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Struktur und Organisation desBildungswesens in Bundesstaaten

Ein internationaler Vergleich

Hans-Peter Schneider

© 2005, Bertelsmann Stiftung, GüterslohKonrad-Adenauer-Stiftung, BerlinStiftung Marktwirtschaft, BerlinFriedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam

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Inhalt

Vorwort der Herausgeber 5

Vorbemerkung 7

I. Australien 9

II. Brasilien 13

III. Großbritannien 18

IV. Indien 22

V. Kanada 27

VI. Malaysia 33

VII. Mexico 37

VIII. Niederlande 43

IX. Nigeria 48

X. Österreich 53

XI. Russland 64

XII. Schweden 68

XIII. Schweiz 77

XIV. Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 89

Vergleichende Folgerungen 100

Literaturhinweise 104

Ansprechpartner in den Stiftungen 114

Über den Autor 115

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Vorwort der Herausgeber

Die Bundesstaatskommission will ihre Arbeit nach dem Schei-tern am 17. Dezember 2004 wieder aufnehmen. Gescheitertwar eine Einigung auf gemeinsame Reform-Vorschläge zurModernisierung der bundesstaatlichen Ordnung vor allem anFragen von Bildung und Forschung im deutschen Bundesstaat.Die Stiftungsallianz „Bürgernaher Bundesstaat“ hat es sich zurAufgabe gestellt, dieses für alle Reformen so wichtige Projektkonstruktiv zu begleiten und die Diskussion um die Föderalis-musreform im Dialog mit den Bürgern zu fördern.

Die Herausgeber der Reihe „Forum Föderalismus 2005“ stel-len sich dieser Aufgabe nun mit einem weiteren Beitrag zurKompetenzverteilung bei Bildung und Forschung. Wir sindüberzeugt, dass es in diesem Bereich möglich ist einen Kom-promiss zu erzielen, der den Bürgern bessere Schulen, Univer-sitäten und Forschung bieten wird. Dann wäre selbst eine Re-form der bundesstaatlichen Ordnung, die wichtige Fragen derFinanzverfassung noch nicht befriedigend beantwortet, einwesentlicher Schritt nach vorne. Denn eine neue Exzellenzdeutscher Bildung und Forschung ist im globalen Wettbewerbvon zentraler Bedeutung.

Nach dem Beitrag „Bildungspolitik im föderativen System undinternationaler Einfluss“ von Michael Buse stellen wir dieAnalyse von Hans-Peter Schneider, einem Sachverständigender Bundesstaatskommission, zur Diskussion. Er hat die Bil-dungs- und Erziehungssysteme in 14 Bundesstaaten untersucht– von Entwicklungsländern über Schwellenländer bis zu denVereinigten Staaten und der Schweiz. Seine Ergebnisse sollenjenseits aller politischen Machtfragen der nüchternen, sachli-chen Bewertung dienen, was Deutschland aus den Erfahrungenmit den Systemen dieser Länder lernen kann, wie weit insbe-

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sondere mehr Autonomie der Schulen und Hochschulen Kon-flikte bei den Zuständigkeiten von Gemeinden, Bundesländernund Bund entschärfen kann.

Detmar Doering, Christof Eichert,Michael Eilfort, Udo Margedant, Gerhard Schick

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Vorbemerkung

Ende vergangenen Jahres ist die „Kommission von Bundestagund Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ord-nung“ unter anderem daran gescheitert, dass sich Bund undLänder nicht über die Zuständigkeiten im Bereich der Bil-dungspolitik verständigen konnten. Umstritten blieben vor al-lem die Kompetenzen für die Qualitätssicherung im Hoch-schulbereich und die Bildungsplanung, genauer: für die Fort-entwicklung des Bildungswesens. Um dieser Auseinanderset-zung neue Impulse zu verleihen, erscheint es ebenso sinnvollwie notwendig, den Blick einmal auf andere Bundesstaaten zurichten und im Rahmen einer vergleichenden Analyse heraus-zuarbeiten, wie diese mit den kontroversen Themen umgehenund welchen Ebenen sie ihrerseits die einzelnen Kompetenzenim Bereich der Bildungspolitik zugeordnet haben.

Dabei werden folgende 14 Länder untersucht: Australien, Bra-silien, Großbritannien, Indien, Kanada, Malaysia, Mexiko, dieNiederlande, Nigeria, Österreich, Russland, Schweden, dieSchweiz und die USA.

Einbezogen wird – soweit möglich – das gesamte Bildungswe-sen von der Vorschule über die Schule, die Hochschule, dieWeiterbildung bis zur beruflichen Bildung. Dargestellt werdenjeweils

1. die föderativen Rahmenbedingungen,

2. die Gesetzgebungskompetenzen,

3. die Rechtsgrundlagen,

4. die Zuständigkeiten beim Vollzug von Regelungen,

5. die Finanzierung und

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6. die Verflechtungen bzw. Formen vertikaler und/oder hori-zontaler Kooperation der verschiedenen Ebenen (Gesamtstaat,Gliedstaaten, Kommunen).

Abschließend wird der Versuch unternommen, im Rahmeneines Quervergleichs festzustellen, welche Konsequenzen sichdaraus für eine sachgerechte Kompetenzverteilung im deut-schen Bildungswesen ergeben und wie die insoweit zwischenBund und Ländern noch strittigen Fragen aus einer „best prac-tice“-Perspektive beantwortet werden könnten.

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I. Australien

1. Föderative Rahmenbedingungen

Australien erstreckt sich über ein Staatsgebiet von 7,74 Mio.km2, auf dem nur 19,1 Mio. Einwohner leben, die sich vor al-lem in den großen Städten Sydney, Melbourne, Adelaide, Perthund Canberra angesiedelt haben. Als „Commonwealth ofAustralia“ ist es in sechs eigenständige Staaten gegliedert:New South Wales, Victoria, Queensland, West Australia,South Australia und Tasmania. Hinzu kommen noch zweiselbstverwaltete Territorien: das Northern Territory und dasAustralian Capital Territory. Alle Glieder haben eigene Regie-rungen.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die australische Verfassung von 1900 weist die Gesetzge-bungs- und Verwaltungszuständigkeiten im Bildungswesen,insbesondere die Kontrolle über die Bildungseinrichtungen,den Staaten und Territorien zu. Ausgenommen ist lediglich dieStudentenförderung als nationale Aufgabe. Die Gesetzgebungim Bereich des Bildungswesens beruht ebenso wie der Geset-zesvollzug auf dem Grundsatz des gleichen Zugangs zu denBildungseinrichtungen aller Ebenen, für den der Gesamtstaatmit eigenen verbindlichen Regelungen zu sorgen hat.

3. Rechtsgrundlagen

Alle Staaten und Territorien haben ihre eigenen Erziehungs-gesetze („Education Acts“), welche die allgemeine Schul-pflicht in öffentlichen oder öffentlich anerkannten Schulenvorsehen. Auch für das gesamte Hochschulwesen liegt die Ge-

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setzgebungskompetenz allein bei den Gliedern. Gleichwohlgreift inzwischen der Gesamtstaat, das Commonwealth, mitgesetzgeberischen Maßnahmen und wachsender Intensität aufdie Strukturen und Inhalte des Bildungswesens zu. Er nutztdabei seine Zuständigkeiten für eine landesweite Anti-Diskriminierungspolitik („Racial Discrimination Act“ [1975],„Sex Discrimination Act“ [1984], „Affirmative Action Act“[1986], „Human Rights“ und „Equal Opportunity Act“[1986]).

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Im Bereich des Vollzuges spielt ein nationaler Bildungsrat, der„Ministerial Council for Education, Employment, Trainingand Youth Affairs“ (MCEETYA), eine zentrale Rolle. In ihmsind die jeweils zuständigen Minister des Commonwealth so-wie der Gliedstaaten und der Territorien vertreten. Im zweijäh-rigen Turnus werden die verschiedenen bildungspolitischenAktivitäten und Initiativen koordiniert und eine enge Zusam-menarbeit mit Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) imBereich des Bildungswesens organisiert, die zum Teil mit Be-obachtern vertreten sind (vgl. auch unten Ziffer 6).

Alle Gliedstaaten und Territorien verfügen über eigene Bil-dungsministerien („departments of education“), denen die Ver-waltung sämtlicher Bildungsangelegenheiten obliegt. Die Re-gierung des Commonwealth hat darauf keinerlei direkten Ein-fluss. Dennoch spielt sie eine maßgebliche Rolle bei der Zu-sammenarbeit mit den Gliedstaaten und Territorien ebenso wiemit den NGOs bei der Festlegung nationaler Prioritäten und beider Entwicklung von Strategien zur Umsetzung gemeinsam ver-abredeter Programme. Die Zuständigkeit dafür liegt beim „Com-monwealth Department of Education, Science and Training“.

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Darüber hinaus existiert eine weitere wichtige Institution, die1992 von den Staats- und Regierungschefs des Commonwealthsowie der Gliedstaaten und Territorien gegründet wurde: die„Australian National Training Authority“ (ANTA), die alsnationale Planungs-, Finanzierungs- und Koordinierungsein-richtung auf den Gebieten der Spracherziehung und Alphabeti-sierungspolitik fungiert. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehörtauch die Durchführung eines speziellen Bildungsprogrammsfür die Ureinwohner Australiens, die „National Aboriginal andTorres Strait Islander Education Policy“ (AEP).

Im Übrigen sind inzwischen zahlreiche Kompetenzen an dieKommunen und sogar an die Schulen selbst delegiert worden.Dazu gehören die Organisation der Klassen, die Zulassung derSchüler, die Lehrmethoden, die Ausgestaltung und Durchset-zung der Schulordnung und bis zu einem gewissen Grade so-gar der Lehrplan. An der Erfüllung all dieser Aufgaben sindLehrer- und Elternverbände unmittelbar beteiligt.

5. Finanzierung

Grundsätzlich sind für die Finanzierung des Bildungswesensebenfalls in erster Linie die Gliedstaaten und Territorien ver-antwortlich. Das Commonwealth trägt die Kosten für die aus-wärtige Bildungspolitik und von Verfassungs wegen für dieStudentenförderung. Tatsächlich bilden heute die Zuwendun-gen aus dem Budget der Zentralregierung auch eine wichtigeZusatzquelle der Hochschulfinanzierung. Das Geld wird direktan die Universitäten unter Auflagen überwiesen, mit denen siesich einverstanden erklären müssen. Diese Praxis wird zwarverfassungsrechtlich immer wieder in Frage gestellt, ist aberbisher nie Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gewe-sen. Vor kurzem hat die Regierung des Commonwealth die

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Übernahme des gesamten Hochschulwesens in eigene Verant-wortung vorgeschlagen, ist aber am Widerstand nicht nur derGliedstaaten und Territorien, sondern auch der Hochschulengescheitert.

Die Finanzierung des Bildungswesens entspricht der Zweitei-lung von Schulen und Universitäten in öffentliche und privateLehranstalten. Die öffentlichen Schulen und Universitätenwerden von den Gliedstaaten finanziert, wenn man von derErhebung beträchtlicher Studiengebühren von bis zu 3500Euro pro Studienjahr absieht, die etwa 50 Prozent der Gesamt-kosten dieser Universitäten decken. Die privaten Schulen undUniversitäten sind grundsätzlich auf sich selbst gestellt, erhal-ten aber auch gewisse Zuschüsse aus zentralen und gliedstaat-lichen Mitteln.

Nicht unerheblichen Einfluss nimmt das Commonwealth auchauf die Weiterbildung und berufliche Bildung („secondary[professional] education“), und zwar über zweckgebundeneZuschüsse an die Gliedstaaten.

6. Formen der Kooperation

Die Kooperationsbeziehungen auf dem Gebiet des Bildungs-wesens sind überwiegend vertikaler Natur; sie schließen alsostets die Zentralregierung ein. Abgesehen von unverbindlichenKonsultationen sind horizontale Verflechtungen in institutio-nalisierter Form (ähnlich wie unsere Kultusministerkonferenz)in Australien unbekannt. Als zentrale Einrichtung dieser Ko-operation fungiert der bereits erwähnte nationale Bildungsrat(„Ministerial Council for Education, Employment, Trainingand Youth Affairs“).

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Die Zusammenarbeit dient vor allem dem Zweck, eine Viel-zahl nationaler Programme durchzuführen, die mit dem Bil-dungssektor verwoben sind. Dazu gehören etwa die nationaleStrategie zur Eindämmung von Gewalt gegen Frauen, die Bil-dungspolitik für die Ureinwohner, die Sprachenpolitik in deraustralischen Gesellschaft, die an ökologischer Nachhaltigkeitorientierte Entwicklungspolitik, die Politik für ein multikultu-relles Australien, die außerschulischen Weiterbildungsange-bote, die Qualitätssicherung der schulischen und universitärenAusbildung sowie die berufliche Bildung.

Mit dem Ziel einer Modernisierung des gesamten Bildungswe-sens haben das Commonwealth, die Gliedstaaten und die Ter-ritorien bei einem Treffen der zuständigen Erziehungsministerim April 1999 eine weitreichende Vereinbarung zustande ge-bracht und in der so genannten „Adelaide Declaration“ nie-dergelegt. Alle Beteiligten verpflichten sich darin, das Strebennach Excellenz zu fördern, vielfältige Wahlmöglichkeiten imBildungswesen bereitzustellen, das Recht junger Menschen aufeine qualitativ erstklassige Schulerziehung zu gewährleisten,die ökonomische Nutzung der öffentlichen Ressourcen zu för-dern und den Beitrag der Erziehung zu einer sozial eng ver-bundenen und kulturell reichen Gesellschaft zu hüten. Auf derGrundlage dieser Erklärung ist der Einfluss der Zentralregie-rung auf das gesamte Bildungswesen in Australien stetig ge-wachsen.

II. Brasilien

1. Föderative Rahmenbedingungen

Brasilien umfasst ein Staatsgebiet von 8,55 Mio. km2, auf dem175,4 Mio. Einwohner leben. Die Föderative Republik Brasi-lien ist in sechsundzwanzig eigenständige Staaten gegliedert:

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Acre, Alagoas, Amapá, Amazonas, Bahia, Ceará, Espirito San-to, Goias, Maranhao, Mato Grosso, Mato Grosso del Sul, Mi-nas Gerais, Pará, Paraiba, Parana, Pernambuco, Piaui, Rio deJaneiro, Rio Grande del Norte, Rio Grande del Sul, Rondonia,Roraima, Santa Catarina, Sao Paulo, Sergipe und Tocantins.Alle Glieder haben ihre eigenen Regierungen. Hinzu kommtder Bundesdistrikt Brasilia „Distrito Federal Brasilia“.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die Verfassung von 1988 enthält in Artikel 3 (I) die wesentli-chen Staatsziele, bestehend in der Schaffung einer freien, ge-rechten und wechselseitig kooperativen Gesellschaft, in einerGarantie für nationale Entwicklung, in der Beseitigung von Ar-mut und gesellschaftlicher Ausgrenzung sowie in der Verrin-gerung sozialer und regionaler Ungleichgewichte. Da Bildungund Erziehung diesen Staatszielen zu dienen haben, ist auchdie „Union“ (so die Bezeichnung des Gesamtstaates) maßgeb-lich an diesen Aufgaben beteiligt. Nach Artikel 22 (XXIV)verfügt sie über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenzfür „Richtlinien und Grundlagen der nationalen Erziehung“.Union, Staaten und Gemeinden haben nach Artikel 23 (V) dieAufgabe, Möglichkeiten des gleichen Zugangs zu Kultur, Bil-dung und Wissenschaft zu schaffen. Schließlich sieht Artikel24 (I) eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit vonUnion und Staaten für die Bereiche „Erziehung, Kultur, Lehreund Sport“ vor, von der die Union allerdings nur Gebrauchmachen darf, um „generelle Regelungen“ zu treffen.

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3. Rechtsgrundlagen

Das aufgrund von Artikel 22 (XXIV) der Verfassung erlassene„Richtlinien- und Grundlagengesetz zur nationalen Erziehung“(„Lei de Diretrizes e Bases da Educação“) von 1996 enthält imWesentlichen die allgemeinen Bildungsziele und sieht eineVielzahl von Maßnahmen vor, mit deren Hilfe das brasili-anische Erziehungswesen grundlegend reformiert worden ist:vor allem eine Dezentralisierung und Autonomisierung derSchulen, die nunmehr für die Entwicklung und Umsetzung ih-rer pädagogischer Konzepte sowie für das eigene Personal-und Finanzmanagement verantwortlich sind, sowie der Univer-sitäten, die künftig die Länge der Studiengänge, die Bedingun-gen für Im- und Exmatrikulation sowie die Prüfungsanforde-rungen selbst festlegen können. Auch die Gestaltung desSchulsystems, die Ausbildung des pädagogischen und wissen-schaftlichen Nachwuchses und die Qualitätssicherung der Leh-re ist heute Sache der Einzelstaaten. Das gesamte Grund-schulwesen liegt sogar in den Händen der Gemeinden.

In Ergänzung dieses Gesetzes regelt das „Decreto No. 2.208“vom 17. April 1997 die berufliche Bildung und die Weiterbil-dung in drei Stufen:

a) die Grundausbildung mit dem Ziel, Berufstätige in Anknüp-fung an ihre schulische Erziehung mit denjenigen Fähigkeitenauszustatten, die der Arbeitsmarkt fordert;

b) die technische Ausbildung, die parallel zu den Hochschulenspezielle praktische Fertigkeiten vermitteln soll („technicon“);

c) die technologische Ausbildung, die als Ergänzungs- oderAufbaustudium auf die jeweiligen Anforderungen der einzel-nen Wirtschaftszweige zugeschnitten ist.

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4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Für den Vollzug dieser Regelungen ist auf der Ebene derUnion das „Ministerium für Erziehung und Sport“ zuständig.Darüber hinaus besitzt jeder Einzelstaat ein „Sekretariat fürErziehung“, das vor allem die Kontrolle über den öffentlichenund privaten Sektor des Bildungswesens ausübt. Die Verwal-tung der Schulen in kommunaler Verantwortung obliegt den„Gemeindesekretariaten für Erziehung“. Diesen Administra-tivorganen (Ministerium, Sekretariate) sind auf allen Ebenenso genannte Erziehungsräte zugeordnet, denen nicht nur öffent-liche Bedienstete, sondern auch sachverständige Bürger ange-hören. Auf Unionsebene existiert ein „Nationaler Rat für Er-ziehung“, der aus zwei Kammern für „Basiserziehung“ und für„Höhere Erziehung“ besteht und auf Vorschlag des Präsiden-ten besetzt wird. Letztere Kammer betreut vor allem die Bun-desuniversitäten (je eine pro Einzelstaat). Auf regionaler Ebenebestehen entsprechende „Staatenräte für Erziehung“ und aufkommunaler Ebene „Gemeinderäte für Erziehung“. DieseRäte haben zwar nur beratende Funktion, spielen aber in derPraxis der konkreten Ausgestaltung des Bildungswesens inBrasilien eine kaum zu unterschätzende Rolle.

So hat zum Beispiel der „Nationale Rat für Erziehung“ im Jah-re 2001 einen „Nationalen Erziehungsplan“ verabschiedet, mitdem sich die Union die Aufgabe gestellt hat, das Bildungs-niveau der Bevölkerung in allen Schichten anzuheben, dieQualität der Erziehung auf allen Ebenen zu verbessern, diesozialen und regionalen Ungleichheiten beim Zugang zu Bil-dungseinrichtungen und zu einer Grundausbildung abzubauensowie die Verwaltung im Bereich des Erziehungswesens zu de-mokratisieren. Darüber hinaus wurden für den Primarschulbe-reich „nationale Curricular-Parameter“ (NCP) festgelegt.

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5. Finanzierung

Für die Finanzierung des Bildungssystems sind nicht mehr nurdie Staaten und Gemeinden verantwortlich. Vielmehr ist fürden Primarschulbereich und die Lehrerausbildung durch Ver-fassungsergänzung Nr. 14 von 1996 ein Sonderfonds, der „Na-tionalfonds für die Entwicklung der Primarerziehung und dieVerbesserung des Wertes des Lehrerberufs“ (FUNDEF), ge-schaffen worden, der seit dem 1. Januar 1998 die durch dieDezentralisierung des Bildungswesen für die Staaten und Ge-meinden anfallenden Zusatzkosten sowie die Belastungsunter-schiede zwischen den Staaten und Gemeinden ausgleichen soll(Gesamtsumme ca. 22 Mrd. Reals [= 6,3 Mrd. Euro]). Außer-dem werden daraus 60 Prozent der Lehrergehälter bezahlt.

Ein weiteres Programm, genannt „Wach auf Brasilien! Es istZeit für die Schule“, soll die Öffentlichkeit mobilisieren und„private-public partnerships“ initiieren, die den Zweck verfol-gen, Schulen mit dem notwenigen Lehr- und Lernmitteln(Video-Einrichtungen, Computer-Laboratorien, Nachschlage-werke etc.) besser auszustatten und ihre Einrichtungen zu er-neuern.

6. Formen der Kooperation

Verflechtungen aller drei Ebenen (Union, Staaten und Gemein-den) existieren zum einen in Form von Konferenzen der jewei-ligen für das Erziehungswesen zuständigen Minister und Sek-retäre und zum anderen bei der Finanzierung des Bildungs-systems durch FUNDEF (vgl. oben Nr. 5).

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III. Großbritannien

1. Föderative Rahmenbedingungen

Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland(so der offizielle Name, im Folgenden: UK) erstreckt sich aufein Staatsgebiet von 242 910 km2 mit ca. 60 Mio. Einwohnern.Es besteht aus vier, im Bildungswesen weitestgehend selbstän-digen Teilgebieten: England, Wales, Schottland und Nord-irland, wobei die jeweiligen gesetzlichen Regelungen für Eng-land und Wales zumeist übereinstimmen und die Verordnun-gen für Nordirland sich daran orientieren, während Schottlandtraditionell abweichendes Recht geschaffen hat.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Da weder das UK noch dessen Gebietsteile über geschriebeneVerfassungen mit entsprechenden Kompetenzkatalogen verfü-gen, beruht das dortige Bildungswesen allein auf gesetzlichenRegelungen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wie-der verändert und reformiert wurden. Für England und Waleshat der „Education Reform Act (ERA)“ von 1988 ein einheitli-ches („nationales“) Curriculum für alle Schüler zwischen fünfund 16 Jahren in staatlichen Schulen geschaffen, entsprechenddie „Education Reform Order“ für Nordirland von 1989. Esfolgten der „Education Act“ von 1993 und – auf der Grundla-ge eines so genannten „White Papers“ („Schools AchievingSuccess“) der „Education Act“ von 2002. Das Sonderschulwe-sen wurde ebenfalls 2002 im „Special Education Needs andDisability Act (SENDA)“ neu geordnet.

Schottland hat im Bildungswesen stets andere Wege beschrit-ten als England und Wales. Das lange Zeit wichtigste Gesetzwar der „Education (Scotland) Act“ von 1980 mit späteren

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Ergänzungen und Änderungen. Im März 1992 wurden dieWeiterbildung und die Höhere Bildung im „Further and Hig-her Education (Scotland) Act“ neu geregelt. Im Zuge der „de-volution“ erhielt Schottland 1999 die Zuständigkeit für dasgesamte Bildungswesen, das durch den „Scotland’s Schoolsetc. Act“ von 2000 völlig neu gestaltet wurde.

3. Rechtsgrundlagen

Auf diesen Grundlagen existieren heute in Großbritannien fürEngland und Wales (mit gewissen Modifikationen auch fürNordirland) einerseits und für Schottland andererseits weitge-hend vereinheitlichte Erziehungssysteme, die stark durch dieBildungspolitik der jeweiligen nationalen (bzw. schottischen)Regierungen geprägt sind. Die gesetzlichen Regelungen sindvor allem darauf gerichtet, Lehrer im Sekundarschulbereichinstand zu setzen, die Lernstandards zu erhöhen und auf demErfolg der Primarschulen beim Erreichen von Fortschrittenaufzubauen (Motto: „Excellence in Schools!“). Nachdem diekonservative Regierung Thatcher mit dem ERA Marktmodellein das Schulsystem eingeführt hatte, herrscht wegen der freienSchulwahl durch die Eltern selbst im öffentlichen Sektor einbeträchtlicher Wettbewerb. Gutscheine (vouchers), die derStaat veräußert, ermöglichen den Eltern, für ihre Kinder Bil-dungschancen zu „kaufen“.

