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1 Magazin für die Grundschule • September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin SEPTEMBER 2014 J emand, der etwas wagt und über sich selbst hinaus- wächst, um anderen beizustehen, ist mutig. Mut gehört seit der Antike zu den grundlegenden Wer- ten der Ethik. Bereits der griechische Philosoph Platon wies jedoch darauf hin, dass Mut und Vorsicht zusam- mengehören. Denn wer handelt, ohne zu überlegen, übersieht die Gefahren, die mit einer Situation verbun- den sein können. Über diesen Zusammenhang lässt sich auch schon mit Schülerinnen und Schülern in der Grundschule diskutieren. Als Einstieg wird das Gegensatzpaar „mutig“ und „fei- ge“ an die Tafel geschrieben. Jedes Kind sucht sich eines der beiden Wörter aus und schreibt dazu ein Erlebnis in Stichworten auf einen Zettel. Die Zettel werden danach auf einem Tisch ausgelegt und sortiert: Welches Erleb- nis war mutig und welches feige? Wer möchte, kann die Stichworte zu seinem Erlebnis in der Klasse vorlesen oder sein Erlebnis erzählen. Erfahrungsgemäß wird das Wort „feige“ nicht so häufig gewählt wie „mutig“, daher sollte die Lehrkraft dazu einen Impuls geben: „Warum habt ihr mehr mutige Erlebnisse und weniger feige?“ Zu dieser Frage führen die Schülerinnen und Schüler nun ein Blitzlicht durch, d. h. jedes Kind äußert in einem Satz einen Ge- danken, der ihm gerade durch den Kopf geht. Als vertiefende Aufgabe kann die Kopiervorlage (KV) 1 „Mutig sein“ bearbeitet werden. In der zweiten Unterrichtsphase soll den Schülerinnen und Schülern der Zusammenhang von Mut und Vorsicht veranschau- licht werden. Hierzu wird ihnen zunächst die Geschichte „Ge- spensterjäger kennen keine Angst“ von der KV 2 vorgelesen. Soll ich oder soll ich nicht? Menschen haben unterschiedliche Gefühle. In einer gleichen Situation fühlen sich die einen Kinder mutig und die anderen feige: Wer sich etwas traut, hat Mut – Mut kann aber auch in Übermut umschlagen. Wer sich etwas nicht traut, gilt schnell als Feigling. Kinder sollten diese Gedanken anhand ihrer Alltags- erfahrungen prüfen. Dazu stellen wir Unterrichtsmethoden vor, die fächerübergreifend eingesetzt werden können: Blitzlicht, situative Rollenbefragung, Standpunktrede und Begriffsmolekül. Nachdem die Kinder die Geschichte von Laura und Jonas ge- hört haben, führen sie eine situative Rollenbefragung durch. Ein Kind stellt Laura dar und setzt sich auf einen Stuhl vor die Klas- se. Nacheinander stellen sich andere Kinder hinter „Laura“ und sprechen einen Satz mit einem Gedanken, den Laura denken könnte, als sie auf dem Hügel steht. Möglichst viele Kinder sollten sich beteiligen, mit einer kleinen Einschränkung: Gedan- ken-Wiederholungen sind nicht erwünscht. Die Aufgaben auf der KV 2 dienen zur Vertiefung des Themas. Mut und Vorsicht: eine Rollenbefragung durchführen Mutig oder feige: ein Blitzlicht „entzünden” Philosophieren mit Kindern: Warum die Vorsicht zum Mut gehört. © Miredi/Fotolia

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Magazin für die Grundschule

• September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin

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Jemand, der etwas wagt und über sich selbst hinaus-wächst, um anderen beizustehen, ist mutig. Mut gehört seit der Antike zu den grundlegenden Wer-

ten der Ethik. Bereits der griechische Philosoph Platon wies jedoch darauf hin, dass Mut und Vorsicht zusam-mengehören. Denn wer handelt, ohne zu überlegen, übersieht die Gefahren, die mit einer Situation verbun-den sein können. Über diesen Zusammenhang lässt sich auch schon mit Schülerinnen und Schülern in der Grundschule diskutieren.

