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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE SCHRIFTEN Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch: 7 Seite: 1

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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE

SCHRIFTEN

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RUDOLF STEINER

DIE MYSTIK

IM AUFGANGE

DES NEUZEITLICHEN GEISTESLEBENS

UND IHR VERHÄLTNIS ZUR MODERNEN

WELTANSCHAUUNG

1987

RUDOLF STEINER VERLAGDORNACH/SCHWEIZ

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Herausgegeben von der Rudolf Steiner Nachlaßverwaltung

1. Auflage unter dem Titel

«Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens

und ihr Verhältnis zu modernen Weltanschauungen»

Berlin 1901

2. Auflage, mit neuem Vorwort, Zusatz, Nachträgen

Stuttgart 1924

3. Auflage, Stuttgart 1924

(Restauflage überklebt mit Dornach 1924)

4. Auflage (bezeichnet als 3.)Dresden 1936

5. Auflage, Gesamtausgabe Dornach 1960

6. Auflage, Gesamtausgabe Dornach 1987

Bibliographie-Nr. 7

Alle Rechte bei der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach/Schweiz

© 1960 by Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach/Schweiz

Printed in Germany by Konkordia Druck, Bühl/Baden

ISBN 3-7274-0070-6

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INHALT

Vorwort zur Neuauflage [1924] 7

Vorwort zur ersten Auflage [1901] 11

Einführung 15

Meister Eckhart 39

Gottesfreundschaft 53

Der Kardinal Nicolaus von Kues 77

Agrippa von Nettesheim und Theophrastus Paracelsus 100

Valentin Weigel und Jacob Böhme 119

Giordano Bruno und Angelus Silesius 130

Ausklang 141

Nachträge zur Neuauflage [1924] 147

Hinweise des Herausgebers 149

Personenregister 169

Übersicht über die Rudolf Steiner Gesamtausgabe . . 173

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VORWORT ZUR NEUAUFLAGE [1924]

In dieser Schrift habe ich vor mehr als zwanzig Jahrendie Frage beantworten wollen: Warum stoßen eine beson-dere Form der Mystik und die Anfänge des gegenwärtigennaturwissenschaftlichen Denkens in der Zeit vom drei-zehnten bis zum siebenzehnten Jahrhundert aufeinander.

Ich wollte nicht eine «Geschichte» der Mystik dieserZeit schreiben, sondern nur diese Frage beantworten.Etwas an dieser Beantwortung zu ändern, geben die Ver-öffentlichungen, die seit zwanzig Jahren über den Gegen-stand erfolgt sind, nach meiner Meinung, keine Veranlas-sung. Die Schrift kann daher im wesentlichen unverändertwieder erscheinen.

Die Mystiker, von denen hier gesprochen wird, sindletzte Ausläufer einer Forschungs- und Denkungsart, diein ihren Einzelheiten dem gegenwärtigen Bewußtseinfremd gegenübersteht. Nur die Seelenstimmung, die indieser Forschungsart gelebt hat, ist in innigen Naturen derGegenwart vorhanden. Die Art, die Dinge der Natur anzu-sehen, mit der vor dem hier gekennzeichneten Zeitalterdiese Seelenstimmung verbunden war, ist nahezu ver-schwunden. Die gegenwärtige Naturforschung ist an ihreStelle getreten.

Die Reihe der Persönlichkeiten, die hier charakterisiertwerden, vermögen nicht die einstmalige Forschungsartin die Zukunft hinüber zu tragen. Sie entspricht nichtmehr den Erkenntniskräften, die sich vom dreizehntenund vierzehnten Jahrhundert an in der europäischenMenschheit entwickeln. Nur wie Reminiszenzen an Ver-gangenes sieht sich an, was Paracelsus oder Jacob Böhme

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noch von dieser Forschungsart bewahren. Im wesentlichenbleibt den sinnenden Menschen die Seelenstimmung. Undfür diese suchen sie einen Impuls in den Neigungen derSeele selbst, während sie ehedem in der Seele aufleuchtete,wenn diese die Natur beobachtete. Mancher, der heute zurMystik neigt, wird die mystischen Erlebnisse nicht in An-lehnung an das entzünden wollen, was die gegenwärtigeNaturforschung sagt, sondern an das, was die Schriftender hier geschilderten Zeit enthalten. Dadurch aber wirder ein Fremdling gegenüber dem, was die Gegenwart ammeisten beschäftigt.

Es könnte nun scheinen, als ob die gegenwärtige Natur-erkenntnis, in ihrer Wahrheit gesehen, keinen Weg an-zeigte, der so die Seele stimmen könnte, daß sie in mysti-schem Schauen das Licht des Geistes rindet. Warum findenmystisch gestimmte Seelen zwar Befriedigung bei demMeister Eckhart, bei Jacob Böhme usw.; nicht aber in demBuche der Natur, soweit dieses heute durch die Erkennt-nis aufgeschlagen vor dem Menschen liegt?

Die Gestalt, in der über dieses Buch heute zumeist ge-sprochen wird, kann allerdings nicht in die mystische See-lenstimmung führen.

Daß aber so nicht gesprochen werden muß, darauf willdiese Schrift hinweisen. Es wird dies dadurch versucht, daßauch von solchen Geistern gesprochen wird, die aus derSeelenstimmung der alten Mystik ein Denken entwickeln,das auch die neueren Erkenntnisse in sich aufnehmenkann. Das ist bei Nikolaus von Kues der Fall.

An solchen Persönlichkeiten zeigt sich, daß auch diegegenwärtige Naturforschung einer mystischen Vertiefungfähig ist. Denn ein Nikolaus von Kues könnte sein Den-

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ken in diese Forschung hinüberfuhren. Man hätte zu seinerZeit die alte Forschungsart ablegen, die mystische Stim-mung bewahren, und die moderne Naturforschung anneh-men können, wenn sie schon dagewesen wäre.

Was aber die Menschenseele mit einer Forschungsartverträglich findet, das muß sie auch aus ihr gewinnen kön-nen, wenn sie stark genug dazu ist.

Ich habe die Wesensart der mittelalterlichen Mystik dar-stellen wollen, um darauf hinzuweisen, wie sie sich los-gelöst von ihrem Mutterboden, der alten Vorstellungsart,als selbständige Mystik ausbildet, sich aber nicht erhaltenkann, weil ihr die seelische Impulsivität nunmehr fehlt, diesie in alten Zeiten durch die Forschung gehabt hat.

Das fuhrt zu dem Gedanken, daß die zur Mystik führen-den Elemente der neueren Forschung gesucht werden müs-sen. Aus dieser kann dann die seelische Impulsivität wie-der gewonnen werden, die nicht bei dem dunklen mysti-schen, gefuhlsverwandten Innenleben stehen bleibt, son-dern von dem mystischen Ausgangspunkte aus zur Geist-erkenntnis aufsteigt. Die mittelalterliche Mystik verküm-merte, weil sie den Untergrund der Forschung verlorenhatte, der den Seelenkräften hinauf die Richtung zum Gei-ste gibt. Anregen will dies Büchlein dazu, die nach dergeistigen Welt richtunggebenden Kräfte aus der rechtver-standenen neueren Forschung zu gewinnen.

Goetheanum in Dornach bei BaselHerbst 1923 Rudolf Steiner

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VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE [1901]

Was ich in dieser Schrift darstelle, bildete vorher den Inhaltvon Vorträgen, die ich im verflossenen Winter in der theo-sophischen Bibliothek zu Berlin gehalten habe. Ich wurdevon Gräfin und Grafen Brockdorff aufgefordert, über dieMystik vor einer Zuhörerschaft zu sprechen, der die Dingeeine wichtige Lebensfrage sind, um die es sich dabei han-delt. - Vor zehn Jahren hätte ich es noch nicht wagen dür-fen, einen solchen Wunsch zu erfüllen. Nicht als ob damalsdie Ideenwelt, die ich heute zum Ausdruck bringe, nochnicht in mir gelebt hätte. Diese Ideenwelt ist schon ganz inmeiner «Philosophie der Freiheit» enthalten. Um aber dieseIdeenwelt so auszusprechen, wie ich es heute tue, und sieso zur Grundlage einer Betrachtung zu machen, wie es indieser Schrift geschieht, dazu gehört noch etwas ganz ande-res, als von ihrer gedanklichen Wahrheit felsenfest über-zeugt sein. Dazu gehört ein intimer Umgang mit dieserIdeenwelt, wie ihn nur viele Jahre des Lebens bringenkönnen. Erst jetzt, nachdem ich diesen Umgang genossenhabe, wage ich, so zu sprechen, wie man es in dieserSchrift wahrnehmen wird.

Wer nicht unbefangen auf meine Ideenwelt eingeht, ent-deckt in ihr Widerspruch über Widerspruch. Ich habe erstkürzlich ein Buch über die Weltanschauungen des neun-zehnten Jahrhunderts (Berlin 1900) dem großen Natur-forscher Ernst Haeckel gewidmet, und es in eine Rechtfer-tigung seiner Gedankenwelt ausklingen lassen. Ich sprechein den folgenden Ausführungen voll zustimmender Hin-gebung über die Mystiker vom Meister Eckhart his AngelusSilesius. Von anderen «Widersprüchen», die mir der oder

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jener noch vorzählt, will ich gar nicht sprechen. - Ich binnicht verwundert darüber, wenn ich von der einen Seiteals «Mystiker», von der anderen als «Materialist» verurteiltwerde. - Wenn ich finde, daß der Jesuitenpater Müller eineschwierige chemische Aufgabe gelöst hat, und ich ihm des-halb rückhaltlos in dieser Sache zustimme, so darf man michwohl nicht als Anhänger des Jesuitismus verurteilen, ohnebei Einsichtigen als Tor zu gelten.

Wer gleich mir seine eigenen Wege wandelt, muß man-ches Mißverständnis über sich ergehen lassen. Er kann dasaber im Grunde leicht ertragen. Sind ihm solche Mißver-ständnisse zumeist doch selbstverständlich, wenn er sichdie Geistesart seiner Beurteiler vergegenwärtigt. Ich sehenicht ohne humoristische Empfindungen auf manche «kri-tische» Urteile zurück, die ich im Laufe meiner Schrift-stellerlaufbahn erfahren habe. Im Anfange ging die Sache.Ich schrieb über Goethe und in Anknüpfung an diesen.Was ich da sagte, klang manchem so, daß er es in seineDenkschablonen unterbringen konnte. Man tat das, indemman sagte: Es «darf eine Arbeit wie Rudolf Steiners Ein-leitungen zu den naturwissenschaftlichen Schriften Goe-thes geradezu als das beste bezeichnet werden, was in die-ser Frage überhaupt geschrieben worden ist». Als ich spä-ter eine selbständige Schrift veröffentlichte, war ich schonum ein gut Teil dümmer geworden. Denn nun gab einwohlmeinender Kritiker den Rat: «Bevor er weiter fort-fährt, zu reformieren und seine ,Philosophie der Freiheit*in die Welt setzt, ist ihm dringend anzuraten, sich erst zueinem Verständnisse jener beiden Philosophen (Hume undKant) hindurchzuarbeiten.» Der Kritiker kennt leiderbloß, was er in Kant und Hume zu lesen versteht; er rät

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mir also im Grunde nur, mir bei diesen Denkern auchnichts weiter vorzustellen wie er. Wenn ich das erreichthaben werde, wird er mit mir zufrieden sein. - Als nunmeine «Philosophie der Freiheit» erschien, war ich einerBeurteilung wie der unwissendste Anfänger bedürftig. Sieließ mir ein Herr zuteil werden, den wohl kaum etwasanderes zum Bücherschreiben nötigt, als die Tatsache, daßer unzählige fremde — nicht verstanden hat. Er belehrtmich tiefsinnig, daß ich meine Fehler bemerkt hätte, wennich «tiefere psychologische, logische und erkenntnistheo-retische Studien gemacht hätte»; und er zählt mir gleichdie Bücher auf, die ich lesen soll, damit ich so klug werdewie er: «Mill, Sigwart, Wundt, Riehl, Paulsen, B.Erd-mann». - Besonders ergötzlich war mir der Rat eines Man-nes, dem es so sehr imponiert, wie er Kant «versteht»,daß er sich gar nicht denken kann, jemand habe Kantgelesen und urteile doch anders als er. Er gibt mir dahergleich die betreffenden Kapitel in Kants Schriften an, ausdenen ich ein ebenso tiefgründiges Kantverständnis schöp-fen könne, wie er es hat.