Im tertiären Sektor konkurrieren öffentliche mit privatenHochschulen. Beide Formen genießen das Recht auf Selbst-verwaltung. Allerdings ist der staatliche Einfluss bei den öf-fentlichen Universitäten und Colleges naturgemäß größer alsbei den privaten Einrichtungen. Dem Verteidigungsministe-rium ist die Königliche Militärakademie von Sandhurst zuge-ordnet.

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4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Für die Durchführung der Gesetze und die Kontrolle desSchulwesens sind jeweils Ministerien der vier Gebietsteile ver-antwortlich: das „Department for Education and Skills“ (DfES)in England, das „Department for Education and LifelongLearning“ (DfELL) in Wales, das „Scottish Executive Educa-tion Department“ (SEED) in Schottland und das „Departmentof Education for Northern Ireland“ (DENI) in Nordirland.

Die Aufgaben und Kompetenzen dieser „Ministerien“ sindjedoch äußerst begrenzt, weil das Bildungswesen in Großbri-tannien nahezu vollständig dezentral in Form der Selbstver-waltung organisiert und von unten nach oben aufgebaut ist. Diewichtigsten Einrichtungen der Schulverwaltung sind die „Lo-cal Education Authorities“ (LEAs, in Schottland: SLAs). Sieüben nicht nur die Schulaufsicht aus, sondern wachen über dieEinhaltung der Lernstandards, versorgen die Schulen mit Lehr-und Lernmaterial und sind auch maßgeblich an der Finanzie-rung der Schulen beteiligt (dazu unten Nr. 5). Darüber hinausverfügt jede Schule über eine kollegiale Leitung, die aus einem„governor“, gewählten Lehrern sowie aus „governors“ der El-tern und Gemeindevertretern besteht.

Eine wichtige Rolle vor allem im Gesundheitsbereich, aberauch im Bildungssektor spielen die so genannten „Arms LengthBodies“ (ALB, auch Agencies oder „Quangos“ genannt). Da-bei handelt es sich um unabhängige, halbstaatliche Gremien,die „in Armlänge“ von der jeweiligen staatlichen Entschei-dungsinstanz entfernt wichtige Beratungsfunktionen wahrneh-men, so zum Beispiel für Universitäten die Akkreditierung undEvaluation von Studiengängen oder Forschungsprojekten. DieALBs sind auf nationaler und regionaler Ebene in der Regelbei einem Department angesiedelt und setzen sich aus sach-verständigen Bürgerinnen oder Bürgern aller Bevölkerungs-

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schichten zusammen, die vom jeweiligen Minister oder Sekre-tär eines Departments berufen werden.

5. Finanzierung

In England, Wales und Schottland werden die meisten Schulenals „community schools“ durch die LEAs/SLAs finanziert, diewiederum einen Großteil ihrer Mittel aus den Budgets der je-weiligen Departments erhalten, aber eigene Haushaltsautono-mie genießen und in der Regel die Gelder den einzelnen Schu-len nach einer Formel zuweisen, bei der die Schülerzahl aus-schlaggebend ist. Daneben existieren „foundation schools“(früher: „grant-maintained schools“), die entweder direkt vonder Zentralregierung über eine „Funding Agency for Schools“(England) oder – im Bereich der Weiterbildung – über einen„Further Education Funding Council“ (England und Wales)finanziert werden. Daneben gibt es eine Vielzahl von Privat-schulen („voluntary schools“), die lediglich staatliche Zu-schüsse erhalten. In Nordirland erhalten die staatlichen Schu-len ihr Geld aus öffentlichen Fonds, die von fünf „Educationand Library Boards“ verwaltet werden. Die Privat- und Stif-tungsschulen werden direkt von der Regierung (DENI) sub-ventioniert.

6. Formen der Kooperation

Verflechtungen von Kompetenzen sind in Großbritannien un-bekannt. Daher gibt es im Bereich von Bildung und Erziehungweder Gemeinschaftsaufgaben noch gemeinsame Ent-scheidungsgremien der verschiedenen Ebenen. Die starke De-zentralisierung der Schulorganisation wird durch eine Verein-heitlichung der Curricula, der Schulabschlüsse, der Prüfungs-

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anforderungen sowie der Lehr- und Lerninhalte auf nationalerEbene (allerdings getrennt für die vier Gebietsteile) ausgegli-chen. Allerdings findet eine Zusammenarbeit der LEAs/SLAszumindest auf regionaler Ebene statt.

IV. Indien

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Republik Indien verfügt über ein Staatsgebiet von 3,3 Mio.km2, auf dem etwas mehr als eine Milliarde Einwohner behei-matet sind. Als „Union of States“ ist Indien in 25 Einzelstaaten(a) und sieben direkt von der Zentralregierung verwaltete Uni-onsterritorien (b) gegliedert: (a) Andhra Pradesh, Assam, Bi-har, Gujarat, Kerala, Madhya Pradesh, Tamil Nadu, Maha-rashtra, Karnataka, Orissa, Punjab, Rajasthan, Uttar Pradesh,West Bengal, Jammu and Kashmir, Nagaland, Haryana, Hima-chal Pradesh, Manipur, Tripura, Meghalaya, Sikkim, Mizoram,Arunachal Pradesh und Goa; (b) Delhi, Andaman und NicobarIslands, Lakshadweep, Dadra und Nagar Haveli, Daman undDiu, Pondicherry und Changigarh.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die indische Verfassung von 1950 weist wichtige Gesetzge-bungskompetenzen im Bereich des Bildungswesens entwederausschließlich der Union zu oder als konkurrierende Zustän-digkeiten zugleich auch den Staaten. Gemäß Artikel 246 um-fasst die Unionsliste I in Schedule VII folgende Materien:

Nr. 63: die überregional tätigen Universitäten (von denen dieBenares Hindu University, die Aligarth Muslim University unddie Delhi University bereits in der Verfassung selbst genannt

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werden und weitere 16 Universitäten sowie 37 Lehr- und For-schungseinrichtungen, die inzwischen durch Unionsgesetzeanerkannt wurden);

Nr. 64: die Institutionen der technischen Ausbildung, soweitihre nationale Bedeutung durch Gesetz anerkannt ist und sieganz oder teilweise von der Union finanziert werden;

Nr. 65: die Behörden und Institutionen der Union für die Be-rufsausbildung im zivilen und technischen Bereich (ein-schließlich der Polizeiausbildung), für die Förderung speziellerStudien und Forschungsprojekte oder für die wissenschaftlicheund technische Unterstützung bei der Verbrechensverfolgung;

Nr. 66: die Koordination und Festsetzung von Standards inInstitutionen der Höheren Bildung oder Forschung und derwissenschaftlichen und technischen Institutionen.

Demgegenüber sind die ausschließlichen Zuständigkeiten derEinzelstaaten auf kulturellem Gebiet in Liste II der ScheduleVII eher marginaler Natur: Unter Nr. 25 sind lediglich aufge-führt die „Registrierung, Regulierung und Auflösung von Kör-perschaften und Universitäten (außer den in Liste I genannten)sowie der nicht eingetragenen Handels-, Literatur-, Wissen-schafts-, Religions- und anderen Gesellschaften und Vereine“.Alle übrigen Kompetenzen im Bildungsbereich werden in Nr.25 der Liste III von Schedule VII als konkurrierende Zustän-digkeiten ausgewiesen und in Form einer Generalklausel wiefolgt umschrieben: „Bildung und Erziehung, einschließlichtechnischer und medizinischer Ausbildung und der Universi-täten (soweit sie unter die Vorschriften der Nr. 63, 64, 65 und66 der Liste I fallen) sowie das berufliche und technische Trai-ning“.

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3. Rechtsgrundlagen

Die bildungspolitische Praxis in Indien sieht jedoch völlig an-ders aus. Während in Deutschland der Bund von seinen aus-schließlichen und konkurrierenden Gesetzgebungskompeten-zen nahezu lückenlos Gebrauch gemacht hat, gilt für Indiendas genaue Gegenteil. Abgesehen von dem „Free and Com-pulsory Education Bill“ von 2004 hat die Union ihre Gesetz-gebungsbefugnis nur dort und in den Fällen ausgeübt, wo sieauch die Kosten ganz oder teilweise trägt. Es existieren wederein zentrales Schul- oder Hochschulgesetz noch einheitlicheRegelungen für die Berufausbildung oder Weiterbildung. DerUnionsminister für Kultur ist lediglich für Kulturgüter, künst-lerische Einrichtungen und Denkmäler von nationaler Bedeu-tung verantwortlich. Soweit auf Unionsebene Bildungspläneoder -programme entwickelt und durchgeführt sowie Finanz-hilfen gewährt werden, ist dafür das „Department of Educa-tion“ innerhalb des „Ministry of Human Resource Develop-ment“ zuständig.

Damit fällt die weit gezogene konkurrierende Gesetzgebungs-kompetenz im Bildungsbereich de facto den Einzelstaaten zu.So hat beispielsweise der Staat Kerala (mit der niedrigsten An-alphabetenrate in Indien) folgende Regelungen geschaffen: den„Educational Institutions Act“ von 1949, den „Kerala Educa-tion Act“ von 1958 (mit Änderungen und Ergänzungen von1959, 1960, 1969 und 1985) und den „University Laws Act“von 1963 (mit Änderungen und Ergänzungen von 1976, 1977,1978, 1979, 1980, 1985, 1986, 1989, 1990, 1994, 1995 und2001). Ähnliche Gesetze finden sich auch in den anderen Ein-zelstaaten.

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4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Im Bereich des Vollzuges stellt diese Zersplitterung des Bil-dungswesens und der Erziehungssysteme in Indien eine großeHerausforderung dar. Sie wird noch dadurch verschärft, dassim Zuge der Umsetzung der „National Policy on Education“von 1986/1992 mit der 73. und 74. Verfassungsergänzung vom24. April und 1. Juni 1993 zahlreiche Kompetenzen im Schul-bereich auf die Kreise und Gemeinden delegiert worden sind.Dem durch Devolution und Dezentralisierung im Bildungswe-sen erzeugten, außerordentlich hohen Koordinations- und Ko-operationsbedarf wird durch zahlreiche para-staatliche Boards,Councils und Committees Rechnung zu tragen versucht.

Im Bereich der Elementarerziehung liegt das Schwergewichtder Aufgabenerfüllung heute bei den „Village EducationCommittees“ (VEC) und den „District Boards of Education(DBE)“. Sie sind zuständig für die Registrierung und Entlas-sung der Schüler, die Schulaufsicht, die Überwachung der Leh-rer, die Beachtung des Lehrplans (im Rahmen eines „NationalCurriculum Framework“) und für die Erschließung zusätzli-cher Ressourcen. Darüber hinaus werden sie an der überörtli-chen Bildungsplanung beteiligt. Weitere Kontrollfunktionenobliegen auf der Ebene der Einzelstaaten den „State Depart-ments of Education“, deren Hauptaufgabe allerdings in derVerwaltung des Sekundarschulbereichs besteht, worin sie vondem „Central Board of Secondary Education“ (CBSE) unter-stützt werden.

Im Hochschulbereich, der schon wegen der 19 Unionsuniver-sitäten und 37 weiteren überregionalen Forschungseinrichtun-gen im Wesentlichen Sache des Gesamtstaates ist, fungiert alszentrale Planungs-, Steuerungs- und Finanzierungsbehörde die„University Grants Commission“ (UGC), eine unabhängigeKommission, die schon 1956 gegründet wurde und aus 12 von

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der Zentralregierung ernannten Mitgliedern besteht, von denenzwei die Regierung und vier die Universitäten repräsentierenund die restlichen sechs prominente Fachleute aus verschiede-nen Berufszweigen sind. Die UGC unterhält sechs Regional-büros.

Außerdem ist für die einzelnen Bereiche des Bildungswesensdurch Unionsgesetz eine Vielzahl weiterer zentraler Aus-schüsse, Kommissionen und Institute errichtet worden, die dasErziehungsdepartment der Unionsregierung beraten und unter-stützen sowie an dessen Planungen und Projekten beteiligtwerden. Die wichtigsten sind: der „All India Council for Tech-nical Education (AICTE)“ aus dem Jahre 1945 (mit 7 Regio-nalcommitees); der „National Council of Educational Re-search and Training“ (NCERT) von 1961, der zusammen mitdem „National Council for Teacher Education“ (NCTE) dieLehrerausbildung koordiniert; das “Central Institute of Vocati-onal Education“ (CIVE) von 1993, zuständig für die berufli-che Bildung; schließlich das „National Institute of EducationalPlanning and Administration“ (NIEPA), das gemeinsam mitden entsprechenden „State Institutes“ als autonome Beratungs-einrichtung die staatlichen Planungen vorbereitet und die hier-für erforderlichen Daten oder Informationen bereitstellt.

5. Finanzierung

Die Finanzierung des Bildungssektors in Indien lässt sich aufdie einfache Formel bringen: Jede Ebene trägt ihre eigenenKosten, finanziert also diejenigen Aufgaben, Einrichtungen,Pläne und Programme, die sie zu verantworten bzw. produzierthat. Eine Kofinanzierung mehrerer Ebenen ist die Ausnahme.Demgemäß zahlt die Unionsregierung für die ihr zugeordnetenHochschulen, wobei allerdings die Mittel zunächst an die

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mächtige UGC gehen und von dort aus weiterverteilt werden.Die wichtigsten Programme der Unionsregierung im Elemen-tarbereich sind das „District Primary Education Programme“(DPEP), das unter anderem die Finanzierung der dezentrali-sierten Primarerziehung sicherstellt, das „Programme of Mobi-lising Local Support to Primary Schools“ (PLUS) und das„National Programme for Education of Girls at ElementaryLevel“ (NPEGEL). Im Sekundarbereich werden zahlreicheProjekte der Einzelstaaten von der Unionsregierung mitfinan-ziert, zum Beispiel Vorhaben zur stärkeren Berufsorientierungdes Sekundarunterrichts, zur schulischen Integration behinder-ter Kinder oder zur Aufwertung des Umweltschutzes als Erzie-hungsziel.

6. Formen der Kooperation

Verflechtungen zwischen den verschiedenen Ebenen sind so-wohl bei der Besetzung der genannten Einrichtungen und Be-ratungsgremien als auch bei der Mitfinanzierung der Unionvon Projekten im Primar- und Sekundarschulbereich festzu-stellen. Gelegentliche Treffen der Erziehungsminister sind in-formeller Natur; eine der Kultusministerkonferenz vergleich-bare Institution existiert in Indien nicht.

V. Kanada

1. Föderative Rahmenbedingungen

Der Bundesstaat Canada erstreckt sich auf ein Staatsgebiet vonfast 10 Mio. km2 mit nur 30,7 Mio. Einwohnern. Seine 10Gliedstaaten (Provinzen) sind Nova Scotia, New Brunswick,Quebec, Ontario, Manitoba, British Columbia, Prince EdwardIsland, Saskatchewan, Alberta, Newfoundland. Hinzu kommen

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drei nördliche Territorien: Yukon, Northwest Territories undNunavut.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Nach kanadischem Verfassungsrecht sind für das gesamte Bil-dungswesen nahezu ausschließlich die Gliedstaaten zuständig.Sektion 93 des „Constitution Act“ von 1867 ermächtigt denGesetzgeber jeder Provinz, „ausschließlich Gesetze mit Bezugauf die Erziehung zu erlassen“. Die einzigen Grenzen dieserAllzuständigkeit für die Bildungspolitik ergeben sich aus derVerfassung sowie aus der „Charter of Rights and Freedoms“von 1982 für Konfessionsschulen der Protestanten und Katho-liken. Ihr Recht, in einigen Provinzen ein gesondertes Schul-system zu etablieren, kann nur im Wege einer Verfassungsän-derung modifiziert werden.

3. Rechtsgrundlagen

Alle Provinzen verfügen über eigene „Education Acts“ (inOntario von 1990, mit jährlichen Änderungen), außerdem (amBeispiel Ontarios) über einen „Education Development Char-ges Act“, einen „Education Quality and Accountability OfficeAct“, einen „Teaching Profession Act“ und einen „UniversityFoundations Act“. Insgesamt gehört die Bildungspolitik zu denwichtigsten Politikfeldern der kanadischen Provinzen.

Andererseits ist die kanadische Bundesregierung direkt ver-antwortlich für das Bildungswesen in zwei Territorien, in Yu-kon (gemäß dem „Yukon Act“) und in den Nordwest-Territorien(gemäß dem „Northwest Territories Act“). Für die Primar- undSekundarerziehung der Ureinwohner in den Reservaten (sogenannte „First Nations“), die als Indianer oder Eskimos regi-

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striert sind, sorgt das „Federal Department of Indian Affairsand Northern Development“.

Der Hochschulbereich ist ebenfalls in vollem Umfang der Ge-setzgebungshoheit der Provinzen unterworfen (namentlich inBezug auf die Verleihung von Hochschulgraden und die Er-teilung von Abschlusszeugnissen), soweit nicht das Recht derUniversitäten auf Selbstverwaltung eingreift, das sich unter an-derem auf die Auswahl des Personals und der Studierendensowie auf die Gestaltung der Curricula erstreckt.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Anders als die meisten Staaten dieser Welt verfügt Kanada imBereich des Bildungswesens nicht über eine zentrale Behörde.Die Kontrolle über die Bildungspolitik in jeder Provinz oderjedem Territorium liegt in den Händen eines vom Parlamentgewählten und vom Premier ernannten Ministers auf regionalerEbene, dessen „Ministry“ oder „Department for Education“die Aufgabe hat, das gesamte erzieherische, administrative undfinanzielle Management bereitzustellen, um die Funktionen derSchulen zu unterstützen. Diese Erziehungsminister der Provin-zen oder Territorien sind verantwortlich für die Bestimmungaller Dienstleistungen, die auf dem Gebiet der Erziehung derBevölkerung angeboten werden müssen. Sie legen die Unter-richtsanforderungen fest und die Regeln, die für die Arbeitsbe-dingungen der Lehrer gelten, sowie nicht zuletzt die für dasBildungswesen bestimmten finanziellen Ressourcen. DurchSammlung, Verarbeitung und Auswertung von Daten nehmensie am Planungs- und Bewertungsprozess teil und informierendie an Schulen interessierte Öffentlichkeit.

Die örtliche Verwaltung des Bildungswesens ist in Kanadaüblicherweise den lokalen „School Boards“ oder „School

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Commissions“ (in New Brunswick: „District Parent Commis-sions“) anvertraut. Ihre Mitglieder werden direkt gewählt. DieRechte und Pflichten dieser Gremien sind durch Provinz- bzw.Territorialgesetze im Wesentlichen landeseinheitlich geregelt.Zu ihren Aufgaben gehören die Festlegung des Curriculums,die Überwachung der Funktionsweise und Verwaltung desSchulsystems, die Beschaffung der notwendigen Finanzen, dieErarbeitung von Vorschlägen für größere Projekte und nichtzuletzt die Verantwortung für das Personal.

Obwohl die kanadische Zentralregierung im Bildungsbereichüber keinerlei direkte Zuständigkeiten verfügt, übt sie dochauch auf diesem Gebiet einen gewissen Einfluss über Politik-gestaltung, Standardsetzung und Zielbestimmung aus. Seit1963 ist die Rolle des Bundes, vor allem bei der Sekundarer-ziehung, durch das „Department of Secretary of State“ (seit1993: „Department of Human Resources Development“) stetigverstärkt worden. Diese Behörden fördern und finanzieren di-rekt oder indirekt Dutzende von Programmen, vor allem zu-gunsten der technischen und beruflichen Bildung; sie gebenden Provinzen Zuschüsse für Gesundheit und Erziehung; sietragen zu den Kosten der universitären Forschung, der Studien-förderung und der Bundesinstitute auf der postsekundären Stu-fe bei; sie unterstützen schließlich die Spracherziehung in denbeiden offiziellen Sprachen Englisch und Französisch (letzte-res unter Beteiligung des „Department of Canadian He-ritage“). Für das Bildungs- und Erziehungswesen der Indianerund Eskimos ist – wie bereits erwähnt – das „Department ofIndian and Northern Affairs“ zuständig.

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5. Finanzierung

Die Finanzierung der Primar- und Sekundarerziehung erfolgthauptsächlich aus den allgemeinen Haushalten der Provinzenund in geringerem Umfang aus kommunalen Vermögensabga-ben. Das Aufkommen aus beiden Quellen wird den örtlichenErziehungsbehörden (in der Regel den „School Boards“) über-tragen, die nach strengen Vorschriften und Richtlinien derProvinzen zu wirtschaften haben.

Die Hochschulen werden ebenfalls zum überwiegenden Teilaus den Provinzhaushalten finanziert. Allerdings trug die Bun-desregierung bis 1977 die Hälfte ihrer Betriebskosten in Formvon bedingungsfreien Zuschüssen. Nachdem diese Praxis ver-fassungsrechtlich in Verruf gekommen war, erhalten die Pro-vinzen inzwischen so genannte „block funds“, und zwar alsBeiträge des Bundes für Sozialhilfe und soziale Dienste, dieaber auch zur Deckung der Hochschulkosten verwendet wer-den können, weil sie – wie bisher – in den allgemeinen Haus-halt fließen. Eine unmittelbare Beteiligung des Bundes an derHochschulfinanzierung ist eingestellt worden, seit die Provin-zen ermächtigt wurden, Studiengebühren zu erheben, die in-zwischen 20 bis 25 Prozent der laufenden Kosten decken. Aufden maßgeblichen Anteil des Bundes an der Aufbringung vonMitteln für die wissenschaftliche Forschung wurde bereits hin-gewiesen.

6. Formen der Kooperation

In Kanada existiert – nicht zuletzt wegen der Zersplitterung imBildungswesen – ein engmaschiges Netz horizontaler und ver-tikaler Koordinierung. Bereits 1967 wurde der „Council ofMinisters of Education, Canada“ (CMEC) gegründet, der –nicht vergleichbar mit der Kultusministerkonferenz in

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Deutschland – lediglich als Diskussionsforum gemeinsamerProbleme dient und sich daneben überwiegend mit der Erfor-schung und Entwicklung des Bildungswesens beschäftigt, abernicht auf das Tagesgeschäft der Bildungsinstitutionen einwirkt.Auf ihn geht vor allem das „School Achievement IndicatorsProgramme“ (SAIP) zurück, mit dem zum ersten Mal ein lan-desweites „benchmarking“ im Bildungssektor ermöglicht wur-de. Auch der 1989 eingerichtete „Canadian Education Sta-tistics Council“ (CESC) ist vom CMEC geschaffen worden.

Eine vertikale Zusammenarbeit zwischen der Bundesebene undden Provinzen findet in zwei weiteren Bereichen statt, diezugleich gewisse Wettbewerbsmerkmale aufweisen. Im erstenFall geht es um das Arbeitsmarkttraining, für das der Bund einRahmengesetz erlassen und in bilateralen Vereinbarungen mitden Provinzen die Bedingungen ausgehandelt hat, unter denener deren Programme mitfinanziert. Im Gegenzug wurden dieProvinzen veranlasst, sich an den Arbeitsmarktprojekten desBundes zu beteiligen. Das Konkurrenzelement besteht hierdarin, dass beispielsweise Ottawa eigene Parallelprogrammedurchführt. Der zweite Bereich betrifft die Studentenfinanzie-rung. Hier bieten beide Ebenen getrennte Programme an, die jenach Vermögenssituation und Leistungsfähigkeit eines An-tragstellers unterschiedlich hoch dotiert sind. Neben den Stu-dienförderungsplänen der Provinzen existiert schon seit langerZeit das „Canada Student Loans Program“ für Hochbegabte,das von den Provinzen im Auftrag des Bundes durchgeführtwird. Neuerdings hat die Bundesregierung ein Projekt in An-griff genommen, das von einer eigens hierfür durch Bundesge-setz gegründeten Stiftung betreut wird: das „Canada Millen-nium Scholarship Program“, bei welchem die Provinzen auf-grund von Vereinbarungen mit der Stiftung den studentischenBeitrag verwalten.

