Ätiologie, molekularbiologie und pathologie des plattenepithelkarzinoms des Ösophagus

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Der Pathologe 5·2000 | 349 F. A. Offner • Institut für Pathologie,Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch, Österreich Ätiologie, Molekularbiologie und Pathologie des Plattenepithel- karzinoms des Ösophagus Risikofaktoren Alkohol,Tabak In Industrieländern stehen Alkohol- und Tabak-Konsum im Vordergrund. Beide Noxen scheinen sich dabei in ihrer Wirkung zu potenzieren. Bei Alkoholi- kern, die mehr als 80 mg Alkohol pro Tag zu sich nehmen, erhöht sich das Ri- siko, an einem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus zu erkranken, um das 18fache. Bei gleichzeitigem Genuß von 20 mg Tabak pro Tag ist das Risiko so- gar um den Faktor 44 erhöht [50, 55, 59]. Interessanterweise ist mit dem Al- koholkonsum auch die Lokalisation der Tumoren korreliert. In einer schwedi- schen Studie von Kuylenstierna und Munck-Wickland waren 59% der Pati- enten mit einem zervikal lokalisierten Plattenepithelkarzinom Alkoholiker. Von proximal nach distal fiel dieser Pro- zentsatz kontinuierlich ab. Nur noch 25% der Patienten mit einem distal lo- kalisierten Karzinom waren alkoholab- hängig [24]. In anderen Regionen mit z. T. sehr hoher Tumorinzidenz dürfte Al- kohol jedoch keine bedeutsame Rolle Ätiologie und Riskiofaktoren Die Ursachen des Plattenepithelkarzi- noms des Ösophagus sind trotz intensi- ver Forschungstätigkeit in vieler Hin- sicht unklar. Epidemiologische Studien aus Ländern mit unterschiedlichem so- zioökonomischen Status zeigen eine er- hebliche geographische Variabilität und weisen auf die zentrale Bedeutung von Umweltfaktoren, Ernährungsgewohn- heiten und Nahrungsmittelbestandtei- len für die Entstehung dieses Tumors hin.Vielfach beeinflussen sich verschie- dene dieser Riskofaktoren gegenseitig, so daß eine unabhängige Beurteilung ei- nes bestimmten Faktors in einer be- stimmten Population häufig schwierig oder sogar unmöglich ist. Das enorme Ausmaß der geographischen Variabilität spiegelt sich in Inzidenzraten, die zwi- schen verschiedenen Ländern, aber auch zwischen verschiedenen Regionen eines Landes um das bis zu 500fache vonein- ander abweichen [26, 50]. Weltweit tritt die Erkrankung eher in Entwicklungs- ländern als in Industriestaaten auf, wo- bei offensichtlich unterschiedliche Risi- kofaktoren zum Tragen kommen. Die wichigsten bekannten Risikofaktoren sind in Tabelle 1 aufgelistet. Übersicht Pathologe 2000 2000 · 21:349–357 © Springer-Verlag 2000 Plattenepithelkarzinome stellen das häu- figste Malignom des Ösophagus dar. Die Inzidenz des Tumors zeigt eine erhebliche geographische Variabilität wobei unter- schiedliche exogene Noxen verantwortlich gemacht werden.Alkohol und Tabakkon- sum gelten in Europa und den USA als die bedeutsamsten genotoxischen Faktoren. In Hochrisikogebieten stehen spezifische Ernährungsgewohnheiten und Umweltno- xen im Vordergund.Mutationen oder chro- mosomale Deletionen mit Verlust der Tu- morsupressoraktivität des tp53-Gens sind in einem hohen Prozentsatz der Tumoren nachweisbar und gelten als frühe moleku- lare Veränderungen. Morphologisch domi- nieren hoch- bis mäßig differenzierte Tu- moren. Der entscheidende prognostische Parameter ist die Infiltrationstiefe des Tu- mors zum Zeitpunkt der Diagnose. Univ.-Prof. Dr. F. A. Offner Institut für Pathologie,Landeskrankenhaus Feld- kirch, Akademisches Lehrkrankenhaus der Univer- sität Innsbruck, Carinagasse 47, A-6800 Feldkirch, E-Mail: [email protected] aktualisiert nach: Onkologe (1997) 3:620–628

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Der Pathologe 5·2000 | 349

F. A. Offner • Institut für Pathologie, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch, Österreich

Ätiologie, Molekularbiologieund Pathologie des Plattenepithel-karzinoms des Ösophagus

Risikofaktoren

Alkohol, Tabak

In Industrieländern stehen Alkohol-und Tabak-Konsum im Vordergrund.Beide Noxen scheinen sich dabei in ihrerWirkung zu potenzieren. Bei Alkoholi-kern, die mehr als 80 mg Alkohol proTag zu sich nehmen, erhöht sich das Ri-siko, an einem Plattenepithelkarzinomdes Ösophagus zu erkranken, um das18fache. Bei gleichzeitigem Genuß von20 mg Tabak pro Tag ist das Risiko so-gar um den Faktor 44 erhöht [50, 55, 59].

