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Page 1: Vorlesung ACII-1

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Vorlesung: Anorganische Chemie für Lehramtsstudierende II Prof. Dr. I.-P. Lorenz (nach PD Dr. J. Crawford) Zeit/Ort: Mi/Wieland-HS: 08.15 – 09.45 Fr/Willstätter-HS: 08.15 – 09.45 Dauer: 15.10.08 bis 13.02.08

Chemie der Nichtmetalle Voraussetzungen: Experimental-Vorlesung Anorganische Chemie (1. Semester) Literatur-Quellen: Bücher als Hilfe bei Problemen Original-Literatur-Artikel nur für Neugier Ziel: Besseres Verständnis der Nichtmetallchemie; Wiederholung von Konzepten

Page 2: Vorlesung ACII-1

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Inhalt der Vorlesungen

Vorlesung 1: Konzepte und generelle Trends des Periodensystems ⇒ Ionisationsenergien ⇒ Elektronen-Affinitäten

⇒ Atomradien ⇒ ‚d-Block-Kontraktion’ bzw. ‚f-Block-Kontraktion’ ⇒ Elektronegativität ? ⇒ Polarisierbarkeit ⇒ Mittlere Bindungsdissoziations-Energien ⇒ Oxidationsstufen ⇒ ‚Effective Atomic Number (EAN)’ (effektive Ordnungszahl) ⇒ Kettenbildung ⇒ Dipol-Momente ⇒ Schräg- oder Diagonal-Beziehungen ⇒ Isoelektronisch-/Isolobal-/Isostöchiometrisch-/Isoster-Beziehungen

Vorlesung 2: Struktur- und Bindungs-Beschreibungen ⇒ Standard-Lewis-Strukturen ⇒ VSEPR-Modell ⇒ Symmetrie und Punktgruppen

Page 3: Vorlesung ACII-1

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Vorlesungen 3-4: Nichtmetallchemie der Elemente Wasserstoff und Bor ⇒ Bindungstypen (kovalent, ionisch, metallisch etc.) ⇒ Wasserstoff-Brücken-Bindungen

⇒ Eigenschaften des Bors / allgemeine Trends in der 13. Gruppe ⇒ Bor-Modifikationen

⇒ Bor-Wasserstoff-Verbindungen ⇒ Wade-Regeln ⇒ B-O-Verbindungen ⇒ Bor-Halogenid-Verbindungen ⇒ B-C-Verbindungen (Carborane)

⇒ B-N-Verbindungen ⇒ Lewis-Säure-Lewis-Base-Verhalten

⇒ MO-Beschreibungen der Bindungen, Bindungsordnungen Vorlesungen 5-6: 14. Gruppe: Nichtmetallchemie der Elemente Kohlenstoff und Silicium

⇒ Eigenschaften und allgemeine Trends in der 14. Gruppe ⇒ Kohlenstoff-Modifikationen

⇒ Graphit-Einlagerungsverbindungen ⇒ Kohlenstoff-Halogenid-Verbindungen ⇒ CFC’s ⇒ Kohlenstoff-Chalkogen-Verbindungen

⇒ C-N-Verbindungen ⇒ Silicium-Modifikationen

Page 4: Vorlesung ACII-1

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⇒ Halbleiter-Eigenschaften ⇒ Si-O-Verbindungen ⇒ Si-H-Verbindungen ⇒ Si-C-Verbindungen ⇒ Si-N-Verbindungen

⇒ Si-Halogenid-Verbindungen Vorlesungen 7-8: 15. Gruppe: Nichtmetallchemie der Elemente Stickstoff, Phosphor & Arsen

⇒ Eigenschaften und allgemeine Trends in der 15. Gruppe ⇒ Homopolyatomare-N-Verbindungen, Nitride und Azide ⇒ Pseudohalogen-Prinzip

⇒ N-O-Verbindungen, Umweltrelevanz ⇒ Bindungsverhältnisse in N-O-Verbindungen (VB, MO)

⇒ N-S- bzw. N-Se-Verbindungen ⇒ Anorganische Aromatizität ⇒ N-Halogenid-Verbindungen

⇒ N-H-Verbindungen ⇒ Modifikationen von Phosphor und Arsen

⇒ P-O- bzw. As-O-Verbindungen ⇒ P-Halogenid-Verbindungen ⇒ Berry-Pseudorotation ⇒ Oktett-Regel, 3c-4e-Bindungen (3-Zentren-4-Elektronen-Bindungen)

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⇒ P-, As-Chalkogenide ⇒ P-, As-N-Verbindungen ⇒ Hypervalenz ⇒ Fluoridionen-Affinität/Lewis-Säure-Eigenschaften Vorlesungen 9-10: 16. Gruppe: Nichtmetallchemie der Elemente Sauerstoff, Schwefel, Selen & Tellur

⇒ Eigenschaften und allgemeine Trends in der 16. Gruppe ⇒ Modifikationen der Chalkogene

⇒ Homopolyatomare O-Verbindungen ⇒ S-, Se- & Te-Kationen: Lewis-Strukturen, Aromatizität, Oxidation ⇒ S-, Se- & Te-Anionen ⇒ O-, S-, Se-, Te-H-Verbindungen

⇒ S-, Se-, Te-O-Verbindungen ⇒ S-, Se-, Te-N-Verbindungen Übersicht ⇒ O-Halogenid-Verbindungen ⇒ S-, Se-, Te-Halogenid-Verbindungen ⇒ d-Orbital-Beteiligung ?

Page 6: Vorlesung ACII-1

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Vorlesungen 11-12: 17. Gruppe: Nichtmetallchemie der Halogene ⇒ Eigenschaften und allgemeine Trends in der 17. Gruppe

⇒ Darstellung der Halogene ⇒ Strukturen der Halogene

⇒ Halogen-Anionen: Lewis-Strukturen, VSEPR, 3c-4e-Bindungen ⇒ Halogen-Kationen: Lewis-Strukturen, VSEPR ⇒ HX ⇒ Reaktivität von HX mit Glas ⇒ Supersäuren

⇒ Interhalogene Vorlesungen 13: 18. Gruppe: Nichtmetallchemie der Edelgase

⇒ Eigenschaften und allgemeine Trends in der 18. Gruppe ⇒ Clathrate-Verbindungen

⇒ Xe-F-, bzw. Kr-F-Verbindungen: Lewis-Strukturen, VSEPR, ⇒ Xe-O- bzw. Xe-O-F-Verbindungen ⇒ Edelgas-Kationen: isoelektronische Analogien ⇒ Xe-C-Verbindungen ⇒ Xe-N-Verbindungen; nichtwässriges Lösungsmittel

Page 7: Vorlesung ACII-1

Bucher

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Nichtmetallchemie: sehr gutes Buch für Nichtmetallchemie Inorganic Chemistry: Englisches Buch. Grundlagen und alle Stoffchemie, die man braucht Concepts & Models: nicht so gut für Stoffchemie aber guter Konzepte-Teil Moderne Anorg. Fortgeschrittenes Buch, sehr detailliert, Chemie: sehr gut für die interessierteren Studierenden

Page 8: Vorlesung ACII-1

Konzepte und generelle

Trends im Periodensystem ( nicht in allen Fällen)

↑ Elektronegativität

↓ Radien ↑ 1. IE →

und ↑

↑ Kationen- Polarisierungskräfte (Gruppen 1 & 2)

↓ Anionen- Polarisierbarkeit (Gruppen 13 - 17)

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Page 9: Vorlesung ACII-1

Größe: Metall-Radius / Kovalenz-Radius

‚mit der gleichen (Valenz-) Elektronenkonfiguration innerhalb einer Gruppe steigt die Atomgröße mit steigendem n’

Was ist der Radius ?

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Kovalenz-Radius metallische Elemente

⇒ Zeff. (Kernladungszahl) ⇒ Anomalien: d-Block-Kontraktion, f-Block-Kontraktion ⇒ Konsequenzen der rel. Größe von Atomen in Gruppen

Page 10: Vorlesung ACII-1

Ionisierungsenergien: vertikale Trends ‚1. IE = minimale Energie, die nötig ist, ein Elektron eines Atoms in der Gasphase (in seinem Grundzustand) zu entfernen’

⇒ Trends der 1. IE (a) innerhalb einer Gruppe, (b) innerhalb einer Periode ⇒ Einfluss der 1. IE auf die Element-Eigenschaften ⇒ d-Block-Kontraktion bzw. f-Block-Kontraktion (Trennungsproblem) ⇒ die Anomalie der 2. Periode ⇒ vgl. 1. IE vs. 2. IE usw.

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Ionisierungsenergien: horizontale Trends

Die 1. IE ↑ innerhalb einer Periode, es gibt aber Anomalien:

⇒ Elektronen-Konfigurationen ⇒ e--e--Abstoßung ⇒ Die maximale Oxidations-Stufe und IE-Werte

Elektronen-Affinitäten: horizontale Trends

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Anomalien: ns2 + e- → ns2 np1 ns2 np3 + e- → ns2 np4

O O

N N

O O

O

ONa+

Na-

⇒ reflektiert die beobachtete Tendenz bzgl. Anionen-Bildung ⇒ -ve-Wert (thermodynamisch) ⇒ ‚Elektronen-‚Sättigung’

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Elektronegativität ‚Elektronegativität: the power of an atom to attract electrons to itself’

⇒ Pauling-Skala * ⇒ Allred-Rochow-Skala ⇒ Mulliken-Skala ⇒ spektrochemische Skala (Edelgase) Warum ist die Elektronegativität wichtig ? ⇒ weil die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Verbindungen stark von den Fähigkeiten der beteiligten Atome, Elektronen an sich heranzuziehen, abhängen. Trends bei der Elektronegativität:

(i) ↓ nach unten in einer Gruppe (beobachtete Anomalien: d-Block-Kontraktion, f-Block-Kontraktion)

(ii) Δχ am größten zwischen den Perioden 2 und 3 (iii) ↑ innerhalb einer Periode, weil Zeff. ↑ und Atom-Radius ↓

Unterschiedliche Elektronegativitäten beeinflussen Bindungs-Polaritäten ⇒ Dipol-Momente ⇒ Ionischer Anteil der Bindung ⇒ Reaktivitäten 12

Page 13: Vorlesung ACII-1

Der Ursprung des Elektronegativitäts-Konzeptes

⇒ Fourcroy, 1789, Elements of Chemistry and Natural History: Er bezog die Stärke der chemischen Affinität auf den Grad des chemischen Unterschieds zwischen den Edukten. ⇒ David A. Wells, 1858 in Principles and Applications of Chemistry 7 Gesetze der chemischen Affinität, drei von diesen sind: (i) Chemical affinity is only exerted between dissimilar substances (ii) Generally speaking, the greater the difference in the properties of bodies, the greater is their tendency to enter into chemical combination. Between bodies of a similar character, the tendency to union is feeble. (iii) Chemical affinity occasions an entire change in the properties of the substances acted upon. ⇒ Avogadro (1809) gründete die Oxigenitäts Skala Je größer der Abstand von zwei Substanzen auf der Oxygenitäts-Skala ist, desto größer ist ihre chemische Affinität. Electronegativity from Avogadro to Pauling, W. B. Jensen, J. Chem. Ed., 73, 1996, 11.

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Die Pauling-Elektronegativität ⇒ empirisch ⇒ basiert auf thermochemischen Daten ⇒ nicht so gut für Übergangsmetalle ⇒ der Wert für ein Element muss definiert werden ⇒ keine Einheit ⇒ die Elektronegativität ist experimentell nicht messbar ⇒ die Pauling-Skala ist nur qualitativ, nicht quantitativ ⇒ in der Pauling-Skala ist F das elektronegativste Element. ⇒ Warum ist die Bindungsenergie in ClF (255 kJ mol-1) deutlich größer als in Cl-Cl (242 kJ mol-1) oder

F-F (153 kJ mol-1) ? ⇒ Pauling definiert diese extra stabilisierende Bindungsenergie in Cl-F vgl. Cl2 oder F2 als ‘Ionische Resonanzenergie, Δ’

⇒ Je größer der Beitrag einer ionischen Struktur ist, desto mehr Resonanz existiert und umso größer ist

die Stabilisierungsenergie Δ. ⇒ Wie kann man die Ionische Resonanzenergie Δ berechnen ? ⇒ Von Δ zur Elektronegativität ? : L. Pauling in The Nature of the Chemical Bond, 3rd edn., Cornell University Press, 1960 14

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Die Mulliken-Elektronegativität ⇒ basiert auf IE, EA, Hybridisierung ⇒ Die Mulliken-Elektronegativität steigt ↑ mit steigendem ↑ s-Charakter Hybridisierung/ Elektronegativität

sp sp2 sp3

Kohlenstoff 3.29 2.75 2.48 Stickstoff 4.67 3.94 3.68 ⇒ χMulliken sp χMulliken sp2 χMulliken sp3 ⇒ In Kürze: Hoher s-Charakter hohe IE höhere Mulliken-Elektronegativität Zusmmenfassung: ⇒ Pauling: Die Elektronegativität χ basiert auf der Differenz in den Bindungsenergien und enthält auch

einen ionischen Resonanz-Faktor. ⇒ Mulliken: Die Elektronegativität χ ist der Mittelwert zwischen IE und EA und berücksichtigt auch Hybridisierungs-Effekte Principles in Inorganic Chemistry, J. A. Huheey, 3rd edn., Pergamon Press, 1999.

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Dipol-Momente Ein elektronischer Dipol besteht aus zwei gleichen, aber entgegengesetzt gerichteten Ladungen +q and –q im Abstand r. Das Dipolmoment ist ein Vektor der Größe μ = qr, der von der +ve zur –ve Ladung gerichtet ist. In einem heteronuklearen, diatomaren Molekül, Δχ bewirkt eine unsymmetrische Ladungsverteilung und ein daraus resultierendes Dipolmoment. Beispiele: Verbindung μ / D Δχ Br2 0 0 BrCl 0.52 0.1 BrF 1.42 0.4

Verbindung μ / D Verbindung μ / D NH3 1.47 NF3 0.24 PH3 0.57 PF3 1.03 AsH3 0.20 AsF3 2.59

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Wodurch kann das Dipolmoment beeinflusst werden ? ⇒ Δχ der beteiligten Atome ⇒ anwesende Bindungs-Typen ⇒ geometrische Anordnung der Bindungen (cis-/trans-Isomere)

Sn

Py

Py

Cl Cl

Cl ClSn

Cl

Cl

Cl Py

Cl Py

cis-[SnCl4(py)2] trans-[SnCl4(py)2] ⇒ freie Elektronen-Paare

Page 17: Vorlesung ACII-1

Kovalente / ionische Bindungen: Elektronegativitäts-Betrachtungen Die Bindungen in Molekülen werden von den Anziehungskräften der an der Bindung beteiligten Atome stark beeinflusst. Extreme Beschreibungen sind auf der einen Seite „kovalent“ und auf der anderen „ionisch“

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polar-kovalent kovalent ⇒ Elektronen-Dichte

nicht symmetrisch entlang der Bindungs-Achse verteilt

⇒ symmetrische Elektronen-Dichte

B A

polar-ionisch ionisch

⇒ weniger Elektronen- Dichte entlang der Bindungs-Achse. ⇒ Elektronen-Dichte symmetrischer um die Kerne angeordnet

⇒ ‚Ideale ionische -Bindung’: ⇒ Elektronen-Dichte um jeden Kern ist hoch und sphärisch, aber niedrig zwischen den Ionen

Page 18: Vorlesung ACII-1

Kovalente / ionische Bindungen: Polaritäts-Betrachtungen Die Elektronenwolken, die die Kerne umgeben, können durch elektrostatische Felder, die durch elektrische Ladungen an den Nachbar-Atomen stammen, gestört werden.

Anion Polarisierbarkeit F- 13 Cl- 37 Br- 47 I- 69

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Beeinflusst von: (i) Volumen des Ions

(ii) Elektronen-Dichte-Wahrscheinlichkeit (iii) Ladung ⇒ Polarisierbarkeit (Anionen) Kation Polarisierungs-

Kräfte Li+ 52 Na+ 24 K+ 11 Rb+ 8 Cs+ 6

⇒ Polarisierungskräfte (Kationen)

Page 19: Vorlesung ACII-1

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HSAB – Harte und weiche Säuren und Basen Der Einfluss der Polarisierbarkeit: ⇒ Harte Säuren und Basen halten ihre Elektronen sehr fest, so dass sie nicht leicht polarisiert werden

können. ⇒Weiche Säuren und Basen halten ihre Elektronen nicht so fest, so dass ihre Elektronenwolken leichter polarisiert werden können. Harte Säuren Grenzfälle Säuren Weiche Säuren H+, Li+, Na+, K+, Be2+, Mg2+, Ca2+,Sr2+, BF3, Al3+, AlCl3, Mn2+, Cr3+, CrVI, MnVII, MoVI, WVI, Sc3+, La3+, Ce3+, Ti4+, Hf4+, VO2+, UO2

2+, Th4+, SO3

B(CH3)3, Fe2+, Co2+, Ni2+, Cu2+, Zn2+, Ru2+, Rh2+, Sn2+, Sb3+, Rh3+, Ir3+, Pb2+, Bi3+

(BH3)2, GaCl3, GaBr3, GaI3, Cu+, Co(CN)5

3-, Ag+, Cd2+, Pt2+, Pt4+, Au+, Hg2

2+, Tl+,

Harte Basen Grenzfalle Basen Weiche Basen O2

-, OH-, F-, Cl-, CO32-, NO3

-, CH3CO2-

PO43-, SO4

2-, ClO4-, H2O, ROH, RO-,

R2O, NH3, RNH2, N2H4

N2, NO2-, C6H5NH2, N3

-, SO3

2-, Br-, SCN-

H-, R-, CN-, I-, C2H4, RNC, CO, R3P, (RO)3P, R3As, RSH, R2S, RS-, S2O3

2-

Pearson: Eine harte Säure bevorzugt mit einer harten Base zu kombinieren, und eine weiche Säure

bevorzugt eine weiche Base.

Hart-Hart-Wechselwirkungen sind überwiegend ionischer (elektrostatischer) Natur. Weich-Weich-Wechselwirkungen sind überwiegend kovalenter Natur, daher ‘Grenzorbital’-kontrolliert.