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VI. Malaysia

1. Föderative Rahmenbedingungen

Der Bundesstaat Malaysia erstreckt sich über ein Gebiet von330 000 km2 und hat 22,3 Mio. Einwohner. Er gliedert sich in13 Einzelstaaten und zwei Bundesterritorien: Johore, Kedah,Kelantan, Malacca, Negeri Sembilan, Pahang, Penang, Perak,Perlis, Sabah, Sarawak, Selangor und Trengganu sowie dieBundesterritorien Kuala Lumpur und Labuan. Der Islam istzwar Staatsreligion; die Verfassung von 1957 gewährleistet inArtikel 3 Absatz 1 aber auch den Menschen anderen Glaubensdie Ausübung ihrer Religion „in Frieden und Harmonie aufdem gesamten Staatsgebiet“.

2. Gesetzgebungskompetenzen

In Malaysia ist – äußerst ungewöhnlich für einen Bundesstaat– das gesamte Bildungs- und Erziehungswesen zentralisiert. Im9. Anhang („Ninth Schedule“) zur Verfassung enthält die ListeI („Federal List“) mit den ausschließlichen Gesetzgebungszu-ständigkeiten des Gesamtstaates ohne jede Einschränkung fol-gende Aufzählung: Nr. 12 c): wissenschaftliche und technischeForschung“; Nr. 13: Erziehung a): Elementar-, Sekundar- undUniversitätserziehung; berufliche und technische Ausbildung;Lehrerausbildung; Erfassung und Kontrolle der Lehrer, Ver-walter und Schulen; Förderung spezieller Studien und For-schungsvorhaben; wissenschaftliche und literarische Gesell-schaften. Für die Einzelstaaten bleibt nach Liste III mit denkonkurrierenden Kompetenzen nach Nr. 2 nur das „Sti-pendienwesen“ übrig.

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3. Rechtsgrundlagen

Die Fundamente des Bildungssystems sind zunächst in ver-schiedenen Entwicklungsplänen verankert worden. Vor allemdie Empfehlungen aus dem „Razak-Report“ von 1956 und dem„Rahman-Talib-Report“ von 1960 bildeten die Grundlage desersten „Education Act“ von 1961 sowie des heute noch maß-geblichen „Education Act“ von 1996, der im Rahmen einergroß angelegten Bildungsreform das frühere Gesetz in sichaufgenommen und alle Stufen des Bildungswesens von derVorschulerziehung über die Primar- und die Sekundarschulebis hin zur nachsekundären Erziehung erfasst hat. Mit einerweiteren Ergänzung durch den „Education Amendment Act“von 2002 wurden die allgemeine Schulpflicht ab einem Altervon sechs Jahren eingeführt und Eltern, die ihr zuwider-handeln, mit einer Strafe bis zu sechs Monaten Gefängnis be-droht.

Für die Errichtung und Verwaltung der öffentlichen Universi-täten ist der „Universities and University Colleges Act“ von1971 maßgeblich. Dieses Gesetz wurde 1996 ergänzt, um inden Universitäten eine körperschaftliche Struktur und moder-nes Management einzuführen. Für die Privatuniversitäten, Col-leges und Filialen auswärtiger Universitäten sowie insbe-sondere für die Höherstufung von Colleges zu Universitätenwurde im Jahre 1996 erstmals ein so genannter „Private Hig-her Education Institutions Act“ geschaffen.

Außerdem existieren auf gesamtstaatlicher Ebene kraft Geset-zes drei wichtige Einrichtungen für das gesamte Universitäts-wesen: 1. ein „National Council on Higher Education“, der fürdie Hochschulpolitik und die Koordinierung ihrer Entwicklungverantwortlich ist (Gesetz von 1996); 2. ein „National Accre-ditation Board“, der für die Aufrechterhaltung der akademi-schen Standards und die Qualitätssicherung der Hochschulen

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zuständig ist (Gesetz von 1996); 3. ein „National Higher Edu-cation Fund Board“, der für die Vergabe von finanziellen Zu-wendungen (Stipendien) an Studierende zu sorgen hat (Gesetzvon 1997).

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Auf Bundesebene überträgt ein Erziehungsministerium („Mi-nistry of Education“) die Bildungspolitik entsprechend dennationalen Anforderungen und Zielen in die einzelnen Erzie-hungs- und Lehrpläne, Programme oder Projekte und über-wacht deren Durchführung. Dieses Ministerium ist auf vierEbenen angesiedelt: auf der Ebene des Bundes, der Einzel-staaten, der Distrikte und der Schulen, wobei die Verwaltungs-distrikte im Schulbereich nach dessen besonderen Erfordernis-sen abgegrenzt sind und nicht mit den politischen Distriktenübereinstimmen. Der Entscheidungsprozess im Bereich derBildungspolitik auf nationaler Ebene wird durch eine Vielzahlvon Komitees unterstützt, an deren Spitze das „EducationalPlanning Committee“ (EPC) steht, welches voll in das Erzie-hungsministerium eingegliedert ist und dessen Vorsitz der Er-ziehungsminister selbst innehat. Das Sekretariat des EPC, die„Educational Planning and Research Division“ (EPRD), be-reitet nicht nur dessen Entscheidungen vor, sondern stellt prak-tisch die Zentralstelle für die gesamte Planung, Forschung,Evaluierung, Politikanalyse und Koordinierung der Bildungs-politik und ihre Umsetzung dar.

Auch auf der Ebene der 13 Einzelstaaten sind Erziehungs-ministerien („State Education Departments“) vorhanden. Siewerden von einem Direktor geleitet und haben im Wesentli-chen nur die Aufgabe, die auf nationaler Ebene entwickeltenProgramme, Projekte und Aktivitäten im regionalen Rahmen

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zu vollziehen. Im Vordergrund stehen dabei die Organisationund Koordinierung der einzelnen Schulen, die Verwaltung desPersonals, die Überwachung der Erziehungsprogramme, dieDurchführung der Schulentwicklungspläne sowie nicht zuletztdie regelmäßige Rückmeldung von praktischen Erfahrungen andas zentrale Erziehungsministerium zur Fortschreibung undVerbesserung der einzelnen Bildungspläne.

Abgesehen von Perlis, Malacca und den Bundesterritorien gibtes in allen Staaten auch auf Distriktebene Schulverwaltungs-stellen, darunter das „District Education Office“ als nachge-ordnete Behörde des regionalen Erziehungsministeriums, wel-ches die Verbindung zwischen den einzelnen Schulen und derübergeordneten Schulverwaltung herstellt und vor allem letz-tere bei ihrer Kontrolle über die Durchführung der Erziehungs-programme unterstützt. In Sabah nennen sich diese Behörden„Residency Education Offices“, in Sarawak „Division Educa-tion Offices“.

Jede Primarschule wird von einem „Director“, jede Sekundar-schule von einem „Principal“ geleitet. Beide werden von sogenannten „School Boards“ unterstützt, von denen die wich-tigsten das „Board of Managers“ und die örtliche Vertretungder mächtigen „Parent-Teacher Association“ (PTA) sind.

5. Finanzierung

Die Finanzierung des malaysischen Bildungssystems ist inerster Linie Sache des Bundes. Dies entspricht dem Umstand,dass alle wesentlichen Steuern Bundessteuern sind, an denendie Einzelstaaten allerdings entsprechend ihrer Einwohnerzahl(nach Kopfquoten) und der Länge ihrer Straßen (nach Meilen)beteiligt werden. Soweit untergeordnete Ebenen (Einzelstaa-ten, Distrikte) einzelne Bereiche des Bildungssystems mitfi-

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nanzieren, sind sie im Wesentlichen auf zentralstaatlicheTransfers angewiesen, die bei den Einzelstaaten etwa 20 Pro-zent ihres Budgets und bei den Distrikten sogar 40 Prozent derGesamteinnahmen ausmachen. Hinzu kommen weitereZweckzuweisungen „special grants“ für die Durchführungbestimmter Bildungsprogramme, aber auch für das Hoch-schulwesen.

6. Formen der Kooperation

Da das malaysische Bildungssystem stark zentralisiert unddemgemäß die Organisation der Erziehungsbehörden hierar-chisch organisiert ist, besteht nur ein geringer Bedarf an verti-kaler Koordinierung. Die verschiedenen Bildungspläne undErziehungsprogramme werden in der Regel „von oben nachunten“ administriert. Soweit die Bildungspolitik zwischen denEinzelstaaten horizontal aufeinander abgestimmt werden muss,sorgen dafür die jeweils nachgeordneten Dienststellen des na-tionalen Erziehungsministeriums auf den vier verschiedenenEbenen.

VII. Mexiko

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Vereinigten Mexikanischen Staaten (so der offizielle Na-me) erstrecken sich über eine Fläche von 1,9 Mio. km2 bei ei-ner Bevölkerung von fast 100 Mio. Einwohnern. Mexiko ist ineinen Bundesdistrikt und folgende 31 Staaten gegliedert: Agu-ascalientes, Baja California, Campeche, Coahuila, Colima,Chiapas, Chihuahua, Durango, Guanajuato, Guerrero, Hidalgo,Jalisco, México, Michoacán, Morelos, Nayarit, Nuevo León,Oaxaca, Puebla, Querétaro, San Luis Potosí, Sinaloa, Sonora,

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Tabasco, Tamaulipas, Tlaxcala, Veracruz, Yucatán, Zacatecasund die Territorien von Baja California Sur und Quintana Roo.Die Analphabetenrate ist unter den Ureinwohnern indianischerAbstammung noch immer sehr hoch; im Durchschnitt beträgtsie 8,8 Prozent der Bevölkerung.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die mexikanische Verfassung von 1917 sieht in Artikel 3 ihrermehrfach geänderten heutigen Form eine allgemeine Bürger-pflicht vor, sich an allen Arten und Stufen der Erziehung aktivzu beteiligen. Zugleich wird vorgeschrieben, dass alle Ein-richtungen des Bildungswesens von der Elementarerziehungbis hin zum Hochschulwesen einer ausdrücklichen Autorisie-rung durch die öffentliche Gewalt bedürfen, die jederzeit ohnegerichtliche Kontrolle auch wieder entzogen werden kann (II.).Dem entspricht eine umfassende Zuständigkeit des mexikani-schen Kongresses, das Erziehungswesen im gesamten Staats-gebiet zu vereinheitlichen und zu koordinieren sowie alle Ge-setze zu erlassen, die notwendig sind, um die gesellschaftli-chen Aufgaben der Erziehung zwischen Union, Staaten undKommunen aufzuteilen und für eine ausreichende Finanzie-rung Sorge zu tragen (VIII.). Ergänzend zu der genannten Bür-gerpflicht in Artikel 3 (II.) normiert Artikel 31 (I.) eine Pflichtder Eltern, darauf zu achten, dass ihre Kinder unter 15 Jahrenöffentliche oder private Schulen besuchen und eine Primär-,Elementar- oder Militärausbildung in jedem Staate absolvie-ren. Schließlich verleiht Artikel 73 (XXV.) seit 1966 dem me-xikanischen Kongress die ausschließliche Gesetzgebungskom-petenz für die Errichtung, Organisation und Unterhaltung vonländlichen Schulen sowie von Grund-, Haupt- und HöherenSchulen oder von Berufsschulen und Schulen für wissen-schaftliche Forschung. Diese Gesetze sollen insbesondere die

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Erfüllung der Erziehungsaufgaben und die Zuweisung der er-forderlichen Mittel zwischen der Union, den Staaten und denKommunen so verteilen, dass das Erziehungswesen im ge-samten Staatsgebiet vereinheitlicht und koordiniert wird.

3. Rechtsgrundlagen

Diese verfassungsrechtlichen Regelungen hatten zur Folge,dass das Bildungswesen in Mexiko – für einen Bundesstaatungewöhnlich – stark zentralisiert war. Heute beruht es imWesentlichen auf einem „Nationalen Pakt zur Modernisierungder Grunderziehung“ („Educación Básica“) vom Mai 1992zwischen der Unionsregierung, den Regierungen der 31 Staa-ten und der „Nationalen Gewerkschaft für Erziehung“ (SNTE).Die Beteiligten haben darin vereinbart, das gesamte Schulsys-tem zu reorganisieren und föderative Strukturen im Erzie-hungswesen wiederherzustellen. Zu diesem Zweck wurde dieSchulverwaltung entflochten und dezentralisiert sowie die U-nion verpflichtet, entsprechende finanzielle Ressourcen auf dieunteren Ebenen zu verlagern.

Für die Ausgestaltung des Bildungs- und Erziehungswesens inMexiko sind vor allem drei Gesetze maßgebend: 1. das „All-gemeine Erziehungsgesetz“ („Ley General de Educación“[LGE]), 2. das „Organgesetz über die öffentliche Verwaltungdes Bundes“ („Ley Orgánica de la Administración PublicaFederal“) und die „Verwaltungsvorschrift des Sekretariats füröffentliche Erziehung“ („Reglamento Interior de la Secretaríade Educación Publica“).

Das „Allgemeine Erziehungsgesetz“ vom Juli 1993 war in ers-ter Linie dazu bestimmt, die wichtigsten Ergebnisse und Ab-sprachen aus dem Nationalen Erziehungspakt von 1992 umzu-setzen. Es konkretisiert die in Artikel 3 der Verfassung enthal-

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tenen Bürgerpflichten und Staatsaufgaben, präzisiert die Be-fugnis der Bundesregierung zur Führung eines „Sekretariatsfür öffentliche Erziehung“ und normiert die Kompetenzen derEinzelstaaten auf dem Gebiet der Erziehung. Außerdem über-trägt es dem Gesamtstaat die Verantwortung für einen Aus-gleich des Bildungsgefälles zwischen den verschiedenen Regi-onen und föderativen Einheiten. Schließlich soll es daraufhinwirken, dass bereits die Grunderziehung auf eine spätereBerufstätigkeit vorbereitet und sich an den Erfordernissen desproduktiven Sektors orientiert.

Das Organgesetz über die öffentliche Verwaltung des Bundesvon 1976 sieht in dem 1992 hinzugefügten Artikel 38 die Er-richtung des Unionssekretariats für öffentliche Erziehung(SEP) vor, verbunden mit einer Verordnungsermächtigung, aufderen Grundlage 1994 die Verwaltungsvorschrift über jenesSekretariat ergangen ist. In dieser Verwaltungsvorschrift sindnicht nur die weit reichenden Aufgaben und Befugnisse desSEP geregelt, sondern auch deren zentrale Organisation unddezentrale Gliederung mit Subsekretariaten, Generaldirektio-nen und anderen dekonzentrierten Einheiten, die dafür sorgensollen, dass die nationale Bildungspolitik auf allen Ebenenmöglichst einheitlich vollzogen wird.

Schließlich regelt das „Gesetz über die Koordination der höhe-ren Erziehung“ „Ley para la Coordinación de la EducaciónSuperior“ vom Dezember 1978 die Prinzipien und Maßnah-men, mittels deren die Bedingungen der Integration, des Auf-baus sowie der Erweiterung und Entwicklung der Erziehungauf diesem Gebiet herbeigeführt wird. Dazu gehören die Funk-tionsbestimmung der höheren Erziehung einschließlich derFörderung, Einrichtung und Ausrichtung der Erziehungs-dienste, die Veröffentlichung von Büchern und die Produktionvon didaktischem Material, die Ausstellung der Studienzertifi-

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kate, Ausfertigung der Diplome, Titel und akademischen Gra-de sowie nicht zuletzt die Anerkennung von Studiengängen.Damit tritt dieses Gesetz in Mexiko praktisch an die Stelle ei-nes Bundeshochschulgesetzes.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Im Bereich der vollziehenden Gewalt wird die Bundesregie-rung auf dem Bildungssektor nur über das bereits genannte„Sekretariat für öffentliche Erziehung“ („Secretaría de Educa-ción Pública“ [SEP]) tätig. Ein zentrales Bildungsministeriumexistiert nicht. Allerdings verfügt jenes Sekretariat über nach-geordnete Subsekretariate, sodass auf diese Weise der Bundes-einfluss auf das Erziehungswesen für alle Ebenen sichergestelltwerden kann. Zu den wichtigsten Aufgaben des SEP gehört dieEntwicklung von Plänen und Programmen für die Primar- undSekundarerziehung und die Lehrerausbildung, die Aufstellungeines Schul- und Ferienkalenders, die Autorisierung des Lehr-und Lernmaterials, die Führung eines Registers staatlich aner-kannter Bildungseinrichtungen sowie nicht zuletzt die Evaluie-rung der Programmdurchführung bei den einzelnen Bildungs-einrichtungen.

An der Spitze der einzelnen Hochschulen steht ein Direktor,der von einem Präsidium und einem „technischen Rat“ („con-sejo técnico“) unterstützt wird. Letzterer tritt einmal im Monatzusammen, hat aber nur beratende Funktion. In den Sekun-darschulen existiert ein so genannter „technischer Schulrat“(„consejo técnico escolar“). Die Primar- und Sekundarschulenwerden durch lokale Akademien ergänzt, die sich vor allem derBerufsausbildung widmen. Die pädagogische und administra-tive Kontrolle über das Schulwesen liegt für die Primarschulenbei staatlichen Schulräten („supervisores“) und bei Sekundar-

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schulen bei Generalinspektoren („inspectores generales“).Beide sind den lokalen und regionalen Zweigstellen des „Na-tionalen Sekretariats für öffentliche Erziehung“ zugeordnet.

5. Finanzierung

Bei der Finanzierung des Bildungssystems sind sowohl dieEinzelstaaten als auch die Kommunen nach wie vor weitestge-hend abhängig von der Bundesregierung. Das gilt auch fürFinanzzuweisungen, die an die untergeordneten Ebenen in derRegel nur zweckgebunden und nicht als allgemeine Haus-haltsmittel zur freien Verfügung im Bildungssektor gewährtwerden. Sowohl die Staaten als auch die Kommunen beklagensich immer wieder darüber, dass sie gerade im Bereich derBildung und Erziehung von der Zentralregierung finanziell ander kurzen Leine gehalten werden.

6. Formen der Kooperation

Auch das Problem der vertikalen und horizontalen Koordinie-rung auf dem Bildungssektor wird in Mexiko noch immerzentralistisch gelöst. Das SEP organisiert auf nationaler undregionaler Ebene regelmäßige Konferenzen von Vertretern derverschiedenen Bildungseinrichtungen, die der wechselseitigenInformation und der Vorbereitung von Sekretariatsentschei-dungen dienen. Diese Konferenzen haben sich immer stärkerzu den wichtigsten Foren einer offenen Diskussion unter deneinzelnen Organisationen und Interessengruppen der Zivilge-sellschaft entwickelt, soweit diese sich mit Fragen der Erzie-hung und Bildung beschäftigen.

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VIII. Niederlande

1. Föderative Rahmenbedingungen

Das Königreich der Niederlande erstreckt sich auf eine Flächevon 41530 km2 und hat 15,8 Mio. Einwohner. Es ist seit Januar1986 in 12 Provinzen gegliedert: Drenthe, Flevoland, Fries-land, Gelderland, Groningen, Limburg, Nordbrabant, Nordhol-land, Overijssel, Südholland, Utrecht und Seeland. Die Provin-zen bilden die mittlere Verwaltungsebene zwischen der natio-nalen Regierung und den Kommunen und sind für Fragen vonregionaler Bedeutung zuständig.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die niederländische Verfassung von 1815 (Stand: 2002) ent-hält in Artikel 23 eine umfassende Regelung über die Grundla-gen der Bildungspolitik. Danach ist das Erziehungswesen eineAngelegenheit von ständigem Interesse der Regierung. DieErteilung von Unterricht ist frei; sie steht unter staatlicher Auf-sicht, welche die Prüfung der Befähigung von Lehrkräften ein-schließt. In jeder Gemeinde sorgen öffentlich-rechtliche Kör-perschaften dafür, dass an öffentlichen Schulen genügend all-gemein bildender Grundschulunterricht erteilt wird. Die An-forderungen, die an die Qualität des ganz oder teilweise aus öf-fentlichen Mitteln zu finanzierenden Unterrichts zu stellensind, werden durch Gesetz geregelt, und zwar so, dass öffentli-che und private Schulen gleiche Chancen erhalten. Die Regie-rung hat die Generalstaaten (das niederländische Parlament)alljährlich über die Lage im Bildungssektor zu unterrichten.

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3. Rechtsgrundlagen

Das Erziehungs- und Bildungswesen der Niederlande ist ineiner Vielzahl nationaler Gesetze geregelt, die sich jeweils aufdie einzelnen Schulstufen beziehen. So ergibt sich die Schul-pflicht mit Beginn des fünften Lebensjahres aus dem „Gesetzüber die Schulpflicht“ vom 30. Mai 1968. Die Primarerziehungist im „Gesetz über die Grund- und Hauptschulen“ vom 2. Juli1981 in der Neufassung von 1998, die Sekundarerziehung im„Gesetz über die Oberschulen“ vom 14. Februar 1963 gere-gelt. Beide Gesetze schaffen einen einheitlichen Rechtsrahmenfür das gesamte Schulwesen in den Niederlanden. Hinzukommt ein „Gesetz über Expertenzentren“ vom 1. August1998, in dem die Behindertenerziehung geregelt ist.

Für den Hochschulbereich existiert seit 1993 ein „Gesetz überdie akademische Lehre und Forschung“. Dieses Hochschulge-setz enthält allgemeine Vorschriften über die Ziele der Hoch-schulausbildung, die institutionellen Strukturen der Hoch-schulen, die Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen sowieRegelungen über die Entwicklungsplanung nebst Finanzierungder Hochschulen und deren Zusammenarbeit. Darüber hinauswerden die Hochschulen verpflichtet, für eine unabhängigeQualitätsbeurteilung ihrer Aktivitäten durch neutrale Expertenzu sorgen und deren Ergebnisse zu veröffentlichen. In Bezugauf die Studieninhalte beschränkt sich der Staat auf ein „Gesetzüber die Akkreditierung der Höheren Erziehung“ aus dem Jah-re 2002. Es enthält die Kriterien für die Anerkennung allerStudiengänge und akademischen Grade, die von den Universi-täten und den Einrichtungen der Berufsbildung angebotenwerden. Nur diese anerkannten Programme, die in ein beson-deres Register aufgenommen werden „Zentralregister der Hö-heren Erziehung“ erhalten finanzielle Zuwendungen vom Staatund bilden zugleich die Grundlage für eine entsprechende För-

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derung der Studierenden. Zuständig für die Anerkennung derProgramme und Studiengänge sowie für deren Evaluierung istdie „Niederländische Akkreditierungs-Organisation“ (NAO),eine unabhängige Agentur, die lediglich der Rechtsaufsicht desErziehungsministeriums unterliegt. Allerdings kann sich derMinister auch gegen die Empfehlungen der NAO zur Einrich-tung neuer Studiengänge aussprechen, wenn diese mit Blickauf die Gesamtsituation nicht zweckdienlich erscheinen.

Die Berufsausbildung ist in einem besonderen „Gesetz überWeiterbildung und berufliche Bildung“ (WEB) geregelt, dasam 1. Januar 1996 in Kraft trat und eine Vielzahl früherer Ein-zelvorschriften ersetzt hat. Ein besonderes Merkmal diesesGesetzes besteht darin, dass es die Berufsausbildung erheblichflexibler gestaltet und an den Erfordernissen des Arbeitsmark-tes ausrichtet. Auch wird den einzelnen Institutionen auf die-sem Gebiet eine größere Freiheit bei der Entwicklung eigenerProgramme eingeräumt, die stärker praxisbezogen konzipiertwerden sollen.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Die Verwaltung des Bildungswesens in den Niederlanden iststark dezentralisiert, d.h. von unten (Gemeinden) nach oben(Zentralregierung) aufgebaut, und vom Grundsatz der Freiheitder Erziehung geprägt, der in zahlreichen Einzelregelungenüber die Errichtung und Organisation von Schulen sowie überdie pädagogischen und didaktischen Unterrichtsmethoden sei-nen Niederschlag gefunden hat. Neben den öffentlichen Schu-len existiert daher eine Vielzahl privater (Bekenntnis- oder be-kenntnisfreier) Schulen, die von fast Zweidritteln aller Schülerbesucht werden. Für die Qualitätssicherung des Unterrichtssind die Schulen selbst verantwortlich, während die Gemein-

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den für die lokale Koordinierung zwischen dem Erziehungsbe-reich und anderen gesellschaftlichen Sektoren zu sorgen haben.Die einzelnen Schulen haben Schulpläne aufzustellen, welchedie Schulpolitik, ein Schulhandbuch mit den Zielen, Aktivitä-ten und Ergebnissen jeder Schule sowie ein Beschwerdever-fahren enthalten müssen.

