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Beitr~ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 102, S. 603--617 (1950). Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Miiglichkeiten bei tuberkuliisen Infektionen*. Von GERHA.RDDOMAGK. Die medikamentSse Beeinflussung der Tuberkulose ist durch viele Mittel versucht worden, vor allem durch Schwermetallverbindungen, Gold, Kupfer, ferner mit Q ueeksilber, Arsenikalien, Chaulmoogra-0], Guajacol, Kresol u.a. ~bersichtliche Darstellungen fiber die Chemotherapie dcr Tuberkulose sind yon KLOPSTOCH, SCHLOSSBV.RGV.Rsowie WELLS und Lo•a gegeben worden. WELLS schlofl seine damalige Darstellung: "Probably some new success with some other bacterial infections will be needed to stimulate a new attack on the more difficult problem ' offered by tuberculosis." In einem Referat, welches B6H• 1946 fiber die Chemotherapie der Tuberkulose erstattete, kam er zu dem SchluB, dab es bis dahin kein auf breiter Basis gegen die Tubcrkulose verwendbares Pr~- parat gab. Die ersten, die eine Wirkung der bei anderen Infektionen wirksamen Suffon- amide auch bei Tuberkulose beschrieben, waren RICH und FOLLXS. Nach eigenen Untersuchungen land ich mit Sulfanilamide, Suffapyridin und zahlreichen anderen geprfiften Suffonamiden hie eine spezifische Wirkung in einem bemerkenswerten AusmaB gegeniiber Tuberkelbacillen und experimentellen tuberkul6sen Infektionen bei Meerschweinchen und Kaninchen. 1940 wies ich zum ersten Male auf die spezifi- sche Wirkung des Suffathiazol gegeniiber TuberkelbaciUen hin. Diese spezffische Wirkung des Suffathiazol (Eleudron, Cibazol) und -- wie ich anschlieBend fest- stellte -- auch der suffathiodiazolhaltigen Suffonamide war eine direkte Wirkung gegenfiber Tuberkelbaeillen 1. Entsprechend den Erfahrungen, die wir mi~ den Suffonamiden bei anderen bakteriellen Infektionen gesammelt hatten, ffigten wit fester l~i~hrbSden, die zur Zfichtung de r zu prfifenden Keime geeignet waren, das ieweilige Pr~parat in Verdiinnungen 1:1000, 1:5000, 1 : 10000, 1:25 000, :50000, 1 : 100000 usw. zu und beimpften diese N~hrbSden im .Verg|eich zu den KontroUrShrchen, die mit-dem gleichen N~hrboden desselben Ansatzes, aber ohne Zusatz eines Pr~parates angelegt waren. Bei Streptokokken hatten wir auf Blutagarn~hrbSden auf diese Weise festgestellt, wie hoch die direkte Wirkung der einzelnen Suffonamic[e gegenfiber Streptokokkenstiimmen war. Bei roller Wirkung blieb jedeS Wachstum aus, bei unvollkommener Wirkung traten noch Zwergkolonien und teilweise H~imolyse auf, auf den KontrollrShrehen ungehemmte Entwieklung der K0lonien und H~molyse. Entspreehende Versuche mit anaeroben Keimen roach der yon ZEISSLER entwickclten Methode zur Zfichtung yon An- aerobiem auf traubenzuckerhaltigen Blutplatten zeigten uns die spezifische * Referat, gehMten bei der 1. Nachkriegstagung der Deutschen Tuberkulosegesellschaft, 5.--8. Oktober 1948 in Wiesbaden. 1 DOMA.GK,G.: Beitr. Klin. Tbk. 101 (1948).

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Page 1: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

Beitr~ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 102, S. 603--617 (1950).

Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Miiglichkeiten

bei tuberkuliisen Infektionen*. Von

GERHA.RD DOMAGK.

D i e medikamentSse Beeinflussung der Tuberkulose ist durch viele Mittel versucht worden, v o r allem durch Schwermetallverbindungen, Gold, Kupfer, ferner mit Q ueeksilber, Arsenikalien, Chaulmoogra-0], Guajacol, Kresol u .a . ~bersichtliche Darstellungen fiber die Chemotherapie dcr Tuberkulose sind yon KLOPSTOCH, SCHLOSSBV.RGV.R sowie WELLS und Lo•a gegeben worden. WELLS schlofl seine damalige Darstellung: "Probably some new success with some other bacterial infections will be needed to stimulate a new attack on the more difficult problem ' offered b y tuberculosis." In einem Referat, welches B6H• 1946 fiber die Chemotherapie der Tuberkulose erstattete, kam er zu dem SchluB, dab es bis dahin kein auf b re i t e r Basis gegen die Tubcrkulose verwendbares Pr~- parat gab.

Die ersten, die eine Wirkung der bei anderen Infektionen wirksamen Suffon- amide auch bei Tuberkulose beschrieben, waren RICH und FOLLXS. Nach eigenen Untersuchungen land ich mit Sulfanilamide, Suffapyridin und zahlreichen anderen geprfiften Suffonamiden hie eine spezifische Wirkung in einem bemerkenswerten AusmaB gegeniiber Tuberkelbacillen und experimentellen tuberkul6sen Infektionen bei Meerschweinchen und Kaninchen. 1940 wies ich zum ersten Male auf die spezifi- sche Wirkung des S uffathiazol gegeniiber TuberkelbaciUen hin. Diese spezffische Wirkung des Suffathiazol (Eleudron, Cibazol) und - - wie ich anschlieBend fest- stellte - - auch der suffathiodiazolhaltigen Suffonamide war eine direkte Wirkung gegenfiber Tuberkelbaeillen 1. Entsprechend den Erfahrungen, die wir mi~ den Suffonamiden bei anderen bakteriellen Infektionen gesammelt hatten, ffigten wit fester l~i~hrbSden, die zur Zfichtung de r zu prfifenden Keime geeignet waren, das ieweilige Pr~parat in Verdiinnungen 1:1000, 1:5000, 1 : 10000, 1:25 000,

:50000, 1 : 100000 usw. zu und beimpften diese N~hrbSden im .Verg|eich zu den KontroUrShrchen, die mi t -dem gleichen N~hrboden desselben Ansatzes, aber ohne Zusatz eines Pr~parates angelegt waren. Bei Streptokokken hat ten wir auf Blutagarn~hrbSden auf diese Weise festgestellt, wie hoch die direkte Wirkung der einzelnen Suffonamic[e gegenfiber Streptokokkenstiimmen war. Bei roller Wirkung blieb jedeS Wachstum aus, bei unvollkommener Wirkung traten noch Zwergkolonien und teilweise H~imolyse auf, auf den KontrollrShrehen ungehemmte Entwieklung der K0lonien und H~molyse. Entspreehende Versuche mit anaeroben Keimen roach der yon ZEISSLER entwickclten Methode zur Zfichtung yon An- aerobiem auf traubenzuckerhaltigen Blutplatten zeigten uns die spezifische

* Referat, gehMten bei der 1. Nachkriegstagung der Deutschen Tuberkulosegesellschaft, 5.--8. Oktober 1948 in Wiesbaden.

1 DOMA.GK, G.: Beitr. Klin. Tbk. 101 (1948).

Page 2: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

604 G ~ A a D DOMAGK:

Wirkung des Marfanil, Marbadal und Supronalum gegeniiber dem ~ICAENKELschen Gasbrandbacillus, dem NovYschen Bacillus des malignen 0dems (Bac. oedematiens), dem Pararauschbrandbacillus (Bac. septicus), dem Bac. histolyticus, dem Bac. Sordelli, Enterotoxicus (Erreger des Darmbrandes nach SCHiiTZ und ZEISSLER) und gegeniiber Tetanusbacillen. Fiir die Untersuchungen fiber die direkte W)rkung yon Substanzen gegeniiber Tuberkelbacillen w~hlte ich den yon Hom~ angegebene n Eiern~hrboden mit Malachitgriinzusatz nach der genauen Herstel: lnngsvorschrif~ in einer Mitteilung d.er Fiat Review.

