vermessung und neuordnung der sozialen welt...social networks boomen, werbebudgets steigen. doch wer...

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‚Österreich hat seine Eigenheiten, das soll sich in der Werbung widerspiegeln.‘ Sabine Toifl, Leiterin des Marketings der Wiener Städtischen, sieht im regionalen Touch von Werbung gerade in digi- talen Zeiten ein Asset. → Seite 10 HORIZONT 3,60 Euro № 11 13. März 2020 Die österreichische Wochenzeitung für Werbung, Medien & Marketing HORIZONT IN DIESER AUSGABE Software statt Mindshare Warum Christoph Truppe nun auf die werberische Innovati- onskraft des Softwareherstel- lers smec setzt MENSCHEN → Seite 5 Freundschaftlicher Rat Wohin der ORF mit seiner neuen Konstellation von „Freundeskreisen“ der Parteien im Stiftungsrat geht MEDIEN → Seite 6 Neue Aussichten für das ‚profil‘ Welche Perspektiven – neben neuem Büro mit Blick auf Weinberge – das profil im nunmehr gänzlichen Verbund mit der Mediaprint hat MEDIEN → Seite 6 Nach Covid-19 Was Marketing tun kann, um durch angespannte Zeiten zu kommen und nach der Epide- mie umso mehr durchzustarten MARKETING → Seite 11 Unternehmensberater, deine Freunde und Helfer Warum die WKO-Vertreterin der Wiener Unternehmensberater „kein Match“ mit Agenturen, sondern Zusammenarbeit will AGENTUREN → Seite 12 Zwist um E-Privacy Warum der neue EU-Vorschlag zur E-Privacy-Richtlinie den DMVÖ und das iab austria derzeit entzweit UPDATE → Seite 14 MEDIEN LAE weist steigende crossmediale Reichweiten aus Entscheider zählen weiter auf Printmarken. Gute Nachrichten für heimische Printhäuser, von Tages- über Wo- chen- bis hin zu Monatsmedien, hält die am Donnerstag veröffent- lichte neue LAE-Studie über den Medienkonsum von Zielgruppen mit zentralen wirtschaftlichen Entschei- der-Kompetenzen bereit. Gerade bei diesen Medienkonsumenten nimmt die Mediennutzung im Schnitt zu – sinkende Printreichweiten werden durch wachsende Online-Reich- weiten mehr als ausgeglichen. Lag die kombinierte Netto-Reichweite (Print- und Online-Präsenz) von Ta- geszeitungen bei der letzten Ausgabe der im Zweijahresrhythmus durchge- führten Studie noch bei 79,1 Prozent, ist sie nunmehr wieder auf 79,9 Pro- zent gestiegen. Die Studie bestätigt zudem einmal mehr: Je mehr Entscheidungsbefug- nisse, desto mehr Konsum klassischer Medien. In der Spitzengruppe liegt die kombinierte Tageszeitungsreich- weite etwa jenseits der 82 Prozent. Bei den Wochen- und Monatstiteln punkten naheliegenderweise jene mit wirtschaftlichem Fokus deutlich über dem Schnitt, mit den WKO- Zeitungen und Gewinn rund um die 25-Prozent-Marke. Der immer wieder diskutierten Frage, ob Österreich, zum Unter- schied von allen westeuropäischen Ländern, auf eine eigene Studie über den Medienkonsum von Entschei- dern verzichten solle, hält die Arge LAE außerdem eine Zahl entgegen, die für die Werbewirtschaft nicht irrelevant ist: Die abgebildete Ziel- gruppe hat aktuell allein im privaten Sektor immerhin das Sagen über 477 Milliarden Beschaffungswert und ein Brutto-Investitionsvolumen von 33 Milliarden Euro. lz Ausführliche Analysen und Reaktio- nen zur LAE lesen Sie im LAE-Report im HORIZONT 12 kommende Woche. Österreichische Post AG, WZ 02Z031577 W, Manstein ZeitschriftenverlagsgesmbH, Brunner Feldstraße 45, 2380 Perchtoldsdorf Retouren an Postfach 100, 1350 Wien © Wiener Städtische/Richard Tanzer © guukaa/stock.adobe.com Bericht von Michael Fiala D ie Entwicklung rund um den Covid-19-Virus hat die Kraft der Sozialen Me- dien eindrucksvoll unter Beweis gestellt, positiv wie negativ. Kettenbriefe und Fake News buhlten genauso wie Aufklärungskampagnen von Behörden, Unternehmen und Ins- titutionen um die Aufmerksamkeit der User. Doch auch ohne diesen Beleg ist klar: Soziale Medien sind in der Kom- munikation für Personen, Unterneh- men, Parteien und Gruppierungen aller Art unverzichtbarer Bestandteil geworden. Die Frage bleibt, wo welche Zielgruppen tatsächlich auch zu errei- chen sind und wo welche Personen- gruppen wo nicht mehr vertreten sind. Experten verorten jedenfalls ak- tuell einen absoluten Höhenflug in der Nutzung Sozialer Netzwerke, wie etwa Fabian Gratzer, Digital Program- matic Strategy in der Omnicom Me- dia Group, konkretisiert: „Da aktuell 4,4 Millionen Österreicher Social Media nutzen, kann man sagen, dass man quasi alle Zielgruppen über Soziale Netzwerke erreichen kann.“ Er betont auch, dass sich die Ziel- gruppen auf unterschiedlichen Platt- formen erreichen lassen. „So können wir beispielsweise die Zielgruppe 30+ am besten über Facebook und YouTu- be erreichen. Die Generation Z findet man hingegen am besten auf TikTok, Instagram und YouTube“, schildert Gratzer die demografisch zu erklä- rende Nutzungssituation. Doch wie verteilen sich die User in Österreich auf die einzelnen Netz- werke konkret? Offizielle Zahlen der Sozialen Netzwerke, noch dazu her- untergebrochen auf einzelne Länder wie Österreich, sind nur über Umwe- ge zu bekommen. Wer ist eigentlich wo? Eine Möglichkeit stellt der jährlich erscheinende „Global Digital Report“ der Social-Media-Agenturen Hoot- suite und We Are Social dar, der Anfang Februar erschienen ist. Ins- gesamt verbringen die Österreicher laut dieser Untersuchung 5:25 Stun- den pro Tag im Internet, davon 1:20 Stunden in Sozialen Netzwer- ken. Fernsehen ist mit 2:48 Stunden noch immer deutlich auf Platz eins zu finden. 97 Prozent der Österrei- cher, die ein oder mehrere Soziale Netzwerke nutzen, haben laut die- ser Untersuchung im vergangenen Monat dieses auch besucht. Durch- schnittlich hat jeder Österreicher 6,5 Social-Media-Accounts. 33 Pro- zent der rot-weiß-roten Social-Media- User verwenden die Netzwerke auch für berufliche Zwecke. So weit die har- ten Fakten über den Markt hinweg. Der konkrete Blick auf die besuch- ten Netzwerke „innerhalb des ver- gangenen Monats“ zeigt folgendes Bild: 84 Prozent waren auf YouTube, 83 Prozent nutzten WhatsApp. Auf Platz drei folgt Facebook mit 70 Pro- zent, der Facebook-Messenger ran- giert mit Respektabstand und einem Wert von 50 Prozent auf Platz vier. Die Werte der weiteren bekannten Sozi- alen Netzwerke: Instagram kommt auf 47 Prozent, Pinterest erreicht 30, Snapchat 20, Twitter 19 und Linke- dIn 19 Prozent. Newcomer TikTok kann immerhin schon acht Prozent für sich verbuchen. Ein ähnliches Bild zeichnen die Untersuchun- gen des Reppublika Ratings+ von MindTake Research. Lesen Sie weiter auf → Seite 2 Fabian Gratzer, Digital Programmatic Strategy Omnicom, sieht immer noch ein starkes Silodenken in den Media-Kanälen. © Edgar Castellanos Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und Marketingstrategien im rasanten Wandel. Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt

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Page 1: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

‚Österreich hat seine Eigenheiten, das soll

sich in der Werbung widerspiegeln.‘

Sabine Toifl, Leiterin des Marketings der Wiener Städtischen, sieht im regionalen

Touch von Werbung gerade in digi-talen Zeiten ein Asset. → Seite 10

HORIZONT3,60 Euro

№ 1113. März 2020

Die österreichische Wochenzeitung für Werbung, Medien & Marketing HORIZONT

In dIeSer AuSgAbe

Software statt MindshareWarum Christoph Truppe nun auf die werberische Innovati-onskraft des Softwareherstel-lers smec setztMenSchen → Seite 5

Freundschaftlicher ratWohin der ORF mit seiner neuen Konstellation von „Freundeskreisen“ der Parteien im Stiftungsrat gehtMedIen → Seite 6

neue Aussichten für das ‚profil‘Welche Perspektiven – neben neuem Büro mit Blick auf Weinberge – das profil im nunmehr gänzlichen Verbund mit der Mediaprint hatMedIen → Seite 6

nach covid-19Was Marketing tun kann, um durch angespannte Zeiten zu kommen und nach der Epide-mie umso mehr durchzustartenMArkeTIng → Seite 11

unternehmensberater, deine Freunde und helferWarum die WKO-Vertreterin der Wiener Unternehmensberater „kein Match“ mit Agenturen, sondern Zusammenarbeit willAgenTuren → Seite 12

Zwist um e-PrivacyWarum der neue EU-Vorschlag zur E-Privacy-Richtlinie den DMVÖ und das iab austria derzeit entzweituPdATe → Seite 14

MedIen

LAe weist steigende crossmediale reichweiten aus

Entscheider zählen weiter auf Printmarken.

Gute Nachrichten für heimische Printhäuser, von Tages- über Wo-chen- bis hin zu Monatsmedien, hält die am Donnerstag veröffent-lichte neue LAE-Studie über den

Medienkonsum von Zielgruppen mit zentralen wirtschaftlichen Entschei-der-Kompetenzen bereit. Gerade bei diesen Medienkonsumenten nimmt die Mediennutzung im Schnitt zu – sinkende Printreichweiten werden durch wachsende Online-Reich-weiten mehr als ausgeglichen. Lag die kombinierte Netto-Reichweite (Print- und Online-Präsenz) von Ta-geszeitungen bei der letzten Ausgabe der im Zweijahresrhythmus durchge-führten Studie noch bei 79,1 Prozent, ist sie nunmehr wieder auf 79,9 Pro-zent gestiegen.

Die Studie bestätigt zudem einmal mehr: Je mehr Entscheidungsbefug-nisse, desto mehr Konsum klassischer Medien. In der Spitzengruppe liegt die kombinierte Tageszeitungsreich-weite etwa jenseits der 82 Prozent.

Bei den Wochen- und Monatstiteln punkten naheliegenderweise jene mit wirtschaftlichem Fokus deutlich über dem Schnitt, mit den WKO-Zeitungen und Gewinn rund um die 25-Prozent-Marke.

Der immer wieder diskutierten Frage, ob Österreich, zum Unter-schied von allen westeuropäischen

Ländern, auf eine eigene Studie über den Medienkonsum von Entschei-dern verzichten solle, hält die Arge LAE außerdem eine Zahl entgegen, die für die Werbewirtschaft nicht irrelevant ist: Die abgebildete Ziel-gruppe hat aktuell allein im privaten Sektor immerhin das Sagen über 477 Milliarden Beschaffungswert und ein Brutto-Investitionsvolumen von 33 Milliarden Euro. lz

Ausführliche Analysen und Reaktio-nen zur LAE lesen Sie im LAE-Report im HORIZONT 12 kommende Woche.

Österreichische Post AG, WZ 02Z031577 W, Manstein ZeitschriftenverlagsgesmbH, Brunner Feldstraße 45, 2380 PerchtoldsdorfRetouren an Postfach 100, 1350 Wien

© Wiener Städtische/Richard Tanzer

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Bericht von Michael Fiala

D ie Entwicklung rund um den Covid-19-Virus hat die Kraft der Sozialen Me-dien eindrucksvoll unter

Beweis gestellt, positiv wie negativ. Kettenbriefe und Fake News buhlten genauso wie Aufklärungskampagnen von Behörden, Unternehmen und Ins-titutionen um die Aufmerksamkeit der User. Doch auch ohne diesen Beleg ist klar: Soziale Medien sind in der Kom-munikation für Personen, Unterneh-men, Parteien und Gruppierungen aller Art unverzichtbarer Bestandteil geworden. Die Frage bleibt, wo welche Zielgruppen tatsächlich auch zu errei-chen sind und wo welche Personen-gruppen wo nicht mehr vertreten sind.

Experten verorten jedenfalls ak-tuell einen absoluten Höhenflug in der Nutzung Sozialer Netzwerke, wie etwa Fabian Gratzer, Digital Program-matic Strategy in der Omnicom Me-dia Group, konkretisiert: „Da aktuell

4,4  Millionen Österreicher Social Media nutzen, kann man sagen, dass man quasi alle Zielgruppen über Soziale Netzwerke erreichen kann.“ Er betont auch, dass sich die Ziel-gruppen auf unterschiedlichen Platt-formen erreichen lassen. „So können

wir beispielsweise die Zielgruppe 30+ am besten über Facebook und YouTu-be erreichen. Die Generation Z findet man hingegen am besten auf TikTok, Instagram und YouTube“, schildert Gratzer die demografisch zu erklä-rende Nutzungssituation.

Doch wie verteilen sich die User in Österreich auf die einzelnen Netz-werke konkret? Offizielle Zahlen der Sozialen Netzwerke, noch dazu her-untergebrochen auf einzelne Länder wie Österreich, sind nur über Umwe-ge zu bekommen.

Wer ist eigentlich wo?Eine Möglichkeit stellt der jährlich erscheinende „Global Digital Report“ der Social-Media-Agenturen Hoot-suite und We Are Social dar, der Anfang Februar erschienen ist. Ins-gesamt verbringen die Österreicher laut dieser Untersuchung 5:25 Stun-den pro Tag im Internet, davon 1:20  Stunden in Sozialen Netzwer-ken. Fernsehen ist mit 2:48 Stunden noch immer deutlich auf Platz eins zu finden. 97  Prozent der Österrei-cher, die ein oder mehrere Soziale Netzwerke nutzen, haben laut die-ser Untersuchung im vergangenen Monat dieses auch besucht. Durch-schnittlich hat jeder Österreicher

6,5  Social-Media- Accounts. 33  Pro-zent der rot-weiß-roten Social- Media-User verwenden die Netzwerke auch für berufliche Zwecke. So weit die har-ten Fakten über den Markt  hinweg.

Der konkrete Blick auf die besuch-ten Netzwerke „innerhalb des ver-gangenen Monats“ zeigt folgendes Bild: 84 Prozent waren auf YouTube, 83  Prozent nutzten WhatsApp. Auf Platz drei folgt Facebook mit 70 Pro-zent, der Facebook-Messenger ran-giert mit Respektabstand und einem Wert von 50 Prozent auf Platz vier. Die Werte der weiteren bekannten Sozi-alen Netzwerke: Instagram kommt auf 47 Prozent, Pinterest erreicht 30, Snapchat 20, Twitter 19 und Linke-dIn 19 Prozent. Newcomer TikTok kann immerhin schon acht Prozent für sich verbuchen. Ein ähnliches Bild zeichnen die Untersuchun-gen des Reppublika Ratings+ von MindTake Research.

Lesen Sie weiter auf → Seite 2

Fabian gratzer, Digital Programmatic Strategy Omnicom, sieht immer noch ein starkes Silodenken in den Media-Kanälen. © Edgar Castellanos

Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und Marketingstrategien im rasanten Wandel.

Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt

001_Seite_01 1 11.03.2020 19:14:57

Page 2: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

HORIZONT № 112 TITelsTORy

Florian Magistris – Managing Director von Httpool und Vermarktungspartner von LinkedIn, Twitter, Spotify und WeTransfer – über die Entwicklung der Sozialen Medien und darüber, welche Zielgruppen wo am besten erreicht werden können.

Interview von Michael Fiala

Horizont: Blicken wir zunächst auf das Jahr 2019 zurück. Inwiefern hat sich die Nutzung der Sozialen Medien in den letzten zwölf Mo-naten verändert? Welche Trends können Sie feststellen?Florian Magistris: Wie auch in den vergangenen Jahren wurde 2019 eine sinkende Nutzung von Facebook attestiert. Die Zahlen können dies jedoch nicht bestätigen. Wir orten weiterhin großes Interesse bei unse-ren Kunden und eine ungebrochene Nachfrage nach Facebook-Werbung. Weiters ist 2019 die Nutzung von Snapchat stark gestiegen und Tik-Tok ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Konkrete Zahlen wer-den von TikTok aber derzeit nicht genannt. Im Businessbereich hat LinkedIn seine Vormachtstellung weiter ausbauen können.

Wen erreicht man auf Facebook?Facebook hat zwar an medialer Rele-vanz verloren, gleichzeitig hat Face-book aber den bisherigen kommerzi-ellen Höhepunkt erreicht und wächst weiter. Die Credibility und Authen-tizität bei der jungen Zielgruppe hat Facebook natürlich nicht mehr so wie früher. Da haben jetzt Instagram,

TikTok und Snapchat ganz klar die Nase vorn. Aus werblicher Sicht: Auf Facebook spielen vor allem die The-men Direct Response und Video Ad-vertising eine ganz große Rolle.

Wie unterscheidet sich Instagram von Facebook?Die Werbeplattform von Instagram und Facebook ist dermaßen ver-schmolzen, dass man sie kaum mehr trennen kann. Wenn man eine Kam-pagne auf Facebook aufsetzt, wird sie auch automatisch auf Instagram ausgespielt. Da muss man schon ak-tiv Instagram abwählen. Generell kann man sagen: Instagram ist ten-denziell jünger und wird vor allem

für Kampagnen mit Branding- und Engagement-Zielen genutzt. Face-book ist die Plattform für Video-Ads und Performance-Kampagnen wie zum Beispiel App-Install-Kampagnen.