An der Spitze jeder Schule steht ein Direktor (für Schulen desPrimarbereichs) und ein Rektor (für Schulen des Sekundarbe-reichs). Ihnen ist als beratendes Gremium auf der Grundlagedes „Erziehungsbeteiligungsgesetzes“ von 1992 ein Repräsen-tativorgan beigeordnet, das aus einer gleichen Zahl von Lehre-rinnen und Lehrern einerseits sowie von Eltern und Schülernandererseits besteht. Auf staatlicher Seite überwacht der Ge-meinderat die Erfüllung der Schulpflicht und die Beachtungder Kriterien für die Einschulung. Jede Gemeinde hat einen fürdie Schulaufsicht verantwortlichen Bediensteten zu ernennen.

Auf nationaler Ebene kontrolliert das „Ministerium für Erzie-hung, Kultur und Wissenschaft“ den gesamten Bildungsbereich.Die entsprechende Zuständigkeit liegt bei einem „Erziehungs-inspektorat“ im Verantwortungsbereich des Ministeriums, dasvon einem „Generalinspekteur für Erziehung“ sowie von weite-ren drei Hauptinspektoren geleitet wird. Jeder dieser drei Haupt-inspektoren ist für die inhaltliche Koordinierung eines odermehrerer Bildungssektoren im gesamten Land zuständig. Unterihrer Leitung üben weitere Inspektoren die Aufsicht in den ein-zelnen Schulverwaltungsbezirken aus. Ihre Kontrollbefugnisseerstrecken sich in erster Linie auf die Rechtmäßigkeit der ein-zelnen schulischen Maßnahmen. Zu diesem Zweck besuchen sieeinzelne Schulen und nehmen an deren Unterricht teil. Darüberhinaus fördern sie die schulische Entwicklung, berichten überihre Erfahrungen den jeweils höheren Stellen und fügen diesenBerichten eigene Empfehlungen bei.

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Die Provinzen (mit ihren Provinzparlamenten und Provinzaus-schüssen) besitzen im Bildungswesen außer der Dienstaufsichtüber das Personal keine eigenen Zuständigkeiten. Ihre Haupt-aufgaben bestehen darin, die vom nationalen Parlament be-schlossenen Leitlinien auf den Gebieten Raumordnung, Um-weltschutz, Wasserwirtschaft, Straßenbau und soziale Ein-richtungen umzusetzen.

5. Finanzierung

Die Hauptquelle der Finanzierung des Bildungssystems in denNiederlanden bildet der Etat des Ministeriums für Erziehung,Kultur und Wissenschaft, das im Jahre 2001 mit 10,5 Mrd.Euro (entspricht ca. 5 Prozent des Bruttosozialprodukts) überden größten Einzelhaushalt aller Ressorts verfügte. Dieser un-gewöhnlich hohe Zuwendungsaufwand spiegelt die Bedeutungwider, die man dort dem Bildungswesen beimisst. Die ministe-riellen Zuschüsse zur Primar- und Sekundarerziehung fließennur in geringem Umfang direkt an die einzelnen Institutionen(Schulen, andere Bildungseinrichtungen) und zum überwie-genden Teil einerseits an die Kommunen und andererseits anEltern und Studierende. Im Durchschnitt zahlt jede Gemeindeetwa 320,- Euro pro Schulkind in der Grund- und Hauptschule,180,- Euro in der Oberschule und 90,- Euro in der Berufsschu-le. Die Institutionen sind ihrerseits befugt, eigene Einnahmenzu generieren.

Für die Höhere Erziehung in den zwölf Universitäten undFachhochschulen gelten besondere Regeln: Sie werden unmit-telbar aus Zuwendungen des Erziehungsministeriums finan-ziert, deren Höhe sich nach der Zahl der Studierenden und derQualität der Abschlüsse richtet. Darüber hinaus werden Schul-und Studiengebühren erhoben (für den Schulbesuch zwischen

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dem 16. bis 18. Lebensjahr: ca. 600 Euro pro Jahr; für Studie-rende: ca. 1500 Euro pro Jahr). Die wissenschaftliche For-schung wird über drei verschiedene Wege finanziert. Die Zu-schüsse der Zentralregierung an die Universitäten schließeneine bestimmte Summe für Forschungszwecke ein. Darüberhinaus finanziert die „Niederländische Organisation für wis-senschaftliche Forschung“ bestimmte Forschungsprojekte anden einzelnen Universitäten. Schließlich können auch die Uni-versitäten selbst Mittel und Spenden zu Forschungszweckeneinwerben. Insoweit nimmt der private Sektor insgesamt mit ca.zehn Prozent an der Forschungsförderung teil.

6. Formen der Kooperation

Trotz der starken Dezentralisierung und Fragmentierung desBildungswesens in den Niederlanden sind die Koordinierungs-und Kooperationsstrukturen nur schwach ausgeprägt. Vertikalstimmen sich die örtlichen Schulträger über die Verwaltungender Schulbezirke mit dem Bildungsministerium ab; horizontalarbeiten die Schulträger in kommunalen Interessenverbändenoder in landesweiten Vereinigungen der verschiedenen religiö-sen oder weltanschaulichen Gruppen zusammen.

IX. Nigeria

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Bundesrepublik von Nigeria umfasst ein Gebiet von923770 km2 und ist mit einer Zahl von 123,9 Mio. Einwoh-nern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Sie gliedert sichin 35 Staaten und ein Bundesterritorium: Adamawa, AkwaIbom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Benue, Borno, Cross River,Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Gombe, Imo, Jigawa, Ka-

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duna, Kano, Katsina, Kebbi, Kogi, Kwara, Lagos, Nasarawa,Niger, Ogun, Ondo, Osun, Oyo, Plateau, Rivers, Sokoto, Ta-raba, Yobe, Zamfara und Abuja. Nigeria hat 593 Städte undGemeinden und ist in sechs geopolitische Zonen aufgeteilt.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die Verfassung von 1999 verpflichtet in Artikel 18 die Bun-desregierung vor allem, das Analphabetentum zu bekämpfen.Zu diesem Zweck soll sie für eine auf allgemeiner Schulpflichtberuhende Primarerziehung, eine Sekundarerziehung und eineUniversitätsausbildung sorgen, die sämtlich kostenlos sind.Außerdem sollen unentgeltliche Alphabetisierungsprogrammefür Erwachsene durchgeführt werden. Gemäß Nr. 60 der Sche-dule II verfügt der Bund über eine ausschließliche Gesetzge-bungskompetenz zur Festlegung von Mindeststandards für alleStufen der Erziehung. Darüber hinaus hat das nationale Parla-ment nach Schedule III weitere konkurrierenden Zuständig-keiten: 1. zum Erlass von Gesetzen über Bildung und Erzie-hung in Universitäten, technischen Hochschulen und solchenEinrichtungen der Berufsausbildung, die durch weitere Gesetzebestimmt werden (Nr. 27) – einschließlich der Schaffung ent-sprechender Einrichtungen (Nr. 28); 2. zum Erlass von Geset-zen, welche diese Befugnisse auf die Einzelstaaten übertragenkann (Nr. 29); 3. zum Erlass von Gesetzen zur Regelung undKoordination der wissenschaftlichen und technologischen For-schung im gesamten Staatsgebiet (Nr. 21). Dabei soll keine derBefugnisse auf jenen Gebieten so aufgefasst werden, dass siedem nationalen Parlament bei der Verabschiedung von Geset-zen, die in den Bereichen der Bildung und Erziehung an dieStaaten gerichtet sind, Grenzen zieht (Nr. 30). Schließlich ord-net die Verfassung in Nr. 2a ihrer Schedule IV die Regelungund Aufrechterhaltung der Primarerziehung, Erwachsenenbil-

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dung und Berufsausbildung einem Bereich zu, in dem die Ge-meinderäte an der Regierung der Einzelstaaten teilnehmensollen.

3. Rechtsgrundlagen

Zu den Hauptzielen der nigerianischen Bildungspolitik gehörtneben dem Kampf gegen das Analphabetentum die Überwin-dung von erheblichen Disparitäten zwischen ländlichen undstädtischen Gebieten, zwischen Schulen des Bundes und de-nen, die von den Einzelstaaten, Gemeinden oder privaten A-genturen betrieben werden, bei Einschulungen zwischen Frau-en und Männern und nicht zuletzt zwischen den Zulas-sungszahlen und den vorhandenen Ausbildungsressourcen. Dierapide Ausweitung der Nachfrage nach Bildungsangeboten aufallen Stufen, begleitet von schnellen Politikwechseln und einerschrumpfenden Wirtschaft, haben zu erheblichen Beschrän-kungen bei der Entwicklung des Bildungswesens im Landegeführt. Die neue demokratische Regierung in Nigeria hat Bil-dung und Erziehung zu ihren Prioritäten erklärt und im Sep-tember 1999 ein „Universal Basic Education Scheme“ (UBE)beschlossen, das eine Verpflichtung aller Bürger zur Erhöhungihres Bildungsstandes begründet, eine kostenlose allgemeineGrundausbildung für jedes schulfähige Kind vorsieht, die Zahlder nicht beschulten Kinder und Schulabbrecher durch einedrastische Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung derBildungsangebote zu verringern verlangt, den Erwerb geeig-neter Fähigkeiten im Lesen, Rechnen, Handeln und Kommuni-zieren erleichtern soll sowie jene ethischen und zivilen Wertezu vermitteln fordert, die eine solide Grundlage für lebenslan-ges Lernen darstellen. Im Einzelnen besteht das UBE aus dreiKomponenten: einer förmliche Basisausbildung, welche dieersten neun Schuljahre umfasst (Grund- und Hauptschule), ei-

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ner „Nomaden-Erziehung“ für Kinder von wandernden Wei-devölkern und Fischern sowie einem Alphabetisierungspro-gramm im informellen Bereich für schulferne Kinder, Jugend-liche und Erwachsene.

Dieses Programm konnte sich allerdings auf eine Reihe recht-licher Regelungen stützen, die schon vorher erlassen wordenwaren: das „Dekret Nr. 16“ von 1985, welches die nationalePolitik zur Förderung besonders begabter Kinder verpflichtet,das „Dekret Nr. 17“ vom 26. Juni 1990, mit dem eine Natio-nale Kommission für Massenalphabetisierung, Erwachsenen-bildung und informelle Erziehung eingerichtet wurde und das„Dekret Nr. 96“ von 1993, aufgrund dessen die „NationaleKommission für Primarerziehung“ (NPEC) wiedererrichtetwurde. Schließlich wurde im Jahre 1993 mit dem „Dekret Nr.9“ auch der Verfassungsauftrag eingelöst, nationale Mindest-standards für alle Formen und Stufen der Bildung festzusetzen.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Entsprechend der föderativen Struktur Nigerias ist die Ver-waltung des Bildungs- und Erziehungswesens zwischen derZentralregierung, den Regierungen der Einzelstaaten und derörtlichen Administration aufgeteilt. Das gilt selbst für die Pri-marerziehung, an deren praktischer Ausgestaltung wegen ihrergroßen Bedeutung für das Land auch die Bundesregierungmitwirkt. Hier liegt die Zuständigkeit beim „Bundesministe-rium für Erziehung“, dessen Aufgabe vor allem darin besteht,mit Hilfe des „Nationalen Rates für Erziehung“ (NEC) dieverschiedenen Bildungspolitiken und Erziehungsprogrammeder Einzelstaaten zu koordinieren und zu harmonisieren. DerNEC ist das höchste administrative Entscheidungsgremium inallen Bildungsfragen. Ihm gehören der Erziehungsminister des

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Bundes und alle Bildungskommissare (-minister) der Einzel-staaten an. Unterstützt wird er von einem „Gemeinsamen Be-ratungskomitee für Erziehung“ (JCC), das aus den Direktorendes Bundes und der Gliedstaaten (Abteilungsleitern) für Erzie-hung, den Chefs der parastaatlichen Erziehung sowie den Di-rektoren der Universitätsinstitute für Erziehung besteht unddem der Staatssekretär im Bundeserziehungsministerium vor-sitzt. Außerdem verfügen die Regierungen aller 35 Einzelstaa-ten ebenfalls über eigene Erziehungsministerien.

Daneben existiert im Geschäftsbereich des Bundeserzie-hungsministers für die Hochschulen und Fachhochschulen einehalbstaatliche „Nationale Universitätskommission“, die für dieFortentwicklung des tertiären Sektors im Bildungswesen desLandes verantwortlich ist. Die Sekundarschulabschlüsse unddie Hochschulexamen werden von einem „Nationalen Rat fürallgemeine Prüfungsangelegenheiten“ und einem „NationalenRat für kaufmännische und technische Prüfungen“ überwacht.Schließlich koordiniert eine „Nationale Kommission für diepädagogischen Hochschulen“ die gesamte Lehrerausbildungim Land.

5. Finanzierung

Das „Bundesministerium für Erziehung“ unterhält und finan-ziert in Eigenverantwortung 25 Universitäten, 13 Polytechnika,15 technische Colleges, 20 Lehrerbildungseinrichtungen und66 Schulen im Sekundarbereich, die im ganzen Land verstreutsind. Damit fällt ein Großteil der Finanzierung des gesamtenBildungswesens in den Zuständigkeitsbereich des Bundes. Dieübrigen (und weniger wichtigen) Einrichtungen des tertiärenSektors und meisten Sekundarschulen gehören zu den Einzel-staaten und werden von ihnen unterhalten. Der Betrieb von

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Primarschulen ist Sache der Gemeinden. Außerdem gibt es –wie überall – Bildungsanstalten, die von einzelnen religiösenoder kulturellen Gemeinschaften und anderen privaten Organi-sationen betrieben werden.

6. Formen der Kooperation

Bei der starken ethnischen, kulturellen oder religiösen Hetero-genität und Zersplitterung Nigerias besteht im gesamten Bil-dungs- und Erziehungswesen ein großer Bedarf an vertikalerund horizontaler Koordinierung sowohl zwischen den drei ver-schiedenen Ebenen als auch zwischen den Bildungseinrichtun-gen untereinander. Das zentrale Organ für die Erfüllung dieserschwierigen Aufgabe ist der „Nationale Rat für Erziehung“(NEC) (vgl. oben unter Nr. 4).

X. Österreich

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Republik Österreich verfügt über ein Staatsgebiet von83860 km2 mit etwas mehr als 8 Mio. Einwohnern. Als Bun-desstaat ist sie in 9 Länder gegliedert: Burgenland, Kärnten,Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol,Vorarlberg und Wien.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Das österreichische „Bundesverfassungsgesetz“ (BV-G) von1920 in der Fassung vom 1. Juli 1983 regelt in den Artikeln 14und 14a seit der Schulverfassungsnovelle von 1962 äußerstdetailliert die gesamte Kompetenzverteilung auf dem Gebiet

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des Schulwesens, Erziehungswesens und der Angelegenheitender Volksbildung. Art. 14 BV-G enthält eine Generalklauselzugunsten des Bundes, soweit in den nachfolgenden Absätzennichts anderes bestimmt ist. Erfasst sind davon auch Universi-täten und Hochschulen sowie die Regeln der Studienförderung.Für die Qualifikation als Schule ist nach der Judikatur die Ver-folgung erzieherischer Ziele und nicht die bloße Vermittlungvon Fertigkeiten ausschlaggebend. Die Verfassungsnorm lau-tet:

„Artikel 14

(1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung auf dem Gebietdes Schulwesens sowie auf dem Gebiet des Erziehungswesens in den An-gelegenheiten der Schüler- und Studentenheime, soweit in den folgendenAbsätzen nicht anderes bestimmt ist. Zum Schul- und Erziehungswesen imSinne dieses Artikels zählen nicht die im Art. 14 lit. a geregelten Angele-genheiten.

(2) Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung in denAngelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes derLehrer für öffentliche Pflichtschulen, soweit im Abs. 4 lit. a nicht anderesbestimmt ist. In diesen Bundesgesetzen kann die Landesgesetzgebung er-mächtigt werden, zu genau zu bezeichnenden einzelnen BestimmungenAusführungsbestimmungen zu erlassen; hierbei finden die Bestimmungendes Art. 15 Abs. 6 sinngemäß Anwendung. Durchführungsverordnungen zudiesen Bundesgesetzen sind, soweit darin nicht anderes bestimmt ist, vomBund zu erlassen.

(3) Bundessache ist die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessachedie Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in folgendenAngelegenheiten:

(a) Zusammensetzung und Gliederung der Kollegien, die im Rahmender Schulbehörden des Bundes in den Ländern und politischen Bezirkenzu bilden sind, einschließlich der Bestellung der Mitglieder dieser Kol-legien und ihrer Entschädigung;

(b) äußere Organisation (Aufbau, Organisationsformen, Errichtung, Er-haltung, Auflassung, Sprengel, Klassenschülerzahlen und Unterrichts-zeit) der öffentlichen Pflichtschulen;

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(c) äußere Organisation der öffentlichen Schülerheime, die ausschließ-lich oder vorwiegend für Schüler von Pflichtschulen bestimmt sind;

(d) fachliche Anstellungserfordernisse für die von den Ländern, Ge-meinden oder von Gemeindeverbänden anzustellenden Kindergärtne-rinnen und Erzieher an Horten und an Schülerheimen, die ausschließlichoder vorwiegend für Schüler von Pflichtschulen bestimmt sind.

(4) Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgendenAngelegenheiten:

(a) Behördenzuständigkeit zur Ausübung der Diensthoheit über die Leh-rer für öffentliche Pflichtschulen auf Grund der gemäß Abs. 2 ergehen-den Gesetze; in den Landesgesetzen ist hierbei zu bestimmen, dass dieSchulbehörden des Bundes in den Ländern und politischen Bezirken beiErnennungen, sonstigen Besetzungen von Dienstposten und bei Aus-zeichnungen sowie im Qualifikations- und Disziplinarverfahren mitzu-wirken haben. Die Mitwirkung hat bei Ernennungen, sonstigen Beset-zungen von Dienstposten und bei Auszeichnungen jedenfalls ein Vor-schlagsrecht der Schulbehörde erster Instanz des Bundes zu umfassen;

(b) Kindergartenwesen und Hortwesen.

(5) Abweichend von den Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 ist Bundessachedie Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

(a) Öffentliche Übungsschulen, Übungskindergärten, Übungshorte undÜbungsschülerheime, die einer öffentlichen Schule zum Zweck lehr-planmäßig vorgesehener Übungen eingegliedert sind;

(b) öffentliche Schülerheime, die ausschließlich oder vorwiegend fürSchüler der in lit. a genannten Übungsschulen bestimmt sind;

(c) Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Lehrer, Erzieher undKindergärtnerinnen für die in lit. a und b genannten öffentlichen Ein-richtungen.

(6) Öffentliche Schulen sind jene Schulen, die vom gesetzlichen Schul-erhalter errichtet und erhalten werden. Gesetzlicher Schulerhalter ist derBund, soweit die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheitender Errichtung, Erhaltung und Auflassung von öffentlichen Schulen Bun-dessache ist. Gesetzlicher Schulerhalter ist das Land oder nach Maßgabeder landesgesetzlichen Vorschriften die Gemeinde oder ein Gemeindever-band, soweit die Gesetzgebung oder Ausführungsgesetzgebung und dieVollziehung in den Angelegenheiten der Errichtung, Erhaltung und Auflas-

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sung von öffentlichen Schulen Landessache ist. Öffentliche Schulen sindallgemein ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechtes, der Rasse, desStandes, der Klasse, der Sprache und des Bekenntnisses, im Übrigen imRahmen der gesetzlichen Voraussetzungen zugänglich. Das Gleiche giltsinngemäß für Kindergärten, Horte und Schülerheime.

(7) Schulen, die nicht öffentlich sind, sind Privatschulen; diesen ist nachMaßgabe der gesetzlichen Bestimmungen das Öffentlichkeitsrecht zu ver-leihen.

(8) Dem Bund steht die Befugnis zu, sich in den Angelegenheiten, die nachAbs. 2 und 3 in die Vollziehung der Länder fallen, von der Einhaltung derauf Grund dieser Absätze erlassenen Gesetze und Verordnungen Kenntniszu verschaffen, zu welchem Zweck er auch Organe in die Schulen undSchülerheime entsenden kann. Werden Mängel wahrgenommen, so kanndem Landeshauptmann durch Weisung (Art. 20 Abs. 1) die Abstellung derMängel innerhalb einer angemessenen Frist aufgetragen werden. Der Lan-deshauptmann hat für die Abstellung der Mängel nach Maßgabe der ge-setzlichen Vorschriften Sorge zu tragen und ist verpflichtet, um die Durch-führung solcher Weisungen zu bewirken, auch die ihm in seiner Eigen-schaft als Organ des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes zu Ge-bote stehenden Mittel anzuwenden.

(9) Auf dem Gebiet des Dienstrechtes der Lehrer, Erzieher und Kindergärt-nerinnen gelten für die Verteilung der Zuständigkeiten zur Gesetzgebungund Vollziehung hinsichtlich der Dienstverhältnisse zum Bund, zu denLändern, zu den Gemeinden und zu den Gemeindeverbänden, soweit in denvorhergehenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, die diesbezüglichenallgemeinen Regelungen der Art. 10 und 21. Gleiches gilt für das Personal-vertretungsrecht der Lehrer, Erzieher und Kindergärtnerinnen.

(10) In den Angelegenheiten der Schulbehörden des Bundes in den Ländernund politischen Bezirken, der Schulpflicht, der Schulorganisation, der Pri-vatschulen und des Verhältnisses von Schule und Kirchen (Religionsgesell-schaften) einschließlich des Religionsunterrichtes in der Schule, soweit essich nicht um Angelegenheiten der Hochschulen und Kunstakademienhandelt, können Bundesgesetze vom Nationalrat nur in Anwesenheit vonmindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zweiDritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Das Gleiche giltfür die Genehmigung der in diesen Angelegenheiten abgeschlossenenStaatsverträge der im Art. 50 bezeichneten Art.“

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Auf der anderen Seite enthält Art. 14a BV-G eine nicht minderdetaillierte Generalklausel zu Gunsten der Länder, soweit inden einzelnen Absätzen nichts anderes bestimmt ist. Umfasstsind Angelegenheiten des land- und forstwirtschaftlichenSchulwesens, des land- und forstwirtschaftlichen Erziehungs-wesens in den Angelegenheiten der Schülerheime sowie desDienst- und Personalvertretungsrechts der Lehrer und Erzieheran derartigen Schulen und Heimen; ausgeschlossen hiervonsind jedoch die Angelegenheiten der Universitäten und Hoch-schulen. Die Verfassungsnorm lautet:

„Artikel 14a

(1) Auf dem Gebiet des land- und forstwirtschaftlichen Schulwesens sowieauf dem Gebiet des land- und forstwirtschaftlichen Erziehungswesens inden Angelegenheiten der Schülerheime, ferner in den Angelegenheiten desDienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Lehrer und Erzieheran den unter diesen Artikel fallenden Schulen und Schülerheimen sindGesetzgebung und Vollziehung Landessache, soweit in den folgenden Ab-sätzen nicht anderes bestimmt ist. Angelegenheiten des Hochschulwesensgehören nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Schulwesen.

(2) Bundessache ist die Gesetzgebung und Vollziehung in folgenden An-gelegenheiten:

a) höhere land- und forstwirtschaftliche Lehranstalten sowie Anstaltenfür die Ausbildung und Fortbildung der Lehrer an land- und forstwirt-schaftlichen Schulen;

b) Fachschulen für die Ausbildung von Forstpersonal;

c) öffentliche land- und forstwirtschaftliche Fachschulen, die zur Ge-währleistung von lehrplanmäßig vorgesehenen Übungen mit einer derunter den lit. a und b genannten öffentlichen Schulen oder mit einerland- und forstwirtschaftlichen Versuchsanstalt des Bundes organisato-risch verbunden sind;

d) Schülerheime, die ausschließlich oder vorwiegend für Schüler der un-ter den lit. a bis c genannten Schulen bestimmt sind;

e) Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Lehrer und Erzieher fürdie unter den lit. a bis d genannten Einrichtungen;

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f) Subventionen zum Personalaufwand der konfessionellen land- undforstwirtschaftlichen Schulen;

g) land- und forstwirtschaftliche Versuchsanstalten des Bundes, die miteiner vom Bund erhaltenen land- und forstwirtschaftlichen Schule zurGewährleistung von lehrplanmäßig vorgesehenen Übungen an dieserSchule organisatorisch verbunden sind.