Mit dieser Methode stellten wir lest, d a b Sulfathiazol und andere" thiazol- und ~hiodiazoll/altige Sulfonamide Hemmungswerte bis zu Verdiinnungen 1:25000, ja manchmal 1:50000 und 1:100000 geben konnten, also bis zu Ver- dtinnungen, die man nach den Erfahrungen bei anderen Infektionen beispiels- weise yon Eleudron oder Globucid ohne weiteres fur einige Zeit auch im tierischen oder menschlichen Organismus nach oraler oder parenteraler Darreichung er- zielen konnte, ohne Seh~digungen befiirchten zu miissen. Jedoch war die Wir- kung dieser Substanzen im infizierten Meerschweinchen nur sehr gering. Immerhin konnten vielleicht auch beim Menschen gewisse Erfolge bei ~uBerer Anwendung und bei Nierentuberkulose erzielt werden, well die Konzentration dieser Substanzen im H a m relativ hoch ist, namentlich bei alkalischer Re- aktion. Eine ~bersicht fiber die Priifung yon Suffonamiden gegenfiber Tuber- kulose ist auch yon BmKI~UG gegeben worden. FELDMA~ berichtete 1946 fiber seine Untersuchungen mit Suffonamiden: "During the pas t five years we have examined in vitro practically all of the frequently used sulphonamide compounds and in addition many others that were supplied by research chemists and none have shown sufficient effectiveness to warrant the belief that this group of com- pounds is likely to yield useful and effective agents for combating tuberculosis." i m Gegensatz zu unseren eigenen Untersuchungen land FELDMAN gewisse Suffone wirksamer als die yon uns gefundenen Sulfonamide.. E r sagt darfiber: "The few compounds that have been found capable of exerting consistently a favour- able influence o f considerable degree on the expected course of exper!mental tuberculosis in guinea pigs have belonged to the sulfone grohp." Wie sich diese Widerspriiehe erkl~ren, mfissen kiinftige Untersuchungen aufkl~ren. Zu den in Deutschland bekanntesten Suffoner/ gehSrt das bei Streptokokkeninfektionen gut wirksame Tibatin, das Galaktosid des 4,4'Diaminodiphenylsuffon, Es hat nach unseren Untersuehungen gegeniiber Tuberkelbacillen ebensowenig Wirkung wie die yon FELI)MA~ als wirksam beschriebenen Sulfone:

SO / ~S OaNa

~ N H C H - - ( C H O H ) 4 - - C H ~ 0 H I S0aNa

P r o m i n

/~--~NH--CH2--S0~Na so~<

"% )N~--CH,--SO~N~ D i a s o n e

S--C---NH~

H 2 N ~ S O , - - C f . NIl'

C [

H Promizo lo

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Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen M6g]iehkeiten. 605

Alle diese Sulfone hatten naeh unseren Untersuchungen in der angegebenen Priifung der 'direkten Wirkung gegenfiber Tuberkelbaeillen. auf H o ~ s e h e n N/~hrbSden sehr viel sehleehtere Werte als das gewShnliehe und fiberall in der" Welt Verwendete Sulfathiazol. Neuerdings haben G. BROW~LEE, A. F. GREE~r und M. WOODBINE noeh fiber ein weiteres Sulfon, Sulfetron, als ehemothera- peutisehen Wirkstoff gegen Tuberkulose beriehtet~ Danach ist Sulfetron ebenfalls ein Abk5~nmling des Diaminodiphenylsulfons und hat bei einem Molekular- gewicht yon 892,5 wahrseheinlich folgende Formeh

C6H5-- C.FIL~_CH~--CH~N H--C~H4 S 0,.CsI-] ~NIl-- CB --CH 2CH~-C~H ~

1 s /o3Na I I S03Na S03N~ SOaNa

4 : 4' bis {y-Phenyl-n-propylamino)-diphenylsulfon-tetranatriumsulfonat. Es han- delt sigh um eine sehr leicht wasserl6sliche Verbindung, die aber in Alkohol und anderen organisehen LSsungsmitteln praktiseh unlSslieh ist. Die akute Toxizit/~t peroral gegebenen Sulfetrons soll wesentlic.h geringer sein als die yon Sulfanilamide oder anderdn Sulfonen wie Promin, Diasone und Promi.zole. Die. geringe Toxizit~t wird darauf zuriiekgefiihr~, dad das Mittel in vivo nieht aze- tylier~ werden kann. In vitro erreieht es gegen St~mme yon Affen-, Rinder- und Mensehentuberkelbaeillen die Wirksamkeit der Muttersubstanz Diaminodiphenyl- sulfon. Von den 3 zuerst ge~annten Sulfonen besitzt das Promizole zwar einen gewissen Effekt 'gegenfilJer Tuberkelbaeillen, aber nieht weft es ein Su]fon ist, sondern weil es wie das Eleudron einen Thiazolring enth~lt. Merkwiirdigerweise hat man meinen damaligen Hinweis auf die gewisse spezifische Wirkung des Sulfathiazol und der Sulfathiodiazole gegenfiber Tuberkelbacillen wenig beachtet. Eine gewisse klinisehe Wirkung yon Sulfathiazol bei Fisteln ist zuerst yon WILDBOLZ beschrieben worden. BAUMO~LRTNER sowie aueh ]~/[ALLUCHE sahen mit Eleudron und Globueid aueh gewisse Wirkungen bei Lungentuberkulose.

AuBer den Sulfonamiden und Sulfonen, bei denen besonders amerikanisehe Autoren besclieidene klinische Beeinflussungen yon tuberkulSsen :[nfektionen beschrieben, erregten die Mitteilungen fiber Streptomycin eine besondere Auf- merksamkeit. W~hrend Penicillin gegenfiber Tuberkelbacillen weder in vitro noch bei Tieren mit experimentellen Infektionen irgendeine Wirkung zeigt, wlesen SCHATZ, BuGIv. und WAKSM~'~ auf die antibiotisehe Substanz, das Strepto- mycin, hin, ein Produkt des Actinomyees griseus, das eine sehr beaehtlicho Hemmungswirkung gegeniiber Tuberkelbacillen in Vitro entwiekelt.

Von einer anderen ehemiseh definierten Substanz mit einer Wirkung gegenfiber Tuberkelbaeillen berichteten sehwedische Autoren (LEItMANN). ]~S handelte sich dabei um Derivate der Salicyls~ure. Eine Prfifung der gewShnlichen Salicyl- si~ure ergab keine Wirkung, jedoch war eine Wirkun~ yon p-Aminosalieyls~ure

COOtt

2

in vitro feststellbar, wie sie aueh RAaAZl beschrieb.

1 RAaaz: Sehwciz. reed. ~Ysehr. 1948, Nr I~, 332.

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606 GrlCIJAI~D DOM,~OX :

Da naeh meinen Er fah rungen yon all den i n der L i t e ra tu r ge na nn t e n Sub- s tanzen n u t diese beiden le tzteren yon Interesse fiir den A u f b a u einer Tuber . kulosetherapie sind, vergliehen ~ diese Subs tanzen in ihrer Hemmungswirkung naeh der yon uns verwendeten Me~hode durch Zusatz Zu den HoH~sehen Eier- ni~hrbSdeft mi te inander u n d mi t den yon uns bei exper imentel len tuberkulSsen In fek t ionen wirksam gefundenen Thiosemiearbazonen (vgl. Beitr . Kl in . Tbk. 101) und erzielten folgendes E r g e b n i s (Tabelle 1).

Tabelle 1. Eiern/thrboden am 16. 6.48 mit Typ humanus beimpft.

Eleudron .Na 1 : 5 0 0

1 : 1000 1:5000

StreTt(mtycin ] : 500 1 : 1000 1 : 5000

Am~nosatieyls6ure (U 801) 1:500 COOH 1 : 1 0 0 0 |

1: 5000 ~ 0 H

H2N

7~-Aminosalicyleiiure 1: 500 C00H 1 : 1 0 0 0 1: 5000 ~ O H

1. Ablosung 2. Ablesung 3. &blosung dos Wachstun~s dos Waohstu~s dos Waohstums

a m 1. 7 . 4 8 a m 8 . 7 . 4 8 a m 15 . 7 . 4 8

0 0 0

0' 0 0

q -§ +q- ~--!-

-0 0 0

+ + + + § ++-4-

+q-q - +--l- + - t - + +

NH2 Kontro]len . . . . . . . . . . . . § ~ q= -}- + + q- q-

Zeichenerkl(irun9: 0 = kein Wachstum, q-q- = starkes Wachstum, -}-q--~ = sehr starkes Wachst~m.