Als Einstieg wird das Gegensatzpaar „mutig“ und „fei-ge“ an die Tafel geschrieben. Jedes Kind sucht sich eines der beiden Wörter aus und schreibt dazu ein Erlebnis in Stichworten auf einen Zettel. Die Zettel werden danach auf einem Tisch ausgelegt und sortiert: Welches Erleb-nis war mutig und welches feige? Wer möchte, kann die Stichworte zu seinem Erlebnis in der Klasse vorlesen oder sein Erlebnis erzählen.

Erfahrungsgemäß wird das Wort „feige“ nicht so häufig gewählt wie „mutig“, daher sollte die Lehrkraft dazu einen Impuls geben: „Warum habt ihr mehr mutige Erlebnisse und weniger feige?“ Zu dieser Frage führen die Schülerinnen und Schüler nun ein Blitzlicht durch, d. h. jedes Kind äußert in einem Satz einen Ge-danken, der ihm gerade durch den Kopf geht.

Als vertiefende Aufgabe kann die Kopiervorlage (KV) 1 „Mutig sein“ bearbeitet werden.

In der zweiten Unterrichtsphase soll den Schülerinnen und Schülern der Zusammenhang von Mut und Vorsicht veranschau-licht werden. Hierzu wird ihnen zunächst die Geschichte „Ge-spensterjäger kennen keine Angst“ von der KV 2 vorgelesen.

Soll ich oder soll ich nicht? Menschen haben unterschiedliche Gefühle. In einer gleichen Situation fühlen sich die einen Kinder mutig und die anderen feige: Wer sich etwas traut, hat Mut – Mut kann aber auch in Übermut umschlagen. Wer sich etwas nicht traut, gilt schnell als Feigling. Kinder sollten diese Gedanken anhand ihrer Alltags-erfahrungen prüfen. Dazu stellen wir Unterrichtsmethoden vor, die fächerübergreifend eingesetzt werden können: Blitzlicht, situative Rollenbefragung, Standpunktrede und Begriffsmolekül.

Nachdem die Kinder die Geschichte von Laura und Jonas ge-hört haben, führen sie eine situative Rollenbefragung durch. Ein Kind stellt Laura dar und setzt sich auf einen Stuhl vor die Klas- se. Nacheinander stellen sich andere Kinder hinter „Laura“ und sprechen einen Satz mit einem Gedanken, den Laura denken könnte, als sie auf dem Hügel steht. Möglichst viele Kinder sollten sich beteiligen, mit einer kleinen Einschränkung: Gedan-ken-Wiederholungen sind nicht erwünscht. Die Aufgaben auf der KV 2 dienen zur Vertiefung des Themas.

Mut und Vorsicht: eine Rollenbefragung durchführen

Mutig oder feige: ein Blitzlicht „entzünden”

Philosophieren mit Kindern: Warum die Vorsicht zum Mut gehört. © Miredi/Fotolia

2 • September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin

denen Wortfeldern miteinander verbunden werden sollen. Da-bei wird die Dreidimensionalität eines plastischen Moleküls genutzt. An eine zentrale große Styroporkugel des Moleküls wird der zu klärende Begriff, in unserem Fall „mutig“, mit einem Zettel festgesteckt. Über die Größe der Styroporkugeln wird bestimmt, wie wichtig ein Begriff ist. Die Gruppenmitglieder überlegen anschließend gemeinsam, an welche Stellen des Moleküls weitere Wörter oder Bilder auf Zetteln festgesteckt und welche Verbindungen zu anderen Begriffen geschaffen werden sollen. Das Verbinden erfolgt mithilfe von Holzstäb-

chen. Die einzelnen Schritte beim Bau des Be-griffsmoleküls sollen in der Gruppe diskutiert werden.

Nach dem Bau des Begriffsmoleküls stellt ein Kind aus der Gruppe das fertige Begriffsmodell in der Klasse vor; die anderen Kinder ergänzen die Ausführungen. Dabei sollte auf Begrün-dungen für die Anordnung der Kugeln mit den verschiedenen Mut-Wörtern geachtet werden. Am Schluss könnte in der Klasse zusammen-gefasst werden, welche wichtigen Aspekte zum Begriff „mutig“ gehören. Wenn sowohl ein Begriffsmolekül zu „mutig“ als auch eins zu „feige“ gebaut wurde, können beide Verhal-tensweisen miteinander verglichen werden.

