sardinen, sonne oder supplemente?

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Damit kein Vitamin-D-Mangel entsteht Sardinen, Sonne oder Supplemente? Ein Vitamin-D-Mangel ist insbesondere bei älteren Menschen keine Seltenheit. Er dürfte nicht nur für den Knochen gefährlich sein, sondern auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Doch lässt sich der Mangel allein mit der Ernährung oder vermehrter Sonnenexposition beheben oder ist eine Supplementierung erforderlich, und wenn ja, ab welchem Wert? - Das ema „Vitamin-D-Mangel“ wird kontrovers diskutiert. So ist Prof. Helmut Heseker, Präsident der Deutschen Gesell- schaſt für Ernährung, der Meinung, Deutschland sei kein Vitamin-D-Mangel- land. Berichte über angebliche Mangeler- scheinungen dienten nur der Geschäſte- macherei. „Diese Einschätzung wird ein- deutig durch Fakten wiederlegt“, entgeg- nete Prof. Jörg Spitz vom Institut für Me- dizinische Information und Prävention in Mainz. Die Untersuchung von 5000 Per- sonen im Rhein-Main-Gebiet habe ge- zeigt, dass bei fast allen Probanden der Vi- tamin-D-Spiegel unter 30 ng/ml liegt und das nicht nur im Herbst und Winter. Eine Studie mit 100 t t 000 Personen in Nord- deutschland ergab ähnliche Ergebnisse. Bringt´s die Ernährung? Bei einem Vitamin-D-Spiegel zwischen 20 und 30 ng/ml spricht man von einer Vitamin-D-Insuffizienz, bei einem Wert unter 20 ng/ml von einem Mangel. Um diesen zu vermeiden, wird empfohlen, vermehrt Vitamin-D-haltige Lebensmit- tel zu verzehren. Dazu zählen Lachs, He- ring, Leber, aber auch Eier, Butter, Mar- garine, Milch, Pilze und Avocados. „Um 1000 IE Vitamin D aufzunehmen, muss man allerdings täglich 1 kg Kabeljau oder 2, 5 kg Schweizer Käse oder 50 Eier oder 2 kg Pilze oder 10 Tassen Milch zu sich nehmen“, so Spitz. Mit Ernährung allein könne der Vitamin-D-Bedarf also nicht ausreichend gedeckt werden. Macht‘s die Haut? „Die Haut ist ein endokrines Organ und die von der Evolution vorgesehene Haupt- quelle für Vitamin D“, erklärte Prof. Pe- ter Wolf, Graz. Ihre Kapazität reiche aber nicht immer aus, um genügend Vitamin D zu produzieren. Dies gilt vor allem für Ältere, für Bewohner der nördlichen Brei- ten und in den Wintermonaten. Auch die Kleidung hat g g Bedeutung für die Vitamin t t - D-Produktion: Ein „Strip“ von 10% der Kleidung führt zu einer Verbesserung des Vitamin-D-Spiegels um 2, 1 ng/ml – auch ohne längeren Aufenthalt in der Sonne. Die lichtinduzierte Vitamin-D-Syn- these ist selbstreguliert, d. h. der Körper ist vor einer Vitamin-D-Intoxikation durch UV-Licht geschützt. „Die Vita- min-D-Synthese ist bei einer suberythe- matogenen Bestrahlung maximal “, er- klärte Wolf. Zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr sinkt die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu bilden, um den Faktor 3. An vielen Krankheiten beteiligt Vitamin D reguliert ca. 3% des mensch- lichen Genoms. Es entfaltet seine Wir- kung vorrangig, aber nicht nur am Kno- chen, indem es die Aktivität von Enzy- men beeinflusst, die für die Knochenmi- neralisation verantwortlich sind. Bei ei- nem Mangel ist die Kalziumaufnahme im Darm reduziert, und es kommt zu ei- nem Anstieg des Parathormons mit der Folge einer Osteomalazie bzw. Rachitis. Eine Osteomalazie verursacht nicht nur Knochenschmerzen und Muskelschwä- che, sondern auch Adynamie, Müdigkeit, tetanische Symptome, Depressionen und Schlafstörungen. Laborchemisch findet sich neben dem erniedrigten Vitamin-D- Spiegel ein niedriges Kalzium und eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase. „Ein Mangel an Vitamin D dürſte auch bei vielen anderen chronischen Er- krankungen eine wichtige Rolle spielen“, so Prof. Stefan Pilz, Graz. Diskutiert wird ein Zusammenhang mit Diabetes, Myopathie, zentralnervösen Erkran- kungen wie Alzheimer, Parkinson und Schizophrenie, respiratorischen Infek- ten ebenso wie mit Hypertonie, Arterio- sklerose, Autoimmunerkrankungen und Neoplasmen. „Es gibt zunehmende Evidenz, dass eine Vitamin-D-Supple- mentierung bei vielen Erkrankungen positive Effekt zeigt und sogar die Mor- talität senkt“, so Pilz. Wann und wie supplementieren? Ab einem Wert unter 20 ng/ml kann ein Vitamin-D-Mangel nicht mehr durch Er- nährungsumstellung kompensiert wer- den. „Optimal sind Werte zwischen 30 und 40 ng/ml“, so Pilz. Die empfohlenen Dosierungen reichen von 800 bis 2000 IE. Kontraindikationen gebe es nicht. Über- gewichtige brauchen höhere Dosen. Dr. Peter Stiefelhagen Quelle: Internistenkongress, 28.4.2014 in Wiesbaden © [M] fotolia.de / ill Pilze, UV-Licht, Lachs und Kapseln: Alles für den Vitamin-D-Spiegel. AKTUELLE MEDIZIN KONGRESSBERICHTE MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (10) 25

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Page 1: Sardinen, Sonne oder Supplemente?