Die wirksamen Pr~tparate k6nnen sogar in noch st~rkeren Verdtinnungen, 1 : 50 000 oder sogar 1:100000, Waehstumshemmungen zeigen.

Tabelle 2. Beimpfung am 2. Juli, Ablesung am 15. Juli.

1 : 5 0 0 0 ! : 10 0 0 0 1 : 2 5 0 0 0 1 : 50 0 0 0

Eleudron . . . . . . . . . . . . . 0 0 0 0 Streptomycin . . . . . . . . . . 0 0 p-Aminosalieylsaure . . . . . . . . 0 0 0 0 Wachstum der Kontrolle 1 . . . . ,+q-

p~ w~ s~ 2 . . . . + + . . . . . . 3 . . . . - ' i - + . . . . . . 4 . . . . + +

", . . . . . 5 . . . . - 4 - +

1:100000

Die hohen Hemmungswcr te , 1:2 Mill., die Y o ~ s x anfiihrt , h a be n wir hie erzielt. Die W e r t e sind na tu rgem~6 entsprechend der Giite der verwendeten

1 YOU~ANS: J. Baot~r. 54, 409 (I947).

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weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen M6glichkeiten. 607

N~hrb6den und anderer Faktoren yon Versueh zu Versuch verschieden. Bei 1:100000 finder d~s Streptomycin gegenfiber den Tuberkelbaeillenstgmmen des Typus humanus und Typus bovinus ebenso wie die meisten Thiosemiearbazone seine Grenze, bei manchen Stt~mmen war es Weniger wirksam, z. B. stets bei den bisher gepriiften Stt~mmen des Typus gallinaceus. Die p-Amlnosalicylsgure Ahnelt in ihrem Verhalten am meisten dem Sulfathiazol (Eleudron~ Cibazol).

D a ~ e s zahlreiehe Substanzen geben wiirde, die zwar in vitro eine Wirkung zeigen, ohne dab sie aber im Tierversuch oder gar beim Menschen. wirksam sind, war uns yon vornherein nach allen unseren b.isherigen Erfahrungen in der Chemo- therapie klar." Alle Substanzen, die wie die Desinfektionsmittel eiwei6fAllende Eigenschaften besitzen oder eine blutzerstSrende Wirkung haben oder andere die tierisehen und mensehlichen Gewebe stt~rker sch~digende Eigenschaften zeigen, k6nnen wir ffir die weiteren Untersuchungen yon vornherein ausschal~en. Naeh diesen Vorprfifungen war nunmehr festzustellen, ob es m6glich war; im erkrankten tierischen Organismus die zur Hemmung des Tuberkelbacillenwaehs- turns notwendigen Konzentrationen der wirksamen Prt~parate im Blut und in den Geweben zu erzielen. F/Jr die Sulfathiazole war 'es bereits aus den Erfahrungen

�9 beim Mensehcn klar, dal~ dies mSglieh war, sowie such ftir die yon F~.LDMAN im Tierversueh als wirksam erkannten Sulfone. Wir waren uns klar dartiber, dab die Sulfone, die in vitro keine Wirkung .gegenfiber Tuberkelbaeillen zeigten, im Tierversuch t ro tzdem Wirkung haben konnten, wie das such beispielsweise beim Tibatin der Fall ist, das in vitro keine direkte Wirkung gegeniiber Streptokokken entfaltet, sondern erst wenn im KSrper das 4,4'Diaminodisulfon allm~hlieh abgespalten wird.

In unseren Versuchen mit Sulfathiazol, war uns bereits aufgefallen, dab wie ich dies schon friiher besehrieb ~ ein gleichzeitiger Zusatz yon p-Amino- benzoes~ure oder gewissen EiweiI3spaltprodukten zu den Nt~hrbSden die Wirkung dieser Substanz gegeniiber Tuberkelbacillen zunichte maehte. Vielleicht war dies such der Grund, weshalb Sulfathiazol und die Sulfathlodiazole bei experimentellen Infektionen und auch beim Menschen nur so geringe Erfolge zeitigten. Auch die Wirkung der p-Aminosalicylst~ure wird dureh p-Aminobenzoe- s~ure naeh unseren Erf.ahrungen fast v611ig aufgehoben. Ws sie ohne Zu- satz yon p.Aminobenzoes~ure eine Wirkung bis zu Verdiinnungen 1:50000 und 1 :]'00000 zeigen kann, sank sie bei Zusatz yon 1 : 10000 p-Aminobenzoes~ure auf Werte yon 1 : 5000 und darunter.

Auf der Suche nach Substanzen, die bei experinienteUen Tuberkuloseinfek- tionen Wirkung entfalten, war i c h auf gewisse Thiosemicarbazone gesto~en, die mir B~K~USCH z.ur Verfiigung gestellt hat te und die als Vorstufen wirksamer Thlodiazole dienten. Zu diesen Thiosemicarbazonen gehSren die in Tabelle 3 als Tb I, .Tb II, Tb I I I aufgefiihrten Substanzen.

Von ihnen zeigten das Benzaldehydthiosemicarbazon, die bereits erw~hnten Thiosemicarbazone u . a . i m Gegensatz zu den vorher genannten Sulfonamiden nunmehr fast keine Beeintrt~chtigung ihrer Wirkung gegeniiber TuberkelbaeiUen dutch p-Aminobenzoesfiure mehr.~ Das Benzaldehydthiosemiearbazon T b I , Tb II, Tb H I uud andere Thio~emicarbazone waren im Meerschweinehen- und Kaninchenversuch yon erheblich besserer W.irkung als Eleudron und die Sulfathio- diazole, Uber die Weitetentwicklung dieser neuen Verbindungsklasse erfolgte eine

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608 GI~RHARD DOMAGK :

TabelIe 3. Beimpfung von tIou~schen Eiern/~hrbfden bei Zusatz yon 1:10000 p-Amino- benzoesiture am 2. Juli, Ablesung 15. Juli.

Eleu~lron . . . . . . . . . . . . . p-Aminosalicyls~Lure . . . . . . . . Strr . . . . . . . . . . Tb ]/608 . . . . . . . . . . . . . . Tb I I . . . . . . . . . . . .. . . Tb I I I . . . . . . . . . . . . . . Tb ]V . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle . . . . . . . . . . . . .

1 : 5 0 0 0 1 : 1 0 0 0 0 1 : 2 5 0 0 0 1 1 : 5 0 0 0 0 1 : 1 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0

2 -

+ +

7 - + +

0 0 0 0

..1_

-{-

0 0 0 0 +

2"-~ + + + ('+)

0 0 + 0 + "~- T,

gemeinsame erste VerSffentl ichung m i t . d e n chemischen Bearbei tern dieses Ge- bietes, R . BEHI~ISClt, F. MIETZSCI~ und H. SCHMIDT 1

Die in dem angeffihrten Versuch g e n a n n t e n Thiosemicarbazone Tb I, Tb I I , T b I I I haben folgende S t ruk tu r :

CH a CO H N ~ - ~ C H = N - - N H . C S NH 2 TbI

H3C 0 ~ / C H = N - - N H C S - - N H 2 Tb II

C 2 H s - - O ~ ) C H - - N - - N H C S - - N H 2 T b I I I

Sie werden also durch Anwesenhei t yon- p-Aminobenzoesaure in ihrer spezifi- schen W i r k u n g gegenfiber Tuberkelbaci l len ebens0 wie S t rep tomycin n ich t oder n u r wenig beeintri~chtigt im Gegensatz zu Eleudron und den sulfathiodiazol- ha]tigen Sulfonamiden (Beispiel Tb ' IV) und p-Aminosal ieylsaure, :bei denen der I-Iemmungswer~ yon 1:100000 auf 1:5000 und da run te r s inkt .

