Über die veränderungen im melanophorenhormongehalt der hypophysen krebskranker

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(Aus der Chemischen Abteilung des Pathologischen Institutes der Universitat Berlin. -- Leiter" Prof. Dr. Hinsberg.) L~ber die VerKnderungen im Melanophorenhormongehalt der Hypophysen Krebskranker. Von W. Rodew~ld. Mit 1 Textabbildung. (Ein~ang~n am 13. August 1928.) Das Blut Krebskranker hat die Eigenschaft zugegebenes Melano- phorenhormon in vitro zu inaktivieren. In ~usgedehnten Reihenunter- suchungen zeigte sich, da~ diese inaktivierende F~thigkeit bei fast allen Carcinomfs vorhanden ist, bei anderen schweren Erkrankungen und bei Gesunden aber nur selten vorkommt. Wie diese Untersuchungen gezeigt h~ben, scheint es sich dabei um eine fiir das C~rcinom typische Erschei- hung zu h~ndeln. Im folgenden soll untersucht werden, ob sich im Melano- phorenhormon- (M.H.) GehMt der Hypophyse ein unterschiedliches Ver- hMten der CarcinomfMle anderen Erkr~nkungen gegentiber feststellen l~[~t. Es wurden die ttypophysen menschlicher Lcichen untersucht, die n~ch dem Her~usnchmen in Aceton gelegt und so einige T~ge in dunkien Flaschen ira Eisschr~nk aufbewahrt wurden. Zur Herstellung eines Acetontrockenpulvers wurden sie dann rein zersehnitten, mit Aceton extr~hiert, gewogen und dann mit Qu~rzsand verrieben und noch ein- mal mit Aeeton extrahiert. D~s Pulver wurde dann im Exsice~tor gc- trocknet. D~ sich bci dem ersten Versuche feststellen lie~, dal~ in dem abfiltrierten Aceton immer ein Teil des M.H. gel6st ist, wurde weiterhin das Aceton verdampft und der Riickst~nd mit dem Acetontrocken- pulver vereinigt. Die Extraktion des M.H. wurde nnch drei ver- schiedenen Methoden vorgenommen. 1. Wie bei dem Verf~hren yon Zondek und Krohn 1 zur Gewinnung yon Intermedin wurde dus Trockenpulver mit 1/4proz. Essigs~ure ge- kocht, das Filtr~t verdampft und der l~iiekstand mit heil~em absolutem Alkohol auf dem kochenden Wasserbad extrahiert. Vom I~iedersch]ag wurde abfiltriert und das Filtrat verdampft. Der l~iiekstand wurde in 3 ccm RingerlSsung (0,69%) ~ufgenommen (~ StammlSsung). 2. Bei der zweiten Serie wurde das Acetontroekenpulver zun~chst mit RingerlSsung gekocht und das Filtrat wie oben mit Alkohol weiter verarbeitet. 3. Nach den Ang~ben yon Jores ~, der einen besonders wirks~men Extrakt bus der Hypophyse mit Natronlguge erhielt, wurde das Aceton- 1 Zondels u. Krohn, Klin. Wschr. 1932, 1293. - - 2 Jores, Z. exper. Med. 1933, 266.

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(Aus der Chemischen Abteilung des Pathologischen Institutes der Universitat Berlin. - - Leiter" Prof. Dr. Hinsberg.)

L~ber die VerKnderungen im Melanophorenhormongehalt der Hypophysen Krebskranker.

Von W. Rodew~ld.

Mit 1 Textabbildung.

( E i n ~ a n g ~ n am 13. August 1928.)

Das Blut Krebskranker hat die Eigenschaft zugegebenes Melano- phorenhormon in vitro zu inaktivieren. In ~usgedehnten Reihenunter- suchungen zeigte sich, da~ diese inaktivierende F~thigkeit bei fast allen Carcinomfs vorhanden ist, bei anderen schweren Erkrankungen und bei Gesunden aber nur selten vorkommt. Wie diese Untersuchungen gezeigt h~ben, scheint es sich dabei um eine fiir das C~rcinom typische Erschei- hung zu h~ndeln. I m folgenden soll untersucht werden, ob sich im Melano- phorenhormon- (M.H.) GehMt der Hypophyse ein unterschiedliches Ver- hMten der CarcinomfMle anderen Erkr~nkungen gegentiber feststellen l~[~t.