Wenn wir auf konkrete Zielgrup-pen blicken: In welche Schubladen kann man die unterschiedlichen Sozialen Netzwerke stecken? Für die B2B-Kommunikation im digi-talen Bereich ist LinkedIn eine One-Stop-Solution geworden. Hier kann man mit feinem Targeting kombiniert mir sehr hoher Reichweite so gut wie alle B2B-Zielgruppen mit unter-schiedlichen nativen Werbeformaten erreichen. Xing hat zwar in Österreich auch weiterhin eine sehr hohe Reich-weite, erfüllt aber aufgrund des Busi-nessmodells eine ganz andere Rolle. Xing setzt auf Premium-Accounts und weniger auf Vermarktung. Wenn es darum geht, High Income und Multiplikatoren zu erreichen, sind LinkedIn und Twitter aus unserer Sicht die beste Lösung.

Sie haben Twitter angesprochen. Welche Entwicklung gibt es hier?Twitter hat sich in Österreich in den vergangenen zwei Jahren extrem stark entwickelt. Abgesehen von den entsprechenden Nutzungszahlen

erkennt man das auch daran, wie oft Twitter mittlerweile in anderen Me-dien zitiert wird. Das ist ein Indikator für Relevanz. Hier hat Twitter Face-book eindeutig den Rang abgelaufen. Twitter hat zudem starke Targeting-möglichkeiten, die Themen und In-teressen in den Mittelpunkt stellen. Besonders stark ist Twitter derzeit bei Online-Video-Kampagnen, vor allem im mobilen Bereich. Interessant ist auch, dass Twitter bei Social-Media-Kampagnen zusätzliche Reichweiten („Incremental Reach“) generiert, weil eine große Anzahl an Twitter-Usern mit klassischen Social-Kanälen wie Facebook und Instagram nicht er-reicht werden können.

Und wie erreicht man die Jugend am besten?Die jugendlichen Zielgruppen kann man natürlich am bes-ten auf Snapchat und Tik-Tok erreichen, wobei das

Altersspektrum von Snapchat etwas breiter ist und auch ein wenig in die Erwachsenenzielgruppe ausstrahlt. TikTok ist zudem bis auf Weiteres in Österreich und der Schweiz nicht als Werbeplattform verfügbar.

Wie sieht es mit Spotify aus? Das ist ja kein klassisches Soziales Medium?Ja, es ist kein klassisches Soziales Netzwerk. Das Besondere an der Plattform ist, dass es sich um eine ab-solute Lovebrand handelt, weil es den Usern einfach ein großartiges Service – alle Musik dieser Welt – kostenlos zur Verfügung stellt: And Everyone loves Music. Spotify braucht sich auch in Sachen Reichweite laut der Kantar-TNS-Studie gegenüber den größten Radiosendern nicht verstecken. Bei der Wochenreichweite spielt Spotify

in Österreich ganz vorne mit; und wenn man den typischen Kampa-gnenzeitraum von rund 14 Tagen oder mehr hernimmt, kann Spo-tify enorme Reichweiten erzielen.

Der Vorteil gegenüber Radio-werbung ist zudem die

Kürze der Werbeblöcke mit maximal zwei bis

drei Spots, maximal alle 15 Minuten. Spo-tify bietet zudem ge-genüber Radiosen-dern eine On-Top-Reichweite, weil man die Zielgrup-pen sehr gut am Arbeitsplatz oder

auch in der Frei-zeit, zum Beispiel

beim Sport, erreicht. Spotify wird zu 80 Pro-

zent mobil genutzt. •

‚TikTok ist angekommen‘

→ Fortsetzung von seite 1

Die MindTake-Zahlen beruhen auf den Angaben der einzelnen Netzwer-ke über den jeweiligen Admanager (siehe Grafik rechts). Zwar gibt es für YouTube und TikTok hier keine Zah-len, bei den restlichen Netzwerken allerdings liegt Facebook mit 3,5 Mil-lionen an monatlichen Nutzern auf Platz eins.

Relevante WerbungParallel zum Anstieg der Nutzung von Sozialen Netzwerken hat auch die Werbewirtschaft die Budgets neu geordnet. Werbung auf Sozialen Netz-werken gehört mittlerweile zum fixen Bestandteil eines ausgewogenen Mediamixes. Die Herausforderungen der Online-Werbung, egal ob Website oder Social, sind aber ähnlich.

„Die vielbesprochene Banner Blindness hat leider auch in den Sozialen Netzwerken Einzug ge-halten“, meint Gratzer. Der Kampf um Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit und Interaktion beeinflusse das Buchungsverhalten. Daher suchen

Werbetreibende und Plattformen ständig nach neuen, aufmerksam-keitsstarken und interaktionsfördern-den Werbemitteln beziehungsweise -formaten. „Hier konnten wir vor allem auf Facebook feststellen, dass neue Anzeigenformate, wie beispiels-weise die Collection Ad, besonders gut bei den Usern ankommen.“

Für Florian Magistris von Httpool (siehe Interview unten) ist Banner Blindness im Gegensatz zu Gratzer weniger Thema: „Der große Vorteil von Social-Media-Advertising ist, dass fast ausschließlich mit Native Advertising gearbeitet wird. Ge-paart mit dem richtigen Targeting sorgt das für hohe Relevanz und dadurch für überdurchschnittliche Werbeakzeptanz bei den Usern. Die Werbung wird also nicht ‚aus-geblendet‘, sondern als relevante Information  wahrgenommen.“

Beim Thema Targeting stimmt Gratzer zu: „Unser aller Ziel muss es sein, die Werbung relevant zu machen, das heißt, sicherzustellen, dass die Werbebotschaft an die rich-tige Person zur richtigen Zeit am

richtigen Ort mit der richtigen Bot-schaft ausgespielt wird.“

Ein Trend, der sich aus Sicht von Gratzer weiter fortgesetzt hat, ist „der Fokus auf Awareness durch Video-Ads. Hier konnten wir schon in den letzten Jahren erkennen, dass Kunden ihren Fokus immer mehr auf dieses Anzeigenformat gesetzt haben“.

Mit Spannung blickt die Branche auch auf TikTok. Es gibt hier noch kei-nen bestätigten Zeitpunkt, wann die Vermarktung der Plattform in Öster-reich starten wird. Snapchat ist daher derzeit die wichtigste Plattform für die junge Zielgruppe mit innovativen Werbeformaten. „Die Perfektion in der Umsetzung von digitalen Werbe-formaten speziell für junge Zielgrup-pen auf Snapchat ist sehr beeindru-ckend“, sagt Magistris.

Silodenken oder nicht?Gratzer erwartet, dass gesponserte Ads auf TikTok Mitte des Jahres in Österreich freigeschaltet werden: „Hier wird vor allem spannend, zu sehen, mit welchen Anzeigenforma-ten die Generation Z am besten zu erreichen ist.“ Insgesamt sieht Gratzer jedoch „immer noch ein starkes Silodenken in den jeweiligen und ka-nalübergreifenden Media-Kanälen“. Doch gerade in Sozialen Netzwer-ken sei es wichtig, „dass Markenkern sowie Zielsetzung auch mittranspor-tiert werden und alle Aktivitäten in Paid, Earned und Owned Media zu-sammenspielen und sich ergänzen“.

Magistris widerspricht auch hier: „Da hat sich wahnsinnig viel getan in den vergangenen Jahren. Die gro-ßen Werbetreibenden sind im Um-gang mit Social Media mittlerweile

sehr professionell. So gibt es in den meisten größeren werbetreibenden Unternehmen nicht nur professio-nelle Social-Media-Abteilungen, son-dern immer öfter auch voll integrierte Kommunikationskonzepte inklusive Social Media.“

Für Gratzer sind innerhalb der werbetreibenden Unternehmen jedoch agile Prozesse notwendig, „die ohne eine Verzahnung der Kre-ativ- und Mediateams nicht um-setzbar sind“. Seine Forderung: Die Kampagnen-Ergebnisse und Daten müssten nicht nur teamübergreifend zur Verfügung stehen, „sondern bei-de Seiten müssen auch in der Lage sein, mit den Daten umzugehen und gemeinsam auf deren Grundlage die Strategie anzupassen“.

Steigende BudgetsDie weltweiten Ausgaben für Social-Media-Werbung betragen 2020 laut Statista etwa 34 Milliarden Euro. Laut Prognose wird 2023 ein Marktvolu-men von 41,7 Milliarden Euro erreicht – das entspricht einem jährlichen Wachstum von sieben Prozent.

Eine wichtige Rolle dabei spielt die zunehmende Monetarisierung von Sozialen Netzwerken und zu-sehends auch Messenger-Apps. Die Integration von Shopping- und Zahlungslösungen in die Sozialen Netzwerke sowie die exakte Lokali-sierung werden für gesteigerte Nutz-erbindung und Leistungssteigerung im Bereich Advanced Targeting sor-gen, sind sich internationale Exper-ten einig – und nicht zuletzt auch für neue Umsatzquellen für die Netz-werke selbst.

Ähnlich positiv ist der Ausblick des „Advertising Expenditure Fore-cast“ von Zenith. Demnach arbeite-ten sich Social Media 2019 auf Platz drei der wichtigsten Werbekanäle vor, mit 13 Prozent Anteil an den globalen Werbeausgaben hinter TV (29 Pro-zent) und Paid Search (17 Prozent). Zenith erwartet jedoch eine Ver-langsamung des Social-Media-Wer-bebooms. Im Vergleich zu anderen Mediengattungen legt es aber weiter-hin zu: 2021 wird Social Media den Zahlen zufolge 16 Prozent aller glo-balen Werbeausgaben ausmachen. •

seit 13 Jahren leitet Florian Magistris,

vormaliger ORF.at-CMO,

Httpool Austria.

© Vyhnalek/

Fotografie

täglicHe Mediennutzung

Internet 5 h 25 min Social Media 1 h 20 min Fernsehen 2 h 48 min Musik-Streaming-Services 0 h 48 min Gaming Konsole 0 h 32 min

Fernsehen inkludiert Broadcast-TV und Content delivered via streaming und

Video-on-Demand-services. Quelle: Globalwebindex/Q3 2019

MonatlicHe user in österreicH

Facebook * 3.500.000 Instagram ** 2.500.000 Snapchat * 2.050.000 LinkedIn ** 1.500.000 Xing ** 1.423.000 Twitter ** 1.100.000 Spotify * 1.020.000 Pinterest ** 1.000.000 Reddit ** 840.000 WeTransfer * 220.000

Für TikTok und youTube sind keine Werte verfügbar Quelle: * monatliche Unique User/

Reppublika Ratings+ von MindTake Research/ 01.2020 **monatliche User/Pubisher-, Admanager-Angabe/ 01.2020

‚Facebook hat Relevanz verlo-ren, aber kom-merziell den Höhepunkt erreicht.‘

002_Seite_02 2 11.03.2020 19:08:12

Page 3: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

13. März 2020 3Wochenvorschau

digital

Bewegtbild liebt dich„Kreativität trifft Daten“ ist dieses Jahr das Motto der neovideo. Neben hei-mischen Playern (etwa ÖBB, A1now) in dem Feld kann der Bewegtbild-Kongress auch Kaliber wie Frank Büch aufbieten – als Marketingleiter der Berliner Verkehrsbetriebe für de-ren bahnbrechende und seit 2015 un-gebrochen erfolgreiche #weilwirdich-lieben-Kampagne verantwortlich.Neovideo, 19. März, 9:00 bis 18:00 uhr, radisson Blu Park royal Palace hotel, schlossallee 8, 1140 Wien, Tickets um 490 euro, ermäßigung für iab-Mitglieder, 99 euro für studenten, Info und anmeldung unter neovideo.com

MedieN

Von null auf Podcast in einem tagAlle tun es – und mit Anna Goldenberg (Falter, Presse, taz) kann der APA-Campus eine Podcast-Routiniere aufbieten, die Teilnehmer an ihrem Workshop innerhalb eines Tages Podcast-fit machen will: Von Stilistik und Audio-Basics bis zu Hosting und Tonschnitt reicht dabei die Palette.der einstieg ins Podcasten, 16. März, 9:30 bis 15:00 uhr, aPa-Zentrum, Laim-grubengasse 10, 1060 Wien, 480 euro, 15 Prozent ermäßigung für Prva-Mit-glieder, Information und anmeldung unter apa-campus.at

auSSerdeM

Bis dann, nach CoronaWie rund um die Welt (Stichwort MI-PTV in Cannes) werden nun auch in Österreich größere Branchenveran-staltungen angesichts von Covid-19 vertagt: Schon seit dieser Woche sucht die nextM-Konferenz der GroupM ei-nen Ersatztermin. Bereits einen neu-en Termin gefunden hat mit dem 16. September die ursprünglich für diese Woche geplante Adgar-Gala, wie auch die Digital Media Europe am 10. und 11. November und der VAMP-Award am 18. Juni. Das 4Gamechangers-Fe-stival nimmt von 8. bis 11. September einen neuen Anlauf, George Clooney inklusive.

Sie könnenmir vertrauen.

Freud | ab Sonntag 15. März 20:15Premiere des internationalen TV-Events

Was diese Woche ansteht13. bis 20. März 2020

Zusammenstellung von lukas Zimmer

MarketiNg

daten-NähkästchenDie Insights Austria am Donnerstag bekräftigt die Rolle von Marktfor-schern als im Verborgenen wirkende Kraft im Vorfeld der Marktkommuni-kation: Damit findet überhaupt zum ersten Mal eine Fachkonferenz der heimischen Branche unter der Ägide des Verbands der Marktforscher Ös-terreichs (VMÖ) statt. Die diskutierten Themen werden jene Zahlen prägen, auf denen Österreichs Marketer auf-bauen – vom Umgang mit Sprachas-sistenten über die Verfeinerung statis-tischer Methoden durch Big Data bis hin zum Nähkästchen-Geplauder der Marktforschungsleiter von führenden Unternehmen Österreichs.insights austria, 19. März, 17:00 bis 21:00 uhr, Wu Wien, Gebäude ea, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien, anmel-dung unter [email protected]

MedieN

Hervorragende Frauen Zum bereits neunten Mal vergibt das Frauennetzwerk Medien am Mitt-woch den von Wien Holding und der Wirtschaftsagentur Wien gestifteten Wiener Journalistinnenpreis für „her-vorragende journalistische Arbeit mit frauenpolitischem Fokus“. Schon zum vierten Mal gesellt sich Puls 4 als Pate des Jungjournalistinnenpreises dazu.Journalistinnenpreis, 18. März, 19:00 uhr, Wiener rathaus, stadtsenatssitzungs saal, eingang Lichtenfelsgasse, 1010 Wien, Info unter frauennetzwerk.at

MarketiNg

lauter gewinner„In jedem Gespräch gewinnen“ kön-ne man mit den drei Hebeln Trans-aktionsanalyse, Vier-Ohren-Modell und wertschätzender Kommunikati-on, verspricht Führungskräfte-Coach Ferry Fischer. In einem Workshop für den Marketingclub Österreich will er am Montag den Beleg dafür liefern.MCÖ-Workshop, 16. März, 16:00 uhr, Zimmer Working in concept - Design Workspace, Piaristengasse 8, 1080 Wien, Information und anmeldung unter marketingclub.at/event

MedieN

digitale ChecklisteIn seiner Forumreihe präsentiert das Friedrich Funder Institut diesmal eine auch unter Patronanz der RTR zustan-de gekommene neue Studie der Uni Salzburg, die die nötigen digitalen Kompetenzen im Journalismus eva-luiert. Der Präsentation der Studie folgt eine hochkarätig besetzte Jour-nalistendiskussion.digitale disruption: Was sollen Jour-nalistinnen und Journalisten können?, 16. März, 18:30 uhr, Management club, Kärntnerstraße 8, 1010 Wien, Info und anmeldung unter ffi.at

003_Seite_03 3 11.03.2020 19:15:06

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HORIZONT № 114 KOmmeNTaR

Medienqualität

Vor der eigenen digital-tür kehrenKommentar von Sarah Wagner

Medien müssten mehr an ihrer Vermittlungskompetenz arbei-

ten, meinte Mark Eisenegger, Dozent an der Universität Zürich, während einer Diskussionsrunde im Presseclub Concordia zum Thema „Medienqua-lität im digitalen Zeitalter“ (siehe Sei-te 8). In der Tat neigen Medienmacher wohl eher dazu, bei Fake-News-Rufen und „Lügenpresse“-Vorwürfen die mangelnde Medienkompetenz der Konsumenten zu kritisieren, als die Qualität der eigenen Berichterstattung zu reflektieren, wenn diese einmal un-ter Beschuss gerät. Die Schnelligkeit der digitalen Kanäle und die große Informationsflut verlangen Medien nicht mehr nur passende (Clickbait-)Headlines ab, sondern auch neue Arten der Informationsaufbereitung: ein schneller, unmissverständlicher Überblick, da im digitalen Raum In-halte meistens mehr gescannt als ge-lesen werden. Quellenverlinkungen zur Untermauerung, weiterführende Literatur – gerade das Internet bietet da wohl genug Möglichkeiten. Die Medien tun sich auch selbst einen Gefallen, wenn sie konsequent an ih-rer eigenen Vermittlungskompetenz arbeiten, denn je besser die Informa-tionen zum Leser finden, desto mehr wächst vielleicht auch wieder das Ver-trauen in die Medien.

nachrichtenagenturen

Mangelnde anerkennungKommentar von Stefan Binder

S ie gehören quasi schon zum Inven-tar jeder Medienlandschaft. Doch

auch Nachrichtenagenturen sind ge-gen die Folgen des digitalen Wandels nicht immun. Durch den technologi-schen Wandel kommen ihre Kunden – Tageszeitungen, TV-Sender und Ra-diostationen – unter immer größeren finanziellen Druck. Gleichzeitig gibt es immer mehr Quellen abseits der klassischen Nachrichtenlieferanten. Das Resultat ist, dass auch Nachrich-tenagenturen immer mehr sparen oder neue Einnahmequellen finden müssen. Wer das nicht schafft, dem droht das Schicksal der australischen AAP (siehe Seite 16).