I m folgenden wird noch eine ]~bersieht fiber die W i r k u n g yon T b I , Tb V u n d Tb VI (andere Thiosemicarbazone guter W i r k u n g ) i m Vergleich zu p-Amino- s a ] i e y l s ~ u r e ' u n d S t rep tomycin gegenfiber verschiedenen Tuberkelbaei l len- st~tmmen ohne Zusatz yon p-Amiuobenzoes~ure gegeben, I )abei zeigt sich, daft die p-Aminosal icylsaure auch ohne Zusatz yon p-Aminobenzoesaure sehon bei den meis ten St~immen e inen Sehr vie] geringeren H e m m u n g s w e r t e rg ib t als die Thiosemicarbazone .Tb I, Tb V, T b V I u n d S t rep tomycin

Tabelle 4. Versuch vom 10. 8.48, Ablesung am 8.9.48.

Tuberkelbacillenstamm

Typus humanus Karlshorst (Miliartbc) Lupusstamm H 260 . . . . . . . . Stature aus BoEcKschem Sarko id . . Stamm aus Tbc-Meningitis . . . . . Stamm aus Kaverne . . . . . . . Typus bovinus . . . . . . . . . . . Typus galliaaceus . . . . . . . .

T b I , v S l l i g e 1:[ e l n - m u n g

1i25ooo 1:25ooo 1:25ooo 1:25ooo 1:25ooo 1:25ooo 1:250oo

A m i n o - Tb V, Tb VI, salioyl- vSllige vflligo sl~nro, l:Iem - Hem - ~611igo mung mung Hemmung

1:25000 1:10000 1:5000 1 : 2 5 0 0 0 1 : 2 5 0 0 0 1 : 2 5 0 0 0 1:25000 1:25000 1:25000 1:25000 1:25000 1:25000 1:25000 1:25000 1:5000 1:25000 li25000 1:5000 li25000 i:25000 i:5000

S t r e p t o - m y c i n , vt~llige H e m - m u n g

1 : 2 5 0 0 0 1 : 2 5 0 0 0 1 : 25 000 1:25000 1:25000 1:25000 1:25000

Die Kontrollr6hrchen, die keine Pr~parate enthielten, waren stark bewachsen, so dab die ganze Sehragagarflache als dichter Rasen erschien.

i DOMAGX, B~KmSCE, MIEWZSCH U. SCHMIDT: Naturw. 1946, B. 10

Page 7: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapcutischen MOglichkeiten. 609

Es ist n u n m e h r die Frage, inwieweit m a n mi t diesen wirksamsten Subs tanzen die f i i r e inen therapeut i schen Effekt no twendigen K onz e n t r a t i one n im Tier- kSrper er langen kann . I m Vergleich zu Sulfathiazol ist die Vertr/igliehkeit der hoehwi rksamen Thiosemicarbaz0ne bei M/~usen n ieh t schlechter, wenn m a n sie au f eine einmalige orale oder parentera le Darre ichung b e z i e h t . Von Tb 1/698 wlrd je 20g Maus eine 10%ige Suspension yon 1 und 2 em a per os ver t ragen, d .h . 5 bzw.' 10 g/kg, also Dosen, wie sic nu r yon .den am besten vertr / ighehen Sulfon- :amiden .verabreieht werden kSnnen. S t rep tomycin erweist sich sehon bei dieser Versuchsan0rdnung nicht toxischer als Tb 1/698. Eingehende Vergleichs: u n t e r s u e h u n g e n yon S t rep tomycin mi t den versehiedenen Thiosemicarbazonen waren uns bisher noch n icht mSglich, da uns S t rep tomycin in den dazu notwendigen Mengen noch n i ch t zur Verfi igung s t a n d .

Bei ch'ronischer Darreichung" war die Vertr/iglichkeit der Thiosemicarbazone nicht ganz so gut wie die der bekannten Sulfonamide: 0,3% der Substanz, dem Futter zugesetzt, wurden yon Mausen jedoch stets gut vertragen. Nach3% Zusatz folgender Pr/tparate zum Futter lebten nach 1 Woche yon

10 mit Tb 1/698 geftitterten Tieren .9 10 mit Tb V ,, ,, 10 10 mit Tb VI . . . . 9 10 mit Eleudron ,, ',, 9 10 mit p-Aminosalicylsiiure , . . . . 10

Nach 14 Tagen waren yon den l0 mit Tb 1 698 . gefiitterten Tieren schon mohrere gestorben, w/ihrend yon den mit Tb V geffitterten noch aUe 10 am Leben waxen.

�9 Bei ciner 3%igen Mischung yon Eleudron mit Tb 1/698 lebten yon 10 Tieren nach 1 Woche Ffitterung 10, nach 2 Wochen 8 Tb V ,,. , , 10 .,, ,, 1 ,, ,, 10, ,, 2 ,, 7 Tb.VI ,, ,, ~10 . . . . 1 ,, ,, 10, .,, 2 ,, 10 p-Aminosalicylsi~ure 10 ,, , , 1 ,, ,, 10, ,, 2 ,, 10

Von 10 unbehandelten Kontrollen lobten nach 14 Tagen auch noch 8. Bei Ratten, die ein KSrnerfutter mit Zusatz yon 3% der Praparate erhalten hatten , lebten:

yon 10 Kontrollen nach 3 Wochen 10 Tiere Tb 1/698/E ,, . 3 ,, 10 ,, Tb V/E ,, 3 ,, 10 ,, Tb VI/E ,, 3 , ,, 10 ,,

p-AminosalicylsaureLmit Eleudron ~ : ebenfalls'10 T~ere.

Die Mischungen der Thiosemicarbazone mit Eleudron zu .gleichen Teilen haben sich zweckmaBig erwiesen, well der Zusatz yon Eleudron Spontaninfekti0nen der Mausc vor- ringert.

Von den mit den. Reinsubstanzen der Priiparate geffitterten 10 Tieren lebtcn nach 3 Wochen Ftitterung mit Tb 1/698 noch 9 Tiere,

,, 3 . . . . . . Tb V ,, 10 ,, �9 Tb VI ,, 3 . . . . . . . . . 10 ,,

I n zahlreichen Versuchen zeigte sieh, dab die B e h a n d l u n g mi t sehr groBen I)osen, wie sie als HSchstdosen yon gesunden Tieren :ver t ragen werdeI1, n ich t die o p t i m a l e n Erfolge bei den experimentel le n tuberkulSsen I lffekt ionen e r g a b , sondern in manchen F~llen sahen wir naeh Verabreiehung sehr hoher Dose/l sogar verst~rkte E inschmelzungen u n d Nekrosen auf t re ten, Bald nach der Behand lung t r a t eine verst~rkte Phagocytose der Tuberkelbaeil lel i ein, wodurck bei Anwesen- heib vieler Baeillen fraglos eine unerwfinschte l~berschwemhlung des Organismus

Page 8: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

610 GERHARD DOMAGK:

mit Tuberkulin eintritt. Auf .Grund dieser Beobachtungen habe ich zur Behand- lung mit Tb I stets einenBeginn mit kleinen Dosen, 1- bzw. 2mal 0,25 g, empfoh- len. Ifm~E ist bei der Behandlung der exsudativen Tuberkulose sogar noch weir u n t e r dieser Dosis geblieben. Er gab oftmals nur 1/1 ~ bzw. 1/s g eine Zeitlang und steigerte dann erst allm/ihlich auf 0,25 g Tb 1/698/E bzw. 2mal 0,25 g. Bei diesem Vorgehen sah er aueh die iiblichen Beschwerden wie Unwohlsein, Er- brechen und sonstige Nebenwirkungen, die auftreten, wenn man sofort mit einer Dosis yon 2mal 0,25g bzw. sogar 3real 0,25g beginnt, so gut wie nie. Die hohen Dosen, die bei der Chemotherapie mit den Suffonamiden bei akuten Infektionen zweckm~Big sind, sind bei der Tuberkulose nur angebracht, soweit es sich um ganz akut lebensbedrohliche Fiflle wie Meningitis tuberculosa, Miliartuberkulose, Fri ihinff l t rate und einige andere Formen hande l , . ' Ich halte auch die hohen Dosen yon p-Aminosalicyls/~ure von 10--15 g t/~glieh' oral, wie sie RACAZ bmpfiehlt, nicht ftir optimal. Vielleicht sollte man auch mit p-Aminosalieyls~ure entsprechend den Erfahrungen mit den Thiosemicarbazonen wesentlieh ldeinere Dosen ver- suchen. RAOAz teilt mit, dab er t~glich Dosen ~ron 10--15 g p-Aminosalicyl- si~ure 8 Tage lang gegeben hat, d ann naeh 1 Wdehe Pause wieder 1 Woche lang usw. Kranke mit Lungentuberkulose seien dadurch weitgehend gebessert worden. I)asselbe haben BAUmGARTN~.R U. a. fiber die Anvcendung relativ hoher ])osen yon Suffathiazol Und Globucid berichtet. Tb 1/698/E ist eine Mischung yon Tb I mit Eleudron zu gleichen Teflen. Tb 1/698 Reihsubstanz verabreicht man in Tagesdosen yon 0,05g bzw. 0,1 oder 0,2 g, indem man vorsichtig mi$ der Dosis ansteig6, das sind Dosen, die 1/10 bzw. 1/20 der heu te empfohlenen Streptomyeip- dosis oder 1/10o, j a 1/20o der yon p-Aminosahcyls~dre empfohlenen Dosis ausmaehen.