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Orbital-Energien und Überlappungen ⇒ Hauptquantenzahl vs. Größe der Valenzorbitale ⇒ s-Orbital-Kontraktion relativ zur p-Orbital-Kontraktion innerhalb eine Gruppe ⇒ Einfluss auf die beobachteten Oxidationsstufen innerhalb einer Gruppe ⇒ Anomalien besonders in der 13. Gruppe

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r Element rmax (ns) / Ǻ max (np) / Ǻ Unterschied / Ǻ C 0.65 0.64 0.01 Si 0.95 1.15 0.20 Ge 0.95 1.19 0.24 Sn 1.10 1.37 0.27 Pb 1.07 1.40 0.33

Schmelzpunkt-Trends innerhalb der Gruppen: Element mpt. / °C Element mpt. / °C Li 181 F2 -219 Na 98 Cl2 -101 K 64 Br2 -7 Rb 39 I2 114 Cs 29

⇒ Anomalien = die 16., 17. Gruppe ⇒ van der Waals-Wechselwirkungen ⇒ Polarisierbarkeit der Moleküle

Page 21: Vorlesung ACII-1

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Trends bei den Bindungsenergien ⇒ Mittlere Bindungsdissoziations-Energien D(E-X) ↓ nach unten in der Gruppe, falls keine freien Elektronenpaare an X ⇒ D(E-X) hängen ab von der Valenz von E Keine freien Elektronen-Paare am Zentral-Atom E: E-H D(E-H)

(kJ mol-1) E-H D(E-H)

(kJ mol-1) E-H D(E-H)

(kJ mol-1) E-H D(E-H)

(kJ mol-1) C-H 416 N-H 391 O-H 463 F-H 571 Si-H 322 P-H 322 S-H 367 Cl-H 432 Ge-H 288 As-H 297 Se-H 317 Br-H 366 Sn-H 253 Sb-H 257 Te-H 267 I-H 298 Einfluss der Koordinationszahl auf die Bindungsenergien: E-X D(E-H)

(kJ mol-1) E-H D(E-H)

(kJ mol-1) E-H D(E-H)

(kJ mol-1) P-F (PF3) 490 P-Cl (PCl3) 323 S-F (SF2) 367 P-F (PF5) 461 P-Cl (PCl5) 257 S-F (SF4) 339 S-F (SF6) 329

Page 22: Vorlesung ACII-1

Trends bei den Bindungsenergien E in E-X wird schwerer

E-X D(E-H) (kJ mol-1)

E-X D(E-H) (kJ mol-1)

Si-F 597 Ge-F 471 Si-Cl 400 Ge-Cl 340 Si-Br 330 Ge-Br 281 Ge-I 214

E-X D(E-H) (kJ mol-1)

E-X D(E-H) (kJ mol-1)

P-F 490 As-F 487 P-Cl 322 As-Cl 309 P-Br 263 As-Br 256

X in E-X wird schwerer

⇒ Diffuse Orbitale / Überlappung ⇒ Valenz des Zentralatoms ⇒ Koordinationszahl / sterische Überfüllung ⇒ 3-Zentren-4-Elektronen-Bindungen Anomalie in der 2. Periode: ⇒ isolierte Allotrope der p-Blocks mit Mehrfachbindungen ⇒ Elemente der 2. Periode zeigen ↓ Tendenz für maximale Gruppen-Valenz ⇒ Elemente der 3. Periode zeigen oft ↑ Labilität für nukleophile Substitution

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Page 23: Vorlesung ACII-1

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N

Analogiebetrachtungen isoster: die Verbindungen haben die gleiche Zahl von Atomen, Elektronen und Gesamt-

Ladung Eigenschaften CO N2 CO2 2O mpt. / °C 68 63 217 182 bpt. / °C 82 77 195 184 Löslichkeit in H2O (L gas / L H2O)

0,033 0,023 1,710 1,305

Standard state Gas Gas Gas Gas Farbe farblos farblos farblos farblos isoelektronisch: Spezies mit der gleichen Gesamt-Zahl an Elektronen; verschiedene Gesamt-

Ladungen sind möglich valenz-isoelektronisch: Spezies mit der gleichen Anzahl von Außen-(Valenz)-Elektronen; verschiedene Gesamt-Ladungen sind möglich; Elemente verschiedener Perioden sind möglich. isolobal: Zwei Fragmente sind isolobal, wenn die Anzahl, Symmetrie, Energie und Form

der Grenz-Orbitale und ihre Elektronenzahl ähnlich (vergleichbar) sind.

Page 24: Vorlesung ACII-1

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Analogiebetrachtungen ⇒ isostöchiometrisch: gleiche Summenformel ⇒ isotope: Nuklide mit gleicher Protonenzahl, aber verschiedener Neutronenzahl ⇒ isobare: Nuklide mit gleicher Nukleonenzahl, aber verschiedener Protonenzahl ⇒ Mischelemente: Elemente bestehen aus mehreren Isotopen, die in unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen ⇒ Reinelemente: Elemente bestehen in ihrem natürlichen Vorkommen aus nur einer Nuklid Sorte. ⇒ Hydridverschiebungssatz: Durch Addition von x Wasserstoffatomen (x = 1, 2, 3....) bekommt ein Atom die Eigenschaften des Elementes mit einer um x höheren Ordnungszahl als es selbst. ⇒ Cyanidverschiebungssatz: Durch Addition von x Cyanid-Gruppen (x = 1, 2, 3....) bekommt ein Atom die Eigenschaften des Elementes mit einer um x höheren Ordnungszahl als es selbst. ⇒ Beispiele ⇒ Nützlichkeit der Betrachtungen ⇒ Ähnliche chemische Eigenschaften ⇒ Unterschiede zwischen ‚Iso-Betrachtungen’ ⇒ Grenzen solcher Betrachtungen

Page 25: Vorlesung ACII-1

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Oxidations-Zahlen ⇒ Bei Atomen in kovalenten Molekülen spielt die Elektronegativität eine wichtige Rolle.

⇒ Die Oxidations-Zahlen werden erhalten, indem die bindenden Elektronen ganz dem elektronegativeren Atom zugeordnet werden. Dann wird die Ladung des ‘Pseudo-Ions’ abgezählt. ⇒ Kein „Teilen“ von Elektronen wird berücksichtigt. ⇒ Gemeinsame Elektronen werden dem elektronegativeren Atom zugeordnet. ⇒ Ein Atom kann mehrere Oxidationsstufen besitzen. ⇒ In homonuklearen, diatomaren Molekülen ist die Oxidationsstufe 0 (z. B. N2) ⇒ Die Summe aller Oxidationsstufen in neutralen Molekülen ist = 0

Oxidationsstufe: Gemeinsame Elektronen werden dem elektronegativeren Atom zugerechnet. Formalladung: Gemeinsame Elektronen werden zu gleichen Teilen beiden bindenden Atomen zugerechnet, unabhängig von der Elektronegativität. Formalladung Einige Regeln: ⇒ Die positive Ladung auf einem Atom ist die Zahl der Elektronen, die es weniger besitzt als im neutralen Zustand. ⇒ Die negative Ladung auf einem Atom entspricht der Zahl der Elektronen, die das Atom mehr als im neutralen

Zustand besitzt. ⇒ Die Summe aller Formalladungen in einem neutralen Molekül ist = 0 ⇒ Die Summe aller Formalladungen in einem Ion = Ladung des Ions.

Page 26: Vorlesung ACII-1

Das VSEPR-Modell

der Molekularen

Struktur

R. J. Gillespie, 1963McMaster University, Hamiliton, Canada.

Valence Shell Electron Pair RepulsionVorhersage

der Molekülstruktur

basierend

auf der Anordnung

von Elektronen-Paaren

in der Valenz-Schale

Page 27: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Verknüpfung(der Atome)

Geometrie

Struktur

* Benötigen

gemeinsames

(bindendes) Elektronenpaar

* Sind stark gerichtet

* ‘Rein’

Kovalente

Bindungen

existieren

nur

zwischen

2 Atomen

des gleichen

Elements

* Meist

existiert

auch

ein

ionischer

Beitrag.

Kovalente

Bindungen:

Page 28: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

(i)

Basiert

auf der Lewis-Beschreibung

der Elektronenanordnung

in einem

Molekül

(ii)

Die Elektronenpaare

auf der Valenz-Schale

eines

Atoms (bindend

oder

nicht-bindend) nehmen

eine

Anordnung

ein, die sie

so weit

wie

möglich

voneinander

entfernt

hält. Sie

verhalten

sich, als

ob sie

sich

gegenseitig

abstoßen

würden.

(iii)

Aus der Anordnung

der Elektronenpaare

auf der Valenz-Schale

eines

Atoms, kanndie ‘Geometrie’

der kovalenten

Bindungen

vorhergesagt

werden.

Im

einfachsten

Bild:

Annahmen

des VSEPR-Modells

VSEPR -Modell

(Ladungs-) Punkte

aufeiner

Kugeloberfläche

Verbesserung

liefert Elektronenpaar-Domänen-Modell

Page 29: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

* Die meisten

Moleküle

sind

dreidimensional* Einige

sind

linear

* Einige

sind

planar

B

F

F F-

+

linear planar 3-dimensional

Cyanwasserstoff, HCN

Bortrifluorid, BF3

Octanitrocuban, (CNO2

)8

Strukturen

Page 30: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Polyeder

und Polygone

Polygon: Umschließt

eine

Fläche

mit

3 oder

mehr

geraden

Linien

Reguläre

Polygone: besitzen

gleiche

innere

Winkel

und Kanten(es

gibt

unendlich

viele

mit

dem

Zirkel

als

oberen

Grenzfall).

Dreieck,kleinstes

Polygon

Zirkel, größtes

Polygon

Page 31: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair RepulsionPolyeder: umschließt

einen

3-D-Raum mit

4 oder

mehr

Polygonen

Zwei

Typen

von Tetraedern

sind

möglich:

Käfig/Cluster-tetraeder

Alle

Atome

befinden

sich

an den Ecken

des PolyedersKein

Zentralatom

Jede

Ecke

besitzt

ein

Atom, das nicht

an andereEcken, sondern

zum

Zentralatom

bindet

ZentriertTetraedrische

Moleküle

Tetraeder

Würfel Oktaeder

Dodekaeder Ikosaeder

Page 32: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Prismen

und Antiprismen

Prisma: besitzt

2 identische

Flächen, die durch

einen

Satz

von Parallelogrammenverbunden

sindAntiprisma: besitzt

2 identische

Flächen, die durch

Dreiecke

verbunden

sind(die 2 Flächen

sind

gegeneinander

gedreht, so daß

sie

nicht

ekliptisch

sind).Würfel: Die 2 parallelen

Flächen

sind

Quadrate, die durch

Quadrate verbunden

sind.

Oktaeder: 2 parallele

Flächen

sind

gleichseitige

Dreiecke, die ebenfalls

durchgleichseitige

Dreiecke

verbunden

sind.

Quadrate/parallelogramme(Rechtecke)

Equilaterale

gleichseitigeDreiecke

Prismen

Antiprismen

Page 33: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Pyramiden

und Bipyramiden

Pyramiden: haben

eine

reguläre

Basis und einen

apikalen

Punkt

(1 Spitze)

Bipyramiden: haben

eine

reguläre

Basis und 2 apikale

Punkte

(2 Spitzen)

Apikaler

Punkt(1 Spitze)

Apikale

Punkte(2 Spitzen)

Pyramiden

Bipyramiden

Page 34: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Ideale

Bindungs-Winkel

Wenn

ein

Molekül

die Form eines

regulären

Polygons oder

Polyeders

besitzt, dann

sind

die Bindungswinkel

klar

definiert

Page 35: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Für

ein

tetraedrisches

Molekül

vom

CH4

-Typ, sind

die Winkel

109.5°, Dies kann

mit

Hilfe

des Satzes

von Pythagoras gezeigt

werden.

Käfig/Cluster Tetraeder

ZentrierteTetraeder-Moleküle

Page 36: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Bei

einem

oktaedrischen

Molekül

vom

SF6

-Typ mit

einem

Zentralatom, sind

alle

Winkel

90°.

* ‘ax.’

‘eq.’

= 90°* ‘eq.’

‘eq.’

= 90°

Käfig/Cluster Oktaeder

Zentrierte

oktaedrischeMoleküle

Page 37: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Bei

einem

trigonal-bipyramidalen

Molekül

vom

AsF5

-Typ mit

Zentralatom, sind

die Bindungswinkel

wie

folgt:

* ax. –

eq. = 90°* eq. –

eq. = 120°

Die equatorialen

Positionen

sind

sterisch

weniger

beengt:

axiale

Atome: 3 x Nachbarn

mit

90°

equatorial Atome:

2 x Nachbarn

mit

90°

(axiale

Nachbarn)2 x Nachbarn

mit

120°

(equatoriale

Nachbarn)

axial

axial

equatorial (eq.)

Page 38: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Einige

grundlegende

VSEPR-Regeln:

(i)

Die Anordnung

der kovalenten

Bindungen

um ein

Atom hängt

ab

von der Anzahl

derElektronen-Paare

in der Valenz-Schale

dieses Atoms (einschließlich

freier

Elektronen-Paare).

(ii)

Falls n X-Atome

an das Zentralatom

A durch

Einfachbindungen

gebunden

sind

und m freie

Elektronen-Paare

anwesend

sind, dann

gibt

es

n + m Elektronen-Paare

in derValenzschale

des Zentralatoms, A.

(iii)

Die Gestalt eines

AXn

Em

-Moleküls

hängt

ab

von der Anordnung

der n + m Elektronenpaare

in der Valenzschale

von A.Wobei

gilt: A = ZentralatomX = LigandE = freies

Elektronenpaar

(nicht-bindend)

(iv)

Die Anordnung

wird

angenommen, bei

der der

Abstand

zwischen

den Elektronenpaaren

(bindend

und nicht-bindend) maximal ist.

(v)

Die inneren

Elektronen

der Atome

werden

nicht

berücksichtigt, nur

die der äußeren(Valenz-) Schale.

Page 39: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Eine

kürze

Übersicht

über

die beiden

Modelle:

(i)

Der Abstand

zwischen

zwei

Punktladungen

wird

maximiert, da

sich

diePunktladungen

gegenseitig

abstoßen.

(ii)

Der Rumpf

eines

Atoms wird

als

sphärisch

angenommen

und hat daher

keinenEinfluß

auf die Anordnung

der Elektronenpaare

auf der Valenzschale.

(A) Punktladungen-(auf einer

kugel) Modell

Ein Elektronenpaar wird als Punktladung aufgefasst.

Die beiden

Versionen

(Punktladen

auf einer

Kugel

und Elektronen

paar-Domänen-Modell) sind

äquivalent

und liefern

die gleichen

Vorhersagen, aber

das Domänen-Modell

isteinfacher

anzuwenden.

Page 40: Vorlesung ACII-1

(i)

Demzufolge

formen

die Elektronenpaare

in der Valenzschale

eines

Atoms ein

Paar

mitentgegengesetztem

Spin.

(ii) Der Raum, der von einem

Elektronenpaar

auf der Valenzschale

eines

Atoms angenommen

wird

= Elektronenpaar-Domäne.

(iii)

Im

einfachsten

Bild

besitzen

alle

Elektronenpaar-Domänen

eine

sphärische

Gestalt (kugelförmig), sind

gleich

groß

und überlappen

nicht

mit

anderen

Domänen.

(iv)

Die sphärischen

Domänen

werden

durch

den positiven

Rumpf

angezogen

und ordnensich

so an, dass

sie

so dicht

wie

möglich

am Rumpf

sind

und so weit

wie

möglichvoneinander

entfernt.

(v)

Die Elektronenpaar-Domänen-Version

des VSEPR-Modells

betont

die unterschiedlicheGröße

und Form der Elektronenpaar-Domänen

stärker

als

die relative Stärke

derlone-pair-lone pair Bindungspaar-Abstoßung.

(vi)

Es wird

auch

berücksichtigt, daß

die Elektronenpaar-Domänen

nicht

immer

sphärisch

sind.

Valence Shell Electron Pair Repulsion(B) Elektronenpaar-Domänen-Modell

Ein Elektronenpaar ist eine Ladungswolke, die einen bestimmten RaumEinnimmt, der anderen Elektronen nicht zur Verfügung steht.

Warum

? Elektronen

mit

gleichem

Spin meiden

sich, stoßen

sich

ab und wollen

möglichst

weit

weg

voneinander

sein

Pauli Verbot:

Page 41: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair RepulsionDie Anordnung

von Elektronenpaaren

mit

maximalem

Abstand

ist

in nachstehenderTabelle

und Abbildung

gezeigt.

linear Trigonal-planar tetraedrisch

Trigonal-bipyramidal oktaedrisch

Anzahl

vonElektronen

paaren Anordnung

2

3

4

5

6

linear

Trigonal-planar

tetraedrisch

Trigonal-bipyramidal

oktaedrisch

Page 42: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Molekulare

Strukturen

auf der Basis von VSEPR-Anordnung

der Elektronen-paareMolekulare

Strukturen

auf der Basis von VSEPR-Anordnung

der Elektronen-paare

Page 43: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Sind alle

Elektronenpaar-Domänen

äquivalent

?

(i)

Freie

Elektronenpaare

besitzen

größere

Domänen

als

bindende

EP’s

Ein

freies

Elektronenpaar

wird

nur

von einem

positiven

Rumpf

angezogen, daher

wird

es

zudiesem

hingezogen

und umgibt

ihn, ist

größer.Ein

bindendes

Paar

wird

jedoch

durch

zwei

positive Rumpfe

angezogen

und ist

daher

kleiner.

Da

ein

freies

Elektronenpaar

mehr

Raum

auf der Valenzschaledes

Atoms A als

der Ligand X beansprucht

(als

das freie

Elektronenpaar, das nur

von einem

positiven

Rumpf

A angezogen

wird), ist

der Winkel

∠(X-A-E) größer

als

der Winkel

∠(X-A-X).

Bei

einem

idealen

Tetraeder

sind

alle

Winkel

= 109.5°Bei

AX3

E erwarten

wir

folgendes

Verhalten:∠(X-A-X) < 109.5°∠(X-A-E) > 109.5°

H2

O, ein

AX2

E2

Molekül(i) Es gilt 2 freie

Elektronenpaare, die mehr

Platz

beanspruchen

vgl. 2 x (O-H) Bindungen(ii)

Der Winkel

∠(X-A-X) ist

daher

erwartet

<< 109.5°(exp. ∠(H-O-H) Wert = 104.5°

(iii)

Der Winkel

∠(E-A-E) ist

erwartet

>> 109.5 und ebenso

∠(X-A-E).(iv)

d (O-H) ist

viel

länger

als

erwartet

Page 44: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion(ii) Mit

steigender

Elektronegativität

des Liganden

X ↑

nimmt

die Größe

der Bindungsdomäne

ab

↓.

Ein

elektronegativer

Ligand zieht

bindende

Elektronendichte

weg

vom

ZentralatomA, daher

befindet

sich

die Elektronendichte

mehr

in der Valenzschale

des Liganden

X.

Mit

steigender

Elektronegativität

von X ↑, nimmt

der Raum

ab, der durch

die bindendeElektronenpaar-Domäne

in der Valenzschale

des Zentralatoms

A besetzt

wird. ↓

Als

Konsequenz

folgt: Die ∠(F-A-F) Winkel

sind

kleiner

als

die ∠(I-A-I)-Winkel(F ist

elektronegativer

als

I)).

Phosphortrifluorid, PF3 Phosphortriiodid, PI3MolekülBindungs-winkel

/ °H2

OF2

OCl2

SF2

S(CF3

)2

S(CF3

)2

Se

104.5103.1103.098.097.396.0

Page 45: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion(iii)

Doppel-

und Dreifach-Bindungs-Domänen

bestehen

aus

2 oder

3 Elektronenpaaren

und sind

daher

größer

als

Einfachbindungs-Domänen.

Doppel

und Dreifachbindungs-Domänen

benötigen

mehr

Platz

als

Einfachbindungs-Domänen.

Eine

Doppelbindungs-Domäne

ist

nicht

axialsymmetrisch

bzgl. Kernverbindungsachse,sondern

besitzt

eine

gestreckte

ellipsoide

Form (lange

Achse

senkrecht

zur

Ebene).

Eine

Dreifachbindungs-Domäne

besitzt

ein

Maximum der Elektronendichte

entlang

derKernverbindungsachse

mit

einer

gestauchten

ellipsoiden

Form.Da

eine

Doppelbindungs-Domäne

kleiner

ist

als

eine

Dreifachbindungs-Domäne, sinddie Winkel

an einer

Doppelbindung

kleiner

als

an einer

Dreifachbindung. In beiden

Fällensind

die Winkel

größer

als

bei

einer

Einfachbindung.

Page 46: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair Repulsion

Wo

wird

E bei

einer

trigonalen

Bipyramide

AX4

E Molekül

lokalisiert

?

Bei

einer

trigonalen

Bipyramide

haben

die equatorialen

Positionenden meisten

Platz, daher

wird

das (große) freie

Elektronenpaardort

lokalisiert.

Was ist

die Struktur

von SF4

O ?

Bei

einer

trigonalen

Bipyramide

haben

die equatorialen

Positionenden meisten

Platz, daher

werden

die großen

Doppelbindungs-Domänen

in der equatorialen

Ebene

lokalisiert.

Was wuerde

die Struktur

von PF4

Cl sein

?

In einem

trigonal-bipyramidalen

Molekül

haben

die equatorialen

Positionen

mehr

Platz,daher

befinden

sich

die weniger

elektronegativen

Chlor-Atome

in den equatorialen

Positionen. Daher

befinden

sich

die mehr

elektronegativen

Fluor-Atome

in den axialen

Positionen. Da

die Bindungs-Domänen

der P-F Bindungen

mehr

an den elektronegativen

Fluor-Atomenlokalisiert

sind, sind

die Bindungs-Domänen

weniger

am zentralen

Phosphor-Atom.

