Über emphysem und herzhypertrophie nach exstirpation der einen lunge

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uber Emphysem und Herzhypertrophie nach Exstirpation der einen Lunge.' Von Holger Mollgaard. (Aus dem physiologischen Laboratorium der Univereittit Kopenhagen.) (Hierzo Tar. I nit Fignren 1-8.) Behufs neurologischer Untersuchungen uber die Respirationsorgane war ich mehrmals geniitigt, die game eine Lunge (in casu die linke) zu exstirpieren. Bei der Sektion der Tiere ergaben sich ganz konstant zwei bestimmte Merkmale am Herzen und an der unversehrten Lunge. Es handelt sich urn eine Hypertrophie des rechten Herzens und um einen chronischen Auf bliihungvzustand bzw. Emphysem der unver- sehrten Lunge. Da diese Beobachtungen realiter ganz aaerhalb des Rahmens der Untersuchungen fallen, bei welchen die Operationen aus- gefiihrt wurden, kann ich mich vorliinfig mit diesen Fakten nicht ein- gehend beschiiftigen, bin jedoch der Anschauung, daB sie von Interesse sind, besonders da sie mit mehreren physiologischen und klinischen Beobachtungen in tfbereinstimmung stehen und vielleicht ausfiillend und erganzend wirken konnten. Ich will deshalb hier in Kiirze be- sohreiben, was ich gefunden habe. Bevor ich aber zur Sache schreite, halte ich es fiir zweckmiibig, einige Vorbemerkungen iiber die spezielle Teohnik, Felche bei diesen Operationen angewandt wurde, vorauszuschicken, besonders da ich ge- nBtigt war, um gute Resultate zu erzielen, die gewiihnlichen Operations- methoden am Thorax zu modifbieren, und 88 deshalb moglich wiire, daS kiinftigen Unt'ersuchern dieses Gegenstandes dadurch die Am- fiihrung erleiohtert werden konnte. Als ich zum erstenmal die zu besprechende Operation ausfiihrte, machte ich die gewchnliche Es t- landersche Thoracoplastik, indem ich vier Rippen resezierte und den 1 Der Redsktion am 12. Oktober 1908 zugegangen.

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uber Emphysem und Herzhypertrophie nach Exstirpation der einen Lunge.'

Von

Holger Mollgaard. (Aus dem physiologischen Laboratorium der Univereittit Kopenhagen.)

(Hierzo Tar. I nit Fignren 1-8.)

Behufs neurologischer Untersuchungen uber die Respirationsorgane war ich mehrmals geniitigt, die game eine Lunge (in casu die linke) zu exstirpieren. Bei der Sektion der Tiere ergaben sich ganz konstant zwei bestimmte Merkmale am Herzen und an der unversehrten Lunge. Es handelt sich urn eine Hypertrophie des rechten Herzens und um einen chronischen Auf bliihungvzustand bzw. Emphysem der unver- sehrten Lunge. Da diese Beobachtungen realiter ganz aaerhalb des Rahmens der Untersuchungen fallen, bei welchen die Operationen aus- gefiihrt wurden, kann ich mich vorliinfig mit diesen Fakten nicht ein- gehend beschiiftigen, bin jedoch der Anschauung, daB sie von Interesse sind, besonders da sie mit mehreren physiologischen und klinischen Beobachtungen in tfbereinstimmung stehen und vielleicht ausfiillend und erganzend wirken konnten. Ich will deshalb hier in Kiirze be- sohreiben, was ich gefunden habe.

Bevor ich aber zur Sache schreite, halte ich es fiir zweckmiibig, einige Vorbemerkungen iiber die spezielle Teohnik, Felche bei diesen Operationen angewandt wurde, vorauszuschicken, besonders da ich ge- nBtigt war, um gute Resultate zu erzielen, die gewiihnlichen Operations- methoden am Thorax zu modifbieren, und 88 deshalb moglich wiire, daS kiinftigen Unt'ersuchern dieses Gegenstandes dadurch die Am- fiihrung erleiohtert werden konnte. Als ich zum erstenmal die zu besprechende Operation ausfiihrte, machte ich die gewchnliche Es t- landersche Thoracoplastik, indem ich vier Rippen resezierte und den

