Über das schwefelmonoxyd. xiii. zur frage nach der existenz des s2o

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.. Uber das Schwefelrnonoxyd. XI11 Zur Frage nach der Existenz des S20 Von PETERW. SCHENK Mit 1 Abbildung Professor Rudolf Scholder xurn 60. Geburtstage gewidmet Inhaltsiibersicht Die Frage nach der Existenz des S , O als metastabilen Zwischenproduktes des Zerfalls des Schwefelmonoxyds bzw. seines Dimeren wird im Anschlu5 an einige Mitteilungen Ton A. R. VAsumva MURTHY erneut diskutiert. Ex wird iiber Versuche berichtet, dieses Oxyd durch thermischen Abbau des kondensierten orangeroten Schwefelmonoxyds zu fassen. Es wird im Gegensatz zu MIJRTHYS Befunden, nach denen das S,O bei -30' von beigemeugtem SO, befreit werden kann, gezeigt, dal3 bereits bei -90' der Abbau erheblich weitergeht. Es wird weiter darauf hingewiesen, da5 die von MURTHY beob- achtete anfangliche Dilatation nach 3 S , O , 3 2 S,O + 2 SO, weder von uns noch von amerikanischen Autoren beobachtet werden konnte. In einigen schon langere Zeit zuriickliegenden Untersuchungen 1) 2, wurde im Rahmen unserer Untersuchungen uber das Schwefelmonoxyd auch der Frage nach der Existenz eines Dischwefelmonoxyds S,O nach- gegangen. Wir hatten damals einmal gefunden, daB das kondensierte arangerote Schwefelmonoxyd beim Erwarmen zwar unter Abgabe von Schwefeldioxyd zerfallt, dal3 dieser Zerfall aber kein vollstandiger ist, sondern da13 schliel3lich ein plastisches noch reichlich Sauerstoff ent- haltendes Produkt etwa der Formel S,,,O zuruckbleibt, das bei raschem weiteren Erwarmen wieder Schwefelmonoxyd in den Gasraum abgibt. Wir hatten es damals fur moglich gehalten, daB hier ein etwas zersetztes Dischwefelmonoxyd vorliegen konnte und daher nach weiteren Beweisen fur die Existenz einer solchen Verbindung gesucht. Da diese jedoch negativ verliefen, haben wir seinerzeit nur kurz daruber berichtet 2). Ein weiteres Argument, dem wir nachgegangen sind, war die beim Zerfall _____ l) P. W. SCRENK, 2. anorg. allg. Chem. 233, 385 (1937). 2, P. W. SCHENK, Z. anorg. allg. Chem. 248, 298 (1941).

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.. Uber das Schwefelrnonoxyd. XI11

Zur Frage nach der Existenz des S20

Von PETERW. SCHENK

Mit 1 Abbildung

Professor Rudolf Scholder xurn 60. Geburtstage gewidmet

Inhaltsiibersicht Die Frage nach der Existenz des S,O als metastabilen Zwischenproduktes des Zerfalls

des Schwefelmonoxyds bzw. seines Dimeren wird im Anschlu5 an einige Mitteilungen Ton A. R. VAsumva MURTHY erneut diskutiert. Ex wird iiber Versuche berichtet, dieses Oxyd durch thermischen Abbau des kondensierten orangeroten Schwefelmonoxyds zu fassen. Es wird im Gegensatz zu MIJRTHYS Befunden, nach denen das S,O bei -30' von beigemeugtem SO, befreit werden kann, gezeigt, dal3 bereits bei -90' der Abbau erheblich weitergeht. Es wird weiter darauf hingewiesen, da5 die von MURTHY beob- achtete anfangliche Dilatation nach 3 S,O, 3 2 S,O + 2 SO, weder von uns noch von amerikanischen Autoren beobachtet werden konnte.

In einigen schon langere Zeit zuriickliegenden Untersuchungen 1) 2,

wurde im Rahmen unserer Untersuchungen uber das Schwefelmonoxyd auch der Frage nach der Existenz eines Dischwefelmonoxyds S,O nach- gegangen. Wir hatten damals einmal gefunden, daB das kondensierte arangerote Schwefelmonoxyd beim Erwarmen zwar unter Abgabe von Schwefeldioxyd zerfallt, dal3 dieser Zerfall aber kein vollstandiger ist, sondern da13 schliel3lich ein plastisches noch reichlich Sauerstoff ent- haltendes Produkt etwa der Formel S,,,O zuruckbleibt, das bei raschem weiteren Erwarmen wieder Schwefelmonoxyd in den Gasraum abgibt. Wir hatten es damals fur moglich gehalten, daB hier ein etwas zersetztes Dischwefelmonoxyd vorliegen konnte und daher nach weiteren Beweisen fur die Existenz einer solchen Verbindung gesucht. Da diese jedoch negativ verliefen, haben wir seinerzeit nur kurz daruber berichtet 2).