Das sollte ein Weckruf sein. Denn nach wie vor wird die Arbeit der Nachrichtenagenturen viel zu wenig geschätzt. Im Gegenteil: In heimi-schen Onlineforen werden die Texte der APA oft mit Häme überzogen. Da-bei sind deren Meldungen genau das, was man sich von gutem Journalis-mus erwartet: präzise, überprüft und mit einem hohen Maß an Objektivität verfasst. Anerkennung gibt’s dafür zu wenig – auch in der Branche. Als zu selbstverständlich wird all das oft an-gesehen. Das sollten auch die Genos-senschafter bedenken, wenn sie das nächste Mal wieder weniger an ihre Nachrichtenagentur zahlen wollen.

gegen Schoko-Storm

Kommentar von Birgit Samer

Für den Kekshersteller Bahlsen geht die Liebe nach einem Pos-

ting zum Valentinstag nicht mehr durch den Magen. Als rassistisch bezeichnet eine

aufgebrachte Instagram-Community den Produktnamen Afrika für mit Schokolade überzogene Waffelkekse. Die Debatte zeigt, wie schnell ein Hashtag – hier #alltäglicher-rassismus – die Social-Media-Empörung be-feuern und in einen wahren Shitstorm aus-arten kann. Die Kekssorte gibt es bereits seit 60 Jahren, der Name geht auf den Ursprung des verwendeten Kakaos zurück. Die Suche nach dem sprichwörtlichen Haar in der Sup-pe erreicht online ganz neue Dimensionen. Bahlsen hat richtig gehandelt, indem es auf den Shitstorm reagiert. Ob es gleich eine Na-mensänderung braucht, darüber scheiden sich nun auch via Social Media die Geister.

Kommentar von nora halwax

Sieben vorerst ersatzlos gestriche-ne Fragen und Antworten. Jene,

die den Korrekturstift überlebt ha-ben, wurden derart entstellt, dass von dem ursprünglichen Gespräch nicht mehr viel übrigblieb. Die Rede ist von einem Interview zwischen ÖFB-Teamchef Franco Foda und der Fuß-ball-Onlineplattform 90minuten. at, das Ende Jänner stattfand – und dementsprechend kurz danach hät-te veröffentlicht werden sollen. Nach endlosen Korrekturschleifen seitens der ÖFB-Pressestelle waren einige

Fragen zudem zeitlich bereits über-holt und die Freigabe immer noch nicht da. Die Plattform entschied sich daher, das Beste daraus zu machen und unter dem Titel „45-Tage-Proze-dere: Teamchef Foda schreibt sein In-terview neu“ statt des Interviews die Chronologie dahinter zu publizieren.

Die Mediencausa zwischen Foda und 90minuten.at ist ein Negativbei-spiel aus der Serie „Wie es im Buche steht“. Und es ist Auswuchs eines Schicksals, das wohl jeden Printjour-nalisten im deutschsprachigen Raum ereilt, und zwar im Alltag: das der Interview-Autorisierung. Während

etwa im angloamerikanischen Raum jedes gesprochene Wort auch schrift-lich gilt, ist es hierzulande meist Usus, dass die direkten Antworten dem Ge-sprächspartner zur inhaltlichen Frei-gabe vorgelegt werden.

Die Intention ist eine eigentlich gute: Falsch oder missverständlich Formuliertes kann klargestellt wer-den. Außerdem sind sich natürlich auch Printjournalisten bewusst, dass eine Unterhaltung ohne TV-Kamera oder Radioaufzeichnung meist lo-ckerer und authentischer ausfällt, was letztendlich auch dem Interview guttut. Vorausgesetzt, es wird die Freigabe nicht etwa dazu genutzt, die eigenen Antworten – die übrigens

gemeinhin von Redakteurshand und nicht einer Maschine transkribiert werden – über den Haufen zu werfen und statt dessen PR-Floskeln aus dem Hut zu zaubern, die vielleicht nur marginal mit der Frage zu tun haben. Oder gar Fragen zu streichen. Quasi-Zensur ist genauso wenig angebracht wie einst die Metternich’sche.

Das Kernproblem ist das oft noch falsche Verständnis von Journalismus als PR-Instrument und Journalisten als verlängertem Arm der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. So selbstver-ständlich es klingt, für viele scheint es das nicht: Journalisten wollen, dürfen, ja müssen kritische Fragen stellen – und Leser wollen ehrliche Antworten

in der Zeitung sehen, keine Presse-aussendung. Interviewte wissen nor-malerweise darüber Bescheid, wenn ihr Gesagtes gedruckt werden soll.

Überdies mag der angesprochene Autorisierungs-„Usus“ in deutsch-sprachigen Gefilden hier und dort zur Gewohnheit geworden sein. Er ist aber kein Gewohnheitsrecht und kein Mediengesetz, sondern basiert normalerweise auf beiderseitigem Einvernehmen. Wird eine Autori-sierung und somit in weiterer Kon-sequenz Journalismus per se derart missverstanden und missbraucht, wird er ausgehöhlt. Dann nützt er weder dem Leser noch der Presse-stelle des Interviewten.

interVieW-autoriSierung

gewohnheit, nicht gewohnheitsrecht

Sager der Woche

‚Mittel- bis lang-fristig hat sich die Branche noch von jeder Katastrophe erholt.‘ÖMG-Präsidentin Barbara rauchwarter rät zu kühlem Kopf und Weitsicht angesichts der Herausforderung Corona → Seite 11

Und dann?

Leitartikel von Jürgen hofer, Chefredakteur

S elten hat ein Ereignis das gesell-schaftliche Leben derart in die Knie gezwungen wie das aktuell grassie-rende Coronavirus. Die Sorge vor der

Erkrankung war nur der Vorbote, mit den nun bekannten Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung ist die Realität vollends ange-kommen – und bringt damit auch drastische Konsequenzen mit sich, die neben der gesamt-gesellschaftlichen Entwicklung auch Medien und Werbung nachhaltig prägen werden.

Der aktuelle Zustand, so man diesen noch derart euphemistisch als solch einen beschreiben darf, bringt einiges an gravie-renden Problemen sich. Abgesagte Events en masse sorgen für Mehraufwände bei Ver-anstaltern, Ungewissheit bei der künftigen Ausführung, Ausfällen bei Zulieferern, feh-lendem inhaltlichen Austausch der Branche und in harter Konsequenz auch dem Aus-bleiben von Geschäftsanbahnungen und -abschlüssen beim lockeren Abendplausch. In Situationen wie diesen werden aus einer gewissen Vorsicht heraus bekanntermaßen stets Werbe- und Marketingausgaben als eine der ersten gekürzt. Im Optimalfall verschie-ben sich diese zumindest auf spätere Zeit, im

Worst-Case-Szenario erliegen sie einer ersatz-losen Streichung. Von einem Anstieg ganz zu schweigen. Die dadurch resultierenden Aus-wirkungen auf Medien sind derzeit im vollen Ausmaß überhaupt nicht abschätzbar. Vor allem freie Dienstnehmer, die in der Kommu-nikationsbranche die klare Mehrheit stellen, sind von kurzfristigen Ausfällen am schlimms-ten betroffen – Einzelne sprechen schon jetzt vom harten Gang am Abgrund ihrer eige-nen Existenz.

Die notwendi-ge Bekämpfung des Coronavirus und des-sen Ausbreitung auf politischer Ebene ist unbestritten. Ebenso ist die Politik im Han-deln dieser Tage aber auch gefordert, schon jetzt zukunftsweisende Schritte – von konjunkturbelebenden Aktivi-täten bis hin zu anzudenkenden Ausfallszah-lungen und stützenden Programmen für EPU – zu setzen. Damit das Schreckgespenst nur ein temporäres bleibt und die Branche sich in voller Vitalität bald wieder aufrichten kann.

‚Auswirkun-gen über-haupt nicht abschätzbar‘

Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus hemmen die Branche an allen Ecken und Enden. Der Gedanke sollte trotzdem in der Zukunft liegen.©

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13. März 2020 5Menschen

Kronen Zeitung – die Nummer 1 am Markt.32,7 Prozent der heimischen Entscheider informieren sich täglich in der Kronen Zeitung - print oder digital

Quelle: LAE 2019 / 3.0; Basis national, CrossMediaReach Schwankungsbreite +/- 1,6%

Kronen Zeitung – die Nummer 1 am Markt.

Was lesenÖsterreichsManager?

Vertrieb neu im Brandstätter Verlag

Gleich zwei Positionen werden im Brandstätter Verlag neu beset zt. Michelle Guiboud-Ribaud über-nimmt den Digitalvertrieb, Florian Frei wird Eventmanager. Guiboud-Ribaud kam nach einem Deutsch- und Geschichtestudium als Lehrling in den Verlag. Frei übernahm 2018 die Tourleitung für „Stadtlesen“. © Yan Bululukov

Neuer Präsident für den österreichischen Presserat

Dieter Henrich ist zum Präsidenten des ö s t e r r e i c h i s c h e n Presserats gewählt worden. Henrich fungiert außerdem als Geschäftsführer des Verbandes der R e g i o n a l m e d i e n

(VRM). Der VRM möchte sich laut Aussendung auch in Zukunft für die Stärkung der Selbstkontrolle von Print einsetzen. © Jürg christandl

Post goes Vienna Economic Forum

Post-Vorstand Peter Umundum über-nimmt die Präsidentschaft des Vienna Economic Forums (VEF). Umundum (Bild rechts) folgt damit auf Günther Rabensteiner (links). Das Schär-fen und Erweitern des regionalen Schwerpunktes sowie die Fokussie-rung auf übergreifende inhaltliche Themen, wie etwa Digitalisierung oder Nachhaltigkeit, definiert Umun-dum als künftige Pläne für das VEF. © Österreichische Post AG

PErsoNaltickEr

Office Director Christoph Truppe kommt von Mindshare und forciert die Expansion des Softwareherstellers.

Bericht von ralf Dzioblowski

Seit der Gründung vor zwölf Jah-ren hat Smarter Ecommerce

(smec) mit hochspezialisierten Softwarelösungen für die Automati-sierung von Text- und Shoppingan-zeigen für Google sowie Microsoft mehr als 500 nationale und internati-onale Kunden gewonnen. Das Team umfasst mittlerweile 140 Mitarbeiter in Linz, Wien und London. „Unser

Ansatz ist wahrlich data-driven“, erklärt smec-CEO Jan Radanitsch. „ Aktuell richten wir unser Augen-merk verstärkt auf die Integration des Upper Funnel und vieler neuer Datenquellen. AI, kombiniert mit tie-fem Branchen- und Fach-Know-how, ist dabei unsere Basis und Triebfeder.“

Als neuer Office Director soll sich der ehemalige Managing Director von Mindshare, Christoph Truppe, nun darum kümmern, dass Wien als

Programmatic Hub weiter ausgebaut wird. „Smec ist für mich ein Parade-beispiel für ein erfolgreiches digita-les Unternehmen in Österreich, das hat mich von Anfang an überzeugt“, so Truppe. Besonders angesprochen habe ihn, dass sich Software Engi-neers, technisches Know-how in der Tiefe und Marketing-Consulting an einem Punkt bündeln, und „zusätzlich noch die stark ausgeprägte Unterneh-menskultur, die den Fokus ganz klar auf die laufende (Weiter-)Entwick-lung von Produkten und Features legt, Stichwort Innovationskraft. Das spürt man sofort, wenn man das HQ in der

Tabakfabrik Linz betritt, eine einma-lige Atmosphäre. Das hat mich sofort begeistert“. Am Standort Wien gehe es darum, (Online-)Händlern ganzheitli-che Lösungen anzubieten und aufzu-zeigen, wie Programmatic Marketing die einzelnen Schritte der Consumer Journey miteinander verbindet. „Die Möglichkeiten, die konsolidiertes

Ad Tech mit sich bringt, sind viel tief-gehender. Und wir helfen dabei als umfassend mitdenkender Partner im Online-Marketing und E-Commerce mit relevantem Consulting und inno-vativer smec-Software.“

Derzeit arbeiten sechs Mitarbei-ter in der Bundeshauptstadt, bis Juni sollen es „mindestens zehn“ sein. Der neue Standort auf der Mariahilfer Straße, der im Juni bezogen werden soll, sei bereits auf 25 Mitarbeiter ausgelegt, verrät der Office Director. „Wir haben einiges in der Pipeline. Genaueres kann ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht verraten, im nächsten Halbjahr dafür sehr gerne. Unser Data-Science-Team spielt da-bei eine entscheidende Rolle.“ •

Truppe soll smec-Truppe pushen

Office Director christoph truppe will den standort Wien des international tätigen softwareherstellers smec als Programma-tic hub ausbauen. © smec

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HORIZONT № 116 MedIeN

Erstmals verfügt die ÖVP über eine absolute Mehrheit im ORF-Stiftungsrat. Der Druck auf den ORF-General-direktor könnte sich trotz jüngster Vertagung erhöhen.

Bericht von Martin Wurnitsch

Auch die für diese und kommende Woche geplanten Gremiensitzun-

gen des ORF fielen dem Coronavirus zum Opfer. Nach dem Publikumsrat am Donnerstag wurde auch die Stif-tungsratssitzung eine Woche darauf auf einen späteren Zeitpunkt, konkret auf nach Ostern, verschoben. Die am Mittwoch im Ministerrat beschlosse-nen 15 von 35 Mitglieder des obersten

Aufsichtsgremiums des ORF (sie sind Vertreter der Regierung beziehungs-weise der Parlamentsparteien) haben nun länger Zeit, sich auf die in der Tagesordnung vorgesehenen The-men – Strukturmaßnahmen, eine Schemaänderung für ORF1 und den ORF-Player – vorzubereiten.

Neu im Stiftungsrat sind (inkl. Betriebsrat) sieben Mitglieder: Die Grünen entsenden Patientenanwäl-tin Sigrid Pilz als Parteienvertreterin;

bei den auf fünf ÖVP-Vertreter, zwei Grüne und zwei Unabhängige auf-geteilten neun Regierungsvertretern kommen auf Grünen-Seite Strategie-berater Lothar Lockl und Angewand-te-Kommunikationschefin Andrea Danmayr zum Zug. Beide haben Grü-nen-Parteivergangenheit. Die zwei unabhängigen Mandate werden von Ruth Strondl, Sprecherin des Kunst-historischen Museums, und Bernhard Tschrepitsch, Generalsekretär der Akademikerhilfe, wahrgenommen. Auf ÖVP-Regierungsseite wiederum übernimmt Jürgen Beilein, Ex-Spre-cher diverser ÖVP-Minister, das neue, fünfte türkise Mandat.

Bei den weiteren Parteienvertretern ergeben sich keine Änderungen, Nor-bert Steger bleibt der Mann der FPÖ und damit weiter Vorsitzender des Stiftungsrates: mit doppeltem Stimm-recht im Falle eines Abstimmungs-gleichstandes im 35-köpfigen Gremi-um. Seine Abwahl ist nicht möglich. Die restlichen drei Blauen werden vom Publikumsrat entsandt, dessen Funk-tionsperiode noch bis 2022 andauert. Die Positionen von NEOS-Rat Hans Peter Haselsteiner oder des Kärntner Vertreters Siegfried Neuschitzer (Rot-Blau zugeordnet) als Zünglein an der Waage bei früheren Generaldirektors-wahlen sind schon länger geschwächt.

‚Absolute‘ Mehrheit für TürkisVöllig neu stellen sich jedenfalls die Mehrheitsverhältnisse im Stiftungsrat dar. Die ÖVP besitzt mit 16 Vertretern

und zwei weiteren, die vom Betriebs-rat entsandt und ihr de facto zuge-rechnet werden können, erstmals eine absolute Mehrheit im ORF. Die Kanzlerpartei könnte damit, theo-retisch, frei über Vorgaben ans Ma-nagement zu den Themen Struktur und Finanzen entscheiden. Und sie könnte spätestens im August 2021

einen neuen Generaldirektor ganz nach ihrem Gutdünken wählen (für eine Abwahl sind Zweidrittelmehrhei-ten nötig). Realpolitisch ist man hier freilich an einen Konsens mit dem grünen Regierungspartner gebunden.

Was jedenfalls klar scheint mit Blick auf die nächste (noch nicht ter-minisierte) Sitzung: Die ÖVP-Vertreter im Stiftungsrat könnten den Druck auf ORF-Generaldirektor Alexan-der Wrabetz massiv erhöhen. Schon beim jüngsten Treffen im Dezember 2019 forderte ÖVP-„Freundeskreis“-Leiter Thomas Zach weitere

Strukturmaßnahmen von Wrabetz und seinen Direktoren ein, um Mit-tel fürs Programm frei zu machen. Die Fortschritte beim ORF-Player, für den sich Wrabetz eine rasche Geset-zesänderung von der türkis-grünen Regierung erhoffte (die wohl erst 2021 kommt), werden ebenfalls Thema sein. Eine Schemaänderung für ORF1

steht ebenfalls auf der Agenda: Chan-nelmanagerin Lisa Totzauer will die donnerstägliche Eigenproduktions-leiste zurück auf den Mittwoch heben.

Neben diesen Fragen hatte in der ORF-Gerüchteküche zuletzt eine andere Konjunktur, nämlich: Wer könnte Wrabetz nach dem Ende seiner Funktionsperiode Ende 2021 als Generaldirektor beerben (noch ist nicht klar, ob er wieder antritt)? Aktuell wird dabei ein neuer Name ins Spiel gebracht: jener der Journa-listin Corinna Milborn, Infodirektorin von Puls 4. •

Neue Räte, neue Mehrheit

Am Tag nach der Übersiedelung ins Kurier-Gebäude im Gespräch mit Christian Rainer: über Eingewöhnung, Printzukunft, Vermarktungspläne und Erlösziele.

Bericht von Martin Wurnitsch

Die Umzugskartons sind großteils noch nicht ausgepackt, die Ar-

beitsplätze, dicht an dicht in Reihen gestaffelt, mehrheitlich noch nicht bezogen im neuen Großraumbüro des profil, als Christian Rainer den HORIZONT empfängt. Das Nachrich-tenmagazin residiert nach der Über-nahme durch das Kurier-Medienhaus im September 2019 seit Anfang die-ser Woche in dessen Firmensitz am Leopold-Ungar-Platz in Wien Heili-genstadt. Der fünfte Stock – nebenan logiert SchauTV – bietet zumindest eingeschränkten Blick auf die Wein-berge, man hatte in Summe wohl schon repräsentativere Adressen.