Ich habe ein paar typische Beurteilungen meiner Ideen-welt hieher gesetzt. Obwohl sie an sich unbedeutend sind,scheinen sie mir doch geeignet zu sein, als Symptome aufTatsachen zu weisen, die heute als schwere Hindernissesich dem in den Weg stellen, der sich m den höherenErkenntnisfragen schriftstellerisch betätigt. Ich muß schonmeinen Weg gehen, gleichgültig, ob der eine mir denguten Rat gibt, Kant zu lesen; oder ob der andere michverketzert, weil ich Haeckel zustimme. Und so habe ichdenn auch über die Mystik geschrieben, gleichgültig dar-über, was ein gläubiger Materialist auch urteilen mag. Ich

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möchte bloß — damit nicht ganz unnötig Druckerschwärzeverschwendet werde - denjenigen, die mir vielleicht jetztraten, Haeckels «Welträtsel» zu lesen, mitteilen, daß ichin den letzten Monaten etwa dreißig Vorträge über diesesBuch gehalten habe.

Ich hoffe in meiner Schrift gezeigt zu haben, daß manein treuer Bekenner der naturwissenschaftlichen Weltan-schauung sein und doch die Wege nach der Seele aufsuchenkann, welche die richtig verstandene Mystik führt. Ich gehesogar noch weiter und sage: Nur wer den Geist im Sinneder wahren Mystik erkennt, kann ein volles Verständnis derTatsachen in der Natur gewinnen. Man darf wahre Mystiknur nicht verwechseln mit dem «Mystizismus» verworre-ner Köpfe. Wie die Mystik irren kann, habe ich in meiner«Philosophie der Freiheit» S. i$<)fi. gezeigt.

Berlin, September 1901 Rudolf Steiner

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EINFÜHRUNG

Es gibt Zauberformeln, die durch die Jahrhunderte derGeistesgeschichte hindurch in immer neuer Art wirken. InGriechenland sah man eine solche Formel als WahrspruchApollons an. Sie ist: «Erkenne dich selbst.» Solche Sätzescheinen ein unendliches Leben in sich zu bergen. Mantrifft auf sie, wenn man die verschiedensten Wege des gei-stigen Lebens wandelt. Je weiter man fortschreitet, je mehrman in die Erkenntnis der Dinge dringt, desto tiefererscheint der Sinn dieser Formeln. In manchen Augen-blicken unseres Sinnens und Denkens leuchten sie blitz-artig auf, unser ganzes inneres Leben erhellend. In solchenAugenblicken lebt in uns etwas wie das Gefühl auf, daßwir den Herzschlag der Menschheitsentwicklung verneh-men. Wie nahe fühlen wir uns doch Persönlichkeiten derVergangenheit, wenn uns bei einem ihrer Aussprüche dieEmpfindung überkommt, sie offenbaren uns, daß sie sol-che Augenblicke gehabt haben! Man fühlt sich dann in einintimes Verhältnis zu diesen Persönlichkeiten gebracht.Man lernt z. B. Hegel intim kennen, wenn man im drittenBande seiner «Vorlesungen über die Geschichte der Philo-sophie» auf die Worte stößt: «Solches Zeug, sagt man, dieAbstraktionen, die wir betrachten, wenn wir so in unseremKabinett die Philosophen sich zanken und streiten lassen,und es so oder so ausmachen, sind Wort-Abstraktionen. —Nein! Nein! Es sind Taten des Weltgeistes, und darumdes Schicksals. Die Philosophen sind dabei dem Herrn nä-her, als die sich nähren von den Brosamen des Geistes; sielesen oder schreiben die Kabinettsordres gleich irn Original:sie sind gehalten, diese mitzuschreiben. Die Philosophen

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sind die Mysten, die beim Ruck im innersten Heiligtummit und dabei gewesen.» Als Hegel dies gesprochen, hat ereinen der oben geschilderten Augenblicke erlebt. Er hatdie Sätze gesagt, als er in seinen Betrachtungen am Endeder griechischen Philosophie angekommen war. Und erhat durch sie gezeigt, daß ihm einmal blitzartig der Sinn derneuplatonischen Weisheit, von der er an der Stelle spricht,aufgeleuchtet hat. In dem Augenblicke dieses Aufleuch-tens war er mit Geistern wie Plotin, Proklus intim geworden.Und wir werden mit ihm intim, indem wir seine Worte lesen.

Und intim werden wir mit dem einsam sinnenden Pfarr-herrn in Zschopau, M.Valentdnus Wigelius (ValentinWeigel), wenn wir die Einleitungsworte seines 1578 ge-schriebenen Büchelchens «Erkenne dich selbst» lesen. «Wirlesen bei den alten Weisen dies nützliche Sprichwort ,Er-kenne dich selbst*, welches, ob es schon recht von welt-lichen Sitten gebraucht wird, als: siehe dich selbst rechtan, was du seiest, forsche in deinem Busen, urteile überdich selbst, und laß andere ungetadelt, ob es schon, sageich, auf das menschliche Leben, als von den Sitten ge-braucht worden ist, dennoch mögen wir solchen Spruch,Erkenne dich selbst* auch recht und wohl ziehen auf dienatürliche und übernatürliche Erkenntnis des ganzen Men-schen, also, daß sich der Mensch nicht allein selber ansehe,und hiermit erinnere, wie er sich in den Sitten vor denLeuten halten solle, sondern daß er auch seine Naturerkenne, inwendig und auswendig, im Geist und in derNatur; von wannen er komme, und woraus er gemachtsei, wozu er geordnet sei.» Valentin Weigel ist, von ihmeigenen Gesichtspunkten aus, zu Erkenntnissen gelangt,die sich ihm in den Wahrspruch Apollons zusammenfaßten.

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Einer Reihe von tiefangelegten Geistern, die mit demMeister Eckhart (12 5 0-13 27) anhebt und mit Angelas Sile-sius (1624-1677) abschließt, und zu denen Valentin Weigelgehört, kann ein ähnlicher Erkenntnisweg und eine gleicheStellung zu dem «Erkenne dich selbst» zugeschrieben wer-den.

Gemeinsam ist diesen Geistern ein starkes Gefühl dafür,daß in der Selbsterkenntnis des Menschen eine Sonne auf-geht, die noch etwas ganz anderes beleuchtet als die zufäl-lige Einzelpersönlichkeit des Betrachters. Was Spinoza inder Ätherhöhe des reinen Gedankens zum Bewußtseingekommen ist, daß «die menschliche Seele eine zurei-chende Erkenntnis von dem ewigen und unendlichen We-sen Gottes» hat, das lebte in ihnen als unmittelbare Emp-findung; und die Selbsterkenntnis war ihnen der Pfad, zudiesem ewigen und unendlichen Wesen zu dringen. Ihnenwar klar, daß die Selbsterkenntnis in ihrer wahren Gestaltden Menschen mit einem neuen Sinn bereichert, der ihmeine Welt erschließt, die sich zu dem, was ohne diesen Sinnerreichbar ist, verhält wie die Welt des körperlich Sehen-den zu der des Blinden. Man wird nicht leicht eine bessereDarstellung von der Bedeutung dieses neuen Sinnes erhal-ten, als sie J.G.Fichte in seinen Berliner Vorlesungen, imJahre 1813, gegeben hat. «Denke man eine Welt von Blind-geborenen, denen darum allein die Dinge und ihre Ver-hältnisse bekannt sind, die durch den Sinn der Betastungexistieren. Tretet unter diese, und redet ihnen von Farbenund den andern Verhältnissen, die nur durch das Licht fürdas Sehen vorhanden sind. Entweder ihr redet ihnen vonnichts, und dies ist das Glücklichere, wenn sie es sagen;denn auf diese Weise werdet ihr bald den Fehler merken,

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und falls ihr ihnen nicht die Augen zu öfmen vermögt, dasvergebliche Reden einstellen. - Oder sie wollen aus irgend-einem Grunde eurer Lehre doch einen Verstand geben: sokönnen sie dieselbe nur verstehen von dem, was ihnendurch die Betastung bekannt ist: sie werden das Licht unddie Farben, und die andern Verhältnisse der Sichtbarkeitfühlen wollen, zu fühlen vermeinen, innerhalb des Gefühlesirgend etwas sich erkünsteln und anlügen, was sie Farbenennen. Dann mißverstehen, verdrehen, mißdeuten sie.»Ein ähnliches darf man von dem sagen, was die in Redestehenden Geister erstrebten. Einen neuen Sinn sahen siein der Selbsterkenntnis erschlossen. Und dieser Sinn lie-fert, nach ihrer Empfindung, Anschauungen, die für den-jenigen nicht vorhanden sind, der in der Selbsterkenntnisnicht sieht, was sie von allen anderen Arten des Erkennensunterscheidet. Wem dieser Sinn sich nicht geöffnet hat, derglaubt, Selbsterkenntnis komme ähnlich zustande wieErkenntnis durch äußere Sinne, oder durch irgend welcheandere von außen her wirkende Mittel. Er meint: «Er-kenntnis sei Erkenntnis.» Das eine Mal nur sei ihr Gegen-stand etwas, was draußen in der Welt liegt, das andere Malsei dieser Gegenstand die eigene Seele. Er hört nur Worte,im besten Falle abstrakte Gedanken bei dem, was für tieferBlickende die Grundlage ihres Innenlebens ist; nämlich beidem Satze, daß wir bei aller anderen Art von Erkenntnisden Gegenstand außer uns haben, bei der Selbsterkenntnisinnerhalb dieses Gegenstandes stehen, daß wir jeden ande-ren Gegenstand als fertigen, abgeschlossenen an uns her-antreten sehen, in unserem Selbst jedoch als Tätige, Schaf-fende das selbst weben, was wir in uns beobachten. Dieskann als eine bloße Worterklärung, vielleicht als Triviaü-

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tat erscheinen; es kann aber auch, recht verstanden, alshöheres Licht erscheinen, das jede andere Erkenntnis neubeleuchtet. Wem es in der ersten Weise erscheint, der istin einer Lage wie ein Blinder, dem man sagt: dort ist einglänzender Gegenstand. Er hört die Worte, der Glanz istfür ihn nicht da. Man kann die Summe des Wissens einerZeit in sich vereinigen; empfindet man nicht die Tragweiteder Selbsterkenntnis, dann ist alles Wissen im höherenSinne ein blindes.

Die von uns unabhängige Welt lebt für uns dadurch,daß sie sich unserem Geiste mitteilt. Was uns da mitgeteiltwird, muß in der uns eigentümlichen Sprache gefaßt sein.Ein Buch, dessen Inhalt in einer uns fremden Sprache dar-geboten würde, wäre für uns bedeutungslos. Ebenso wäredie Welt für uns bedeutungslos, wenn sie nicht in unsererSprache zu uns spräche. Dieselbe Sprache, die von denDingen zu uns dringt, vernehmen wir aus uns selbst. Dannsind wir es aber auch, die sprechen. Es handelt sich bloßdarum, daß wir die Verwandlung richtig belauschen, dieeintritt, wenn wir unsere Wahrnehmung den äußeren Din-gen verschließen und nur auf das hören, was dann nochaus uns selbst tönt. Dazu gehört eben der neue Sinn. Wirder nicht erweckt, so glauben wir in den Mitteilungen überuns selbst auch nur solche über ein uns äußeres Ding zuvernehmen; wir meinen, irgendwo sei etwas verborgen,was zu uns in derselben Weise spricht, wie die äußerenDinge sprechen. Haben wir den neuen Sinn, dann wissenwir, daß seine Wahrnehmungen sich wesentlich von denenunterscheiden, die sich auf äußere Dinge beziehen. Dannwissen wir, daß dieser Sinn das nicht außer sich läßt, waser wahrnimmt, wie das Auge den gesehenen Gegenstand

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außer sich läßt; sondern, daß er seinen Gegenstand restlosin sich aufzunehmen vermag. Sehe ich ein Ding, so bleibtdas Ding außer mir; nehme ich mich wahr, so ziehe ichselbst in meine Wahrnehmung ein. Wer außer dem Wahr-genommenen noch etwas von seinem Selbst sucht, derzeigt, daß ihm in der Wahrnehmung der eigentliche Inhaltnicht aufleuchtet. Johannes Tauler (13 00-1361) hat dieseWahrheit mit den treffenden Worten ausgesprochen:Wenn ich ein König wäre, und wüßte es nicht, dann wäreich kein König. - Wenn ich mir in meiner Selbstwahrneh-mung nicht aufleuchte, dann bin ich mir nicht vorhanden.Leuchte ich mir auf, dann habe ich mich aber auch in meinerWahrnehmung in meiner ureigensten Wesenheit. Es bleibtkein Rest von mir außer meiner Wahrnehmung. J. G. Fichtedeutet energisch mit folgenden Worten auf den Unter-schied der Selbstwahrnehmung von jeder andern Art vonWahrnehmung: «Die meisten Menschen würden leichterdahin zu bringen sein, sich für ein Stück Lava im Mondeals für ein Ich zu halten. Wer hierüber noch nicht einig mitsich selbst ist, der versteht keine gründliche Philosophie,und er bedarf keiner. Die Natur, deren Maschine er ist,wird ihn schon ohne all sein Zutun in allen Geschäftenleiten, die er auszuführen hat. Zum Philosophieren gehörtSelbständigkeit: und diese kann man sich nur selbst geben.- Wir sollen nicht ohne Auge sehen wollen; aber wir sollenauch nicht behaupten, daß das Auge sehe.»