Page 47: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair RepulsionValenzschalen

mit

7, 8 oder

9 Elektronenpaaren

Anordnung

von 7, 8 oder

9 Elektronenpaaren, die den Abstand

zwischenden Punktladungen

maximieren

7 EP’sEinfach-überkapptes

Oktaeder8 EP’s

Quadratisches

Antiprisma9 EP’s

Dreifach-überkapptesTrigonales

Prisma

Anzahl

derElektronenpaare

VorhergesagteStruktur

7

8

9

Andere

beobachteteStrukturen

Einfach-überkapptesTrigonales

PrismaPentagonale

BipyramideDodekaeder

-

Andere

Strukturen

sind

auch

für

Verbindungen

mit

7 9 e- paaren beobachtet worden:

Einfach-überkapptesOktaeder

Quadratisches

Antiprisma

Dreifach-überkapptes

Trigonales

Prisma

Page 48: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair RepulsionVerschiedene

Strukturen

werden

für

7 Elektronen-Paare

beobachtet, da:(i)

Es gibt

verschiedene

Strukturen

mit

ähnlichen

Abständen

zwischen

den Liganden.(ii)

Unterschiede

in der Größe

und Form der Elektronenpaar-Domänen

kann

zuunterschiedlicher

Struktur

(als

der erwarteten) führen.(iii)

Geringe

Bewegung

der Liganden

durch

niedrige

Energie-barrieren

führt

zur

Umwandlungverschiedener

Strukturen

ineinander; oft sind

Moleküle

mit

7 Elektronen-Paarenfluktuierend.

(iv) Oft sind

nicht

alle

der beobachteten

Bindungslängen

identisch.

NbOF63-

1:3:3 Struktur 1:4:2 Struktur 1:5:1 Struktur

Einfach-überdachtes

Oktaeder

TaF72- IF7

Apikale

Positionam wenigstensterisch

gehindert

Größere

=O Einheit

istin der apikalenPosition

Überdachtes

trigonales

Prisma Pentagonale

Bipyramide

Page 49: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair RepulsionValenz-Schalen

mit

7 Elektronen-paaren

sind

selten, und werden

nur

realisiert,

wenn

eine

der folgenden

Bedingungen

zutrifft:

(i)

Anwesenheit

elektronegativer

Liganden

(z. B. F)

(ii)

Das Zentralatom

hat eine

sehr

große

Valenz-Schale, besonders

5. Periode

(z. B. Xe)

Die einzigen

Moleküle

mit

mehr

als

6-Elektronenpaaren, bei

denen

freieElektronenpaare

in der Valenz-Schale

gefunden

wurden

sind:

(i)

AX6

E

(ii)

AX5

E2

Bei

9 Positionen

auf einer

Kugel

ist

das dreifach-überkappte

trigonale

Prisma

die einzige

Struktur, die für

ein

AX9

-Molekül beobachtet

worden

ist:

ReH92-

Page 50: Vorlesung ACII-1

Valence Shell Electron Pair RepulsionMolekülstrukturen

für

Be F

Page 51: Vorlesung ACII-1

1

Wasserstoff

⇒ häufigstes Element im Universum ⇒ Isotope, natürliche Häufigkeit ⇒ Eigenschaften ⇒ Natürliche/künstliche Gewinnung von 31T ⇒ Natürliches Wasserstoff enthält: 99.9855 % 1H (Protium, leichten) 0.0145 % 2H (Deuterium, schweren) 10-5 % 3H (Tritium, super schweren) ⇒ Technische Synthesen: 1. Petrochemische Prozesse, einschließlich der Kohlevergasung 2. Elektrolyse wässriger Lösungen 3. Steam-Reforming-Verfahren T (K) 1000 1500 2000 2500 3000 3500 %-Spaltung 0.00003 0.020 0.582 4.21 14.4 30.9 ⇒ die Thermolyse von H2O für die Herstellung von H2 spielt keine wesentliche Rolle.

Eigenschaften Wasserstoff-Wert Farbe farblos geruchslos Zustand bei RT Gas mpt. / °C -259.19 bpt. / °C -252.76 Brennbarkeit brennbar d(H-H) (g) 0.74155 Ǻ H2O Löslichkeit 2.15 L H2 in 100 L

H2O bei 0°C/1 atm. ρ(H2) bei bpt. 0.070 gcm-3

Page 52: Vorlesung ACII-1

2

Die Gewinnung von Wasserstoff aus H2O

⇒ Elektrochemische Spaltung Elektrolyse von H2O → H2 + O2 sehr reines Produkt Länder mit billiger Hydro-Energie (Ägypten, Indien, Norwegen) ⇒ Chemische Spaltung 1. Kohlevergasung Erster Schritt liefert ’Synthese-Gas’ oder ‚Wasser-Gas’ als Produkt (CO/H2-Mischung) (Endotherm !) Zweiter Schritt nützt die Kohlenstoffmonoxid-Konversion (Exotherm !) Katalysatoren: 200 ≤ T ≤ 250°C (tief-T Konversion) Cu, Zn und Al-Oxid-Mischungen 300 ≤ T ≤ 500°C (normalerweise benützte T) Fe und Chrom-Oxid-Mischungen

Page 53: Vorlesung ACII-1

3

⇒ Chemische Spaltung 2. Reaktion von ‚Hydriden’ mit H2O z. B. CaH2

Die Gewinnung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen

⇒ Chemisches Cracken von Kohlenwasserstoffen Kombination von thermischem Kohlenwasserstoff-Cracken mit Oxidation des gebildeten Kohlenstoffs, nötiger Sauerstoff aus H2O, anschließende Reaktion des mitgebildeten CO mit Dampf → CO2

Page 54: Vorlesung ACII-1

4

Chemie des Wasserstoffs

⇒ Heterolytische bzw. Homolytische Spaltung der H-H-Bindung ⇒ Brønsted-Säure/-Base Eigenschaften ⇒ Lewis-Säure/-Base Eigenschaften ⇒ bildet EHn-Verbindungen mit fast allen Elementen ⇒ wirkt als Reduktions- bzw. Oxidations-Mittel ⇒ Hydrogenierungs-Reaktionen: Addition von H2 an Elemente ⇒ metallische Form bei sehr hohem Druck ⇒ Redox-Verhalten ⇒ Atomarer Wasserstoff ‚light’ (leicht): 1

1H ⇒ Protium ‚heavy’ (schwer): 2

1H ⇒ Deuterium ‚superheavy’ (super-schwer): 31H ⇒ Tritium

Page 55: Vorlesung ACII-1

5

Chemie des ‚schweren Wasserstoffs’

⇒ Gewinnung von D2:

1. Fraktionierung von natürlichem H2 2. Spaltung von schwerem Wasser

(a) elektrolytisch (technisch) (b) chemisch

Dissoziationsenergie, Dampfdruck, Siedepunkte H2 + T2 2 HT D2 + T2 2 DT

Eigenschaften H2 HD D2 HT DT T2 Sdp. / K 20.39 22.13 23.67 23.6 24.3 25.04 Dampfdruck bei Smp. (Torr)

55.1 92.9 128.5 124.6 142.9 162.0

Dissoziationsenergie bei 298 K in kJ mol-1

436.2 439.6 443.6 440.9 445.5 447.2

Page 56: Vorlesung ACII-1

6

Allgemeine Formeln und Trends von Wasserstoff-Verbindungen ⇒ bildet mit jedem Element (außer den Edelgasen) mindestens eine Verbindung des Typs EHn

⇒ Hauptgruppen: stoichiometrische-Verbindungen

Hauptgruppen I II III IV V VI VII

EH EH2 (EH) (EH2) EH3 EH2 EH EH3 EH4 EmHn mit E-E-Bindungen

(E = B, C → Sn; N → Sb; O → Se)

⇒ Nebengruppen: oft nicht-stoichiometrisch

Nebengruppen III IV V VI VII VIII oder 0 I II

EH≤3 EH≤2 EH≤2 EH≤2 - EH≤2 EH EH2

Page 57: Vorlesung ACII-1

7

Nomenklatur von Hauptgruppen-Wasserstoff-Verbindungen ⇒ bildet mit jedem Element (außer den Edelgasen) mindestens eine Verbindung des Typs EHn ⇒ H kann positive oder negative Partial-Ladung besitzen ⇒ Liganden, die an das Zentralatom gebunden sind, beeinflussen die Partial-Ladung des H ⇒ Ab Bor bzw. Si, Ge, Sn, Pb links = δ-H Ab C, P, As, Sb, Bi rechts = δ+H ⇒ Nomenklatur folgt nicht der Partialladung des H Beschreibung Name, Endung Beispiel Protonenaddukte von EHn ..............onium Oxonium, Telluronium Deprotonierungsprodukte ..............id Hydrogensulfid Hydridaddukte von EHn ..............at

Page 58: Vorlesung ACII-1

8

Wasserstoff-Verbindungen ⇒ Hydride (3 großen Klassen) gruppiert aufgrund von Δχ, Δ(Polarität), Strukturunterschieden 1. Kovalente oder molekulare Hydride ⇒ flüchtige, normalerweise p-Block-Hydride ⇒ kleine Δχ ⇒ H schwach positiv oder negativ polarisiert 2. Metallische Hydride ⇒ Verbindungen mit d- oder f-Block-Elementen ⇒ häufig nicht stoichiometrisch ⇒ elektrisch leitende Feststoffe ⇒ Hydrierungs-Katalysatoren 3. Salzartige Hydride ⇒ Kombination von H mit sehr elektropositiven s-Block-Metallen ⇒ nichtflüchtig ⇒ typisch ionische Strukturen ⇒ nicht-leitend im festen Zustand

‚Periodensystem der Elementhydride

Page 59: Vorlesung ACII-1

9

Salzartige Wasserstoff-Verbindungen ⇒ Typisch ionische Strukturen aber kleine Δχ zwischen M und H lassen wenig ionischen Charakter erwarten:

Metallartige Wasserstoff-Verbindungen

⇒ Hauptsächlich bei Übergangsmetallen ⇒ ‚typische Metallstrukturen’, wobei der Wasserstoff eingelagert ist: ‚Einlagerungsverbindungen’ oder ‚interstitielle Verbindungen’ ⇒ Wasserstoff besetzt oktaedrische bzw. tetraedrische Lücken einer verzerrte kubisch- oder hexagonal- dichtesten Packung von Metall-Atomen.

Verbindung Gitterenergie (kJ mol-1) LiH 913 NaH 810 KH 712

MgH2 2709 CaH2 2428 SrH2 2261

Page 60: Vorlesung ACII-1

10

Kovalente Wasserstoff-Verbindungen ⇒ Hydride der 13. Gruppe sind unter normalen Bedingungen polymer ⇒ δ+/δ-H-Extrem-Fälle ⇒ BH3 vs. B2H6 ⇒ Anionische- bzw. kationische Wasserstoff-Brücken-Bindungen

Molekül d(E-H) / Ǻ HF 0.917 HCl 1.274 HBr 1.415 HI 1.609 H2O 0.957 H2S 1.334 H2Se 1.47 H2Te 1.69

Page 61: Vorlesung ACII-1

11

Wasserstoff-Brücken-Bindungen ⇒ Was ist eine Wasserstoff-Brücken Bindung ? ⇒ anziehende Kraft ⇒ kovalenter Protonen-Donor ⇒ Protonen-Akzeptor-Atom ⇒ elektrostatische Wechselwirkung ⇒ korreliert mit der Acidität des H-Atoms und der Basizität von B Eine kurze Geschichte: ⇒ Werner, 1902 Ammoniumhydroxid ist das Additions-Produkt von Ammoniak mit Wasser: ⇒ Latimer und Rodebush, 1920 (erster endgültiger Hinweis) Wenn ein H-Atom zwischen zwei Oktetts vorliegt, dann liegt eine schwache H-Bindung vor; ebenso kann eine Kette oder ein Netzwerk existieren. ⇒ Coulson, 1957: 3 Haupt-Beiträge und 1 Neben-Beitrag zur Gesamtenergie einer H-Bindung: (i) Elektrostatische-Energie (ii) Delokalisierungs-Energie (iii) Abstoßungs-Energie

Page 62: Vorlesung ACII-1

12

Experimenteller Beweis für Wasserstoff-Brücken-Bindungen ⇒ Abnormale Schmelz- und Siede-Punkte ⇒ Abnormale Dipolmomente ⇒ Hohe Viskositäten ⇒ Löslichkeit ↓ ⇒ Signifikante Frequenz- und Intensitäts-Änderungen in den IR- und Raman-Spektren ⇒ Internukleare H...B Abstände < van-der-Waals-Abstände, aber > als kovalente und ionische Abstände ⇒ H-Bindung ist viel schwächer im Vergleich zu einer normalen ‘chemischen Bindung’. Die Stärke schwankt beträchtlich mit A-H und B

Page 63: Vorlesung ACII-1

13

Was sind charakteristische Eigenschaften für Wasserstoff-Brücken-Bindungen ⇒ typische Länge H.........O = ~ 1.8 Ǻ ⇒ typische Winkel: ~ 180 ± 20° ⇒ lineare und nicht lineare sind möglich ⇒ typische Energie ~ 20 kJ mol-1 ⇒ symmetrisch oder antisymmetrisch möglich ⇒ Proteine, Wasser etc.

In der ersten Nährung ist es eine elektrostatische Anziehung zwischen einem elektropositiven Wasserstoff-Atom und einem elektronegativen Atom (oder einer Gruppe, z. B. H2O).

Page 64: Vorlesung ACII-1

14

Der Einfluss der Wasserstoff-Brücken-Bindungen ⇒ Intra- und inter-molekulare Wasserstoff-Brücken-Bindungen ⇒ Warum ist der Siedepunkt von Wasser +100°C, aber der von H2S –60°C !?

⇒ Was sollte höher sein, der Siedepunkt von Ethanol (H3C-CH2-OH) oder Methoxymethan/ Dimethylether (H3C-O-CH3) und warum ?

Page 65: Vorlesung ACII-1

15

Der Einfluss der Wasserstoff-Brücken-Bindungen ⇒ Warum ist die X-H Bindung in X-H··········Y länger als in freien X-H ? ⇒ Warum ist die ν(X-H) in X-H··········Y zu niedrigerer Wellenzahl verschoben im Vergleich zu freiem X-H ? ⇒ Wie ist der Stärke der X-H Bindung in X-H··········Y im Vergleich mit freiem X-H ?

Warum eine Rot-Verschiebung? (zu niedrigerer Wellenzahl)

⇒ Stärke der H··········Y-Bindung bzw. X-H-Bindung (vgl. freies H-X) ⇒ Länge der H-X-Bindung ⇒ Verschiebung der X-H-Bindung vgl. freies H-X ⇒ Dipolmomente

Page 66: Vorlesung ACII-1

16

HF: Eine der "einfachsten" und wichtigsten fluorhaltigen Verbindungen

Page 67: Vorlesung ACII-1

17

Ein Vergleich zwischen den HX-Verbindungen Ist HF den anderen HX-Verbindungen (HCl, HBr, HI) ähnlich? Eigenschaften HF HCl HBr HI Farbe (RT) farblos farblos farblos farblos Zustand (RT) flüssig Gas Gas Gas Siedepunkt (°C) 19.5 -84.2 -67.1 -35.1 Schmelzpunkt (°C) -83.4 -114.7 -88.6 -51.0 BDE (kJ mol-1) 574 428 363 295 HX · xH2O/HyOx

+X-

bekannt? (H2O)x HF x = 1, 2, 4

(H2O)x HCl x = 1, 2, 4, 6

(H2O)x HBr x = 1, 2, 3, 4, 6

(H2O)x HI x = 1, 2, 3, 4

Dissoziation von HX in H2O

~ 8 % 100 % 100 % 100 %

d(H-X) / Å 0.917 1.274 1.414 1.609 ΔHf° (kJ mol-1) -271.12 -92.31 -36.40 26.48 Greenwood, N. N. & Earnshaw, A., Chemistry of the Elements, Pergamon Press, S. 929.

Page 68: Vorlesung ACII-1

18

Wie reaktiv ist HF gegenüber Glas? Die technischen Schwierigkeiten beim Arbeiten Industrielle Verwendung von HF: mit HF und Supersäuren: (i) HF reagiert mit Glas * Herstellung von CFC´s (~ 37 %) (ii) HF ist sehr giftig und ätzend * Al-Produktion (~ 40 %) (iii) Wasserfreies HF ist bei RT gasförmig * Uran-Verarbeitung (~ 7 %) (iv) Niedrige Viskosität * "Petroleum"-Alkylierungs-Katalysatoren (~ 5 %) (v) Kann getrocknet werden * Glas-Ätzung (~ 10 %) (vi) Verursacht schwere Verätzungen Bromine trif luoride

Dinitrogen tetraoxide

Fluorsulfuric acid

Hydrogen f luoride

Sulfuric acid

Sulfur dioxide

Ammonia

Water

200 300 400 500 600

Liquid range/K

T. A. O'Donnell, Superacids and Acidic Melts as Inorganic Chemical Reaction Media, 1993, VCH, New York.

Es ist nicht einfach, mit wasserfreiem HF zu arbeiten!

Page 69: Vorlesung ACII-1

19

Der Einfluss von Wasserstoff-Brücken-Bindungen auf die Struktur von HF-Verbindungen

H

F

HF

HF

HF

HF

HF

120°

157 pm

92 pm

Struktur von HF im festen Zustand

F

HF F

HF

HF

H

H F HStruktur eines(HF)6-Hexamers F H F

-

Hydrogendifluorid-Ion

104°113 pm

FH

FH

F FH

FH

F

-

2.32o

H2F3-

H

F

2.40 Ao

-

H3F4-

FH

FH

F

H

F

2.45 Ao

-

H4F5-

F H-

F

FH

FH

2.45 Ao

F H-

F

FH

FH

-

H3F4-

-

FH

FH

-

H5F6-

2.48 Ao

2.27o

2.28o

Hollemann und Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Walter de Gruyter, S. 457.

F H-

2.26o F

-

H

F

Page 70: Vorlesung ACII-1

20

Superacids / Supersäuren? IUPAC-Definition der Supersäuren: Eine Supersäure ist eine Substanz mit hoher Acidität, die größer oder gleich ist als jene von 100%-iger-Schwefelsäure.

Beispiele der Supersäuren * Die Stärke einer Supersäure kann durch Zugabe einer Lewis- Säure verstärkt werden (Hammett´sche Aciditäts-Funktion).

Formel Trivialname Ho-Wert HF Fluorwasserstoffsäure -15.1

HSO3F Fluorschwefelsäure -15.1 HN(SO2CF3)2 kein Trivialname

CF3SO3H Triflic / Trifluormethansulfonsäure -14.1 H(CB11H6X6) kein Trivialname

T. A. O´Donnell, Superacids and Acidic Melts as Inorganic Chemical Reaction Media, 1993, VCH Publishers, Inc.

Page 71: Vorlesung ACII-1

21

Supersäuren und Hammett´sche Aciditätsfunktion Für "normale" wässrige Säure-Base-Systeme gilt: ΔpH = ΔpKW (Ionenprodukt des Wassers, also pH von 0 → 14) Sehr starke Säuren: pKA < 0 (HClO4, H2SO4: pKA ≈ - 3) Supersäuren (SS): pKA << 0 (2 HF H2F+ + F-) (2 HSO3F H2SO3F+ + SO3F-) Noch bessere SS durch Zugabe von LS (Adduktbildung): HF / BF3 oder HSO3F / SbF5 Beispiel: 2 HSO3F + LS H2SO3F+ + SO3F-.LS (GG nach rechts) Messung (photometrisch) der Acidität von SS erfolgt über (sehr) schwache Indikatorbasen B (z. B. Nitroanilin = O2N-C6H4-NH2): BH+ B + H+; KD = [B] [H+] / [BH+]; - log KD = pKD pKD = - log {[B] [H+] / [BH+]} = - log [H+] - log [B] / [BH+] Nach Hammett: Ho ≙ - log [H+] (wenn verdünnt: Ho ≈ pH) pKD = HO - log [B] / [BH+] Hammett´sche Aciditätsfunktion: Ho = pKD + log [B] / [BH+] Maß für den pH-Wert von SS

Page 72: Vorlesung ACII-1

1

Die 13. Gruppe: ‚Trends’

⇒ Eigenschaften ⇒ Gruppen ‚Trends’ ⇒ mögliche Oxidationsstufen ⇒ Vergleich der Ionisierungsenergien ⇒ ‚inert pair’ Effekt ⇒ NMR-aktive Kerne ⇒ Natürliche Häufigkeiten ⇒ Bormineralien: Borax, Na2[B4O5(OH)4]⋅8H2O Kernit, Na2[B4O5(OH)4]⋅2H2O Borocalcit, Ca[B4O7]⋅4H2O Colemanit, Ca2[B6O11]⋅5H2O NMR-aktive Kerne: Bor Aluminium Gallium Indium Thallium

203Tl; 29.5 %, I = ½ 10B; 19.6 %, I = 3 11B; 80.4 %, I = 3/2

27Al; 100 %, I = 5/2 69Ga; 60.4 %, I = 3/2 70Ga; 39.6 %, I = 3/2

113In; 4.3 %, I = 9/2 205Tl; 70.5 %, I = ½

Alle Elemente der 13. Gruppe besitzen mindestens ein NMR-aktives Isotop.