Der Neustart für das profil unter neuem Eigentümer (wiewohl die Redaktionsgesellschaft ja bereits zum Kurier-Medienhaus gehörte) vermit-telt Herausgeber und Chefredakteur Rainer vorerst einmal Sicherheit, wie er betont: „Wir sind jetzt im großen Medienverbund der Mediaprint, der Nummer zwei unter Österreichs Me-dienkonzernen, und dort sicher auf-bewahrt und mittelfristig zukunftsfest.

Das ist in schwierigen Zeiten wie die-sen ein richtig gutes Asset. Es geht ja um Arbeitsplätze in einer Branche, die im radikalen Umbruch steckt, um Einkommen und Familien.“

40 Mitarbeiter sind vom Media Tower der Verlagsgruppe News den Donaukanal aufwärts gesie-delt: Redaktion, Grafik, Sekretariat,

Fotoredaktion; Marketing, Vertrieb und Verkauf blieben in der Tabor-straße. Die größte Herausforderung der ersten Tage: Die Eingewöhnung ins neue Redaktionssystem des Kurier sei „trotz intensiver Schulun-gen hochkomplex und vor allem fürs Layout schwierig wie das Erlernen einer Fremdsprache,“ so Rainer. „Mit

meinen 58 Jahren habe ich gedacht, mir den Umstieg auf Windows – oder wie ich gerne altmodisch sage, MS-DOS – ersparen zu können. Mittler-weile weiß ich aber, wo die @-Taste zu finden ist.“

Schon schwieriger zu handeln für die Redaktion: die neue Arbeitssi-tuation im Großraumbüro, die ver-trauliche Telefongespäche gerade für Investigativjournalisten – Stichwort Quellenschutz – beinahe unmöglich macht. Eigene abgetrennte Bereiche für Telefonate sollen hier bald Abhil-fe schaffen.

Ungehobene SchätzeDie wahre Herausforderung für das profil liegt freilich anderswo. Im Online-Bereich etwa sieht Rainer nun „völlig neue Möglichkeiten“, hier gehe es darum, „die profil-DNA in die Online-Welt zu übersetzen. Wir wer-den Schritte in Richtung ‚Digital first‘ setzen – mit allem, was dazugehört, inklusive zarten und verantwortungs-vollen Versuchen, eine Paywall für die profil-Community aufzustellen“.

Es werde aber sicher keine Spiegel-Online-artige, tagesaktuel-le Berichterstattung geben: „Das ist in Österreich auch nicht sinnvoll.“ Longreads aber, die bisher im On-line-Paket gefehlt hätten, oder auch der Aufbau von Datenjournalis-mus könnten Chancen und Vorteile

bringen und seien nun – im Kurier-Verbund – auch machbar. Vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten gebe es auch auf der Vertriebs- und Mar-ketingseite. Hier sei die Mediaprint „hochprofessionell“ und „das gute Datenmaterial eine Art ungehobener Schatz des profil“.

Die in den vergangenen vier Jahren um rund ein Viertel auf 52.000 Stück gesunkene Verkaufsauflage des Print-magazins sieht Rainer wiederum recht nüchtern: „Wir haben eine sinn-volle Größe für das Land, das Ziel ist,

die Auflagen stabil zu halten.“ In den letzten zehn Jahren sei es gelungen, „die günstigen Abos stark zu reduzie-ren und den Abonutzen extrem zu er-höhen. Das Abo kostet ja mittlerweile über 150 Euro und der Durchschnitts-preis ist sehr, sehr sauber“. Einen ebenfalls positiven Indikator nennt Rainer noch: „In der Media-Analyse

sind wir mit rund vier  Prozent seit Jahren sehr stabil.“

,Profil‘-TV muss wartenUnd wie performt das Nachrichten-magazin auf der Kostenseite? Ein ganz klarer Vorteil der Übernahme, so Rainer, seien die im Vergleich zu frü-her viel geringeren Overheads. Und: „Nicht heuer und nicht nächstes Jahr, aber dann wollen wir keine Kosten-belastung sein für die Eigentümer.“ Hintergrund: Dem Vernehmen nach bewegen sich die profil-Umsätze bei

circa zehn Millionen Euro, wobei Verluste zuletzt vor allem durch die Reduktion der Auflage in Grenzen gehalten wurden. Ein profil-TV oder eine Investigativredaktion mit dem Kurier wird es vorerst dennoch nicht geben. Rainer: „Es sind keine Spar-pläne, aber auch keine Milliarden-Investments in der Pipeline.“ •

‚Profil‘-Umzug: Besuch in Rainers neuem Reich

der Herausgeber und Chefredakteur im neuen Großraumbüro der profil-Redaktion: „Wir sind jetzt sicher aufbewahrt.“ © Alexandra Unger

der Sitzungssaal im ORF-Zentrum am Küniglberg bleibt leer. Publikums- und Stiftungsrat wurden wegen der Corona-epidemie abgesagt. © ORF/Thomas Ramstorfer

Christian Rainer will mit profil nach zwei Jahren „keine Kosten-belastung sein für die neuen eigentümer“. © Alexandra Unger

Die neue KRäfteveRteilung iM ORf-stiftungsRat

ÖVP NeOS die Grünen FPÖ SPÖ Unabhängige (mit Tendenz zu einer Partei)

Bundesregierung > 9 Parteien > 6 ORF-Betriebsrat > 5 Bundesländer > 9 ORF-Publikumsrat > 6

Grafik: Horizont

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13. März 2020 7Medien

Kolumne von Gerald Ganzger

Der Erwerber eines (physisch existenten) Buches darf dieses

Exemplar nach dem Kauf verschen-ken oder auch weiterverkaufen, in welcher Art auch immer, beispiels-weise auf Flohmärkten, in Antiquari-aten oder auf Online-„Marktplätzen“. Mit dem Erwerb durch den Käufer ist das Verbreitungsrecht des Urhe-bers beziehungsweise des von ihm lizenzierten Verlags erschöpft. Gilt dieses rechtliche Prinzip auch für „gebrauchte“ E-Books? Mit dieser relevanten Praxisfrage musste sich vor Kurzem der Europäische Gerichtshof (EuGH) befassen.

Anlassfall war das Angebot eines niederländischen Online-„Marktplatzes“, auf dem gebrauchte E-Books verkauft wurden. Jeder, der sich als Nutzer registrierte, konnte an diesem als „Leseclub“ bezeichneten Marktplatz teilnehmen. Gegen dieses Geschäftsmodell haben nun kürzlich zwei niederländische Verlegerver-bände geklagt.

Das mit dieser Rechtssache be-fasste niederländische Gericht legte dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor, „ob die zahlungs-pflichtige Zugänglichmachung eines E-Books durch Herunterladen zur zeitlich unbeschränkten Nut-zung eine Verbreitungshandlung ist, durch die das Verbreitungsrecht des Urhebers beziehungsweise des Verlages erschöpft ist“. Im Ergebnis lief die Frage darauf hinaus, ob der Erwerber eines E-Books dieselben Rechte hat wie der Erwerber eines körperlichen Buches und ob der Er-werber eines E-Books dieses weiter-verkaufen darf.

Der Europäische Gerichtshof sprach dazu aus, dass das Anbieten eines gebrauchten E-Books nicht dem Verbreitungsrecht des Urhe-bers, welches mit dem Kauf des E-Books erschöpft wäre, unterliegt, sondern das Recht der öffentlichen Wiedergabe betrifft. Dazu bedarf es aber der Zustimmung des Urhe-bers beziehungsweise des Verlages. Diese lag im niederländischen Aus-gangsfall aber nicht vor. Das Anbie-ten dieser „gebrauchten“ E-Books war somit rechtswidrig, weil die Rechte des Urhebers beziehungs-weise des Verlages verletzt worden sind. Diese Rechtslage gilt natürlich auch für Österreich.

Diese Entscheidung ist für Urhe-ber und Verleger von großer prakti-scher Bedeutung, weil – anders als

bei physisch existenten Büchern – bei elektronischen Büchern durch Weiterverkauf keine Abnutzung (wie beispielsweise Eselsohren, Kaf-feeflecken et cetera) eintritt, son-dern E-Books ohne Qualitätsverlust unzählige Male „weiterverkauft werden könnten“.

Einem solchen Geschäftsmodell, ohne Zustimmung des Urhebers be-ziehungsweise des Verlages, hat der Europäische Gerichtshof nun einen Riegel vorgeschoben.

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Medienrecht

dürfen ‚gebrauchte‘ e-Books online weiterverkauft werden?

Haben auch Sie eine Frage zu einem rechtlichen Thema? dann schreiben Sie uns an [email protected]. Aus allen Anfragen wird die jeweils spannendste von der Redaktion als nächstes Thema dieser Kolumne ausgewählt. es besteht kein Anspruch auf Bearbeitung der übrigen Anfragen.

dr. Gerald Ganzger ist einer der profiliertesten Medienrechts- und Litigations-PR-experten Österreichs und Gründungspartner der Wiener Rechts-anwalts kanzlei LAnSKY, GAnZGeR + partner (LGP). © LGP

Styria präsentiert neue Dandy-Ausgabe, Diva-Chefredakteurin Melanie Gleinser-Moritzer geht.

Die bereits siebente Präsentation des Styria-Lifestyle-Magazins

Dandy war zugleich auch Anlass für die Bekanntgabe eines Abschieds: Diva-Chefredakteurin Melanie Gleinser-Moritzer wird sich mit April nach knapp fünf Jahren neuen, noch nicht genannten Herausforderungen widmen. So war auch der Abend in bewusst klein und exklusiv gehaltener

Runde im Goat Club – dem Speake-asy Private Club des Restaurants 1o1 im 1. Wiener Gemeindebezirk – so-wohl der Macherin als auch dem Magazin  gewidmet.

In der aktuellen Ausgabe wollen die Macher wieder alles bieten, was den modernen Mann interessiert; so erzählt etwa James-Bond-Darsteller Daniel Craig über seinen Abschied in „No Time to Die“. Daneben bietet der Titel Reportagen rund um Mode, Accessoires, Beauty, Auto und Sport, Lifestyle und Reise sowie Technik und Design. Eben „alles, was einen Dandy ausmacht“, so die Macher. hof

Erscheinung und Abgang

Geschäftsführer robert Langenberger und Melanie Gleinser-Moritzer.

Dandy, für den moder-nen Mann.

© dandy/

Hannah Sobol

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Page 8: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

HORIZONT № 118 MedIeN

Österreich ist laut Presserat neuer Spitzenreiter bei Ethikverstößen, ‚rechte Kreise‘ wiederum würden den Rat gegen den Standard instrumentalisieren wollen.

Bericht von Stefan Binder

Es ist ein Siegerpokal, den in der heimischen Medienbranche wohl

niemand so richtig will. 2019 hat ihn Wolfgang Fellners Österreich ergat-tert. Bei seiner Tageszeitung samt an-geschlossenem Onlineportal oe24. at hat der österreichische Presserat 2019 am meisten Verstöße festgestellt. Ins-gesamt 14 Mal hat das Blatt gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstoßen, wie das Selbstkon-trollorgan der heimischen Medien bei seiner Bilanzpressekonferenz vergangene Woche mitteilte. Damit hat Österreich Konkurrent Kronen Zeitung (diese akzeptiert die Presse-ratsrichtlinien nicht) überholt, die noch im Jahr zuvor den ersten Platz innehatte. Die Kronen Zeitung hat ihre Verstöße im Vergleich zu 2018 jedoch von 18 auf neun halbiert und liegt damit nur mehr auf Platz zwei vor dem Wochenblick (vier Verstöße).

Insgesamt ist die Anzahl der Fälle, die vor dem Presserat landeten, unge-fähr gleich geblieben: Rund 300 Mal eröffnete das Gremium 2019 ein Ver-fahren, 37 Mal kam es dann tatsäch-lich zu Feststellungen von Verstößen, eine mehr als im Jahr zuvor (siehe Grafik unten). Am häufigsten musste der Presserat bei Persönlichkeitsver-letzungen, Diskriminierungen oder wenn Werbung und redaktioneller Inhalt nicht deutlich genug getrennt wurden, einschreiten.

Deutlich an Bedeutung gewonnen haben Fälle, bei denen es um die Ver-letzung des Persönlichkeitsschutzes geht, wie Tessa Prager vom Senat 1 er-klärt: „Wir haben immer wieder Fälle in meist spektakulären Mordfällen, bei denen die Opfer unverpixelt oder schlecht verpixelt gezeigt werden, während der Verdächtige unkenntlich gemacht wurde. Das kommt offenbar aus der Sorge vor einer Klage vom Ver-dächtigen.“ Opfer würden viel zu oft so behandelt, als hätten sie kein Recht auf Persönlichkeitsschutz. „Ich kann Kollegen nur warnen: Das kommt zu uns”, warnt Prager. Opfer dürfe man nicht ungefragt zeigen, „auch wenn sie tot sind, sie sind schutzwürdig“.

,Gedankenloses Verlinken‘ Hinzu komme, dass man oft gar nicht wisse, woher die veröffentlichten Bil-der kommen, ergänzt Andrea Komar vom Senat 3: „Da wird teilweise von Sozialen Medien einfach Bildmaterial genommen und dann in der Zeitung gebracht. Das geht überhaupt nicht. Das ist ein deutlicher Übergriff.“ Soziale Medien stellen sich ohnehin immer öfter als Fluch denn Segen in der Medienethik dar. „Was auch ein Problem ist, ist dieses teilweise ge-dankenlose Verlinken zu Social Me-dia, zu Videos, zu Bildern, zu Filmen – da muss ein Medium sich schon gut überlegen, was bringe ich, und was bringe ich nicht“, meint Komar. Nur weil etwas in Sozialen Medien hoch-kocht, heiße das nicht, dass man der-artiges Material verwenden darf oder soll. Speziell bei Gewaltvideos habe es einige „üble Fälle“ gegeben, bei de-nen zum Beispiel Videos von Morden auf offener Straße verlinkt wurden: „Da sind alle Grenzen gefallen.“ Sehr oft habe man mit solchen Fällen bei krone.at und oe24.at zu tun.

Das oft von Medieninhabern vor-gebrachte Argument, dass es ein öffentliches Interesse gebe, lässt man beim Presserat so nicht gelten. Natür-lich dürfe auch über schwere Gewalt-taten berichtet werden, „aber nur weil es heißt, die Leserinnen und Leser wollen Details haben, heißt das nicht, dass ich diese auch bringen darf.

Nicht alles, was man hat, darf auch veröffentlicht werden“, so Prager. Die Feststellungen von Verstößen durch den Presserat seien auch ein Schutz für Journalisten, meint Prager, „weil sie sich dann auch gegen den Druck, der von Vorgesetzten kommen kann – noch ein Foto oder noch ein Video zu bringen –, auch wehren können.“ Der Presserat ziehe eine klare Gren-ze und wolle auch stellvertretend für die Opfer Flagge zeigen, erläutert Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Vereins.

Versuchte InstrumentalisierungNicht immer sind die Beschwerden, die an das Gremium herangebracht werden, jedoch gerechtfertigt, wie auch die Statistik deutlich zeigt. „Was wir immer wieder beobachten, ist, dass gerade bei Kommentaren oft Mitteilungen erfolgen, schlichtweg weil der Leser mit dem Inhalt des Kommentars nicht einverstanden ist und eine andere Einstellung zum The-ma hat“, so Komar. Eine Besonderheit stellt diesbezüglich der Standard dar. 2019 wurden 48 Mitteilungen gegen das rosarote Blatt vom Presserat be-handelt, nur die Kronen Zeitung hatte mehr Fälle. Für Warzilek spielen zwei Faktoren eine Rolle bei dieser hohen Zahl an Mitteilungen: Einerseits wür-de der Standard sehr ausführlich über Entscheidungen des Presserats berichten, was wohl auch dazu führe, dass sich dessen Leser öfter an das Gremium wenden. Andererseits wer-de das Blatt auch sehr häufig wegen Kleinigkeiten gemeldet, „aus rechten Kreisen, möchte man annehmen, und da wurde versucht, dass der Pres-serat einen Fall aufgreift“, so Warzilek.

„Uns ist das im Senat auch auf-gefallen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt zunehmend immer wieder Mitteilungen zum Standard gekom-men sind, die teilweise Nichtigkeiten waren. Einige waren völlig aus der Luft gegriffen“, erzählt Komar. Auch die rechtsextreme Identitäre Bewe-gung habe sich mit einem Kompen-dium mit mehr als hundert Fällen beim Presserat über den Standard beschwert. Warzilek vermutet, dass es sich dabei um den Versuch handelt, „Einfluss zu nehmen oder uns in der einen oder anderen Form zu instru-mentalisieren“. Geklappt hat es nicht. 2019 gab es beim Standard keinen einzigen Verstoß. •

Qualitätskriterien im Journalismus – eine ewige De-batte unter Medienmachern. Im Presseclub Concordia näherte sich eine Expertenrunde einer Antwort an.

Bericht von Sarah Wagner

Wie sieht eigentlich „Medien-qualität im digitalen Zeitalter“

aus? Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es wohl nicht: Zu diesem Fazit kam eine Diskussionsrunde mit Daniela Kraus, Geschäftsführerin des Presseclubs Concordia, Yvonne Widler (kurier.at), Georg Eckelsberger (Dossier) und Mark Eisenegger, Leiter des Forschungsinstituts für Öffent-lichkeit und Gesellschaft der Univer-sität Zürich, im Presseclub Concor-dia, moderiert von Sebastian Loudon (Zeit). Der Schweizer Dozent stellte in seinem Impulsreferat die These auf, dass viele Medienkonsumenten gerade im digitalen Raum Schwierig-keiten hätten, Quellen einzuschätzen und Desinformationen zu identifizie-ren, während es Medien gleichzeitig an Vermittlungskompetenz mangele. Denn „die beste Qualität nützt nichts, wenn die Informationen nicht zu den Bürgern finden“. Die „beste“ Qualität, die „Masterqualität“, sei die Vernunft,

die wichtigsten Qualitätskriterien in der Berichterstattung Relevanz, Viel-falt und Professionalität.

