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Leseprobe aus:
Martin Sonneborn, Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt
Titanic Boy Group Greatest Hits 20 JahreKrawall fr Deutschland
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Copyright 2015 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
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Martin Sonneborn Thomas GsellaOliver Maria Schmitt
BoyGroupGreatest Hits20 Jahre Krawall fr
Deutschland
Rowohlt Berlin
Mein Name ist Oliver Maria Schmitt, und ich bin heute hier, um Ihnen meine Kollegen
vorzustellen. Alle drei waren wir Chefredakteure des
Faktenmagazins TITANIC und haben versucht, das
Blatt so solide wie mglich herunterzuwirtschaften.
Zur Strafe muss ich jetzt einen roten Anzug tragen
und anfangen. Danke frs Nicht-Klatschen, dann
haben Sie jetzt ja gengend Kraft, um meinen
Amtsnachfolger zu begren!
Mein Name ist Martin Sonneborn, vielen Dank fr Ihren Mitleidsapplaus. Ich bin aus Brssel
hierhergeeilt, um meine Kilometerpauschale zu erh-
hen. Schon als TITANIC-Chef wollte ich die Welt ret-
ten, was mir leider nicht gelang. Deshalb wurde ich
Abgeordneter des Europischen Parlaments und
versuche nun, vor allem eines durchzusetzen: dass
Sie heftig klatschen, wenn nun mein Nachfolger
die Bhne betritt.
Mein Name ist Thomas Gsella, Sie knnen jetzt aufhren zu klatschen.
Einen lyrischen Feingeist wie mich lenkt das
nur ab. Ich freue mich schon auf das Ende
dieses Buches und dieses Auftritts, denn da
lese ich Ihnen eine schlimme Geschichte vor.
Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit mit den
ltesten Kamellen und neuesten Geschich-
ten, die wir in zwanzig Bhnenjahren live
am lebenden Publikum ausprobiert haben.
Dazu wnsche ich uns viel Erfolg!
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Gr Gott, Helau und Hi!
Toll, dass Sie mit dabei sind, das Comeback der TITANIC BoyGroup live und in HD zu erleben. Es wird belst geil werden, jede Wette, ein Erlebnis der Exzellenzklasse. Jedenfalls fr uns, denn vor Ihnen persnlich haben wir noch nie eine Privatvorstellung gegeben.Dass es diese kleine BoyGroup noch immer gibt, hat einen traurigen Grund: Unser
Abschied war ein einziges, trauriges Debakel! Die Farewell-Tournee, die uns ber alle
deutschsprachigen Bhnen von Zrich bis Rostock, von Bochum bis Berlin (bei Polen)
gefhrt hat diese grte Abschiedstournee der deutschen Satiregeschichte ist auf
ganzer Linie gescheitert: an der Starrsinnigkeit der Zuschauer, die uns nicht gehen las-
sen wollten; an der Gier unseres Agenten, der das Publikum noch lngst nicht fr aus-
gemolken hielt; an der Einfltigkeit der drei Protagonisten, die tatschlich glaubten,
was Ihnen Publikum und Agentur einredeten.
Wer wir sind? Na, die drei ollen Jungs von TITANIC, dem bekannten Faktenmaga-
zin aus Frankfurt am Main also dem richtigen Frankfurt, nicht dem DDR-Frankfurt
an der Polengrenze. Freilich sind wir nur die B-Auswahl der Redaktion, die A-Mann-
schaft macht ja das monatliche Heft. Wir sind drei ehemalige Chefredakteure, schiff-
brchige Existenzen zwischen Midlife-Crisis und Frhvergreisung, die schlechte Kari-
katur einer Boygroup, trber Bhnenbodensatz fr Arme und Loser, fr ein Publikum,
dem Helene Fischer zu crazy und Mario Barth zu anspruchsvoll ist.
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Dabei steht TITANIC fr einen der grten Erfolge
der Mediengeschichte berhaupt weltweit inter-
national! Schiffe wurden nach uns benannt, sogar
ganze Filme, doch diese Trittbrettfahrerei nehmen wir
gelassen zur Kenntnis. Was kmmert es die stolze Eiche,
wenn sich die Wildsau an ihr reibt?
Alles begann im November des Jahres 1979 mit dieser
Ausgabe.
Gegrndet wurde das Blatt von Robert Gernhardt,
F. K. Waechter, F. W. Bernstein, Chlodwig Poth, Hans
Traxler, Eckhard Henscheid, Pit Knorr und Bernd Eilert.
Sie taten dies auf Bitten eines einzelnen Mannes in
Bonn, der schnell unser Erstabonnent und Stammleser
werden sollte.
Wir nannten ihn Birne und alle anderen spter dann
auch. Mit Kohl verbrachten wir sechzehn gute Jahre, er
war auf fast hundert Titelblttern zu sehen und setzte
in Bonn rcksichtslos unsere satirischen Interessen
durch. Irgendwann begann er allerdings zu schwcheln.
Das muss so ca. im Herbst des Jahres 1989 gewesen
sein. Da besa Deutschland noch eine gut gesicherte
Ostgrenze, die war top in Schuss, technisch einwand-
frei und teilweise sogar solide gemauert. Ohne dass es
einen besonderen Grund dafr gegeben htte, fiel in
einer grauen Novembernacht ein Millionenheer zer-
lumpter Gestalten ber diese Grenze her, um uns hier
im Westen unseren Wohlstand wegzufressen. Ein Skan-
dal, diese angebliche Wiedervereinigung! Dabei hatten
wir sogar Beweise, dass sie gar nicht rechtens war.