Borax Kernit

Page 73: Vorlesung ACII-1

2

Die 13. Gruppe: Bor

⇒ A. Stock (1920’s), W.N. Lipscomb (Borane, Nobelpreis, 1976), H.C. Brown (Hydroborierung, Nobelpreis, 1979)

⇒ Eigenschaften ⇒ Anwendungen ⇒ Bor niedriger / hoher Reinheit ⇒ Mega-Tonnen Mengen ⇒ Grenze zwischen Metall/Nichtmetall ⇒ Gewinnung ⇒ Mehrzentrenbindungen ⇒ 5 kristalline Modifikationen ⇒ ‚Cluster-Einheiten’ ⇒ ‚Anorganische C-C-Verbindungen’ ⇒ Wade’s Cluster-Regeln ⇒ Reaktivität bzw. F2, höhere T

Page 74: Vorlesung ACII-1

3

Bor-Modifikationen ⇒ 5 kristalline Modifikationen: Sie enthalten B als B12-Ikosaeder angeordnet in regulären Aufstellungen ⇒ α-rhomboedrisches Bor

⇒ einfachste B-Modifikation ⇒ kubisch-dichteste Packung ⇒ jede Ecke der Elementarzelle ist von einem B12 besetzt

⇒ β-rhomboedrisches Bor ⇒ einzige thermodynamisch stabile Form bei allen Temp. ⇒ thermodynamisch stabilste Form

Page 75: Vorlesung ACII-1

4

Bor-Modifikationen

⇒ α-tetragonales Bor ⇒ kubisches Bor ⇒ ? Matrix-Isolation ⇒ β-tetragonales Bor ⇒ Elementarzelle enthält 190 Bor-Atome ⇒ 8 x B12-Ikosaeder ⇒ 4 x B21-Doppel-Ikosaeder ⇒ 10 x einzelne B-Atome

Page 76: Vorlesung ACII-1

5

Bor-Wasserstoff-Verbindungen: Borane

⇒ Boran-Reihe(n) ⇒ Nomenklatur ⇒ elektronenarme Verbindungen: ‚enthalten mehr Atome, die durch kovalente Bindungen zusammengehalten werden, als verfügbare Elektronen’ ⇒ BH3: planar nur in (g), dimerisiert unter Bildung von B2H6 ⇒ Labor-Synthese von B2H6 ⇒ Bindungsverhältnisse im BH3: MO-Schema ⇒ industrielle Darstellung von B2H6

⇒ Eigenschaften von B2H6: • übel-riechendes, farbloses, giftiges Gas • mpt. = -164.85°C • bpt. = -92.49°C • pyrophor • H2O-empfindlich

⇒ * Natrium-Borhydrid(1-) * NaBH4 Precursor für B2H6 * weißer Feststoff * Reduktionsmittel

Page 77: Vorlesung ACII-1

6

Bindungsverhältnisse im BH3

E

Hybridisierung

2s

2p

3 x sp2

pz

3 x 1s

Bor

unhybridisiert hybridisiert

H1, H2, H3

σ1, σ2, σ3

σ1*, σ2*, σ3*

lokalisierte 2-Zentren-2-Elektronenbindungen

B

H

HH

⇒ H3B←CO: RT-stabiles Addukt von instabilem BH3 * Lewis-Säure-Eigenschaften von BH3 mit CO: * schwaches Donor-Akzeptor-Addukt mit CO * 95 % dissoziert bei 100°C → BH3 und CO * BH3 wirkt als Lewis-Säure; CO als Lewis-Base * Isoelektronisch mit CO2

Page 78: Vorlesung ACII-1

7

Stabileres Dimer: B2H6 ⇒ B-H: terminale = 2-centre-2-electron-Bindungen (2c-2e-bond) ⇒ B-H-B: verbrückende = 3-centre-2-electron-Bindungen (3c-2e-bond) ⇒ nicht äquivalente B-H-Bindungen Das MO-Schema für die 3c-2e-Bindungen in B2H6 ausgehend von sp3-Hybrid-Orbitalen am Bor: E

2 x sp31s

Ψ1b

Ψ2n

Ψ3a

B, B B B HH

Das MO-Schema für B2H6 ohne sp3-Hybrid-Orbitale zu verwenden: Bindungsordnung im B2H6 als Mittelwert = ¾

Page 79: Vorlesung ACII-1

8

Reaktivität von B2H6 ⇒ 5 Haupt-Reaktions-Klassen 1. Thermolyse 2. Spaltungs-Reaktionen BH3 = koordinativ ungesättigt B2H6 ‚höhere’ Borane symmetrische/unsymmetrische Spaltung:

B2H6 + 2 D 2 H3B←D

B2H6 + 2 D BH2D2+ BH4

- 3. Hydroborierungs-Reaktionen 4. Substitutions-Reaktionen Einschiebung von H2C=CH2 oder HC≡CH in B-H-Bindungen 1. Stufe: Addition des Donors (Hydroborierung: die Hydrierung und Borierung von C=C- 2. Stufe: -H2-Abspaltung und C≡C-Bindungen) z. B. BH3 BX3 z. B. Hydrolyse von B2H6

a)

5. Redox-Reaktionen

T > 50°C

C CC

B

C

H

C

B

C

H

C C

B HB2H6 + 3O2 B2O3 + 3 H2O 2 B2H6 + 2 Na NaBH4 + NaB3H8

Page 80: Vorlesung ACII-1

9

b)

Boran- und Carboran-Cluster ⇒ Definition: Eine elektronenarme Spezies besitzt weniger Valenzelektronen als für ein lokalisiertes

Bindungsschema notwendig wären (c. f. B2H6) ⇒ Definition: In einem Cluster bilden die Atome eine Käfig-ähnliche Struktur ⇒ Stock & Lipscomb: Bor bildet eine Reihe von Hydriden mit verschiedenen Kern-Anordnungen (Cluster-Typen) Cluster-Typ closo nido arachno hypho allgemeine Formeln

BnHn+2, [BnHn+1]- oder [BnHn]2-

BnHn+4, [BnHn+3]- oder [BnHn+2]2-

BnHn+6, [BnHn+5]- oder [BnHn+4]2-

BnHn+8, [BnHn+7]- oder [BnHn+6]2-

Zahl nicht besetzter Ecken

0 1 2 3

Beispiele [B6H6]2- B5H9 oder [B5H8]-

B4H10 oder [B5H9]-

weniger bekannt

Page 81: Vorlesung ACII-1

10

Cluster-Klassen: 1. closo: Bor-Atome bilden einen geschlossenen deltaedrischen Käfig (Käfig nur aus Dreiecksflächen, Δ, Trigon-Polyeder), allgemeine Formel: [BnHn]2- Beispiel: [B6H6]2- 2. nido: Bor-Atome bilden einen offenen Käfig, abgeleitet von einem deltaedrischen Käfig mit einer

unbesetzten Ecke allgemeine Formel: BnHn+4 oder [BnHn+3]- Beispiel: B5H9 oder [B5H8]- 3. arachno: Bor-Atome bilden einen offenen Käfig, abgeleitet von einem deltaedrischen Käfig mit zwei unbesetzten Ecken (meist cis) allgemeine Formel: BnHn+6 oder [BnHn+5]- Beispiel: B4H10 oder [B5H9]- 4. hypho: Bor-Atome bilden einen offenen Käfig abgeleitet von einem deltaedrischen Käfig mit drei

Page 82: Vorlesung ACII-1

11

unbesetzten Ecken allgemeine Formel: BnHn+8 oder [BnHn+7]- Beispiel: wenig(er) bekannt 5. conjuncto: Zwei oder mehr Käfige, die miteinander verbunden sind durch ein gemeinsames Atom, eine externe Bindung, eine gemeinsame Kante oder eine gemeinsame Fläche Beispiel: (B5H8)2

Boroxide, Oxosäuren und Oxoanionen ⇒ Bor bildet Oxide mit folgenden Zusammensetzungen: (i) B2O3 (ii) BO (iii) B2O (i) Dibortrioxid, B2O3 ⇒ kristallin ⇒ sehr hygroskopisch ⇒ reagiert mit H2O unter Bildung von B(OH)3

⇒ 50 Kilo-Tonnen pro Jahr ⇒ Herstellung von Bor-Halogeniden/Borsilicat-Gläsern ⇒ 3-D Netzwerk, planare BO3-Einheiten ⇒ spaltet bei hohen T → B2O3 Monomere ab

BO

O

O B

O

O B

O

O

B

O

Page 83: Vorlesung ACII-1

12

Bor-Säuren ⇒ Bor bildet Oxosäuren mit folgenden Zusammensetzungen: (i) H3BO3 (ii) H2BO2 (iii) HBO (i) Borsäure, H3BO3 ⇒ weißer, wachsartiger Feststoff ⇒ löslich in H2O ⇒ schwache Brønsted-Säure, die sich wie eine Lewis-Säure verhält, d.h. OH—Akzeptor, einprotonige (einwertige) Säure H3BO3 α-HBO2 β-HBO2 γ-HBO2 B2O3 Formel H3BO3 α-HBO2 β-HBO2 γ-HBO2 Name Orthoborsäure α-Metaborsäure β-Metaborsäure γ-Metaborsäure KZ am Bor 3 3 3 für 2/3 der B-Atome

4 für 1/3 der B-Atome 4

Struktur * 2-D-Schichten * unsym. H-Bindungen innerh. d. Schichten

* ‚Boroxine’-Ringe * 2-D-Schichten

* kettenartiges Polymer * [HBO2]x

* 3-D Netzwerk * [HBO2]x

T < 130°C - H2O

130 < T < 150 Tage Wochen - 1/2 H2O

T > 150°C T = 500°C

Page 84: Vorlesung ACII-1

13

Borate ⇒ Salze der Orthoborsäure, Metaborsäure oder von Polyborsäuren ⇒ Borax: Na2[B4O7]⋅10H2O ⇒ gewonnen aus Kernit durch Lösen von Borax in heißem H2O unter Druck dann Auskristallisieren ⇒ Megatonnen Produktion für Gläser und Porzellan, Ausgangsverbindung für Perborate und Dünger Herstellung ⇒ Perborate/Peroxoborate: B(OH)3 + Na2O2 Na2[B2(O2)2(OH)4] Austausch der OH-Gruppen durch OOH-Gruppen B(OH)2(OOH) = Orthoperoxoborsäure Natrium-Perborate ≡ Natrium-Peroxoborate Bleichmittel Monoborate und Oligoborate:

Page 85: Vorlesung ACII-1

14

B-N-Verbindungen

⇒ BN ist isoelektronisch mit CC ⇒ ‚anorganische Kohlenwasserstoff-Verbindungen’ ⇒ Bornitrid, BN; Borazine, (HBNH)3; Amminborane, H3BNH3; Aminoborane, H2B=NH2; Iminoborane, HB≡NH

H C C

H

H

H

H

H

C C

H

H

H

H

H C C H

H

H

H

H

H

H

H B N

H

H

H

H

H

B N

H

H

H

H

H B N H

BN

B

NB

NH

H

H

H

H

H

Die Analogie zwischen BN- und CC-Verbindungen

Ethan Ethen Ethin Benzol

Amminboran Aminoboran Iminoboran Borazin

Page 86: Vorlesung ACII-1

15

Bornitrid: Anorganisches-Graphit oder –Diamant ?

⇒ BN ist isoelektronisch mit CC ⇒ ‚anorganische Kohlenwasserstoff-Verbindungen’ Eigenschaften α-BN β-BN Struktur-Typ Schichten-Graphit Diamant d(B-N) / Ǻ 1.446 1.56 Abstand zwischen Schichten 3.33 Ǻ - ‚Anorganisches ........?’ ‚anorganischer Graphit’ ‚anorganischer Diamant’ elektr. Leitfähigkeit ? Isolator nein Trivialname - Borazon Härte Schmiermittel Nur Diamant ist härter Farbe weiß γ-BN ist auch bekannt 2 Na + NaN3 + BN Na3BN2 + N2 auch bekannt: [BN3]6- und [B2N4]8-

B

N

N N 2-2-

-

-

Page 87: Vorlesung ACII-1

16

Amminboran, Aminoboran und Iminoboran ⇒ BN ist isoelektronisch mit CC ⇒ ‚anorganische Kohlenwasserstoff-Verbindungen’ Eigenschaften Amminboran Aminoboran Iminoboran ‚anorganisches.......’ ‚anorganisches Ethan’ ‚anorganisches Ethen’ ‚anorganisches Ethin’ Beispiel H3BNH3 X2BNR2 XBNR Punktgruppe C3v C2v (für R = H) C∞v (für R = H) Anordnung der Atome tetraedrische B-Atome

tetraedrische N-Atome trigonal-planare B-Atome trigonal-planare N-Atome

linear

Allgemeine Eigenschaften farbloser Feststoff * polymerisiert leicht * H2BNH2 als Monomer instabil

*HBNH = sehr instabil *polymerisiert bei RT *kann bicyclische Trimere bilden ‚anorganisches Dewar- Benzol’ * normalerweise nicht monomer

Reaktivität reaktiver als Ethen reaktiver als Ethin

H B N

H

H

H

H

H

H B N HB N

H

H

H

H

Page 88: Vorlesung ACII-1

17

Borazin

⇒ 3/2 B2H6 + 3 NH3 B3N3H6 + 6 H2 ⇒ farbloses Flüssigkeit ⇒ bpt. = 55°C ⇒ planarer 6-Ring ⇒ trigonal-planare B-und N-Atome ⇒ ähnliche physikalische Eigenschaften wie Benzol ⇒ Name: ‚anorganisches Benzol’ ⇒ alle B-N-Bindungslängen sind gleich im Borazin ⇒ d(B-N) = 1.436 Ǻ; d(C-C) (Benzol) = 1.397 Ǻ ⇒ reaktiver als Benzol ⇒ isoelektronisch und isostrukturell mit Benzol ⇒ addiert leicht 3 äquivalente HX bei RT ⇒ ‚gesättigtes anorganisches Cyclohexan’

250 < T > 300°C

Page 89: Vorlesung ACII-1

18

Borhalogenide ⇒ BX3, B2X4, B4X4, BnXn bekannt Eigenschaften BF3 BCl3 BBr3 BI3 Farbe farblos farblos farblos farblos Zustand bei RT Gas Gas Flüssigkeit Feststoff mpt. / °C -128.4 -107.3 -46 49.9 bpt. / °C -99.9 12.5 91.3 210 Struktur monomer,

trigonal-planar monomer, trigonal-planar

monomer, trigonal-planar

monomer, trigonal-planar

d(B-X) / Ǻ 1.30 1.75 1.87 2.10 Säure/Base? ‚hard’ Lewis-Säure Lewis-Säure Lewis-Säure Lewis-Säure D→BX3-Komplexe? ja oft instabil

BCl3⋅NMe3 ist stabil

Zersetzung in H2O ? B(OH)3 + HF B(OH)3 + HCl Salze des BX4

- isolierbar ?

NaBF4:Tzers. = 384°C CsBF4:Tzers. = 550°C

BCl4- nur mit großen

Kationen BBr4

- nur mit großen Kationen

BI4- nur mit

großen Kationen Anwendungen Friedel-Crafts-

Katalysator, Rauch-Erzeugung, Ausgangsverbindung

Friedel-Crafts-Katalystor, Halbleiter-Technologie

Halbleiter-Technologie

Page 90: Vorlesung ACII-1

19

Borhalogenide: BX3 ⇒ Halogen-Austausch in BX3/BY3-Mischungen ⇒ Gas-Phasen-Addukt-Stabilität: L⋅BF3 < L⋅BCl3 < L⋅BBr3 < L⋅BI3 ⇒ Gas-Phasen-Lewis-Acidität: BI3 > BBr3 > BCl3 > BF3 (!) ⇒ Technische Synthese von BF3, BCl3 & BBr3 ⇒ HF/BF3-Mischungen = starke H+-Donatoren (starke Brønsted-Säuren) ⇒ Lewis-Strukturen, Oktett-Regel, Partialladungen ⇒ die Bildung von D→BF3-Komplexen sp2 Bor umhybridisiert zu sp3

⇒ Aber OC→BF3 ist stabiler als OC→BCl3 (!); ionische Beiträge, Bindungs-Polaritäten.

BX3 d(B-X) / Ǻ rcov. / Ǻ ΔH / kJ mol-1 BF3 1.30 0.71 -79 BCl3 1.76 0.99 -155 BBr3 1.87 1.14 -188

Page 91: Vorlesung ACII-1

20

Borhalogenide: B2X4 ⇒ B2X4 weniger stabil als entsprechendes BX3 ⇒ planar in (s) (D2h); BX2 um 90° gegeneinander gedreht in (fl.) und (g) (D2d) ⇒ kleine Rotationsbarriere ~ 10 kJ mol-1 ⇒ kurze B-X-Bindungen ⇒ isoelektronische Analogien ⇒ schwache π*-π*-Wechselwirkung zwischen zwei BX2-Einheiten 2 BCl3 + Hg B2Cl4 + HgCl2 2 BCl3 + 2 Cu B2Cl4 + 2 CuCl 3 B2Cl4 + 4 SbF3 3 B2F4 + 4 SbCl3 ⇒ thermische Stabilität: B2(NMe2)4 > B2F4 > B2Cl4 > B2Br4 > B2I4 >> B2H4 B2X4 BX3 + BnXn X = Cl, Br, I B2X4 Tetrahalogendiboran (4)

B2F4: farbloses Gas, mpt. = -56°C, bpt. = -34°C

B2Cl4: farblose Flüssigkeit, mpt. = -93°C, bpt. = 67°C

B2Br4: farblose Flüssigkeit, Tzers. = RT

B2I4: gelbe Kristalle, Tzers. = RT

(BX)n Bor-monohalogenide

(BF)n nur in Mischungen (BCl)n n = 4, 8 - 12

(BBr)n n = 7 - 10

(BI)n n = 8, 9

Page 92: Vorlesung ACII-1

21

Metallboride und Borcarbide Metallboride: ⇒ > 200 verschiedene Metallboride MnBm (n <, = oder > m) ⇒ > 75 % sind: MB, M2B, MB2, MB4 oder MB6 ⇒ Bor-reich: MB3, MB4, MB6, MB10, MB12, M2B5, M3B4 ⇒ Metall-reich: M3B, M4B, M5B, M3B2, M7B3 ⇒ viele Synthesen möglich ⇒ charakteristische Eigenschaften: hart, hohe mpt., chemisch resistent, industriell wichtig als feuerfeste Materialien, Turbinen-Schaufeln, Hoch-Temperatur-, Schock- und Stress-beständig ⇒ Ti + nB TiBn (n = 1,2); 2 TiCl4 + 4 BCl3 + 10 H2 2 TiB2 + 5/3 Al2O3 ⇒ Bor-Strukturelemente:

zick-zack-Bor-Ketten verzweigte Bor-Ketten Doppel-Ketten Borcarbide: ‚Borcarbid’: ‚B4C’ tatsächlich B13C2 – B12C3 Technische Synthese: 2 B2O3 + 7 C B4C + 6 CO (Boroxide bzw. Dibortrioxid mit Kohle bei 2400°C) schwarz-glänzende Kristalle, mpt. = 2400°C, fast so hart wie Diamant, reagiert nicht mit HNO3, reagiert nur langsam mit O2 unterhalb von 1000°C. Anwendungen: Schleifmittel, Neutronen-Abschirmmaterial in Kernkraftwerken.