Für Kraus geht der Qualitätsfrage die Frage voraus, wie man Journalis-mus definiert und den Berufsstand abgrenzt. Für sie zählt die „Intention der Kommunikation“, Journalismus sei eine (bezahlte) „Dienstleistung an die Demokratie“. Eckelsberger bezeichnete Journalismus als „Hand-werk, das man gut machen oder schlecht machen kann“. Angelehnt daran warnte Eisenegger vor der „Laienkommunikation“ im digitalen Raum, durch die kein aufgeklärter Diskurs stattfinden könne. Für Widler ist es vor allem der enorme Zeitdruck, den die digitalen Kanäle mit sich bringen, der Einfluss auf die Quali-tät der Beiträge haben kann. Durch die digitalen Kanäle würden Beiträge zunehmend losgelöst von Medien und deren Statuten rezipiert, meinte Eisenegger. Daher müsse heutzutage jeder einzelne Beitrag die Qualitäts-kriterien erfüllen. •

1. April 2020, Eisenstadt

Zweiter Tag des Regionaljournalismus

Informationen: www.regiomedia.atKontakt: [email protected] ab € 49,- unter:www.xing-events.com/regiomedia

#regiomedia

2020 u.a. am Podium:Teja Adams (ARD) • Antonia Gössinger (Kleine Zeitung) • Gerald Grünberger (VÖZ) • Brigitte Handlos (Everything Media, ORF) • Ralf Hillebrand (SN) • Jürgen Hofer (Horizont) • Maria Jelenko (Regionalmedien Austria) • Susanne Kirchhoff (Universität Salzburg) • Nikolaus Koller (Kuratorium für Journalistenausbildung) • Daniel Lohninger (NÖN) • Peter Plaikner (plaiknerpublic) • Rudi Renger (Universität Salzburg) • Michael Roither (FH Burgenland) • Katharina Scheyerer-Janda (Public Relations Verband Austria) • Walter Schneeberger (ORF Burgenland) • Isa Sonnenfeld (Google News Lab DACH) • Markus Stefanitsch (BVZ) • Alois Vahrner (Tiroler Tageszeitung) • Anna Wallner (Die Presse) • Ronald Zecha (Tiroler Journalismusakademie)

Unterstützt von:

Wie geht es in Zukunft mit dem Regionaljournalismus weiter? Wie kann er die aktuellen Herausforderungen bewältigen? Was erwartet das Publikum von Regionalmedien? Diesen und vielen weiteren Fragen der Branche stellen sich am 1. April mehr als 20 Expert*innen aus Praxis und Wissenschaft. Seien Sie dabei, stellen Sie Ihre Fragen und diskutieren Sie live mit!

JETZTTICKETSSICHERN!

Patzer und AnpatzversucheDie ‚Masterqualität‘

die exper-tenrunde war sich einig, dass Medien intensiver an ihrer Vermitt-lungskompetenz arbeiten müssen. © Mathias Zojer

verStöSSe gegen den ehrenkodex

iNSGESAMT 37 36

Österreich/oe24 14 9

Kronen Zeitung 9 18

Wochenblick 4 2

Heute 3 4

Vorarlberger Nachrichten 3 1

NÖN 3 0

Kleine Zeitung 2 0

Kurier 2 1

Der Grazer 1 0

Die ganze Woche 1 0

Die Presse 1 2

OÖN 1 1

Salzburger Nachrichten 1 0

Süd-Ost Journal 1 0

Wann & Wo 1 0Quelle: Österreichischer Presserat

Verstöße 2019 Verstöße 2018

008_Seite_08 8 11.03.2020 19:07:06

Page 9: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

13. März 2020 9Medien

Blinde und Gehörlose kritisieren in einer aktuellen Petition mangelnde Barrierefreiheit im Privat-TV. Knackpunkt bleibt die Finanzierung, Fördertöpfe bleiben ungenutzt.

Bericht von Jürgen Hofer

Fernsehgerät an, Information, Sport und Unterhaltung los: Was für viele

selbstverständlich zum Alltag gehört, ist für Menschen mit Seh- oder Hörbeein-trächtigung mit teils enormen Barrieren verbunden. Statistik Austria listet für das Jahr 2015 drei Prozent der Bevölke-rung über 15 Jahren mit Sehproblemen, 2,1 Prozent haben demnach Probleme beim Hören. Die Interessenvertreter, der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB) und der Blinden- und Sehbe-hindertenverband Österreich, drängen nun mit einer Petition für mehr Barriere-freiheit ( tinyurl.com/ petitionprivatTV) an die Öffentlichkeit. Das Ziel: Abbau von Barrieren, die Kritik richtet sich an private Fernsehanstalten.

Während es beim Öffentlich-Recht-lichen Rundfunk hinsichtlich Barriere-freiheit bei Untertitelung, Gebärden-sprache und Audiodeskription eine sichtbare Entwicklung gebe, blieben private Fernsehsender „seit Jahren hinter den Erwartungen zurück“, kriti-siert etwa Lukas Huber, Generalsekre-tär des ÖGLB, gegenüber HORIZONT. Er verweist dabei auch auf die neue EU-Richtlinie über audiovisuelle Me-diendienste. Hier werde man beson-ders darauf achten müssen, „dass die AMD-G-Novelle eine Verpflichtung enthält, die sicherstellt, dass Medien-diensteanbieter den Zugang zu Diens-ten ‚stetig und schrittweise‘ tatsächlich verbessern“. Die Interessenvertreter begehren zudem eine entsprechende Anpassung der Richtlinien im Förder-fonds des Privaten Rundfunks. „Wir fordern eine Verschärfung der Rege-lungen im Förderbereich, wenn Bun-desmittel fließen. Nur jene Vorhaben dürfen gefördert werden, die tatsäch-lich barrierefrei sind“, so Huber.

Nicht abgeholte FörderungenBei der RTR/KommAustria, an die sich die Petition namentlich richtet, betont Pressesprecher Andreas Kunigk auf HORIZONT-Nachfrage, dass barriere-freier Zugang zu den audiovisuellen Angeboten der österreichischen Pro-grammanbieter ein „besonderes Anlie-gen“ sei und man dies „entsprechend bei der Vergabe von Mitteln aus dem Privatrundfunkfonds längst berück-sichtigt. So können Maßnahmen zur Barrierefreiheit eines Förderprojektes von den Programmveranstaltern gel-tend gemacht werden und zu einer um 15 Prozent erhöhten Fördersumme füh-ren“. Eingereichte Projekte zur Barriere-freiheit gehen allerdings gegen Null.

Eine Beschwerde der beiden Interessensgruppierungen sei bei der Komm Austria bisher noch nicht einge-gangen, heißt es dort. Insofern könne man dazu auch nicht Stellung nehmen, zumal eine Beschwerde im juristischen Sinn einen konkreten Gesetzesver-stoß und einen konkreten Beklagten enthalten müsste. „Das verständliche Petitionsvorhaben des Österreichi-schen Gehörlosenbundes und des Blinden- und Sehbehindertenverban-des Österreich erfüllt diese Vorausset-zungen jedoch nicht“, so Kunigk.

Und die Privatsender, die im Zentrum der Kritik stehen? „Menschen mit

Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermög-lichen, ist unbestritten ein hochrangi-ges Ziel“, betont VÖP- Geschäftsführerin Corinna Drumm gegenüber HORIZONT. Vor allem aus demokratiepolitischer

Sicht sei der Zugang zu Informationen wichtig. Daher habe der VÖP auch aktiv an der Arbeitsgruppe des Bundeskanz-leramts – deren Aufgabe die Erarbeitung von Empfehlungen zur Darstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen in

den Medien war – teilgenommen und „maßgeblich daran mitgewirkt“. Aller-dings: So wünschenswert der barrie-refreie Zugang auch sei, würde dieser „teilweise sehr hohe Kosten“ verursa-chen, die in keiner Relation zu den ver-fügbaren Fördermitteln stünden und die deshalb noch kaum in Anspruch genommen worden seien. Drumm sieht „kein Refinanzierungsszenario“, es brauche vielmehr für private Medien ähnliche monetäre Unterstützung wie für den ORF. Alternativen könnten Speech-to-Text-Technologien darstel-len. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Einsatz eines solchen Systems für den österreichischen Markt zentral abgewi-ckelt und finanziert wird“, so Drumm, die die Beauftragung des ORF, Stichwort

Kooperation, mit der Entwicklung eines Tools für den gesamten Markt anregt.

Der ORF, dessen Abteilung Unterti-telung und Audiodeskription (HORI-ZONT hat dazu im Oktober berichtet) ebenso von Sparvorgaben betroffen ist, zieht indes seinen Testbetrieb für computergesteuerte Spracherkennung zur Untertitelung vor, vorerst in der TVthek. Gerade im Zusammenhang mit dem Coronavirus nehme der ORF seine Informationspflicht besonders ernst, auch Barrierefreiheit sei ein gro-ßes Anliegen, sagt Pius Strobl, für Bar-rierefreiheit im ORF verantwortlich. Daten zu gesetzten Maßnahmen für Barrierefreiheit bei Privatsendern in Österreich konnte im Übrigen keiner der Gesprächspartnern liefern. •

Unerhörte Barrierefreiheit im privaten Fernsehen

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HORIZONT № 1110 MaRkeTINg

Sabine Toifl, Leiterin Werbung und Sponsoring bei der Wiener Städtischen, über Werbung mit lokalem Bezug, veränderten Mediamix, großen Bewegtbild-Trend und die immer wichtiger werdende Außenwerbung in einer urbanisierten Gesellschaft.

Interview von Stephan Scoppetta

Horizont: Sie haben gerade die neue Kampagne ‚Oft host a Pech‘ gestartet – wie schon bei der letzten Kampagne mit Seiler und Speer. Ist die erste Kampagne so gut angekommen, dass die Wiener  Städtische nun eine Fort-setzung sucht?Sabine toifl: Mit der Fusion der Wiener Städtischen und s Versiche-rung im Jahr 2018 haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Wiener Städtische als die Nummer eins im Lebensversiche-rungsmarkt zu positionieren. Wichtig war uns dabei, nicht mit dem Thema Angst zu arbeiten, sondern wir wol-len mit einer lebensfrohen Botschaft unsere Kunden gewinnen. Seiler und Speer passen da ausgezeichnet ins Konzept. Sie transportieren sehr authentisch das Lebensgefühl der Österreicherinnen und Österreicher. Die erste Kampagne war ein Riesener-folg, deshalb haben wir entschlossen, die Kooperation weiterzuentwickeln.

Wie eng war die Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Kampagne?Das völlig Neue daran war, dass wir gemeinsam mit Seiler und Speer die Hymnen „Ois OK“ und „Oft host a Pech“ entwickelt haben. In der Wer-bebranche ist es ja sonst üblich, dass man sich einen bestehenden Song kauft und diesen in die Kampag-ne integriert. Aber wir wollten was Originäres schaffen, und das ist und gemeinsam mit Seiler und Speer und der Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann gelungen.

Interessant ist, dass die Wiener Städtische einen sehr lokalen Ansatz in der Werbung wählt. Die Inhalte sind auf Österreich zugeschnitten, der Songtext ist sogar Wienerisch. Ist das bewusst so gewählt?Wir als Wiener Städtische sind ein österreichisches Unternehmen und das wollen wir auch in unserer Wer-bung transportieren. Die Menschen brauchen in einer globalisierten Welt wieder einen lokalen Bezug, auch in der Werbung. Österreich hat seine Eigenheiten, wir haben einen eigenen Humor und einen eigenen Dialekt und das soll sich auch in der Werbung widerspiegeln. Übrigens: Das Wiene-rische verstehen auch die Tiroler. Das war uns wichtig, das auch im Vorfeld zu klären, aber Seiler und Speer brin-gen hier ausgezeichnete Erfahrungs-werte mit.

Für Versicherungen ist es grundsätzlich nicht ganz einfach, Werbung zu machen. Eine Ver-sicherung verbindet man ja mit Dingen, die man eigentlich nicht will: Feuer, Unfall, Krankheit. Wie lässt sich denn hier ein positives Gefühl vermitteln?Wie heißt es so schön: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und ge-nau das machen wir. In unserer

Kommunikation setzen wir bewusst seit vielen Jahren auf diese Kompo-nente. Wir zeigen auf überspitzte Wei-se die kleinen und großen Hoppalas des Lebens und lösen sie positiv auf. Das passt perfekt zum positiven Lebensgefühl, das wir unserer Ziel-gruppe vermitteln möchten. Wir wollen unser Image als verlässlicher Partner in allen Lebenslagen und Österreichs Sorgenabnehmer Num-mer eins untermauern.

Warum ist für eine Versicherung Werbung notwendig? Die Wiener Städtische hat ein starkes Ver-triebsnetz und die Produkte sind erklärungsbedürftig. Lässt sich das über Werbung transportieren?Henry Ford meinte schon: „50 Pro-zent bei der Werbung sind immer rausgeworfenes Geld. Man weiß aber nicht, welche Hälfte das ist.“ Werbung ist auch in der Versicherungsbranche

notwendig, denn im Kern sind sich alle Produkte sehr ähnlich, durch die Werbung können wir uns diffe-renzieren. Durch das starke regio-nale Vertriebsnetz können wir hier natürlich schon einiges auffangen, aber die Werbung ist ein zusätzlicher und sehr wichtiger Baustein in der Kundenkommunikation. Zudem ist Werbung nicht mehr so linear in eine Richtung wie früher, sondern wird immer interaktiver.

Das heißt, Online-Werbung wird auch für Sie immer wichtiger?Vor zehn Jahren war Online für uns noch überhaupt kein Thema. Natürlich haben wir schon die ers-ten Versuchsballons gestartet, aber die Online-Budgets lagen unter der Wahrnehmungsschwelle. Das hat sich deutlich geändert: Heute haben wir einen Online-Anteil bei den Wer-beausgaben von 20 bis 25 Prozent. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Anteil in den nächsten Jahren noch weiterwachsen wird.

Geben Sie heute mehr Geld für die Werbung aus oder geht das zulasten anderer Werbeformen?Aus den Focus-Zahlen geht klar her-vor, dass wir in den letzten Jahren, so wie übrigens auch unser Mitbewerb, sehr stabile Werbeausgaben haben. Der Medienmix hat sich aber verän-dert, wobei Print noch immer einen sehr großen Anteil in unserem Wer-bebudget ausmacht. Es wird zwar ger-ne behauptet, Print sei tot, aber wenn man sich die Focus-Zahlen 2019 an-sieht, so sind von den 4,4 Milliarden Euro above-the-line noch immer zwei Milliarden Euro Print. Das ist im

Vergleich zu den anderen Mediengat-tungen der Löwenanteil – wobei man hinzufügen muss, dass das für Öster-reich gilt; in anderen Ländern sind die Verschiebungen Richtung Online deutlich größer.

Welche großen Trends sehen Sie derzeit in der Werbung?Ein ganz großes Thema auch bei uns ist das Bewegtbild. Konsumenten wollen immer öfter informiert und gleichzeitig unterhalten werden, und das lässt sich am besten mit Videos bewerkstelligen. Diesen Trend neh-men auch wir auf und investieren gerade die letzten Jahre sehr viel in das Thema Video für diverse digitale Kanäle wie zum Beispiel YouTube, Instagram oder auch Facebook. Die Nutzerzahlen zeigen, dass das sehr gut ankommt. Aber auch lineares TV bleibt bei uns weiterhin oben auf der Agenda.

Wobei ja heute das Dogma ‚Mobile first‘ zählt.Daran kommt man heute nicht mehr vorbei, und dieser Trend wird sich mit der Einführung von 5G in Österreich weiter verstärken. Die Erfahrungen, die wir damit bisher gemacht haben, sind gut, wobei wir der Meinung sind, dass wir hier sicher noch deutlich mehr machen können und werden. Ein gro-ßer Schritt war es für uns, dass wir 2018 die Kampagne „Ois OK“ zuerst digital ausgerollt haben – und erst danach in den klassischen Medien, TV, Hörfunk, Plakat und Print. Auch das zeigt, dass Online für uns immer wichtiger wird.

Werden Inhalte an die jeweiligen Zielgruppen angepasst?Das ist ein weiterer großer Trend. Vor zehn Jahren spielte man noch eine Werbebotschaft über alle Kanäle aus, heute wird das deut-lich differenzierter gemacht. Kun-den werden nicht mehr über einen Kamm geschert, sondern man geht viel tiefer in die Zielgruppen hinein. In den Videos gehen wir zum Beispiel sehr genau auf die Bedürfnisse unter-schiedlicher Altersgruppen beziehungsweise auch L ebensabs chnitte ein. Eine junge Fa-milie hat einfach an-dere Bedürfnisse als ein Mann Mitte 50. Das können und müssen wir nun auch in der Wer-bung mitberück-sichtigen. Zudem braucht es eine Geschichte.

Und was genau ist hier mit einer Geschichte gemeint?Das Thema Storytelling hat in der Werbung ebenfalls Einzug gehalten. Die Botschaft „jetzt kaufen!“ ist ein-fach zu wenig, Werbung muss heute unterhalten, aber gleichzeitig auch informieren. Wenn man so will: Con-tent is King. Das brauchen wir nicht nur, um bei Google ein besseres Ran-king zu bekommen, sondern die Kun-den sind einfach besser informiert und deutlich kritischer im Vergleich. Das ist natürlich eine Herausforde-rung, aber in den vergangenen Jahren ist uns das ganz gut gelungen.

Die direkte Ansprache über Inter-netkanäle bedeutet aber auch, dass man sich unmittelbar den Kunden stellen muss und hier auch sehr schnell Feedback gegeben wird.Früher ging Werbung nur in eine Richtung, heute geht es in beide Richtungen. Das ist für uns ein echtes Asset, denn damit können wir sehr schnell reagieren und sehen auch, was ankommt und was nicht. Die Community-Pflege ist zwar aufwen-dig, aber sie lohnt sich.

Nutzen Sie im Internet auch die Kraft von Influencern?Dieses Thema haben wir bei einzel-nen Kampagnen getestet und wir ha-ben sehr positive Erfahrungen damit gemacht. Aber grundsätzlich sind wir in diesem Bereich eher zurück-haltend. Ich will nicht ausschließen, dass wir in Zukunft noch einmal auf das Thema setzen werden, aber ein fester Teil unserer Werbestrategie sind Influencer nicht.