Die Wahrnehmung seiner selbst ist also zugleich Er-weckung seines Selbst. In unserer Erkenntnis verbinden wirdas Wesen der Dinge mit unserem eigenen Wesen. DieMitteilungen, die uns die Dinge in unserer Sprache ma-chen, werden zu Gliedern unseres eigenen Selbst. Ein

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Ding, das mir gegenübersteht, ist nicht mehr getrennt vonmir, wenn ich es erkannt habe. Das, was ich von ihm auf-nehmen kann, gliedert sich meinem eigenen Wesen ein.Erwecke ich nun mein eigenes Selbst, nehme ich den Inhaltmeines Innern wahr, dann erwecke ich auch zu einemhöheren Dasein, was ich von außen in mein Wesen ein-gegliedert habe. Das Licht, das auf mich selbst fällt beimeiner Erweckung, fällt auch auf das, was ich von denDingen der Welt mir angeeignet habe. Ein Licht blitzt inmir auf und beleuchtet mich, und mit mir alles, was ichvon der Welt erkenne. Was immer ich erkenne, es bliebeblindes Wissen, wenn nicht dieses Licht darauf fiele. Ichkönnte die ganze Welt erkennend durchdringen: sie wärenicht, was sie in mir werden muß, wenn die Erkenntnisnicht in mir zu einem höheren Dasein erweckt würde.

Was ich durch diese Erweckung zu den Dingen hinzu-bringe, ist nicht eine neue Idee, ist nicht eine inhaltlicheBereicherung meines Wissens; es ist ein Hinauf heben desWissens, der Erkenntnis, auf eine höhere Stufe, auf derallen Dingen ein neuer Glanz verliehen wird. So lange ichdie Erkenntnis nicht zu dieser Stufe erhebe, bleibt mir allesWissen im höheren Sinne wertlos. Die Dinge sind auchohne mich da. Sie haben ihr Sein in sich. Was soll es füreine Bedeutung haben, daß ich mit ihrem Sein, das sie drau-ßen ohne mich haben, auch noch ein geistiges Sein ver-knüpfe, das in mir die Dinge wiederholte? Handelte es sichum eine bloße Wiederholung der Dinge: es wäre sinnlos,diese zu vollführen. - Aber es handelt sich nur so lange umeine bloße Wiederholung, als ich nicht mit meinem eigenenSelbst den in mich aufgenommenen geistigen Inhalt derDinge zu einem höheren Dasein erwecke. Geschieht dies,

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dann habe ich das Wesen der Dinge in mir nicht wieder-holt, sondern ich habe es auf einer höheren Stufe wieder-geboren. Mit der Erweckung meines Selbst vollzieht sicheine geistige Wiedergeburt der Dinge der Welt. Was dieDinge in dieser Wiedergeburt zeigen, das ist ihnen vorhernicht eigen. Da draußen steht der Baum. Ich fasse ihn inmeinen Geist auf. Ich werfe mein inneres Licht auf das,was ich erfaßt habe. Der Baum wird in mir zu mehr, als erdraußen ist. Was von ihm durch das Tor der Sinne ein-zieht, wird in einen geistigen Inhalt aufgenommen. Einideelles Gegenstück zu dem Baume ist in mir. Das sagt überden Baum unendlich viel aus, was mir der Baum draußennicht sagen kann. Aus mir heraus leuchtet dem Baume erstentgegen, was er ist. Der Baum ist nun nicht mehr das ein-zelne Wesen, das er draußen im Räume ist. Er wird einGlied der ganzen geistigen Welt, die in mir lebt. Er ver-bindet seinen Inhalt mit anderen Ideen, die in mir sind.Er wird ein Glied der ganzen Ideenwelt, die das Pflanzen-reich umfaßt; er gliedert sich weiter in die Stufenfolge allesLebendigen ein. - Ein anderes Beispiel: Ich werfe einenStein in horizontaler Richtung von mir. Er bewegt sich ineiner krummen Linie und fallt nach einiger Zeit zu Boden.Ich sehe ihn in aufeinanderfolgenden Zeitpunkten an ver-schiedenen Orten. Durch meine Betrachtung gewinne ichfolgendes: Der Stein steht während seiner Bewegung unterverschiedenen Einflüssen. Wenn er nur unter der Folge desStoßes stände, den ich ihm gegeben habe, würde er in gera-der Linie ewig fortfliegen, ohne seine Schnelligkeit zuändern. Nun aber übt die Erde einen Einfluß auf ihn aus.Sie zieht ihn an sich. Hätte ich ihn, ohne zu stoßen, einfachlosgelassen, so wäre er senkrecht zur Erde gefallen. Seine

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Schnelligkeit hätte dabei fortwährend zugenommen. Ausder Wechselwirkung dieser beiden Einflüsse entsteht das,was ich wirklich sehe. - Nehmen wir an, ich könnte die bei-den Einflüsse nicht gedankenmäßig trennen, und aus ihrergesetzmäßigen Verbindung das wieder gedankenmäßig zu-sammenfügen, was ich sehe: so bliebe es beim Gesehenen.Es wäre ein geistig blindes Hinsehen; ein Wahrnehmen deraufeinanderfolgenden Lagen, die der Stein einnimmt. Inder Tat aber bleibt es nicht dabei. Der ganze Vorgang voll-zieht sich zweimal. Einmal draußen; und da sieht ihn meinAuge; dann läßt mein Geist den ganzen Vorgang nocheinmal entstehen, auf geistige Weise. Auf den geistigenVorgang, den mein Auge nicht sieht, muß mein innererSinn gelenkt werden, dann geht ihm auf, daß ich, aus mei-ner Kraft heraus, den Vorgang als geistigen erwecke. -Wieder darf man einen Satz J.G.Fichtes anfuhren, derdiese Tatsache klar zur Anschauung bringt. «Der neueSinn ist demnach der Sinn für den Geist; der, für den nurGeist ist und durchaus nichts anderes, und dem auch dasandere, das gegebene Sein, annimmt die Form des Geistes,und sich darein verwandelt, dem darum das Sein in seinereigenen Form in der Tat verschwunden ist.» ... «Es ist mitdiesem Sinne gesehen worden, seitdem Menschen da sind,und alles Große und Treffliche, was in der Welt ist, undwelches allein die Menschheit bestehen macht, stammt ausden Gesichten dieses Sinnes. Daß aber dieser Sinn sichselbst gesehen haben sollte in seinem Unterschiede undGegensatze mit dem andern gewöhnlichen Sinne, war nichtder Fall. Die Eindrücke der beiden Sinne verschmolzen,das Leben zerfiel ohne Einigungsband in diese zwei Hälf-ten.» Das Einigungsband wird dadurch geschaffen, daß der

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innere Sinn das Geistige, das er in seinem Verkehr mit derAußenwelt erweckt, in seiner Geistigkeit erfaßt. Dadurchhört das, was wir von den Dingen in unseren Geist aufneh-men, auf, als eine bedeutungslose Wiederholung zu erschei-nen. Es erscheint als ein Neues gegenüber dem, was nuräußere Wahrnehmung geben kann. Der einfache Vorgangdes Steinwerfens, und meine Wahrnehmung desselbenerscheinen in einem höheren Lichte, wenn ich mir klar-mache, was mein innerer Sinn an der ganzen Sache für eineAufgabe hat. Um die beiden Einflüsse und ihre Wirkungs-weisen gedankenmäßig zusammenzufügen, ist eine Summevon geistigem Inhalt nötig, den ich mir bereits angeeignethaben muß, wenn ich den fliegenden Stein wahrnehme. Ichwende also einen in mir bereits aufgespeicherten geistigenInhalt an auf etwas, das mir in der Außenwelt entgegen-tritt. Und dieser Vorgang der Außenwelt gliedert sich dembereits vorhandenen geistigen Inhalt ein. Er erweist sich inseiner Eigenart als ein Ausdruck dieses Inhalts. Durch dasVerständnis meines inneren Sinnes wird mir somit erschlos-sen, was für ein Verhältnis der Inhalt dieses Sinnes zu denDingen der Außenwelt hat. Fichte konnte sagen, ohne dasVerständnis für diesen Sinn zerfällt mir die Welt in zweiHälften: in Dinge außer mir, und in Bilder von diesen Din-gen in mir. Die beiden Hälften werden vereinigt, wenn derinnere Sinn sich versteht, und ihm damit auch klar ist, waser selbst im Erkenntnisprozesse den Dingen für Licht gibt.Und Fichte durfte auch sagen, daß dieser innere Sinn nurGeist sieht. Denn er sieht, wie der Geist die Sinnenweltdadurch aufklärt, daß er sie der Welt des Geistigen einglie-dert. Der innere Sinn läßt in sich das äußere Sinnendaseinals geistige Wesenheit auf einer höheren Stufe erstehen. Ein

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äußeres Ding ist ganz erkannt, wenn kein Teil an ihm ist,der nicht in dieser Art eine geistige Wiedergeburt erlebthat. Jedes äußere Ding gliedert sich somit einem geistigenInhalt ein, der, wenn er von dem innern Sinn erfaßt wird,das Schicksal der Selbsterkenntnis teilt. Der geistige Inhalt,der einem Dinge zugehört, ist durch die Beleuchtung voninnen, ebenso wie das eigene Selbst restlos in die Ideenwelteingeflossen. - Diese Ausführungen enthalten nichts, waseines logischen Beweises fähig oder bedürftig wäre. Sie sindnichts anderes als Ergebnisse der inneren Erfahrungen.Wer ihren Inhalt in Abrede stellt, der zeigt nur, daß ihmdiese innere Erfahrung mangelt. Man kann mit ihm nichtstreiten; ebensowenig, wie man mit dem Blinden über dieFarbe streitet. - Es darf aber nicht behauptet werden, daßdiese innere Erfahrung nur durch die Begabung wenigerAuserwählter möglich gemacht werde. Sie ist eine all-gemein-menschliche Eigenschaft. Jeder kann auf den Wegzu ihr gelangen, der sich nicht selbst vor ihr verschließt.Dieses Verschließen ist allerdings häufig genug. Und manhat bei Einwendungen, die nach dieser Richtung gemachtwerden, immer das Gefühl: es handle sich gar nicht umsolche, die die innere Erfahrung nicht erlangen können,sondern um solche, die sich durch ein Netz von allerleilogischen Gespinsten den Zugang zu ihr verrammeln. Esist fast so, wie wenn jemand, der durch ein Fernrohr sieht,einen neuen Planeten erblickt, dessen Dasein aber dochableugnet, weil ihm seine Rechnung gezeigt hat, daß an die-ser Stelle kein Planet sein darf.

Dabei ist aber bei den meisten Menschen doch das deut-liche Gefühl davon ausgeprägt, daß mit dem, was die äuße-ren Sinne und der zergliedernde Verstand erkennen, noch

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nicht alles gegeben sein kann, was im Wesen der Dingeliegt. Sie glauben dann, der Rest müsse ebenso in der Au-ßenwelt sein, wie die Dinge der äußeren Wahrnehmungselbst. Sie meinen, es müsse etwas sein, was der Erkennt-nis unbekannt bleibt. Was sie dadurch erlangen sollten, daßsie das wahrgenommene und mit dem Verstande erfaßteDing mit dem inneren Sinne auf höherer Stufe noch einmalwahrnehmen, das versetzen sie, als ein Unzugängliches,Unbekanntes in die Außenwelt. Sie reden dann von Er-kenntnisgrenzen, die verhindern, daß wir zum «Ding ansich» gelangen. Sie reden von dem unbekannten «Wesen»der Dinge. Daß dieses «Wesen» der Dinge aufleuchtet,wenn der innere Sinn sein Licht auf die Dinge fallen läßt,das wollen sie nicht anerkennen. Ein besonders laut spre-chendes Beispiel für den Irrtum, der hier verborgen Hegt,hat die berühmte «Ignorabimus»-Rede des NaturforschersDu Bois-Reymond im Jahre 1876 geliefert. Wir sollen über-all nur so weit kommen, daß wir in den NaturvorgängenÄußerungen der «Materie» sehen. Was «Materie» selbstist, davon sollen wir nichts wissen können. Du Bois-Rey-mond behauptet, daß wir niemals dahin werden dringenkönnen, wo Materie im Räume spukt. Der Grund, warumwir dahin nicht dringen können, Hegt jedoch darin, daßdort überhaupt nichts gesucht werden kann. Wer so wieDu Bois-Reymond spricht, der hat ein Gefühl, daß dieNaturerkenntnis Ergebnisse Hefere, die auf ein anderes, dassie nicht selbst geben kann, hinweisen. Er will aber denWeg, der zu diesem anderen führt, den Weg der innerenErfahrung, nicht betreten. Deshalb steht er ratlos der Fragenach der «Materie», wie einem dunklen Rätsel, gegenüber.Wer den Weg der inneren Erfahrung betritt, in dem erlan-

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gen die Dinge eine Wiedergeburt; und das, was an ihnenfür die äußere Erfahrung unbekannt bleibt, das leuchtetdann auf.

