubrik“) der EU-Ausgaben der Höchstsatz der Mittel („Obergrenze“) für einen Zeitraum von sieben Jahren festgelegt. Im der-zeitigen MFR, der zwischen 2011 und 2013 vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und in Zeiten der Sanierung der Haushalte in den Mitgliedstaaten verhandelt wurde, sind die Ressourcen erstmalig niedriger als im davor liegenden Programmplanungszeitraum (2007-2013). Der für den MFR vorgesehene Anteil des EU-BNE wurde auf 1 % für Verpflichtungen und 0,95 % für Zahlungen festgelegt (im Vergleich zu 1,12 % bzw. 1,06 % im Zeitraum 2007-2013).

    Die MFR-Mittel für Verpflichtungen über den Gesamtzeitraum 2014-2020 hinweg belaufen sich auf 1 087,1 Mrd. EUR zu jeweiligen Preisen (oder 963,5 Mrd. zu den Preisen von 2011). In Abbildung 8 ist ihre Verteilung auf die sechs Hauptkategorien der EU-Ausgaben dargestellt (jede Kategorie hat zwei Unterkategorien oder „Teilrubriken“). Im MFR sind die jährlichen Obergrenzen für neue Verpflichtungen in jeder Ausgaben-kategorie und eine Gesamtobergrenze für jährliche Zahlungen festgelegt. Darüber

    62 Für nähere Einzelheiten zu dem Systems siehe D’Alfonso, A.: How the EU budget is financed: The ‘own

    resources’ system and the debate on its reform. Europäisches Parlament, EPRS, 2014. 63 Beschluss des Rates vom 26. Mai 2014 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union

    (2014/335/EU, Euratom). 64 D’Alfonso, A.: The UK 'rebate' on the EU budget: An explanation of the abatement and other correction

    mechanisms. Europäisches Parlament, EPRS, 2016.

    Abbildung 7 – EU-Einnahmen im Jahr 2015

    Datenquelle: Europäische Kommission, siehe Anhang 2.

    http://www.europarl.europa.eu/RegData/bibliotheque/briefing/2014/140805/LDM_BRI(2014)140805_REV2_EN.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/bibliotheque/briefing/2014/140805/LDM_BRI(2014)140805_REV2_EN.pdfhttp://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:32014D0335http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2016/577973/EPRS_BRI(2016)577973_EN.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2016/577973/EPRS_BRI(2016)577973_EN.pdf

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    hinaus sind einige besondere Instrumente außerhalb der Obergrenzen des MFR (z. B. die Reserve für Soforthilfen, den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globali-sierung und den Solidaritätsfonds der Europäischen Union) und Flexibilitätsbestimmun-gen vorgesehen, mithilfe derer im Falle unerwarteter Ereignisse für Handlungsspiel-räume eröffnet werden. Die Schwierigkeit besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen der Berechenbarkeit von Investitionen und der Reaktionsfähigkeit gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen und neuen Prioritäten, die sich im Laufe des relativ langen Programmplanungszeitraums ergeben können, zu schaffen.

    Abbildung 8 – Mehrjähriger Finanzrahmen 2014-2020 nach Rubrik (Mrd. EUR, jeweilige Preise)

    Datenquelle: EPRS, auf der Grundlage von Daten der Europäischen Kommission.

    3.3. Die wichtigsten institutionellen Akteure in zwei entscheidenden Phasen des Haushaltszyklus

    Das Europäische Parlament (EP) und der Rat der Europäischen Union bilden zusammen die EU-Haushaltsbehörde. Eine ihrer Aufgaben besteht darin, in der Genehmigungsphase einzugreifen und den jährlichen EU-Haushaltsplan aufzustellen und Änderungen vorzu-schlagen, wobei beides auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission und im Rahmen der Bestimmungen des Eigenmittelsystems und der MFR-Verordnung verhandelt wird (siehe Abschnitt 3.2).

    Die Befugnisse des EP und des Rates unterscheiden sich je nach Thematik, aber im jährlichen Haushaltsverfahren sind sie gleichberechtigt. Die Entscheidung über die Ausgestaltung des Eigenmittelsystems erfordert die Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten im Rat, während das EP nur konsultiert wird. Auch die Verordnung zur Festlegung des MFR ist vom Rat einstimmig anzunehmen, aber in diesem Fall muss er vorher die Zustimmung des EP einholen.

    Es gibt Stimmen, denen zufolge durch diese Asymmetrie bei den Befugnissen der beiden Teile der Haushaltsbehörde die Unterschiede, die bei ihrer Betrachtungsweise in Haushaltsfragen bestehen, verschärft werden.65 Darüber hinaus wird die Anforderung der Einstimmigkeit im Rat für die Genehmigung der Eigenmittel und die Annahme des MFR häufig als Hindernis dafür angesehen, dass der EU-Haushalt umfassend reformiert 65 Siehe z. B. Patterson, B.: Understanding the EU budget, 2011.