Auffällig ist, dass die Wiener Städtische sehr viel in der Wiener U-Bahn und mit Plakaten wirbt. Wie gut funktioniert Außenwerbung trotz permanenter Reizüberflutung?Mobilität im urbanen Raum ist ein riesiges Thema, und wir setzen hier sehr erfolgreich neue Akzente, und das funktioniert auch. Zum Beispiel haben wir schon seit einiger Zeit die U-Bahn-Stationen Schottenring – hier insbesondere den 34 Meter lan-gen Tunnel – und Stephansplatz kom-plett mit den Sujets der Wiener Städ-tischen gebrandet. Und das wirkt. Die Menschen bewegen sich immer mehr mit öffentlichen Verkehrsmit-teln durch den urbanen Raum, und für uns ist das eine große Chance, sie hier direkt abzuholen. Was aber neu

ist, dass auch die Außen-

w e r b u n g

deutlich interaktiver wird. So haben wir zum Beispiel auf den Werbeflä-chen in den U-Bahn-Stationen einen QR-Code integriert, der direkt auf die Landingpage lebedasleben.com leitet. Auf der kann man bei einem Gewinnspiel exklusive Karten für ein Seiler-&-Speer-Konzert gewinnen.

Spiegelt sich dieser Trend auch allgemein wider?Auf jeden Fall sind in den letzten Jahren deutlich mehr Mittel in die Außenwerbung geflossen. Laut Focus stiegen zwischen 2018 und 2019 die Werbespendings um 9,7 Prozent. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Außenwerbe-Unternehmen deutlich aufgerüstet haben und heute viele Extra-Features anbieten, die frü-her völlig undenkbar gewesen wären. Heute ist Außenwerbung bewegt und interaktiv, und das macht sie wieder sehr attraktiv.

Nicht nur Werbung wird immer digitaler, auch Versicherungs-produkte können immer öfter online abgeschlossen werden. Wie gut laufen die digitalen Versicherungspolizzen?Einfache Produkte wie eine Reise- oder Drohnenversicherung lassen sich sehr gut über das Internet ver-kaufen. Hier muss man nicht viel erklären und es geht dabei auch nur um kleine Summen. Bei komplexe-ren Produkten wie einer Lebensver-sicherung braucht es schon mehr Beratung, und hier wollen die Kun-den noch immer eine persönliche Beratung. Online ist ein guter zu-sätzlicher Vertriebskanal, aber nur darauf zu setzen, wäre mit Sicherheit falsch. Aber unsere ersten Produkte zeigen, dass es online einen relevan-ten Markt gibt – und diesen werden wir auch in den nächsten Jahren weiter  ausbauen.

Sie verantworten ja auch den Bereich Sponsoring. Bleibt insbesondere das Sportsponsoring für Sie ein Zukunftsthema?Das Thema Sportsponsoring war schon immer ein wichtiger Teil un-serer Sponsoringstrategie. Wobei wir hier einerseits auf das Thema Eishockey setzen und andererseits auf Breitensport. Wir sind zum Bei-spiel der erste Sponsor des Vienna City Marathon gewesen und bis heu-te ein großer Sponsor dieser Veran-staltung. Zu Beginn hätte niemand gedacht, dass daran einmal bis zu 40.000 Läufer teilnehmen werden, das hat 1984 mit ein paar hundert Läufern begonnen. Heute ist das eine riesige Laufbewegung, und wir sponsern heute auch viele andere Lauf-Events, wie zum Beispiel den Wachau-Marathon.

In vier Jahren feiert die Wiener Städtische ihr 200-jähriges Beste-hen. Haben Sie schon Pläne, wie Sie das Jubiläum begehen werden?Erste Vorbereitungen laufen natürlich bereits an, aber es ist ja noch etwas Zeit bis dahin. Aber ganz sicher wer-

den wir das große Jubiläum auch angemessen begehen. Mehr

will ich aber noch nicht verra-ten, wir wollen Ihnen ja nicht die Überraschung nehmen. •

‚Menschen brauchen lokalen Bezug‘

Seit bereits 20 Jahren ist Sabine toifl (vormals Weiss) bei der Wiener Städtischen für die Werbung zuständig, seit zehn Jahren auch für das Sponsoring. © Wiener Städtische/Richard Tanzer

‚Österreich hat seine Eigen-heiten, das soll sich auch in der Werbung widerspiegeln.‘

010_Seite_10 10 11.03.2020 19:11:10

Page 11: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

13. März 2020 11Marketing

Der Kampf gegen das Coronavirus hinterlässt auch deutlich wirtschaftliche Spuren und stellt Werbe- und Marketingkonzepte in Frage. Längerfristig könnten aber auf Ausfälle wieder Pushes folgen.

Bericht von Ralf Dzioblowski

Die Zeit ist aus den Fugen“, stell-te Hamlet vor knapp 420 Jahren

ernüchtert fest. Das Coronavirus hat Politik, Gesellschaft und auch die Wirtschaft fest im Griff. Weltweit be-einflusst Covid-19 minutiös geplante und getimte Marketingbudgets und -aktivitäten in einer selten zuvor ge-kannten Dimension. HORIZONT befragte die beiden Präsidenten der Österreichischen Marketing-Gesell-schaft (ÖMG), Barbara Rauchwarter und Alexander Oswald, über nationa-le und internationale Konsequenzen.

Gewinner und Verlierer„In vielen Branchen wird sich das Coronavirus nachteilig auf den Um-satz auswirken, und damit werden auch Marketingausgaben gekürzt. Allerdings wird es Marken geben, die ihre Aktivitäten gleich behalten oder sogar steigern. E-Commerce, Essens-lieferanten, Videokonferenzanbieter, Streamingdienste“, erklärt Oswald. Die ersten sichtbaren Auswirkungen seien derzeit jede Menge abgesagter oder verschobener Veranstaltungen, wie Rauchwarter festhält. „Egal, ob Kongresse, Messen oder Konferen-zen, bedingt durch Reiseverbote unter anderem von internationalen

Konzernen und entsprechender Vor-sicht vieler Menschen, leeren sich die Kalender“, so Rauchwarter weiter. Das habe einen massiven wirtschaftlichen Impact auf viele Branchen, „einerseits auf die gesamte Wertschöpfungskette der Veranstaltungsbranche, anderer-seits auch auf jene Branchen, die ihr Business sehr stark über Events ma-chen“. Stornogebühren seien nur ein kleiner Teil, „besonders fehlen werden neue Kontakte, neue Geschäfte, neue Partnerschaften“, so Rauchwarter. „In Summe werden wir die wirtschaftli-chen Auswirkungen der Corona-Krise vermutlich noch Jahre spüren.“

Natürlich komme es auch zu Ver-werfungen heimischer Marketingakti-vitäten, betont Oswald: „Kampagnen werden verschoben und Ausgaben re-duziert.“ Umso mehr zählten jetzt eine „vorausschauende Finanzplanung“ und die „Fokussierung auf Stamm-kunden“. Das kann Rauchwarter nur unterstreichen: „Natürlich wird die derzeitige Situation in irgendeiner Form in den Budgets abgebildet sein. Mein Eindruck ist der, dass sich zu-mindest im B2B-Marketing die Bud-gets in den Herbst verlagern und der-zeit noch nicht gekürzt werden. An-ders schaut es sicher im klassischen Consumer-Marketing aus, vor allem

in der Reisebranche, der Gastronomie und im Eventgeschäft.“ Sinnvoll sei, so Rauchwarter, vorsichtig mit finanziel-len Mitteln umzugehen, zu planen

und nicht in Panik zu verfallen: „Je nach Branche wird man entweder auf die Stammkunden fokussieren oder – wenn man zu den Gewinnern der

Krise gehört – auf die Bewältigung der Neukunden achten. Sorgfältige Res-sourcenplanung wird notwendig sein, um insbesondere auch nach der Krise nachhaltig wirtschaften zu können.“

Ob die Werbebranche nachhaltige Schäden davontragen wird, beurteilen die beiden unterschiedlich. „Für ein-zelne Unternehmen wird es sehr hart werden, insbesondere solche mit viel Personal müssen bei plötzlich ausblei-benden Umsätzen sehr vorsichtig sein“, gibt Oswald zu bedenken und relati-viert: „In meinen 15 Jahren bei interna-tionalen Konzernen habe ich gelernt, dass nach der Budgetkürzung meist der nächste Sales- und Marketingpush kommt.“ Man müsse ja schließlich Ziel-vorgaben erreichen. Für Rauchwarter

hängt es davon ab, über welchen Zeit-raum hinweg man die Werbebranche betrachtet: „Kurzfristig wird es wohl in der einen oder anderen Ecke Ausfälle geben, manche werden sich vielleicht nicht mehr erholen. Mittel- bis lang-fristig hat sich die Branche noch von jeder Katastrophe erholt. Und das wird sie auch diesmal tun.“ •

‚Für einzelne Firmen wird es sehr hart werden‘

KLARE GEDANKEN

HOW ABOUT…CONTENT?Was genau dahintersteckt.

Am Begriff „Content“ scheiden sich die Geister der Kommunikationsbranche. Für die einen ist er das A und O zeitgemäßer Marktkommunikation. Für die anderen wird Content und dessen Möglichkeiten weit überschätzt. Was steckt wirklich dahinter? Und was ist von Content-Creation, -Produktion und -Vermarktung zu halten?

Beim nächsten Lernfrühstück von Strategie Austria können StrategInnen und Interessierte mit ExpertInnen über diese Fragen gemeinsam in entspannter Frühstücksatmosphäre diskutieren. Nach einem kurzen Frühstück präsentieren diesmal vier Vollprofi s ihre Sichtweisen zum Thema und stellen sich im Anschluss den Fragen des Auditoriums. Weitere Informationen unter http://www.strategieaustria.at

Wann: 15. April 2020 Wo: Andys Coworking Company, Untere Augartenstraße 31, 1020 WienAblauf: Cometogether mit Frühstück ab 8 Uhr, offi zieller Start im Plenum 8:30 Uhr, Ende ca. 10 Uhr

Anmeldung aufstrategieaustria.at

Auch für Nicht-Mitglieder!

Barbara Rauchwarter, CMO der aPa-gruppe und Präsidentin der Österreichischen Mar-keting-gesellschaft, bleibt optimistisch.© aPa

Für Alexander Oswald, gF von Futura und ÖMg-Präsident, gehören Promotion, event und Sponsoring zu den Verlierern der Corona-krise.© Helmreich

011_Seite_11 11 11.03.2020 19:11:19

Page 12: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

HORIZONT № 1112 AgeNTuReN

Claudia Strohmaier, Vorsitzende der Berufsgruppe Unternehmensberatung der WKW, im Gespräch über vermeintliche Berater-Übermächte im lokalen Raum und den Wunsch nach Kooperation mit Agenturen.

Bericht von Nora Halwax

Das Kerngeschäft von Unterneh-mensberatungen einerseits und

Kreativ-, Media- und Digitalagentu-ren andererseits mag ein jeweils an-deres sein. Doch dass sich das künfti-ge Geschäft in so manchen Bereichen annähert, davon können zu-mindest letztere mittler-weile ein Lied singen. Man denke nur an die Agenturenkäufe von Accenture und Co, während einige Agenturen begin-nen, sich mit jeweils anderen zusammen-zuschließen – unter an-derem, um für einen mög-lichen Wettbewerb mit den Unter-nehmensberatungen gerüstet zu sein.

Gleichzeitig zeigen sich auch Paral-lelen bei den Herausforderungen auf Kundenseite, wie etwa in puncto In-house. Während viele Agenturen und Auftraggeber derzeit zunehmend die Inhouse-Verlagerung thematisieren,

ergibt eine aktuelle Studie im Auftrag der FG Unternehmensberatung in der Wirtschaftskammer Wien (WKW) unter anderem, dass 36 Prozent der befragten Nichtkunden noch keinen Unternehmensberater aufgesucht ha-ben, weil sie die angebotenen Dienst-leistungen im Unternehmen selbst

vorfinden; 31 Prozent geben an, dass sie diese selbst

erbringen.Claudia Strohmai-

er, Vorsitzende der Berufsgruppe Unter-nehmensberatung in der WKW, führt

das im HORIZONT-Gespräch auf die Größe

der Unternehmen zurück. Große würden externe Servi-

ces nicht benötigen, Kleinere könn-ten es sich manchmal nicht leisten.

‚Hätte nie darauf geschlossen‘Auffällig ist weiters, dass die Nachfra-ge nach dem Service Marketing bei den Unternehmensberatungen von 2015 auf 2020 um rund ein Viertel auf

15 Prozent gesunken ist. Auf die Frage nach dem Grund des Rückgangs weiß Strohmaier keine Antwort. Allerdings betont sie, dass Marketingleistungen der Beratungen grundsätzlich vom Marketingverständnis von Kreativ-agenturen zu unterscheiden seien: „Wir sind nicht diejenigen, die Logos machen und Werbekampagnen

aufsetzen.“ Dass Agenturen auch hier-zulande eine steigende Übermacht von Accenture und Co befürchten und hier und dort beginnen, darauf mit mehr Fokus auf Beratungsleis-tungen und sogar Zusammenschlüs-se zu reagieren, kann Strohmaier nicht nachvollziehen. Im Gegenteil, sie zeigt sich gesprächsbereit: „Die

Zukunft, die ich mir wünsche, ist geprägt von einer intensiveren Ko-operation zwischen Unternehmens-beratungen und Agenturen.“ Gibt es das Match zwischen beiden also gar nicht? „Nein“, zeigt sich Strohmaier überzeugt, „ich sehe kein Match zwi-schen Unternehmensberatungen und Agenturen. Aus den vielen Gesprä-chen mit Kollegen hätte ich darauf auch nie eine Minute geschlossen.“

‚Leistungsspektrum vergleichen‘Man könne sich jedoch bei gemeinsa-men Kunden gut ergänzen, bekräftigt Strohmaier: „Ich lade alle, die hier einen Wettbewerb orten, gerne dazu ein, sich das Leistungsspektrum von

Unternehmensberatungen im Detail anzusehen und mit jenem von Agen-turen zu vergleichen.“ Sie könne sich zudem „Häuser“ vorstellen, unter deren Dach befispielsweise Leis-tungen von Unternehmensberatern und Kreativen angeboten werden. Dass solche bereits bestehenden Häuser global unter anderem dazu

führen, dass Agenturen von Berater-Riesen geschluckt werden könnten, sieht Strohmaier nicht unbedingt als lokales Problem: „Was weltweit bei großen Beratungsunterneh-men wie beispielsweise bei Ernst & Young passiert, ist nicht typisch für die Marktsituation in Wien.“ Da die Unternehmensberatungsmitglieder der Fachgruppe UBIT in Wien zu fast 90 Prozent aus Kleinstunternehmen bestünden, könne sie die Gefahr, ver-schluckt zu werden, „gerne entkräf-ten“. Zum Groß-Berater Accenture und auf dessen Schritt, sich komplett von Media-Audits zurückzuziehen, angesprochen, habe sie indessen keine Meinung.

Herausforderung DigitalAls künftiges Thema für die Berufs-gruppe der Unternehmensberater nennt Strohmaier die Digitalisie-rung: „Das ist zwar ein häufig stra-paziertes Wort, aber immer noch eine Herausforderung.“ Die jetzige Studie attestiere den Beratern gro-ßes Vertrauen der Kunden; jetzt gelte es, die digitalen Tools in die Bera-tungsprozesse einzubauen, auch bei Ein-Personen-Unternehmen.

Nochmals bekräftigt Strohmaier am Ende des Gesprächs den Wunsch nach Kooperation mit Agenturen. Auf die Frage, wie die Fachgruppe UBIT Wien selbst hier bereits konkret vorgehe, meint sie: „Sobald die Unter-nehmen eine kreative Leistung brau-chen, wie einen Grafiker oder eine Werbeagentur, ergeht eine Empfeh-lung, einen Partner aus dem Bereich auszuwählen. Hier hätte ich natürlich auch die Möglichkeit, konkrete Agen-turen zu empfehlen.“ •

,Ich sehe kein Match mit den Agenturen‘

Wirtschaftskammerwahl: Wien erneut gegen den Bun-destrend – in der Fachgruppe ist es eng und spannend.

Bericht von Jürgen Hofer

Weißer Rauch steigt aus den Ge-bäuden der Wirtschaftskam-

mer derzeit noch keiner auf, aber mit der vollzogenen Wahl Anfang März ist immerhin die Basis für die Kür neuer Branchenvertreter von den Fachgrup-pen aufwärts gelegt. Dabei zeigen sich bundesweit wenig überraschen-de und klare Verhältnisse – mit einer Ausnahme. Aber der Reihe nach: Österreichweit über alle Branchen hinweg ging bei der Wirtschaftskam-merwahl 2020 wenig überraschend der Österreichische Wirtschaftsbund (ÖWB) mit 69,6 Prozent als klarer Sieger mit einem Plus zur Wahl im Jahr 2015 hervor. Der Sozialdemo-kratische Wirtschaftsverband (SWV) erreichte ein Minus und 10,3 Pro-zent der Stimmen, die Freiheitliche Wirtschaft (FW) ebenso mit Minus 6,2  Prozent, die Grüne Wirtschaft (GW) legte zu auf 9,5 Prozent. Die Fachliste der gewerblichen Wirtschaft Österreich (FdgWÖ) errang bei einem Minus 0,5 Prozent der Stimmen, die Unos kamen mit Plus auf 2,7 Prozent. Auffällig war vor allem die geringe Wahlbeteiligung, die auf 33,7 Prozent gesunken ist.

Die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation, in der ein

Gutteil der Kommunikations-, Werbe-   und Marketingbranche ver-eint wird, zeigt in den Ergebnissen ähnliche Tendenzen. In allen Bun-desländern sind die Vertreter des Wirtschaftsbundes klare und teils mit deutlichen Abständen Mandatssieger – und damit in ihren Ämtern bestätigt.