1 Der Redsktion am 12. Oktober 1908 zugegangen.

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gebildeten Lappen ausklappte, urn ihn nach der Lungenexstirpation wieder festzunahen. Es erwies sich aber bald, dab diesem Operations- modus so grobe Obelstande anhaften, dab man ihn ganz aufgeben mubte. Teils hatte ich mehrmals den Unfall, da6 die ganz jungen Tiere, welche die Mutter saugen sollte, aufeinander traten und eines dem andern den osteoplastischen Lappen in die Brusthohle hinein- driickte, so dab das ohnehin sehr belastete Herz schwer geschadigt wurde. Teils, und das ist fur den Gebrauch der Operation zu Nerven- degenerationsversuchen sehr miblich, wurde die leere Pleurahohle stark mit Adhirenzen gefiillt, da der osteoplastische Lappen sehr leicht mit dem Perikardium in Beriihrung kam und hier adharierte. Urn sichere Resultate zu bekommen und die obengenannten Dbelstande zu ver- meiden, war es deshalb notwendig, die Brustwand der jungen Tiere ganz unversehrt zu lassen. Dies ist folgendermaben zu erreichen. Die Operation beginnt mit einem etwas bogenfiirmigen Schnitte langs dem vierten Interkostalraume gleich unterhalb des Angulus scapuls. Die Muskeln werden getrennt und nun wird eine Inzision im funften Interkostalraume von einem Punkte 1 zur Seite der Columna bis ganz vorn an die Mammaria interna gemacht. Die beiden begrenzenden Rippen werden auseinander gezogen und die Pleura mittels einer Schere der Inzision entlang gespalten. Durch die so gewonnene Offnung der Brusthohle wird nun die Lunge herausgezogen und die Lungenwurzel am Hunde total, an Katzen in zwei Partien unterbunden, und die Lunge abgeschnitten. Die unterbundene Lungenwurzel wird nun ver- senkt und die beiden auseinander gesperrten Rippen werden mittels Seidesuturen zusammengenlht.

Die Wunde wird in drei Etagen geschlossen und die Suturlinie mittels Eollodium und steriler Watte sorgfiltig gedeckt ; andere Ver- biinde wurden nie gebraucht. Durch diesen Operationsmodus habe ich allemal gute Resultate erzielt. Ich brauche wohl nicht zn sagen, da6 man diese Operationen unter den strengsten Kautelen der Aseptik aus- fiihren mu6. Unter Beobachtung derselben habe ich aber, seitdem ich den besprochenen Operationsmodus einfiihrte, bisher noch kein einziges Tier verloren, und fast allemal ist die Pleurahohle ganz frei von Ad- hkenzen geblieben, und wenn solche vorkamen, erschienen sie nur als ganz schwache Verbindungen zwischen unterbundener Lungenwurzel und kall6ser Masse am Orte der Rippensutur. SchlieBlich bemerke ich, da6 dieser Operationsmodus nicht nur an jungen Tieren anwendbar kit, sondern daB die beiden Rippen sich selbst bei alten erwachsenen Tieren sehr gut so weit auseinander ziehen lassen, da6 man den notwendigen Raum bekommen kann, um die Lunge zu exstirpieren.

OBER EMPHYSEM UND HERZHYPERTROPHIE usw. 103

Oher die Technik habe ich ferner in Kurze zu bemerlien, daB alle diese Operationen unter kiinstlicher Respiration ausgefuhrt wurden, indem man die kiinstliche Atmung und die Narkose derart kombinierte, daS man dem Tiere einen Gummisack iiber den Kopf zog, den Sack duroh Klemmen befestigte und nun mittels einer mit Ventilen ver- sehenen Pumpe eine Mischung von atmosphiirischer Luft und Ather hineintrieb. Der Sack hat ein Exspirntionsrohr, das mit einem Gummi- schlauch verbunden ist, welcher zusammengeklemmt werden kann, urn dadurch den Druck im Sacke zu regulieren. Das Prinzip des ganzen Apparates besteht also darin, dab das Tier unter einem Drucke atmet, melcher etwas hoher ist als der einer Atmosphlre, und da6 die Lungen also, selbst wenn die Pleura gebffnet ist, stets gut aufgeblasen werden, mas nicht nur fiir die Respiration des Tieres sehr giinstig ist, sondern auch die Operation selbst auffallend erleichtert.