Interessanterweise ist mit dem Al-koholkonsum auch die Lokalisation derTumoren korreliert. In einer schwedi-schen Studie von Kuylenstierna undMunck-Wickland waren 59% der Pati-enten mit einem zervikal lokalisiertenPlattenepithelkarzinom Alkoholiker.Von proximal nach distal fiel dieser Pro-zentsatz kontinuierlich ab. Nur noch25% der Patienten mit einem distal lo-kalisierten Karzinom waren alkoholab-hängig [24]. In anderen Regionen mit z.T. sehr hoher Tumorinzidenz dürfte Al-kohol jedoch keine bedeutsame Rolle

Ätiologie und Riskiofaktoren

Die Ursachen des Plattenepithelkarzi-noms des Ösophagus sind trotz intensi-ver Forschungstätigkeit in vieler Hin-sicht unklar. Epidemiologische Studienaus Ländern mit unterschiedlichem so-zioökonomischen Status zeigen eine er-hebliche geographische Variabilität undweisen auf die zentrale Bedeutung vonUmweltfaktoren, Ernährungsgewohn-heiten und Nahrungsmittelbestandtei-len für die Entstehung dieses Tumorshin.Vielfach beeinflussen sich verschie-dene dieser Riskofaktoren gegenseitig,so daß eine unabhängige Beurteilung ei-nes bestimmten Faktors in einer be-stimmten Population häufig schwierigoder sogar unmöglich ist. Das enormeAusmaß der geographischen Variabilitätspiegelt sich in Inzidenzraten, die zwi-schen verschiedenen Ländern,aber auchzwischen verschiedenen Regionen einesLandes um das bis zu 500fache vonein-ander abweichen [26, 50]. Weltweit trittdie Erkrankung eher in Entwicklungs-ländern als in Industriestaaten auf, wo-bei offensichtlich unterschiedliche Risi-kofaktoren zum Tragen kommen. Diewichigsten bekannten Risikofaktorensind in Tabelle 1 aufgelistet.

ÜbersichtPathologe 20002000 · 21:349–357 © Springer-Verlag 2000

Plattenepithelkarzinome stellen das häu-figste Malignom des Ösophagus dar. DieInzidenz des Tumors zeigt eine erheblichegeographische Variabilität wobei unter-schiedliche exogene Noxen verantwortlichgemacht werden. Alkohol und Tabakkon-sum gelten in Europa und den USA als diebedeutsamsten genotoxischen Faktoren.In Hochrisikogebieten stehen spezifischeErnährungsgewohnheiten und Umweltno-xen im Vordergund. Mutationen oder chro-mosomale Deletionen mit Verlust der Tu-morsupressoraktivität des tp53-Gens sindin einem hohen Prozentsatz der Tumorennachweisbar und gelten als frühe moleku-lare Veränderungen. Morphologisch domi-nieren hoch- bis mäßig differenzierte Tu-moren. Der entscheidende prognostischeParameter ist die Infiltrationstiefe des Tu-mors zum Zeitpunkt der Diagnose.

Univ.-Prof. Dr. F. A. OffnerInstitut für Pathologie, Landeskrankenhaus Feld-kirch, Akademisches Lehrkrankenhaus der Univer-sität Innsbruck, Carinagasse 47, A-6800 Feldkirch,E-Mail: [email protected]

aktualisiert nach: Onkologe (1997) 3:620–628

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Übersicht

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Chemische Ösophagitis

In Hochrisikoregionen findet sich in derBevölkerung vielfach das Bild einer Öso-phagitis, die nicht durch gastroösopha-gealen Reflux, sondern durch eine che-mische Irritation, z.B. durch den Genußzu heißer Getränke oder zu scharfer Ge-würze, erklärt wird. In Anbetracht der indiesen Gegenden häufig vielfältigen Ri-sikofaktoren, ist unklar, inwieweit diesesPhänomen die Entstehung von Platten-epithelkarzinomen beeinflußt.

Schwere chemische Ösophagitidenallerdings, die nach Verätzungen mitLaugen entstehen, führen zu Strikturen,auf deren Boden sich gehäuft Platten-epithelkarzinome entwickeln [1].

Achalasie

Diese idiopathische neuronale Erkran-kung des Ösophagus verursacht durchdas Fehlen des Plexus myentericus Spas-men des unteren Ösophagussphinktersmit entsprechender Störung der Peri-staltik der proximal der Engstelle gele-genen Ösophagusabschnitte. In Folgekommt es zur Dilatation des Ösophagusund Stase der aufgenommenen Nah-rungsmittel mit chronischer Irritationund Entzündung der Schleimhaut. Pati-enten mit dieser sehr seltenen Erkran-kung haben nach verschiedenen Studi-en ein 7- bis 33fach erhöhtes Risiko, aneinem Plattenepithelkarzinom des Öso-phagus zu erkranken. Dies allerdingsmit langer Latenz, etwa 20 Jahre nachBeginn klinischer Symptome [32, 60].

Plummer-Vinson-Syndrom (Synonym: Sideropenische Dysphagie)

Dieses seltene Syndrom tritt meist beiFrauen in der Postmenopause auf undist durch eine Eisenmangelanämie, Un-terernährung und Dysphagie gekenn-zeichnet. Bei etwa 10% der Patientinnenwird die Erkrankung durch ein Platten-epithelkarzinom des Hypopharynx oderÖsophagus kompliziert [26, 50].

Barrett-Ösophagus

Eine kürzlich veröffentlichte Studie hatgezeigt, daß Plattenepithelkarzinome

kranken, bewirken. Dies geht auch auseiner prospektiven chinesisch-amerika-nischen Studie, die in der Hochrisikore-gion Linxian in China durchgeführt wurde, hervor. Ausschließlich durch Verabreichung einer Kombination von β- Carotin, Vitamin E und Selen kam eshier zu einer signifikanten Reduktionder Tumorinzidenz [6].