Ein weiteres Argument, dem wir nachgegangen sind, war die beim Zerfall _____

l) P. W. SCRENK, 2. anorg. allg. Chem. 233, 385 (1937). 2, P. W. SCHENK, Z. anorg. allg. Chem. 248, 298 (1941).

298 Zeitschrift fur anorganischc und allgemeine Chemie. Band 285. 1956

des Schwefelmonoxyds von uns beobachtete Volumkontraktion. der Formel

2 so = Srest + so, sollte man bei vollstandiger Zersetzung des Schwefelmonoxyds eine Volumverminderung auf die Halfte erwarten. Nachdem erste Beobach- tungen zeigten, da13 die Kontraktion geringer, als nach obiger Formel zu erwarten, blieb, haben wir dann genauere Messungen unternommen. Diese Messungen gestalteten sich ziemlich schwierig, da es kaum moglich ist, Schwefelmonoxyd bei einem Partialdruck merklich uber 1 Torr in der Gasphase zu erhalten und da ein stochiometrisch zusammen- gesetztes reines SO iiberhaupt nur bei etwa 0,80 Torr zu erhalten war. Es gelang uns zu zeigen, da13 die Volumkontraktion tatsachlich nicht 1 : 0,5 sondern nur etwa 1 : 0,7 betrug, und wir haben daher die Moglich- keit diskutiert, da13 aus dem primar gebildeten Schwefelmonoxyd nach

ein stochiometrisches Gemisch von S,O +SO, entstande, das nun beim volligen Zerfall

2 s,o + 2 so, = 2 Slest + 3 so, eine Volumkontraktion von 4:3 , also 1:0,67 ergiibe. Zwar lagen die gefundenen Werte uber 0,67, aber das hatte vielleicht auf unkontrollier- bare MeBfehler zuruckgefuhrt werden konnen. Die erste Kontraktion bei der hypothetischen S,O-Bildung bzw. der Dimerisierung konnten wir nicht beobachten, und diese Befunde sowie die eben beschriebene Volumkontraktion sind vor einiger Zeit von anderer Seite 3)

in vollem Umfange bestiitigt worden. Spektroskopische Befunde von VALLANCE JONES 4, haben dann das Vorliegen der S,O,-Molekel im Gas- raum erwiesen. Andererseits ging aus spektralphotometrischen Mes- sungen von KONDRATJEWA und KONDRATJEW 5, hervor, da13 den im Gasraum vorliegenden Molekeln die Zusammensetzung S: 0 = 1 : 1 zukam, und da wir aus diesen Messungen wenigstens fur das rasch stromende Gas unmittelbar nach seiner Bildung ein Molgewicht von annahernd 48 berechnen konnten 6 ) , muRte die von vornherein plau- siblere Annahme, da13 das Schwefelmoiioxyd infolge sehr rascher teil- weiser Dimerisierung aus einem Gemisch des Monomeren mit dem Di- meren besteht, als einzige den Tatsachen Rechnung trageride angesehen werden .

Kach

3 SO (bzw. SO + S,O,) = S,O + SO,

3) E. A. EVANS, A. B. Scow u. J. L. HUSTON, J. Amer. chem. SOC. 74, 5525 (1952). 4) A. VALLANCE JONES, J. chem. Physics lS, 1263 (1950). 5, H. KONDRATJEWA u. W. KONDRATJEW, J. physik. Cheq. (russ.) 14, 1528 (1940). 6, P. W. SCHENK, Z. physik. Chem.. Abt. B 52, 295 (1942).

P. W. SCHENX, Zur Frage nach der Existenz des S,O 299

In weiteren Untersuchungen uber die Einwirkung von Schwefel- monoxyd auf wafiriges Alkali wurde Sulfid, Sulfit und Thiosulfat ge- funden. Diese Reaktion verlauft nach

3 SO + H,O = H,S + 2 SO,

S,O, + H,O = H,S203,

da die quantitative Verfolgung der Reaktion ergab, daB das Verhaltnis von Sulfid zu Thiosulfat etwa dern aus den Volumkontraktionen ge- fundenen Verhaltnis von SO : S,O, entsprach').