_ _ _ ~

Die operierten Tiere fallen sowohl nach Art und Alter als nach der Zeit, die sie zwischen Operat-ion und Totung gelebt haben, in zwei natiirliche Gruppen. Die erste Gruppe umfaBt die Hunde, welche alle am sechsten Tage nach der Geburt operiert wurden und 2 bis 31/2 Monate nach der Operation am Leben blieben. Die zweite Gruppe um- schlieBt nur erwachsene Tiere, und zwar samtlich Katzen, die nur 14 Tage nach der Operation bis zur Tiitnng lebten. Die Anzahl der operierten Katzen betriigt fiinf. Die Tiere wurden siimtlich ebenso Fie die Kontrolltiere durch Verblutuiig getBtet. Darauf wurden die beiden Pleura geoffnet und nun der game Thorax mittels Formols (20°/,,) fixiert. Erst am zweiten Tage wurden Prlparate wie die Figuren auf Taf. I verfertigt.

Beginnen wir nun mit der ersten Gruppe, so ist bei den drei Hunden vollig konstant eine groBe Hypertrophie teils des ganzen Herzens und teils und zwar beaonders des rechten Ventrikels vorhanden. Dies geht aus Fig. l a Taf. I hervor. Hier ist der Conus arteriosus durch Weg- schneidung der Vorderwand geciffnet, wodurch die dicke Wand des rechten Herzens zum Vorsohein kommt. Zugleich sieht man, da6 das ganze Herz fiir einen zweimonatigen Hund auffallend groB ist. Betrachten wir nun die Lunge, so fillt uns gleich in die Angen, da6 die rechte Lunge ron ganz kolossaler GrBBe ist (Hg. l b Taf. I). Der niederste Lappen erstreclrt sich (s. Fig. l a Taf. I) mit seiner Basis bis in die linke Pleurahcihle und fallt den ganzen unteren Teil der Hiihle aus. Im Laufe der Entwickelung der Tiere ist also eine iibernormale VergriiBernng der rechten Lunge vorgegangen. Nun zeigt diese Lunge makroskopisch sonst nichts bferk- wurdiges als die VergrciBerung (Fig. l b Taf. I), und mikroskopisch zeigt

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si& nur ganz schnache oder wohl eher gar keine Dehnung der Alreolen. Die VergrBBerung kann daher nicht einem Emphysem in Rechnung geschrieben werden, sondern ist als eine wirkliche ubernormale Hyper- trophie bzw. Proliferation der Lungenelemente zu deuten. Oberdies ist eine Abflachung der linken Thoraxhalfte rorhanden.

Wenden wir uns nun zur zweiten Gruppe, so ist es dieser charakteristisch, daS die 14 Tage nach der Operation getoteten Tiere keine Herzhypertrophie aufweisen. Dagegen ist die rechte Lunge konsbant mehr oder minder, doch immer ziemlich stark aufgebliiht. Es besteht

Fig. 4.

ein Emphysem der rechten Lunge, und es zeigt sich sehr schon, da6 die Gr66e der Aufbliihung ganz von der Kraft und der Leistungs- fihigkeit des Herzens abhingt. Fig. 4 zeigt ein mittelstarkes Emphysem einer Katze, die das fiir Katzen charakteristische groBe und starke Herz hatte. Durch Zusammenhaltung mit Fig. 5 , die von einer normalen Katzenlunge herriihrt, sieht man leicht, wie stark die Alveolen der emphysematosen Lunge aufgedehnt sind, wie auch ein Blick auf das chronische substantielle Emphysem eines Menschen (Fig. 6) geniigt,

Das Priiparat wurde mir gutigat vom pathologischen Institut der Uni- versitlit iiberlassen.

VEER EMPHYSEM UND HERZHYPERTROPHIE usw. 105

um zu zeigen, daB es sich in Fig. 4 urn keinen pathologischen ProzeB handelt. Wiihrend in Fig. 6 die Scheidewlnde erheblich atrophiiert und aus vielen Stellen ganz verschwunden sind, so daB die Alveolen zu groI3en Hohlrlumen zusammengeflossen sind, geht aus Fig. 4 hervor, da6 die Alveolenwlnde hier iiberell ganz intakt sind. Die Alveole ist nur ausgedehnt, ihre Wand ist aber weder atrophiiert, noch eingerissen. Es besteht also hier ein physiologisches und kein pathologisches Emphysem. Hierzu gesellen sich nun die Figg. 2 u. 3, Taf. I und Pig. 7 (S. 110). Diese Photographien riihren slmtlich von ein und

Fig. 5 .

derselben Katze her. Im Gegensatze zum Falle der Fig. 4 hat diese Katze, wie deutlich aus Fig. 2 Taf. I hervorgeht, ein fiir das ausgewachsene Tier sehr kleines Herz. Hiermit kombiniert sich sehr schBn ein au6er- ordentlich groBes Emphysem der unversehrten rechten Lunge. Die Auf- blihung ist hier so gro6, da6 sie sich makroskopisch deutlich geltend macht. Fig. 3 Taf. I illustriert diese Verhiiltnisse. Man sieht die Lunge wie einen Ballon aufgeblasen, sieht das Emphysem an der Schnittfliiche, und durch Fig. 7 gewinnt man eine Vorstellung von der in diesem Falle kolossalen Ausdehnung der einzelnen Alveolen.