BB

BB

BB

BB

BB

BB

BB

B

B B B B

BB

BB

BB

B

B B B BB B B

Page 93: Vorlesung ACII-1

1

Die 14. Gruppe: Kohlenstoff ⇒ Am Aufbau der uns zugänglichen Erdhülle (Erdrinde, Wasser- und Lufthülle) beteiligen sich die Elemente der 14. Gruppe mit: C = 0.02 % (Gewichts %) Si = 26.3 % Ge = 1.4 x 10-4 % Sn = 2 x 10-4 % Pb = 12 x 10-4 % Einige ‚Trends’ der 14. Gruppe: 1. Die Stabilität der Oxidationsstufe +2 steigt von oben nach unten (mit der OZ) (Ausnahmen bilden die elementorganischen Derivate dieser Elemente) 2. Mittlere M-H- und M-C-Bindungsenergien ↓ C → Pb Hydrolyse-Raten: Pb >> Sn >>> Ge > Si >> C 3. Kettenbildung: Element-Element mittlere Bindungs-Enthalpien ↓: C-C > Si-Si > Ge-Ge > Sn-Sn > Pb-Pb 4. Verbindungen mit Mehrfachbindungen: Fähigkeit eines Elements, Mehrfachbindungen auszubilden ↓ C=C > Si=Si > Ge=Ge > Sn=Sn > Pb=Pb 5. Metallische Eigenschaften steigen von oben nach unten (Ionisierungsenergie!): C > Si > Ge > Sn > Pb 6. Mögliche KZ steigen von oben nach unten in der Gruppe (mit dem Radius)

1. Hybridisierungs-Defekte

C-H: stabil; Si-H: H2O-empfindlich

‚Doppelbindungsregel’

Page 94: Vorlesung ACII-1

2

Kohlenstoff ⇒ Vorkommen in der Natur als Graphit, Diamant, CO2, Carbonate usw. ⇒ wichtige Carbonat-Mineralien: Calciumcarbonat: CaCO3 (Kalkstein, Marmor, Kreide) Calciummagnesiumcarbonat: CaCO3⋅MgCO3 (Dolomit) Magnesiumcarbonat: MgCO3 (Magnesit) Eisencarbonat: FeCO3 (Siderit) Mangancarbonat: MnCO3 (Rhodochrosit) Zinkcarbonat: ZnCO3 (Zinkspat / Calamin / Smithsonit) ⇒ 2.7 x 1011 t an Kohlenstoff in der Biosphäre: 99 % in Pflanzen, 1 % in Tieren ⇒ drei natürliche Isotope: 12C (98.9 %); 13C (1.1 %, I = ½); 14C (1.2 x 10-10 %, radioaktiv) ⇒ kosmische Strahlung in der Atmosphäre generiert Spuren von 14

6C, das in der Atmosphäre als CO2 auftritt und sich wieder in 14

7N umwandelt. Aufgrund von Stoffwechselmechanismen ist das 12

6C/146C-Verhältnis bei lebenden Organismen konstant. Nach dem Absterben

verändert sich das Verhältnis zugunsten von 126C. (14

6C = ß- -Strahler, t½ = 5730 Jahren; Altersbestimmung bis zu 50.000 Jahren möglich)

Page 95: Vorlesung ACII-1

3

Modifikationen des Kohlenstoffs Graphit Diamant Fullerene ⇒ Graphit α-Graphit: stabilste Modifikation unter Normalbedingungen sp2-Hybridisierung, planar, Schichtstruktur elektrische Leitfähigkeit ↑ mit ↑ T AAA Stapelfolge unbekannt; ABAB-Stapelfolge = α-Graphit, ABCABC-Stapelfolge= β-Graphit erhalten aus natürlichem oder künstlichem Graphit

α-Graphit ß-Graphit kubisch hexagonal C60...............................C94

zermahlen

erhitzen auf 1025°C

Graphit

Page 96: Vorlesung ACII-1

4

Modifikationen des Kohlenstoffs ⇒ Diamant kubischer Diamant (‚normal’): kubisch-dichteste Packung (ccp) Hexagonaler Diamant (‚sehr selten’): in Meteoriten gefunden: hexagonal-dichteste Packung (hcp) Diamant: metastabil sp3-Hybridisierung, Td koordiniert, nur σ-Bindungen, 3-D-Netzwerk natürlicher Diamant, künstlicher Diamant (unter Druck) Eigenschaften Graphit Diamant Farbe grau, nicht durchsichtig farblos, durchsichtig mpt. /°C 3750 bei 127 bar Druck 3800 bei 130 kbar Druck Elektrische Leitfähigkeit parallel zu den Schichten Isolator (keine π-Elektronen) π-Delokalisation innerhalb Schichten keine C-Hybridisierung sp2 sp3 d(C-C) / Å 1.421 (kürzer im Vergleich zu Diamant) 1.545 (länger im Vergleich zu Graphit) Verschiedenes temperaturstabil, gute Wärmeleitfähigkeit,

feuerfeste Produkte, "weich" höchste Wärmeleitfähigkeit aller bekannten Substanzen, hart

Page 97: Vorlesung ACII-1

5

Fullerene ⇒ durch Ersatz einiger C6-Ringe durch C5-Ringe in einer Graphit-Schicht resultiert eine Krümmung

der zuvor ebenen Schicht (sphärische Modifikation). ⇒ Synthese: Verdampfung von Graphit in einem Lichtbogen unter Schutzgas. Auch durch

Widerstandsheizung kann Graphit verdampft werden. Graphit verdampft in Form kleiner Moleküle wie C2, die beim Abkühlen zu größeren Aggregaten reagieren

⇒ kleinstes sphärisches Molekül (isoliert) nur aus C-Atomen ist C60. ⇒ C60 = Buckminster-Fullerene oder Ih-Fullerene-60, "footballen" (USA Architekt und Ingenieur Richard Buckminster Fuller) ⇒ Halbleiter, hohe Ionisierungsenergien ⇒ C60-Gruppen rotieren mit 100 Millionen Umdrehungen / h bei RT ⇒ einzelne Ringe = planar, sp2-C-Atome ⇒ alle C-Atome äquivalent, aber zwei Bindungs-Typen anwesend ⇒ ‚Heterofullerene’, ‚endohedrale Fulleren-Komplexe’

Page 98: Vorlesung ACII-1

6

Weitere Fullerene ⇒ π-System der Fullerene (3-D) ⇒ 3-D Aromatizität (Graphit = 2-D) ⇒ weniger delokalisierte π-Bindungen in Fullerenen, σ-Bindungen mehr gespannt in Fullerenen ⇒ Fullerene sind thermodynamisch weniger stabil als Graphit. ⇒ ‚Pentagon rule’, Ih-Fullerene-20, C60, ‚leap-frog rule’ ("baseballen")

⇒ Fullerene: Luft/H2O-stabil gelb/braune – schwarz/braune, weiche Kristalle niedrigere Dichte als Graphit (1.65 g cm-3) unlöslich in H2O; wenig löslich in organischen Lösungsmitteln

⇒ Graphit ⇒ Schichtstruktur Diamant ⇒ Raumnetzstruktur Fullerene ⇒ Molekülstruktur

Page 99: Vorlesung ACII-1

7

Graphit-Verbindungen (i) kovalent: Graphitfluorid ⇒ Fluorierung von Graphit liefert CF4, (CF)n (n = 0.8 – 0.9) oder (CF)n ⇒ (CF)n = farblose, hydrophobe Verbindung trockener Schmierstoff, chemisch inert sp3-C-Atome, C-C-Einfachbindungen, nicht elektrisch leitend Graphitfluorid ≡ (CF)n vgl. mit Teflon© Schichtabstand = 5.80 – 6.15 Ǻ (3.35 Ǻ in Graphit) Struktur von MC8 (ii) ionisch: Graphit-Einlagerungsverbindungen ⇒ entstehen durch Einlagerung von Elektronen-Donoren oder Elektronen-Akzeptoren und gleichzeitigen Ladungsaustausch, d.h. es kommt zu einer ionischen Verknüpfung der eingelagerten Stoffe mit Kohlenstoff ⇒ 1. Stufe, 2. Stufe usw. ⇒ Beispiele (e--Donatoren): C8M, C24M, C36M, C16Li, C40Li ⇒ Beispiele (e--Akzeptoren): C8

+BF4-, C24

+HSO4-

Page 100: Vorlesung ACII-1

8

Fulleren-Verbindungen (i) kovalent (ii) ionisch (i) kovalent: das Buckminster-Fullerenfluorid ⇒ Fluorierung von C60 (c.f. Graphit-Fluorid) ⇒ Fluorierung ist langsam: (i) sterische Hinderung der exo-F-Atome (ii) Fluorierung ↓ aromatischer Charakter des C60 (ii) ionisch: Fulleren-Einlagerungsverbindungen ⇒ Fullerene können elektrolytisch oder chemisch zu Metalfullerifen reduziert werden. ⇒ Fullerene können mit größerer Schwierigkeit zu Fulleren-Salzen des Typs CnXm oxidiert werden. (iii) endohedrale Fulleren-Verbindungen (Endohedral bedeutet, dass He im Käfig eingebaut ist) ⇒ z. B. He@C60 (exotisch) C60 erhitzt unter He Überdruck (270 MPa) bei 600°C (iv) Fulleren-Komplexe ⇒ Fullerene = π-Liganden z. B. [(PEt3)2Pt]nC60 (n = 1- 6)

Fulleren-Struktur bleibt erhalten

Page 101: Vorlesung ACII-1

9

Allgemeine Eigenschaften des Kohlenstoffs (i) Oxidationsstufen +4 → -4 stabil (ii) Bindungsordnungen 1 → 3 (iii) sp-, sp2-, sp3-hybridisierter Kohlenstoff (iv) Tendenz, Anion zu bilden, ist höher als Kationen zu bilden Methanide: M4C + 4H+ CH4 + 4 M+ Acetyl(en)ide: M2C2 + 2H+ C2H2 + 2 M+ Allenide: M4C3 + 4H+ C3H4 + 4 M+ Carbide ‚Verbindungen von C mit Metallen und Nichtmetallen mit niedriger Elektronegativität, d.h. C ist Elektronegativer Partner’ großtechnisch: z.B. SiC, B13C2 z. B. WC, W2C CaO + 3C CaC2 + CO hohe mpt. inert sehr hart, ‚Einlagerungscarbide’

sp3 sp2 sp sp Td, 109.5° b.o. = 1

planar, 120° b. o. = 1, 2

linear, 180° b. o. = 1, 3

linear 180° b. o. = 2

salzartig (ionisch) kovalent metallisch

Hydrolyse

Hydrolyse

Hydrolyse

C C C C

Page 102: Vorlesung ACII-1

10

Kohlenstoff-Halogen-Verbindungen: CX4 ⇒ thermische Stabilität ↓: CF4 > CCl4 > CBr4 > CI4 ⇒ gemischte = Freon z. B. CFCl3

Struktur CF4 CCl4 CBr4 CI4

farbloses Gas relativ inert reagiert nicht mit H2O sehr stabil ΔHf = - 679.9 kJ mol-1 BE = 514 kJ mol-1 Smp = -184°C, Sdp. = -129°C

farblose Flüssigkeit ΔHf = -106.7 kJ mol-1 Lösungsmittel, Giftig Ausgangsverbindung in Freon-Herstellung BE = 284 kJ mol-1, Smp = -23°C, Sdp = 77°C

hell-gelbe Kristalle ΔHf = -139.3 kJ mol-1 BE = 205 kJmol-1

dunkel-rote Kristalle lichtempfindlich ΔHf = 160 kJ mol-1

Synthese: CF2Cl2 + F2 → CF4 (Exotherm) CH4 + X2 → CX4 + 4 HX (X = Cl, Br) CCl4 + 4 EtI → CI4 + 4 EtCl CS2 + 3 Cl2 → CCl4 + S2Cl2 (Chlorierung von CS2) 0

1 0 0

2 0 0

3 0 0

4 0 0

5 0 0

6 0 0

C - X b o n d

Bon

d en

ergy

(kJ

/ mol

)

CF4 CCl4 CBr4 CI4

Page 103: Vorlesung ACII-1

11

Gibt es andere Anwendungen für perfluorierte CFC-Verbindungen?

⇒ Clark und Gollan, 1966 Eine Maus kann überleben, wenn sie mit Sauerstoff gesättigte flüssige CFC einatmet. Science, 1966, 152, 1755. ⇒ Zwei Hauptmöglichkeiten für die neuen Sauerstoff-Träger: (i) Koordination des Sauerstoff-Moleküls an einen Metall-Chelat-Komplex (ii) Inerte Lösungsmittel, um Sauerstoff zu lösen ⇒ Inerte Lösungmittel, um Sauerstoff zu lösen: Die Fluorkohlenstoffe steigern die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu liefern, welcher in das Gewebe diffundiert, während CO2 herausdiffundiert. Die CFC‘s absorbieren O2 in der Lunge und transpor- tieren diesen in die Gewebe. Schließlich wird das nicht giftige CFC aus dem Körper ausgeschieden.

Page 104: Vorlesung ACII-1

12

Andere Kohlenstoff-Halogen-Verbindungen ⇒ thermische Stabilität ↓: CF4 > CCl4 > CBr4 > CI4; COF2 > COCl2 > COBr2 ⇒ alle COX2 sind H2O-empfindlich ⇒ gemischte COXY sind bekannt

Struktur X = F X = Cl X = Br X = I

farbloses Gas farblose Kristalle gelbe Kristalle

farbloses Gas wichtige Ausgangverbindung für der Herstellung von Teflon H2O unlöslich

farblose Flüssigkeit gelbe Kristalle gelbe Kristalle

farbloses Gas gelbes Gas Feststoff

farbloses Gas, planar Synthese: OCCl2 + 2 NaF → OCF2 + 2 NaCl Punktgruppe = C2v

farbloses Gas, giftig, planar Synthese: CO + Cl2 → COCl2 Punktgruppe = C2v

Feststoff

C C

X

X

X

X

X

X

C C

X

X

X

X

C CX X

C O

X

X

Page 105: Vorlesung ACII-1

13

Teflon: (C2F4)n ⇒ hohe Masse (Polymer, helikal) ⇒ nicht zerbrechlich bis -200°C ⇒ sehr hohe thermische Stabilität ⇒ H2O-unlöslich, hydrophob ⇒ Molekularmasse beträgt 106 → 107 ⇒ (C2F4)n stabil bis 600°C ⇒ C-F-Bindungsenergie = 481 kJ mol-1 ⇒ T > 600°C, Perfluorisobuten wird gebildet ⇒ Dichtungen usw. für UF6-Herstellung (Anreicherung von 235U)

Wiederholungsabstand = 16.8 Ǻ

Page 106: Vorlesung ACII-1

14

C-O-Verbindungen Die vier C-O-Verbindungen: Synthesen: ⇒ Kohlenstoffmonoxid, CO H2CO2 H2O + CO Kohlenstoffdioxid, CO2 H2CO3 H2O + CO2 Trikohlenstoffdioxid, C3O2 H4C3O4 2 H2O + C3O2 Dodecakohlenstoffnonaoxid, C12O9 H6C12O12 3 H2O + C12O9 ⇒ CO: Labor: HCOOH H2O + CO technisch: 2 C (Koks) + O2 + 4 N2 2 CO + 4 N2 (Generatorgas) C + H2O CO + H2 (Wassergas) CH4 + H2O CO + 3 H2 (Synthesegas) giftig: bindet fester an Hämoglobin als O2 Reaktivität: Brennt an Luft mit bläulicher Flamme: CO + ½ O2 CO2 (ΔH = -283 kJ mol-1) Industriell eingesetzt als Reduktionsmittel (Fischer-Tropsch-Synthese)

100°C

Page 107: Vorlesung ACII-1

15

Page 108: Vorlesung ACII-1

16

Kohlenstoffdioxid ⇒ Natur: frei als CO2; gebunden als CO3

2- ⇒ Synthesen: C + O2 CO2 (Verbrennung von Koks im Überschuss von Luft) CaCO3 CaO + CO2 (Brennen von CaCO3) ⇒ Labor: Kipp’scher Apparat:

farbloses, nicht brennbares Gas, schwerer als Luft, sehr stabil, isoelektronische Analoga, Lewis-Strukturen, CO2 sublimiert, bevor es schmilzt (Phasen-Diagramm), Trockeneis = CO2(S), CO2 kann auch O2 am Hämoglobin ersetzen

⇒ Anwendungen: Harnstoff-Synthese, Feuerlöscher, Kühlmittel Reduziert nur von starken Reduktionsmitteln, schwaches Oxidationsmittel bildet zwei Salz-Serien: (i) Carbonate, M2CO3 (ii) Hydrogencarbonate, MHCO3 CO3

2- Lewis-Strukturen, Brønsted-, Lewis-Säure/-Basen-Eigenschaften alle MIHCO3 (außer NaHCO3) sind löslich in H2O nur Alkalimetallcarbonate, z.B. M2CO3, sind in H2O löslich

ΔH = -394 kJ mol-1

ΔH = 178 kJ mol-1

Page 109: Vorlesung ACII-1

17

MO-Schema für CO2

R. Steudel, Chemie der Nichtmetalle, Walter de Gruyter, 2. Auflage, s. 120 T. M. Klapötke, I. C. Tornieporth-Oetting, Nichtmetallchemie, VCH, s. 32.

Page 110: Vorlesung ACII-1

18

C-S-, C-Se- und C-Te-Verbindungen ⇒ CS, CS2, C2S3, C4S6, C9S9, (CSn)x ⇒ C-S-Verbindungen = Kohlenstoffsulfide ⇒ technisch: CH4 + ½ S8 CS2 + 2 H2S ⇒ Anwendungen von CS2: Lösungsmittel, Zellophan-Herstellung ⇒ gemischte, COS; CS2 + H2O COS + H2S ⇒ CS instabil in Gasphase, ausgefroren bei -190°C, polymerisiert zu C3S2 + S8

Dithiocarbonat Xanthogenat Dithiocarbamat Thioharnstoff ⇒ CSe2 = Kohlenstoffdiselenid, gelbe, stinkende Flüssigkeit, polymerisiert langsam bei RT, linear: Se + CH2Cl2 CSe2 + … ⇒ CTe2 = instabil, Matrix-isoliert, gemischte z.B. OCTe, SCSe sind bekannt

CO2 CS2 Gas (RT) Flüssigkeit (RT)

exotherm endotherm (ΔHf = 117 kJ mol-1)

Feuerlöscher brennbar nicht giftig giftig lichtempfindlich CO CS metastabil (g) instabil (g) ÜM-Ligand rarer ÜM-Ligand Ni(CO)4, Fe(CO)5 stabil bei RT

Ni(CS)4 instabil bei RT (Matrix)

S C

O

S

-

-S C

OR

S -S C

NR2

S

S C

NH2

NH2

CS2 + OH- CS2 + OH- CS2 + NR2- CS2 + NH3

200°C

600°C, Al2O3

Page 111: Vorlesung ACII-1

19

C-N-Verbindungen ⇒ Binäre Nitride: CN, (CN)2, (CN)x auch CN-substituierte C-H-Verbindungen ⇒ Dicyan; farbloses, giftiges Gas, polymerisiert falls verunreinigt bei hoher T, Lewis-Struktur technische Synthese (Oxidation von HCN): 2 HCN (CN)2 Lab Synthese: 4 KCN (CN)2 + K2SO4 über Cu(CN)2 (Disproportionierung) ⇒ Disproportioniert in Lauge nach: (CN)2 + 2 OH- → CN- + OCN- + H2O ⇒ Dicyan: N≡C-C≡N; linear, D∞h, Giftig, Smp.= -28°C, ΔHf = 297 kJ mol-1 Cyanisocyan: N≡C-N≡C (71 kJ mol-1 höher in Energie) Diisocyan: C≡N-N≡C (272 kJ mol-1 höher in Energie)

+ ½ O2, Cl2; - H2O, - 2 HCl kat.