So klärt das Innere des Menschen sich nicht nur übersich selbst, sondern es klärt auch über die äußeren Dingeauf. Von diesem Punkte aus öffnet sich eine unendlichePerspektive für die menschliche Erkenntnis. Im Innernleuchtet ein Licht, das seine Leuchtkraft nicht nur auf die-ses Innere beschränkt. Es ist eine Sonne, die zugleich alleWirklichkeit beleuchtet. Es tritt in uns etwas auf, was unsmit der ganzen Welt verbindet. Wir sind nicht mehr bloßder einzelne zufällige Mensch, nicht mehr dieses oder jenesIndividuum. In uns offenbart sich die ganze Welt. Sie ent-hüllt uns ihren eigenen Zusammenhang; und sie enthülltuns, wie wir selbst als Individuum mit ihr zusammenhän-gen. Aus der Selbsterkenntnis heraus wird die Welterkennt-nis geboren. Und unser eigenes beschränktes Individuumstellt sich geistig in den großen Weltzusammenhang hin-ein, weil in ihm etwas auflebt, was übergreifend ist überdieses Individuum, was alles das mitumfaßt, dessen Glieddieses Individuum ist.

Ein Denken, das sich nicht durch logische Vorurteileden Weg zur inneren Erfahrung vermauert, kommt letz-ten Endes stets zur Anerkennung der in uns waltendenWesenheit, die uns mit der ganzen Welt verknüpft, weilwir durch sie den Gegensatz von innen und außen in bezugauf den Menschen überwinden. Paul Asmusy der früh ver-storbene, scharfsinnige Philosoph, spricht sich über diesenTatbestand in folgender Weise aus (vgl. dessen Schrift:«Das Ich und das Ding an sich», S. 14 f.): «Wir wollen esuns durch ein Beispiel klarer machen; stellen wir uns ein

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Stück Zucker vor; es ist rund, süß, undurchdringlich usw.;dies sind lauter Eigenschaften, die wir begreifen; nur einsdabei schwebt uns als ein schlechthin Anderes vor, das wirnicht begreifen, das so verschieden von uns ist, daß wirnicht hineindringen können, ohne uns selbst zu verlieren,von dessen bloßer Oberfläche der Gedanke scheu zurück-prallt. Dies eine ist der uns unbekannte Träger aller jenerEigenschaften; das Ansich, welches das innerste Selbst die-ses Gegenstandes ausmacht. So sagt Hegel richtig, daß derganze Inhalt unserer Vorstellung sich nur als Akzidens zujenem dunklen Subjekte verhalte, und wir, ohne in seineTiefen zu dringen, nur Bestimmungen an dieses Ansichheften, - die schließlich, weil wir es selbst nicht kennen,auch keinen wahrhaft objektiven Wert haben, subjektivsind. Das begreifende Denken hingegen hat kein solchesunerkennbares Subjekt, an dem seine Bestimmungen nurAkzidenzen wären, sondern das gegenständliche Subjekt fällt

innerhalb des Begriffes. Begreife ich etwas, so ist es in seinerganzen Fülle meinem Begriffe präsent; im innersten Hei-ligtum seines Wesens bin ich zu Hause, nicht deshalb, weiles kein eigenes Ansich hätte, sondern weil es mich durchdie über uns beiden schwebende Notwendigkeit des Begriffes, der

in mir subjektiv, in ihm objektiv erscheint, zwingt, seinenBegriff /zuzudenken. Durch dies Nachdenken offenbartsich uns, wie Hegel sagt, - ebenso wie dies unsere subjek-tive Tätigkeit ist, - zugleich die wahre Natur des Gegenstandes.»

- So kann nur sprechen, wer mit dem Lichte der innerenErfahrung die Erlebnisse des Denkens zu beleuchten ver-mag.

In meiner «Philosophie der Freiheit» habe ich, vonandern Gesichtspunkten ausgehend, gleichfalls auf die Ur-

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tatsache des Innenlebens hingewiesen (S. 49f.): «Es ist alsozweifellos: in dem Denken halten wir das Weltgeschehenan einem Zipfel, wo wir dabei sein müssen, wenn etwaszustande kommen soll. Und das ist doch gerade das, wor-auf es ankommt. Das ist gerade der Grund, warum mir dieDinge so rätselhaft gegenüberstehen: daß ich an ihremZustandekommen so unbeteiligt bin. Ich finde sie einfachvor; beim Denken aber weiß ich, wie es gemacht wird.Daher gibt es keinen ursprünglicheren Ausgangspunkt fürdas Betrachten alles Weltgeschehens als das Denken.»

Wer das innere Erleben des Menschen so ansieht, demist auch klar, welchen Sinn innerhalb des ganzen Weltpro-zesses das menschliche Erkennen hat. Es ist nicht einewesenlose Beigabe zu dem übrigen Weltgeschehen. Einesolche wäre es, wenn es eine bloße ideelle Wiederholung des-sen darstellte, was äußerlich vorhanden ist. Im Erkennen voll-zieht sich aber, was sich in der Außenwelt nirgends voll-zieht: Das Weltgeschehen stellt sich selbst sein geistigesWesen gegenüber. Ewig wäre dieses Weltgeschehen nureine Halbheit, wenn es zu dieser Gegenüberstellung nichtkäme. Damit gliedert sich das innere Erleben des Men-schen dem objektiven Weltprozesse ein; dieser wäre ohnees unvollständig.

Es ist ersichtlich, daß nur das Leben, das vom innerenSinn beherrscht wird, den Menschen in solcher Weise übersich hinaushebt, sein im eigensten Sinne höchstes Geistes-leben. Denn nur in diesem Leben enthüllt sich das Wesender Dinge vor sich selbst. Anders liegt die Sache mit demniederen Wahrnehmungsvermögen. Das Auge z.B., dasdas Sehen eines Gegenstandes vermittelt, ist der Schau-platz eines Vorganges, der irgend einem anderen äußeren

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Vorgange, gegenüber dem inneren Leben, völlig gleich ist.Meine Organe sind Glieder der räumlichen Welt wie dieanderen Dinge, und ihre Wahrnehmungen sind zeitlicheVorgänge wie andere. Auch ihr Wesen erscheint nur, wennsie ins innere Erleben versenkt werden. Ich lebe also einDoppelleben: das Leben eines Dinges unter anderen Din-gen, das innerhalb seiner Körperlichkeit lebt und durchseine Organe das wahrnimmt, was außer dieser Körperlich-keit liegt; und über diesem Leben ein höheres, das keinsolches Innen und Außen kennt, das überspannend überdie Außenwelt und über sich selbst sich dehnt. Ich werdealso sagen müssen: einmal bin ich Individuum, beschränktesIch; das andere Mal bin ich allgemeines, universelles Ich.Auch dieses hat PaulAsmus in treffliche Worte gefaßt (vgl.dessen Buch:« Die indogermanische Religion in den Haupt-punkten ihrer Entwickelung», S. 29,im i.Bd.): «DieTätig-keit, uns in ein anderes zu versenken, nennen wir Ren-ken' ; im Denken hat das Ich seinen Begriff erfüllt, es hatsich als einzelnes selbst aufgegeben; deshalb befinden wiruns denkend in einer für Alle gleichen Sphäre, denn dasPrinzip der Besonderung, das da in dem Verhältnis unseresIch zu dem ihm Anderen liegt, ist verschwunden in derTätigkeit der Selbstaufhebung des einzelnen Ich, es ist danur die Allen gemeinsame Ichheit»

Spinoza hat genau dasselbe im Auge, wenn er die höch-ste Erkenntnistätigkeit als diejenige beschreibt, die «vonder zureichenden Vorstellung des wirklichen Wesens eini-ger Attribute Gottes zur zureichenden Erkenntnis des We-sens der Dinge» vorschreitet. Dieses Vorschreiten ist nichtsanderes als das Beleuchten der Dinge mit dem Lichte derinneren Erfahrung. Das Leben in dieser inneren Erfahrung

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schildert Spinoza in herrlichen Farben: «Die höchste Tu-gend der Seele ist, Gott zu erkennen, oder die Dinge inder dritten - höchsten - Art der Erkenntnis einzusehen.Diese Tugend wird um so größer, je mehr die Seele in die-ser Erkenntnisart die Dinge erkennt; mithin erreicht der,welcher die Dinge in dieser Erkenntnisart erfaßt, die höch-ste menschliche Vollkommenheit und wird folglich vonder höchsten Freude erfüllt, und zwar begleitet von denVorstellungen seiner selbst und der Tugend. Mithin ent-springt aus dieser Art der Erkenntnis die höchste Seelen-ruhe, die möglich ist.» Wer die Dinge in solcher Arterkennt, der verwandelt sich in sich selbst; denn sein ein-zelnes Ich wird in solchen Augenblicken aufgesogen vondem All-Ich; alle Wesen erscheinen nicht in untergeordne-ter Bedeutung einem einzelnen beschränkten Individuum;sie erscheinen sich selbst. Es ist auf dieser Stufe kein Unter-schied mehr zwischen Plato und mir; denn was uns trennt,gehört einer niederen Erkenntnis stufe an. Wir sind nur alsIndividuum getrennt; das in uns wirkende Allgemeine istein- und dasselbe. Auch über diese Tatsache läßt sich nichtstreiten mit dem, der von ihr keine Erfahrung hat. Er wirdimmerdar betonen: Plato und du sind zwei. Daß dieseZweiheit, daß alle Vielheit als Einheit wiedergeboren wirdin dem Aufleben der höchsten Erkenntnisstufe: das kannnicht bewiesen, das muß erfahren werden. So paradox esklingt, es ist eine Wahrheit: Die Idee, die Plato vorstellte,und die gleiche Idee, die ich vorstelle, sind nicht zweiIdeen. Es ist eine und dieselbe Idee. Und nicht zwei Ideensind, die eine in Platos Kopf, die andere in meinem; son-dern im höheren Sinne durchdringen sich Platos Kopf undder meine; es durchdringen sich alle Köpfe, welche die

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gleiche, eine Idee fassen; und diese Idee ist nur als einzigeeinmal vorhanden. Sie ist da; und die Köpfe versetzen sichalle an einen und denselben Ort, um diese Idee in sich zuhaben.