Ferner ergibt die mikroskopische Untersuchung der emphyse-

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matijsen Lungen in allen Fallen erweiterte und ganz gerade verlaufende Kapillaren in der Tiefe und in den Wanden der Alveolen.

Das sind also die vorliegenden objekticen Ergebnisse. Bevor wir aber zur Deutung und Zusammenstellung des Beobachteten schreiten, sollen hier die hiermit in Znsammenhang stehenden und mafigebenden fruheren Untersuchungen in Kurze besprochen merden.

Vor zwei Jahren veriiffentlichte Dionys Hellin einige experi- mentelle Untersuchungen fiber die Folgen der Lungenexstirpation.

Fig. 6.

Die Versuche wurden an Kaninchen angestellt und es geht aus ihnen hervor, daB, vom 5. Tage nach der Operation an, sich eineverschiebung des Herzens nach der operierten Seite hin entwickelt. Diese Verschiebuug vergrd3ert sich fortwihrend, bis sie etwa fiinf Wochen nach der Operation so bedeutlich wird, daB das Herz mit der Pleura costalis der operierten Seite verwachsen ist. Gleichzeitig entwickelt sich eine auBerordentliche Hypertrophie des Herzens. - Die mikroskopische Untersuchung ergab nach zirka funf Wochen als hauptsiichliches Merkmal Veranderungen der interalveolaren LungengefiiBe. Sie waren erweitert nnd ihr Muscularis

Archiv fiir experiment. Pathologie u. Phamnakologk. 1906. Bd. LV.

OBER EMPEYSEM UND HERZHYPERTROPHIE usw. 107

hochgradig verdickt. Die VergroBeruog betrachtet H ellin wesentlich als eine durch Hypertrophie bzw. Hyperplasie zustande gekommene Erscheinung. ,,Jedenfalls handelt es sich nicht um Emphysem. Die Alveolen waren zwar vergrobert, aber nicht in dem Grade mie beim Emphysem, und diese VergroBerung war nicht durch Schwund der Alveolarsepta und Verschmelzung mehrerer Alveolen, mie beim echten Emphysem verursacht. Auch makroskopisch war eine VergriiBerung der Luftbliischen, wie etwa beim Emphysem, nicht wahrziinehmen."

Durch Respirationsversuche hat Hel l in ferner emittelt, da6 die C0,-Ausscheidung eines Kaninchens nach einseitiger Lungenexstirpation ebenso groll ist, als vor der Operation, und er setzt dies mit der oben- genannten Erweiterung der interaiveoliiren GefaBe in Beziehung, indem er K. Moller zitiert, der die Anschauung hegt, daB die C0,-Ausscheidung unter solchen Verhaltnissen durch erhiihte Pulsfrequenz und Ausdehnung des Herzens auf normaler Hohe erhalten werde. Nach und nach er- weitern sich aber die LungengefiBe im unversehrten Teile der Lunge, bis das Stromhett der gesunden Lunge schlieBlich so GOB geworden ist, mie das Bett beider Lungen zusammen, und die Anzahl der Herz- schlage wieder abnehmen kann. Bus Hel l ins Darstellung ist ferner zu schlieben, daB er der Anschauung ist, es konne nach liingerer Zeit eine Involution der hypertrophischen GefiBe vorgehen, weil wiihrend dieser Zeit die unversehrte Lcnge durch Neubildung von GefiBen dem Blute ein gr6Beres Strombett gegeben habe. - So weit Hellin. Bus seiner Darstellung geht hervor, daB er das Wesen der akuten, gleich in den ersten Tagen nach der Operation einsetzenden Erweiterung der unversehrten Lunge nicht erkannt hat. Wie in meinen Versuchen bildet sich auoh bei ihm die Erweiterung der GefiBe zuriick, und er betrachtet als wesentlichen Grund dieser Erscheinung eine Neubildung von GefiBen, wlhrend er die Beziehung zwischen dem Grade der Aus- dehnung der GefaSe aus dem Zustande des Herzens nicht bemerkt hat.