Klinisbh wurden an Neben~4rkungen dutch Tb 1/698 am weitaus hiiufigsten Magenbeschwerden und Erbrechen gesehen. Ferner wurde beobachtet ein gering- gradiges Abnehmen des H/imoglobins und der roten Blutk5rperehen, die sich naeh kurzem Aussetzen der Medikation aber immer wieder rasch normalisier~en. Auch eine gewisse Leukoeytose mit Fehlen der Eosinophilen ist gelegentlieh mfl5 der Darreiehung des Pr~parat~s in Zusammenhang gebracht worden, im allgemeine'n steigen die Eosinophilen bei gtinstiger Wirkung des Pr~lJarates an. Gewiehts. abnahmen sind nieht beobachtet worden, hingegen starke Gewichtszunahmen bei Pat ienten mit Lungentuberkulose, die gtinstig auf die Darreichung ansprachen. Auch lokale und universelle Exantheme sowie Conjunctivitis kSnnen bei Dar- reichung yon T b 1/698 auftreten. Als die ernsteste iWdbenwirkung sind woh] die nach groBen Dosen beobachteten Leberschi~digungen zu betrachten. Sie k~innen aueh naeh relativ ' kleinen Gesamtdosen auftreten; wenn man~sofort m i t hohen Tagesdosen einsetzt und nieht - - wie KLEV., KV~LMAN~r U. a. namentlich bei exsudativen Prozessen v e r l a n g e n - mit Tagesdosen vom0,05 oder bei schlechter Vertr/iglichkeit noeh wesentlich kleineren. Nach 14 Tagen werden dann erfahrungsgem~B aueh Dosen Yon 0,1 g und sp~iter-weiter an- s teigend 0,2 g, eventuell sogar noeh hThere D o s e n vertragen. Ferner sind gelegentlich beobachtet worden Blutzuckersenkung, Herzklopfen, Obstipation, verst/i.rkte Regelblutungen und Unlustgefiihl, HeiBhunger auf saure, Wider- willen gegen stifle Speisen. Manche Frauen bezeichneten die Pulver als ',9- Monate"-Pulver, w e i l sie-naeh Dosen yon mehr als 2mal 0,25 g Tb 1/698/E gelegentlich ~hnlich'e Besehwerden wie bei einer Schwangerschaft verspiirten.

Page 9: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

Weitere .Betraehtungen zu den heutigen chemo~herapeutischen M6glichkeiten. 611

Oft wird es sehwer sein z u entseheiden, ob eine Leberverfettung eine Folge der Tuberkulose selbst oder der Medikamentverabreichung ist, mSglicherweise liegt nieht ' immer eine direkt schadigende Wirkung einer zu groSen Dosis des Medi- kaments auf die Leber selbst vor, sondem auch eine toxische Sch~tdigung dureh verst~trkten Abbau yon Baeillen, der nach Darreichung des Medikamentes einsetzt. Vor allem bei Kindern mit Knoehentuberkulose sowie exsudativen Prozessen, in denen sich gewShnlieh reiehlieh Baeillen finden, mu$ mit dieser MSgliehkeit bes0nders gereehnet werden, weil das rote Knochenmark.der Kinder im Gegensatz zum Fet tmark der Erwaehsenen sieh sehr stark am Abbau der vorhandenen BaeiUen beteiligt. Aueh bei exsudativen Prozessen mit Anwesenheit vieler Bacillen mu$ an ein Freiwerden grSSerer Tuberkelbaeillenmengen als Folge der Darreichung zu grol3er Dosen gedaeht werden. Bei TodesFallen, die mSglieher- weise mit einer toxisehen Wirkung des Medikamentes oder einer indirekten Wirktmg zusammenh~ingen konnten, wurden Leberverfettung und HirnSdeme beobaehtet. Verstiirkte Schl~frigkeit, Bewul3tseinstrfibungen, Ikterus, Erbreelien, namentlieh wenn es erst naeh Darreiehung des PrKparates ffir 1/~ngere Zeit auf- trit t , zwingen zum Absetzen der Medikation. Verabreichung yon physiologiseher NaC1-LSsung oder TraubenzuckerlSsung soll sich zur rasehen Beseitigung yon Intoxikationen eignen.

fiber die k linisehen Ergebnisse mit Tb 1/698 ist zuerst yon dermatologiseher Seite beriehtet worden. Die ersten ausgedehnteren Erfahrungen sammelten Mo~co~rs und KALK0rF beim Lupus und berichteten dariiber auf der Tagung der Rheinisch-WestFahsehen Dermatologen im Mat und September 1947 (,,Vor- l~ufige Ergebhisse einer Chemotherapie der Hauttuberkulose") 1. A u s diesem Berieht geht hervor, dab es zum ersten Male mit ehemotherapeutischen Mitteln gelang, Fiille yon Lupus, die allen bisherigen Behandlungsmethoden getrotzt hatten, zur ldinischen Ausheilung zu bringen. Die Ergebnisse yon Mo~co~Ps und K~XOFr sind inzwischen yon GRttTZ, HARTUNG, KOCh, P. W. SC~IDT u. "a. vol l best~tigt worden. In neuester Zeit ist yon englisehen und ameri. kanisehen Autoren aueh fiber die sehr beaehtl~che Wirkung von hohen Vitamin-D- Gaben beriehtet worden. Auch JORVAN (Hamburg) u .a . haben die guten Ergebnisse mit Vitamin D best~tigt. G. B . DOWLI~G und D. F. MACRA~. ~ berichten, d a b sie Erwaehsenen 150000---1000000 IE D2 (Caleiferol) oral ver- abreiehten und auBerdem 2real wSehentlieh 600000 IE (-~ 15 mg D2) parenteral. D i e Gesamtdosen sehwankten zwischen 91/z--62~/2 Mill. IE D 2. Kinder erhalten durchweg 100000 IE :oral ffir 63--226 Tage, insgesamt 4~/4 bis 331/~ Mill. E. Da Vitamin Dz nach der yon uns angewendeten Versuchsanordnung keine direkte Wirkung gegen/iber Tuberkelbacillen zeigt, mul~ hierbei ein anderer Wirkungs- meehanismus als bei Tb I]698 angenommen werden: Bei der Wirkung des Tb ]]698 bei Lupus h~tten daher vielleieht noeh Zweifel auftreten kSnnen, ob es sich aueh tatsi~chlieh um eine spezifisehe Wirkung handele. Zwisehen Tb 1/698 und D 2 bestehen jedoeh insofern noch wesentliehe Untersehiede, als D 2 im Gegeu- satz zu den Thiosemiearbazonen bei keiner Versuchsanordnung, die wir bisher im Tierexperiment prfiften, eine Wirkung,zeigte und D~ b'eim Mensehen eben n u r bei Lupus wirkt, Tb 1/698 aber aueh bei Sehleimhauttuberkulosen, z .B.

Mo~co~Ps u. KAr, KOFr': Med. /~lin. 1947, 2qr. 21- D o w ~ a . G. B.. u. D. F. M~eR~." Brit. reed. J. 1fl48. Nr. 4548, 430.