Die Umwandlung, die im ganzen Wesen des Menschenbewirkt wird, wenn er also die Dinge ansieht, deutet mitschönen Worten die indische Dichtung «Bhagavad Gita»an, von der Wilhelm von Humboldt deshalb sagte, er seiseinem Schicksal dankbar dafür, daß es ihn habe so langeleben lassen, bis er in der Lage war, dieses Werk kennen-zulernen. Das innere Licht spricht in dieser Dichtung:«Ein ewiger Strahl von mir, der ein besonderes Dasein inder Welt des persönlichen Lebens erlangt hat, zieht an sichdie fünf Sinne und die individuelle Seele, welche der Naturangehören. - Wenn der überstrahlende Geist sich in Raumund Zeit verkörperlicht, oder wenn er sich entkörperlicht,so ergreift er die Dinge und nimmt sie mit sich, wie derWindhauch die Wohlgerüche der Blumen ergreift und mitsich fortreißt. - Das innere Licht beherrscht das Ohr, dasGefühl, den Geschmack und den Geruch, sowie auch dasGemüt; es knüpft das Band zwischen sich und den Sinnes-dingen. - Die Toren wissen es nicht, wenn das innereLicht aufleuchtet und erlischt, noch wenn es sich mit denDingen vermählt; nur wer des inneren Lichtes teilhaftigist, kann davon wissen.» So kräftig deutet die «BhagavadGita» auf die Umwandlung des Menschen hin, daß sie vondem «Weisen» sagt, er könne nicht mehr irren, nicht mehrsündigen. Irrt er oder sündigt er scheinbar, so müsse erseine Gedanken oder seine Handlungen mit einem Lichtebeleuchten, vor dem nicht mehr als Irrtum und nicht mehrals Sünde erscheint, was vor dem gewöhnlichen Bewußt-

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sein als solche erscheint. «Wer sich erhoben hat, und wes-sen Erkenntnis von der reinsten Art ist, der tötet nicht undbefleckt sich nicht, wenn er auch einen anderen erschlagenwürde.» Damit ist nur auf die gleiche, aus der höchstenErkenntnis fließende Grundstimmung der Seele hingewie-sen, von der Spinoza, nachdem er sie in seiner «Ethik»beschrieben, in die hinreißenden Worte ausbricht: «Hier-mit ist das beendet, was ich rücksichtlich der Macht derSeele über die Affekte und über die Freiheit der Seele habedarlegen wollen. Hieraus erhellt, wie viel der Weise demUnwissenden überlegen ist und mächtiger als dieser, dernur von den Lüsten getrieben wird. Denn der Unwissendewird nicht allein von äußeren Ursachen auf viele Weisegetrieben und erreicht nie die wahre Seelenruhe, sonderner lebt auch in Unkenntnis von sich, von Gott und von denDingen, und so wie sein Leiden aufhört, hört auch seinDasein auf; während dagegen der Weise, als solcher, kaumeine Erregung in seinem Geiste empfindet, sondern in dergewissermaßen notwendigen Erkenntnis seiner, Gottesund der Dinge niemals aufhört, zu sein, und immer derwahren Seelenruhe genießt. Wenn auch der Weg, welchenich, als dahin führend, aufgezeichnet habe, sehr schwierigerscheint, so kann er doch aufgefunden werden. Und aller-dings mag er beschwerlich sein, weil er so selten gefundenwird. Denn wie wäre es möglich, daß, wenn das Heil beider Hand wäre und ohne große Mühe gefunden werdenkönnte, daß es von allen fast vernachlässigt würde? Indesist alles Erhabene ebenso schwer, wie selten.»

In monumentaler Weise hat Goethe den Gesichtspunkt

der höchsten Erkenntnis in den Worten angedeutet:

«Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur Außen-

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weit, so heiß' ich's Wahrheit. Und so kann jeder seineeigene Wahrheit haben, und es ist doch immer dieselbige.»Jeder hat seine eigene Wahrheit: weil jeder ein individuel-les, besonderes Wesen neben und mit anderen ist. Dieseanderen Wesen wirken auf ihn durch seine Organe. Vondem individuellen Standpunkte aus, auf den er gestellt ist,und je nach der Beschaffenheit seines Wahrnehmungsver-mögens bildet er sich im Verkehr mit den Dingen seineeigene Wahrheit. Er gewinnt sein Verhältnis zu den Din-gen. Tritt er dann in die Selbsterkenntnis ein, lernt er seinVerhältnis zu sich selbst kennen, dann löst sich seine beson-dere Wahrheit in die allgemeine Wahrheit auf; diese all-gemeine Wahrheit ist in allen dieselbige.

Das Verständnis für die Aufhebung des Individuellen,des einzelnen Ich zum All-Ich in der Persönlichkeit betrach-ten tiefere Naturen als das im Innern des Menschen sichoffenbarende Geheimnis, als das Ur-Mysterium des Le-bens. Auch dafür hat Goethe einen treffenden Ausspruchgefunden: «Und so lang du das nicht hast,dieses: Stirb5

und Werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklenErde.»

Nicht eine gedankliche Wiederholung, sondern ein reel-ler Teil des Weltprozesses ist das, was sich im menschlichenInnenleben abspielt. Die Welt wäre nicht, was sie ist, wennsich das zu ihr gehörige Glied in der menschlichen Seelenicht abspielte. Und nennt man das höchste, das dem Men-schen erreichbar ist, das Göttliche, dann muß man sagen,daß dieses Göttliche nicht als ein Äußeres vorhanden ist,um bildlich im Menschengeiste wiederholt zu werden, son-dern daß dieses Göttliche im Menschen erweckt wird. Da-für hat Angelus Süesius die rechten Worte gefunden: «Ich

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weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben; werd*ich zu nicht, er muß von Not den Geist aufgeben.» «Gottmag nicht ohne mich ein einzig's Würmlein machen:erhalt' ich's nicht mit ihm, so muß es stracks zerkrachen.»Eine solche Behauptung kann nur der machen, welchervoraussetzt, daß im Menschen etwas zum Vorscheinkommt, ohne welches ein äußeres Wesen nicht existierenkann. Wäre alles, was zum «Würmlein» gehört, auch ohneden Menschen da, dann könnte man unmöglich davon spre-chen, daß es «zerkrachen» müßte, wenn der Mensch esnicht erhielte.

Als geistiger Inhalt kommt der innerste Kern der Weltin der Selbsterkenntnis zum Leben. Das Erleben der Selbst-erkenntnis bedeutet für den Menschen Weben und Wirkeninnerhalb des Weltenkernes. Wer von Selbsterkenntnisdurchdrungen ist, vollzieht natürlich auch sein eigenes Han-deln im Lichte der Selbsterkenntnis. Das menschliche Han-deln ist - im allgemeinen — bestimmt durch Motive. RobertHamerling) der Dichter-Philosoph, hat mit Recht gesagt(«Atomistik des Willens», [2. Bd.] S. 213f.): «Der Menschkann allerdings tun, was er will- aber er kann nicht wollen,was er will, weil sein Wille durch Motive bestimmt ist! - Erkann nicht wollen, was er will? Sehe man sich diese Wortedoch einmal näher an. Ist ein vernünftiger Sinn darin? Frei-heit des Wollens müßte also darin bestehen, daß man ohneGrund, ohne Motiv etwas wollen könnte? Aber was heißtdenn Wollen anders, als einen Grund haben, dies lieber zutun oder anzustreben als jenes? Ohne Grund, ohne Motivetwas wollen, hieße etwas wollen, ohne es %u wollen. Mit demBegriff des Wollens ist der des Motivs unzertrennlich ver-knüpft. Ohne ein bestimmendes Motiv ist der Wille ein

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leeres Vermögen: erst durch das Motiv wird er tätig undreell. Es ist also ganz richtig, daß der menschliche Willeinsofern nicht ,freic ist, als seine Richtung immer durch dasstärkste der Motive bestimmt ist.» Für alles Handeln, dasnicht im Lichte der Selbsterkenntnis sich vollzieht, mußdas Motiv, der Grund des Handelns als Zwang empfundenwerden. Anders ist die Sache, wenn der Grund in dieSelbsterkenntnis eingefaßt wird. Dann ist dieser Grund einGlied des Selbst geworden. Das Wollen wird nicht mehrbestimmt; es bestimmt sich selbst. Die Gesetzmäßigkeit,die Motive des Wollens herrschen nun nicht mehr über demWollenden, sondern sind ein und dasselbe mit diesem Wol-len. Die Gesetze seines Handelns mit dem Lichte derSelbstbeobachtung beleuchten, heißt, allen Zwang der Mo-tive überwinden. Dadurch versetzt sich das Wollen in dasGebiet der Freiheit,

Nicht alles menschliche Handeln trägt den Charakter derFreiheit. Nur das in jedem seiner Teile von Selbstbeobach-tung durchglühte Handeln ist ein freies. Und weil dieSelbstbeobachtung das individuelle Ich hinaufhebt zumallgemeinen Ich, so ist das freie Handeln das aus dem All-Ich fließende. Die alte Streitfrage, ob der Wille des Men-schen frei sei, oder einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit,einer unabänderlichen Notwendigkeit unterliege, ist eineunrichtig gestellte Frage. Unfrei ist das Handeln, das derMensch als Individuum vollbringt; frei dasjenige, das ernach seiner geistigen Wiedergeburt vollzieht. Der Menschist also nicht, im allgemeinen, entweder frei, oder unfrei.Er ist sowohl das eine wie das andere. Er ist unfrei vor seinerWiedergeburt; und er kann frei werden durch diese Wieder-geburt. Die individuelle Aufwärtsentwicklung des Men-

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sehen besteht in der Umwandlung des unfreien Wollens inein solches mit dem Charakter der Freiheit. Der Mensch,der die Gesetzmäßigkeit seines Handelns als seine eigenedurchdrungen hat, hat den Zwang dieser Gesetzmäßigkeit,und damit die Unfreiheit überwunden. Die Freiheit istnicht von vornherein eine Tatsache des Menschendaseins,sondern ein Zieh

Mit dem freien Handeln löst der Mensch einen Wider-spruch zwischen der Welt und sich. Seine eigenen Tatenwerden Taten des allgemeinen Seins. Er empfindet sich invollem Einklänge mit diesem allgemeinen Sein. Jeden Miß-klang zwischen sich und einem anderen fühlt er als Ergeb-nis eines noch nicht völlig erwachten Selbst. Das aber istdas Schicksal des Selbst, daß es nur in seiner Trennungvom All den Anschluß an dieses All finden kann. DerMensch wäre nicht Mensch, wenn er nicht abgeschlossenwäre als Ich von allem anderen; aber er wäre auch nichtim höchsten Sinne Mensch, wenn er nicht als solch ab-geschlossenes Ich aus sich heraus wieder sich zum All-Icherweiterte. Es gehört durchaus zum menschlichen Wesen,daß es einen ursprünglich in ihm gelegenen Widerspruchüberwinde.

Wer den Geist lediglich als logischen Verstand geltenlassen will, der mag sein Blut erstarren fühlen bei demGedanken, daß in dem Geiste die Dinge ihre Wiedergeburterleben sollen. Er wird die frische, lebendige Blume, drau-ßen in ihrer Farbenfülle, vergleichen mit dem kalten, blas-sen, schematischen Gedanken der Blume. Er wird sich be-sonders unbehaglich fühlen bei der Vorstellung, daß derMensch, der aus der Einsamkeit seines Selbstbewußtseinsheraus seine Motive zum Handeln holt, freier sein soll als

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die ursprüngliche, naive Persönlichkeit, die aus ihren un-mittelbaren Impulsen, aus der Fülle ihrer Natur heraushandelt. Einem solchen das einseitig Logische Sehendenwird der, welcher sich in sein Inneres versenkt, erscheinenwie ein wandelndes Begriffsschema, wie ein Gespenstgegenüber dem in seiner natürlichen Individualität Ver-harrenden. - Dergleichen Einwände gegen die Wieder-geburt der Dinge im Geiste kann man vorzüglich bei denenhören, die zwar mit gesunden Organen für sinnliche Wahr-nehmung und mit lebensvollen Trieben und Leidenschaf-ten ausgestattet sind, deren Beobachtungsvermögen abergegenüber den Gegenständen mit rein geistigem Inhaltversagt. Sobald sie rein Geistiges wahrnehmen sollen, fehltihnen die Anschauung; sie haben es mit bloßen Begriffs-hülsen, wenn nicht gar mit leeren Worten zu tun. Sie blei-ben daher, wenn es sich um geistigen Inhalt handelt, die«trockenen», «abstrakten Verstandesmenschen». Wer aberim rein Geistigen eine Beobachtungsgabe hat wie im Sinn-lichen, für den wird natürlich das Leben nicht ärmer, wenner es durch den geistigen Inhalt bereichert. Sehe ich hinausauf eine Blume: warum sollten ihre saftigen Farben auchnur irgend etwas an Frische verlieren, wenn nicht nur meinAuge die Farben, sondern auch mein innerer Sinn noch dasgeistige Wesen der Blume sieht. Warum sollte das Lebenmeiner Persönlichkeit ärmer werden, wenn ich meinen Lei-denschaften und Impulsen nicht geistig-blind folge, son-dern wenn ich sie durchleuchte mit dem Lichte höhererErkenntnis. Nicht ärmer, sondern voller, reicher ist das imGeiste wiedergegebene Leben*.

* Siehe Nachtrag I, Seite 147.