Nun hat bekanntlich Bohr vor einigen Jahren in seiner Arbeit iiber die Bnderungen der KapazitZiten der Lunge unter verschiedenen Verhiiltnissen es sehr wahrscheinlich gemacht, daB eine innige Weohsel- wirkung zwischen der Zirkulation und den Volumverhlltnissen der Lungen besteht. Die Resultate von Bohrs Untersnchungen kiinnen kurz in folgenden drei Siitzen zusammengestellt werden: Erstens hat es sich erwiesen, daS jeder Faktor, der in hinlhglichem Grade die

Deutsches Archiv f i klin. Medizin. 1907. Bd. LXXXVIII. - D er a e 1 be, Wiener mediz. Wochenschr. 1907. Nr. 41. - Dereelbe, Cfesellschaft deutscher Naturforrcher u. k t e . Verhandlungen 1907.

108 HOLQER NOLLQAARD:

Forderungen an die respiratorischen Funktionen der Lunge vermehrt, auch regelmiiJ3ig eine VergroBerung der ,,mitt 1 ere n K a p a z i t a t '' der Lunge herbeifiihrt, und Bohr erklart dies als ein Hilfsmittel teils um die Oberfliiche zu vergroBern, teils um die Blutzirkulation durch die Lunge zu erleichtern. - Zweitens wird unter Verhaltnissen, wo nur die Forderungen an die respiratorische Funktion der Lunge, nicht aber die an die Zirkulation gesteigert werden (z. B. durch Atmung kohlen- slurereicher Lufl) n u r eine VergroBerung der Mit te lkapazi ta t aber keine Veranderungen der Residual luf t der Lungen beobachtet. Dementsprechend zeigt sich auch hier keine Beschleunigung des Pulses.

Drittens beobachtet man unter Verhaltnissen, wo auch die Forde- rungen an die Zirkulation betrlchtlich gesteigert sind (z. 13. bei korper- lichen Anstrengungen) nicht nur eine VergroBerung der Mittelkapazitat, sondern auch eine Zunahme der Residual luf t bzm. Verminderung der vitalen Kapazitit der Lungen. Unter diesen Verhlltnissen erfolgt auch wie bekannt eine Beschleunigung und VergrRBerung des Pulses.

Mit diesen Untersuchungen B o h rs stehen nun einige Versuche von V. Rubowl an Patienten mit verschiedenen Herzfehlern in sehr schoner gbereinstimmung. Aus diesen geht hauptslchlich herror, daB die sogenannte kardiale Dyspnoe bei einer nicht geringen Anzahl von an M. cordis leidenden Patienten nicht eine vermehrte Ventilation der Lungen bedeutet, sondern einer Vergr6Berung der Residual luf t bzw. Ausdehnung der Lungen zuzuschieben ist.

Alle diese Beobachtungen werden nun nach Bohr in dem Sinne erkl l t , daJ3 die Ausdehnung oder ob man so will die Aufbllhung der Lungen zwar eine Vergr6Berung der respiratorischen Oberfliiche erstrebt jedoch besonders als eine kompensatorische Erscheinung betrtrchtet werden mu6 zwecks der Entlastung des rechten Herzeng wenn die Forderungen an die Zirkulation durch den kleinen Kreislauf aus irgend einem Grunde gesteigert wird, eine Ansohaung, die mit den friiheren Versuchen de Jagers ,8 aus denen man weil), daJ3 eine durch negativen Druck erzeugte Ausdehnung der Lunge die Stromungsgeschwindigkeit des Blutes durch die betreffende Lunge vergrGBert, in tfbereinstimmung steht.

Im Zusammenhang hiermit ist ferner zu bemerken, daS nach Kre h l (Pathologische Physiologie) in einigen Fiillen der sogenannten par o x y s malen Tac h y kar di en eine betrlohtliche Lungenschwellung zu den anderen Symptomen hinzutritt. Nun ist es ja die allgemeine Meinung, daS man in diesen Fillen nicht nur mit reinen nerrijsen

1 Dmtsohes Archiv f. klin. Xedizin. Bd. VIIIC. Pflugere A~chio. Bd. XX.

OBER EMPHYSEM UND HERZHYPERTROPHIE usw. 109

Stiirungen der Herzregulation zu tun hat, sondern daB meistens auch Herzschwache Forhanden sei. Dies moge nun sein, wie es molle, jedenfalls liegt der Gedanke nahe, da6 die Lungenblahung in diesem E’alle als Entlastung des schwachen Herzens im Sinne Bohrs wirkt, also eine Erweiterung der KapillargefaBe der Lungen erstrebt, um solcherweise die Arbeitsbedingungen fur das geschwachte und in seiner Funktion akut gesteigerte Herz mbglichst giinstig zu stellen.