Mangelzustände dürften aber auchin unseren Breiten eine karzinogeneoder ko-karzinogene Wirkung entfalten.Hinweise darauf ergeben sich bei Alko-holikern mit Ösophaguskarzinomen,beidenen im Vergleich zu Kontrollgruppensignifikant geringere Plasmaspiegel vonZink und Vitamin A vorliegen [33].

Toxine

Epidemiologische Studien deuten dar-auf hin, daß in EntwicklungsländernUmwelttoxine und erhöhte Nitratspiegelim Trinkwasser einen wesentlichen Ri-sikofaktor darstellen. Durch Kontami-nation schlecht gelagerter Lebensmittelgelten in diesen Ländern häufig auchPilze, die Toxine und Nitrosamine pro-duzieren, als zusätzliches Risiko [26, 50].Für die Bedeutung dieser Umweltnoxenspricht die Tatsache, daß in manchendieser Regionen das Karzinom nicht nurgehäuft bei Menschen, sondern auch beiHühnern auftritt.

spielen.Dies trifft insbesondere auf Län-der des Islam mit traditionell geringemAlkoholkonsum zu. Als bedeutsamerkanzerogener Metabolit des Alkoholsgilt Acetaldehyd.

Die kanzerogene Wirkung verschie-dener Formen des Tabakkonsums isthinreichend belegt, wobei die dabei auf-genommenen Nitrosamine als die po-tentesten Karzinogene angesehen wer-den [26, 50].

Vitamine, Spurenelemente

In Hochrisikoländern wie etwa im Be-reich des sog. asiatischen „Ösophagus-karzinomgürtels“, der sich vom kaspi-schen Meer bis in den Norden Chinas er-streckt, scheint die spezifische Zusam-mensetzung der Nahrung mit einemMangel an Vitaminen und/oder Spuren-elementen und einem erhöhten Gehaltvon Nitrosaminen von ausschlaggeben-der Bedeutung zu sein [26, 49, 50]. Basisdafür ist eine Diät,die meist reich an Ge-treide, jedoch arm an frischem Obst undGemüse ist. Insbesondere ein Mangel anden Vitaminen A, B2 und C sowie denSpurenelementen Zink und Molybdänwird als Risiko betrachtet. Auch hierdürfte das Zusammentreffen dieser ver-schiedenen Risikofaktoren bzw. Mangel-zustände eine Potenzierung des Risikos,an einem Ösophaguskarzinom zu er-

Tabelle 1Risikofaktoren für die Entstehung des Platten-epithelkarzinoms des Ösophagus

Nahrungsmittelbestandteile/Lebensgewohnheiten◗ Alkohol◗ Tabak (Nitrosamine)◗ Vitaminmangel: A, B2, C◗ Mangel an Spurenelementen: Zink, Molybdän◗ Kontamination von Nahrungsmitteln: Nitrosamine, Pilztoxine

Entzündungsprozeße, die den Ösophagus betreffen◗ Achalasie◗ Plummer-Vinson-Syndrom◗ Verätzungen (Laugen)◗ Zu heiße und scharfe Nahrungsmittel?◗ Barrett-Ösophagus?◗ Humane Papillomviren?

Genetische Faktoren◗ Familiäre genetische Prädisposition◗ Rasse◗ Tylose

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des Ösophagus in 40% der Fälle mit ei-ner intestinalen Metaplasie des Platten-epithels im Bereich des distalen Öso-phagus (Barrett-Ösophagus) assoziiertsind.Klare pathogenetische Zusammen-hänge sind jedoch bisher nicht darausabzuleiten [26, 40, 44].

Humane Papillomviren (HPV)

Zahlreiche Studien setzten sich in letzterZeit mit der möglichen Bedeutung vonHPV für die Entstehung des Platten-epithelkarzinoms des Ösophagus aus-einander. Neben dem Stamm HPV-6wurden dabei, in Analogie zum Portio-karzinom,vor allem die Stämme HPV-16und -18 im Tumorgewebe nachgewiesen.Allerdings weichen die Nachweisratenderart voneinander ab, daß die Bedeu-tungdiesesinfektiösen Agensvorerst un-klar bleiben muß. Die Prävalenz derHPV-DNA in den untersuchten Tumorenschwankt in diesen Studien von 0 bis60% [5, 9, 12, 56]. Soweit bisher beurteil-bar, zeigen sich diesbezüglich keineUnterschiede zwischen Tumorprobenaus Industrie- oder Hochrisikoländern.HPV-DNA wurde auch in bis zu 15% derSchleimhautbiopsien von Patienten oh-ne Karzinom nachgewiesen [26, 56].

Als entscheidender onkogener Ef-fekt von HPV-16 gilt die Expression derviralen Proteine e6 und e7, die die zel-luläre Kontrollwirkung der Gen-Produk-tedes tp53-Tumorsupressorgens und desRetinoblastomgens rb1 (siehe Moleku-larbiologie) inaktivieren können [51].Interessanterweise entwickeln gentech-nisch veränderte transgene Mäuse, indie das e7-Onkogen von HPV-16 einge-bracht wurde, häufig eine ausgeprägteHyperplasie des Plattenepithels des Öso-phagus [18, 22].

Genetische Faktoren

Verschiedene Befunde weisen auf gene-tische Faktoren bei der Entstehung desÖsophaguskarzinoms hin. So zeigt derTumor in den USA in der schwarzen Be-völkerung eine 5-fach höhere Inzidenzals in der weißen [62]. Auch Beobach-tungen aus den „Hoch-Risiko“-Regio-nen Chinas untermauern diese Befunde.In einer in Linxian durchgeführten Stu-

en bezeichnet und gelten per definitio-nem als nicht-invasive intraepithelialeNeoplasien [47].