+ 2 CuSO4 in H2O, 60°C, - 2CuCN

(CN)2 (CN)x CN.300 – 500°C, Kat. T > 850°C

NC

CN

C

C

NC

CN

NC

CN

T = 800°C

Page 112: Vorlesung ACII-1

20

⇒ Blausäure; HCN CNH (Isoblausäure) Brønsted-Säure: HCN H+ + CN- pKs = 2.1 x 10-9 Brønsted-Base: HCN + HF + SbF5 HCNH+SbF6

- Lewis-Base: HCN + SbF5 HCN⋅SbF5 sehr giftig, blockiert Fe in Hämoglobin, Cytochromoxidase; Antidot = NaNO2/Na2SO3-Lösungen Industrielle Herstellung: CH4 + NH3 HCN + 3 H2 (Degussa-Prozeß) CH4 + NH3 + 3/2 O2 HCN + 3 H2O (Andrussov-Prozeß) Methylmetacrylat-, Cyanamid-, Cyanurchlorid-Herstellung ⇒ Halogencyane: XCN (X = F, Cl, Br, I) farblos, linear, flüchtig ⇒ FCN durch Thermolyse von (FCN)3: Halogen-Isocyanate (CNX) sind unbekannt ⇒ organische Nitrile (R-CN), organische Isonitrile (R-NC)

N N

NX X

X

HN NH

HNO O

O

3 XCN+ HX Falls X = OH

Cyanurhalogenid

Halogencyane

Page 113: Vorlesung ACII-1

21

C-N-Verbindungen ⇒ Cyansäure/Isocyansäure- bzw. Isoknallsäure/Knallsäure-Gleichgewichte berechnete thermodynamische Stabilität: OCNH > HOCN > HCNO > CNOH ⇒ Trimerisierung von HNCO zur Cyanursäure (Folie 20) Cyanate/Fulminate Untersuchungen von Wöhler und Liebig ⇒ Entdeckung der „Isomerie“ (1824) ⇒ HSCN (Thiocyansäure) nicht isoliert in reiner Form ⇒ HNCS (Isothiocyansäure) metastabil < 0°C ⇒ SCN- durch Sulfurierung von CN- mit S8

⇒ mono-, bis-, trisdentate-Komplexe möglich (Bindungsisomerie) ⇒ ‚Dirhodan’ NCS-SCN; polymerisiert T > -7°C → (SCN)x (Polyrhodan) ⇒ Cyanamid, H2NCN Tautomere: Cyanamid, Carbodiimid, Isocyanamid, Imidoknallsäure, Diazomethan, "Isodiazomethan", Diazirin farblose Kristalle, H2O-löslich trimerisiert zu (H2NCN)3 (Melamin) NH3 + ClCN H2NCN + HCl technische Herstellung: CaC2 + N2 CaCN2 + C (Ansäuren von CaCN2 liefert H2NCN)

SCN

NCSSCN SCN

1000°C

Page 114: Vorlesung ACII-1

1

Modifikationen von Stickstoff und Phosphor ⇒ Stickstoff: Luft, in gebundener Form hauptsächlich in Nitraten, BE (N2) = 943 kJmol-1, Fp. -210°C, Kp. = -196°C; 2 Isotope (14

7N (99,63%, 15 7N (0,37%) diamagnetisches Gas;

technische Synthese: Linde-Verfahren ⇒ Phosphor: hohe O-Affinität; nicht elementar in der Natur. ⇒ Mineralien: Apatit, Phosphatgestein, Phosphorit ⇒ 1 natürliches Isotop, I (31P) = ½ (Reinelement) thermodynamische Stabilität (bei RT): Pweiß < Prot < Pviolett < Pschwarz weißer P4 = sehr giftig (vgl. N2 !), unter H2O schneiden. ⇒ Arsen & Antimon: in der Natur nur in Mineralien z.B. As2O3, Sb2S3 stabilste Modifikationen bei RT: graues Arsen & graues Antimon; gelbes Arsen = As4-Tetraeder (g); Sb4 bekannt (fl. & g)

Page 115: Vorlesung ACII-1

2

Nitride und Phosphide ⇒ Nitride: ‚Systeme mit N3--Einheiten (Nitrid-Ionen) ⇒ sehr starker σ-Donor-π-Donor-Ligand z. B. K+[N≡OsO3]- (vgl. OsO4 )

⇒ drei Klassen von Nitriden: salzähnliche Nitride: Li3N, M3N2 (M = Metall der 2. oder 12. Gruppe), Cu3N, Ag3N Synthese: aus den Elementen bei höherer T kovalente Nitride: mit elektronegativen Hauptgruppenelementen (C, P, S, Se) z.B. Si3N4, (BN)x (siehe Si- bzw. B-VL) metallische Nitride: ‚interstitielle Nitride’, oft Summenformeln; MN, M2N, M4N: N-Atome

besetzen Zwischengitterplätze in den Metallgittern (Vergleich mit Metall- Hydriden)

⇒ Drei binäre P-N-Verbindungen: (PN)n (n = 1, ∞) P3N5, P3Nm ( 3 < m < 5) ⇒ drei Klassen von Phosphiden: mit Metallen gebildete binäre Verbindungen der Zusammensetzung MmPn

m/n Typ Beispiel typische Eigenschaften > 1 metallreich Ti2P, W3P hart, metallischer Glanz, hohe thermische Stab.,

gute elektr. & therm. Leitfähigkeit, chem. inert = 1 Monophosphid AlP, InP (ZnS (Blende Str.) Halbleiter < 1 phosphorreich PtP2 (Pyrit-Struktur) niedrige Fp., Halbleiter

Page 116: Vorlesung ACII-1

3

Homopolyatomare Kationen/Anionen: Azide ⇒ ionische Azide: Gruppe 1 & 2 Metalle, lineare, symmetrische N3

- -Einheit, rel. stabil bei RT (nicht explosiv), NaN3-Synthesen, Airbags, Darstellung von Pentazolen (R-N5)

N2O + 2 NaNH2 → NaN3 + NaOH + NH3 NaNO3 + 3 NaNH2 → NaN3 + 3 NaOH + NH3 kovalente Azide: Nichtmetallazide z.B. IN3, ClN3; HN3 extrem explosiv, sehr giftiges Gas, vergleichbar mit HCN (Pseudohalogen-Prinzip)

R-COOH + NaN3 → HN3 + R-COONa (T > 110°C, Schmelze) ⇒ AgN3-Film

Kovalente Azide: trans-, bent-Struktur, Cs-Symmetrie, Monomere in Gasphase, NaN3 + Br2 → BrN3 + NaBr (Pseudohalogen-Prinzip), Elektronegativität (N3) zwischen Cl & Br, Lewis-Strukturen (!), N5

+AsF6- : Synthese: N2F+AsF6

- + HN3 → N5+AsF6

- + HF (Triebkräfte !)

N5+ : das einzige homopolyatomare (nur ein Element-Typ) N-Kation

190°C

200°C

Page 117: Vorlesung ACII-1

4

N-H-Verbindungen ⇒ N-H: 9 acyclische Verbindungen (keine isolierte cyclische N-H-Verbindung); NH3 (Ammoniak)*, N2H4 (Hydrazin)*, N3H5 (Triazan), N4H6 (Tetrazan), NH (Nitren), N2H2 (Diimin = Diazen)*, N3H3 (Triazen), N4H4 (Tetrazen)*, HN3 (Stickstoffwasserstoff-Säure)* ⇒ auch Salze: NH4

+N3- (Ammonium-Azid)*, N2H5

+N3- (Hydrazinium-Azid)*, N2H5

+N3-⋅N2H4

(Hydrazinium-Azid-Hydrazinat)* ⇒ Ammoniak (NH3): Haber-Bosch-Verfahren (G. Ertl, NP 2007), Ostwald-Verfahren, Brønsted-Base,

Lewis-Base, wasserähnliches, aber wasserfreies Lösungsmittel (amphoter), solvatisierte Elektronen → elektrisch leitende, blaue Lösungen 2 Na + 2 NH3 → 2 NaNH2 + H2 (Ersatz der H-Atome durch Metalle) organische Derivate; NR3 + RX → R4N+X- (Ammonium Salze) vgl. mit NH4

+Cl- Düngemittel; (NH4)2SO4, NH4NO3 (Mischung); Synthese von Harnstoff (NH3 + CO2); Inversion (‚Pseudorotation’, pyramidale Inversion’), niedrige Inversions-Barriere, viel niedrigere Inversions-Barriere in NH3 als in PH3;

⇒ Stickstoffwasserstoff-Säure (HN3): siehe kovalente Azide

Page 118: Vorlesung ACII-1

5

N-H-Verbindungen

⇒ Hydrazin (N2H4): endotherm, wasserfreies N2H4 ist explosiv, schwache N-N BE (166 kJ mol-1); Raschig-Verfahren; Oxidation von NH3 mit Natriumhypochlorit nach: 2 NH3 + NaOCl → N2H4 + H2O + NaCl

Bayer-Verfahren; Oxidation von NH3 mit Natriumhypochlorit in Anwesenheit von Aceton nach:

2 NH3 + NaOCl → N2H4 + H2O + NaCl Vorteil: Acetonazin-Zwischenstufe und H2O Gemisch kann von NaCl abdestilliert werden vor der Abspaltung von N2H4

in der Gasphase liegt gauche-Konformation vor (PG C2, vgl. mit H2O2),

N2H4 = amphoter; N2H5+, N2H6

2+ und N2H3-Salze bekannt;

stark reduzierend, Raketen-Treibstoff-Anwendungen (auch organische Derivate)

Page 119: Vorlesung ACII-1

6

N-O-Verbindungen ⇒ Stickstoffoxide: NOx (x = 1 – 3), N2Ox (x = 1 – 6), N4O, N4O2, N2O6 Summenformel Formel Farbe Ox-Zahl Magnetismus Symmetrie Fp./°C Kp/°C ΔHb

0

(kJ/mol) N4O NNNNO blassgelb 0.5 dia Cs -59 - 467 N2O NNO farblos 1 dia C∞v -91 -88.5 82 NO NO farblos 2 para C∞v -164 -152 90 N2O2 ONNO farblos 2 dia C2v Gleichgewicht Gleichgewicht - N2O3 ONNO2 indigofarben 3 dia Cs -101 Zersetzung 84 NO2 ONO braun 4 para C2v Gleichgewicht Gleichgewicht 33 N2O4 O2NNO2 farblos 4 dia D2h -11 21 9 N2O5 O2NONO2 farblos 5 dia C2v +33 (Subl.) - 11 NO3 NO3 - 5 para D3h - -

⇒ N2O: Distickstoffmonoxid, ‚Lachgas’; farbloses Gas, anästhetischer Effekt, löslich in H2O, Fette

(unter Druck) ⇒ Treibgas für Sahne, lineare Struktur, isoster, isoelektronische Analogien, Lewis-Strukturen (Oktett beachten), reagiert nicht mit O2, Edukt für NaN3-Synthese.

Synthesen: thermische Zersetzung von NH4NO3

Page 120: Vorlesung ACII-1

7

N-O-Verbindungen ⇒ NO: Stickstoffmonoxid, farbloses Gas, giftig (oxidiert Fe(II) → Fe(III) im Hämoglobin),

paramagnetisch, d(NO) = 1.14 Ǻ; (d(N=N = 1.16 Ǻ; d(N≡N) = 1.06 Ǻ); NO ungerade Elektronenzahl, bildet NO+ (Nitrosyl-Kation) oder NO- (Nitroxyl-Anion);

industrielle Synthese: Ostwald-Verfahren

Dimerisierungs-Gleichgewicht bei RT liegt links; Dimer nur wichtig in (fl.) und (s): 2 NO N2O2 ΔH = -10.5 kJ mol-1 - reagiert mit Luft nach: 2 NO + O2 2 NO2 (braunes Gas) reagiert mit X2 (X = F, Cl, Br) nach: 2 NO + X2 2 XNO

bildet NO-Komplexe mit ÜM (1-Elektronen- (gewinkelt) oder 3-Elektronen- (linear) Donator, koordiniert über N-Atom, terminal und verbrückend)

⇒ N2O2: Dimerisierung von NO → N2O2 erfolgt durch die Bildung einer 4-Zentren-2-Elektronen-π*-π*-

Wechselwirkung, cis-N2O2 cis-N2O2: lang d(N...N) = 2.18 Ǻ; lang d(O---O) = 2.62 Ǻ; kurz d(N-O) = 1.12 Ǻ

N N

O O

Page 121: Vorlesung ACII-1

8

N-O-Verbindungen ⇒ N2O3: diamagnetisch, endotherm, stabil nur bei LT, Anhydrid der HNO2, dunkel-blaue Flüssigkeit,

dissoziiert mit ↑ T in der Gasphase, Topologie ON-NO2, lange N-N-Bindung; aber im Kristall NO+NO2

- (Nitrosylnitrit) Synthese; NO2 (fl.) + NO → N2O3 ΔH = -30 kJ mol-1 ⇒ N2O5: Synthese: (a) Entwässerung von HNO3 oder (b) Reaktion von O3 mit NO2; weißer Feststoff,

Smp. = 41°C; reagiert heftig mit H2O → HNO3; starkes Oxidationsmittel, Nitrierungsmittel; molekulares N2O5 (g, mit N-O-N-Brücke); ionisches NO2

+ NO3- (s, Nitrylnitrat).

Page 122: Vorlesung ACII-1

9

N-O-Verbindungen ⇒ NO2: Stickstoffdioxid, bräunliches Gas, sehr giftig, ätzend, paramagnetisch, industrielle Synthese:

Ostwald-Verfahren; NO2 ungerade Elektronenzahl; NO2+ (Nitronium-Kation), NO2

- (Nitrit-Anion)

NO2+ = linear; NO2 = gewinkelt; NO2

- = gewinkelt (Bindungswinkel ↓ NO2+ → NO2

-) d(NO) = 1.154 Ǻ 1.197 Ǻ 1.236 Ǻ (Bindungsordnung ↓ NO2

+ → NO2-)

Dimerisierungs-Gleichgewicht bei höherer T liegt links und bei niedrigerer T rechts: 2 NO2 N2O4 (fl.) ΔH = -86 kJ mol-1 Braune Farbe und Zusammensetzung sehr Temperatur-abhängig: Festes N2O4 bei -11°C; 99.99 % undissoziiert (N2O4) (farblos) Flüssiges N2O4 bei Sdp. (22°C); 99.99 % undissoziiert (N2O4) Gas bei Sdp. (22°C); 20 % dissoziiert (NO2) Gas bei 100°C; 90 % dissoziiert (NO2) (braun) T > 150°C; 2 NO2 → 2 NO + O2 Dimerisierung von NO2 → N2O4 erfolgt durch die

Bildung einer 6-Zentren-2-Elektronen- π*-π*-Wechselwirkung

Page 123: Vorlesung ACII-1

10

N-X-Verbindungen: Übersicht Formel X = F X = Cl X = Br X = I XN3 Fluorazid, Cs (g), explosiv, grün

(g), 4 HN3 + 2 F2 → 3 FN3 + N2 + NH4F

Chlorazid, explosiv, gelbe Fl., NaN3 + Cl2 → ClN3 + NaCl

Bromazid, rote Fl., Tzers. = RT, explosiv, NaN3 + Br2 → BrN3 + NaBr

Iodazid, orange (s), Tzers. = 0°C, explosiv, AgN3 + I2 → IN3 + AgI

NX3 4 NH3 + 3 F2 → NF3 + 3 NH4F C3v, Fp = -207°C, Kp = -129°C, Hydrolyse-stabil, farblos (g), kleines μ, unreaktiv, nicht explosiv, exotherm

NH4Cl + 3 Cl2 → NCl3 + 4 HCl C3v, Fp = -40°C, Kp = 71°C, langsame Hydrolyse, gelbe Fl., reaktiver als NF3, explosiv, Bleichmittel in Industrie, endoth.

(Me3Si)2NBr + 2 BrCl → NBr3 + 2 Me3SiCl Tzers. > -87°C, explosiv, endoth.

BN + 3 IF → NI3 + BF3 explosiv, bildet thermochrome Addukte mit NH3

NX4+ NF3 + F2 + BF3 → NF4

+BF4-

(ungewöhnliche Reaktions- Bedingungen), Td, starkes oxidatives Fluorierungsmittel, sehr reaktiv, weiß (s)

2 NCl3 + Cl2 + 3 AsF5 → 2 NCl4

+AsF6- + AsF3

Tzers. > -40°C, Td, nicht explosiv, weiß (s)

N2X2 KF + HNF2 → ½ N2F2 + KHF2 cis-, trans-Isomere, cis- für N2F+ Synthese

N2X4 Distickstofftetrafluorid, 2 NF3 + Cu → N2F4 + 2 CuF dissoziiert in NF2 Radikale (vgl. mit N2O4), gauche- und trans-Form

Page 124: Vorlesung ACII-1

11

Explosive NI3⋅xNH3-Addukte ⇒ unendliche Kette, zersetzt sich unter Bildung von NH2I, NHI2 usw.

2 I2

+ 2 NH32 NH3...I2

+ 2 NH32 NH2I

+ NH3NHI2

+ NH2INI3·NH3

+ 2 NH3NI3·3 NH3

+ NH4I

⇒ I2 + NH3 bildet Monoiodamin, Diiodamin und die explosiven NI3-Addukte mit NH3 ⇒ T < -73°C = roter Feststoff: NI3⋅5NH3

⇒ -73°C < T < -33°C = grüner Feststoff : NI3⋅3NH3 ⇒ T > -33°C = rot/schwarzer Feststoff : NI3⋅NH3

⇒ NI3.xNH3 Film

Page 125: Vorlesung ACII-1

12

N-F-Verbindungen: NF4

+

Es gibt 4 Haupt-Möglichkeiten für die Synthese von NF4+-Salzen:

(i) Tieftemperatur-Glimm-Entladung (ii) UV-Synthese (iii) Hoch-Temperatur- und -Druck-Reaktion von NF3, F2 & einer Lewis-Säure (iv) Mikrowellen-Entladung

kein Hinweis auf NF5 (bis jetzt)

Tieftemperatur-Synthese von NF4BF4 mit UV X-ray-Struktur des NF4BF4

Page 126: Vorlesung ACII-1

13

N-F-Verbindungen: N2F2, N2F4, N2F3+, N2F+

gauche-N2F4 trans-N2F4 N2F3+-Kation in N2F3

+AsF6-

Durch F--Abstraktion von N2F4 kann man das N2F3

+-Kation darstellen Durch F--Abstraktion von cis-N2F2 kann man das N2F+-Kation darstellen (nur cis-N2F2)

Page 127: Vorlesung ACII-1

14

P-O- und As-O-Verbindungen

⇒ NxOy: Strukturen oft mit Mehrfachbindungen; PxOy & AsxOy: Käfig-Strukturen, oft

Einfachbindungen ⇒ P4On (n = 6 – 10) und (P2O5)x (Polymere) (auch PO, P2O, PO2 in Tieftemperatur-Matrix) ⇒ P4O6; Phosphor(III)oxid, Verbrennung von P4 in O2 bei niedriger T, enthält P(III), sehr giftig

Feststoff, wachsartig, löslich in CS2, CH2Cl2, Adamantan-Struktur, vgl. mit As4O6, P-O-Mehrfachbindungs-Charakter, luftstabil bei RT, reagiert mit H2O → Phosphonsäure, H3PO3 (2-wertig

⇒ P4O10; Phosphor(V)oxid, wichtigstes Oxid, Verbrennung von P4 in Sauerstoff (sehr exotherm),

Trocknungsmittel, mehrere Modifikationen, reagiert heftig mit H2O, bildet H3PO4, P4O10 ist kein Oxidationsmittel (vgl. mit N2O5 !), enthält P(V), weißes Pulver, P-O-Mehrfachbindungs-Charakter,

⇒ As bildet drei Oxide; As2O3, As2O5, As2O4; Arsen(III)-oxid (As2O3); Verbrennung von As an Luft, kubische und monokline Modifikationen,

As(III)-Verbindungen sind sehr giftig, nur mäßig löslich in H2O, bilden Arsenige Säure: H3AsO3. Arsen(V)-oxid (As2O5); nicht durch As-Verbrennung an Luft, polymere Struktur, hygroskopisch.