Begriffsmoleküle dienen dem besseren Ver-ständnis schwieriger Begriffe und können in den Klassen 3 und 4 fächerübergreifend zu vielen abstrakten Begriffen, wie z. B. Glück, Natur oder Freundschaft, eingesetzt werden.

Die Standpunktrede und das Begriffsmolekül sind Methoden des Philosophierens mit Kindern, die insbesondere in der Didaktik des Ethikunterrichts angewendet werden. Sie intensivieren das Nachdenken über wichtige Sinnfragen, wie z. B. „Muss ich immer mutig sein?“. Als weiterführendes Projekt wäre es mög-lich, die Aspekte Mut und Zivilcourage (anderen Menschen zu helfen, die in Not geraten sind) miteinander zu kombinieren.

Es gibt Situationen, in denen sich Kinder etwas nicht trauen, et-wa einen hohen Baum hinaufzuklettern oder ein Tier zu strei-cheln. Die Schülerinnen und Schüler erzählen in dieser Unter-richtsphase zunächst selbst von Situationen, in denen sie sich etwas nicht getraut/zugetraut haben. Danach wird darüber gesprochen, ob man sich trauen/zutrauen sollte, etwas zu machen, wovor man Angst hat. Um das Unterrichtsgespräch weiterzuführen, kann die KV 3 einbezogen werden.

Im Anschluss an das Unterrichtsgespräch sollen sich die Schü-lerinnen und Schüler mündlich oder schriftlich einen eigenen Standpunkt (eine Meinung) zu der Frage „Muss ich immer mutig sein?“ formulieren, den sie auch begründen sollen. Die Begrün-dung kann an einem Beispiel konkretisiert werden.

Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 und 4 können sich eine Standpunktrede erarbeiten, wie in der KV 4 angeleitet. Eine Standpunktrede kann auch zur Vorbereitung eines Klassenge-sprächs oder einer Pro-und-Kontra-Diskussion genutzt werden.

Zum Abschluss der Mut-Sequenz soll in einer Gruppenarbeit nochmals über die Begriffe „mutig“ und „feige“ nachgedacht werden. Das begriffliche Arbeiten dient dazu, einen ethischen Begriff wie „Mut“, zu dem verschiedene Bedeutungsaspekte gehören, näher zu bestimmen.

Zunächst überlegt sich jedes Kind einen oder mehrere wich-tige Begriffe/Wörter oder Symbole/Bilder, durch die das Wort näher bestimmt wird, z. B. zu „mutig“: sich trauen, etwas tun, sich stark fühlen, Angst überwinden usw. Die Begriffe/Wörter oder die Symbole/Bilder werden auf einem Zettel zusammenge-tragen. Die Kinder sollten sich vorher darauf einigen, ob sie Wör-ter oder Bilder verwenden wollen. Sie können das Wortfeld auch gemeinsam an der Tafel zusammenstellen.

Danach werden kleine Gruppen gebildet. Die Gruppenmit-glieder überlegen, welche der Mut-Wörter aus den verschie-

Ein Begriffsmolekül zum Thema „Glück“. Für den Bau des Begriffsmoleküls werden Styroporkugeln (im Bastelladen erhältlich), Holzstäbchen, wie z. B. Zahnstocher, sowie farbige Zettel und Stecknadeln benötigt.

3 Prof. Dr. Barbara Brüning

Professorin an der Universität Hamburg mit Schwerpunkt Philosophie- didaktik, Ethikunterricht und Philosophieren mit Kindern. Lehr-und Sach-buchautorin bei Cornelsen Schulverlage GmbH.

Weiterführende Literatur

Brüning, Barbara: Mut. In: Philosophieren in der Grundschule. Berlin: Cornelsen 2013, 3. Auflage, S. 64–66 (begriffliches Arbeiten S.19–25).