Die molekulargenetischen Aberra-tionen, die diesen sichtbaren dysplasti-schen Veränderungen des Platten-epithels vorausgehen oder im Zuge desFortschreitens zum invasiven Karzinomauftreten, sind erst in Ansätzen bekannt,jedoch wird angenommen, daß dieseKaskade molekularer Veränderungenerst nach vielen Jahren zu einem kli-nisch nachweisbaren Tumor führt. De-fekte, die Zellzyklus-Kontrollgene unddie Expression von Wachstumsfaktorenund/oder Wachstumsfaktorrezeptorenbetreffen, gelten als die wesentlichstenMechanismen für das autonome Wachs-tum und die Progression des Platten-epithelkarzinoms.

Die bislang bedeutsamsten Befun-de liegen bezüglich des Tumorsuppres-sorgens tp 53 vor.

tp 53

Das tp 53 ist ein Tumorsuppressorgen,das auf dem kurzen Arm des Chromo-soms 17 (17p13) lokalisiert ist. Das Gen-produkt, ein 53-Kilodalton-Phospho-protein wird in normalen Zellen konti-nuierlich synthetisiert und auch konti-nuierlich sehr schnell wieder abgebaut.Unter dem Einfluß genotoxischer Effek-te wird das Protein jedoch stabilisiertund kann so seine Rolle als „Wächter desGenoms“ entfalten [25]. Dabei wirkt esder DNA-Replikation entgegen, indemes geschädigte Zellen entweder

die konnte bei 4% der untersuchten Pa-tienten ein autosomal-rezessiver Erb-gang nachgewiesen werden [8].

Tylose ist eine seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit ab-normer Keratinisierung der Haut, anHandflächen und Fußsohlen. Das Risi-ko dieser Patienten, ein Plattenepitel-karzinom des Ösophagus zu entwickeln,beträgt nahezu 100% [17, 26, 29, 50].

Molekularbiologie des Ösophaguskarzinoms

Genetische Aberrationen können in derKeimbahn und im Laufe des Lebens alssomatische Aberrationen unter demEinfluß von Karzinogenen oder bei Feh-lern der zellulären Kontrollmechanis-men der DNA-Replikation oder -Transkription auftreten. Folge ist entwederdie Expression abnormaler Gene odereine Störung in der Expression von Ge-nen, die den malignen Phänotyp vonZellen bedingen.

Entsprechend dem Konzept derMehrschritt-Onkogenese führen auchbeim Plattenepithelkarzinom des Öso-phagus multiple genetische Verände-rungen, die sowohl Tumorsuppressor-gene als auch Onkogene betreffen, zurmalignen Transformation, die mit einerzunehmenden Veränderung des biolo-gischen Verhaltens der Zellen assoziiertist. Das pathologische Korrelat dafürsind zunächst morphologische Verän-derungen des Plattenepithels, die alsVorläufer des invasiven Karzinoms gel-ten. Sie werden als epitheliale Dysplasi-

Abb. 1 � Abnorme Expression desp53-Proteins. Bei bestimmten

Mutationen des p53-Gens kommtes zur nukleären und/oder zyto-

plasmatischen Akkumulation desGenproduktes. Dies ermöglicht

den immunhistochemischenNachweis. Invasive Tumorzell-

komplexe zeigen die nukleäre An-reicherung des Proteins (brauneFärbung). Das Turmorstroma ist

negativ

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Übersicht

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◗ in der G1-Phase des Zellzyklus arre-tiert und so die Zeitspanne für eine mögliche Reparatur verlängert oder

◗ deren programmierten Zelltod (Apoptose) einleitet [25].

Die funktionelle Bedeutung des tp 53-Proteins wird durch Experimente unter-mauert, in denen das nicht-mutierte,normale Protein (Wild-Typ-Protein) inKarzinomzellen eingebracht wurde undzu deren spezifischer Arretierung in derG1-Phase des Zellzyklus führte [3, 53].Mutationen des tp 53-Gens und/oderDeletionen der chromosomalen Region17p13, nachweisbar durch LOH (loss ofheterozygosity), wurden in den letztenJahren bei einer Vielzahl von Tumorenbeschrieben [4].

In Plattenepithelkarzinomen desÖsophagus können derartige Aberratio-nen des tp 53-Gens in etwa 33-55% derFälle nachgewiesen werden (Abb. 1) [19,28, 34]. In einem hohen Prozentsatz liegtdabei eine Mutation eines allelischenGens ohne gleichzeitigen Verlust des an-deren Allels vor [28].Folge davon ist ent-weder der Verlust der Aktivität des tp53-Proteins (LOF=loss of function) oderdie Entfaltung onkogener Effekte (GOF=gain of function) [37].

Eine gleichartige, wenn auch weni-ger deutliche positive Korrelation ergabsich für den Alkoholkonsum. In etwa30% der Plattenepithelkarzinome mit tp53-Mutationen wurden Veränderungendes Adenosin-Tyrosin-Basenpaares be-obachtet. Dieser Mutationstyp tritt häu-fig unter dem Einfluß exogener Karzino-gene auf und wird z.B. auch gehäuft beiBronchialkarzinomen beschrieben [37].