Page 128: Vorlesung ACII-1

15

P-X-, As-X- & Sb-X-Verbindungen ⇒

PF3, PCl3, PBr3, PI3 bekannt (C3v) P2F4, P2Cl4, P2Br4, P2I4 bekannt PF5, PCl5, PBr5 bekannt D3h gemischte PX2Y, PY2X bekannt P2I4 thermisch am stabilsten gemischte PXnY5-n bekannt bildet ÜM-Komplexe (CO-ähnlich) As2I4 einziges As-Beispiel, ‚PI5’ (?) PF3 = thermisch stabilste Verb. instabil & disproportioniert schwache Lewis-Säure (kein PF4

-) As/SbF5, As/SbCl5 bekannt starke Lewis-Base (F3P→BH3) kein Sb2X4 Beispiel (d-Block-Kontraktion) PF4

+, PCl4+, PBr4

+, PI4+ bekannt (P(V), Td) As/SbF6

-, As/SbCl6-bekannt

Synthesen, Lewis-Strukturen gemischte AsClnF5-nbekannt gemischte SbClnF5-nbekannt AsF3, AsCl3, AsBr3, AsI3 bekannt (C3v) E + 5/2 F2 → EF5 SbF3, SbCl3, SbBr3, SbI3 bekannt (C3v) oder EF3 + F2 → EF5 AsX3 und SbX3 = Lewis-amphoter sehr wichtige Lewis-Säuren SbF5 Monomer- & Polymer AsF4

+, AsCl4+, AsBr4

+, AsI4+ (As(V)) -Strukturen ((g)/(fl.)/(s))

bekannt, alle thermisch instabil (Td) AsF5/SbF5 Oxidationsmittel (siehe Supersäure-VL)

EX X

XX E

X

X

X

X

EE

X

XX

X

Page 129: Vorlesung ACII-1

16

Berry-Pseudorotation

⇒ PF5 besitzt eine trigonal-bipyramidale Struktur (D3h); Molekül ist nicht starr und zeigt einen schnellen Austausch der äquatorialen und axialen F-Atome (D3h →C4v → D3h)

⇒ längere axiale P-F-Bindungen im Vergleich zu äquatorialen P-F-Bindungen, beschreibbar durch: 1) VSEPR-Theorie 2) Lewis-Strukturen (Oktett-Regel !) 3) MO-Theorie der 3-Zentren-4-Elektronen-Bindung ⇒ Lewis-Acidität von AsF5 und die FIA (Fluorid-Ionen-Affinität)

Page 130: Vorlesung ACII-1

17

Page 131: Vorlesung ACII-1

18

P-H-Verbindungen Allgemein: allgemein als Phosphane oder Phosphine genannt; normaleweise (i) Kettenförmig (PnHn+2) oder (ii) monocyclisch (PnHn); ‚wichtigste’ sind PH3 (Phosphan) und P2H4 (Diphosphan) einzige isolierte = PH3, P2H4, P3H5, P5H5, P7H3 ⇒ PH3: höhere Inversionsbarriere, weniger basisch als NH3; Protonierung liefert PH4

+-Salze (Phosphonium-Salze); Chirale substituierte Phosphane können in Enantiomere getrennt werden (aufgrund der hohen Inversionsbarriere) Anwendungen in der Herstellung von Halbleitern z.B. InP

Industrielle Herstellung (viele Möglichkeiten): P4 + 3 NaOH + 3 H2O PH3 + 3 NaH2PO2 Labor Darstellung: Mg3P2 + 6 HCl 2 PH3 + 3 MgCl2 ⇒ P2H4: Farblose Flüssigkeit; thermisch instabil; disproportioniert langsam bei -30°C

nach: 2 P2H4 PH3 + P3H5 Darstellung: 2 CaP + 4 H2O 2 Ca(OH)2 + P2H4 (selbstentzündlich!)

HP

PH2 PH2

HP

HP

HP PH

PH

PHPPH

PH

P

P

P

Page 132: Vorlesung ACII-1

19

Binäre P-S-Verbindungen Allgemein: Verbindungen mit der allgemeinen Formel = P4Sn (n = 3 – 10) bekannt, thermisch beständig, ähnliche Strukturen wie die verwandten P-O-Verbindungen; enthalten S-Brücken zwischen Phosphor, nämlich –P-S-P- -Einheiten; auch terminale S-

Atome (Sulfido- bzw. Thiofunktion) möglich.

P4S3 ß-P4S5 P4S7 P4S10

Synthese: P4 + n/8 S8 P4Sn

PS

SS

P

P

P

PS

SS

P

P

P

S S

PS

SS

P

P

P

S S

S

S

PS

SS

P

P

P

S S

S

S

S S

Page 133: Vorlesung ACII-1

20

P-N-Verbindungen

Hexachloro-cyclo-triphosphazatrien, (PNCl2)3 , planarer 6-Ring d(P-N) sind gleich; ∠(PNP) = 120°, farblose Kristalle keine ‚klassischen’ delokalisierten π-Bindungen, Zersetzung bei 300°C unter Bildung von Polyphosphazenen (NPCl2)n -Cl kann durch –NR2, -R oder –OR ersetzt werden, sehr altes Beispiel für „anorganische“ Heterocyclen (vgl. mit z. B. Borazin)

n PCl5 + n NH4Cl (N=PCl2)n + 4 HCl

Phosphazene Poly(organophosphazene) Silikonen isoelektronisch mit

N P N P

R

R

N

PN

P

NP

Cl Cl

Cl

Cl

Cl

Cl

O Si

R

R

Page 134: Vorlesung ACII-1

1

Modifikationen des Sauerstoffs ⇒ Disauerstoff, O2 besitzt einen Triplett-Grundzustand (3∑); der erste angeregte Zustand für O2 ist

ein Singulett-Zustand (1∆), der zweite angeregte wieder ein Singulett (1∑). ⇒ Ozon, O3 ist endotherm (ΔHf = 143 kJ mol-1), deswegen explosiv, besonders in kondensierter Phase. Herstellung von O3 mit dem Siemens-Ozonisator durch stille elektrische Entladung von O2. Ozon in kondensierter Phase

ist tiefblau, diamagnetisch (18 VE), sehr giftig, starkes Oxidationsmittel, C2v-Symmetrie, enthält 2 x σ-Bindungen sowie 1 x 3-Zentren-4-Elektronen-π-Bindung

Die MO-Beschreibung der 3-Zentren-4-Elektronen-π-Bindung in O3

⇒ MO-Schema für Triplett-O2 und Singulett-O2

Page 135: Vorlesung ACII-1

2

Darstellung von O2 (1Δ) ⇒ In Lösung erhält man 1O2 bei der Zersetzung verschiedener kovalenter Peroxide: ⇒ In der folgende Reaktion kann sich kein 3O2 bilden wegen des Spinerhaltungssatzes.

(Spinerhaltungssatz = die Summe aller Spinquantenzahlen auf beiden Seiten der Gleichung bleibt konstant, der Spin darf sich nicht ändern) H2O2 + Cl2 + 2 OH- ClOO- + Cl- + 2H2O

1O2 + Cl-

⇒ 1O2 entsteht auch durch die Molybdat-Ionen katalysierte exotherme Zersetzung von H2O2 nach: 2 H2O2 1O2 + 2 H2O ⇒ 1O2 entsteht auch durch die thermische Zersetzung von Ozoniden des folgenden Typs:

(RO)3P (P+3) wird bei Tieftemperatur zu (RO)3PO (P+5) oxidiert: (RO)3P + O3 (RO)3PO3 (RO)3P=O + 1O2

Page 136: Vorlesung ACII-1

3

Homopolyatomare O-Ionen ⇒ Verbrennung der Alkalimetalle an Luft liefert

bei Li und Na die Peroxide (siehe H2O2 - Folie) 2 Na + O2 Na2O2 (bei 400°C) und bei K, Rb, Cs die Hyperoxide:

⇒ Hyperoxide: gelb → orange (s), stark oxidierend, paramagnetisch, EA von O2 ist exotherm

Rb oder Cs verbrennen in O2-Atmospähre unter Bildung von CsO2 oder RbO2 Rb / Cs + O2 RbO2 / CsO2

⇒ O2- instabil bzgl. O1- und e- in der Gasphase stabilisiert durch Ionengitterbildung im festen Zustand (s)

⇒ ionische Ozonide: enthalten gewinkelte O3

--Ionen, orange Feststoffe, CsO3 = stabilstes Ozonid (Tzers. = 53°C) Struktur: O3

- = paramagnetisch, 19 Valenz-Elektronen; Vergleich: d(O-O) in O3 = 1.27 Å; d(O-O) in O3

- = 1.33 Å ⇒ d. h. längere O-O-Bindungen in O3-, niedrigere B.O. in O3

- wegen eines zusätzlichen Elektrons in π*-Orbitalen (siehe Folie 1) Synthese: KO2 + O3 KO3 + O2

Ion Name Beispiel O2- Oxid MgO O2

2- Peroxid Li2O2, Na2O2 O2

- Hyperoxid /Superoxid

KO2, RbO2, CsO2

O3- Ozonid NaO3, KO3, RbO3, CsO3

O2+ Dioxygenyl O2PtF6, O2AsF6

E

ψb

ψnb

ψab

Page 137: Vorlesung ACII-1

4

Chalkogen-Halogen-Verbindungen ⇒ Chalkogen-Halogenide (oder Halogen-Chalkogenide) ?

d-Block-Kontraktion: ⇒ Stabilität der höchsten Oxidationsstufe ⇒ Elektronegativitäten innerhalb einer Gruppe ⇒ Atomradius innerhalb einer Gruppe Beispiele: (i) AsCl5 = instabil; SbCl5 = stabil, PCl5 = stabil

(ii) wenig Br(VII)-Verbindungen/Ionen; (iii) thermodynamische Stabilität von SO3/SO2 & SeO3/SeO2 ⇒ Eindeutig nachgewiesene O-Fluoride:

⇒ OF2 ist die bei weitem stabilste Verbindung

Chalkogen χ (Allred-Rochow)

Halogen χ (Allred-Rochow)

O 3.5 F 4.1 S 2.4 Cl 2.8 Se 2.5 Br 2.7 Te 2.0 I 2.2 Po 1.8 At 2.0

Page 138: Vorlesung ACII-1

5

Sauerstoffdifluorid, OF2 und Disauerstoffdifluorid, O2F2 ⇒ OF2-Synthese: 2 F2 + 2 NaOH → OF2 + H2O + 2 NaF ⇒ OF2 = giftiges Gas, Sdp. = -145°C, Tzers., = 200 – 250°C, farblos, exotherm C2v, weniger reaktiv als F2 ⇒ O2F2-Synthese:

durch Einwirkung stiller elektrischer Entladung auf O2 und F2 bei -196°C und 10 – 20 Torr Tzers. = -50°C, starkes Fluorierungs- und Oxidationsmittel ⇒ kurze O-O-Bindung (etwa Doppelbindung)

lange O-F-Bindungen (schwache Bindungen) ⇒ VB Beschreibung: „double-bond” – “no-bond”-Resonanz-Strukturen MO-Beschreibung: intramolekulare LP(O) → σ*(OF)-Wechselwirkung ⇒ negative Hyperkonjugation ⇒ Vergleich mit H2O2

Parameter H2O OF2 H2O2 O2F2 d(O-X) 0.957 Ǻ 1.41Ǻ 0.95 Ǻ 1.575 ∠(X-O-X) 104.5° 103.3° - - d(O-O) - - 1.475 1.22 ΔHf/kJmol-1 -285 - 25 -188 + 18

MO-Beschreibung der kurzen O-O-Bindung

Page 139: Vorlesung ACII-1

6

Wasserstoffperoxid, H2O2 ⇒ Allgemeines: H2O2 = schwache Säure; Salze von H2O2 = Peroxide; Peroxide enthalten O2

2-; kann protoniert werden in Supersäure: H2O2 + HF + As F5 H3O2

+AsF6-; schwache O-O-

Bindung führt zur explosionsartigen Zersetzung; Stabilisation von H2O2-Lösungen durch die Zugabe organischer Komplexbildner, die Spuren von Metall-Ionen (z.B. Fe3+, Cu2+ = Katalysatoren für Zersetzung) komplexieren; Verwendung bei Natrium-Perborat-Herstellung; (Waschmittel-Industrie). wäßrige Na2O2-Lösungen liefern H2O2 nach: Na2O2 + 2 H2O H2O2 + 2 NaOH

⇒ Technisch: > 95 % durch Anthrachinon-Verfahren ⇒ Lewis-Strukturen: Warum ist die O-O-Bindung in H2O2 lang und schwach, aber in O2F2 kürzer ? Resonanz-Strukturen, Elektronegativität

OH

OH

R

O

O

R+ O2 (Luft)–H2O2 30 – 80°C, 5 bar

+ H2 (Pd Kat.)

2-Alkylanthrahydrochinon 2-Alkylanthrachinon

Page 140: Vorlesung ACII-1

7

Chloroxide ⇒ Neutrale (isolierte) Chloroxide: endotherm: Cl2O, Cl2O3, ClO2, ClO3, Cl2O4, Cl2O6, Cl2O7, ClClO2

Synthesen: 2 Cl2 + 2 HgO → Cl2O + HgCl2⋅HgO 4 HClO4 + P4O10 → 2 Cl2O7 + 4/n (HPO3)n (-10°C) 2 NaClO2 + Cl2 → 2 ClO2 + ½ Cl2 + NaCl + H2O

ClO2: einziges Cl-Oxid mit technischer Bedeutung (Bleichmittel und Trinkwasseraufbereitung) explosives Gas, paramagnetisch, dimerisiert zu Cl2O4 bei -108°C, welches diamagnetisch ist, endotherm, 19 VE; isoelektronisch mit O3

-, NF2.

Cl2O7: stabilste Cl-O-Verb, Entwässerung von HClO4 (-70 < T < 0°C), reagiert mit H2O → HClO4 farblose (fl.), Anhydrid von HClO4.

Cl2O6: Gasphase = unsymmetrische O2Cl-O-ClO3 Moleküle (fl.)¸ dagegen ClO2

+ClO4- -Ionen (s).

Page 141: Vorlesung ACII-1

8

Bromoxide ⇒ Neutrale (isolierte) Bromoxide: thermisch instabil, endotherm, explosiv: BrO, Br2O, Br2O3, Br2O5

⇒ Br2O: gelbe (s), symmetrisch, gewinkelt, niedrige Ausbeute, Cl2O bekannt Synthesen: Br2 + HgO → Br2O + ......... Br2 + O3 → Br2O3 (T < -78°C) Br2 + O3 → Br-O-BrO2 → O2Br-O-BrO2

(T = -60°C)

Br2O3: orange (s), explosiv unter schneller Erwärmung, ‚Brombromat’, lange und kurze Br-O-Bindungen anwesend, Cl2O3 bekannt

Br2O5: Tzers. = RT, lange und kurze Br-O-Bindungen anwesend, kein Cl2O5 bekannt

Bromate: elektrochemische Oxidation von Bromid nach: NaBr + 3 H2O NaBrO3 + 3H2 Perbromate: enthalten Br(VII) (rar, d-Block-Kontraktion); rel. T. stabil NaBrO3 + F2 + 2 NaOH NaBrO4 + 2 NaF + H2O

Page 142: Vorlesung ACII-1

9

Iodoxide ⇒ Die wichtigste binäre I-O-Verbindung ist das Diiodpentoxid, I2O5 ⇒ Synthese: 3 HIO3 → I2O4 + HIO4 + H2O 5 I2O4 → I2O5 + I2 Reduktion von Iodsäure; I2O4 = Polymer des Typs (IO+)n⋅nIO3

- ⇒ Verknüpfung = O2I-O-IO2, pyramidale IO3-Gruppen, die gegeneinander verdreht sind, C1-Symmetrie farblos (s), Tzers. > 300°C. ⇒ Iodat-Synthese: 2 MClO3 + I2 → MIO3 + Cl2 (im Gegenwart von HNO3)

Oxidations stufe

Cl Br I Name z.B. Cl-Verbindungen

Topologie für Cl-Verbindungen

+1 HClO / ClO- HBrO / BrO- HIO / IO- Hypochlorige Säure HOCl +3 HClO2 / ClO2

- HBrO2 / BrO2- Chlorige Säure HOClO

+5 HClO3 / ClO3- HBrO3 / BrO3

- HIO3 / IO3- Chlorsäure HOClO2

+7 HClO4 / ClO4- HBrO4 / BrO4

- HIO4, (H5IO6) / IO4- Perchlorsäure HOClO3

Page 143: Vorlesung ACII-1

1

Modifikationen von Schwefel und Selen ⇒ Schwefel, Selen und Tellur zeigen eine hohe Tendenz zur Kettenbildung ⇒ wichtige Muster in S-Ringen sind S5 Einheiten ⇒ die thermodyn. stabilste Form des Schwefels ist orthorhombischer Schwefel (α-S8), gelb, kristallin (s), bei 367 K → ß-S8, α-S8 und ß-S8 beide aus Achtringen aufgebaut ⇒ rotes α-Se8, ß-Se8 und γ-Se8: alle aus gewellten Se8-Ringen aufgebaut ⇒ graues Selen: hexagonal, aus helikalen, polymeren Ketten aufgebaut, thermodynamisch, stabilste Form von Se. ⇒ Se6, Se7 und auch andere

bekannt

rotes α-Selengraues α-Selen

100°C

α-S8

Page 144: Vorlesung ACII-1

2

Gewinnung der Chalkogene ⇒ Schwefel: (i) aus großen Lagerstätten abgebaut (Vulkane!) (ii) aus Pyrit (FeS2, Fe(II+) (iii) aus Mineral Sulfiden ⇒ Selen & Tellur: (i) Cu2E + Na2CO3 + 2 O2 Na2EO3 + 2CuO + CO2 Für Selen: Na2SeO3

+ 2 SO2 + H2O Se + 2 NaHSO4 Se(+4) Se(0) Für Tellur: Na2TeO3

+ H2O Te + 2 NaOH + O2 Te(+4) Te(0) ⇒ Polonium: Alle Polonium-Isotope sind radioaktiv, der radioaktive Zerfall folgt nach: 210

84Po 20682Pb

Elektrolytische-Reduktion

Reduktion von SeO32-

α, t½ = 138 Tage

Page 145: Vorlesung ACII-1

3

Homopolyatomare Chalkogen-Kationen ⇒ ‘Bereits 1798 berichtete Klaproth, dass Tellur, welches in normaler 98%-iger Schwefelsäure gelöst

wurde, eine karminrote Lösung erzeugte. Ebenfalls wurde bereits 1804 beobachtet, dass Schwefel in Oleum gelöst abhängig von der Konzentration des Oleums und der Reaktionszeit blaue, rote und gelbe Lösungen erzeugte ......... Es konnte jetzt gezeigt werden, dass all diese Farben auf der Anwesenheit verschiedener polyatomarer Kationen von Schwefel, Selen oder Tellur beruhen’.

⇒ Strukturell identifizierte Chalkogen-Kationen: S4

2+ S82+ S19

2+ Se4

2+ Se82+ Se10

2+ Se172+

Te42+ Te6

2+ Te64+ Te7

2+ Te82+ Te8

4+ ⇒ Vergleich mit Sauerstoff (nur O2

+ ist bekannt, siehe Sauerstoff-Vorlesung) ⇒ 3 AsF5 2 AsF6

- + AsF3 As(V) wird reduziert (AsF5 -> AsF3); AsF6

- = Oktaeder, As-Atom relativ gut durch die F-ständigen freien EP’s sterisch abgeschirmt; relativ groß und weniger Wechselwirkungen mit dem Kation deswegen reagiert es nicht mit dem Kation.

(+5) (+5) (+3)

Page 146: Vorlesung ACII-1

4

Anorganische Aromatizität

Das S42+-Kation in S4(AsF6)2

Nach Hückel ist ein planares Ringmolekül aus gleichartigen Atomen ein Aromat, wenn 4n + 2 Elektronen in den π-Orbitalen vorhanden sind (n = 0, 1, 2.....)

Page 147: Vorlesung ACII-1

5

Das S82+-Kation

⇒ Synthese der Schwefel-, Selen- oder Tellur-Kationen erfolgt hauptsächlich durch Oxidation von

Schwefel, Selen oder Tellur mittels eines Oxidationsmittels wie z.B. AsF5, in einem ungewöhnlichen Lösungsmittel, luftempfindliche Salze, Struktur-Änderung von S8 → S8

2+

exo-exo exo-endo

⇒ S8

2+ = alternierende Bindungslänge, sehr lange ‚transannulare Bindungen’, Delokalisierung der 2+ -Ladung über den ganzen Ring; luftempfindliche Salze, nur Salze mit Anionen wie z.B. AsF6

- ⇒ Gibt es das S8

4+, isoelektronisch mit S4N4 ?