Nun berichtete liurzlich VASUDEVA MURTHY s, in einigen Mittei- lungen von Befunden, die von den unserigen abweichen und aus denen er auf die Existenz des schon von uns vor langerer Zeit qesuchten Di- schwefelrnonoxyds schliefit. Es erscheint daher zweckrnaflig, unsere Befunde etwas ausfuhrlicher zu publizieren, als das seinerzeit geschehen ist.

MURTHY stutzt seine Beweise auf folgende Beobachtungen: Bei der Untersuchung der Volumkontraktion soll nach MURTHY zunachst ein schwacher Druckanstieg und spater erst ein Druckabfall beobachtet werden. Dieser Druckanstieg konnte weder von unsl) noch von EVAXS~) und Mitarbeitern beobachtet werden. Nach MURTIIY soll er auf folgende Reaktionen zuriickgefuhrt werden :

3 S,O, = 2 S,O + 2 SO, Volumzunahme

2 S,O = 3 S + SO, Volumabnahme

3 s,o, = 3 s + 3 SO,

Aus der Versuchsbeschreibung geht einmal nicht hervor, ob MURTHY auf Einhaltung genugender Ternperaturkonstanz geachtet hat, und zweitens hat MURTHY nicht beachtet, daB beirn freiwilligen Zerfall des Schwefelmonoxyds an den Wanden nicht elernentarer Schwefel, sondern Polyschwefeloxyde abgeschieden werden. Bei seiner Versuchsanord- nung hatte er sogar vie1 hohere Kontraktionen als wir beobachten rniissen. Einen weiteren Beweis fur die Existenz des Dischwefelrnonoxyds will MURTHY auf folgende Weise erbracht haben:

Wenn man Schwefelrnonoxyd in flussiger Luft kondensiert, so ent- steht ein orangerotes Kondensat. MURTHY teilt mit, da13 beim vor- sichtigen Erwarmen dieses Kondensates auf -30" ziernlich rasch das

') P. W. SCHENK, Z. anorg. allg. Chem. 265, 169 (1951). 8 ) A. R. VASUDEVA MURTHY, Proc. Indian Acad. Sci., Sect. A36, 388 (1952), s. a.

IUPAC-Colloquium Miinster (Verlag Chemie G.m.b.H.), 1954, S. 141.

300 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 285. 1956

uberschussige SO, abgegeben wird. Wenn man genugend lange trocke- nen Wasserstoff tiberleitet, hort schliefilich die weitere Abgabe von SO, auf, und nun hat der Ruckstand die Zusammensetzung S,O. Ohne auf Einzelheiten der Interpretation MURTHYS fur die Farbanderung des Oxyds bei etwa -80" u. A. einzugehen, sol1 hier nur auf altere Versuche von uns hingewiesen werden, die MURTHY offenbar entgangen sind. Wir haben versucht, das kondensierte Schwefelmonoxyd durch De- stillation im Hochvakuum von eventuell darin enthaltenem SO, zu trennen, jedoch mit vollig negativem Erfolg. Im folgenden berichten wir uber Einzelheiten dieser Versuche, die keine andere Deutung zu- lassen als die, da13 das Schwefelmonoxyd bzw. sein Dimeres bereits bei sehr niedriger Temperatur einer Polymerisation unterliegt. Bei Tem- peratursteigerung wird aus diesem Polymeren SO, abgespalten, und es entstehen daraus feste, dem plastischen Schwefel tauschend ahnliehe Produkte, deren Zusammensetzung sich der Formel S,O nahert, ohne sie jedoch jemals zu erreichen. Wir bezeichneten die entstandenen hoch- polymeren nicht daltoniden Produkte als Polyschwefeloxyde. Wie G~EHRING 9, gefunden hat und wir bestatigten, konnen sie auch durch Einwirkung von H,S auf SO, bzw. H,SO, dargestellt werden. Sie sind in der Lage, bei raschem Erhitzen im Vakuum wieder Schwefelmonoxgd in den Gasraum abzugeben.

Experimenteller Teil Schwefelmonoxyd wurde in der von uns fruher beschriebenen Weise l ) durch Ein-