Zusammen mit erblichen Faktorenkönnten unterschiedliche Mutationendes tp 53-Gens für die im Zuge der Tu-morprogression entstehende Variabilitätmolekulargenetischer Veränderungenverantwortlich sein. Es wird angenom-men, daß Zellen nach dem Verlust der tp53-Supressorfunktion unter dem Einflußvon Karzinogenen weiterhin proliferie-ren und so einem hohen Risiko von wei-teren genetischen Aberrationen ausge-setzt sind.

Chromosom 3p14.2, 3p21, 9q32 und 21q

Veränderungen, die ebenfalls bereits imdysplastischen Epithel und somit früh inder Entwicklung zum Plattenepithelkar-zinom des Ösophagus in Erscheinungtreten, betreffen Allelverluste (LOH) derchromosomalen Region 3p14.2. Das hierlokalisierte Fragile Histidine Triad-Gen(FHIT-Gen) ist ein Tumorsuppressorgendas im Zuge der Einwirkung chemischerKarzinogene einer besonderen Emp-findlichkeit zu unterliegen scheint. Biszu 80% aller Plattenepithelkarzinomedes Ösophagus zeigen einen LOH diesesGenlocus. [35, 38]. Bei schweren Rau-chern und Alkoholikern fand sich dieseAbberration interssanterweise in einemsignifikant höheren Prozentsatz als bei

Da tp 53-Mutationen auch in dys-plastischen Läsionen des Plattenepithelsin einem etwa gleich hohen Prozentsatzwie in invasiven Tumoren vorkommenund gelegentlich tumornahe auch innicht-dysplastischer Mukosa nachweis-bar sind, wird angenommen, daß es sichum frühe molekulare Veränderungenim Zuge der Tumorgenese handelt [37,48, 57]. Interessanterweise zeigt sich,daß Mutationen des tp 53-Gens mit derspezifischen kanzerogenen Wirkung be-stimmter genotoxischer Substanzen as-soziiert sind [2].

An einem Kollektiv von 91 Patien-ten mit Plattenepithelkarzinomen desÖsophagus konnten Hollstein et al. einestarke Korrelation der Häufigkeit von tp53-Mutationen mit dem Tabakkonsumbeobachten [19].Karzinome,die bei star-ken Rauchern (mehr als 20 Zigaret-ten/Tag) auftraten, zeigten in 80%, Tu-moren von Nichtrauchern dagegen nurin 20% der Fälle eine Mutation im Be-reich des tp 53-Gens.

Abb. 2 � Mehrschritt-Modell der Tumorgenese von Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus. Die Abb. zeigt die Dysplasie-Karzinom-Sequenz und die damit assoziiertengenetischen Veränderungen. (Modifiziert nach Montesano et al. [32])

Abb. 3 � Beispiel eines tief invasi-ven polypösen, an umschriebenerStelle ulzerierten Plattenepithel-

karzinoms im Bereich des unterenÖsophagusdrittels

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diesbezüglich anamnestisch unauffälli-gen Patienten. Immunhistochemischkonnte im Tumorgewebe und auch inDysplasien ein mit dem LOH korrlie-render Verlust der Expression des FHIT-Proteins demonstriert werden. Patien-ten mit hohem Alkohol – und Tabak-konsum wiesen zudem auch im mor-phologisch normal erscheinendenPlattenepithel einenVerlust der Protein-expression von FHIT auf.Verschiedene,zum teil noch nicht näher definierte, Tu-morsuppressorgene finden sich auch aufden Chromosomen 3p21, 9q32 und 21q.Eines dieser Gene, das deleted in eso-phageal cancer 1-gene (DEC1-Gen), wur-de erst kürzlich charakterisiert und aufChromosom 9q32 lokalisiert. Ein LOHfür 9q32 liegt bei etwa der Hälfte derPlattenepithekarzinome des Ösophagusvor. CDNA von DEC1 wurde mittlerwei-le experimentell in Tumorzellinien ein-gebracht und führte in-vitro zu einerSuppression der Tumorzellproliferation.[39].

p16

Häufig wird bei Plattenepithelkarzino-men auch ein Verlust eines Allels desChromosoms 9p21-22 beobachtet.In die-ser Region befindet sich das Gen MTS-1.Dieses Gen kodiert das p16-Protein, dasals Inhibitor von Cyclin-abhängigen Ki-nasen eine wichtige Rolle in der Regula-tion des Überganges von der G1- zur S-Phase des Zellzyklus spielt und als wei-teres Tumorsuppressorgen anzusehenist. Inzwischen sind auch bei Ösopha-guskarzinomen Mutationen im Bereichdieses Gens beschrieben [13, 23, 37].

Cyclin D1

Auf Chromosom 11q13 befindet sich dasCyclin D1 Gen. Cyclin D1 steuert denÜbergang von der G1-zur S-Phase desZellzyklus. Das Gen ist in 25-50% derPlattenepithelkarzinome des Ösophagusamplifiziert und somit möglicherweisean einer unkontrollierten Zellteilungmitbeteiligt. Patienten mit Öseophagus-karzinomen, bei denen die Amplifika-tion dieses Onkogens vorliegt, zeigen ei-ne signifikant kürzere Überlebenszeit[15, 51].

Chromosom 13q, 5q und 18q

Huang et al. [20] konnten an einer Serievon Plattenepithelkarzinomen des Öso-phagus einen Verlust von Allelen an denChromosomen 13q, 5q und 18q nachwei-sen. Relevante Gene in diesen Chromo-somenregionen sind das Retinobla-stomgen RB1, das APC (adenomatouspolyposis coli)-Gen, das MCC (mutatedin colon cancer)-Gen und das DCC (de-leted in colon cancer)-Gen. Mutationendieser Gene werden in Plattenepithel-karzinomen des Ösophagus allerdingsnur selten beobachtet .