Versuchen wir nun meme eigenen Beobachtungen an Tieren, deren eine Lunge exstirpiert w d e , im Lichte der obengenannten Versnche und theoretischen Entwickelungen zu betrachten.

Vergleicht man die erste Gruppe der Versuchstiere mit der zveiten, so kann ja in Kiirze als fu r die ers te Gruppe charakteristisch hervor- gehoben werden: Herzhypertrophie ohne Emphysem; f u r die zweite Gruppe: Emphyssm ohne Herzhypertrophie. Nun um- fa6t mie erwahnt die erste Gruppe Tiere (Hunde), welche als ganz junge Tiere operiert und im dritten Monate nach der Operation getiitet wurden, wiihrend die zweite Gruppe nur solche Tiere (Katzen) enthat, die im ausgewachsenen Zustande operiert wurden und nur 14 Tage nach der Operation gelebt hahen. Es zeigt sich also, da6 wenn man die eine Lunge exstirpiert und dadurch ganz plotzlich die Forderung an das rechte Herz stellt, daS es von nun ab die ganze Blutmenge durch die andere Lunge pumpen soll, die betreffende unversehrte Lunge aufgebliht wird und die Alveolen sich ausdehnen, ohne daB deren Scheidewiinde atrophiieren; das heifk: die Residualluft nimmt zu und 1

das Tier atmet von nun an mit mehr gefiillter Lunge. Dadurch werden die KapillargeFwe erweitert und das Herz ent.lastet. Verlndert sich das Herz nun nicht, und hier spielt wohl nicht nur die Zeit, sondern auch das Alter der Tiere eine Rolle, so bleibt die Ausdehnung der Lunge bestehen und es hat sich ein chronisches, kompensierendes Emphysem ausgebildet. 1st das Herz kriiftig, so ist die Aufbllhung um so geringer; ist aber das Herz von Anfang an (Fig. 2 Taf. I) sehr schwach, so kann das Emphysem bis zu sehr hohen Graden gesteigert werden. Dies wird durch Fig. 7 (S. 110) illustriert. Hier steben wir aber wahr- scheinlich ganz nahe an der Grenze, bis zu welcher sich die Lunge ohne pathologische Veriinderungen zu erleiden ausdehnen kann. An der Photographie sind alle Alveolen intakt, aber zerstreut in der Lunge kommen namentlich in den iiul3eren Regionen Partien vor, wo die Alveolensepta augenscheinlich iibermiiSig ausgedehnt sind. Sie bilden

'110 HOLGER M ~ L L ~ A A R D :

ganz diinne Scheidewande zwischen den Alveolen, zeigen keine deub- liohen KapillargefiBe, und an mehreren Stellen sind sie durchbrochen. An Praparaten von solchen Stellen trifft man auch gewiihnlich Platzchen,. wo die Alveolen yon roten Blutkorperchen ausgefullt sind, und die Lunge hat in der Umgebung solcher Regionen etwa das Aussehen einer Staselunge mit verdickten infiltrierten Alveolensepta und ganz auBerordentlich erweiterten KapillargeGBen.

Welche feineren Prozesse sich dabei abgespielt haben, ist ja schwierig zu entrltseln. Vielleicht beruht ein Teil dieser Erscheinungen wirklich

Fig. 7.

auf Stase wegen einiger Herzschwache wahrend der ersten Zeit nach der Operation. Da sie aber nicht iiber groBere Partien der Lunge ausgebreitet sind, sondern nur stellenweise vorkommen, ist der letzte Grund fur alle diese Erscheinungen doch sicherlich der ganz natiirliche, daB wenn die Lunge sich so auBerordentlich ausdehnen soll, einige zufilligerweise wenige widerstandsfihige Stellen iibergedehnt werden. Dnbei konnten teils erstens die KapillargefaBe in den WZinden der Alveolen einreiBen und Blutungen in den Alveolen herbeifiihren, teils kijnnten auch die Alveolensepta selbst durch Oberdehnung zerrissen werden.