(3) Soweit es sich nicht um die im Abs. 2 genannten Angelegenheiten han-delt, ist Bundessache die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung inden Angelegenheiten

a) des Religionsunterrichtes;

b) des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Lehrer füröffentliche land- und forstwirtschaftliche Berufs- und Fachschulen undder Erzieher für öffentliche Schülerheime, die ausschließlich oder vor-wiegend für Schüler dieser Schulen bestimmt sind, ausgenommen je-doch die Angelegenheiten der Behördenzuständigkeit zur Ausübung derDiensthoheit über diese Lehrer und Erzieher. In den auf Grund der Be-stimmungen unter lit. b ergehenden Bundesgesetzen kann die Landesge-setzgebung ermächtigt werden, zu genau zu bezeichnenden einzelnenBestimmungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen; hierbei findendie Bestimmungen des Art. 15 Abs. 6 sinngemäß Anwendung. Durch-führungsverordnungen zu diesen Bundesgesetzen sind, soweit darinnicht anderes bestimmt ist, vom Bund zu erlassen.

(4) Bundessache ist die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessachedie Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung

a) hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Berufsschulen: in denAngelegenheiten der Festlegung sowohl des Bildungszieles als auch vonPflichtgegenständen und der Unentgeltlichkeit des Unterrichtes sowie inden Angelegenheiten der Schulpflicht und des Übertrittes von der Schu-le eines Landes in die Schule eines anderen Landes;

b) hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen: in denAngelegenheiten der Festlegung der Aufnahmevoraussetzungen, desBildungszieles, der Organisationsformen, des Unterrichtsausmaßes undder Pflichtgegenstände, der Unentgeltlichkeit des Unterrichtes und desÜbertrittes von der Schule eines Landes in die Schule eines anderenLandes;

c) in den Angelegenheiten des Öffentlichkeitsrechtes der privaten land-und forstwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen mit Ausnahme der

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unter Abs. 2 lit. b fallenden Schulen;

d) hinsichtlich der Organisation und des Wirkungskreises von Beiräten,die in den Angelegenheiten des Abs. 1 an der Vollziehung der Ländermitwirken.

(5) Die Errichtung der im Abs. 2 unter den lit. c und g bezeichneten land-und forstwirtschaftlichen Fachschulen und Versuchsanstalten ist nur zuläs-sig, wenn die Landesregierung des Landes, in dem die Fachschule bzw.Versuchsanstalt ihren Sitz haben soll, der Errichtung zugestimmt hat. DieseZustimmung ist nicht erforderlich, wenn es sich um die Errichtung einerland- und forstwirtschaftlichen Fachschule handelt, die mit einer Anstalt fürdie Ausbildung und Fortbildung der Lehrer an land- und forstwirtschaftli-chen Schulen zur Gewährleistung von lehrplanmäßig vorgesehenen Übun-gen organisatorisch verbunden werden soll.

(6) Dem Bund steht die Befugnis zu, in den Angelegenheiten, die nach Abs.3 und 4 in die Vollziehung der Länder fallen, die Einhaltung der von ihmerlassenen Vorschriften wahrzunehmen.

(7) Die Bestimmungen des Art. 14 Abs. 6, 7 und 9 gelten sinngemäß auchfür die im ersten Satz des Abs. 1 bezeichneten Gebiete.

(8) In den Angelegenheiten gemäß Abs. 4 können Bundesgesetze vomNationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitgliederund mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen be-schlossen werden.

3. Rechtsgrundlagen

Aufgrund dieser Verfassungsbestimmungen, nach denen diewichtigsten Gesetzgebungskompetenzen auf den Gebieten derBildung und Erziehung beim Bund liegen, sind einige zentraleGesetze ergangen, die für eine landeseinheitliche Ausgestal-tung des Bildungssektors in Österreich sorgen. Das gesamteSchulwesen ist im „Bundesgesetz über die Schulorganisation“(Schulorganisationsgesetz) vom 25. Juli 1962 (BGBl. Nr.242/1962, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 77/2001) gere-gelt. Das Spektrum seiner Gegenstände reicht von Vorschriftenüber die Aufgaben der Schulen und deren Organisation (ge-

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gliedert nach allgemein bildenden Pflichtschulen, höherenSchulen, berufsbildenden Schulen) bis hin zur inneren Ord-nung von Lehrerbildungsanstalten und Pädagogischen Akade-mien.

Das Hochschulwesen hat inzwischen eine mindestens ebensoumfassende Regelung im „Bundesgesetz über die Organisa-tion der Universitäten und ihre Studien“ (Universitätsgesetz)von 2002 erfahren, das nach Anlage und Inhalt dem deutschenHochschulrahmengesetz ähnelt. Das jüngste Gesetz betrifft diewissenschaftliche Forschung: Mit dem „Bundesgesetz zurStrukturreform der Forschungsförderung“ (Forschungsförde-rungs-Strukturreformgesetz) vom 14. Juli 2004 (BGBl. I Nr.73/2004) wird eine neue „Österreichische Forschungsförde-rungsgesellschaft“ als GmbH errichtet, der bisherige Wissen-schaftsfonds reformiert und mit einem Aufsichtsrat versehensowie der „Rat für Forschung und Technologieentwicklung“,der am 3. Dezember 2002 einen nationalen Forschungs- undInnovationsplan beschlossen hatte, in eine juristische Persondes öffentlichen Rechts sui generis umgewandelt.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Die Verwaltung des Bundes auf dem Gebiet des Schulwesenshat nach Artikel 81a BV-G in unmittelbarer Bundesverwaltungdurch eigene Schulbehörden des Bundes zu erfolgen; sie sinddem zuständigen „Bundesminister für Bildung, Wissenschaftund Kultur“ nachgeordnet, in wichtigen Angelegenheiten aberweisungsfrei und nur einer Rechtsaufsicht unterworfen. Aus-genommen sind die Hochschulen und Kunstakademien sowiedas land- und fortwirtschaftliche Erziehungswesen. Die Füh-rung von Verzeichnissen der Schulpflichtigen obliegt den Ge-meinden. Für den Bereich jedes Landes existiert eine Schulbe-

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hörde mit Namen „Landesschulrat“, für den Bereich jedespolitischen Bezirks ein „Bezirksschulrat“. Bei diesen Schul-behörden sind so genannte Kollegien einzurichten, die nachdem Stärkeverhältnis der im Landtag vertretenen Parteien be-setzt werden und denen der jeweilige Präsident des Landes-oder Bezirksschulrats vorsitzt. Zu ihren Aufgaben gehört dieBeratung und Entscheidung aller wichtigen Schulangelegen-heiten in ihrem Zuständigkeitsbereich, soweit sie nicht denPräsidenten der Schulräte vorbehalten sind.

In die Kompetenz der Landesregierungen fallen nur wenigeAufgaben, für deren Erfüllung jeweils eine „Landesrätin“ oderein „Landesrat“ verantwortlich sind: die Errichtung, Erhaltungund Auflassung der öffentlichen Volks-, Haupt- und Sonder-schulen; personal- und dienstrechtliche Angelegenheiten derLandeslehrer an diesen Schulen; Verwaltungsstrafverfahren imVollzug schulrechtlicher Vorschriften sowie Angelegenheitender Studienförderung und des Schülertransports.

Sämtliche Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulenhaben mit dem „Universitätsgesetz 2002“ den Status einerKörperschaft des öffentlichen Rechts erhalten und verfügenseitdem im Rahmen der Gesetze über eine eigene Organisati-ons-, Personal- und Finanzautonomie. Sie unterstehen lediglichder Rechtsaufsicht des Bundes. Die Länder haben somit inÖsterreich keinerlei direkten Einfluss auf die Hochschulen.

5. Finanzierung

Für die Finanzierung des Bildungswesens gilt grundsätzlich§ 2 Finanz-Verfassungsgesetz (= Bundesverfassungsgesetz au-ßerhalb des BV-G): Danach tragen der Bund und die übrigenGebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebungnichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Be-

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sorgung ihrer Aufgaben ergibt. Dieser Konnexitätsgrundsatzkann aber durch einfaches Gesetz durchbrochen werden, wiedies etwa durch § 4 des neuen Finanzausgleichsgesetzes 2005(= ein einfaches Bundesgesetz, wenngleich politisch zwischenden Gebietskörperschaften akkordiert) geschehen ist. Insoweitersetzt zum Beispiel der Bund den Ländern die Kosten derBesoldung (Aktivitätsbezüge) der unter ihrer Diensthoheit ste-henden Lehrer (einschließlich der Landesvertragslehrer) undderen Pensionslasten.

Die Universitäten werden direkt aus dem Haushalt des „Bun-desministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur“ finan-ziert und zwar in zwei Schritten: Der Betrag von 20 ProzentProzent der Gesamtsumme für alle Universitäten (Erstzuwie-sung: 1,9 Mrd. Euro in 2004) wird nach einer Formel zugewie-sen, die auf Leistungskriterien abstellt und soziale Indikatorenberücksichtigt; die restlichen 80 Prozent erhalten die verschie-denen Universitäten auf Grund von Vereinbarungen über Ent-wicklungspläne und Leistungsziele. Die Vorschläge für derar-tige Zielvereinbarungen werden von der Universität über denHochschulrat dem Ministerium zugeleitet. Daneben können dieUniversitäten Drittmittel und Spenden einwerben. Für beson-dere Forschungsprojekte erhalten sie ergänzende Zuweisungenvom Bundesbildungsministerium (Zusatzmittel: 63,7 Mio. Eu-ro in 2004). Die Unterhaltung der Universitäten und Hoch-schulen ist Aufgabe der Bundesimmobiliengesellschaft.

6. Formen der Kooperation

Als Instrument der vertikalen und horizontalen Koordinationim Bildungswesen ist die formale rechtsverbindliche „Verein-barung“ gemäß Art 15a BV-G verfassungsrechtlich vorgese-hen. Diese kann zwischen den Ländern untereinander oder

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zwischen Bund und einem oder mehreren Ländern, jeweils imRahmen des eigenen Kompetenzbereichs, abgeschlossen wer-den. Sie bedarf in Angelegenheiten der Gesetzgebung der Ge-nehmigung der jeweiligen Parlamente und muss wie einStaatsvertrag in die jeweilige Landes- bzw. Bundesrechtsord-nung transformiert werden.

Im Schulwesen existieren nur einige wenige solcher Vereinba-rungen: die „Vereinbarung über gemeinsame Maßnahmen desBundes und der Länder beim Personalaufwand für Lehrer anallgemein bildenden Pflichtschulen“; die „Vereinbarung derLänder über die Einrichtung einer gemeinsamen Kommissionzur Begutachtung von Schulbüchern für land- und forstwirt-schaftliche Berufs- und Fachschulen“ (alle Länder mit Aus-nahme Wiens); oder die „Zweite Vereinbarung Bund-LandKärnten“ (mit einer Bestimmung betreffend Schulfinanzierungin Kärnten). Kooperation im Schulbereich erfolgt auch überverwaltungsrechtliche Verträge zwischen Bund und Ländern,wie dies etwa in Bezug auf Schulversuche geschehen ist.

Im Rahmen der nicht an die Kompetenzverteilung gebundenenPrivatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 BV-G) bietet sich etwafür die Gebietskörperschaften auch die Möglichkeit, als Vereingemeinsam eine Privatschule zu betreiben.

Informell tagen in periodischen Abständen die Konferenz deramtsführenden Präsidenten der Landesschulräte, die Landes-schulratsdirektorenkonferenz sowie, unter Aufsicht des Unter-richtsministeriums, die Landesschulinspektoren.

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XI. Russland

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Russische Föderation erstreckt sich auf eine Fläche von17,1 Mio. km2 mit einer Bevölkerungszahl von 145,5 Mio.Einwohnern. Sie besteht aus 89 gleichberechtigten „Föderati-ven Subjekten“ in sechs verschiedenen Formationen (21 Repu-bliken, 10 Autonome Bezirke [Oblasts], 49 Gebiete [Okrugs],6 Bezirke [Krays], zwei autonome Bundesstädte [Moskau undSt. Petersburg] sowie ein autonomes Gebiet), von denen sicheinige sogar territorial überschneiden. Von einer Einzelauf-zählung wird hier abgesehen.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die Verfassung von 1993 sieht in Art. 72 Nr. 1 eine „gemein-same Zuständigkeit“ der Föderation und ihrer Subjekte zurRegelung „allgemeine(r) Fragen der Erziehung, der Bildung,der Wissenschaft, der Kultur, der Körperkultur und des Sports“vor. Darüber hinaus existieren drei so genannte „Föderations-verträge“, je einer mit den Republiken, den autonomen Bezir-ken und dem autonomen Gebiet, in denen weitere Zuständig-keiten im Bildungs- und Erziehungswesen auf die jeweils unte-ren Ebenen übertragen werden.

3. Rechtsgrundlagen

Gleichwohl ist das Erziehungssystem in Russland nach wie vorstark zentralisiert. Verfassung und Gesetze der Föderation ge-währen jedem Bürger das Recht auf eine kostenlose und freizugängliche allgemeine Schulbildung von neun Jahren. Da-rüber hinaus werden vom Staat folgende Prinzipien und Erzie-

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hungsziele für verbindlich erklärt: 1. der humane Charakter derErziehung und der absolute Vorrang menschlicher Werte zu-gunsten von Leben, Gesundheit und freier Entfaltung der Per-sönlichkeit, wobei die Schüler auch zu bürgerschaftlicher Ge-sinnung und zur Vaterlandsliebe erzogen werden sollen; 2. dieEinheit der Föderation in Bildungs- und Erziehungsangelegen-heiten bei gleichzeitiger Bewahrung ethnischer und kulturellerTraditionen auf regionaler Ebene; 3. die allgemeine Verfüg-barkeit ausreichender Bildungsangebote, die den jeweiligenInteressen und Präferenzen der einzelnen Schüler entsprechensollen; 4. der säkulare Charakter der Erziehung in staatlichenund kommunalen Bildungseinrichtungen; 5. Freiheit und Plu-ralismus der Erziehung und 6. der demokratische und öffentli-che Charakter der staatlichen Kultusverwaltung sowie die Au-tonomie der Erziehungsinstitutionen.

Diese Prinzipien finden ihren Niederschlag in einer Vielzahlvon Gesetzen der Föderation ebenso wie ihrer föderativen Sub-jekte. Im Mittelpunkt steht dabei das „Föderationsgesetz überErziehung“ von 1992, mit dem eine radikale Wende im gesam-ten Bildungswesen eingeleitet und insbesondere das staatlicheSchul- und Hochschulmonopol beseitigt wurde. Zugleich wur-de nicht nur allen drei Ebenen, der föderalen, regionalen undlokalen, die Befugnis eingeräumt, eigene Schulen und Bil-dungsinstitutionen zu errichten und zu unterhalten, sondernauch privaten, ja sogar auswärtigen Gründern, gleichgültig, obsie aus ideellen oder wirtschaftlichen Motiven handelten. Diedamit eingeleitete „Totalliberalisierung“ des Erziehungssektorswurde zwei Jahre später mit einem „Gesetz zur Änderung undErgänzung des Gesetzes über Erziehung“ teilweise wiederzurückgenommen. Die Rechte auf Bildung und Erziehung sindim „Präsidentenerlass Nr. 1487“ vom Juli 1994 niedergelegt.

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Bereits 1992 wurde zusammen mit dem Erziehungsgesetz das„Bundesprogramm zur Entwicklung des Bildungs- und Erzie-hungswesens in Russland“ verabschiedet, welches die organi-satorischen Grundlagen, die Instrumente und die Verfahrenbereitstellt, die erforderlich sind, um die Ziele der neuen Bil-dungspolitik in die Praxis umzusetzen. Gleichzeitig hat dieFöderationsregierung eine Verwaltungsvorschrift in Kraft ge-setzt, welche die Rahmenbedingungen für Ordnungen und Sat-zungen von Schulen oder Hochschulen aller Stufen festlegtund für sie eine kollegiale Leitung durch einen gewählten„Rat“ vorschreibt. Schließlich regelt ein „Föderationsgesetzüber staatliche Erziehungsstandards der allgemeinen Grund-bildung“ von 1997 die Kriterien und Maßstäbe, nach denen dieschulische Erziehung im Primar- und Sekundarbereich einzu-richten und zu bewerten ist.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Für den Vollzug der bundesgesetzlichen Regelungen ist in ers-ter Linie das „Ministerium für allgemeine und berufliche Er-ziehung“ der Föderation zuständig. Als wichtiges Bera-tungsgremium dient ihm ein „Kollegium“, dem Beamte, Poli-tiker, Vertreter öffentlicher Organisationen und Mitglieder derWissenschafts- und Erziehungskollektive in der Zivilgesell-schaft angehören und dem der Minister vorsitzt. Die praktischeAusgestaltung und Fortentwicklung des Erziehungs- und Bil-dungswesens in Russland ist Sache der „Russischen Akademiefür Erziehung“, die als Glied der Moskauer „Akademie derWissenschaften“ alle wichtigen bildungspolitischen Aktivitätenim Land koordiniert, Richtlinien für die wissenschaftliche For-schung auf diesem Gebiet erlässt und neue Erziehungsme-thoden oder Lehr- und Lerninhalte zu erproben empfiehlt.

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Bei der Ausführung des „Gesetzes über Erziehung“ erstrecktsich die Zuständigkeit der Föderation auf die Entwicklung undAusformung bildungspolitischer Ziele und Initiativen sowieauf die Schaffung der erforderlichen Regelungen, auf die Be-reitstellung von Verfahren zur Errichtung, Reorganisation undSchließung von Bildungseinrichtungen (einschließlich ihrerLizenzierung, Zertifizierung und Akkreditierung), auf die Aus-arbeitung und Annahme von Standardvorschriften über Bil-dungs- und Erziehungseinrichtungen, auf die Bemessung vonMindestlöhnen und -gehältern für die im Bildungssektor Be-schäftigten sowie schließlich auf die Informationsversorgungund wissenschaftliche Unterstützung der einzelnen Bildungs-einrichtungen mit dem Ziel, moderne Kurse, Studiengängeoder Lehr- und Lernmittel entwickeln zu helfen, die für eineinheitliches System der Bildung und Erziehung in der gesam-ten Föderation sorgen.

In den 89 föderativen Subjekten ist die Kultusverwaltung un-terschiedlich organisiert. In den Republiken existieren „Mi-nisterien“ oder „Departments“, in den autonomen Bezirken„Ämter“ und in den Gebieten „Komitees“ für Erziehung. Manfindet also monokratische, aber auch kollegiale Leitungen vor.Die Unterschiede in Struktur und Funktion der territorialen,regionalen und lokalen Behörden hängen jeweils von den be-sonderen ethnischen, kulturellen und ökonomischen Gegeben-heiten ab. Diese Behörden auf den unteren Ebenen sind zu-ständig für die Umsetzung der föderalen Bildungspolitik, dieAusarbeitung und Durchführung regionaler und lokaler Erzie-hungspläne, die den örtlichen Bedingungen angepasst sind, dieUmsetzung der nationalen Standards in spezielle Anwendungs-programme sowie für die Einrichtung, Unterhaltung oderSchließung einzelner Schulen, Hochschulen, Berufsschulenoder sonstiger Ausbildungsstätten.

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5. Finanzierung

Die Finanzierung des Bildungssektors in Russland erfolgt, so-weit es um eigene Einrichtungen der Föderation geht, unmit-telbar aus deren Etat und beruht im übrigen größtenteils aufZuwendungen des zentralen Erziehungsministeriums an dieföderativen Subjekte zur Unterhaltung von Bildungseinrich-tungen der sekundären (Oberschulen) und tertiären (Hoch-schulen) Stufe. Für die Schulen im Primarbereich sind in ersterLinie die föderativen Subjekte und die Kommunen selbst ver-antwortlich. Schul- oder Studiengebühren werden nicht erho-ben. Wegen der noch immer nicht hinreichend geordneten Fi-nanzbeziehungen zwischen den föderativen Ebenen herrschtbei sämtlichen Bildungseinrichtungen in Russland nach wievor ein chronischer Ressourcenmangel.

6. Formen der Kooperation

Die Koordinierung der russischen Bildungs- und Erziehungs-politik erfolgt überwiegend auf der zentralen Ebene und istSache des bereits erwähnten „Kollegiums“ beim Erziehungs-ministerium und der „Akademie für Erziehung“. Außerdemgibt es in einigen föderativen Subjekten Konferenzen der Rek-toren, Direktoren oder Präsidenten von Institutionen eines be-stimmten Bildungszweigs.

XII. Schweden

1. Föderative Rahmenbedingungen

Das Königreich Schweden verfügt über ein Staatsgebiet von449960 km2 mit einer Bevölkerung von nur 8,85 Mio. Ein-

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wohnern. Es ist ein dezentralisierter Einheitsstaat mit 24 Pro-vinzen (Verwaltungsbezirken): Blekinge, Bohuslän, Dalarna,Dalsland, Gästrikland, Gotland, Halland, Härjedalen, Hälsing-land, Jämtland, Lappland, Medepad, Närke, Småland, Skåne,Södermannland, Uppland, Värmland, Västerbotten, Västman-land, Västergötland, Ångermanlan, Östergötland und Öland,sowie nur 289 Gemeinden.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die Verfassung Schwedens vom 28. Februar 1974 in der Fas-sung von 1998 sieht in § 21 für alle Kinder, die der allgemei-nen Schulpflicht unterliegen, das Recht auf kostenlose Grund-ausbildung in einer allgemeinen Schule vor. Außerdem ist dasGemeinwesen verfassungsrechtlich verpflichtet, dafür zu sor-gen, dass es eine höhere Ausbildung gibt. Nach § 22 habenauch alle Ausländer das Recht auf Ausbildung. In § 7 Abs. 1Nr. 6 erhält die Regierung die Befugnis, aufgrund einer ge-setzlichen Ermächtigung auf dem Verordnungsweg Vorschrif-ten zu erlassen, die „Unterricht und Ausbildung“ betreffen.Darunter versteht man die gesamte Ordnung und Entwicklungdes Schulwesens, des Hochschulwesens und der außerschuli-schen Erziehung und Qualifizierung innerhalb der staatlichenGemeinschaft und anderer Gebietskörperschaften mit öffent-lich-rechtlichem Bildungsauftrag, auch in ihrem Verhältniszueinander.

Hauptziel der Bildungspolitik im schwedischen Wohlfahrts-staat ist die Gleichstellung aller Schülerinnen und Schüler un-geachtet ihrer Herkunft, ihres Geschlechts sowie ihrer wirt-schaftlichen oder sozialen Verhältnisse. In der ersten Hälfteder neunziger Jahre ist das schwedische Bildungswesen radikalumgestaltet und auf die Anforderungen der globalisierten Ge-

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genwart zugeschnitten worden. Die wichtigsten Reformschrittewaren Dezentralisierung des gesamten Erziehungswesens, derbewusste Übergang vom norm- und regelgesteuerten zum an-reiz- und zielorientierten Management der Bildungseinrich-tungen sowie eine weitgehende Deregulierung und Liberalisie-rung des Kultusbereichs.

3. Rechtsgrundlagen

Die schulische Bildung und Ausbildung ist von der Vorschule,zu deren Besuch schon Kleinkinder zwischen eineinhalb undfünf Jahren berechtigt sind, über den Primar- und Sekundarbe-reich bis zu Sonderschulen, Berufsschulen und den Einrichtun-gen der Erwachsenenbildung im „Schulgesetz“ „Skollagen“von 12. Dezember 1985 geregelt, das seither mehrfach geän-dert und reformiert worden ist. Wichtigste allgemeine Ziele derGrundschule „grundskolan“ sind laut Schulgesetz folgende: 1.Alle Kinder und Jugendliche müssen unabhängig von Ge-schlecht, Wohnort sowie von sozialen und finanziellen Ver-hältnissen gleichen Zugang zur Ausbildung im öffentlichenSchulwesen erhalten. 2. Die Ausbildung soll in jeder Schul-form gleichwertig sein. 3. Über Kenntnisse und Fähigkeitenhinaus soll in Zusammenarbeit mit dem Elternhaus die „har-monische Entwicklung [...] zu verantwortungsbewussten Men-schen und Bürgern“ gefördert werden. Individuelle Bedürf-nisse und Fähigkeiten der Schüler sind zu beachten. 4. AlleTätigkeiten in der Schule sollen mit „grundlegenden demokra-tischen Werten“ übereinstimmen, denen in der schwedischenGesellschaft eine traditionell hohe Bedeutung beigemessenwird. 5. Die Gesamtschule darf keine Stätte der Nivellierungund keine Lernfabrik sein.