Epidermal growth factor receptor (EGFR), Epidermal growth factor (EGF)und Transforming growth factor-alpha (TGF-α)

Aberrationen in der Expression vonWachstumsfaktoren und Wachstums-faktor-Rezeptoren sind beim Platten-epithelkarzinom des Ösophagus am be-sten für den “epidermal growth factorreceptor” (EGFR) und seine Ligandenbelegt. EGFR ist ein 170-Kilodalton-Gly-koprotein und fungiert als plasmamem-bran-gebundener Rezeptor mit Tyrosin-Kinase-Aktivität. Die Bindung von EGFund/oder des homologen Wachstums-faktors TGF-α an EGFR fördert über ein

Signaltransduktionssystem die Zellpro-liferation [30]. In etwa 40-71% der Dys-plasien und invasiven Karzinome desÖsophagus liegt eine Amplifikation undÜberexpression des EGFR vor [42, 63].Zudem werden beide Liganden des Re-zeptors, EGF und TGF-α, in den Karzi-nomzellen überexprimiert [64].

Klinisch-pathologische Studien ha-ben gezeigt, daß das Ausmaß der EGFR-Überexpression mit dem Differenzie-rungsgrad und der Häufigkeit von Lym-phknotenmetasen korreliert.Die Expres-sion der Liganden EGF und TGF-α ist mitder Invasionstiefe und letztlich der Pro-gnose der Tumoren assoziiert [42, 53].

Tylosis oesophageal cancer gene (TOCG)

Kürzlich wurde der genetische Defektvon Patienten mit Tylose molekularbio-logisch charakterisiert. Das TOCG liegtin unmittelbarer Nähe des TypII-Kera-tin-Clusters auf dem langen Arm desChromosoms 17 (17q24) [43]. Die Rolledieses Gen bei der Entwicklung spora-discher Ösophaguskarzinome ist vorerstnoch unklar.

Zusammenfassend ergibt sich fürden zeitlichen Verlauf der molekularge-netischen Veränderungen das in Abb. 2dargestellte hypothetische Bild [37].

Tabelle 2TNM-Klassifikation von Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus

T-PrimärtumorTis Carcinoma in situ (Synonym: Hochgradige Dysplasie)T1 Tumor infiltiert Lamina propria oder SubmucosaT2 Tumor infiltriert Muscularis propriaT3 Tumor infiltriert AdventitiaT4 Tumor infiltriert Nachbarstrukturen

N-regionäre LymphknotenN0 keine regionären LymphknotenmetastasenN1 Regionäre Lymphknotenmetastasena,b

M-FernmetastasenM0 keine FernmetastasenM1 Fernmetastasen

Die klinische Klassifikation entspricht der pathologischen Klassifikationaregionäre Lymphknoten des zervikalen Ösophagus: zervikale Lymphknoten einschließlich supraklavikulärer Lymphknotenbregionäre Lymphknoten des intrathorakalen Ösophagus: mediastinale und perigastri-sche Lymphknoten (nicht zöliakale Lymphknoten)

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Übersicht

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Mikroskopie

Dysplasie, Carcinoma in situ

Die mikroskopische Diagnose von Dys-plasien stellt besondere Anforderungenan die Expertise des Pathologen.Dyspla-sien treten als Vorläuferläsionen von in-vasiven Karzinomen auf, können aberauch im Randbereich von Tumoren an-getroffen werden und sind somit Indika-toren für ein entstehendes oder bereitsexistierendes benachbartes Karzinom.Sie zeigen je nach ihrem Schweregrad ei-ne erhebliche Bandbreite an morpholo-gischen Abnormitäten. GeringgradigenDysplasien mit nur diskreten nukleärenAtypien (Vergrößerung der Zellkerne,Hyperchromasie) und nur minimalerStörung der Architektur und Ausdiffe-renzierung des Plattenepithels (Abb. 5)stehen am anderen Ende des SpektrumsLäsionen mit weitgehender oder voll-kommener Aufhebung der Schichtungund schweren zytologischen Atypien ge-genüber. Letztere werden als hochgradi-ge Dysplasien oder synonym als Carci-noma in situ definiert (Abb. 6).

Da die fortschreitenden morpholo-gischen Veränderungen des neoplasti-schen Plattenepithels jedoch ein Konti-nuum darstellen, ergeben sich in ihrerBeurteilung verschiedene Probleme.Diesbetrifft zunächst die exakte Gradierungeiner Dysplasie. Sogar bei Anwendungdes meist verwendeten 2-Grade-Systems(geringgradig-hochgradig) finden sichdoch immer wieder Läsionen,die keinemdieser Grade eindeutig zuzuordnen sind.Besonders schwierig ist manchmal dieAbgrenzung gegenüber nicht-neoplasti-

Pathologie

Makroskopie und Ausbreitungsmuster

Plattenepithelkarzinome entwickeln sichmeist im Bereich des mittleren oder un-teren Ösophagus. Die meisten Tumorensind zum Zeitpunkt der Diagnosestel-lung tief invasiv,d.h.größer als 4 cm undhäufig nicht mehr kurativ zu resezieren.Makroskopisch dominieren dabei ulze-rierte Tumoren gefolgt von polypösenund infiltrativen Läsionen (Abb. 3).