OBER EMPHYSEM UND HYPERTHOPHIE usw. 111

Lebt das Tier nun aber etwas langer nach der Operation - doch ist hier sicherlich das Alter der Tiere von Bedeutung, indem das Herz bei jungen Tieren mit allgemein gesteigertem Wachstume vie1 giinstigere Verhaltnisse findet, um seine Anpassung an die gesteigerten Forderungen an seine Funktion zu entwickeln -, so hypertrophiiert das Herz und ganz speziell der rechte Ventrikel, und wenn dieses dadurch so kriiftig geworden ist, daB es seine Funktionen ohne Hilfe ausfiihren kann, so ist auch das Emphysem so gut wie verschwunden, am totalsten, je lbnger die Tiere nach der Operation gelebt haben, und wir haben eine Situation, wie sie an den Hunden gefunden und durch Fig. 1 illustriert wird. An diesem Tiere war auch mikroskopisch keine Spur von Em- physem vorhanden.

Also um kurz zu rekapitulieren: Wenn ein Tei l des kleinen Kreislaufes ausgeschal te t w i r d , d e h n t s ich der unversehr te Te i l der Lunge, und die Dehnung daue r t so lange an, bis das Herz durch Hyper t rophie so k r i f t i g geworden is t , daB es die erhijhten Forderungen a n seine Funkt ion ohne Hilfe e ine r Ausdehnung der Lungen erfiillen kann.

Nun zeigt aber Fig. 1 a Taf. I noch eine andere Erscheinung, die i n Betracht gezogen werden mu6. Wie obengenannt, ist kein Emphysem der rechten Lunge nachxuweisen. Nichtsdestoweniger ist die Lunge iibernormal vergrijbert. Sie mu6 also wirklich hypertrophiiert sein. Von der GrijBe der Hypertrophie gibt uns die Versohiebung des nnteren Lappens eine Vorstellung. Dieser Lappen liegt normal hinter das Perikardium geschoben und ragt selbst beim unversehrten Tiere vom Mediastinum posterius bedeckt ein wenig in die linke Pleurahijhle hinein. Nun liegt er ganz im unteren Teile der linken Pleurahijhle, wiihrend die drei oberen Lappen der rechten Lunge die rechte Pleura ausfiillen. Die Hypertrophie ist also eine recht groBe, erreicht aber bei weitem nioht solche hohe Grade, wie in Hel l ins Versuchen, wo die ganze rechte Pleurahijhle nach lingerer Zeit total obliteriert war.

Nun ist hier die Aukerksamkeit darauf hinzulenken, da6 sich in Hel l ins Versuchen in allen Fiillen kurz nach der Operation eine kolossale Versohiebung des Herzens entwickelte, so daS nach fiinf Wochen sich eine Verwachsung zwischen Perikardium und Pleura costalis etabliert hatte. Eine solche Erscheinung habe ich niemals an meinen Versuchstieren beobachtet. An den Katzen gab es, wie aus Fig. 2, Taf. I hervorgeht, nicht einmal Andeutungen von Verschiebung des Herzens oder der Lunge. Nur bei den Hunden ist die Lunge verschoben,