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In der Folgezeit wurde das Schulgesetz durch weitere Verord-nungen ergänzt, darunter vor allem die „Verordnung für Er-wachsenbildung“ vom Mai 1992, die „Verordnung für HöhereSchulen“ der Sekundarstufe vom selben Datum und die „Ver-ordnung für Pflichtschulen“ vom Juni 1994. Danach bestehtfür alle in Schweden wohnhaften Kinder vom siebten bis 16.Lebensjahr Schulpflicht. Die Größe der Schulen ist unter-schiedlich, wobei man die Bedeutung der Überschaubarkeitvon Bildungsinstitutionen erkannt hat (das ZahlenverhältnisLehrer zu Schüler betrug 1995/96 7,9 zu 100; für die erstenSchuljahre fällt es noch günstiger aus). Für schwedische Kin-der, deren Eltern im Ausland tätig sind, finanziert der Staat„Auslandsschulen“ in den jeweiligen Ländern. Neben denkommunalen Grundschulen gibt es „freie Privatschulen“„friskolor“, die vom Staat anerkannt werden, wenn sie be-stimmten Anforderungen entsprechen. Ihr Anteil liegt bei circa2,5 Prozent aller Schulen. Das „Zentralamt für Schule“ prüft,ob die Anforderungen in diesen Schulen dem Niveau derkommunalen Grundschulen entsprechen. Wird eine freie Schu-le anerkannt, so bekommt sie Zuschüsse von den Heimatge-meinden der Schüler, die in der Höhe denen der kommunalenSchulen entsprechen. Die freien Schulen dürfen ein begrenztesSchulgeld erheben. Schulgesetz und Lehrplan verpflichten jedeSchule, Kindern und Jugendlichen mit Lernschwierigkeiteneine besondere Unterstützung und Förderung zuteil werden zulassen.

Für den tertiären Sektor sind das „Hochschulgesetz“ (Högsko-elagen) vom 17. Dezember 1992 und die „Hochschuler-rdnung“ „Högskoleförordningen“ vom 4. Februar 1993 maß-gebend, die beide am 1. Juli 1993 in Kraft getreten sind. Da-nach soll auch die höhere Bildung für jedermann zugänglichsein. Alle Studierenden erhalten ein Studiengeld, bestehendaus einer tilgungsfreien Beihilfe und einem tilgungs- und zins-

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pflichtigen Darlehen. Die Rückzahlungsmodalitäten sind vomspäteren Einkommen abhängig. Der dritte Anhang zur Hoch-schulverordnung enthält Vorschriften über Examina und Zeug-nisse sowie die Voraussetzungen für deren wechselseitige An-erkennung durch verschiedene Universitäten. Seit Juli 1995existiert eine nationale Behörde, die für die Anerkennung vonHochschuleinrichtungen zuständig ist, von denen akademischeGrade verleihen werden dürfen.

Mit der erst kürzlich erlassenen „Verordnung über eine Ver-tragsausbildung an Universitäten und Fachhochschulen“ vom10. Oktober 2002 wurde schließlich ein neues Instrument ge-schaffen, das es anderen öffentlichen Stellen (Kommunen, Be-hörden etc.) oder Dritten (Betrieben, Verbänden) ermöglicht,für von ihnen benannte Personen bei den Hochschulen einebestimmte Ausbildung zu „kaufen“, d.h. diese Personen gegenEntgelt in Spezialfächern zu unterweisen und dabei Kenntnisseerwerben zu lassen, die ihrer beruflichen Tätigkeit unmittelbarzugute kommen.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Die übergreifende Zuständigkeit für alle Formen und Stufender Bildung und Erziehung in Schweden liegt beim Reichstagund der Regierung. Mit Ausnahme der Schwedischen Univer-sität für Agrarwissenschaften, die dem Ministerium für Wirt-schaft untersteht, und der Berufsausbildung, die zum Zustän-digkeitsbereich des Ministeriums für Arbeit gehört, fällt dasgesamte Erziehungswesen in Schweden, seit 1997 auch dieKinderbetreuung im Vorschulalter, in die Zuständigkeit des„Ministeriums für Bildung und Wissenschaft“. Unter der Auf-sicht dieses Ministeriums sind das „Zentralamt für Schule undErwachsenenbildung“, das „Institut für Spezialpädagogik“,

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die Provinziallandtage, die Gemeinden und private Träger fürdie Durchführung des Bildungsauftrags verantwortlich.

Für allgemeine politische Entscheidungen über Ziele, Aufga-ben und die Finanzierung des Bildungswesens sind derReichstag und die Regierung gemeinsam verantwortlich. DieSchul- und Hochschulgesetze werden vom Reichstag verab-schiedet, der auch die staatlichen Mittel für den Bildungssektorbewilligt. Die Regierung erlässt die Schulordnungen sowieallgemeine Richtlinien für verschiedene Ausbildungsarten undentscheidet über die Verteilung der bewilligten Mittel. Fernerlegt sie die Lehrpläne für das gesamte Schulsystem fest. Dienachgeordneten staatlichen Behörden unterbreiten der Regie-rung ihre Jahresberichte und Etatforderungen. Darüber hinaushaben sie den Reichstag und die Regierung über die Lage inihrem Kompetenzbereich sowie über Ausgangsdaten für dielangfristige Entwicklung des schwedischen Bildungswesensumfassend zu informieren.

Die wichtigste Behörde für die Aufsicht über das Schulwesenist das „Zentralamt für Schule und Erwachsenenbildung“„Skolverket“. Zu seinen Hauptaufgaben gehören die Kontrolle,Beobachtung und Auswertung aller Tätigkeiten in den Schulendes Landes sowie die Aufsicht über den Unterricht. Ferner istes für die zentrale Entwicklungsarbeit im Schulwesen zustän-dig. Schließlich soll die Behörde gewährleisten, dass schulpä-dagogische Forschung betrieben wird, dass Lehrer und Schul-leiter eine Grundausbildung erhalten und dass Fortbildung fürLehrer angeboten wird. Die Zuständigkeit für die Förderungvon Schülern mit Funktionsbehinderungen in der Schule liegtbeim „Institut für Spezialpädagogik“ „Specialpedagogiska In-stitutet“ [SIT]).

Die übergreifende Verantwortung für die Durchführung undEntwicklung der Ausbildungsaktivitäten im Rahmen des

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Schulwesens ist dezentralisiert und liegt bei den kommunalenBehörden. Das „Kommunalgesetz“ von 1991 gibt Gemeindenund Provinziallandtagen die Möglichkeit, für ihre Schulen eineeigene Organisationsstruktur zu wählen. Die Zuständigkeitsbe-reiche der kommunalen Ausschüsse können daher verschiedensein. Es ist jedoch sehr häufig so, dass der Pflichtschulbereichin die Zuständigkeit eines Kinder- und Jugendpflegeausschus-ses fällt, der zugleich für die Kinderbetreuung zuständig ist.Die Gymnasialschule und die Erwachsenenbildung unterstehennormalerweise einem Bildungs- und Kulturausschuss der Ge-meinden.

In der Praxis haben die kommunalen Schulausschüsse dafür zusorgen, dass die schwedischen Schulen einen gleichmäßigenStandard im ganzen Land aufrechterhalten. Von jeder Ge-meinde wird verlangt, dass sie die allgemeinen Ziele für ihreSchulen in einem Schulplan darlegt, der vom Gemeinderatangenommen werden muss. Die Gemeinde ist verpflichtet, dieAusführung des Schulplans zu überwachen und auszuwertensowie die Regierung mit Berichten über Tatsachen und Um-stände zu versehen, die für die Beurteilung der Tätigkeit in denSchulen von Bedeutung sind. Ferner muss jede Schule einenArbeitsplan aufstellen, der sich auf das entsprechende Lehr-planwerk und die lokal beschlossene Schwerpunktsetzunggründet. Der Arbeitsplan muss auch weiterverfolgt und ausge-wertet werden. Jede Gemeinde und jede Schule ist verpflichtet,jährlich einen Qualitätsbericht abfassen, in dem ihre Ergeb-nisse in Bezug auf die landesweiten Ziele sowie die Notwen-digkeit, die Ergebnisse zu verbessern, dargelegt werden.

Die Gewerkschaften der Lehrer und anderer Arbeitnehmer inder Schule sind nach dem Mitbestimmungsgesetz berechtigt,Informationen zu erhalten und Gelegenheit zu bekommen, aufanstehende Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Die Mitwir-

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kungsrechte der Schüler sind im Schulgesetz festgelegt, ihrepraktische Anwendung wird jedoch lokal bestimmt. Der Ein-fluss von Eltern und Schülern auf die Verwaltung der Schulenwird durch ihre Mitwirkung in den kommunalen Schulaus-schüssen verstärkt.

5. Finanzierung

Die Finanzierung der kommunalen Aufgaben im Bildungs-sektor erfolgt durch Staatszuschüsse der Regierung an die Ge-meinden in Form einer allgemeinen Ausgleichszahlung fürverschiedene öffentliche Dienstleistungen, die die Gemeindenerbringen müssen. Die Staatszuschüsse stellen eine Ergänzungzu den Steuereinnahmen der einzelnen Gemeinden dar undhaben auch den Zweck, Unterschiede in den Einnahmen zwi-schen den Gemeinden auszugleichen. Die staatliche Finanzie-rung hat jedoch keinen Einfluss auf die Organisation der Schu-len. Es steht den Gemeinden frei, die Bedingungen für ver-schiedene Bildungsangebote und Dienstleistungen so zu gestal-ten, wie sie ihnen passend erscheinen. Wenn jedoch eine Ge-meinde ihre Verpflichtungen nach dem Schulgesetz oder nachVerordnungen, die sich auf das Schulgesetz stützen, ernstlichvernachlässigt, ist die Regierung berechtigt einzuschreiten.

Außerdem erhalten die Kommunen besondere Staatszuschüssefür Forschung und Entwicklung, interne Fortbildung desSchulpersonals, Förderungsmaßnahmen für geistig zurückge-bliebene Schüler und für eine Reihe von unabhängigen, teilsprivaten Gymnasialschulen. Die Gemeinden sind ihrerseitsverpflichtet, Privatschulen finanziell zu unterstützen, die vom„Zentralamt für Schule und Erwachsenenbildung“ genehmigtworden sind und Schülern, die diese Schulform gewählt haben,Unterricht auf der Grundschulstufe erteilen. Dies gilt auch für

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Privatschulen auf der Gymnasialstufe, jedoch mit geringeremVergütungsniveau.

Nach dem Gesetz ist es nicht gestattet, in von den Gemeindengetragenen Schulen Schulgeld zu erheben. Das Gleiche gilt fürPrivatschulen, die Unterricht auf der Grundschulstufe erteilen,da deren gesamte Kosten von der Gemeinde getragen werden.In ähnlicher Weise sind Lernmittel in der Grundschule für dieeinzelnen Schüler kostenlos. Das Gleiche gilt im Prinzip fürden Schwedischunterricht für Einwanderer. Schulessen undSchülertransporte sind für Grundschüler ebenfalls kostenlos, inden meisten Gemeinden auch für Schüler der Gymnasial-schule. In der kommunalen Erwachsenenbildung müssen dieTeilnehmer in manchen Fällen für die Lernmittel bezahlen, diesie behalten.

Außerdem erhalten alle Schüler im Alter von 16 bis 20 Jahrenin der Gymnasialschule und alle Teilnehmer gleichen Alters anHeimvolkshochschulen Schülerbeihilfen. Dies gilt auch fürSchüler an Privatschulen, wenn der Unterricht staatlicher Auf-sicht unterliegt. Die Schülerförderung besteht aus einer allge-meinen Beihilfe, die eine Fortsetzung des Kindergeldes dar-stellt und allen Schülern vom 16. Lebensjahr zusteht, und nachBedarfsprüfung aus Förderungsbeiträgen zu den Ausbildungs-und Fahrtkosten. Außerdem gibt es eine Studienförderung fürErwachsene sowohl für kürzere wie für längere Studien.

6. Formen der Kooperation

Für die Koordinierung der Aktivitäten im Bereich von Bildungund Erziehung ist ebenfalls das „Zentralamt für Schule undErwachsenenbildung“ zuständig. Eine horizontale Abstim-mung ist schon wegen der großen Distanzen nur schwer mög-lich. Dieser Mangel wird mindestens zum Teil dadurch ausge-

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glichen, dass Lehrer-, Eltern- und Schülerverbände sowie diezuständigen Gewerkschaften auf allen Ebenen an den staatli-chen Bildungs- und Erziehungsaufgaben aktiv mitwirken undinnerhalb ihrer jeweiligen Organisationen für die notwendigeKohärenz der Bildungspolitik sorgen.

XIII. Schweiz

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Schweizerische Eidgenossenschaft (so der offizielle Na-me) erstreckt sich über ein Gebiet von 41290 km2 und zählt7,2 Mio. Einwohner. Als Bundesstaat ist sie ist in 26 Kantoneund Halbkantone gegliedert: Zürich, Bern, Luzern, Uri,Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg,Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen,Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden,St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt,Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die SchweizerischeEidgenossenschaft. Die Amtssprachen sind Deutsch, Franzö-sisch, Italienisch und – im Verkehr mit Personen aus dem Rä-tikon – auch Rätoromanisch.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die Grundlagen des schweizerischen Bildungs- und Erzie-hungswesens sind in der neuen „Bundesverfassung“ (BV) vom18. Dezember 1998 geregelt. In Art. 19 wird zunächst der An-spruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulun-terricht gewährleistet. Im 3. Abschnitt (Bildung, Forschungund Kultur), 2. Kapitel, 3. Titel wird eine klare Verteilung derZuständigkeiten in diesem Bereich vorgenommen, nach derdas Schulwesen in den ausschließlichen Kompetenzbereich der

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Kantone fällt und im Übrigen auch der Bund an der Erfüllungvon Bildungs-, Forschungs- und Kulturaufgaben beteiligt ist.Die einschlägigen Bestimmungen lauten wie folgt:

„Art. 62 Schulwesen

(1) Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig.

(2) Sie sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allenKindern offen steht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und unter-steht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er un-entgeltlich. Das Schuljahr beginnt zwischen Mitte August und Mitte Sep-tember.

Art. 63 Berufsbildung und Hochschulen

(1) Der Bund erlässt Vorschriften über die Berufsbildung.

(2) Er betreibt technische Hochschulen; er kann weitere Hochschulen undandere höhere Bildungsanstalten errichten, betreiben oder unterstützen. Erkann die Unterstützung davon abhängig machen, dass die Koordinationsichergestellt ist.

Art. 64 Forschung

(1) Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung.

(2) Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass dieKoordination sichergestellt ist.

(3) Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben.

Art. 66 Ausbildungsbeihilfen

(1) Der Bund kann den Kantonen Beiträge an ihre Aufwendungen für Sti-pendien und andere Ausbildungsbeihilfen gewähren.

(2) Er kann zudem in Ergänzung zu den kantonalen Maßnahmen und unterWahrung der kantonalen Schulhoheit eigene Maßnahmen zur Förderungder Ausbildung ergreifen.

Art. 67 Jugend und Erwachsenenbildung

(1) Bund und Kantone tragen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben den beson-

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deren Förderungs- und Schutzbedürfnissen von Kindern und JugendlichenRechnung.

(2) Der Bund kann in Ergänzung zu kantonalen Maßnahmen die außerschu-lische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie die Erwachsenenbildungunterstützen.

Art. 69 Kultur

(1) Für den Bereich der Kultur sind die Kantone zuständig.

(2) Der Bund kann kulturelle Bestrebungen von gesamtschweizerischemInteresse unterstützen sowie Kunst und Musik, insbesondere im Bereich derAusbildung, fördern.

(3) Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die kulturelleund die sprachliche Vielfalt des Landes.“

Gemäß Art. 3 BV werden alle Rechte und Befugnisse, die da-nach nicht dem Bund übertragen sind, von den Kantonen aus-geübt.

3. Rechtsgrundlagen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bund im Bil-dungsbereich über folgende Kompetenzen verfügt:

• Der Bund stellt die Organisation eines „genügenden Primar-unterrichts“ sicher, welcher obligatorisch und unentgeltlichist und in den Verantwortungsbereich der Kantone fällt.

• Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Ausbil-dung in Industrie, Gewerbe, Handel, Landwirtschaft undHausdienst.

• Der Bund regelt den Turn- und Sportunterricht.

• Der Bund ist Träger der Eidgenössischen TechnischenHochschulen in Zürich und Lausanne, des Schweizerischen

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Instituts für Berufspädagogik (Bern, Lausanne, Lugano)sowie der Eidgenössischen Sportschule in Magglingen.

• Der Bund regelt den Zugang zum Medizinstudium sowie zuden Eidgenössischen Technischen Hochschulen und aner-kennt auf der Grundlage eines entsprechenden Reglementsdie Maturitätsausweise.

• Der Bund gewährt Beiträge an die kantonalen Universitä-ten, an die wissenschaftliche Forschung, an die Kantone fürihre Aufwendungen für Stipendien sowie an die SchweizerSchulen im Ausland.

• Der Bund fördert auf der Grundlage des Bundesgesetzesüber die Invalidenversicherung die Ausbildung und Integra-tion von behinderten Kindern und Jugendlichen.

In besonderen Situationen kann das Parlament dem Bund vo-rübergehend einzelne Kompetenzen übertragen, damit dieserAufgaben erfüllen kann, die von großer Dringlichkeit und vonnationaler Bedeutung sind (beispielsweise Programme zurFörderung der Weiterbildung, des akademischen Nachwuchsesoder der Beteiligung der Schweiz an europäischen Forschungs-und Bildungsprogrammen).

In Bezug auf die Organisation des Schulwesens sind die Kan-tone im Wesentlichen souverän. Sie erlassen entsprechendeSchul- und Stipendiengesetze. Die kantonalen Gesetzgebungenunterscheiden sich beträchtlich voneinander (historische Grün-de, Größe der Kantone, finanzielle Mittel usw.), obwohl sie aufdenselben historischen Quellen und Traditionen beruhen undobschon die Kantone in einigen Bereichen zusammenarbeiten.So weist die Schweiz insgesamt 26 verschiedene Schulgesetz-gebungen auf. Allerdings unterliegen gewisse wichtige Berei-che zum Zwecke der Einheitlichkeit entsprechenden Bestim-mungen des Bundes. Es gibt in der Schweiz auf Bundesebenejedoch kein Erziehungsministerium. Der letzte Versuch, einen

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Bildungsartikel in die Verfassung aufzunehmen, ist 1973 ineiner Volksabstimmung knapp gescheitert. Die Kantone sinddaher zum großen Teil auch für jene Bereiche des Schulwesensverantwortlich, für die sie keine direkte Gesetzgebungskompe-tenz haben. Ihre Position wird außerdem noch durch die Tatsa-che gestärkt, dass der Bund ihnen ein Recht auf Anhörung ein-räumt. In der Regel beauftragen die Kantone die Gemeindenmit der Einrichtung und dem Betrieb von bestimmten Schulty-pen, zu denen unter anderem die Kindergärten und die obliga-torischen Schulen gehören.

Das System der Berufsbildung ist hingegen durch eine Aufga-benteilung zwischen dem Bund, den Kantonen und den Be-rufsorganisationen gekennzeichnet. In Art. 63 Abs.1 der Bun-desverfassung wird dem Bund die Kompetenz eingeräumt,Vorschriften über die berufliche Ausbildung in Industrie, Ge-werbe, Handel, Landwirtschaft und Hausdienst zu erlassen.Alle anderen Bereiche der Berufsbildung, Erziehung, Ge-sundheit, übrige soziale Berufe und Kunst fallen in den Zustän-digkeitsbereich der Kantone. Außerdem sind die Kantone all-gemein mit dem Vollzug der vom Bund reglementierten Be-rufsbildung betraut: Organisation des beruflichen Unterrichts,Genehmigung der Lehrverträge, Überwachung und Organisa-tion der Lehrabschlussprüfungen, Ausbildung der Lehrmeister(in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden) und Berufs-beratung.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Weder der Bund noch die Kantone verfügen über einen ein-heitlichen Verwaltungsapparat, der das gesamte Bildungssys-tem abdeckt. Auf Bundesebene werden die Kompetenzen bei-spielsweise von zwei verschiedenen Departements (Ministe-

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rien) wahrgenommen: vom „Eidgenössischen Departementdes Innern“ (Eidgenössische Technische Hochschulen [ETHs],Subventionierung der Universitäten, Stipendien, Wissenschaftund Forschung, Sport, Anerkennung der gymnasialen Reife-zeugnisse) und vom „Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepar-tement“ (Berufsbildung). Innerhalb des Eidgenössischen De-partements des Innern wurden die entsprechenden Aufgabender „Gruppe für Wissenschaft und Forschung“ (GWF) unddem „Bundesamt für Bildung und Wissenschaft“ (BBW) über-tragen. Innerhalb des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepar-tements ist das „Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit“(BIGA) für den Bereich der Berufsbildung zuständig, währendsich das Bundesamt für Landwirtschaft um die Berufsausbil-dung im Landwirtschaftsbereich kümmert.

Die Leitung und Verwaltung des kantonalen Schulwesens ob-liegen den kantonalen Exekutiven und deren „Departement fürErziehung“ (dem Erziehungsministerium des Kantons), zuwelchem in mehreren Kantonen noch ein Erziehungsrat hinzu-kommt. Der für das Erziehungsdepartement zuständige „Re-gierungsrat“ (kantonaler Erziehungsminister) wird direkt vomVolk gewählt und muss sich alle vier bis fünf Jahre zur Wie-derwahl stellen. Je nach Größe des Kantons ist die Schulver-waltung mehr oder weniger stark ausgebaut und umfasst eineunterschiedliche Zahl von Abteilungen. In den sechziger Jah-ren schufen beinahe alle Kantone pädagogische Arbeitsstellen(kantonale Zentren zu statistischen Zwecken sowie für For-schung und Dokumentation), die den Auftrag haben, den ge-ordneten Betrieb der Schule zu unterstützen und teilweise ei-nen wissenschaftlichen Beitrag zu den Arbeiten in diesem Be-reich (Förderung des Schulwesens, Erarbeitung von Lehr-plänen usw.) zu leisten.

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Auf Gemeindeebene ist die Schulverwaltung je nach Größe derGemeinde sehr unterschiedlich organisiert; die politischen Be-hörden werden hier von Schulkommissionen unterstützt, diesich aus gewählten lokalen Politikern, aber auch aus Laien zu-sammensetzen. Allgemein lässt sich feststellen, dass in denmeisten Kantonen die Schulfragen bis ins Detail von einerzentralen Stelle geregelt werden (Größe der Klassen, verbind-liche Lehrpläne, offizielle Lehrmittel usw.), insbesondere imBereich der Pflichtschule. Die Schulen selbst verfügen nurüber wenig Autonomie. Auf Sekundarstufe II hingegen ist diesnicht mehr der Fall.

In den meisten Kantonen sind für die Kontrolle der Schulenvollzeitlich angestellte Beamtinnen und Beamte, die so ge-nannten „Schulinspektoren“, zuständig, die – abgesehen voneinigen Ausnahmen – Generalisten und keine Spezialisten füreinzelne Fächer sind und meist auch die Verantwortung füreine bestimmte Region (Bezirk oder Amt) tragen. In einigenKantonen werden die Bezirksinspektorinnen und -inspektorenteilzeitlich von Angehörigen des Lehrkörpers unterstützt. DieKantone Zürich und St. Gallen haben ein besonderes Systemgeschaffen: Die Inspektorinnen und Inspektoren sind dort imengen Sinne des Wortes nur mit ganz beschränkten, vor allemadministrativen Aufgaben befasst, während die allgemeineÜberwachung der Schulen Laien übertragen wird, die von denlokalen oder regionalen Schulkommissionen ernannt werden„Laieninspektorat“.