Tief invasive Tumoren zeigen be-vorzugt eine longitudinale und extra-murale Ausbreitung, seltener ein zir-kumferentielles Wachstum. Die Tumor-zellen breiten sich schnell über dieLymphgefäße in beide Richtungen, be-vorzugt jedoch nach kranial und weitüber die Grenzen des Tumors,aus.Ab ei-ner Größe von 5 cm haben bereits mehrals 90% der Patienten Lymphknotenme-tastasen. Lokal folgt häufig eine Infiltra-tion von Trachea, Bronchien, Lungen,Pleura, der großen Gefäße oder desZwerchfells [26, 50].

Die hämatogene Metastasierungsteht im Hintergrund. In fortgeschritte-nen Stadien sind dabei meist Lungen,Leber und Knochen betroffen. Tabelle 2zeigt die derzeit gültige TNM-Klassifi-kation von Ösophaguskarzinomen [26].

In einem ungewöhnlich hohen Pro-zentsatz (etwa 10-15%) zeigen die Patien-ten multiple Primärtumoren und/ oderMalignome in anderen Organen desKopf-Hals-Bereichs [16,26].Unabhängigvon Stadium und den angewandten The-rapiemodalitäten beträgt die 5-Jahres-

Überlebensrate (5-JÜR) des Platten-epithelkarzinoms lediglich 5-9% [4].

Im Gegensatz zu tief invasiven Tu-moren haben Frühkarzinome, bei denennur eine Invasion der Mukosa oder Sub-mukosa vorliegt, jedoch eine wesentlichgünstigere Prognose. Die 5-JÜR dieserPatienten liegt nach Ösophagektomiebei etwa 55-85% [21].Die rechtzeitige en-doskopische Detektion von Frühkarzi-nomen oder Dysplasien ist somit pro-gnostisch für die Erkrankung von aus-schlaggebender Bedeutung. Mit zuneh-mender Anwendung der Endoskopie,kombiniert mit Vitalfärbungen (Lugol-Lösung) und aufgrund der Screening-Untersuchungen in Hochrisikogebietenwerden Plattenepithelkarzinome zuneh-mend häufiger in diesen frühen Stadiendiagnostiziert. Makroskopisch findensich dabei flach erhabene Plaques oderKnötchen, Erosionen oder auch nur eineRötung oder erhöhte Verletzlichkeit derSchleimhaut (Abb. 4) [11].

Abb. 4 �Aspekt eines Frühkarzinoms mit Ausbildung eines gerötetenPlaques im unteren Ösophagusdrittel

Abb. 5 �Geringradige Dysplasie.

Die Abb. zeigt Plattenepithelaus dem Randbereich einesFrühkarzinoms. Auffallend

sind die diskrete Störung der Architektur, eine abnorme

Verhornung von Zellen in dentiefen Schichten des Epithels

und nukleäre Atypien

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schen Atypien des Plattenepithels, die z.B. bei Entzündungen, nach Chemo-oderRadiotherapie oder im Randbereich vonSchleimhautdefekten auftreten können.Schließlich kann es bei Vorliegen einerDysplasie oder eines Carcinoma in situäußerst schwierig sein,eine inzipiente In-vasion der Tumorzellen auszuschließen,vor allem dann,wenn sich dysplastischesEpithel entlang der Ausführungsgängevon submukösen Schleimdrüsen in dieTiefe ausbreitet. Eine beginnende Invasi-on ist häufig durch die Ausbildung vonPapillen gekennzeichnet, die gegen dieLamina propria vorwachsen und etwasgrößere Zellen mit z.T. deutlicher Kerati-nisierung enthalten. Ein charakteristi-sches Merkmal von invasivem Wachstumist die Desmoplasie (Bindegewebsver-mehrung) des durch den Tumor infil-trierten Gewebes. Gerade in diesemfrühen Stadium ist eine Desmoplasie al-lerdings häufig nicht sicher nachweisbar.

Invasive Tumoren

Invasive Tumoren zeigen histologischeine große Variabilität. Viele Tumorensind gut oder mäßig differenziert mit ty-pischen epidermoiden Charakteristikawie Keratinisierung, Ausbildung vonHornperlen und gut erkennbaren inter-zellulären Brücken (Abb. 7).Andere Tu-moren sind so gering differenziert, daßsie nur schwer als Plattenepithelkarzino-

bestätigen. Die Höhe der CYFRA21-1Spiegel ist mit dem Stadium der Erkran-kung korreliert. Als Tumormarker fürfortgeschrittene Karzinome, insbeson-dere zur Beurteilung des Behandlungs-erfolges könnten in Zukunft auch diezrikulierenden Antigene SSCA1 (Squa-mous cell carcinoma antigen) und SS-CA2 zum Einsatz kommen. Es handeltsich um Inhibitoren der Cystein-Pro-teinasen Cathepsin L,S und K bezie-hungsweise um Inhibitoren der Serin-Proteinasen Cathepsin G und Mast-zellchymase [10].

Sonderformen

Neben dem bei weitem überwiegenden„klassischen“ Plattenepithelkarzinomgibt es auch seltene Sonderformen desTumors.

Spindelzellkarzinome sind makro-skopisch typischerweise polypoid-kon-figurierte Formen des Plattenepithel-karzinoms, die aus einer squamös diffe-renzierten und einer sarkomatösen

me zu klassifizieren sind und bestehenüberwiegend aus kleinen oder großen„primitiven“ Zellen ohne Differenzie-rung. Auch Mischformen kommen vor.So können neben überwiegend squamösdifferenzierten Anteilen auch Areale mitglandulärer oder kleinzelliger Differen-zierung auftreten.