H O L ~ E R M~LLGAARD : 112 . , . , und hier ist sie realiter hypertrophiierk Sach meiner Anschauung mub nun zur Erklkung dieser Erscheinungen ein neuer Faktor mit in Betracht gezogen werden. Wenn ich die Ausdehnung, das Emphysem der unversehrten Lunge in der obenstehenden Darstellung im Sinne Bohrs erklart habe, betrachte ioh, wie Bohr selbst .oft ausdriicklich bemerkt hat (Zentralblat,t fur die gesamte Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels, Nr. 7, 1908) das Emphysem wesentlich als eine kompen- satorische Erscheinung , die durch einen zweckmaBigen Reflex aus- gelost und in der Weise herbeigefiihrt wird, daB die Rrusthohle sich eben in dem XaBe erweitert, daB es geniigt, um eine solche Aus- dehnung der Lungengefabe hwyorzubringen , die notmendig ist, urn das Herz hinreichend zu entlasten. Bei meinen Katzen, mo die Lunge sich regelmaBig ohne Verschiebung ausgedehnt hat, ist diese Erklarung j a die einzig mogliche; fur H e l l i n s Kaninchen und sicherlich auch fiir meine Hunde, wo die Lunge stark in die leere Pleurahohle hineingeschoben ist, mu6 aber ein anderes Moment mit in Betracht gezogen merden. Es ist ja einledchtend, dab renn die Luft aus der leeren Pleurahohle resorbiert wird, die daraus flie6enden Wirkungen auf die unversehrte Lunge wesentlich von der Widerstands- fahigkeit des Mediastinums abhangig sind. Bei Tieren, die wie aus- gewachsene Katzen ein kraftiges Mediastinum haben, geschieht nichts, aber bei Kaninchen und kleinen Hunden, die ein sehr diinnes Media- stinum haben, wird die Lunge gedehnt und in die leere Hohle hiniiber- gezogen, und um so mehr, je widerstandsunfihiger das Mediastinum ist. Die durch diese Kriifte herbeigefiihrte Ausdehnung der Lunge, die sicherlich auch in pathologischen Fillen unter gleichen Umstiinden beriicksichtigt werden mu8 , kann nicht durch Herzhypertrophie aus- geglichen werden, wohl aber du rch Hyper t rophie der Lunge. Se€hst wenn das Hen in hinlanglichem Grade gekraftigt worden ist, muI3 ein Rest der Ausdehnung der Lunge zuriickbleiben, der nur durch Hypertrophie der Lunge oder durch eine Kombination von Hypertrophie der Lunge und Abflachung des Thorax ausgeglichen werden kann. Beide Erscheinungen wurden, wie oben genannt, an meinen Hunden beobachtet.

Der Gang der Entwickelung ist demnach wohl folgender. Gleich nach der Exstirpation der linken Lunge ist bei den kleinen Eunden, ebenso, wie bei den Katzen eine Dehnung der rechten Lunge einge- treten. Da nun die jungen Tiere sehr entwickelungsfahig sind, ist das Herz im Laufe weniger Monate hypertrophiert und dadurch so gekraftigt worden, daI3 es der Erweiterung der Lunge nicht mehr be- diirftig ist. Das Emphysem hat sich daher zuriickgebildet. Ein Rest

OBEB EMPHYSEM UND HEBZEYPEBTROPHIE usw. 113

ist aber stets erhalten wegen der dehnenden Krafte, die von der leeren Pleurahohle ausgehen. Um diese Dehnung 10s zu werden, haben drei Faktoren einander geholfen. Der Thorax hat sich abgeflacht, die Lunge ist wirklich hypertrophiert, und wenn dazu als dritter Faktor eine sich mit dem Alter entwickelnde Verstarkung des Mediastinums kommt, ist allmihlich ein Gleichgewichtszustand herbeigefiihrt worden, worin die drei genannten Faktoren den von der leeren Pleurahohle ausgehenden dehnenden KrHften standhalten.

Obwohl nun vielleicht diese und andere Einzelheiten der theore- tischen Erklkung durch erneuerte Versuche einige dnderungen er- leiden mcigen, so vie1 1iBt sich doch mit Sicherheit sagen, da6 der Theorie Bohrs von der groBen Bedeutung des physiologischen E mp hy sems f i r die Zirkulationsverhliltnisse im kleinen Kreislaufe durch diese Beobachtungen eine wesentliche Stiitze zuteil wird. Und hiermit steht auch die praktische Erfahrnng in Obereinstimmung, daB die Prognose der Lungenexstirpation stets auf dem Herzen des Tieres beruht. Katzen nnd Hunde mit relativ starken Herzen iiberstehen die Operation sehr gut. Kaninchen sterben leicht gleich nach der Operation wegen Ermiidung und Lihmung ihres schwachen Herzens.

Skcmdin. Archiv. XXII. 8

114 HOLC+EB M~I.,T,QAABD: UBFS EMPHYSEM u. HEBZHYPEBTBOPHIE usw.

Erkliirnng der Abbildnngen. (Tafel I.)

Fig. 1 a. Here und rechte Lunge eines jungen Hundes 3 Monate nach Exstirpation der l i k e n Lunge.

Fig. l b zeigt die herausgeschnittene rechte Lunge von hinten. Die Schnittflllche zeigt im Gegeneatz zur Fig. 3 kein makroekopisch sichtbares Emphys em.

Fig. 2. Here und rechte Lunge einer Katze 14 Tage nach linksaeitiger Lungenexstirpation.

Fig. 3. Rechte Lunge derselben Katze wie in Fig. 2. Man eieht an der Schnittflllche des obersten Lappen das krllftig ausgebildete Emphyeem.