Auch bei der Schulleitung können von Kanton zu Kanton er-hebliche Unterschiede auftreten. Diese Funktion existiert oh-nehin nur in Schulen mit hoher Klassenzahl. Ganz allgemeinlässt sich sagen, dass man auf der Pflichtschulstufe in derDeutschschweiz keinen eigentlichen „Schuldirektor“ kennt;falls doch einer vorgesehen ist, beschränken sich seine Funkti-

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onen auf Organisation und Koordination. In der Westschweizist dies anders: Dort kommt dem „directeur d'école“ eine be-deutend wichtigere Rolle zu (Aufgaben im Bereich der Über-wachung und Einführung von pädagogischen Neuerungen).Auf der Sekundarstufe II ist diese Funktion jedoch in der gan-zen Schweiz von Bedeutung, da für die Aufsicht über die O-berschulen kein Inspektorat besteht; die „Schweizerische Ma-turitätskommission“ prüft, ob die vorgeschriebenen Vor-aussetzungen für die Anerkennung der Zeugnisse erfüllt sind.Die Kantone verfügen ebenfalls über eigene Kontrollorgane;auch die Schulleitung besitzt, da wo sie vorhanden ist, weit rei-chende Kompetenzen im Bereich der pädagogischen Kontrolle.

In der Vergangenheit erwartete man von Inspektoren undSchulleitern in erster Linie, dass sie eine Kontrollfunktion(Lehrpläne, Inhalte, pädagogische Methoden, Evaluation, Pro-motion der Schüler und Schülerinnen usw.) ausübten und dasssie bei der Umsetzung von schulischen Neuerungen deren Ü-bereinstimmung mit den kantonalen Vorschriften überprüften.Diese Aufgaben bestehen zwar teilweise fort, doch hat sichinzwischen das Inspektorat in Zusammenarbeit mit weiterenFachleuten stärker in Richtung pädagogischer Animation undBeratung fortentwickelt. Zu diesem Zweck verfügen mehrereKantone über einen „Erziehungsrat“.

In allen Kantonen hat der Lehrkörper sowohl rechtlich als auchpraktisch ein Mitspracherecht. Dieses umfasst nicht nur einRecht auf Anhörung, sondern auch insbesondere in derDeutschschweiz ein Recht auf direkte Mitbestimmung (Mit-gliedschaft im Erziehungsrat und in den lokalen Schulbehör-den). Das Mitspracherecht der Eltern hingegen ist weniger festverankert, auch wenn diese in den Schulkommissionen häufigvertreten sind. Auf Gemeindeebene haben beispielsweise imRahmen der direkten Demokratie alle Bürgerinnen und Bürger

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die Möglichkeit, über das Schulsystem zu entscheiden, wo-durch der Einfluss der Eltern, der eigentlich Betroffenen, ein-geschränkt wird. Auf kantonaler Ebene verfügen die Parla-mente (Gesetze, Kredite) und die Bürger und Bürgerinnen (Re-ferendum, Initiative) ebenfalls über einen beträchtlichen Ein-fluss auf die Organisation des Schulsystems, ebenso wie diemitspracheberechtigten Gemeinden.

Im Hochschulbereich unterstehen zehn Universitäten (Basel,Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, Neuchâtel,St. Gallen, Zürich) den Kantonen, während die beiden techni-schen Hochschulen (ETH Zürich, EPF Lausanne) dem Bundzugeordnet sind (vgl. 6.1). Jede Universität wird vom entspre-chenden kantonalen Erziehungsdepartement verwaltet, verfügtaber über weit reichende akademische Freiheit, die im Übrigendurch das kantonale Recht garantiert wird. Die beiden techni-schen Hochschulen jedoch fallen vollständig in die Zu-ständigkeit des Bundes.

5. Finanzierung

Die Finanzierung des schweizerischen Bildungswesens spie-gelt die Kompetenzaufteilung zwischen den verschiedenenZuständigkeitsebenen wider. Jede Zuständigkeitsebene ist imsteuerlichen Bereich autonom und trägt deshalb die finanziel-len Belastungen im Rahmen ihrer Kompetenzen. Die Pflicht-schule ist für die Schüler und Schülerinnen unentgeltlich; erstab Sekundarstufe II wird von ihnen eine Beteiligung an denKosten (Schulgeld, Schulbücher usw.) verlangt. Die Ausgabenfür die Pflichtschule werden von den Gemeinden (Gebäude,Einrichtung, Lehrmaterial, Teil der Besoldung des Lehrkör-pers) und den Kantonen (Besoldung) getragen. Die Kosten für

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den Schulbesuch auf Sekundarstufe II und für die Hochschul-studien werden hauptsächlich von den Kantonen getragen.

Der Bund beteiligt sich an den Ausgaben für die akademischeAusbildung – wobei er für die beiden Eidgenössischen Techni-schen Hochschulen vollständig aufkommt – und für die For-schung. Die Einzelheiten sind im „Bundesgesetz über die För-derung der Universitäten und über die Zusammenarbeit imHochschulbereich“ vom 8. Oktober 1999 (BBl 1999, S. 297)geregelt. Da auch Kantone, die keine Universität oder Hoch-schule besitzen, von der Ausbildung ihrer Studierenden an-derswo profitieren, werden sie ebenfalls zur Finanzierung destertiären Sektors herangezogen, und zwar auf der Grundlageeiner „Interkantonalen Universitätsvereinbarung“ vom 25.Mai 1999 (AS 1999, S. 1503). Mit diesem „Konkordat“ wurdeein Stück gegenständlich abgegrenzten (sachspezifischen) in-terkantonalen Finanzausgleichs geregelt. Schließlich soll nachdem Entwurf eines „Bundesbeschluss(es) zur Neugestaltungdes Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund undKantonen“ (BBl 2002, S. 2291) Artikel 66 Abs. 1 BV wiefolgt gefasst werden:

„Der Bund kann den Kantonen Beiträge zu ihren Aufwendungen für Aus-bildungshilfen an Studierende von Hochschulen und anderen höheren Bil-dungsanstalten gewähren. Er kann die interkantonale Harmonisierung derAusbildungsbeihilfen fördern und Grundsätze für die Unterstützung fest-legen“.

An der Finanzierung der Berufsbildung beteiligen sich derBund, die Kantone, die Berufsverbände und die Betriebe, wel-che Lehrlinge ausbilden. Bildungsveranstaltungen, die von denKantonen mitfinanziert werden, werden außerdem subsidiärvom Bund gefördert, sofern sie der gesamten Bevölkerungoffen stehen und auf geeignete Weise durchgeführt werden.Die Ausgaben für die Berufsbildung können nicht genau bezif-

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fert werden, da die von den Betrieben getragenen Kosten sta-tistisch nicht erfasst werden.

1993 waren die gesamten Bildungsausgaben (einschließlichder Universitäten) wie folgt verteilt: Gemeinden 35 Prozent,Kantone 53 Prozent und Bund 12 Prozent. Auf allen Ebenenwerden die Mittel aufgrund von genauen und detailliertenBudgets und nicht in Form eines Globalkredits verteilt. Inzwi-schen ist der Bundesanteil deutlich angestiegen.

6. Formen der Kooperation

Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen und der Viel-falt der Zuständigkeitsebenen besteht das Hauptproblem in derKohärenz des gesamten Systems. Die Anstrengungen in Bezugauf Absprachen und Koordination sind daher von großer Be-deutung. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die kantonalenSysteme sehr isoliert, obwohl die Vorsteher der kantonalenErziehungsdepartements (die Erziehungsdirektoren der Kan-tone) bereits 1897 eine Konferenz gegründet hatten, welcheeinen gegenseitigen Informations- und Erfahrungsaustauschsowie die Koordination der verschiedenen Schulsysteme aufgesamtschweizerischer Ebene zum Ziel hatte. Vor allem seitden sechziger Jahren nahm das Bedürfnis nach einer verstärk-ten Koordination der Bildungspolitik zu. Es entstanden ver-schiedene Institutionen, bei deren Gründung der Bund in vie-len Fällen mitwirkte.

Die „Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdi-rektoren“ (EDK) wurde umgestaltet und ein Sekretariat einge-richtet. Zusätzlich wurden vier Regionalkonferenzen (West-schweiz und Tessin, Nordwestschweiz, Innerschweiz, Ost-schweiz) geschaffen, um dem Umstand Rechnung zu tragen,dass einzelne Gruppen von Kantonen aus sprachlichen, histori-

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schen und geographischen Gründen eine besonders enge Zu-sammenarbeit anstrebten. Damit erhielten die Kantone dieMöglichkeit, ihre Koordinationspolitik in kleinerem Rahmenzu verfolgen, was zur Erarbeitung von gemeinsamen Lehrplä-nen, zur Herausgabe von Lehrmitteln, zur gemeinsamen Füh-rung von Ausbildungsstätten sowie zum Abschluss von Ver-einbarungen über die Anerkennung von Diplomen und die Zu-lassungsbedingungen von Schulen führte.

Ein wichtiges rechtliches Instrument zur Koordination der ver-schiedenen Schulsysteme stellt das „Konkordat über die Schul-koordination“ dar, das von den Kantonen 1970 „zur Förderungdes Schulwesens und zur Harmonisierung des entsprechendenkantonalen Rechts“ (Art. 1) geschaffen wurde. Bis heute sind25 Kantone diesem Konkordat beigetreten, mit dem sie sichverpflichten, ihre Schulgesetzgebung in den folgenden Punktenanzugleichen: Schuleintrittsalter: vollendetes sechstes Alters-jahr mit Stichtag 30. Juni, Abweichungen von bis zu vier Mo-naten vor und nach diesem Datum sind zulässig; Schulpflicht:neun Jahre, bei mindestens 38 Schulwochen pro Jahr; Ausbil-dungsdauer bis zur Maturität: mindestens 12, höchstens 13Jahre; Schuljahresbeginn: zwischen Mitte August und MitteOktober. Aufgrund der direkten Demokratie (Referendum)stieß die Umsetzung dieser Grundsätze auf beträchtlicheSchwierigkeiten, sodass der Anpassungsprozess mehr als 15Jahre dauerte. Neben den oben erwähnten zwingenden Be-stimmungen versteht sich das Konkordat vor allem als Instru-ment zur freiwilligen Zusammenarbeit und Harmonisierung(Reformen, Anerkennung von Diplomen, Zusammenarbeit imBereich der Planung, Forschung und Schulstatistik usw.). DasKonkordat verfügt über keine eigenen Organe, sondern hat dieDurchführung der erwähnten Aufgaben der EDK und derenOrganen übertragen.

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Darüber hinaus wurden zwischen den Kantonen weitere wich-tige Vereinbarungen zu folgenden Themenbereichen geschlos-sen: interkantonale Anerkennung von Abschlussdiplomen,Finanzierung der Universitäten, Zugang zu außerkantonalenSchulen, Finanzierung von gemeinsamen Institutionen usw. ImUniversitätsbereich gibt es neuerdings eine „Universitätsförde-rungskonferenz“ mit den Universitätskantonen und dem Bund(wegen seiner ETHs), die über eine Festlegung der Subven-tionsbedingungen den gesamten Hochschulbereich von Bundund Kantonen gemeinsam zu steuern in der Lage ist. Außer-dem wurden zwei weitere Koordinationsorgane geschaffen: der„Schweizerische Wissenschaftsrat“ (SWR) und die „Schweize-rische Hochschulkonferenz“ (SHK).

XIV. Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

1. Föderative Rahmenbedingungen

Die Vereinigten Staaten von Amerika erstrecken sich über einStaatsgebiet von 9,63 Mio. km2, auf denen 285,3 Mio. Ein-wohner leben: Die Föderation besteht aus 50 Staaten: Ala-bama, Alaska, Arizona, Arkansas, Kalifornien, Colorado, Con-necticut, Delaware, Florida, Georgia, Hawaii, Idaho, Illinois,Indiana, lowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Maryland,Massachusetts, Michigan, Minnesota, Mississippi, Missouri,Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Jersey,New Mexico, New York, North Carolina, North Dakota, Ohio,Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Caro-lina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Vir-ginia, Washington, West Virginia, Wisconsin und Wyomingsowie dem Bundesdistrikt Washington (District of Columbia).Außerdem verfügen die USA über Verwaltungsbeziehungen zuPuerto Rico und den Nördlichen Marianen sowie über drei

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assoziierte Staaten: die Republik von Palau, die Bundesstaatenvon Mikronesien und die Republik der Marshall Inseln.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Die Verfassung der USA von 1787 enthält keine ausdrücklicheRegelung über das Bildungs- und Erziehungswesen, das dahernicht als Bundesangelegenheit, sondern als Sache der Einzel-staaten betrachtet wird. Dennoch nimmt der Bund in vielfälti-ger Weise auf die verschiedenen Bildungssysteme der Staatenerheblichen Einfluss, und zwar einerseits im Wege der Gesetz-gebung, wobei er sich auf seine Zuständigkeit aus Artikel I,Section 8, Absatz 18 („to make all laws which shall be neces-sary and proper for carrying into execution the foregoing po-wers“) stützt, und andererseits aufgrund seiner Finanzierungs-befugnis „spending power“ aus Artikel I, Section 8, Absatz 1(„to provide for the common defense and general welfare ofthe United States“) tätig wird. Zu den wichtigsten Gesetzen desBundes auf kulturellem Gebiet gehört der Titel VI des „CivilRights Act“ von 1964, der Titel IX des „Education Amend-ments Act“ von 1972, Section 504 des „Rehabilitation Act“und vor allem der „Elementary and Secondary Education Act“von 1965.

Darüber hinaus hat der US Supreme Court, meist gestützt aufdie „free exercise clause“ im 1. Zusatzartikel und die „equalprotection clause“ im 14. Zusatzartikel der Verfassung, in ei-ner Vielzahl von Entscheidungen die konkrete Ausgestaltungdes Schulsystems in den Einzelstaaten maßgeblich mitbe-stimmt und damit – als Bundesorgan – die fehlenden Gesetz-gebungskompetenzen des Bundes zumindest partiell und punk-tuell ersetzt. In seiner berühmten Entscheidung von 1954„Brown vs. Board of Education“ verschaffte er im Rahmen der

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gesetzlichen Schulpflicht schwarzen Kindern den Zutritt zu„weißen“ Schulen. Schon zuvor hatte er in drei Urteilen von1923, 1925 und 1927 „Pierce vs. Society of Sisters“, „Meyervs. Nebraska“, „Farrington vs. Tokushige“ Gesetze der Ein-zelstaaten, welche die Eltern verpflichteten, ihre Kinder nur inöffentliche Schulen zu schicken, für verfassungswidrig erklärt.In einer Vielzahl weitere Urteile verbot das Gericht unter Be-rufung auf die „establishment clause“ im 1. Zusatzartikel dieVerwendung religiöser Symbole im Unterricht, eine religiöseoder weltanschauliche Indoktrination von Schülern sowie dieAnordnung von Schulgebeten oder Schweigeminuten. Auf deranderen Seite hat das Gericht 1973 aber auch entschieden, dassder Zugang zu Bildungseinrichtungen kein fundamentales Inte-resse im Sinne des Gleichheitssatzes darstelle und deshalb eineDiskriminierung, die auf dem Reichtum eines Schuldistriktsberuhe, zulässig sei (San Antonio Independent School Districtvs. Rodriguez). Diese Rechtsprechung hat nicht nur den Ein-fluss des Bundes auf das Erziehungswesen der Staaten insge-samt verstärkt, sondern auch für dessen notwendige Harmoni-sierung und Vereinheitlichung in den Systemstrukturen undGrundprinzipien gesorgt.

Da die Einzelstaaten wiederum das Bildungs- und Erzie-hungswesen als ihre Domäne betrachten, weil die Bundesver-fassung darüber schweigt, enthalten fast alle ihrer eigenen Ver-fassungen ausführliche Regelungen auf diesem Gebiet. Das istauch nicht verwunderlich, weil die Ausgaben der Staaten fürdie Elementar- und Sekundarerziehung in der Regel stets dengrößten Posten in ihrem Haushalt bilden.

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3. Rechtsgrundlagen

Alle fünfzig Staaten, von Hawaii bis Delaware, von Alaska bisLouisiana, haben eigene Bildungsgesetze, zum Teil mit sehrverschiedenem Inhalt. Diese Gesetze erfassen alle Stufen desErziehungswesens vom so genannten „prekindergarten“ bzw.der „nursery school“ über den „kindergarten“, die Elementar-und Sekundarerziehung bis hin zur höheren Bildung („highereducation“), Erwachsenenbildung („continuing education“)und Berufsausbildung („professional education“). Trotz erheb-licher Unterschiede in Struktur, Organisation und Aufgaben-stellung der einzelnen Schulsysteme besteht aber in allen Bun-desstaaten Schulpflicht bis zum Alter von 16 oder 18 Jahren.So ist gewährleistet, dass jedes Kind in den USA eine elfjähri-ge Schulbildung erhält.

Zusätzlich zu den Herausforderungen der Bildungsreformender letzten Jahrzehnte müssen sich amerikanische Schulenauch mit neuen sozialen Problemen auseinander setzen. Siemüssen den Zustrom von Einwandererkindern bewältigen, vondenen viele wenig oder gar kein Englisch sprechen. Der Unter-richtsstoff muss nach neuesten Forderungen dem kulturellenHintergrund aller Schüler Rechnung tragen. Schulen müssendarauf achten, dass alle Schüler die notwendigen Grundkennt-nisse erwerben, die für den Arbeitsmarkt erforderlich sind, undsie müssen sich auf auch die Bedürfnisse von nichttraditio-nellen Schülern einstellen, z.B. auf Schülerinnen, die schonMutter sind.

Die Schulen lösen diese Probleme auf ganz unterschiedlicheWeise, was erneut die Vielfalt des amerikanischen Bildungs-wesens widerspiegelt. Einige stellen eine große Anzahl vonLehrern ein, die Englisch als Fremdsprache unterrichten, oderbilden sie aus. In anderen Gemeinden werden bilinguale Schu-len eingerichtet; sie erweitern den traditionell westlich orien-

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tierten Unterrichtsstoff um Material aus afrikanischen, asiati-schen und anderen Kulturkreisen. Die Schulen vermitteln auchkognitive Kompetenz, die für die fast 40 Prozent der Schülerwichtig ist, die nicht weiter auf die Hochschulen gehen.

Wie schon angedeutet, ist gerade wegen jener Integrations-probleme der Einfluss des Bundes auf die Bildungspolitik unddas Erziehungswesen der Einzelstaaten schon seit den fünfzi-ger Jahren ständig gestiegen. Bereits im Jahre 1965 erging un-ter der Johnson-Regierung der „Elementary and SecondaryEducation Act“, mit dem der Kongress im Kampf gegen Ar-mut und Diskriminierung die Bundeszuschüsse für die Grund-,Haupt- und Oberschulen der Einzelstaaten erheblich erhöhte.Mit Beginn der Reagan-Regierung wurde das Schwergewichtindes stärker auf eine Anhebung des Ausbildungsniveaus derStudierenden an Universitäten und Hochschulen gelegt. DieRegierung von George H.W. Bush widmete sich vor allemdurch Erlass entsprechender Richtlinien, an deren Beachtungfinanzielle Zuwendungen geknüpft wurden, der Vereinheitli-chung von akademischen Standards. Mit dem vom Präsidentenund den Gouverneuren aller 50 Staaten im Jahre 1989 be-schlossenen Programm „Goals 2000“ sollte bis zu diesemZeitpunkt erreicht werden, dass 90 Prozent aller Oberschülereinen akademischen Grad erwerben, die amerikanischen Stu-denten in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächernweltweit zur Spitze vorstoßen und dass alle Amerikaner eineAusbildung erhalten, die sie befähigt, jederzeit einen Arbeits-platz zu finden. Die bisher wichtigste bildungspolitische Akti-vität von George W. Bush war die Verabschiedung des „NoChild Left Behind Act“ von 2002. Dieses Gesetz verlangt vonden Einzelstaaten und örtlichen Schulbezirken, geeigneteMaßnahmen zu ergreifen, um die Leistungen der Schüler zuerhöhen, die Ergebnisse schwacher Schulen zu verbessern unddie Qualifikation des Lehrpersonals anzuheben.

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Auch auf dem Gebiet der höheren Bildung begegnet man einergroßen Vielfalt unterschiedlicher „Colleges“ und „Universi-ties“, die teils als private, teils als öffentliche (staatliche) Ein-richtungen organisiert sind und entweder im Sinne einer Voll-universität einen mehr oder weniger kompletten Fächerkanonanbieten oder sich auf bestimmte Studiengänge und For-schungszweige spezialisiert haben. Soweit es sich um öffentli-che Hochschulen handelt, sind für ihren Betrieb die Einzel-staaten verantwortlich; Bundesuniversitäten wie in Brasilien,Indien oder der Schweiz existieren nicht, wenn man von derMilitärakademie Westpoint und der United States Naval Aca-demy (Annapolis) absieht.

Das breite Angebot an Universitäts- und Collegekursen hatseinen Ursprung in einem Gesetz, das 1944 von Kongress ver-abschiedet wurde, dem so genannten "GI Bill". Das Gesetzgewährte allen Armeeangehörigen finanzielle Unterstützungfür Ihre Aus- oder Weiterbildung nach dem Ende des 2. Welt-krieges. Bis 1955 hatten mehr als zwei Millionen Veteranenmit Hilfe des GI-Bill studiert. Viele von ihnen kamen aus är-meren Verhältnissen und hätten ohne dieses Gesetz nicht dieChance gehabt, eine Universität zu besuchen. Der Erfolg die-ses Programms hat die Einstellung der Amerikaner in Bezugauf eine Universitäts- oder Fachhochschulausbildung nachhal-tig verändert.

Zur selben Zeit begann der Prozentsatz der Frauen an amerika-nischen Universitäten stetig anzusteigen; im Jahr 2000 waren57 Prozent aller Hochschulabsolventen Frauen, im Vergleichzu 24 Prozent im Jahr 1950. Mit dem Ende der Rassentrennungin den fünfziger und sechziger Jahren drängten auch vieleschwarze Amerikaner an die Universitäten. Heute entsprichtder Prozentsatz der Afro-Amerikaner, die eine Hochschulebesuchen, fast ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Im

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Jahr 2000 besuchten 56,2 Prozent aller schwarzen Amerikanermit High-School-Abschluss eine Universität oder ein College,verglichen mit 63,3 Prozent aller High-School-Abgänger.

4. Zuständigkeiten beim Vollzug

Die Organisation der Exekutiven im Bereich des US-amerika-nischen Bildungs- und Erziehungswesens ist durch ein hohesMaß an Selbstverwaltung gekennzeichnet. Während sich dieEinzelstaaten im Wesentlichen auf die Gesetzgebung für und(Mit-)Finanzierung von Schulen und Hochschulen beschrän-ken, liegt das Schwergewicht der Schulverwaltung bei denörtlichen Schulausschüssen („Local School Boards of Educa-tion“), die jeweils für einen bestimmten Schulbezirk („SchoolDistrict“) verantwortlich sind und sich aus gewählten Bürge-rinnen und Bürgern zusammensetzen. In der Regel haben dieseAusschüsse die Befugnis, das Lehrpersonal einzustellen, fernerdie ihnen von den staatlichen Behörden (in der Regel vom„Department of Education“ des jeweiligen Einzelstaats) nacheiner bestimmten Formel zugewiesenen Finanzmittel zu ver-walten, Richtlinien für die praktische Arbeit in den Schulen zuerlassen und neue Projekte zu entwerfen. Soweit es um Lehr-pläne und die Einrichtung oder Abschaffung von Curriculageht, sind die Ausschüsse trotz ihres unabhängigen Status na-turgemäß nicht völlig frei von politischen Einflüssen der je-weiligen Regierung des betreffenden Staates. Die örtlichenSchulausschüsse sind in der „National School Boards Associ-ation“ (NSBA) zusammengeschlossen, die sie landesweit mitden notwendigen Informationen, Daten und Entwürfen ver-sorgt.

In den Einzelstaaten sind für die Verwaltung der Schul- undHochschulangelegenheiten deren Erziehungsministerien ver-

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antwortlich. Sowohl die Bezeichnung als auch die Organisa-tion und nicht zuletzt die Aufgabenstellung dieser Behördenvariiert von Staat zu Staat erheblich. Im Wesentlichen findetman zwei Modelle vor, die sich in der Führungsstruktur unter-scheiden: eine monokratische oder eine kollegiale Leitung.Einige Staaten bilden die lokale Organisationsform auch aufregionaler Ebene ab und verfügen daher über einen „Commis-sioner of Education“, der von einem gewählten „State Boardof Education“ unterstützt wird (so z.B. Texas). Andere Staatenorientieren sich stärker an der Ministerialorganisation und ü-bertragen die Leitung ihres „Departments of Education“ einem„Superindendent of Public Instruction“ oder einem „Directorof Education“ (so z.B. Kalifornien).