Es wurden die t typophysen menschlicher Lcichen untersucht, die n~ch dem Her~usnchmen in Aceton gelegt und so einige T~ge in dunkien Flaschen ira Eisschr~nk aufbewahrt wurden. Zur Herstellung eines Acetontrockenpulvers wurden sie dann rein zersehnitten, mit Aceton extr~hiert, gewogen und dann mit Qu~rzsand verrieben und noch ein- mal mit Aeeton extrahiert. D~s Pulver wurde dann im Exsice~tor gc- trocknet. D~ sich bci dem ersten Versuche feststellen lie~, dal~ in dem abfiltrierten Aceton immer ein Teil des M.H. gel6st ist, wurde weiterhin das Aceton verdampft und der Riickst~nd mit dem Acetontrocken- pulver vereinigt. Die Extrakt ion des M.H. wurde nnch drei ver- schiedenen Methoden vorgenommen.

1. Wie bei dem Verf~hren yon Zondek und K rohn 1 zur Gewinnung yon Intermedin wurde dus Trockenpulver mit 1/4proz. Essigs~ure ge- kocht, das Filtr~t verdampft und der l~iiekstand mit heil~em absolutem Alkohol auf dem kochenden Wasserbad extrahiert. Vom I~iedersch]ag wurde abfiltriert und das Fil trat verdampft . Der l~iiekstand wurde in 3 ccm RingerlSsung (0,69%) ~ufgenommen ( ~ StammlSsung).

2. Bei der zweiten Serie wurde das Acetontroekenpulver zun~chst mit RingerlSsung gekocht und das Fil trat wie oben mit Alkohol weiter verarbeitet.

3. Nach den Ang~ben yon Jores ~, der einen besonders wirks~men Ext rak t bus der Hypophyse mit Natronlguge erhielt, wurde das Aceton-

1 Zondels u. Krohn, Klin. Wschr. 1932, 1293. - - 2 Jores, Z. exper. Med. 1933, 266.

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trockenpulver mit n/]0-~NaOH extrahiert. Der Extrakt wurde wie bei dem Veffahren mit Essigs/iure und RingerlSsung weiter behandelt. Die Ausziige mit NaOH zeigen den anderen Extrakten gegeniiber einen grunds/itzlichen Unterschied in ihrer Wirkung auf die Froschchromato- phoren. Bei dem mit NaOH gewonnenen Hormon bleibt der Ver- dunkelungseffekt mehrere Tage lang unverandert bestehen und klingt dann langsam ab, w~hrend bei den anderen Hypophysenextrakten auch bei starker Dosierung die Wirkung hSchstens 4--5 Stunden anh/ilt. Diese Wirkungen sind unabhi~ngig vom PH der injizierten LSsungen.

Bei der Verdtinnung der StammlSsungen wurde auf das G ewicht der Ausgangsmenge an Hypophysentrockenpulver keine Rfieksicht ge- nommen. Die Durchsehnittsgewichte von 48 Carcinomhypophysen und 78 anderen differierten nur wenig: 0,101:0,102g. Von den Stamm- ]Ssungen wurden Verdiinnungen hergestellt und an hellangepaBten Temporarien die Grenzkonzentration festgestellt, bei der noch eine eben deutliehe Verfiirbung der mit 0,2 cem dieser LSsungen injizierten Tiere beobachtet werden konnte.

Bei den mit den einzelnen Extraktionsverfahren gewonnenen Hor- monmengen ergaben sich dabei folgende Werte.