Damit kein Vitamin-D-Mangel entsteht

Sardinen, Sonne oder Supplemente?Ein Vitamin-D-Mangel ist insbesondere bei älteren Menschen keine Seltenheit. Er dürfte nicht nur für den Knochen gefährlich sein, sondern auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Doch lässt sich der Mangel allein mit der Ernährung oder vermehrter Sonnenexposition beheben oder ist eine Supplementierung erforderlich, und wenn ja, ab welchem Wert?

−Das � ema „Vitamin-D-Mangel“ wird kontrovers diskutiert. So ist Prof. Helmut Heseker, Präsident der Deutschen Gesell-scha� für Ernährung, der Meinung, Deutschland sei kein Vitamin-D-Mangel-land. Berichte über angebliche Mangeler-scheinungen dienten nur der Geschä� e-macherei. „Diese Einschätzung wird ein-deutig durch Fakten wiederlegt“, entgeg-nete Prof. Jörg Spitz vom Institut für Me-dizinische Information und Prävention in Mainz. Die Untersuchung von 5000 Per-sonen im Rhein-Main-Gebiet habe ge-zeigt, dass bei fast allen Probanden der Vi-tamin-D-Spiegel unter 30 ng/ml liegt – und das nicht nur im Herbst und Winter. Eine Studie mit 100mit 100mit 000 Personen in Nord-deutschland ergab ähnliche Ergebnisse.

Bringt´s die Ernährung?Bei einem Vitamin-D-Spiegel zwischen 20 und 30 ng/ml spricht man von einer Vitamin-D-Insu� zienz, bei einem Wert unter 20 ng/ml von einem Mangel. Um diesen zu vermeiden, wird empfohlen, vermehrt Vitamin-D-haltige Lebensmit-tel zu verzehren. Dazu zählen Lachs, He-ring, Leber, aber auch Eier, Butter, Mar-garine, Milch, Pilze und Avocados. „Um 1000 IE Vitamin D aufzunehmen, muss man allerdings täglich 1 kg Kabeljau oder 2,5 kg Schweizer Käse oder 50 Eier oder 2 kg Pilze oder 10 Tassen Milch zu sich nehmen“, so Spitz. Mit Ernährung allein könne der Vitamin-D-Bedarf also nicht ausreichend gedeckt werden.

Macht‘s die Haut?„Die Haut ist ein endokrines Organ und die von der Evolution vorgesehene Haupt-quelle für Vitamin D“, erklärte Prof. Pe-

ter Wolf, Graz. Ihre Kapazität reiche aber nicht immer aus, um genügend Vitamin D zu produzieren. Dies gilt vor allem für Ältere, für Bewohner der nördlichen Brei-ten und in den Wintermonaten. Auch die Kleidung hatKleidung hatKleidung Bedeutung für die Vitamin hat Bedeutung für die Vitamin hat -D-Produktion: Ein „Strip“ von 10% der Kleidung führt zu einer Verbesserung des Vitamin-D-Spiegels um 2,1 ng/ml – auch ohne längeren Aufenthalt in der Sonne.

Die lichtinduzierte Vitamin-D-Syn-these ist selbstreguliert, d. h. der Körper ist vor einer Vitamin-D-Intoxikation durch UV-Licht geschützt. „Die Vita-min-D-Synthese ist bei einer suberythe-matogenen Bestrahlung maximal “, er-klärte Wolf. Zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr sinkt die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu bilden, um den Faktor 3.

An vielen Krankheiten beteiligtVitamin D reguliert ca. 3% des mensch-lichen Genoms. Es entfaltet seine Wir-kung vorrangig, aber nicht nur am Kno-chen, indem es die Aktivität von Enzy-men beein� usst, die für die Knochenmi-neralisation verantwortlich sind. Bei ei-nem Mangel ist die Kalziumaufnahme im Darm reduziert, und es kommt zu ei-nem Anstieg des Parathormons mit der Folge einer Osteomalazie bzw. Rachitis. Eine Osteomalazie verursacht nicht nur Knochenschmerzen und Muskelschwä-che, sondern auch Adynamie, Müdigkeit, tetanische Symptome, Depressionen und Schlafstörungen. Laborchemisch � ndet sich neben dem erniedrigten Vitamin-D-Spiegel ein niedriges Kalzium und eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase.

„Ein Mangel an Vitamin D dür� e auch bei vielen anderen chronischen Er-

krankungen eine wichtige Rolle spielen“, so Prof. Stefan Pilz, Graz. Diskutiert wird ein Zusammenhang mit Diabetes, Myopathie, zentralnervösen Erkran-kungen wie Alzheimer, Parkinson und Schizophrenie, respiratorischen Infek-ten ebenso wie mit Hypertonie, Arterio-sklerose, Autoimmunerkrankungen und Neoplasmen. „Es gibt zunehmende Evidenz, dass eine Vitamin-D-Supple-mentierung bei vielen Erkrankungen positive E� ekt zeigt und sogar die Mor-talität senkt“, so Pilz.

Wann und wie supplementieren?Ab einem Wert unter 20 ng/ml kann ein Vitamin-D-Mangel nicht mehr durch Er-nährungsumstellung kompensiert wer-den. „Optimal sind Werte zwischen 30 und 40 ng/ml“, so Pilz. Die empfohlenen Dosierungen reichen von 800 bis 2000 IE. Kontraindikationen gebe es nicht. Über-gewichtige brauchen höhere Dosen.

Dr. Peter Stiefelhagen ■

■ Quelle: Internistenkongress, 28.4.2014 in Wiesbaden

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Pilze, UV-Licht, Lachs und Kapseln: Alles für den Vitamin-D-Spiegel.

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