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MEISTER ECKHART

Ganz durchglüht von der Empfindung, daß im Geiste desMenschen die Dinge als höhere Wesenheiten wiedergebo-ren werden, ist die Vorstellungswelt des Meisters Eckhart.Er gehörte dem Orden der Dominikaner an wie der größtechristliche Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquino,der von 1225 bis 1274 lebte. Eckhart war unbedingter Ver-ehrer des Thomas. Das muß durchaus begreiflich erschei-nen, wenn man die ganze Vorstellungsart des Meisters Eck-hart ins Auge faßt. Er glaubte sich selbst mit den Lehrender christlichen Kirche ebenso in Einklang, wie er für Tho-mas eine solche Übereinstimmung annahm. Eckhart wolltevon dem Inhalte des Christentums nichts wegnehmen, undauch zu ihm nichts hinzufügen. Aber er wollte diesen In-halt auf seine Art neu hervorbringen. Es liegt nicht in dengeistigen Bedürfnissen einer Persönlichkeit, wie er einewar, neue Wahrheiten dieser oder jener Art an die Stellevon alten zu setzen. Er war mit dem Inhalte, den er über-liefert erhalten hatte, ganz verwachsen. Aber er wollte die-sem Inhalte eine neue Gestalt, ein neues Leben geben. Erwollte, ohne Zweifel, rechtgläubiger Christ bleiben. Diechristlichen Wahrheiten waren die seinigen. Nur in ande-rer Weise ansehen wollte er sie, als dies z. B. Thomas vonAquino getan hatte. Dieser nahm zwei Erkenntnisquellenan: die Offenbarung in dem Glauben und die Vernunft in derForschung. Die Vernunft erkennt die Gesetze der Dinge,also das Geistige in der Natur. Sie kann sich auch über dieNatur erheben, und im Geiste die aller Natur zugrundeliegende göttliche Wesenheit von einer Seite erfassen. Abersie gelangt auf diese Art nicht zu einer Versenkung in die

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volle Wesenheit Gottes. Ein höherer Wahrheitsgehalt mußihr entgegenkommen. Er ist in der Heiligen Schrift gege-ben. Sie offenbart^ was der Mensch durch sich selbst nichterreichen kann. Der Wahrheitsgebalt der Schrift muß vondem Menschen hingenommen werden; die Vernunft kannihn verteidigen, sie kann ihn durch ihre Erkenntniskräftemöglichst gut verstehen wollen; aber sie kann ihn aus demmenschlichen Geiste heraus nimmermehr selbst erzeugen.Nicht was der Geist erschaut, ist höchste Wahrheit, sondernein gewisser Erkenntnisinhalt, der dem Geiste von außen zu-gekommen ist. Unfähig erklärt sich der heilige Augustin,in sich den Quell zu rinden für das, was er glauben soll. Ersagt: «Ich würde dem Evangelium nicht glauben, wennmich die Autorität der katholischen Kirche nicht dazu be-wegte.» Das ist im Sinne des Evangelisten, der auf dasäußere Zeugnis verweist: «Was wir gehört, was wir mitunseren Augen gesehen, was wir selbst geschaut, was un-sere Hände berührt haben von dem Worte des Lebens ...was wir sahen und hörten, melden wir euch, damit ihr Ge-meinschaft mit uns habet.» Der Meister Eckhart abermöchte Christi Worte dem Menschen einschärfen: «Es isteuch nütze, daß ich von euch fahre; denn gehe ich nichtvon euch, so kann euch der Heilige Geist nicht werden.»Und er erläutert diese Worte, indem er sagt: «Recht, als ober spräche: ihr habt zu viel Freude auf mein gegenwärtigesBild gelegt, daher kann euch die vollkommene Freude desHeiligen Geistes nicht werden.» Eckhart meint von keinemanderen Gotte zu sprechen, als der ist, von dem Augustin,und der Evangelist, und Thomas sprechen; und dennochist ihr Zeugnis von Gott nicht sein Zeugnis. «Etliche Leutewollen Gott mit den Augen ansehen, als sie eine Kuh an-

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sehen, und wollen Gott lieb haben, als sie eine Kuh liebhaben. Also haben sie Gott lieb, um auswendigen Reich-tum und um inwendigen Trost; aber diese Leute habennicht Gott recht Heb» ... «Einfältige Leute wähnen, sie sol-len Gott ansehen, als stünde er dort und sie hier. So ist esnicht. Gott und ich sind eins im Erkennen.» Es Hegt sol-chen Bekenntnissen bei Eckhart nichts anderes zugrunde,als die Erfahrung des inneren Sinnes. Und diese Erfahrungzeigt ihm die Dinge in einem höheren Lichte. Er glaubt da-her eines äußeren Lichtes nicht zu bedürfen, um zu denhöchsten Einsichten zu kommen: «Ein Meister spricht:Gott ist Mensch geworden, davon ist erhöhet und gewür-digt das ganze menschliche Geschlecht. Dessen, mögen wiruns freuen, daß Christus unser Bruder ist gefahren voneigener Kraft über alle Chöre der Engel und sitzet zurRechten des Vaters. Dieser Meister hat wohl gesprochen;aber wahrHch, ich gebe nicht viel darum. Was hülfe es mir,hätt* ich einen Bruder, der da wäre ein reicher Mann, undich wäre dabei ein armer Mann? Was hülfe es mir, hätte icheinen Bruder, der ein weiser Mann wäre, und ich wäre einTor?»... «Der himmlische Vater gebiert seinen eingebornenSohn in sich und in mir. Warum in sich und in mir? Ich bineins mit ihm; und er vermag mich nicht auszuschließen. Indemselben Werk empfängt der HeiHge Geist sein Wesenund wird von mir, wie von Gott. Warum? Ich bin in Gott,und nimmt der HeiHge Geist sein Wesen nicht von mir,nimmt er es auch nicht von Gott. Ich bin auf keine Weiseausgeschlossen.» Wenn Eckhart an das Wort des Paulus er-innert: «Ziehet euch Jesum Christum an», so will er die-sem Worte den Sinn unterlegen: versenket euch in euch,tauchet hinunter in die Selbstbeschauung: und aus den Tie-

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fen eures Wesens wird euch der Gott entgegenleuchten; erüberstrahlet euch alle Dinge; ihr habt ihn in euch gefun-den; ihr seid einig geworden mit Gottes Wesenheit. «Gottist Mensch geworden, daß ichGott werde.» In seinem Trak-tat «Über die Abgeschiedenheit» spricht sich Eckhart überdie Beziehung der äußeren Wahrnehmung zu der innerenaus: «Hier sollst du wissen, daß die Meister sprechen, daßan einem jeden Menschen zweierlei Menschen sind: dereine heißt der äußere Mensch, das ist die Sinnlichkeit; demMenschen dienen fünf Sinne, und er wirkt doch durch dieKraft der Seele. Der andere Mensch heißt der innereMensch, das ist des Menschen Inneres. Nun sollst du wis-sen, daß ein jeder Mensch, der Gott liebt, die Kräfte derSeele in dem äußeren Menschen nicht mehr gebraucht, alsdie fünf Sinne zur Not bedürfen; und das Innere kehrt sichnicht zu den fünf Sinnen, als nur insofern es der Weiser undLeiter der fünf Sinne ist und sie hütet, damit sie nichtihrem Streben nach der Tierheit frönen.» Wer in dieser Artüber den inneren Menschen spricht, der kann nicht mehrauf ein sinnlich außer ihm gelegenes Wesen der Dinge seinAuge richten. Denn er ist sich klar darüber, daß aus keinerArt der sinnlichen Außenwelt dieses Wesen ihm entgegen-treten kann. Man könnte ihm einwenden: was geht dieDinge in der Außenwelt dasjenige an, was du ihnen ausdeinem Geiste hinzufügst. Baue doch auf deine Sinne. Sieallein geben dir Kunde von der Außenwelt. Verfälschenicht durch eine geistige Zutat, was dir die Sinne in Rein-heit, ohne Zutat, als Bild der Außenwelt geben. Dein Augesagt dir, wie die Farbe ist; was dein Geist über die Farbeerkennt, davon ist in der Farbe nichts. Vom Standpunktedes Meisters Eckhart müßte man antworten: Die Sinne

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sind physische Apparate. Ihre Mitteilungen über die Dingekönnen somit nur das Physische an den Dingen betreffen.Und dieses Physische in den Dingen teilt sich mir so mit,daß in mir selbst ein physischer Vorgang erregt wird. DieFarbe als physischer Vorgang der Außenwelt erregt einenphysischen Vorgang in meinem Auge und in meinem Ge-hirn. Dadurch nehme ich die Farbe wahr. Ich kann auf die-sem Wege aber nur das von der Farbe wahrnehmen, wasan ihr physisch, sinnlich ist. Die sinnliche Wahrnehmungschaltet alles Nichtsinnliche von den Dingen aus. Die Dingewerden durch sie alles dessen entkleidet, was an ihnen nicht-sinnlich ist. Schreite ich dann zu dem geistigen, dem ideel-len Inhalt fort, so stelle ich nur dasjenige wieder her, wasdie sinnliche Wahrnehmung an den Dingen ausgelöschthat. Somit zeigt mir die sinnliche Wahrnehmung nicht dastiefste Wesen der Dinge; sie trennt mich vielmehr von die-sem Wesen. Die geistige, ideelle Erfassung verbindet michaber wieder mit diesem Wesen. Sie zeigt mir, daß die Dingein ihrem Innern genau von demselben geistigen Wesensind, wie ich selbst. Die Grenze zwischen mir und der Au-ßenwelt fällt durch die geistige Erfassung der Welt dahin.Ich bin von der Außenwelt getrennt, insofern ich ein sinn-liches Ding unter sinnlichen Dingen bin. Mein Auge unddie Farbe sind zwei verschiedene Wesenheiten. Mein Ge-hirn und die Pflanze sind zweierlei. Aber der ideelle Inhaltder Pflanze und der Farbe gehören mit dem ideellen Inhaltmeines Gehirns und des Auges einer einheitlichen ideellenWesenheit an. - Es darf diese Anschauung nicht verwech-selt werden mit der weit verbreiteten anthropomorphosie-renden (vermenschlichenden) Weltanschauung, welche dieDinge der Außenwelt dadurch zu erfassen glaubt, daß sie

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ihnen Eigenschaften psychischer Art beilegt, die den Ei-genschaften der menschlichen Seele ähnlich sein sollen.Diese Ansicht sagt: wir nehmen an einem andern Men-schen, wenn wir ihm äußerlich gegenübertreten, nur sinn-liche Merkmale wahr. Ich kann meinem Mitmenschen nichtins Innere schauen. Ich schließe aus dem, was ich von ihmsehe und höre, auf sein Inneres, auf seine Seele. Die Seeleist also niemals etwas, was ich unmittelbar wahrnehme.Eine Seele nehme ich nur in meinem eigenen Innern wahr.Meine Gedanken, meine Phantasiegebilde, meine Gefühlesieht kein Mensch. Ebenso wie ich nun ein solches Innen-leben habe neben dem, was äußerlich wahrzunehmen ist,so müssen ein solches alle anderen Wesen haben. So schließt,wer auf dem Standpunkt der anthropomorphosierenden(vermenschlichenden) Weltanschauung steht. Was ich ander Pflanze äußerlich wahrnehme, muß ebenso nur die Au-ßenseite eines Inneren, einer Seele sein, die ich mir hinzu-denken muß zu dem, was ich wahrnehme. Und da es fürmich nur eine einzige Innenwelt gibt, nämlich meine eige-ne, so kann ich mir auch die Innenwelt der anderen Wesennur ähnlich meiner Innenwelt vorstellen. Dadurch kommtman zu einer Art Allbeseelung aller Natur (Panpsychis-mus). Diese Anschauung beruht auf einer Verkennung des-sen, was der entwickelte innere Sinn wirklich darbietet.Der geistige Inhalt eines äußeren Dinges, der mir in mei-nem Innern aufgeht, ist nichts zu der äußeren Wahrneh-mung Hinzugedachtes. Er ist dies ebensowenig, wie derGeist eines anderen Menschen. Ich nehme durch den inne-ren Sinn diesen geistigen Inhalt ebenso wahr, wie durchdie äußeren Sinne den physischen Inhalt. Und was ich meinInnenleben in obigem Sinne nenne, ist gar nicht, im höhe-

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ren Sinne, mein Geist. Dieses Innenleben ist nur das Er-gebnis rein sinnlicher Vorgänge, gehört mir nur als ganzindividuelle Persönlichkeit an, die nichts ist als das Ergeb-nis ihrer physischen Organisation. Wenn ich dieses Innereauf die äußeren Dinge übertrage, so denke ich tatsächlichins Blaue hinein. Mein persönliches Seelenleben, meine Ge-danken, Erinnerungen und Gefühle sind in mir, weil ichein so und so organisiertes Naturwesen bin, mit einemganz bestimmten Sinnesapparat, mit einem ganz bestimm-ten Nervensystem. Diese meine menschliche Seele darf ichnicht auf die Dinge übertragen. Ich dürfte das nur, wennich irgendwo ein ähnlich organisiertes Nervensystem fän-de. Aber meine individuelle Seele ist nicht das höchste Gei-stige an mir. Dieses höchste Geistige muß in mir erst durchden inneren Sinn erweckt werden. Und dieses erweckteGeistige in mir ist zugleich ein und dasselbe mit dem Gei-stigen in allen Dingen. Vor diesem Geistigen erscheint diePflanze unmittelbar in ihrer eigenen Geistigkeit. Ich brau-che ihr nicht eine Geistigkeit zu verleihen, die ähnlich mei-ner eigenen ist. Für diese Weltanschauung verliert alles Re-den über das unbekannte «Ding an sich» jeglichen Sinn.Denn es ist eben das «Ding an sich», das sich dem innerenSinn enthüllt. Alles Reden über das unbekannte «Ding ansich» rührt nur davon her, daß diejenigen, die so reden,nicht imstande sind, in den geistigen Inhalten ihres Innerndie «Dinge an sich» wieder zu erkennen. Sie glauben inihrem Innern wesenlose Schatten und Schemen, «bloße Be-griffe und Ideen» der Dinge zu erkennen. Da sie aber docheine Ahnung von dem «Ding an sich» haben, so glauben sie,daß sich dieses «Ding an sich» verberge, und daß demmenschlichen Erkenntnisvermögen Grenzen gesteckt seien.