Gering differenzierte Tumoren sindmanchmal nur durch Anwendung im-munhistochemischer Zusatzuntersuch-ungen – unter Verwendung monoklona-ler Antikörper gegen verschiedene Kera-tin-Subtypen – als epitheliale Tumorenund damit als Karzinome zu klas-sifizieren. Bevorzugt sind dabei die Ke-ratin-Subtypen k14, k16 und k17 nach-weisbar [54].Kürzlich wurde nachgewie-sen, daß bei Patienten mit Platten-epithelkarzinomen des Ösophagus imSerum häufig erhöhte Spiegel des löslichen Zytokeratin 19-FragmentesCYFRA21-1 vorliegen [61]. Insbesonderebei anaplastischen Tumoren könnte die-ser Marker dazu verwendet werden, dieepitheliale Histogenese des Tumors zu

Tabelle 3Histologische Klassifizierung des Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus

Makroskopisch-Mikroskopisch◗ Frühkarzinom◗ tief invasives Karzinom

Mikroskopisch◗ Dysplasie-Carcinoma in situ◗ Invasives Carcinom

• hoch differenziert• mäßig differenziert• gering differenziert

Sonderformen◗ Spindelzellkarzinom (pseudosarkomatöses Karzinom)◗ basaloides Plattenepithelkarzinom◗ verruköses Plattenepithelkarzinom

Abb. 6 � Carcinoma in situ.Das Plattenepithel im Bereich

der rechten Bildhälfte zeigt einen vollständiger Verlust

der Schichtung und hochgradigenukleäre Atypien

Abb. 7 � Invasives hochdifferen-ziertes Plattenepithelkarzinom.

Manche Zellen zeigen intensivrote Zytoplasmen als Ausdruck

einer Keratinisierung. Die Fibro-sierung des Tumorstromas (Des-

moplasie) ist ein sicheres Charak-teristikum von invasivem Tumor-

wachstum

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Übersicht

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latur oder Adventitia liegen die 5-Jahres-Überlebensraten bei 85%, 55% bezie-hungsweise 10-20% [21, 52]. Tumoren,die nur die Lamina propria der Mukosabetreffen, metastasieren lediglich in 5%der Fälle, bei Infiltration der Submuko-sa steigt dieser Prozentsatz bereits auf35% an [52]. Die 5-JÜR liegt bei Früh-karzinomen bei 55-85%, bei fortge-schrittenen Tumoren lediglich bei 5-9%[26].

Fazit für die Praxis

Die Inzidenz des Tumors zeigt eine erhebliche geographische Variabilität wobei verschiedene exogene Noxen ver-antwortlich gemacht werden. In Europaund den USA gelten Alkohol und Tabak-konsum als die bedeutsamsten genotoxi-schen Faktoren.Der entscheidende Parameter für die Prognose des Plattenepithelkarzinoms desÖsophagus ist die Erkennung des Tumorsin einem frühen Stadium der Erkrankung.Die 5-JÜR liegt bei Frühkarzinomen bei 55-85%, bei fortgeschrittenen Tumorenbeträgt die 5-JÜR lediglich 5-9%.

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Komponente aufgebaut sind. In den sar-komatösen Abschnitten kann es u.U. so-gar zur Ausdifferenzierung von Knorpel,Knochengewebe oder Muskelgewebekommen. Die Histogenese der sarko-matösen Komponente ist ungeklärt, je-doch wird angenommen, daß ihr eineMetaplasie ursprünglich epithelialer Tu-morzellen zugrunde liegt. Aufgrund ih-res endoluminalen Wachstums werdendie Tumoren meist frühzeitig diagnosti-ziert und zeigen eine verhältnismäßiggute Prognose.

Basaloide Plattenepithelkarzinomesind hochmaligne Varianten des Platten-epithelkarzinoms, in denen monomor-phe basaloide Tumorzellen dominierenund nur vereinzelt kleine Tumorab-schnitte mit eindeutiger squamöser Dif-ferenzierung auftreten.

Verruköse Plattenepithelkarzinomesindsehrseltene hochdifferenzierte Plat-tenepithelkarzinome,die aus zytologischrelativ unauffälligen Tumorzellen beste-hen und lokal agressiv wachsen, jedochnicht metastasieren. Rezente Daten wei-sen darauf hin,dass die hier angeführtenSonderformen eine andere molekularePathogenese durchlaufen, als das kon-ventionelle Plattenepithelkarzinom [45].Tabelle 3 faßt die histologische Klassifi-zierung des Plattenepithelkarzinoms zu-sammen.

Histologie, Stadium und Prognose

Untersuchungen zur prognostischen Be-deutung der Tumordifferenzierung zei-gen widersprüchliche Ergebnisse. Dieüberwiegende Anzahl der Studienkommt jedoch zum Schluß, daß die Tu-mordifferenzierung,abgesehen von Son-derformen, keine prognostische Aus-sagekraft hat. Prognostisch von Bedeu-tung sind aber andere histomorphologi-sche Charakteristika. So sind Blut- oderLymphgefäßeinbrüche und ein am Tu-morrand infiltratives Wachstumsmustermit einer schlechteren Prognose assozi-iert. Prognostisch günstig sind ein ex-pansives Wachstumsmuster sowie einestarke peritumorale lymphozytäre Be-gleitinfitration [46] . Der entscheidendeFaktor für die Prognose ist jedoch dasTumorstadium. Bei Tumoren mit Infil-tration der Mukosa,Submukosa/Musku-

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