Grenzlconzentrationen im Melanophorenhormongehalt der Extrakte bei

I. Essigs~ureextraktion. 1. Nicht-Carcinome. a) Verd. 1:20. Tbc. (3), Embolie (2), Ikterus, Vergiftungen (2), Entztindungen

(4), Totgeburt. b) Verd. 1:30. Tabes, Neuriom, Art. Gangr&n (2), Sarkom, Ostitis. 2. Carcinome. a) StammlSsungen. Ovarial-Ca., BronchiaLCa., Magen-Ca. (3). b) Verd. 1:10. Bronchial-Ca. (2), Oesophagus-Ca. (2), Pankrcas-Ca. (2),

Rectum-Ca. (4), Prostata-Ca. c) Verd. 1:20. Mamma-Ca. (2), Zungen-Ca., Gallenblasen-Ca., Oesophagus-Ca.,

Magen-Ca.

II. Ringerextraktion. 1. Nicht-Carcinome. a) Verd. 1:50. Tbe. (5), Herzerkrankungen (4), Meningitis, Lues, Phlegmone,

Darmpolyp, Hypernephrom. b) Verd. 1 : 100. Prostatahypertrophie (2). c) Verd. 1:150. Lungenemphysem (2), Leber-Cirrh., Pleura-Emp., Gas-

vergiftungen (2). d) Verd. 1:250. Myokarditis, An~mie. 2. Carcinome. a) StammlSsung unwirksam. Magen-Ca. (2), Lungen-Ca. b) StammlSsung. Oesophagus-Ca. (2), Zungen-Ca., Larynx-Ca., Rectum-Ca.

(2), Portio-Ca. c) Verd. 1:30. Rectum-Ca., Bauchfellcarcinose. d) Verd. 1:50. Magen-Ca., Rectum-Ca. e) 1:200. Uterus-Ca., Rectum-Ca., Mamma-Ca.

V e r i n d e r u n g e n i m ~ e l a n o p h o r e n h o r m o n g e h u l t . 163

l II . Natronlaugee~traktion. 1. 2~ich~-uarcinome. 8) Verd. 1:20. Tbe. (3), Entzfindungen (5), Aorten-Ins. (2), Leber-Ins. b) Verd. 1:100. Embolie, Ulcus cr., Tbc. (4), I-Iirntumor (5), tIerzerkran-

kung (4), Leber-Cirrh. (2), Prostatghyperfrophie (2). c) Verd. 1:150. LungemTbc. (2), Embolie. d) Verd. 1:200. Paralyse (2), Hirntumor (2), Embolie, Tbc. 2. Careinome. 8) Verd. 1:100. Mamma-Ca, Haut-Ca. (2), M~gen-Cg. b) Verd. 1 : 150. Oesophagus-Ca., Magen-Ca. c) Verd. 1:200. I-I~ut-Ca. (3), Xiefer-Ca., Zungen-Ca. d) Verd. 1:500. Collum-Ca. (2), Magea-Ca., Oesophagus-Ca. (2). e) Verd. 1:1000. CoUum-Ca. (2), Lungen-Ca., Leber-C~., Oesophagus-Ca.,

Portio-Ca., M~gen-Ca. mit Metastasen.

Als Durchschnittswerte ergeben sich: Grenzkonzentration bei Extraktion mit

Essigs~nre l%ingerlsg. ~ a O ~

Nicht-C~rcinom . . . . 1:20 1:100 1:100--150 Carcinome. . . . . . . 1:10 1:30 1:500

Die Unterschiede in den gefundenen Hormonmengen gehen deut- ]ich aus der folgenden Abbildung hervor.

Abb. 1. Quanti'~afives Yerhiltnis der l tormonmengen aus der Nypo!ohyse eines Nieht-Ca. und eines Careinomkrankem I = N.It . r~it~ Essigs~ure extrahiert; I I = I~.H. mit l~inger extrahlert;

/ / I ~ M.tt. mit NaOIt ex~rahiert.