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612 GERHARD DOMAGK:

Kehlkopf-, Darm-, Blasentuberkulose, ferner Weichteiltuberkulosen und einigen Formen der Lungentuberkulose.

Da die Verabreichung yon Tb 1/698 bei Patienten mit Lungentuberkulose gewShnlich sehr rasch zur •ormalisierung der Blutsenkung f'tihrg, nahm aueh H~mMEYv.R eine unspezifische Wirkung yon Tb 1/698 an. Er wies naeh, daB die Verabreichung yon Tb I auch bei gewissen Formen yon Arthritis eine l~or- malisierung der Blutsenkung naeh sieh zieht. Trotzdem bin ich davon iiberzeugt, dab auch die bei Lungentuberkulose erzielten giinstigen Ergebnisse im wesent- lichen dureh eine spezffische Wirkung auf den Tuberkelbaeillus zu .erkl/~ren sind und alle anderen im Verlauf der Lungentuberkulose auftretenden Besserungen eine Folge dieser spezifischen Wh'kung shld.

Fiir eine Beeinflussung der tuberkul6sen Prozesse durch direkte Einwirkung auf die Tuberkelbaeillen auch im tierischen und mensehliehen KSrper sprechen auger den schon angefiihrten Beobach~ungen noch folgende:

1. Bei lokaler Anwendung des Mittels auf tuberkulSsen }terden bei Meer- schweinchen und Kaninehen bleiben dieso in der Entwicklung gegeniiber den Kont~olltieren in bezug auf Einsehmelzung und Ausbildung yon Epithelo!d- kn6tehen zuriiek.

2. Aueh bei allgemeiner, parenteraler oder oraler Behandlung treten in den Tuberkuloseherden der behandelten Tiere, Degenera~ionserscheinungen an den dort vorhandenen Tuberkelbaeillen auf. AuBerdem wird dutch die Behandlung m i t dem Praparat Tb IJ698 oder anderen wirksamen Thiosemiearbazonen eine dureh Verschleppung der Bacillen veto Prim~rherd ausgehende Generalisierung entweder ganz verhindert oder eingeschr~nkt, je nach Dosierung und Zeitdauer der Behandlung (vgl. Beitr. Klin. Tbk. 101).

Tabelle 5.

Von Meersehweinchen, die am 17. 3.48 mit 0,3 mg Tuberkelbacillen Typus humanus in der Leistengegend infiziert wurden, zeigte n am 6. 7. 48 bei dot Sektion:

Kontrolle 9587 Lunge ausgedehnte glasige Tuberkuloseherde, nur noch wenig lufthaltiges Gewebe.

Milz und Leber zahlreiche Tuberkuloseherde. Leistendriise bohnengroB, tuberkulosepositiv.

Lunge zahlreiche glasige Tuberkuloseherde, aueh" hier nur kleine Reste lufthaltigen Gewebes.

Milz und Leber makroskopisch o.B., mikroskopisch miliare Kn6tehen. Leistendriise bohnengroB, tuberkulosepositiv.

Tier 9691 hatte 50real 10 mg Tb I]698 erhalten. Lunge ] Tuberkuloseherde sparlieh, wesentlieh kleiner als bei

�9 [ den Kontrollen. l~arben, Milz [ o.B.

Leber "1 einzelne Kn6tchen Leistendriise I fast bohnengToB:

Tier 9600 hatte 50mal~300 mg Tb 1/698 erhalten. Lunge keine Tuberkuloseherde, einzdne Narben im Ober-

[ lappen. l~iilz und Leber I keine Tuberkuloseherde. Leistendriise nicht vergT6Bert.

Kontrol]e 9673

Page 11: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

Weitere Betrach~ungen zu den heutigen Chemotherapeutischen M(iglichkeiten. 613

Diese und andere'Versuche zeigten, dab die Wirkung yon Tb 1/698 bei Meer- schweinchen zwischen 10--300 mg liegen kann. Bei den kleinen Dosen yon 10--25 mg kSnnen zun~chst noch ~ Tuberkuloseherde f e r ~ yon der Impfstelle auftreten. �9 bildeten sich aber unter weiterer Behandlung zum'Teil wieder zurfick. Dies zeig% dab die Hemmung der Vermehrung der TuberkelbaeiUen zwar sofor~ ein- se~zt, 'die injizierten Bacillen aber 7r Hist iocyten aufgenommen und noch ver- schleppt werden kSnnen, so dal] am Neuansiedlungsort noeh Kn6tchen oder Verk/~sungen je nach der Menge der verschleppten Bacillen - - entstehen kSnnen. D ie nach intraperitonea~er Infektion in die BauehhShle injizicrten Bacillen sind nach der Injektion ebenso wie intraperitoneal iniizierte Tusche- te i lchen zuniichst diffus verteilt und 'schwer auffindbar. Nach einigen Tagen finder man sie wie die TuschekSrnchen aufgenommen, in Histiocyten. Bisweilen Sieht man in den Histiocyten die schleeht nach ZIEHL f~rbbaren Baeillen, zum Tei l sind 'sie" nur noeh mit Cresylviolett F~rbbar, namentlich bei behandelten Tieren. Ieh kann noch nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob es sich dabei stets um degenerierte gesch~digte Tuberkelbacillen handelt oder nicht auch um abnorme Formen, die sich innerhalb der Histiocyten entwickeln und nicht die voile Reifung erfahren, so dab sic eine deutliche Ziehl-F~rbung ergeben. Bei unbehandelten K o n - t ro l l en sind die ziehffiirbbaren Bacillen gewShnlich 5---6 Tage nach der intra- peritoneale n Injektion in/grollen Mengen im Netz nachweisbar. P16tzlich sieht man zu diesem Zeitpunkt - - nieht vorher - - grol~e Haufen Ziehl-f~rbbarer Bacil- len. Ich habe frfiher immer geglaubt, alle diese Herde seien Zusammenballungen yon Baeillen, die Vor der Injekti0n nicht geniigend zerrieben wurden. Dies kann miiglich sein, ist aber bestimmt nicht immer der Fall~ wenn m a n plStzlich solche Herde im prim~iren Infektionsherd oder gar in Leber und Lunge beobaehtet. Aueh die KnStchen und Nekrosen in d e r Leber entwickeln sich 5--6 Tage naeh der Infektion ganz plStzlich, als: ob ein Reservoir mit Tuberkelbacillen geplatzt sei. Und dieses Reservoir sind }tisti0ey~en, die Tuberkelbacillen yore Primi~rherd versehleppt haben. Sic war'en meines Erachtens bisher nur sehr sehwer zu erfassen, weft wir nieht genfigend systematisch untersuehten. Die Bacillen sind infolge schleehter, manehmal mangelnder Fiirbbarkeit in Histiocyten in den ersten Tage n schwer darstellbar, sie reifen offenbar erst nach 5--6 Tagen aus. Diese Beobaehtung im Experiment kSnnte uns vielleieht aueh Hinweise fiir dis Sonder- heiten der Entstehung mancher besonderer Formen der Tuberkulose beim Men- sehen geben, des Lupus, d e r Knochentuberkulose, der Miliartuberkulose, der tuberkulSsen Meningitis. Stellt m a n sieh z. B. vor, dal] ein solches Sehwiirmen yon tuber]~elbacfllenbeladenen Hisgioeyten aus irgendeinem Herd bei kiihler Tempcratur einsetzt, so werden diese Zellen und damit die TuberkelbaciUen vor- wiegend in den zusammengezogenen Capillaren des Gesichts und dcr unbedeekten Haut h/~ngenbleiben, wissen wir doch, da2 Endothelien aus der Milz oder Leber bei Endocarditis lenta aueh in den Capillaren des Ohres hi~ngenbleibdn 1.

Da mir yore Strept6myein nu t ldeine Mengen zur Verftigung standen, ver- glich ich eine in der Regel gut wirksame Dosis yon 50 mg Tb 1/698 mi t der ent- spreehenden Dosis Streptomycin. Sowohl mit Streptomycin wie mit Tb I war eine deutliehe Wirkung nachweisbar, .hingegen nieht mit 50 mg p• s~iure oder Eleudron.