Wien ist anders Ausnahme Wien: Zehn Mandate für das Team rund um Jürgen Tarbauer (Wirtschaftsbund), neun für den SWV, ebenso viele für die Grüne Wirtschaft

um den derzeitigen FG-Obmann Marco Schreuder, vier für die Unos. Zwischen Erstplatziertem in Schwarz und Drittplatziertem in Grün liegen dabei laut Angaben der Kammer ge-rade einmal 47 Stimmen; der SWV liegt überhaupt nur 17 Stimmen hin-ter Platz eins. Schreuder, der die Ob-mannschaft in der FG Werbung und Marktkommunikation Wien 2017 vom farbgleichen Stephan Götz übernom-men hat, gegenüber HORIZONT: „Ich freue mich über das Ergebnis, denn die grün-rote Koalition wurde bestä-tigt und konnte stark dazugewinnen.“ Er werde „selbstverständlich“ mit allen Fraktionen sprechen, die Frage des Vorsitzes spiele eine „geringe-re Rolle“. Wichtiger seien Moderni-sierung des Kollektivvertrags sowie Stärkung des Kreativstandorts Wien. Die Frage der Obmannschaft stelle sich erst danach: „Erst nachdem die-se Fragen geklärt werden, kann man über Obleute reden“, so Schreuder. •

Schwarze Dominanz und Sonderfall Wien

Der Ex-Bild-Chef ver-pflanzt seine Birken nach Innsbruck und geht eine auf den Tourismus fokus-sierende Agenturpart-nerschaft mit ProMedia Kommunikation ein.

Bericht von Martin Wurnitsch

Zirbe meets Birke, der Birkenwald steht jetzt also auch in den Alpen.“

Unter diesem, auf den ersten Blick un-verständlichen, Motto wurde vergan-gene Woche eine nicht unspannende Agenturpartnerschaft standesgemäß via Twitter verkündet: Kai Diekmanns Berliner Kommunikationsagentur Storymachine, die der Ex-Bild-Chef mit Philipp Jessen (ehemals stern.de) und Eventmanager Michael Mronz Mitte 2018 gründete, erhält einen Ableger in Tirol. Mit der in Innsbruck angesiedelten und ursprünglich auf Tourismus spezialisierten ProMedia Kommunikation gründet man Story-machine Tourism. Und nachdem die Birke so etwas wie das Hausgewächs im Berliner Domizil von Storymachi-ne ist, geht diese nun eben mit der Tiroler Zirbe zusammen. Inszeniert und gefeiert wird die Partnerschaft ausgiebig via Social Media, eines der (angeblichen) Hauptgeschäftsfelder der Berliner.

Valide Selbstauskünfte über die eigene Tätigkeit oder die Kunden sind nämlich rar, die Website von Story-machine besteht im Wesentlichen aus zwei E-Mail-Verlinkungen: „Want to work with us?“ und „Want to work for us?“. Selbstinszenierung und ge-konntes Storytelling auf Twitter sind dagegen ebenso häufig wie unterhalt-sam. Aktuell wird etwa der Umzug der Agentur in ein neues Büro per Count-down erzählt.

Journalistisches Storytelling In einem Interview mit dem Branchendienst Meedia nannte Agentur-CEO Jessen die kommu-nikative Zurückhaltung 2019 „eine strategische und eine Stilfrage. Wir möchten die Marken und Personen, für die wir kommunizieren, in den Vordergrund stellen. Es geht nicht um uns. Wir arbeiten im Hintergrund. Ein guter Musikproduzent holt aus einem talentierten Sänger auch noch mal 15 Prozent mehr raus, aber stellt sich nicht neben den Star auf die Bühne. Er überlässt ihm das Scheinwerferlicht“. Und zum USP von Storymachine im Vergleich zu Werbeagenturen meinte Jessen: „Wir sprechen nicht werbisch. Egal ob für CEOs oder Marken, unser Storytelling ist immer journalistisch.“

Mit ProMedia hat man sich nun einen multimedial agierenden Con-tent-Publisher an die Seite geholt, der auch den Europäischen Mediengipfel am Arlberg organisiert. •

Kai Diekmann launcht Storymachine in Tirol

Men in Black: Jürgen Tarbauer (Wirtschaftsbund) und Marco Schreuder (grüne Wirtschaft) buhlen um die Obmannschaft in der Fachgruppe. © David Bohmann

‚Was weltweit passiert, ist nicht typisch für die Wie-ner Marktsituation.‘Claudia Strohmaier, Vorsitzende Berufsgruppe unternehmensberatung, WKW © Anja-Lene Melchert

15 %der befragten Kunden

nehmen 2020 Marketing- und Vermarktungsleistungen bei unternehmensberatun-

gen in Anspruch. 2015 waren es 21 %.

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Page 13: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

13. März 2020 13Update

Nicht nur Instagram launchte letzte Woche eine anti-Mobbing-Kampagne, sondern auch das Frauenland OÖ – mit „digitalen Symbolen als tatinstrumenten“. © Frauenland OÖ

Initiativen gegen Hass im Netz häufen sich. Wie hilfreich diese tatsächlich sind und wo Vorsicht nötig ist, schildert Zara-Geschäftsführerin Caroline Kerschbaumer.

Bericht von Nora Halwax

In der virtuellen Welt vergessen viele ihre Hemmungen. So wird die Gren-

ze zu Cyber-Mobbing oftmals schnel-ler überschritten als bei Mobbing von Angesicht zu Angesicht. Immer mehr Institutionen und Plattformen enga-gieren sich nun gegen Hass im Netz. Instagram etwa startete vergangene Woche „Create Don‘t Hate“, eine Kam-pagne mit vier Influencern, die sowohl im Feed als auch in den Storys zu sehen ist. 2019 führte Instagram außerdem die Funktion der Kommentarwarnun-gen ein, wonach der Nutzer noch vor dem Posting eines Kommentars infor-miert wird, dass dieser als beleidigend aufgefasst werden könnte. Die Funkti-on „Einschränkungen“ wiederum soll User vor unerwünschten Kommenta-ren auf der eigenen Seite schützen.

Ebenfalls letzte Woche präsen-tierte das Frauenreferat Oberöster-reich ihre von der Linzer Agentur upart umgesetzte Kampagne „Stop # HassimNetz“ (siehe Sujet). Da Hass im Netz vielfach von der Anonymität und digitalen Distanz lebe, zeige man körperliche Gewalt, bei der digitale Symbole zu Tatinstrumenten werden, wie Agentur-Geschäftsführer Daniel Frixeder gegenüber HORIZONT skiz-ziert. Zu sehen ist der Appell online und Out-of-Home sowie als Poster in Schulen, Bibliotheken, Jugendzent-ren und Frauenberatungsstellen.

‚Ausschluss von Menschen‘Solche Kampagnen seien durch-aus wichtig, erklärt Caroline Kerschbaumer, Geschäftsführerin von Zara (Zivilcourage und Anti-Ras-sismus-Arbeit), auf HORIZONT-Nach-frage – und auch, dass Kreativagentu-ren ihr Know-how und Influencer ihre Reichweite einsetzen, um Bewusstsein zu schaffen. Sie verweist außerdem auf die Zara-Kampagne „#calmdown-internet“ mit Tunnel23; mittels KI wer-den dabei Hassbotschaften auf Twitter ausfindig gemacht und automatisiert mit „beruhigenden Videos“ beantwor-tet. Aktuell arbeite man gemeinsam an der App „Schneller Konter“, die digitale Zivilcourage vereinfachen soll. „ Allen, die eine Kampagne starten, möch-ten wir ans Herz legen, dass nicht nur Probleme benannt werden soll-ten, sondern auch aufgezeigt werden muss, dass jeder etwas gegen Hass im Netz unternehmen kann“, so Kersch-baumer. Ebenso begrüßt sie Optionen auf Social-Media-Plattformen wie den „Melde“-Button, allerdings würden immer noch viele bedenkliche Mel-dungen nicht gelöscht. Kerschbaumer empfiehlt daher, betreffende Inhalte Zara zu melden. Durch den „Trusted Flagger“-Status der Organisation wür-den diese dann mit höherer Wahr-scheinlichkeit gelöscht.

Weiters würden Plattformen mit neuen Maßnahmen experimentie-ren, wie dem automatischen Erken-nen hasserfüllter Nachrichten, siehe Instagram. Das Finden neuer Wege sei wichtig, mahnt Kerschbaumer: „Gleichzeitig muss darauf geach-tet werden, dass Algorithmen auf unseren Stereotypen beruhen und

darauf aufbauend Entscheidungen treffen, die Menschen oder Men-schengruppen ausschließen.“ Dass Anti-Cyber-Bullying nach hinten losgehen kann, sah man 2019 bei TikTok: Videos von Menschen etwa

mit Trisomie 21 oder Autismus wur-den reichweitenbegrenzt gezeigt – ursprünglich, um Mobbing zu ver-hindern, da die Opfer-Wahrschein-lichkeit bei diesen Usern als größer eingeschätzt wurde. •

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HORIZONT № 1114 UpdaTe

Der neue Vorschlag der kroatischen EU-Ratspräsident-schaft zur E-Privacy-Verordnung sieht einen deutlich veränderten Ansatz im Umgang mit Cookies vor als in früheren Versionen anderer Länder.

Bericht von Michael Fiala

Kaum ein Thema zieht sich so lan-ge wie die geplante E- Privacy-

Verordnung. Der Entwurf der finni-schen Ratspräsidentschaft vergan-genes Jahr machte Hoffnung auf die baldige Verabschiedung einer ein-heitlichen Verordnung für die EU, da er einen Kompromiss zwischen den teils sehr unterschiedlichen Interes-sengruppen darstellte. Doch der Rat konnte sich trotzdem nicht auf diesen oder einen nochmals abgeschwäch-ten Entwurf einigen.

Einige EU-Mitgliedsstaaten, da-runter auch Österreich, hatten die Kommission daraufhin aufgefor-dert, den Vorschlag zu überarbeiten, um die Debatte mit einem neuen Gesetzesentwurf wieder aufnehmen zu können. Die Länder wiesen darauf hin, dass der neue Entwurf techno-logieneutral, zukunftssicher und in Bezug auf Umfang und Maßnahmen klarer sein müsse.

Achter VersuchMit Kroatien hat sich nun bereits die achte Ratspräsidentschaft damit be-schäftigt. Schon im Vorfeld befürchte-te man unter Experten, dass das The-ma E-Privacy nicht zu den Kernthe-men der Kroaten zählen könnte. Am 21. Februar wurde dann jedoch der erste Entwurf veröffentlicht – mit für viele Seiten durchaus überraschen-den Inhalten.

Der kroatische Vorschlag erkennt nämlich ein berechtigtes Interesse am Speichern von Cookies ohne die Einwilligung (Cookie Consent) der Nutzer an, weil ein Finanzierungs-interesse der werbefinanzierten Online-Presseveröffentlichungen und audiovisuellen Mediendienste bestehe. In dem Entwurf werden ver-schiedene Anwendungsbereiche und Bedingungen genannt, wann Cookies künftig gesetzt werden dürfen, ohne die Einwilligung der User abzufra-gen. Entsprechende Cookie-Banner zur aktiven Einwilligung der Nutzung wären damit zum Teil obsolet.

Überforderte User?Der Hintergedanke des kroatischen Papiers: Die Endbenutzer werden mittlerweile viel zu oft aufgefordert,

der Speicherung und dem Zugriff auf private Daten auf den Endgeräten zu-zustimmen. Der Einsatz von Tracking-Cookies und anderen Technologien habe überhandgenommen, was dazu geführt habe, dass die User überfor-dert sind und beim Lesen der Banner-Informationen nicht mehr wirklich unterscheiden, ob die Zustimmung im Einzelfall sinnvoll ist oder nicht. Der gebotene Schutz durch diese Ban-ner werde damit unterlaufen.

Iab austria ist skeptischDas iab austria zeigt sich gegenüber HORIZONT über den Vorschlag der Kroaten nicht besonders er-freut. „Der aktuelle Vorschlag zur E-Privacy-Verordnung aus Kroatien lässt aufhorchen und befürchten, dass der ursprünglich angestrebte Schutz personenbezogener Daten nun ad absurdum geführt wird. Es ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, dass ein berechtigtes Interesse als Berechtigungsgrund für die Verar-beitung und Speicherung von Daten im neuen Entwurf eingefügt wur-de. De facto wird dieser aber durch

Restriktionen vor allem für österrei-chische Publisher zum Standortrisi-ko“, meint Markus Fallenböck, Vor-stand und Leiter der AG Public Affairs im iab austria.

Diese – unter Berufung auf das berechtigte Interesse – gesammelten Daten dürften weder zur Definition von User-Eigenschaften herangezo-gen noch an Dritte weitergegeben werden, so Fallenböck. „Dadurch verlieren zahlreiche österreichische Qualitätsportale ihre Finanzierung und ihre Bedeutung nimmt drastisch ab. Hinzu kommt, dass die Erfüllung des berechtigten Interesses laut der-zeitigem Entwurf an viele Bedingun-gen geknüpft ist und es in der Praxis schwierig bis unmöglich sein wird,

diese Bedingungen allesamt einzu-halten.“ Es müsse daher grundsätzlich möglich sein, Consent publisherseitig einzuholen – unabhängig davon, ob es sich um eine Cookie- oder eine Login-Lösung handelt (oder beides). „Ein fundierter Vorschlag der EU-Kommission in diese Richtung ist jetzt gefordert“, insistiert Fallenböck.

DMVÖ schöpft HoffnungAnders sieht der DMVÖ die Sachla-ge: Der Ende Februar veröffentlichte neue Kompromissvorschlag der kro-atischen Ratspräsidentschaft lässt beim DMVÖ Hoffnung auf mehr Rechtssicherheit für die Digitalwirt-schaft aufkommen. „Nach einer ers-ten Analyse stehen wir diesem Vor-schlag positiv gegenüber, der endlich wieder Bewegung in die Diskussion um die geplante E-Privacy-Verord-nung bringt. Details der Verordnung sind jedenfalls noch zu klären und zu definieren. Auch ist abzuwarten, wie der Vorschlag in den bevorste-henden Ratssitzungen angenommen wird. Dennoch geht dieser Vorschlag grundsätzlich in Richtung eines transparenten Datenschutzes“, so DMVÖ-Präsident Anton Jenzer. Die Einführung des „berechtigten Interes-ses“ als Rechtsgrundlage schaffe eine rechtliche Parallele zur DSGVO und ermöglicht aus Sicht des DMVÖ eine rechtmäßige elektronische Datenver-arbeitung auch ohne Zustimmung.

„Es gilt aber nach wie vor, zu beob-achten, wie es sich mit dem Nachfol-ger des sogenannten Browserartikels, dem Erwägungsgrund 20a, verhält – hier bedarf es noch einer Nachschär-fung und Konkretisierung. Es muss sichergestellt sein, dass im Falle einer Einwilligung nach wie vor eine ‚be-wusste Einwilligung für Online-Ser-vices‘ und nicht nur ein ‚technischer Consent‘ als abgegeben gilt“, betont Jenzer weiter. •

20Euro beträgt der Median aller in Österreich verfügbaren Handytarife derzeit laut einer Rechnung des Ver-gleichsportals tarife.at. Das ist eine Steigerung um ein Viertel gegenüber dem dem Konkurrenzkampf geschul-deten Tiefststand von 2016, allerdings bei deutlich ausgebautem Ange-bot, Stichwort Daten-Flatrates. Der Median der Diskonter liegt demnach derzeit bei zwölf Euro monatlich, je-ner der Premium-Marken bei 24 Euro.

Getrennte Vote-Wege bei ‚Masked Singer‘

Während ProSieben bei der deut-schen Ausgabe von „The Masked Singer“ das Voting auf die App kon-zentriert und für diese Stärkung der digitalen Präsenz auf Einnahmen aus Mehrwertnummern verzichtet, bleibt Puls 4 in Österreich bei der am Samstag startenden Staffel beim klas-sischen Telefon-Voting. Gegenüber HORIZONT begründet der Sender das mit der Sicherheit des Telefon- Votings und Sehergewohnheiten, weshalb Voting-Anrufe derzeit „auch die Handhabe anderer großer ös-terreichischer Live-Shows“ seien. Zudem verstehe sich die Show als Angebot „für Jung und Alt“; Voting per App sei aber in Österreich „noch nicht für jede Zielgruppe das Opti-mum, und in Österreich ist es gelernt, per Call abzustimmen“. © proSiebenSat.1puls4

Apple öffnet Apps für Push NotificationsDer bisherige Apple-Glaubenssatz, dass werberische Push Notifica-tions bei Apps großteils tabu sind, ist Geschichte: Durch ein still und heim-lich durchgeführtes Update in den Developer-Guidelines, das 9to5Mac entdeckte, sind (unter Punkt 4.5.4) nunmehr auch Push Notifications zu Marketingzwecken erlaubt, wenn User sie per Opt-in-Botschaft der App erlauben und in der App „eine Metho-de zur Verfügung steht“, um die Notifi-cations wieder abzustellen.

Kurz uNd büNdiG

HORIZONTMedieninhaber und Verleger Manstein Zeit schrif ten­

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Kroatische 180-Grad-Wende?