S82+ in SO2

Luft-empfindlich

S8 Luft-stabil

Das S82+-Kation Das S8

2+-Kation α-S8

Kronenform

Page 148: Vorlesung ACII-1

6

Wichtige S-N-Verbindungen ⇒ S4N4: Tetraschwefeltetranitrid, thermochrom (farblos bei 77 K, orange bei RT, rot bei 373 K),

endotherm, explosiv, Gasphase und Feststoff besitzen gleiche Struktur, D2d-Symmetrie, Käfig-Stuktur, nicht planar, endo-endo-Konformation eines 8-Rings.

S4N4 + 3 SbCl5 → [S4N4][SbCl6]2 + SbCl3 Se4N4 und As4N4 sind auch bekannt, ähnliche Strukturen ? ⇒ S2N2: durch Thermolyse von S4N4 bei 490 K über Ag-Wolle, planar, aromatisch, D2h-Symmetrie; valenzisoelektronisch mit S4

2+;

⇒ Polythiazyl, (SN)x:: durch Pyrolyse von S4N4 bei 550 K über Quarz-Wolle, faserförmige Kristalle, parallel angeordnete planare Kettenmoleküle mit alternierenden S-N-Bindungen, unendliches π-delokalisiertes System, elektrischer Leiter entlang der Kette, Supraleiter bei 0.26 K

S

As

As

S S

As

S

As

As4S4: die inverse Struktur von S4N4

Das Struktur von S4N4

Page 149: Vorlesung ACII-1

7

Polysulfide

⇒ Polysulfid-Ionen [Sx]2- nicht durch Deprotonierung der entsprechenden Polysulfane darstellbar, ⇒ längere Schwefel-Ketten bilden oft Chelat-Komplexe mit Metallionen, ⇒ [Sex]2-- und [Tex]2--Anionen sind auch bekannt in Metall-Komplexen.

[Zn(S4)2]2- Das S62--Anion [Mn(S5)(S6)]2-

[(S6)Cu(μ-S8)Cu(S6)]4-

Page 150: Vorlesung ACII-1

8

S-F-Verbindungen ⇒ SSF2 ist thermodynamisch stabiler als FSSF SSF2 (Thiothionylfluorid) und FSSF (Difluordisulfan) besitzen: (i) kurze S-S-Bindungen (ii) lange S-F-Bindungen ⇒ SF4 ist Lewis-amphoter; Fluorierungsmittel in org. Chemie ⇒ Anwendungen für SF6: (i) Fenster-Isoliergas (ii) Gasförmiger Isolator in Hochspannungsanlagen ⇒ Synthesen: 2 KF + S2Cl2 → SSF2 + 2 KCl SCl2 + Cl2 + NaF → SF4 + 4 NaCl 3/8 S8 + 2 AgF → FSSF + Ag2S 1/8 S8 + 3 F2 → SF6

SF

F

F

F

SF

F F

F

F

F

SF

F FF

F

SF F

F

F

F

Page 151: Vorlesung ACII-1

9

S-X-, Se-X- und Te-X-Verbindungen ⇒ neutrale, binäre Schwefel-Iodide sind nicht eindeutig beschrieben ⇒ Synthesen von S-Cl-Verbindungen: ¼ S8 + Cl2 → ClSSCl 1/8 S8 + xs. Cl2 → SCl2 SCl2 + Cl2 → SCl4 Oxidationsstufe < +2 +2 +4 +5 +6 Schwefel S2F2 (SF2) SF4 S2F10 SF6 S2Cl2 SSF2 SCl4 S2Br2 SCl2 (S2I2) SnCl2 Selen Se2Cl2 (SeCl2) SeF4 SeF6 Se2Br2 (SeBr2) SeCl4 Se2I2 SeBr4 Tellur Te3Cl2 (TeCl2) TeF4 TeF6 Te2Cl (TeBr2) TeCl4 Te2Br (TeI2) TeBr4 Te2I TeI4 TeI

SeF4 (g, fl.) TeF4 (s)

Page 152: Vorlesung ACII-1

10

S-H-, Se-H- und Te-H-Verbindungen

Eigenschaften H2O H2S H2Se H2Te Farbe, Zustand bei RT

farblose Flüssigkeit

farbloses Gas farbloses Gas farbloses Gas

geruchlos „verfaulte Eier“ übelriechend übelriechend Schmelzpunkt / K 273 187.5 207 224 Siedepunkt / K 373 214 232 271 ΔHf / kJ mol-1 -286 -21 30 100 d(E-H) / Ǻ 0.96 1.34 1.46 1.69 ∠(H-E-H) / ° 104.5 92 91 90 Giftig ? nicht giftig sehr giftig sehr giftig sehr giftig ⇒ Labor Synthese von H2S ⇒ Kipp’scher Apparat ⇒ Polysulfane: durch (i) Ansäuern von Lösungen von Polysulfid-Salzen oder (ii) Kondensation von Sulfanen mit Chlorsulfanen bei -50°C alle Polysulfane sind thermodynamisch instabil, H2S2 ähnliche Struktur wie H2O2 (PG : C2)

Page 153: Vorlesung ACII-1

11

Chalkogen-Oxide ⇒ Zusammenfassung der Eigenschaften der wichtigste Chalkogen-Oxide: EO2 EO3 niedere

Chalkogenoxide E = Schwefel farbloses, giftiges Gas mit isolierten

Molekülen in allen Aggregatzuständen, gewinkelt, C2v, Anhydrid von H2SO3 COCl2 + SO2 → SOCl2 + CO2

Industrielle Synthese: Kontaktverfahren. Gas: besteht aus SO3 + S3O9 Molekülen. SO3 = trigonal planar, D3h Kristallin = S3O9 (Sesselförmiger S3O3-Heterocyclus mit 6 x exoständigen, mehrfach gebundenen O-Atomen); polymerisiert ⇒ ß-SO3

zB SSO, S7O, SnO (n = 6 – 10)

E = Selen entsteht beim Verbrennen von Se an Luft, SeO2 = farbloser Feststoff, isolierte SeO2 -Moleküle in der Gasphase, C2v; Kettenformiges Polymer aus eckenverknüpften SeO3-Pyramiden (s). Kurze Se-O-Bindungen ⇒ Mehrfachbindung, Eigenschaften: Löslich in H2O unter Bildung von Selenigsäure (H2SeO3). Anhydrid von H2SeO3

farblose, hygroskopische Kristalle, 8-gliedrige Se4O12-Ringmoleküle Gasphase: SeO3 in Gleichgewicht mit Se4O12 monomeres SeO3 = planar, D3h

E = Tellur α-TeO2 ,Vorkommen als Mineral, Darstellung: Verbrennung von Te in O2; jedes Te-Atom ist trigonal bipyramidal (AX4E) von 4 x O-Atomen umgeben. Anhydrid von H2TeO3 (Tellurigsäure)

α-TeO3 und β-TeO3 bekannt Anhydrid von Orthotellursäure

Page 154: Vorlesung ACII-1

12

Page 155: Vorlesung ACII-1

1

Einige Eigenschaften der Halogene

C, E. Housecroft, A. G. Sharpe, Inorganic Chemistry 2nd edition, Pearson Prentice Hall, Harlow, 2005.

Page 156: Vorlesung ACII-1

2

Fluor ist extrem reaktiv !

Das Einleiten von verdünntem F2 (F2:N2 Gemisch) in Dichlormethan.

* hellgelbes Gas* sehr ätzend* extrem reaktiv* bildet Verbindungen direkt mit jedem Element außer mit O2, N2, He, Ne, Ar

Page 157: Vorlesung ACII-1

3

Warum ist die F-F-Bindung in F2 schwach ?

Frage 1: Sind die Unterschiede in den Bindungsenergien signifikant ?

151I-I

193Br-Br

243Cl-Cl

158F-F

Bindungsenergie / kJ mol-1Bindung

0

50

100

150

200

250

300

F-F Cl-Cl Br-Br I-I

BE

(kJ/

mol

)

Huheey, J. E. Inorganic Chemistry, Harper & Row, 1983.

Frage 2: Warum ist das unerwartet ? (Periodische Trends)

X2-Bindungslänge:

X2 Bindungslänge nimmt zu

F21.42 Å

Cl21.99 Å

Br22.28 Å

I22.66 Å

⇒ Fluor ist sehr klein

Folge 1: Abstoßung der freien e-Paare

Folge 2: (1) längere F-F-Bindung(2) schwächere F-F-Bindung

Page 158: Vorlesung ACII-1

4

Strukturen von F2 → I2 ?

orthorhombische Schichtstruktur von I2(Cl2, Br2, I2 sind isostrukturell)

Greenwood, N. N. & Earnshaw, A., Chemistry of the Elements, Pergamon Press, S. 929.

Struktur von α-ICl (links) und β-ICl (rechts)

Struktur von festem F2

F2: T > -188.1°C Gas -188.1 > T > -219.6 °C Flüssigkeit-219.6 > T > -227.6 °C Feststoff, Hochtemperatur-β-PhaseT < -227.6 Feststoff, Tieftemperatur-α-Phase

Page 159: Vorlesung ACII-1

5

Halogen-Kationen und -Anionen

HalogenFluor Chlor Brom Iod Astat

I2+ (blau)I42+ (braun)

I3+ (schwarz)

I5+ (schwarz)I15

3+ (schwarz)

Br2+ (rot)

Strukturell bekannte homopolyatomare Halogen-Kationen:

Br3+ (braun)

Br5+ (braun)

Cl3+ (gelb)Cl4+ (blau)

I. Krossing, J. Passmore et al., Coord. Chem. Revs., 197, 2000, 397.

Keine strukturell bekannten homopolyatomaren Fluor-Kationen

Keine strukturell bekannten homopolyatomaren Fluor-Anionen

Gillespie, 60er Jahre: ‚Iod bildet eine blaue Lösung in Oleum‘ (vgl. Schwefel in Oleum bildet S-Kationen)

? ?

Die homopolyatomaren-Halogen-Kationen und -Anionen sind Spezies, die ausschließlich aus einem Halogen-Atom-Typ aufgebaut sind.

Page 160: Vorlesung ACII-1

6

Gleiche Struktur für Cl3+-, Br3

+- und I3+-Kationen

Homopolyatomare Halogen-Kationen und -Anionen

Die Struktur von I5 (AsF6)Die Struktur von I3AsF6

d(I-I) in I3+ = 2.65 Å

d(I-I) in I2 = 2.67 Å

AX2E2 nach VSEPR

kl

lk

Gleiche Struktur für Br5+

Vergleich der Strukturen des I5+-Kations und I5- -Anions:

linear

gewinkelt

AX2E3 nach VSEPR (Zentralatom)AX2E2 nach VSEPR (Zentralatom)

I5+-KationI5--Anion

linear oder gewinkelt am Zentralatom ?

Page 161: Vorlesung ACII-1

7

Polyhalogenid-Anionen

Die Zahl der Polyhalogenid-Anionen des Typs [Xy]z-: I > Br > Cl (kein F)

I5-

I7-

I2 gelöst in Kat+I- -Lösung → Kat+I3-

I I I III

Thermische Stabilität der dreiatomigen Interhalogenid-Anionen:I3- > IBr2

- > ICl2- > I2Br- > Br3- > BrCl2- > Br2Cl-

Die thermische Stabilität eines solchen Salzes:(i) größere Kationen = thermisch stabiler(ii) größere Zentral-Atome = thermisch stabiler(iii) höhere Symmetrie des Anions = thermisch stabiler

Synthese-Beispiel:

CsBr + ICl → Cs+BrICl-

Struktur des IF2- -Anions

Page 162: Vorlesung ACII-1

8

Neutrale Interhalogen-Verbindungen

Neutral-Spezies Zentral-Halogen-AtomCl Br I

XY

XY3

XY5

XY7

ClF

ClF3

ClF5

BrCl

BrF3

BrF5

IBr

IF3

IF5

IF7

Farbloses Gas; Smp.= -156°C; Sdp.= -101°C

Farbloses Gas; Smp. = -76°C; Sdp. = 12°C

Farbloses Gas; Smp. = -103°C; Sdp. = 13°C

Hellrotes Gas; Smp. = -33°C; Sdp. = 20°C (Dispr.)BrF

Rotbraunes Gas; Smp. = 66°C; Sdp. = 5°C (Zerfall)

Farblose Flüssigkeit; Smp. = 9°C; Sdp. = 41°C

Farblose Flüssigkeit; Smp. = -61°C; Sdp. = 41°C

IF

ICl

weißes Pulver; Smp. = -78°C;Dispr. T > -14°CRubinrote Nadeln; Smp. = 27°C; Sdp. = 94°C (Zerf.)Schwarze Kristalle; Smp. = 41°C; Sdp.= 116°C (Zerf.l)

Gelbes Pulver; Smp. = -78°C; Dispr. T > -28°C

(ICl3)2 ≡ I2Cl6Gelbe Nadeln; Smp. = 101 °C (16 bar); Zerfall T > 77°C

Gelbe Flüssigkeit; Smp. = 9°C; Sdp. = 104°C

Farbloses Gas; Smp. = 6°C; Sblp. = 5°C

* alle sind diamagnetisch* alle Reaktionen von X2 + nY2 2XYn sind exotherm* alle besitzen eine gerade Zahl von Halogen-Atomen

Page 163: Vorlesung ACII-1

9

Interhalogen-VerbindungenSpezies, die ausschließlich aus verschiedenen Halogen-Atomen aufgebaut sind

Interhalogene

neutral kationisch anionisch

XnYmn = 1; m = 1n = 1; m = 3n = 1; m = 5n = 1; m = 7n = 2; m = 6

XY2+

XY4+

XY6+

XY2-

XY4-

XY6-

XY8-

* nicht alle Möglichkeiten sind bekannt

ClF, BrF < ICl < IBr < BrCl < IF

Die Tendenz zur Zersetzung nimmt innerhalb der Reihen zu:

stabil bei RT Tzers. = - 14°Cnur mäßig stabil wenig stabil

z.B. Struktur von IF4-

Page 164: Vorlesung ACII-1

E5.75•H2O (E = Ar, Kr, Xe, Rn)

Später wurden strukturell charakterisierte verwandte Hydrochinon-Komplexe berichtet:

x E•3 C6H4(OH)2 (E = Ar, Kr, Xe)(x = 0.866)

ß-Hydroquinone Xenon Clathrate

Erste Berichte über Edelgas-haltige Verbindungen in 1896, über Clathrate mit der folgendenallgemeinen Formel:

Die Chemie der Edelgase

Einleitung

Ar (g) + F2 (g)intensive elektrische Entladung

Kr (g) + F2 (g)

Ruff, Münster

keine Reaktion

keine Reaktionintensive elektrische Entladung

Page 165: Vorlesung ACII-1

Rotes PtF6-Gas

Gelbes‘XeF+PtF6

-’feststoff

Xe + PtF6 XeF+PtF6-

1962: Die erste Edelgas-Verbindung

Einleitung

1962 Das Jahr des Xenons

Bartlett: XePtF6 = Erste Edelgas-VerbindungHoppe (Münster): Synthese von XeF2Classon (LANL): Synthese von XeF4

Die Chemie der Edelgase

Page 166: Vorlesung ACII-1

Anlage für die Synthese von XeF2(Hoppe, 1962)

Xenondifluorid, XeF2

Die Chemie der Edelgase

XeF2:weißer, kristalliner Feststoffleicht zu sublimierenmildes Fluorierungsmittel in der organischen Chemielöslich in H2O (langsame Zersetzung)schnelle Zersetzung in basischen, wässrigen Lösungen

XeF2 = linear, D∞h

Page 167: Vorlesung ACII-1

Neutrale Edelgas-Fluoride: die wichtigste Klasse

Die Chemie der Edelgase

* thermodynamisch stabil* Darstellung: aus den Elementen* XeF2 = thermodynamisch am stabilsten

(D∞h) (D4h) (C3v) (D∞h)

Page 168: Vorlesung ACII-1

Struktur von XeF6

Besitzt XeF6 in der Gasphase die gleiche Struktur wie im festen Zustand ?Ist das freie Elektronenpaar am Xenon stereochemisch aktiv oder inaktiv ?XeF6: monomer (g), tetramer und hexamer (s), XeF6 ist ein AX6E-Molekül (1:3:3)

Page 169: Vorlesung ACII-1

Die Chemie der Edelgase

(1) XeFn (n = 2, 4, 6) reagieren mit F--Akzeptoren unter der Bildung von Xe-F-Kationen:

XeFx + MF5 XeFx-1+MF6

-M = As, Sb

2 XeF2 + MF5 Xe2F3+MF6

-

(2) XeFn (n = 4, 6) reagieren mit F--Donoren unter Bildung von Xe-F-Anionen:

XeF2 + Kat+F- Kat+ XeF3-

XeF6 + Kat+F- Kat+ XeF7-

XeF6 + 2 Kat+F- (Kat+)2XeF82-

(3) Hydrolyse von XeFn (n = 4, 6) führt zu Xe-Oxid-Verbindungen:

XeF6 + 3 H2O XeO3 + 6 HF

2 XeF6 + 16 OH- XeO64- + Xe + O2+ 12 F- + 8 H2O

Page 170: Vorlesung ACII-1

Edelgas-Kationen

XeFx + MF5 XeFx-1+MF6

-

Allgemein Synthese:

Page 171: Vorlesung ACII-1

Die Chemie der Edelgase

Eigenschaften der binären Xe-O-Verbindungen

Page 172: Vorlesung ACII-1

Die Chemie des Kryptons

Kr + F2 KrF2

Kationische Kr-F-Verbindungen:

KrF2 + MF5 KrF+MF6-

M = As, Sb

Kr + F2

RT

KrF+AsF6-

Kr2F3+AsF6

-

Darstellung:

Page 173: Vorlesung ACII-1

Das Xe2+-Ion: Erste und einzige strukturell bekannte Xe-Xe Bindung

XeF+Sb2F11- + SbF5 Xe2

+Sb4F21-

K. Seppelt, T. Drews, Angew. Chem., 1997, 109, 264 – 265.

Wasserfreies-HF

Xe2+Sb4F21

-

+ Xe (g) Überschuss

Dunkelgrüne Lösung bei 0°CAbkühlen bis –30°C KristalleKristalle: farblos

gelbgrün

XeF2 + 2 SbF5

Page 174: Vorlesung ACII-1

Gold-Xenon-Kationentrans-[AuXe2F]2+[SbF6]-[Sb2F11]-

cis-[AuXe2]2+ ([Sb2F11]-)2

[AuXe4]2+([SbF6]-)2[Au2Xe2F]3+([SbF6]-)3

trans-[AuXe2]2+([SbF6]-)2

K. Seppelt, Angew. Chem. Int. Ed., 41, 2002, 455.K. Seppelt, Science, 290, 2000, 117.

Page 175: Vorlesung ACII-1

Allgemeine Literatur zu den Vorlesungen:Lehrbücher:

(1) T. M. Klapötke, I. C. Tornieporth-Oetting, Nichtmetallchemie, VCH, Weinheim, 1994. (Allgemein)

(2) Holleman & Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, Walter de Gruyter. (Allgemein)

(3) N. N. Greenwood, A. Earnshaw, Chemistry of the Elements, Pergamon Press. (Allgemein)

Übersichts-Artikel:

(1) Comprehensive Inorganic Chemistry, (Hrsg. H. J. Emeleus et al.) Pergamon Press, 1973.

Original Literatur:

(4) P. Lazlo, G. Schrobilgen, Angew. Chem. Int. Ed. Engl., 27, 1988, 479. (Xe-Chemie)

(5) R. Dagani, Chem. Eng. News, 80, 2002, 27. (Edelgas Chemie)

(6) V. K. Brel, N. S. Pirkuliev, N. S. Zefirov, Russ. Chem. Revs., 70, 2001, 231. (XeF2 in Org. Chemie)

(7) T. M. Klapötke, I. C. Torniepoth-Oetting, Comments on Inorganic Chemistry, 15, 1994, 137. (N-X)

(8) J. Passmore, T. M. Klapötke, Acc. Chem. Res. 1989, 22, 234. (S-I- & Se-I-Chemie)

(9) Einige Themen in Journal of Chemical Education (Bibliothek, nicht on-line)