1 DOI~AGK, G.: Virehows :4reh. 2~3, 594 (1924).

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614 GERHA2D DOM&GK:

Bei K a n i n c h e n , die m i t T y p u s h u m a n u s in t ravenSs Jnfiziert worden waren, habe ich schon frf iher gi inst ige Bee in f ]us sungenduroh Tb 1/698 beschr ieben. W e n n die T y p u s h u m a n u s - I n f e k t i o n be im K a n i n c h e n wegen ihres r e l a t i v gu ta r t igen , Ver laufs v ie l le icht 'noch Zweifel erwecken konn te fiber den W e r t d i e s e r T h e r a p i e , wi rd dieser Zweffel durch Beobach tungen an K a n i n c h e n mir T y p u s bovinus- Infek- t i o n e n jedoeh v611ig bese i t ig t . Schon 20---30 Desert kSnnen einen deu.t l iehen Einf luB zeigen.

Kaninchen 2229 am 13. 8. infiziert mit 1]~0a mg Tuberkelbaeillus Typus bovinus, seziert am 9. 9. Hoden stark vergr6Bert mit Verk/isungsherden, ausgedehnte lh'etzherde, zatflreiehe Herde in der Milz. Die Lunge ist sehr stark vergr61]ert, zeigt vermehrte Konsistenz und ist yon zahlreichen groBen Kn6tchen durehsetzt. Das etwa gleiChe Bild zeigt eine 2. ebenso infizierte KontroUe 2230. Bei den Tieren 2231 und 2232, die in gleicher Weise infiziert -waren, fanden sich auch in I-Ioden und zNetz noch einzelne kleinere Tuberkuloseherde.: In der Milz waren bei diesen Tieren jedoeh makroskopiseh im Gegensatz zu den zahlt~iehen Kn6tchen bei den'KontroIlen kaum noeh einzelne verd/ichtige Kn6tchen nachweishar. Ganz im Gegensatz zu den Kontrollen waren die Lufigen der behandelten Tiere nieht vergr6i~ert, zeigten keine vermehrte Konsistenz und nur ganz vereinzelte KnStchen. Im *Gegensatz ~u den Versuehen yon A. SA~Z, fiber welehe dieser Autor 'in dem Haupt- referat auf der ]KI. Konferenz der internationalen Vereinigung zur Bek/impfung der Tuber- kulose 1939 ber~ehtetc, sahen wit weder in der Lunge noch in den anderen Organen nach Injektion bei 120, 0 im Dampf oder 1600 in Trockenhitze abgetSteter Tuberkelbacillen tuber- kul6se Herde sich entwiekeln. Bei Tieren, die mit dem Typus bovinus intraven6s infiziert worden waren, war der Untersehied in den Lungen der behandelten und nichtbehandelten Tieren nicht so deutlich, aber doch auffallend, dab die mfliaren Kn6tehen in der" Lunge der 19real intramuskul/~r m i t 100 mg Tb VI behandelten Tiere wesentlich kleiner waren als bei den unbehandelten Kontrollen.

Sogar bei ~ehr raseh verlaufenden schwersten bovinen Infektionen kann man sehon nach 10---20 Behandlungen einen Unterschied gegeniiber den nichtbehandelten Kontrollen feststellen.

Tabelle 6~ Kaninchenversuch vom 24. 8. 48, 1 mg Typus bovinus A 48.

Kontrolle 1393 get6tet am 14. 9.48

Kontrolle 1494 spontan" tot am 12.9.

Kontrolle 1409 getftet am 14. 9.48

KontroUe 1410 getSte t am 14. 9. 48

Tb I]698 (Kaninehen 1403) get6tet am 14.9.48.

Tb 1/698 (Kaninchen 1404) 'getOtet am 14. 9. ~8.

Lnnge [ Milz Leber

Zahlreiche graue glasige Kn6tchen. in allen Ltmgenab- schnitten, Lunge vergr6Bert, Konsi- stenz fast leber-

artig + +

ver~Sgert verd~ehtige Ku6t. ehen.

+ + q- desgl.

Behandlung anschlieBend an Infektion~ 50 mg i5mal, gut lufthaltige Lunge r

mit nur einzelnen ! KnStehen. -k 0 0

Behandlung anschlieBend an Infekfion: 15real 100 mg subcutan, gut lufthaltige 1

Lunge nur verein- zelt kleinstr Kn6t-

o h e n . + ? 0

+ + +

stark positiver Lungenbefund. + + + ver~6~ert

vergr6Bert, ver- d~chtigeKn6tchen

desgi.

verd~chtige KnOt- chen.

Page 13: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

Weitere Betraehtungen zu den. heutigen chemotherapeutischen.M6glichkeiten. 615

]~in Tier (Kaninchen 1420), Lvi dem die Behandlung mit 100 mg Tb 1/698 erst 8 Tage nach tier Infektion @inge|eitet wurde und das bis zum 14. 9. 48 9ma ! subeutan behandelt worden war, zeigte trotz der kurzen Behandtung ebenfatls schon wesentlieh weniger KnSt- chen inden Lungen als die Kontrollen.

Tabelle 7. Kaninchen infizierb mit Typus bovinus A 51, 1 mg intravenSs am 1.9. 48.

Lunge i'~llz Lobor

Kontrolle 1571 : sponta n tot am 13.9. Kontrolle 1600

get6tet am 14~9.48 Kaninchen 1572

8real 10 mg subcutan, getStet am 14.9.48

Kanincl~en 1573' 8real 50 mg subcutan , get6tet am 14.9.48

Kaninchen 1574 8real 100 rag, getStet am 14.9] 48"

Kaninchen 1575 8real 300 rag, get6tet am .14. �9 9.48

+ + +

~-+~-

wesentlieh weniger Tuberkelknftehen

als Kontrolle makroskopiscla keine

KnStehen

einzelne KnOtchen in der rechten Lunge,

linke Lunge o.B. +

Lunge makroskopi~ :h

o . B . 0

vergr6~ert

vergrOl]ert, 2k wenig vergr6Bert,

sonst o.B.

wenig ,r sonst o. B.

etwas vergr6Bert sonst o. B.

etwas vergr/~Sert, sonst o.B.

?

?

Coccidiennarben, sons~ o . B .

o.]3 .

O.]~.

Bei weniger s tarken Infektionen, bei denen eine 1/ingere Behandlung m/~glich ist, werden die Ergebnisse mi t kleinen Dosen immer deutlicher und begser, so dab jede Generalisati0n, die bei den Kontrol len zum Tode. fiihrt, bei den behan- delten Tieren vermieden und die Ausbildung tuberkul6ser Herde ganz urrterbunden wird. Es ist sehr merkwiirdig, dab im Experiment auch untcr tier Behandlung m i t Tb 1 /698 'und anderen wirksamen Thiosemicarbazonen zuniichst doch noch gar nicht selten Tuberkuloseherde in den Organen fern yore Prim/~rherd zur Ent: Wieklung kommen u n d dann ~rst naeh 1Kngerer Zeit der Behandlung nunmehr eine eigena~ige 'bindegewebige Umwaehsung und Durchwachsung stattfindet. Bei den Epitheloidkn~tchen be0bachteten wir sehr eigenartige Ver~nderungen bis zur sehlieflliehen vSlligen Riickbildung und Heilung. E s zeigt sich, dab eine Dauerbehandlung ,con mindestens 2---3 Monaten erforderlic h ist, ehe man eine eindeutige Wirkung auf bereits vorliegende tuberkul6se Prozesse erwarten dart'.