AKtuELLE CooKiE-rEGELN

der europäische Gerichtshof hatte sich in einer entscheidung vom 1. Oktober 2019 nach ei­ner Klage in deutschland beim Thema Cookies klar für den datenschutz ausgesprochen. anlass war ein Unternehmen, das für das Setzen von Cookies eine Checkbox anbot, die als default­Option bereits ange­hakt war. der euGH stellte in seinem Urteil klar, dass damit keine wirksame einwilligung erteilt wird. Cookie­Banner, die keine Zustimmung vorsehen, sind ungesetzlich. Folgende Vorgehensweise wird daher ak­tuell von der WKO empfohlen: es sollte überprüft werden, ob die Cookies technisch zwingend notwendig sind. diese Cookies sind für das Funktionieren einer Website erforderlich und bedür­fen keiner gesonderten Zustim­mung. danach ist zu klären, ob es sich dabei um sogenannte

Marketing­Cookies handelt. da­für ist nach dem euGH­Urteil zwingend eine Zustimmung notwendig. daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Wird ein Cookie bereits vor der Zu­stimmung gesetzt, ist auf jeden Fall Änderungsbedarf gegeben; hat der User keine Möglichkeit, das Setzen von (Marketing­) Cookies abzulehnen, besteht ebenfalls Handlungsbedarf. dem Nutzer müssen vorab re­levante datenschutzrechtliche Informationen, wie zum Beispiel. Weitergabe der daten an dritte, Speicherdauer et cetera, be­kanntgegeben werden. die ent­scheidung verdeutlicht, dass es bei Cookie­Bannern eine Option für die User geben muss. aktive einwilligung muss vorhanden sein. das Setzen von Cookies muss ausdrücklich abgelehnt werden können. eine pauschale Zustimmung ist unzulässig.

die kroatische Ratspräsidentschaft hat am 21. Februar einen neuen Vorschlag für die e­privacy­Verordnung vorgelegt. © Josip Regovic/pIXSeLL/eU2020HR

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Page 15: Vermessung und Neuordnung der Sozialen Welt...Social Networks boomen, Werbebudgets steigen. Doch wer ist eigentlich wo anzutreffen? Eine Spurensuche nach Trends, Nutzungsmotiven und

13. März 2020 15Update

Laut einer aktuellen Erhebung von Paysafe greifen Frauen beim Online-Shopping häufiger zu neuen Zahlungsmethoden. Gleichzeitig sind sie risikobewusster.

Bericht von Sarah Wagner

Bar, Bankomat oder Kreditkarte? Apple Pay oder Google Pay? Viel-

leicht sogar Bitcoins oder Gold? Gut, Gold als Zahlungsmittel mag wohl etwas übertrieben sein, aber abge-sehen davon gab es noch nie so viele Zahlungsmöglichkeiten und ent-sprechend technische Lösungen wie heute. Eine neue Studie der Paysafe Gruppe zeigt dabei, dass Frauen bei Bezahlvorgängen wesentlich inno-vativer unterwegs sind als Männer, zumindest beim Online-Shopping. Für „Lost in Transaction: The end of risk?“ befragte die Zahlungsplattform im vergangenen Jahr über 6.000 Per-sonen in sechs Ländern, darunter auch Österreich. Den Internatio-nalen Frauentag am 8. März nahm Paysafe zum Anlass, die Unterschie-de im Zahlungsverhalten zwischen den Geschlechtern unter die Lupe zu nehmen. Es zeigt sich: Frauen stehen neuen Technologien für Online-Zah-lungen aufgeschlossener gegenüber als Männer.

70 Prozent der Frauen greifen demnach für digitale Einkäufe schon mal zum Smartphone, bei den Män-nern nur 54 Prozent – diese setzen sich für Online-Einkäufe eher vor den Desktop oder Laptop (83 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Nutzung von Tablets. Welche Produk-te dabei jeweils eingekauft werden, wurde nicht erhoben.

Biometrie praktisch, aber unsicherZwar gilt M-Commerce heutzutage nicht mehr als besonders innovativ, dafür aber die neueren Zahlungs-optionen. Männer setzen bei der Authentifizierungsmethode eher konservativ auf Passwörter, während Frauen häufiger den Fingerabdruck (48 Prozent) oder die Gesichtserken-nung (28 Prozent) nutzen (Männer: 43 Prozent beziehungsweise 20 Pro-zent). Frauen zeigten mehr Sensibi-lität für Sicherheitsbedrohungen und ein höheres Risikobewusstsein, heißt es in der Studie. Unabhängig vom

Geschlecht stimmen zwar 57 Prozent aller Teilnehmer zu, dass biometri-sche Authentifizierungsverfahren „praktischer“ seien, aber nur 37 Pro-zent glauben, dass Biometrie siche-rer ist als das traditionelle Passwort.

Der größte Unterschied in Sachen innovatives Bezahlen zwischen den Geschlechtern zeigt sich bei der Nut-zung von sprachgesteuerten Syste-men. Während in Österreich nur sie-ben Prozent der Männer Erfahrung

mit der Bestellung beziehungsweise Bezahlung via Smartspeaker haben, sind es unter den Frauen mehr als drei Mal so viele (23 Prozent).

Umgekehrte Verhältnisse zeigen sich beim Zeitpunkt der Bezahlung: Fast jede dritte Frau hat im vergange-nen Monat ein Pay-Later-Verfahren genutzt, zum Beispiel Rechnungskauf oder Ratenzahlung, aber nur knapp jeder fünfte Mann – sowohl online als auch stationär.

Mangel an VertrauenTrotz vieler Zahlungsmöglichkeiten vertrauen Konsumenten dem Inter-net dabei doch nicht so richtig – auch wenn es sie nicht generell vom Online-Shopping abhält. Jedoch fühlen sich

59 Prozent der Befragten „unwohl“ da-mit, ihre Finanzdetails (beispielsweise die Kreditkartennummer) online an-zugeben. Besonders Österreicher und Deutsche sind laut der Studie hierbei besonders skeptisch. Diese Vertrau-ensfrage stellt auch den E-Commerce vor Herausforderungen: 70 Prozent der Unternehmen empfinden es als „schwierig“, Kunden eine einfache und schnelle, aber gleichzeitig sichere Customer Journey zu bieten.

Allen innovativen Bezahlmetho-den zum Trotz liegt Bares in Öster-reich unabhängig vom Geschlecht immer noch hoch im Kurs: 94 Prozent der befragten Männer und 93 Prozent der Frauen haben im vorigen Monat zumindest ein Mal in Cash bezahlt. •

Bezahlen im Internet: Frauen sind innovativer

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Quelle: paysafe

Frauen Männer

angaben in prozent

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HORIZONT № 1116 INTeRNaTIONal

Wachhund, Streichelkatze oder Borstenvieh?

Kolumne von Walter Braun

Frage an die Leser: Wäre ein Live-Ticker, der von jedem Unfall im

Land berichtet, eine gute Idee oder so-gar journalistische Pflicht? Oder wäre es bloß billiger Opportunismus, Leser von der angebotenen Ware emotional abhängig zu machen? Ums Überleben kämpfende Medien können sich nur noch selten den Luxus leisten, über ihre Rolle zu philosophieren. Ande-rerseits stehen heute den Rezipienten viele mediale Alternativen zur Verfü-gung. Also kommen Verlage nicht da-rum herum, von Zeit zu Zeit bei der lieben Kundschaft nachzufragen, was sie denn so erwartet.

Eine aktuelle Umfrage von 12.000  Erwachsenen in den USA wollte herausfinden, ob die Bürger immer noch die Erwartung hegen, dass Nachrichtenmedien eine gewis-se demokratische Aufpasserfunktion übernehmen. Und in der Tat stimm-ten dem ganze 73 Prozent zu.

Allerdings waren die Befragten weniger freundlich bei der Frage, ob heutzutage Journalisten diese Rolle auch entsprechend wahrnehmen: Ein Drittel meinte, sie würden diese Funktion anständig erfüllen, ein Drit-tel klagte, Journalisten würden zu weit gehen, während das restliche Drittel darauf beharrte, die Redaktionen wä-ren im Gegenteil zu zurückhaltend.

Wie die jeweiligen Urteile ausfal-len, hängt wesentlich von der poli-tischen Grundhaltung beziehungs-weise der dadurch beeinflussten Mediendiät ab – 83 Prozent der eher links Geneigten wollen Medien in der Aufpasserrolle sehen, während es bei den eher konservativ Denkenden bloß 61 Prozent sind. Gravierender als die politische Haltung sind aber die Folgen der Medienwahl; so sind Republikaner, die sich ausschließlich an parteinaher Presse laben, sechs Mal so ablehnend gegenüber kriti-schem Journalismus wie Republi-kaner, die sich ihre Nachrichten von neutralen Quellen holen. Die Kund-schaft der bekannt rechtslastigen Fox News beharrt zu 66 Prozent darauf, dass Journalisten in ihrer Funktion

als Wachhunde zu weit gingen. Die linkslastige MSNBC hat eine völlig andere Kundschaft: Dort teilten bloß sechs Prozent diese Meinung.

Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten stimmten 38 Pro-zent der Republikaner zu, die Medien sollten politische Leitfiguren kritisch ins Auge fassen, seitens der Demo-kraten waren aber 82 Prozent dafür – als würden die Anhänger der beiden Großparteien in verschiedenen Län-dern leben.

Gibt es für Medien einen Weg aus dieser weltanschaulichen Falle? Eine Idee wären spezialisierte Newsletter, die sich auf ein wichtiges Thema kon-zentrieren, ohne damit das Stamm-medium zu belasten. Ein Beispiel ist der wöchentliche Nachrichtendienst

zur Klimaveränderung, den die New York Times eben gestartet hat. Dieser gibt den Kunden die Chance, dem täglichen Hickhack zu entgehen, ohne diese dabei ganz zu verlieren. Selbst in den geschwätzigen Sozialen Medien scheint ein Verlangen zu kei-men, das Wichtige/Öffentliche/Lang-fristige von den privaten Eintagsflie-gen zu trennen …

HORIZONT-Korres-pondent Walter Braun berichtet jede Woche aus dem UK über inter-nationale Kom muni-kations trends. © archiv

Parteiliche BerichterStattung

Das ProSiebenSat.1-Kerngeschäft TV hat mit Verlusten zu kämpfen, neue Geschäfts felder sollen dabei Abhilfe schaffen. Und Konzernchef Max Conze steht in der Kritik.

Bericht von Birgit Samer

Offiziell fiel die Pressekonferenz der ProSiebenSat.1-Bilanz dem

Coronavirus zum Opfer. Nach einem Covid-19-Fall im deutschen Medien-konzern entschlossen dessen Chef Max Conze und Finanzvorstand Rainer Beaujean, von zu Hause aus zu arbeiten. Also wurden die Zahlen per Webcast präsentiert. Doch ganz ungelegen schien das den Verant-wortlichen nicht zu kommen, so zu-mindest der Eindruck bei einem Blick in die Bilanz 2019.

Der Konzernumsatz wuchs im vorigen Jahr um drei Prozent auf 4,1  Milliarden Euro, der auf die Aktionäre entfallende Gewinn um 66  Prozent auf 413 Millionen. Aber: Gerade im Kerngeschäft befindet sich ProSiebenSat.1 weiter im Sinkflug. In der TV-Werbung musste der Puls-4-Mutterkonzern einen Rückgang um fünf Prozent hinnehmen. Der um Sondereffekte bereinigte Betriebsge-winn des Medienkonzerns fiel 2019 um 14 Prozent auf 872 Millionen Euro.

Produktions- und Digital-PlusDie sinkenden Erlöse im Werbe-fernsehen kann die Münchner Mediengruppe mit Wachstumstrei-bern wie dem Produktionsgeschäft, der Online-Parfümerie Flaconi und digitaler Werbung (plus 38 Prozent) wie Addressable TV und via Strea-mingplattform Joyn teilweise ausglei-chen. Das Segment Content Produc-tion & Global Sales mit den Red Arrow Studios steigerte seinen Umsatz 2019 auf 652 Millionen Euro, was einem satten Plus von 18 Prozent entspricht.

Das Produktionsgeschäft der ProSiebenSat.1-Gruppe gibt indes Rätsel auf: Der geplante Verkauf der Red Arrow Studios verschiebt sich weiter nach hinten. Bis Weihnachten 2019 hatte man noch keinen geeigne-ten Käufer gefunden. Auch der nächs-te angepeilte Termin scheint nun zu wackeln. Im Gespräch mit dem deut-schen Branchenmedium DWDL woll-te sich Conze nicht festlegen, ob es tat-sächlich zu einer Entscheidung Ende März kommen wird. Conze wollte

lediglich konzedieren, dass „die Ent-scheidung in nicht allzu weiter Ferne“ liege. Die gestiegenen Erlöse und das einhellige Lob von CEO und CFO für die Red Arrow Studios beim Bilanz-Webcast vermittelten jedenfalls ein widersprüchliches Verkaufsbild. Das Manager Magazin berichtet unter Berufung auf „Finanzkreise“, dass die meisten Kaufkandidaten bereits ab-gesprungen seien. Die Analystenbe-wertung von über 300 Millionen Euro sei kaum zu erzielen.

Dating soll Aktie beflügelnMittlerweile 52 Prozent der gesam-ten Konzernerlöse stammen aus dem Nicht-TV-Werbegeschäft. Mit einer kürzlich angekündigten Übernah-me entfernt sich ProSiebenSat.1 nun weiter vom seinem verlustbehafte-ten Kerngeschäft. Für rund eine hal-be Milliarde Dollar will Conze den börsennotierten US-App-Entwickler Meet Group, in dessen Eigentum sich etwa die mobile Dating-Site Lovoo befindet, übernehmen. Damit soll das Online-Dating-Geschäft der E-Commerce-Tochter NuCom gestärkt werden. Zu NuCom, an dem auch der US-Finanzinvestor General Atlantic beteiligt ist, gehört unter anderen der Partnervermittler Parship. Bewegung scheint – zumindest nach einem Blick

auf die Börse – notwendig. Aktien von ProSiebenSat.1 sind nach der Bilanz-präsentation vergangenen Donners-tag auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gefallen. Der Aktienkurs sackte zeitweise um zehn Prozent ab, allein in den letzten zwölf Monaten verlor die Aktie fast ein Drittel an Wert.

Conze unter DruckBei dem deutschen Medienkon-zern wächst unterdessen offen-bar das interne Konfliktpotenzial. ProSiebenSat.1-Vizechef Conrad Albert, seit 2011 im Vorstand des Kon-zerns, kündigte dieser Tage seinen Rücktritt an. Er werde seinen zum 30.  April 2021 auslaufenden Vertrag nicht verlängern, erklärte er in einem

Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Unter der „aktuellen Konstel-lation“ sehe Albert keinen Grund für einen Verbleib im Medienkonzern. Damit kritisiert er de facto Conze, der seit seinem Amtsantritt im Juni 2018 rigorose Umbaumaßnahmen vorgenommen hatte. Vorstände wie Jan Frouman, Christof Wahl, Sabine Eckhardt und Jan Kemper haben seit-her das Unternehmen verlassen.

Albert appelliert, dass man sich bei ProSiebenSat.1 wieder auf die positiven Dinge besinnen müsse: „Sonst bleibt der Eindruck einer Vorstands-Soap-Opera auch am Unternehmen haften.“ Im Frühjahr entscheidet sich jedenfalls Conzes Zu-kunft im Medienkonzern: Dann steht sein Vertrag zur Verlängerung an. •

Nach 85 Jahren muss die Australian Associated Press ihre Pforten schließen und hinterlässt eine riesige Lücke in der Berichterstattung im Land.

Bericht von Stefan Binder

Australiens einzige Nachrich-tenagentur sperrt zu. Die

Geschäftsführung der Australian Associated Press (AAP) gab vergan-gene Woche bekannt, dass sie am 26. Juni ihre Pforten schließen wird. Rund 180  Journalisten verlieren da-durch ihren Job, insgesamt dürften aber sogar rund 600 Mitarbeiter von der Schließung betroffen sein. Auch in Australiens Medienlandschaft wird das Verschwinden der 85-jähri-gen Nachrichtenagentur einen Krater hinterlassen. Täglich lieferte die AAP mehr als 500 Meldungen an ihre Kun-den – Radiostationen, Fernsehsender, Tageszeitungen und Websites.

Genau diese Kunden waren es letztlich aber auch, die den Stecker gezogen haben. Denn sie sind auch die Eigentümer der AAP. Australiens Medienlandschaft ist stark konzent-riert und wird von drei Unternehmen kontrolliert : News Corp Austra-lia, Seven West Media und Nine Entertainment. Vor allem Nine Entertainment soll laut Guardian Treiber hinter der Schließung gewe-sen sein. Das Unternehmen, das ne-ben TV-Sendern und Radiostationen

auch mehrere Zeitungen heraus-gibt, schloss sich unlängst mit Fair-fax Media zusammen. Damit hatte Nine Entertainment Zugang zu den Quellen der Tageszeitungen Sydney Morning Herald und The Age (Mel-bourne) – und somit offenbar weni-ger Bedarf an Dienstleistungen einer Nachrichtenagentur. Schwieriger war die Entscheidung wohl für Rupert Murdochs News Corp. Schließlich wurde die AAP von seinem Vater Keith Murdoch 1935 gegründet, der den Grundstein für den Erfolg des Unternehmens legte. Doch auch News Corp muss sparen und stimmte der Schließung letztlich zu.

Völlig aus dem Blauen kam der Niedergang der Nachrichtenagen-tur dennoch nicht. Suchmaschinen, Aggregatoren und Soziale Medien wur-den auch für australische Newsrooms zu einer immer wichtigeren Quelle. Die Krise traditioneller Medien mach-te auch vor Down Under nicht halt. Dadurch und durch die hohe Medi-enkonzentration verlor die AAP in den vergangenen Jahren immer mehr Kun-den. 2018 wurden bereits rund zehn Prozent der Redaktion eingespart.

LichtblickFür einige der rund 200 Journalisten gibt es zumindest einen Lichtblick: Nachdem sich News Corp und Nine Entertainment durch die Schließung jedes Jahr Millionen ersparen, aber gleichzeitig eine wichtige Nach-richtenquelle wegfällt, wollen beide Unternehmen rund 50 Journalisten der AAP einen Job in den eigenen Rei-hen anbieten. Auch zahlreiche Free-lancer werden künftig von Nine News und vor allem News Corp Aufträge bekommen. Letztere hat zahlreiche angestellte Fotografen 2017 entlas-sen und war daher für Fotos vor allem von der AAP abhängig. Dennoch wird die Schließung nicht ohne Spuren bleiben. Viele Sportereignisse und politische Veranstaltungen werden ausschließlich von Journalisten der AAP besetzt. Selbst mit großzügigen Aufstockungen in den verbliebenen Medien werden viele Teile Australi-ens zur Nachrichtenwüste werden. •

Bewegte Zeiten für P7S1Übrig bleibt die Wüste

Keith Murdoch gründete die aaP in den 30er-Jahren. © National library australia

Der Druck auf ProSiebenSat.1-CeO Max conze wächst nach schwachen Geschäfts-zahlen und prominenten abgängen im deutschen Medienkonzern. © ProSiebenSat.1

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