Balasch, Udo; Brüning, Barbara (Hg.): Mutig sein. In: Ethik Klasse 1/2. Berlin: Cornelsen 2013 sowie in „Ethik Klasse 3/4“ Berlin: Cornelsen 2014, jeweils im ersten Kapitel.

Ausführliche Beschreibung des Begriffsmoleküls siehe: Barbara Brüning (Hg.): Handreichung zu Respekt 1. Berlin: Cornelsen 2012, S. 72/73.

Zum Philosophieren mit Kindern siehe: Themenheft „Philosophieren mit Kindern als Unterrichtsprinzip?“, Pädagogische Rundschau 67. Jahrgang 2013.

Muss ich immer mutig sein? Eine Standpunktrede halten

Den Begriff „Mut“ klären: ein Begriffsmolekül bauen

Schlussbemerkung

© Brüning

3 • September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin

Mutig sein

1 Kreuze an, was mutig ist.

2 Male oder schreibe auf, was du noch mutig findest.

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Ich bin ich R Schulbuch Seite 11

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4 • September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin

KV 2 Name: Datum:

1 Warum springt Laura wohl nicht zum anderen Hügel? Sprecht in der Klasse darüber.

2 Der Philosoph Platon hat gesagt, wer mutig ist, sollte auch die Gefahr erkennen. Warum ist Laura auch mutig, als sie entscheidet, nicht zu springen? Erkläre es einem anderen Kind.

3 Jonas hat Laura „Feigling“ genannt. Am nächsten Tag bittet er Laura um Verzeihung. Was sagt er wohl? Schreibe in die Sprechblase.

Laura und Jonas treffen sich zum Spielen am Gespensterhügel in ihrem Dorf. Der Gespensterhügel besteht aus zwei kleineren Hügeln. Jonas ist ein ganzes Stück größer als Laura, obwohl sie gleich alt sind. Er nimmt sofort Anlauf und springt mit seinen langen Beinen mühelos von dem einen auf den anderen Hügel. „Komm, Laura, spring auch!“, ruft er der Freundin übermütig zu. „Gespensterjäger kennen keine Angst!“

Jonas klopft sich wie ein Held auf die Brust. Laura bewegt sich nicht. Dann schaut sie vorsichtig, wie tief es zwischen den Hügeln hinuntergeht. Dabei beginnt sie am ganzen Körper zu zittern. „Was hast du denn?“, fragt Jonas und sieht seine Freundin fast böse an. „Hast du Angst?“, fragt er. Da dreht sich Laura wortlos um und geht langsam den Hügel wieder hinunter. „Feigling!“, ruft ihr Jonas hinterher. Barbara Brüning

Gespensterjäger kennen keine Angst

Illustration: Ines Rarisch

5 • September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin

KV 3 Name: Datum:

Manchmal fehlt mir der Mut

Lena liegt auf dem Bett.Sie hat ein komisches Kribbeln im Bauch.Heute Nachmittag soll sie im Schwimmkursvom Beckenrand ins Wasser springen.Lena weiß allerdings nicht genau,ob sie sich das traut.

Wann fehlt dir der Mut?Wie gehst du damit um?

1111Gespräche führen

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6 • September 2014• Copyright © 2014 Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin

KV 4 Name: Datum:

Das geht so:

Standpunktrede zur Frage: „Muss ich immer mutig sein?“

1. Schritt – die eigene Meinung sagen: Ich bin der Meinung, dass ... Kinder nicht immer mutig sein müssen …

2. Schritt – eine Begründung geben: weil ich … manchmal lieber vorsichtig bin, ehe ich etwas mache.

3. Schritt – ein Beispiel geben: So möchte ich zum Beispiel ... nicht auf einen Baum klettern, von dem ich runterfallen könnte.

Nun bist du dran:

Standpunktrede zur Frage: „Muss ich immer das machen, was andere Kinder machen?“

Schreibe eine eigene Standpunktrede.Stelle anschließend deinen Standpunkt in der Klasse vor.

1. Schritt – die eigene Meinung sagen: Ich bin der Meinung, dass

2. Schritt – eine Begründung geben: … weil ich

3. Schritt – ein Beispiel geben: So möchte ich zum Beispiel

Eine Standpunktrede halten