Auf der Tagung der Deutschen Pathologisehen Gesellschaft in Dor tmund habe ich im einzelnen die histologischen Ver/~nderungen aufgezeigt, die unter der Behandlung mi t Tbi ]698 im Exper iment und beim behandelten Menschen' auftreten. TuberkulSse KnStchen zeigten unter der Behandlung eine eigentiim- fiche wabenartige Auflockerung der Epitheloidzellenherde und ein Schwinden der Epitheloidzellen. Bisweilen e rkennt man sehlieBlich das ursprfingliche Vor- handensein solcher Herde n u t noch an einer Riesenzelle oder Resten solcher Zellen, die langsamer :r als die Epitheloidzellen, Diese so ver~nderten KnStchen zeigen in der Umgebung zun/ichst gewShnlieh einen Lymphocyten- saum, werden dana yon einer Granulations- und Bindegewebskapsel umgeben und schlieBh~clt ganz d u r c h einsprossendes Bindegewebe ersetzt. D i e gleichen Heilungsvorg~nge sieht man bei Haut - und Schleimhautlupus (](ALKOrF, GROTZ, ~ EICH_KOF~" U. a : ) , - A u c h bei ' d e r gew6hnlich auf die Behandlung sehr rasch

Beitr~ige zur Klinlk der Tuberkulose. Bd. 102. 41

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616 Gr~A~D DO.AGE:

anspreehenden Kehlkopf- und Darmtuberkulose sah ich ganz entsprechende Rfick- bfldungen der KnStehen. Schon fiber den so riickgebildeten KnStehen oder nach Umwandlung in ein unspezifisches Granulationsgewebe finder man oft eine yore Rand des Ulcus sieh vorschiebende, teilweise oder vSllige Epithelisierung.

Bei grSf~eren verki~sten Herden in der Lunge erfolgt bei giinstigem Verlauf eine Abriegelung dutch Granulations- und Narbengewebe. In frisehen verk/~sen- den Pneumonien seheint naeh Phagcey~ose der dutch das Medikament gesch/idig- ten Bacillen eine vSllige Rfickbildung mSglich ~u sein, sofern die Alveolarwand noch erhalten ist und die Zahl der in den Alveolen vorhandenen Baeillen nieht zu gro$ .ist. Bei AnwesenheR allzu vieler Baeillen, selbst abgetSteter, kann es naeh Sx~Nz u. a. noeh zu Verki~sungen kommen. An dem Abbau der Bacillen be~eiligen sich naeh den bisherigen Erfahrungen in erster Linie Histioeyten, abet auch Leukoeyten. Dutch zu aflsgedelinte lqarbenbildung kSnnen bei der Heilung naehteilige Verziehungen, Gefal~obliterationen u, a. auftreten, d ie aber nicht dem Medikament zur Last zu legen sind, so.ndern mSglieherweise auch bei natfir- Neher Heilung auftreten. Kleine Kaver:nen werden nach Phagoey~ose und Abbau der Baeillen durch einsprossendes Granulationsgewebe zun~chs$ spaltfSrmig verengert und sehlieBlich teilweise oder aueh ganz verschlossen und bindegewebig ersetzt-. Aueh gr6flere Kavernen kSnnen, wenn sie nicht schon eine zu derbe Bindegewebskapsel besitzen und die Zufuhr des Medikamentes yore Blutweg her noeh.mSglieh ist, unter der Behandlung eine starke Phagoeytose der freien Bacillen zeigen. In alten starren Kavernen werden jedoeh trotz lange fortgefiihrter oraler Behandlung immer noch reichlieh Baeillen gefunden, die manehmal Degenera- tionsformen zeigen, abet, auf Ni~hrbSden fiberimpf% noch waehsen und nach dem Wachstum auf Ni~hrbSden aueh virulent sind. Selbst gesehiidigte Baeillen k6rmen sieh also, werm sie auf giinstige Ni~hrbodensubstrate kommen, wieder erholen und volle Virulenz erlangen. Aueli aus diesem Grund kann nut eine lange kontinuierliehe Behandlung der Tuberkulose Erfolg verspreehen. Die tierischen und mensehliehen Gewebe miissen also soviel Hemmsubstanzen enthalten, dab die Tuberkelbacillen durch Phagoeytose yore Ksrper verniehtet werden oder einer langsamen vSlligen Degeneration anheimfallen, die keine Erho- lung mehr gestattet. Aus den angegebenen anatomisehen Grfinden der bindegewe- bigen Abkapselung kommt abet in starren Kavernen in der Regel hie geniigend Biedikament an die gewShnlich reiehlieh in tier inneren verkiisten Sehieht vorhan- denen Tuberkelbacillen heran, so alas yon bier aus immer wieder so massive Streu= ungen ausgehen, dall bei diesen Formen der k~vernSs exsudativen Lungentuber- kulose die Bebandlungsergebnisse sebleeht sind und bleiben werden, solange man nieht mit besonderen Methoden eine Keimfreiheit tier Kavernen miiglich macht.

Frisehe exsudative Prozesse yon nieht zu grol~er Ausdehnung und noeh ohne Einschmelzungsherde spreehen bei langsam einsehleiehender Dosierung sowohl iron Experiment als aueh in der Klinik gut auf die Behandlung an. GroSe Rosen kSnnen sich naehteilig auswh'ken und infolge zu rascher Schi~digung grSSerer Bacil- lenmengen zu intensiver Zuwanderung yon LeukoeyCen und Histi0cyten f'fihren, wo- dureh dann infolge iiberstfirzter~ Abbaues eine Aussehfittung yon Toxinen mit allen ihren nnerwiinsehten Nebenwirkungen folgen mul3 und durch den verstiirkten Leukoeytenzerfall vielleiehC sggar versti~rkte Einsehmelzungen auftre~en kSnnen.

Dureh die verdienstvollen ersten klinisehen Arbei~n yon NIO~CORrS und KALXOFF sowie yon GRi~TZ, P. W. SC~DT, ~t~TV~rG U. ~. wurde die im Ex:

Page 15: Weitere Betrachtungen zu den heutigen chemotherapeutischen Möglichkeiten bei tuberkulösen Infektionen

Weitere Betrachtungen zu den heutigen ehemotherapeutischen MOglichkeiten. 617

periment gefundene spezifische Wirkung der Thiosemiearbazone bei Hautlupus sichergestellt; EICKHOFF aus der LOEBELLschen Klinik konnte die gleichen Er- gebnisse beim Schleimhautlupus mitteflen. Dutch mfihevolle Arbeiten haben KLEE, KuH,J~A_~N, HErLMEYE~, STURM, DELFS, WOLFF U. a . die Wirkung der Medikamente bei gewissen Formen der Lungentuberkulose festges~ellk Nach den Beobachtungen yon K u n ~ kSnnen die gfinstigen Ergebnisse bei Kehl- kopf- und Darmtuberkulosen nieht mehr in Zweifel gezogen werden. Aueh AROLD sah in der Heilst~tte Seltersberg bei Giel]en beachtliehe Erfolge bei Schleim- hauttuberkulosen,: fiber die er 1948 auf der Tagung der Hals-Nasen-Ohren~rzte in Bonn berichtete. Bei fistelnden Weichteiltuberkulosen sahen REn~ERS, DELFS, U L L ~ A ~ die ersten Erfolge, ULI~ANN in letzter Zeit auch bei Knoehentuber- kulosen, BOSEAMER :bei Nieren: und Blasentuberkulose.

Ob es sieh'bei allen diesen angeffihrten Indikationen sehon um wirldiche Heilungen handelt, kann heute naeh so kurzer Zei~, seitdem das Medikamen~ Kliniken und Heilst~tten zur Verfiigung steht, noeh nicht entsehieden werden. Die Abgrenzung der erreiehbaren Erfolge und MiBerfolge wird noch Jahre bean- spruchen. Bis dahin wird die Behandlung mit dem neuen Medikament zweckm~Big aueh nur an grSBeren Kliniken u n d Heilanstalten durchgeffihr~ werden , die laufend genaue Uberwaehungen des Krankhei~sverlaufes vornehmen und auf Grund ihrer bereits gesammelten Erfahrungen jede ernstliche Nebenwirkung mSgliehst verhindern kSnnen. Es ist selbstvers~s dab alle bisherigen bew~hrten Me%hoden in der Therapie der Tl~berkulose wie frfiher angewende~ werden,, bis sieh vielleich% ganz eindeutige, klare Riehtlinien fiber _~nderungen a u f dem einen odor anderen Gebiet der bisherigen Therapie ergeben werden. In welehen Fs sieh Streptomycin besser eignen wird als die Thiosemiearbazone, in welchen FKllen umgekehrt die Thiosemicarbazone besser geeignet sind als Streptomycin und in welchen FKllen sehlieSlich diese beiden gegenfiber tuber- kul6sen Infektionen wirksamen Substanzen angewende~ werden k6nnen, werden noeh weitere sorgf~ltige Prfifungen der Kliniker in Zukunft ergeben mfissen.

L i t e r a t u r .

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