Diese Behörden haben neben der Durchführung der Bundes-programme und der Gesetze des Regionalparlaments vor allemdie Aufgabe, das gesamte öffentliche Schulsystem des jeweili-gen Einzelstaates zu überwachen, die Programme der ver-schiedenen Schulausschüsse auf Distriktebene zu koordinierenund zu verbessern sowie allen nachgeordneten Stellen Führungund Unterstützung anzubieten. Dazu gehören die Prüfung undGenehmigung des Lehrmaterials, die Anerkennung von Lehr-fächern und Studiengängen, die Kontrolle der Beachtung vonBundesrichtlinien sowie neben der Auszahlung eigener Fi-nanzmittel an die Schuldistrikte auch die Verwaltung der Bun-desgelder.

Auf Bundesebene existiert ebenfalls ein Erziehungsministe-rium („Department of Education“), das der Kongress 1980 zueiner Behörde mit Kabinettsrang erhoben hat. Seither führtdieses Ministerium Programme durch, die fast alle Bereichedes amerikanischen Bildungs- und Erziehungswesens berüh-ren. Die jährlichen Programme für die Elementar- und Sekun-darschulen wirken sich auf etwa 14000 Schulbezirke im Lande

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aus und betreffen annähernd 54 Mio. Schülerinnen und Schülerin 93000 öffentlichen und 27000 privaten Schulen. Außerdemgewähren Sonderprogramme Stipendien, Kredite und Arbeits-hilfen für mehr als 9,5 Mio. Studierende.

Die Universitäten und Hochschulen im tertiären Sektor werdenin der Regel von einem Präsidenten oder Kanzler geleitet, dieein Kollegialorgan, das „Governing Board“, wählt. In akade-mischen Angelegenheiten genießen sie zwar erheblich mehrAutonomie und Unabhängigkeit als die allgemein bildendenund beruflichen Schulen. Gleichwohl sind auch sie der Kon-trolle und Koordination durch die Regierungen der Einzel-staaten unterworfen. Die meisten Staaten beschäftigen zu die-sem Zweck einen „Higher Education Executive Officer“, derdie Satzungen der Hochschulen prüft, die Standards und Artender akademischen Grade festlegt und in vieler Hinsicht Rege-lungsbefugnisse gegenüber den akademischen Gremien besitzt.Den stärksten Einfluss auf die autonomen Handlungsspiel-räume der Universitäten und Hochschulen haben jedoch dieverschiedenen Finanzierungsangebote des Bundes und derStaaten, die jeweils an besondere Bedingungen geknüpft sind.Zu den bekanntesten Konditionen gehört das Verlangen nach„affirmative actions“, mit denen etwa Frauen, Minderheitenoder ärmere Bevölkerungsschichten gefördert werden sollen.

5. Finanzierung

An der Finanzierung des Bildungssektors sind alle drei Ebenendes Gesamtstaates beteiligt. Dabei liegt das Schwergewicht derAusgabenbelastung bei den Einzelstaaten, die den staatlichenPrimar- und Sekundarschulbereich im Wesentlichen voll finan-zieren, während der Hochschulsektor – schon wegen der großenZahl privater Universitäten und Colleges – nur eine Teilfinan-

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zierung erfordert. Daneben spielen die meist konditioniertenBundeszuschüsse keineswegs nur eine marginale Rolle, sondernmachen im Verhältnis zu den Leistungen der Einzelstaaten undKommunen mit etwa 350 Mrd. Dollar fast die Hälfte der öffent-lichen Gesamtausgaben für Bildungszwecke (ca. 750 Mrd. Dol-lar = 7,7 Prozent des Bruttosozialprodukts) aus.

6. Formen der Kooperation

Die Heterogenität des amerikanischen Bildungs- und Erzie-hungswesens erzeugt einen außerordentlich hohen Bedarf anvertikaler und horizontaler Koordinierung, der nur zum Teildurch enge Abstimmung und Kooperation der Behörden imstaatlichen Bereich befriedigt werden kann. Deshalb ist an die-sem Harmonisierungsprozess in den USA auch die Zivilgesell-schaft maßgeblich beteiligt. So verfügt fast jeder, der eine be-stimmte Position im Bildungs- und Erziehungswesen einnimmtoder besondere Interessen zu vertreten hat, über eine entspre-chende Vereinigung („association“), die sowohl lokal undregional als auch landesweit organisiert ist. Das gilt nicht nurfür Amtsinhaber, sondern auch für fast alle Institutionen. Esgibt beispielsweise allein im tertiären Bereich ein „State Hig-her Education Executive Officer Network“ (SHEEO) ebensowie eine „Association of Community Colleges“ (AACC), eine„Association of Community Colleges Trustees“ (ACCT), eine„National Association of State Student Grant-in-Aid Pro-grams”, eine „American Association of State Colleges andUniversities“ (AASCU) und viele andere mehr, die hier un-möglich aufgezählt werden können.

Erwähnenswert sind allerdings noch zwei größere Institutionenmit ausdrücklicher Koordinierungsfunktion: das „SouthernRegional Education Board“ (SREB), welches für eine Ab-

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stimmungen der Bildungspolitiken von 15 Staaten vom mittle-ren Atlantik bis zum Südwesten der USA sorgt, und die „Wes-tern Interstate Commission on Higher Education“ (WICHE),die gemeinsame Projekte unter den Staaten der Rocky Moun-tain-, Nordwest- und Südwest-Region koordiniert.

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Vergleichende Folgerungen

Ohne auf Einzelheiten näher eingehen zu können, soll das fol-gende Fazit in erster Linie dem Zweck dienen, diejenigen Ei-genarten, Regelungen oder Gesichtspunkte eines Bildungs-oder Erziehungssystems noch einmal hervorzuheben, dieerstens für mehrere Staaten signifikant sind und damit Modell-charakter beanspruchen können, zweitens in Deutschlandnicht, noch nicht oder nur unzureichend verwirklicht werdenund drittens im Gefolge der Föderalismus-Kommission diegegenwärtige Debatte über die Kompetenzverteilung im Bil-dungswesen zwischen Bund und Ländern bereichern und för-dern können.

1. In allen untersuchten Staaten sind sämtliche Glieder, dieföderale (zentrale), regionale und lokale Ebene, an der Er-füllung von Aufgaben im Bildungssektor oder zumindestan deren Finanzierung beteiligt. Selbst in Staaten mit Zu-ständigkeit der Bundesstaaten bzw. Kantone für das Bil-dungs- und Erziehungswesen und starker Dezentralisie-rung (wie in Australien, Kanada, der Schweiz oder USA)wirkt die Zentralregierung im Bildungssektor substanziellmit, sei es im Wege von Richtlinien oder Programmen oderauch nur durch Mitfinanzierung bestimmter Aufgaben.

2. Das Erziehungs- und Bildungswesen eignet sich offenbarnicht zu einer strikten Trennung von Bundes- und Landes-zuständigkeiten. Falls entflochten wird, muss mit dieserEntflechtung nicht notwendig eine klare Zuständigkeits-verteilung verbunden sein. Es kann auch innerhalb dersel-ben Kompetenz eine differenzierte Aufgabenzuordnungvorgenommen werden, die den Interessen sowohl derZentralstaates als auch seiner Glieder gerecht wird. So wä-re es z.B. möglich, die bisherige Gemeinschaftsaufgabe

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„Bildungsplanung“ (Art. 91 b GG) in der Weise zu ent-flechten, dass dafür zwar weiterhin Bund und Länder ge-meinsam zuständig bleiben, im Rahmen dieser Kompetenz„zur gesamten Hand“ aber zunächst den Ländern die Auf-gabe zufällt, Planungsinitiativen zu ergreifen und Pro-gramme zu entwickeln, die sodann von einem beim Bun-desministerium für Bildung und Wissenschaft angesiedel-ten „Bildungsplanungsrat“ (ähnlich dem „Finanzplanungs-rat“ des Bundesministeriums der Finanzen) aufeinanderabgestimmt und mit entsprechenden Bundesprogrammenverknüpft werden.

3. In keinem der behandelten Staaten ist die Zentralregierungvon einer Mitwirkung im tertiären Sektor des Bildungswe-sens völlig ausgeschlossen. Die Beteiligung reicht von ei-ner Mitfinanzierung aufgrund bestimmter Programme überdie Festsetzung von Standards, Mindestvoraussetzungenund Qualitätsanforderungen an Forschung und Lehre bishin zur Unterhaltung bundeseigener Forschungseinrich-tungen und Lehranstalten (Universitäten).

4. Die überwiegende Mehrzahl der Staaten kennt ein mehroder weniger erfolgreiches Nebeneinander von öffentli-chen und privaten Bildungseinrichtungen, die in einenfruchtbaren Wettbewerb miteinander treten. Allerdingsmüssen für beide Formen gleiche Zugangschancen ge-währleistet sein. Werden die Kosten für eine Ausbildungin privaten Institutionen für ärmere Bevölkerungsschich-ten durch ein staatliches Stipendienprogramm aufgefan-gen, entsteht aus dem damit verbundenen Selektionspro-zess leicht ein Wettbewerbsvorteil für den privaten Sektor,den der Staat wiederum nur durch eine zusätzliche Förde-rung seiner eigenen Einrichtungen ausgleichen kann (sogenannte Begabtenspirale).

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5. Mit der Tendenz zur Dezentralisierung des Erziehungs-und Bildungswesens in mehreren Staaten (z.B. Australien,Brasilien, Großbritannien, Indien, Kanada, Niederlande,Schweden, Schweiz), die sich in den vergangenen zwanzigJahren beschleunigt hat, geht in der Regel kein wesentli-cher Kompetenzzuwachs bei den unteren Gliederungsebe-nen einher. Vielmehr ist damit häufig eine Stärkung derAutonomie und Unabhängigkeit der Bildungseinrichtun-gen selbst (Schulen, Hochschulen) an der Basis verbun-den. Mit anderen Worten: Von der Dezentralisierung pro-fitiert seltener der Staat und sehr viel öfter die funktionaleSelbstverwaltung der eigentlichen Akteure im Bildungs-und Erziehungswesen. Dies führt dazu, dass Bildung undErziehung weniger als staatliche und mehr als gesamtge-sellschaftliche Aufgaben betrachtet werden, die basisnahund flexibel mit den notwendigen Leistungsanreizen inbürgerschaftlicher Mitwirkung und Selbstverantwortungwahrzunehmen sind. Der Staat ist im Wesentlichen daraufbeschränkt, die Standards zu setzen, die Qualität der Bil-dungsangebote zu sichern und ein einheitliches, möglichsthohes Bildungsniveau zu gewährleisten.

6. Reformen im Bildungswesen werden in vielen Ländernweniger als staatliche, denn als gesellschaftliche Aufgabeverstanden. Meist geben staatliche Organe nur den Anstoßzu einer „Bildungsoffensive“, die vor allem von gesell-schaftlichen Gruppen getragen und zum Anliegen allerBürgerinnen und Bürger im Interesse der Gesamtge-sellschaft erhoben wird. Bildungsreformen, die von derGesellschaft nicht wenigstens mitgetragen werden, ver-sanden häufig oder verfehlen ihren Zweck.

7. Vorbildlich ist die in einigen Ländern (Brasilien, Großbri-tannien, Indien, Niederlande, Schweden, USA) verbreitete

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Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Schul- undHochschulverwaltung. In diesen Mitwirkungsmöglichkei-ten über Kommissionen, Ausschüsse, Boards, Bodies odersonstigen Gremien offenbart sich nicht nur ein Stück „ge-lebter Demokratie“, sondern schlägt sich auch die Er-kenntnis nieder, dass bürgerschaftlicher Sachverstand nichtselten wertvoller sein kann als bürokratische Routine.

8. Ein wichtiges Ziel von Bildungsreformen in vielen Län-dern ist die Deregulierung des Erziehungsbereichs. Sie er-schöpft sich nicht nur in einer ersatzlosen Streichung vonVorschriften, sondern erfolgt teils durch Privatisierung derBildungseinrichtungen, teils durch Verlagerung von Ent-scheidungskompetenzen auf parastaatliche Organisatio-nen. Der Staat beschränkt sich in diesen Fällen auf ein-heitliche Rahmenvorgaben durch Richt- oder Leitlinienund/oder Grundsatzregelungen in Gesetzes- oder Verord-nungsform, wobei häufig die zentrale Ebene stärker aktivist als die regionale Ebene. Auf diese Weise könnte durch„Kompetenzneutralisierung“ oder durch eine „Vergesell-schaftung“ von Kompetenzen im Wege ihrer Verlagerungauf Gremien oder Einrichtungen der Zivilgesellschaft auchder Zuständigkeitsstreit zwischen Bund und Ländern zu-mindest entschärft, wenn nicht sogar partiell gegenstands-los werden.

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Literaturhinweise

Allgemeine Internet-Quellen:

Deutscher Bildungsserver:http://www.bildungsserver.de

Deutscher Bildungsserver – Bildung – weltweit:http://bildungssysteme-international.dipf.de

International Bureau of Education (IBE) – Server derUNESCO:http://www.ibe.unesco.org

Eurydice (Information Network on Education in Europa):http://www.eurydice.org

Zur Literatur:

Bibliotheks-Service-Zentrum Baden-Württemberg:http://titan.bsz-bw.de/bibscout/D/DV1000-DV3000/

Australien

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Ansprechpartner in den Stiftungen

Dr. Christof Eichert, Leiter des Themenfeldes Bildung undMitglied der GeschäftsleitungBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Straße 256, Postfach 103, 33311 GüterslohTelefon 05241/81-81223E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Udo Margedant, Koordinator FöderalismusKonrad-Adenauer-StiftungRathausallee 12, 53757 Sankt AugustinTelefon 02241/246 340E-Mail: [email protected]

Dr. Katrin Schnettler, ReferentinStiftung MarktwirtschaftCharlottenstraße 60, 10117 BerlinTelefon 030/206057-33E-Mail: [email protected]

Dr. Gerhard Schick, ProjektmanagerBertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Straße 256, Postfach 103, 33311 GüterslohTelefon 05241/81-81361E-Mail: [email protected]

Dr. Horst Werner, Referent des Liberalen InstitutsFriedrich-Naumann-StiftungTruman-Haus, 14482 Potsdam-BabelsbergTelefon 0331/7019-213E-Mail: [email protected]

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Über den Autor

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Hans-Peter Schneider ist Direktor des In-stituts für Föderalismusforschung der Universität Hannoverund war bis Ende 2004 Vizepräsident der „International Asso-ciation of Centres for Federal Studies“ (IACFS). Seit 1975lehrt er Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Han-nover. Er ist Mitglied des Niedersächsischen Staatsgerichts-hofs und des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen.In der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Moder-nisierung der bundesstaatlichen Ordnung wirkte er als Sach-verständiger mit.

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Vergleichende Analyse von Kompetenzen im Bereich der Bildungspolitik

1. Föderative Rahmenbedingungen 3. Rechtsgrundlagen 4. Zuständigkeiten beim Vollzug 6. Formen der Kooperation

Parlamentarische Monarchie: Sechs eigenständige Staaten, zwei selbstverwaltete Territorien mit eigenenRegierungen

Präsidiale Bundesrepublik:26 eigenständige Staaten mit eigenen Regierungen und ein Bundesdistrikt (Brasilia)

Parlamentarische Monarchie:Vier weitestgehend selbstständige Teilgebiete (England, Wales, Nordirland, Schottland)

Bundesrepublik:25 Bundesstaaten und 7 von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien

Föderale parlamentarische Monarchie:10 Provinzen und 3 Territorien unter Bundesverwaltung

Parlamentarische Wahlmonarchie: 13 Bundesstaaten (darunter 9 Sultanate) und 2 Bundesterritorien

Präsidiale Bundesrepublik:31 Bundesstaaten und Hauptstadt-Bundesdistrikt

Parlamentarische Monarchie: 12 Provinzen

Präsidiale Bundesrepublik:6 geopolitische Zonen mit 36 Bundesstaaten und Hauptstadt-Territorium

Parlamentarische Bundesrepublik:9 Bundesländer

Präsidialrepublik:7 Föderationsbezirke mit 89 Territorialeinheiten (Subjekte der Föderation): 21 Republiken, 6 Regionen, 49 Gebiete, 1 Autonomes Gebiet, 10 AutonomeBezirke und 2 Städte mit Subjektstatus: Moskau und St. Petersburg.

Parlamentarische Monarchie:Dezentralisierter Einheitsstaat mit 24 Provinzen (Verwaltungsbezirken) mit nur289 Gemeinden.

Parlamentarischer Bundesstaat:20 Vollkantone und 6 Halbkantone mit jeweils eigener Verfassung, Parlamentund Regierung sowie 2973 Gemeinden.

Präsidiale Bundesrepublik: 50 Bundesstaaten und ein Bundesdistrikt (Washington). + assoziierte Staaten.

Gliedstaaten Ausnahme: Studentenförderung

Gesamtstaat

Das Bildungswesen beruht nicht auf einer Verfassung, sondern auf gesetzlichen Regelungen. Ausnahme: Schottland

Fast ausschließlich Gesamtstaat

Fast ausschließlich Gliedstaaten

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Die wichtigsten Gesetzgebungskompetenzen liegen beim Gesamtstaat.

Gemeinsame Zuständigkeit zur Regelung allgemeiner Fragen. Darüber hinaus existieren drei sog. „Föderationsverträge“ mit den Republiken, den autonomenBezirken und dem autonomen Gebiet.

Gesamtstaat

Kantone: Schulwesen, Kultur.Gesamtstaat: Berufsbildung, technische Hochschulen und Forschung.

Gliedstaaten mit erheblichem Einfluss des Gesamtstaates.

Gliedstaaten Ausnahme: bundeseinheitliche Anti-Diskriminierungsgesetze

Gliedstaaten

Gesamtstaat Ausnahme: Schottland

GliedstaatenDezentralisiertes Schul- und Hochschulgesetz.Darüber hinaus gibt es einige Bundesuniversitäten.

Gliedstaaten

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gesamtstaat

Gliedstaaten (Kein zentrales Erziehungsministerium, 26 verschiedeneSchulgesetzgebungen) Gesamtstaat: Primarunterricht, Berufs- und Hochschulen.

Eigene Bildungsgesetze der Gliedstaaten mit ständig wachsendem Einfluss des Gesamtstaats (Bspw.: No Child Left Behind Act). Bundesuniversitäten: MilitaryAcademy Westpoint, United States Naval Academy (Annapolis).

Nationaler Bildungsrat (Minister der Gliedstaaten). Kein direkter Einfluss des Gesamtstaates, außer bei der Festlegung nationalerPrioritäten. Zahlreiche Kompetenzen bei Kommunen und Schulen.

Rechtlich der Gesamtstaat, faktisch Gliedstaaten und Kommunen.

Gesamtstaat mit nahezu vollständig dezentraler Selbstverwaltung.

Schulen: Kreise und Gemeinden.Hochschulen: Zentrale Planungsbehörde. Viele zentrale Beratungsgremien für einzelne Bereiche im Bildungswesen.

Regionale Ministerien und örtliche „Schoolboards“. Keine zentrale Behörde, steigender Einfluss des Gesamtstaates durchFinanzierung/Förderung von bestimmten Programmen.

Stark dezentral organisiertes gesamtstaatliches Erziehungsministerium.

Zentrales „Sekretariat für öffentliche Erziehung“.Kein gesamtstaatliches Bildungsministerium.

Stark dezentralisiert, von unten (Gemeinden) nach oben (Zentralregierung) aufgebaut. Nationales Ministerium überwacht den gesamten Bildungsbereich.

Aufgeteilt zwischen Gesamtstaat, Gliedstaaten und Gemeinden. Koordination durch Gesamtstaat.

GesamtstaatNur marginale Kompetenzen der Landesregierungen. Autonome Hochschulen unter Rechtsaufsicht des Bundesministeriums.

Gesamtstaat Für die praktische Ausgestaltung ist die „Russische Akademie für Erziehung/Akademie der Wissenschaften“ zuständig. Für die Umsetzung der föderalen Bildungspolitik sind die unteren Behörden zuständig.

Die übergreifende Zuständigkeit für jede Art von Ausbildung liegt beim Gesamtstaat. Überwachung und Vollzug werden kommunal durchgeführt.

Kein einheitlicher Verwaltungsapparat. Der Vollzug liegt bei den jeweiligen Zuständigkeiten (siehe Spalte 2).

Hohes Maß an Selbstverwaltung. Die Schulverwaltung liegt bei den „Schoolboards“. Die Erziehungsministerien inden Gliedstaaten sind zuständig für die Verwaltung. Das Erziehungsministeriumauf Bundesebene führt Programme/ Finanzierungsangebote durch.

2. Gesetzgebungskompetenzen

Vertikale Kooperationsbeziehungen. Nationaler Bildungsrat als zentrale Einrichtung.

Konferenzen und durch den Nationalfonds (FUNDEF).

Keine Kooperation. Zusammenarbeit von LEAs/SEAs auf regionaler Ebene.

Verflechtungen sind nur informeller Natur.

Sehr engmaschiges Netz horizontaler und vertikaler Koordination. Horizontal im CMES (Ministerrat), vertikal durch Förderprogramme und konkurrierendeProgramme in der Studentenfinanzierung.

Geringer Bedarf an Koordination. Stark zentralisiertes Bildungssystem mit einer hierarchisch strukturierten Organisation.

Regelmäßige Konferenzen dienen als Diskussionsplattform.

Vertikal: durch die Verwaltungen der Schulbezirke. Horizontal: durch landesweite Vereinigungen der Schulträger.

Vertikale und horizontale Koordination durch den Nationalen Rat für Erziehung,bestehend aus Erziehungsminister und Bildungskommissare der Gliedstaaten.

Vertikale und horizontale Koordination ist im Verfassungsgesetz vorgesehen.Informelle Konferenzen der Landesschulräte.

Zentralisiertes Bildungssystem mit informellen Konferenzen in einigen föderativen Subjekten.

Keine horizontale Koordination. Aktive Mitwirkungsmöglichkeiten auf allen Ebenen.

KonferenzenFür das Schulsystem gibt es zusätzlich ein Konkordat als Instrument zur freiwilligen Zusammenarbeit. Vereinbarungen zwischen Kantonen.

Vertikale und horizontale Koordination mit maßgeblicher Beteiligung derZivilgesellschaft.

Australien

Brasilien

Großbritannien

Indien

Kanada

Malaysia

Mexiko

Niederlande

Nigeria

Österreich

Russland

Schweden

Schweiz

USA

5. Finanzierung

Grundsätzlich Gliedstaaten und Territorien. Der Gesamtstaat finanziert die auswärtige Bildungspolitik und die Studenten-förderung. Die Zuwendungen aus seinem Budget gelten auch als eine wichtigeZusatzquelle.

Gliedstaaten mit einem zentralen Sonderfonds für anfallende Zusatzkosten.

Die Local Education Authorities (LEAs) werden durch die Budgets der jeweiligenDepartments der Gliedstaaten finanziert. Dazu kommen Stiftungen undFörderprogramme.

Jede Ebene trägt ihre eigenen Kosten. Dazu kommen Unionsprogramme zur Primarerziehung, Berufsorientierung, Integration behinderter Kinder und Bildungin Umweltschutz.

Hauptsächlich Gliedstaaten, in geringem Umfang auch Kommunen. Forschungwird maßgeblich vom Bund finanziert.

Gesamtstaat

Jede Ebene trägt ihre eigenen Kosten. Zusätzlich zweckgebundeneFinanzzuweisungen.

Hauptquelle: Gesamtstaat. Schulen und Universitäten erheben Gebühren.

Gesamtstaat Ausnahmen: Tertiärer Sektor (Gliedstaaten), Primarschulen (Gemeinden)

Die Finanzierung ergibt sich aus den gesetzlichen Zuständigkeiten (siehe Spalte 4).

Hauptsächlich Gesamtstaat.Der Primarbereich wird von den Gliedstaaten und Kommunen finanziert.

Staatszuschüsse als Ergänzung zu den Steuereinnahmen der einzelnenGemeinden. Besondere Staatszuschüsse für Forschung und Fortbildung.

Finanzierung nach Zuständigkeiten. Gemeinden 35 %, Kantone 53 %, Bund 12 %.

Finanzierung durch alle drei Ebenen des Gesamtstaates, zum größten Teil jedoch von Gliedstaaten. Die Hälfte der Gesamtausgaben wird durch Zuschüsse vomGesamtstaat getragen.

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