Unser Mitbegrnder Chlodwig Poth sprach die
Worte: Die endgltige Teilung Deutschlands, das ist
unser Auftrag. Und seit diesem Tag kmpfen wir fr
seine Vision. Als Satiriker sind wir natrlich daran
interessiert, dass es zwei Deutschlands gibt, denn das
bedeutet doppelt so viele Witze und doppelt so hohe
Auflage wie nur in einem Deutschland. Wie trst-
lich, dass kaum zehn Jahre nach dem Mauerfall Land-
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schaftsgrtner in der Nhe des Brandenburger Tors
eine erstaunliche Entdeckung machten.
Aber nicht alles am Mauerfall war schlecht, nein,
das geben wir gerne zu. Schlielich wurde so ja auch
neues satirefhiges Humanmaterial in den Westen
gesplt, beispielsweise Helmut Kohls uneheliche Toch-
ter. Uns war sofort klar, dass wir sie eines Tages an die
Macht bringen wrden, gleich nach der fr alle unbe-
friedigenden SPD-Zwischenlsung aus Niedersachsen.
Doch anfangs hatte sie ein echtes Medienproblem. Sie
sah aus wie ihre Heimat, die DDR: grau, hsslich und
extrem unglamours. Das konnten und wollten wir
nicht mitansehen, deshalb machten wir Verbesserungs-
vorschlge.
Logische Folge: Das Merkel wurde Kanzlerin.
Dennoch kommt uns bei der tglichen Arbeit fr die
gute Sache immer wieder die deutsche Hassjustiz in
die Quere: Fast vierzig Ausgaben hat die humorlose
Gerichtsbarkeit vom Markt gefegt und das Frankfur-
ter Faktenmagazin damit zur verbotensten Zeitschrift
Deutschlands gemacht. Sturheil wird untersagt und
verwehrt, selbst wenn Tiere darunter leiden! Oder wir
unter Tieren. Im Sommer des Jahres 2006 etwa wurde
Sddeutschland von einem pelzigen Monstermrder
heimgesucht, den Edmund Stoiber vllig zu Recht Pro-
blembr nannte (obwohl er eigentlich Bruno hie). In
Bayern zerstrte Bruno Stdte und Gemeinden, brannte
Wlder nieder, fra ganze Autobahnteilstcke und ver-
giftete Brunnen. Bis es uns dann doch zu bunt wurde
und wir per Titelschlagzeile forderten: Knallt die Bes-
tie ab! Leider unterlief uns in der Heftschluss-Hektik
bei der Gestaltung ein bedauerlicher Fehler: ber der
Schlagzeile war kein Bild von Bruno zu sehen, sondern
der ihm tatschlich auch verflixt hnlich sehende rhein-
land-pflzische Ministerbrsident Kurt Beck (SPD).
Auch zu Glaubensfragen mssen wir uns immer wie-
der uern, das verbindet uns mit der katholischen Kir-
Dieser Titel darf aufgrund einer einstweiligen Verfgung nicht mehr gezeigt werden.Verlag TITANIC
che. Schlielich arbeiten wir am gleichen Konzept: der
nachhaltigen Erlsung. Dabei haben die Kollegen von
der Kirche allerdings die geileren Kutten an. Regelm-
ig treffen wir uns mit fhrenden Katholiken zum Dia-
log, meist vor Gericht. Bislang insgesamt acht Mal. Und
jedes Mal hatte der Herr ein Einsehen und sprach die
TITANIC hernach im Rahmen eines spektakulren Got-
tesurteils frei. Als das Bundesverfassungsgericht 1995
die Unzulssigkeit des bayrischen Beschlusses fest-
stellte, in jedem Schulzimmer ein Kruzifix aufzuhngen,
einen Heiland am Kreuz (ugs.: Lattengustl), da stell-
ten wir eine berechtigte Frage.
Per einstweiliger Verfgung wollte die Deutsche
Bischofskonferenz diesen Titel verbieten lassen, was
aber nicht klappte. Dennoch provozierte die Kirche
immer weiter. Als im Jahr 2010 die Cattolica zum wie-
derholten Male wegen zahlreicher Sex- und Pdophilie-
vorwrfe in der Kritik war, da wagte der Mnchner Hei-
ligenbildchenmaler Rudi Hurzlmeier fr die TITANIC
eine visuelle Positionsbestimmung.
Mit diesem Titel und insgesamt 198 Beschwerden
errang das kleine Heftchen aus dem Stand die Pole-
Position in den jhrlichen Beschwerde-Charts des Deut-
schen Presserats. Bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt
gingen acht Klagen ein, die aber smtlich abgeschmet-
tert wurden. Begrndung: In dieser Angelegenheit
msse sich die Kirche Kritik schon gefallen lassen, schlielich habe sie ja mit diesem
Thema angefangen. Auerdem, so die abschmetternde Staatsanwaltschaft weiter, sei
auf dem Titel auch gar kein anstiger Inhalt zu erkennen auer wenn man eine
sehr kranke Phantasie habe.
Die wollten wir unserem langjhrigen Abonnenten im Vatikanstaat freilich nicht
unterstellen im Gegenteil. Als Papst Ratzinger im Sommer 2012 im Rahmen der Vati-
leaks-Affre ins Gerede kam, weil durch undichte Stellen im Vatikan Vertrau liches
nach auen du