Es zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen den Hypophysen C~rcinom~t5ser und Nicht-C~rcinomkr~nker in den mit den einzelnen Extr~k~ionsverf~hren gewonnenen Hormonmengen. Mif Essigs~ure mid l%ingerlSsung wurde aus der Carcinomhypophyse jedesmal weniger Hor- mon exfr~hiert ~ls ~us der norm~len; bei Verwendung yon N~tronl~uge iibersfeig~ d~gegen die Hormonmenge bei weitem die der Nicht-Carcinom- hypophyse.

Es wurde zun~tchst unfersucht, ob sich diese unterschiedlichen Er- gebnisse bei den mif den drei L5sungsmitteln gewonnenen tIormon- mengen ~uf L5slichkeitsunterschiede des Hormons selbsf in Essigsiure, l%ingerl5sung und Iq~OH zuriickffihren l~ssen: 1. Die Trockenpulver yon 6 t typophysen wurden zuerst mit Essigsiure, der R~ickst~nd mit RingerlSsung und der d~nn noch ungel5ste Teil des Hypophysenpulvers in ~ O H gekocht. Die Extrakte wurden getrennt uufge~rbeitet und j eder in 3 ccm RingerlSsung ~ufgenommen. Von allen L5sungen wurden die Grenzkonzentr~tionen festgestellt. Sie l~gen bei den Extr~kten ~us Nich~-C~rcinomhypophysen bei Essigs~ure bei 1:20 und 1:10; bei

164 W. Rodewald: Ver~nderungen im Melanophorenhormongehalt.

RingerlSsung bei 1 : 100 und 1 : 150, bei NaOH bei 1 : 100 und 1 : 150. Bei den Carcinomhypophysen wurden als Grenzkonzentration ebenfalls die fiir das Carcinom typischen Werte erreieht. 2. Drei andere Hypo- physenpulver wurden zuersC mit NaOH ausgekocht und der Riickstand mit RingerlSsung w&iter extrahier~. Auch in diesem Fall war in den mit Ringer gewonnenen LSsungen geniigend Hormon vorhanden, um mit der Verdfinnung 1:100, die als Grenzkonzentration angegeben wurde, eine deutliche Verdunkelung zu erzielen.

Bei allen drei LSsungsmitteln miissen demnaeh verschiedene l~ormen des Melanophorenhormons extrahiert worden sein, die dureh diese Me- thoden getrennt und nieht mit einer anderen der verwandten LSsungen extrahiert werden kSnnen. Es ist m6glich, dab es sich dabei um die drei bekannten Formen des Pigmenthormones handelt: 1. das Inter- medin, das in Essigs/iure gelSst wird und beim Frosch eine deutliehe Melanophorenreaktion hervorruft, 2. das aktive Melanophorenhormon, das mit Ringerlgsung und Aqua dest. aus der Hypophyse extrahiert werden kann und 3. die erst mit Natronlauge ffir die Melaninreaktion beim Froseh aktivierbare ,,inaktive" Stufe des Melanophorenhormons (2).

Der gr513te Unterschied im Melanophorenhormongehalt der Hypo- physen zeigt sich in dem aktiven und dem inaktiven Hormon. Neben der Verminderung von aktivem Hormon ist eine enorme Anh/~ufung Yon inaktivem Hormon festzustellen, wobei es sieh zun/s da die gefundenen Mengen den Gesamtgehalt der Normalhypophyse an ak- tivem und inaktivem Hormon weir tibersteigen, um eine gesteigerte Hormonproduktion handeln mul3. Daneben kann noeh eine verminderte Sekretion bestehen, die eine Anh/~ufung des inaktiven Hormones in der Hypophyse verursaeht.

Neben dem das MelanoDhorenhormon bindenden Stoff im Blur hat sieh also beim Carcinom auch eine deutliehe Ver/inderung im Hormon- gehalt der Hypophyse feststellen lassen. Beide Ver/tnderungen tre~en in einem so hohen Prozentsatz bei Carcinomkranken auf, dal~ es sich dabei um einen wesentlichen Bestandteil der al]gemeinen eareinomatSsen Ver~nderungen handeln mul3.

Ich danke der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die durch ihre Unter- stiitzung die Durehffihrung dieser Arbeit erm6glichte.