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Man kann solchen, die in diesem Glauben befangen sind,nicht beweisen, daß sie das «Ding an sich» in ihrem Innernergreifen müssen, denn sie würden dieses «Ding an sich»,wenn man es ihnen vorwiese, doch niemals anerkennen.Um dieses Anerkennen aber handelt es sich. - Alles, was derMeister Eckhart sagt, ist von dieser Anerkennung durch-drungen. «Dessen nimm ein Gleichnis. Eine Tür geht ineinem Angel auf und zu. Wenn ich nun das äußere Brett ander Türe dem äußeren Menschen vergleiche, so vergleicheich den Angel dem inneren Menschen. Wenn nun die Türeauf und zu geht, so bewegt sich das äußere Brett hin undher, während doch der Angel beständig unbeweglich bleibt,und dadurch keineswegs verändert wird. In gleicher Weiseist es auch hier.» Ich kann als individuelles Sinneswesendie Dinge nach allen Seiten erforschen - die Tür geht aufund zu-; wenn ich die Wahrnehmungen der Sinne nicht gei-stig'in mir erstehen lasse, dann kenne ich nichts von ihremWesen - der Angel bewegt sich nicht-. Die durch den inne-ren Sinn vermittelte Erleuchtung ist, nach Eckharts An-schauung, der Einzug Gottes in die Seele. Er nennt dasLicht der Erkenntnis, das durch diesen Einzug aufflackert,das «Fünklein der Seele». Die Stelle des menschlichen In-nern, an der dieses «Fünklein» aufleuchtet, ist «so lauter,und so hoch, und so edel in sich selber, daß darin keine Krea-tur sein mag, sondern nur Gott allein wohnt darin mit sei-ner bloßen göttlichen Natur». Wer dieses «Fünklein» insich hat aufgehen lassen, der sieht nicht mehr bloß so, wieder Mensch mit den äußeren Sinnen sieht, und mit demlogischen Verstande, der die Eindrücke der Sinne ordnetund klassifiziert, sondern er sieht, wie die Dinge an sichsind. Die äußeren Sinne und der ordnende Verstand son-

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dem den einzelnen Menschen von den anderen Dingen ab;sie machen ihn zu einem Individuum im Raum und in derZeit, das auch die anderen Dinge im Raum und in der Zeitwahrnimmt. Der von dem «Fünklein» erleuchtete Menschhört auf, ein Einzelwesen zu sein. Er vernichtet seine Ab-sonderung. Alles, was den Unterschied zwischen ihm undden Dingen bewirkt, hört auf. Daß ery als Einzelwesen, esist, der wahrnimmt, kommt gar nicht mehr in Betracht. DieDinge und er sind nicht mehr geschieden. Die Dinge undsomit auch Gott sehen sich in ihm. «Dies Fünklein, das istGott, also, daß es ist ein einig Ein, und das Bild in sichträgt aller Kreaturen, Bild ohne Bild, und Bild über Bild.»Mit den herrlichsten Worten spricht Eckhart die Aus-löschung des Einzelwesens aus: «Es ist daher zu wissen,daß das Eines ist nach den Dingen, Gott erkennen und vonGott erkannt zu sein. In dem erkennen wir Gott und sehen,daß er uns macht sehend und erkennend. Und wie die Luft,die erleuchtet, nichts anderes ist, als was sie erleuchtet;denn davon leuchtet sie, daß sie erleuchtet ist: also erken-nen wir, daß wir erkannt sind und daß er uns sich macheterkennend.»

Auf solcher Grundlage erbaut sich der Meister Eckhartsein Verhältnis zu Gott. Es ist ein rein geistiges, und kannnicht nach einem Bilde geformt sein, das dem menschli-chen, individuellen Leben entlehnt ist. Nicht wie ein ein-zelner Mensch den anderen liebt, kann Gott seine Schöp-fung lieben; nicht wie ein Baumeister das Haus verfertigt,kann Gott die Welt erschaffen haben. Alle dergleichen Ge-danken schwinden vor dem inneren Schauen. Es gehörtzum Wesen Gottes, daß er die Welt liebt. Ein Gott, der lie-ben könnte und auch nicht lieben, ist nach dem Bilde des

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individuellen Menschen gebildet. «Ich sprech bei guterWahrheit und bei ewiger Wahrheit und bei immerwähren-der Wahrheit, daß sich Gott in jeglichen Menschen, dersich zugrunde gelassen hat, allzumal ausgießen muß nachaller Vermögenheit, so ganz und gar, daß er in seinem Le-ben und in seinem Wesen, in seiner Natur und in seinerGottheit nichts behaltet; er muß es alles zumal in frucht-barer Art ergießen.» Und die innere Erleuchtung ist etwas,was die Seele notwendig rinden muß, wenn sie sich auf denGrund vertieft. Schon daraus geht hervor, daß Gottes Mit-teilung an die Menschheit nicht nach dem Bilde der Offen-barung eines Menschen an den anderen vorgestellt werdendarf. Diese Mitteilung kann auch unterbleiben. Ein Menschkann sich dem anderen verschließen. Gott muß sich, seinemWesen nach, mitteilen. «Es ist eine sichere Wahrheit, daßes Gott also Not ist, daß er uns suche, recht als ob all seineGottheit daran hinge. Gott mag unser so wenig entbehrenals wir seiner. Mögen wir uns von Gott kehren, so magGott sich doch nimmer von uns kehren.» Folgerichtigkann auch dann des Menschen Verhältnis zu Gott nicht soaufgefaßt werden, daß darin etwas Bildliches, dem indivi-duellen Menschlichen Entnommenes enthalten ist. Eckhartist sich bewußt, daß es zur Vollendung des Urwesens derWelt gehört, sich in der menschlichen Seele zu rinden. Die-ses Urwesen wäre unvollkommen, ja unfertig, wenn es desBestandteiles seiner Ausgestaltung entbehrte, der in derSeele des Menschen zum Vorschein kommt. Was im Men-schen geschieht, gehört zu dem Urwesen; und geschähees nicht, so wäre das Urwesen nur ein Teil seiner selbst.In diesem Sinne darf der Mensch sich als notwendiges Glieddes Weltwesens fühlen. Eckhart drückt das aus, indem er

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seine Empfindung Gott gegenüber also schildert: «Ichdanke nicht Gott, daß er mich Heb hat, denn er mag esnicht lassen; er wolle es oder nicht, seine Natur zwingetihn doch... Darum will ich Gott nicht bitten, daß er miretwas gebe, ich will ihn auch nicht loben um das, was ermir gegeben hat...»

Es ist aber dieses Verhältnis der menschlichen Seele zudem Urwesen nicht so aufzufassen, als wenn die Seele inihrer individuellen Wesenheit mit diesem Urwesen für ei-nerlei erklärt würde. Die Seele, die verstrickt ist in die Sin-nenwelt und damit in die Endlichkeit, hat als solche denInhalt des Urwesens nicht schon in sich. Sie muß ihn in sicherst entwickeln. Sie muß sich als Einzelwesen vernichten.In treffender Weise charakterisiert der Meister Eckhart dieseVernichtung als «Entwerdung». «Wenn ich komme in denGrund der Gottheit, so fragt mich niemand, wannen ichkomme und wo ich gewesen, und niemand vermisset mich,denn hier ist eine Entwertung.» Deutlich spricht über diesesVerhältnis auch der Satz: «Ich nimm ein Becken mit Was-ser und lege darin einen Spiegel und setze es unter das Radder Sonne. Die Sonne wirft aus ihren lichten Schein in denSpiegel und vergehet doch nicht. Das Widerspiegeln desSpiegels in der Sonne ist Sonne in der Sonne, und der Spie-gel ist doch, das er ist. Also ist es um Gott. Gott ist in derSeele mit seiner Natur und in seinem Wesen und seinerGottheit, und er ist doch nicht die Seele. Das Widerspie-geln der Seele in Gott ist Gott in Gott, und die Seele istdoch, das sie ist.»

Die Seele, die sich der inneren Erleuchtung hingibt, er-kennt nicht bloß in sich das, was sie vor der Erleuchtungwar; sondern sie erkennt das, was sie erst durch diese Er-

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leuchtung wird. «Wir sollen mit Gott vereinigt werdenwesentlich; wir sollen mit Gott vereinigt werden einlich;wir sollen mit Gott vereinigt werden gänzlich. Wie sollenwir wesentlich mit Gott vereinigt werden? Das soll ge-schehen an der Schauung und nicht an der Wesung. SeinWesen mag nicht unser Wesen werden, sondern soll unserLeben sein.» Nicht ein schon vorhandenes Leben - eineWesung - soll im logischen Sinne erkannt werden; son-dern das höhere Erkennen — die Schauung - soll selbst Le-ben werden; das Geistige, das Ideelle soll von dem schauen-den Menschen so empfunden werden, wie von der indivi-duellen Menschennatur das gewöhnliche, alltägliche Lebenempfunden wird.

Von solchen Ausgangspunkten gelangt der Meister Eck-hart auch zu einem reinen Freiheitsbegriffe. Die Seele ist imgewöhnlichen Leben nicht frei. Denn sie ist eingesponnenin das Reich der niederen Ursachen. Sie vollbringt, wozusie von diesen niederen Ursachen genötigt wird. Durch die«Schauung» wird sie aus dem Gebiet dieser Ursachen hin-ausgehoben. Sie handelt nicht mehr als Einzelseele. Eswird in ihr die Urwesenheit freigelegt, die durch nichtsmehr verursacht werden kann, denn durch sich selbst.«Gott zwingt den Willen nicht, sondern er setzt ihn viel-mehr in Freiheit, also daß er nichts anderes will, denn dasGott selber will. Und der Geist mag nichts anderes wollen,denn was Gott will: und das ist nicht seine Unfreiheit; esist seine eigentliche Freiheit. Denn Freiheit ist, daß wirnicht gebunden sind, daß wir also frei und lauter und alsounvermengt seien, als wir waren in unserem ersten Aus-fluß, und da wir gefreiet wurden in dem heiligen Geist.»Von dem erleuchteten Menschen darf gesagt werden, er sei

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selbst die Wesenheit, welche aus sich das Gute und dasBöse bestimmt. Er kann gar nicht anders, als das Gute voll-bringen. Denn er dienet nicht dem Guten, sondern dasGute lebt sich in ihm aus. «Der gerechte Mensch dienetweder Gott, noch den Kreaturen; denn er ist frei, und jenäher er der Gerechtigkeit ist, desto mehr ist er die Frei-heit selber.» Was kann, für den Meister Eckhart, dann dasBöse nur sein? Es kann nur das Handeln unter dem Ein-fluß der untergeordneten Anschauungsweise sein; das Han-deln einer Seele, die nicht durch den Zustand der Entwer-dung durchgegangen ist. Eine solche Seele ist selbstsüchtigin dem Sinne, daß sie nur sich will. Sie könnte nur äußer-lich ihr Wollen mit sittlichen Idealen in Einklang bringen.Die schauende Seele kann in diesem Sinne nicht selbst-süchtig sein. Wenn sie auch sich wollte, so wollte sie dochdie Herrschaft des Idealen; denn sie hat sich selbst zu die-sem Idealen gemacht. Sie kann nicht mehr die Ziele derniederen Natur wollen, denn sie hat nichts mehr mit dieserniederen Natur gemein. Es bedeutet für die schauende Seelekeinen Zwang, keine Entbehrung, im Sinne der sittlichenIdeale zu handeln. «Der Mensch, der da steht in GottesWillen und in Gottes Minne, dem ist es eine Lust, alle gutenDinge zu tun, die Gott will, und alle bösen Dinge zu las-sen, die wider Gott sind. Und es ist ihm unmöglich, einDing zu lassen, das Gott will gewirkt haben. Recht so, demwäre unmöglich zu gehen, dem seine Beine gebunden sind,so unmöglich wäre dem Menschen eine Untugend zu tun,der in Gottes Willen ist.» Eckhart verwahrt sich noch aus-drücklich dagegen, daß mit dieser seiner Anschauung einFreibrief gegeben wäre für alles mögliche, was der einzelnewill. Gerade daran erkennt man den Schauenden, daß er

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gar nichts mehr als einzelner will. «Es sprechen etlicheMenschen: habe ich Gott und Gottes Freiheit, so mag ichwohl tun alles, was ich will. Dies Wort verstehen sie un-recht. Dieweil du irgendein Ding vermagst, das wider Gottist und sein Gebot, so hast du Gottes Minne nicht; dumagst die Welt wohl betrügen, als habest du sie.» Eckhartist überzeugt, daß der Seele, die sich bis zu ihrem Grundevertieft, auf diesem Grunde auch die vollkommene Sittlich-keit entgegenleuchtet, daß da alles logische Begreifen undalles Handeln im gewöhnlichen Sinne aufhört und eineganz neue Ordnung des Menschenlebens eintritt. «Dennalles, was das Verständnis begreifen mag, und alles, wasdie Begehrung begehret, das ist ja Gott nicht. Wo die Ver-ständnis und die Begehrung endet, da ist es finster, daleuchtet Gott. Da tut sich jene Kraft in der Seele auf, dieweiter ist denn der weite Himmel.» «Der Gerechten Selig-keit und Gottes Seligkeit ist Eine Seligkeit; denn da ist derGerechte selig, da Gott selig ist.»