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    wird. Trotz der Anpassungen, die im Laufe der Jahre am Haushalt bereits vorgenommen wurden, sehen die Beteiligten im Allgemeinen weiteren Änderungsbedarf.66 Allerdings begünstige das in den Verfahren verankerte Vetorecht das Fortbestehen des Status quo, der bis jetzt für ein Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten gesorgt hat, die ihre Kräfte in Teilgruppen mit gemeinsamen Interessen bündeln (z. B. werden in den Debatten zu den Haushaltsverhandlungen häufig Gruppenbezeichnungen wie Netto-zahler und Nettoempfänger oder auch „Freunde der Kohäsionspolitik“, „Freunde einer besseren Ausgabenpolitik oder der Korrekturverfahren“ und „Freunde der Landwirt-schaftspolitik“ verwendet). Das Europäische Parlament drängt seit Langem auf eine EU-Haushaltsreform, unter anderem in Bereichen, in denen seine Befugnisse begrenzt sind, wie Eigenmittel und der MFR. Dadurch soll der Schwerpunkt der Haushaltsberatungen auf Maßnahmen mit einem Zusatznutzen für die EU verlagert werden.67

    In der Umsetzungsphase dann ist die Kommission für die Ausführung des EU-Haushalts zuständig. Allerdings ist an der Ausführung im Rahmen der drei Verwaltungsarten nach Maßgabe der EU-Haushaltsordnung eine Vielzahl an Akteuren beteiligt. In der Praxis werden etwa 80 % des EU-Haushalts von der Kommission und den Mitgliedstaaten gemeinsam im Rahmen der „geteilten Mittelverwaltung“ ausgeführt, unter die der Großteil der Ausgaben unter Teilrubrik 1b „Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zu-sammenhalt“ und Rubrik 2 „Nachhaltiges Wachstum: natürliche Ressourcen“ fallen. Die verbleibenden 20 % des Haushalts werden im Rahmen entweder der „direkten Verwal-tung“ (Kommission und Exekutivagenturen der EU) oder der „indirekten Verwaltung“ (andere Einrichtungen wie Drittstaatbehörden, internationale Organisationen, dezen-trale Agenturen der EU und die Europäische Investitionsbank) ausgeführt.

    3.4. Herausforderungen in den letzten Jahren

    Seit Beginn des Programmplanungszeitraums 2014-2020 haben sich für den EU-Haushalt eine Reihe von Herausforderungen ergeben, darunter der ständige Druck auf die Rubri-ken „Sicherheit und Unionsbürgerschaft“ und „Europa in der Welt“ infolge der wachsenden Instabilität in den Nachbarländern der EU, der Migrationskrise und von Sicherheitsbedrohungen; eine erhebliche Investitionslücke in der EU, die auch viele Jahre nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise weiter besteht; ein hoher außerordent-licher Zahlungsrückstand Ende 2014 und Ende 2015.

    Die EU-Organe und die Mitgliedstaaten reagierten auf diese Herausforderungen unter anderem damit, dass sie umfassenden Gebrauch von den im Rahmen der einschlägigen Flexibilitätsbestimmungen verfügbaren Ressourcen machten und dass sie Haushalts-instrumente einrichteten, die zumindest teilweise außerhalb des EU-Haushalts liegen und mit denen versucht werden soll, Finanzmittel aus anderen öffentlichen und/oder privaten Quellen zu beschaffen (z. B. der Europäische Fonds für strategische Investi-tionen (EFSI) zur Behandlung der Investitionslücke; EU-Treuhandfonds und die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei zur Bewältigung der Migrationskrise).

    Darüber hinaus haben auch die Bemühungen zur Bewältigung der Euro-Krise und zur Stärkung der Europäischen Währungsunion zu Diskussionen über die mögliche Rolle des EU-Haushalts geführt. In seiner jetzigen Ausgestaltung gilt der EU-Haushalt jedoch

    66 Siehe z. B. niederländischer Ratsvorsitz: Towards a forward-looking and flexible Multiannual Financial

    Framework. Bericht des Vorsitzes, 30. Mai 2016. 67 Siehe z. B. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2016 zur Vorbereitung der

    Überarbeitung des MFR 2014-2020 nach der Wahl: Beitrag des Parlaments im Vorfeld des Kommissionsvorschlags (P8_TA(2016)0309).

    https://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten/kamerstukken/2016/05/30/voorzitterschapsverslag-over-mfk/voorzitterschapsverslag-over-mfk.pdfhttps://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten/kamerstukken/2016/05/30/voorzitterschapsverslag-over-mfk/voorzitterschapsverslag-over-mfk.pdfhttp://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&language=DE&reference=P8-TA-2016-0309

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    aufgrund seiner geringen Größe und der begrenzten Flexibilität im Rahmen der MFR-Planung als außerstande, eine stabilisierende Rolle im Falle wirtschaftlicher Erschütte-rungen zu übernehmen (siehe Abschnitte 3.1 und 3.2). Eine vorgeschlagene Idee ist die Einrichtung einer speziellen „Fiskalkapazität“ für das Euro-Währungsgebiet als Unter-kategorie des EU-Haushalts selbst.68

    4. Der EU-Haushalt 2017

    Am 1. Dezember 2016 bestätigte das Europäische Parlament, dass im Vermittlungs-ausschuss zum Gesamthaushaltsplan der EU für das Haushaltsjahr 2017 eine Einigung69 erzielt wurde. Nach Aussage von Kristalina Georgieva, damals für den EU-Haushalt zu-ständiges Kommissionsmitglied, wird der Haushalt 2017 „dazu beitragen, Schocks abzu-federn, unsere Wirtschaft anzukurb