wirkung elektrischer Entladungen auf ein Gemisch von Schwefeldampf und Schwefel- dioxyd dargestellt und durch vorsichtiges Kondensieren mit flussiger Luft in der zuvor gewogenen Ampulle A (Abb. 1) in dunner Schicht kondensiert. Ein Uhrwerkmechanismus hob dabei das rnit flussiger Luft gefullte DEWARgefad langsam an, um eine gleichmadige dunne Schicht des orangeroten Kondensats in der Ampulle zu erhalten. Wenn eine ge- wisse Menge von etwa 0,l-0,5 g kondensiert war, wurde vollig evakuiert und die Hahne HI, H, und H, geschlossen. Nun wurde in ein Temperaturbad getaucht und an dem angeschlossenen Schragrohrmanometer M (Fiillung Bromnaphthalin) versucht, eiue tem- peraturabhangige reproduzierbare Druckeinstellung zu erhalten, um einen isothermen Abbau des Oxyds durch portionsweisen Entzug von SO, durchzufuhren, was aber nach zahlreichen vergeblichen Versuchen aufgegeben werden mudte. Nun versuchten wir, durch intensives Pumpen bei verschiedenen Temperaturen alles bei irgendeiner definierten Temperatur Abpumpbare zu entfernen. In der Tabelle sind die Resultate dieser Versuche wiedergegeben. Spalte 2 enthalt die Temperatur des Kaltebades und Spalte 3 die Pump- dauer. In der nachsten Spalte ist die Menge des insgesamt nach dem Abpumpen ver- bliebenen Ruckstandes verzeichnet. Die mit S und 0 uberschriebenen Spalten enthalten die in diesem Ruckstand vorhandenen Mengen an Schwefel und Sauerstoff und die letzte Spalte das Atomverhaltnis.

9) M. GOEHRING u. K. D. WIEBUSCH, 2. anorg. Chem. 257, 227 (1948).

P. W. SCHENK, Zur Frage nach der Existenz des S,O 501

+20

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11

-3'

to

442,s 218,3 230,O 211,7 199,O

18,4 50,O 53,5

195

-90 -40 -50 -50 -90 -85 -75 + 20 +20

378,6 189,4 203,8 181,7 169,5 15,7 43,3 48,6

170

PZ

60' 20' 60' 60'

180' -15 Std. -15 Std. -3' -3'

64,2 28,9 26,2 30,O 29,5

2,7 6,7 4,9

25 42 31

s : o 2,94: 1 3,23: 1 2,78: 1 3,03: 1 2,86: 1 2,9 : 1 3,2 : 1 4,9 : I 3,4 : 1 2,l : 1 2,5 : I 1 __

Man erkennt, daB bereits weit unter -30' S,O, wenn es intermediar entstanden ist, auch im festen Zustand nicht mehr existenzfahig ist. Auch bei einer Temperatur von -90" wird ein Ruckstand erhalten, der erheblich weniger Sauerstoff enthalt, als der Formel S,O entspricht, und es erweist sich ziemlich gleichgiiltig, bei welchen Temperaturen bis Zimmertemperatur man ab- pumpt. Zu noch tieferen Tem- peraturen als -90' iiberzugehen, hat sich nicht als zweckmaBig erwiesen, da bei diesen Tempe- raturen der Dampfdruck des SO, zu gering wird, als daB in vernunftigen Zeiten die Versuche durchgefuhrt werden konnten, d. h. gepumpt, bis kein SO, mehr abgegeben wird. Daraus geht hervor - worauf wir bereits friiher hingewiesen haben -, daB die Substanz bereits bei Tempe- raturen, bei deuen SO, einen nennenswerten Dampfdruck be- sitzt, der Zersetzung unterliegt. Dieser Befund steht in Uber- einstimmung mit einer bereits fruher mitgeteilten Beobachtung, da5 namlich eine Trennung des

L Abb. 1.

- Pumpe

M

M

Schwefelmonoxyds Tom Schwefeldioxyd weder durch fraktionierte Destillation noch durch fraktionierte Kondensation moglich ist. Unterhalb -120" beginnt die Konden- sation des orangeroten Produktes. Oberhalb dieser Temperatur kondensiert sich im Vakuum weder SO noch SO,. Die Befunde MURTHYS, da13 es ihm gelungen ist, bei -30' durch Oberleiten von Wasserstoff iiber das Kondensat soviel SO, zu entfernen, daD dem Ruckstand die Formel S,O zukam, diirften demnach Zufallsergebnisse gewesen

303, Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 285. 1956

sein, etwa entsprechend unserem Versuch Nr. 10, bei dem ein Verhaltnis von S:O = 2, l : 1 erhalten worden ist. Wie wir schon friiher ausgefuhrt haben, handelt es sich bei den Zer- setzungsprodukten des Schwefelmonoxyds nicht um eine wohldefinierte stochiometrisch zusammengesetzte Substanz, sondern urn mehr oder minder hochpolymeren plastischen Schwefel mit gebundenem Sauerstoff.

Hannover. Zentrallaboratorium der Kali-Chemie A . G.

Bei der Redaktion eingegangen am 14. Mirz 1956.