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GOTTESFREUNDSCHAFT

In. Johannes Tauler (1300-1361), Heinrich Suso (1295-1366)und Johannes Ruysbroeck (1293-13 81) lernt man Persönlich-keiten kennen, in deren Leben und Wirken sich auf die ein-dringlichste Art die Seelenbewegungen zeigen, die ein Gei-stesweg wie derjenige des Meister Eckhart in tief angeleg-ten Naturen verursacht. Erscheint Eckhart wie ein Mann,der in seligem Erleben der geistigen Wiedergeburt von derBeschaffenheit und dem Wesen der Erkenntnis wie voneinem Bilde spricht, das ihm gelungen ist zu malen: sostellen sich die anderen dar wie Wanderer, denen dieseWiedergeburt einen neuen Weg gezeigt hat, den sie wan-deln wollen, dessen Ziel sich ihnen aber in unendlicheFerne rückt. Eckhart schildert mehr die Herrlichkeiten sei-nes Bildes, sie die Schwierigkeiten des neuen Weges. Manmuß sich völlig klar machen, wie der Mensch zu seinenhöheren Erkenntnissen steht, wenn man den Unterschiedvon Persönlichkeiten wie Eckhart und Tauler sich vor dieSeele treten lassen will. Der Mensch ist eingesponnen indie Sinnenwelt und in die Naturgesetzlichkeit, von welcherdie Sinnenwelt beherrscht ist. Er ist selbst ein Ergebnisdieser Welt. Er lebt, indem ihre Kräfte und Stoffe in ihmtätig sind; ja er nimmt diese Sinnenwelt wahr und beurteiltsie nach den Gesetzen, nach denen sie und er aufgebautsind. Wenn er sein Auge auf einen Gegenstand richtet, sostellt sich ihm nicht nur der Gegenstand als eine Summevon ineinanderwirkenden Kräften dar, die von den Natur-gesetzen beherrscht sind, sondern das Auge selbst ist einnach solchen Gesetzen und von solchen Kräften aufgebau-ter Körper; und das Sehen geschieht nach solchen Geset-

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zen und durch solche Kräfte. Wären wir in der Natur-wissenschaft an ein Ende gekommen, so könnten wir wohlbis in die höchsten Regionen der Gedankenbildung diesesSpiel der Naturkräfte im Sinne der Naturgesetze verfol-gen. — Aber schon, indem wir dies tun, erheben wir unsüber dieses Spiel. Stehen wir denn nicht über aller bloßenNaturgesetzmäßigkeit, wenn wir überschauen, wie wir unsselbst in die Natur eingliedern? Wir sehen mit unseremAuge nach den Gesetzen der Natur. Aber wir erkennen auchdie Gesetze, nach denen wir sehen. Wir können uns aufeine höhere Warte stellen, und zugleich die Außenwelt unduns selbst in ihrem Zusammenspiel überschauen. Wirkt danicht eine Wesenheit in uns, die höher ist als die nach Na-turgesetzen und mit Naturkräften tätige sinnlich-organi-sche Persönlichkeit? Ist in solchem Wirken noch eineScheidewand zwischen unserem Innern und der Außen-welt? Was da urteilt, was sich Aufklärung verschafft, istnicht mehr unsere Einzelpersönlichkeit; es ist vielmehr dieallgemeine Weltwesenheit, welche die Schranke niederge-rissen hat zwischen Innenwelt und Außenwelt, und dienunmehr beide umspannt. So wahr es ist, daß ich nochimmer derselbe Einzelne der äußeren Erscheinung nachbleibe, wenn ich in dieser Art die Schranke niedergerissenhabe, so wahr ist es auch, daß ich dem Wesen nach nichtmehr dieser Einzelne bin. In mir lebt nunmehr die Emp-findung, daß in meiner Seele das Allwesen spricht, dasmich und alle Welt umfaßt. - Solche Empfindungen lebenin Tauler, wenn er sagt: «Der Mensch ist recht, als ob erdrei Menschen sei, sein tierischer Mensch, wie er nach denSinnen ist, dann sein vernünftiger Mensch, und endlichsein oberster gottförrrriger, gottgebildeter Mensch»... «Der

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eine ist der auswendige, tierische, sinnliche Mensch; derandere ist der inwendige, vernünftige Mensch, mit seinenvernünftigen Kräften; der dritte Mensch ist das Gemüt,der alleroberste Teil der Seele» (vgl W. Preger, «Geschichteder deutschen Mystik», 3.Bd., S. 161). Wie dieser dritteMensch erhaben ist über den ersten und zweiten, das hatEckhart in den Worten gesagt: «Das Auge, durch das ichGott sehe, das ist das gleiche Auge, mit dem Gott michsieht. Mein Auge und Gottes Auge das ist ein Auge undein Sehen und ein Erkennen und ein Empfinden.» Aber inTauler lebt zugleich mit dieser eine andere Empfindung.Er ringt sich durch zu einer wirklichen Anschauung vomGeistigen und vermengt nicht fortwährend, wie die fal-schen Materialisten und die falschen Idealisten, das Sinn-lich-Natürliche mit dem Geistigen. Wäre Tauler, mit seinerGesinnung, Naturforscher geworden: er hätte darauf be-stehen müssen, alles Natürliche, mit Einschluß des ganzenMenschen, des ersten und zweiten, rein naturgemäß zu er-klären. Er hätte niemals «rein» geistige Kräfte in die Naturselbst versetzt. Er hätte nicht von einer nach Menschen-muster gedachten « Zweckmäßigkeit» in der Natur gespro-chen. Er wußte, daß da, wo wir mit den Sinnen wahrneh-men, keine «Schöpfungsgedanken» zu finden sind. In ihmlebte vielmehr das allerstärkste Bewußtsein davon, daß derMensch ein bloß natürliches Wesen ist. Und da er sichnicht als Naturforscher, sondern als Pfleger des sittlichenLebens fühlte, so empfand er den Gegensatz, der sich auf-tut zwischen diesem natürlichen Wesen des Menschen unddem Gottschauen, das inmitten der Natürlichkeit, auf na-türliche Weise, aber als Geistigkeit entspringt. Eben in die-sem Gegensatz trat ihm der Sinn des Lebens vor Augen.

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Ais Einzelwesen, als Naturgeschöpf findet sich der Mensch.Und keine Wissenschaft kann ihm etwas anderes über die-ses Leben eröffnen, als daß er ein solches Naturgeschöpfist. Er kann als Naturgeschöpf nicht über die Naturge-schöpf lichkeit hinaus. Er muß in ihr bleiben. Und dochführt ihn sein inneres Leben darüber hinaus. Er muß Ver-trauen haben zu dem, was ihm keine Wissenschaft deräußeren Natur geben und zeigen kann. Nennt er diese Na-tur das Da-Seiende, so muß er vordringen können zu derAnschauung, die das Nicht-Seiende als das Höhere aner-kennt. Tauler sucht keinen Gott, der im Sinne einer Natur-kraft vorhanden ist; er sucht keinen Gott, der im Sinne derMenschenschöpfungen die Welt geschaffen hätte. In ihmlebt die Erkenntnis, daß selbst der Schöpfungsbegriff derKirchenlehrer nur idealisiertes Menschenschaffen ist. Ihmist klar, daß Gott nicht gefunden wird, wie von der Wissen-schaft Naturwirken und Naturgesetzlichkeit gefunden wer-den. Tauler ist sich dessen bewußt, daß wir zu der Naturals Gott nichts hinzu denken dürfen. Er weiß, daß wer,in seinem Sinne, Gott denkt, nicht mehr Gedankeninhaltdenkt, als wer die Natur in Gedanken gefaßt hat. Taulerwill deshalb nicht Gott denken, sondern er will göttlichdenken. Nicht bereichert wird die Naturerkenntnis durchdas Gotteswissen, sondern verwandelt. Nicht anderes weißder Gotteserkenner als der Naturerkenner, sondern er weißanders. Nicht einen Buchstaben kann der Gotteserkenner zudem Naturerkennen hinzufügen; aber durch sein ganzesNaturerkennen leuchtet ein neues Licht.

Welche Grundempfindungen sich der Seele eines Men-schen bemächtigen, der die Welt von solchen Gesichts-punkten aus betrachtet, das wird davon abhängen, wie er

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das Erlebnis der Seele betrachtet, das die geistige Wieder-geburt bringt. Innerhalb dieses Erlebnisses ist der Menschganz Naturwesen, wenn er sich im Zusammenspiel mit derübrigen Natur betrachtet; und er ist ganz Geistwesen, wenner auf den Zustand sieht, den ihm seine Verwandlungbringt. Man kann deshalb mit gleichem Rechte sagen: dertiefste Grund der Seele ist noch natürlich, wie auch, er istschon göttlich. Tauler betonte, seiner Sinnesweise gemäß,das erstere. Wir mögen noch so tief in unsere Seele drin-gen, wir bleiben immer Einzelmenschen, sagte er sich. Aberdoch leuchtet in dem Seelengrunde des Einzelmenschendas Allwesen auf. Tauler war beherrscht von dem Gefühle:du kannst dich von der Einzelheit nicht loslösen, dich vonihr nicht reinigen. Deshalb kann das Allwesen auch nichtin seiner Reinheit in dir zum Vorschein kommen, sondernes kann nur deinen Seelengrund bescheinen. In diesemkommt also doch nur ein Abglanz, ein Bild des Allwesenszustande. Du kannst deine Einzelpersönlichkeit so verwan-deln, daß sie im Bilde das Allwesen wiedergibt; aber diesesAllwesen selbst leuchtet nicht in dir. Von solchen Vorstel-lungen aus kam Tauler doch zu dem Gedanken einer nie inder menschlichen Welt ganz aufgehenden, nie in sie ein-fließenden Gottheit. Ja, er legt Wert darauf, nicht mit de-nen verwechselt zu werden, die das Innere des Menschenselbst als ein Göttliches erklären. Er sagt, die Vereinigungmit Gott «nehmen unverständige Menschen fleischlich undsprechen, sie sollten in göttliche Natur verwandelt werden;das ist aber zumal falsch und böse Ketzerei. Denn auch beider allerhöchsten, nächsten, innigsten Einigung mit Gottist doch göttliche Natur und Gottes Wesen hoch, ja höherals alle Höhe; das gehet in einen göttlichen Abgrund, was

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da nimmer keiner Kreatur wird.» Tauler will, im Sinne sei-ner Zeit und im Sinne seines Priesterberufs gläubiger Ka-tholik mit Recht genannt werden. Es liegt ihm nicht daran,dem Christentum eine andere Anschauung entgegenzuset-zen. Er will dieses Christentum durch seine Anschauungnur vertiefen, vergeistigen. Er spricht wie ein frommerPriester von dem Inhalte der Schrift. Aber diese Schriftwird in seiner Vorstellungswelt doch zu einem Ausdrucks-mittel für die innersten Erlebnisse seiner Seele. «Gott wir-ket alle seine Werke in der Seele und gibt sie der Seele, undder Vater gebiert seinen eingeborenen Sohn in der Seele,so wahrlich er ihn in der Ewigkeit gebiert, weder mindernoch mehr. Was wird geboren, wenn man spricht: Gottgebiert in der Seele? Ist es ein Gleichnis Gottes, oder ist esein Bild Gottes, oder ist es etwas Gottes ? Nein, es ist wederBild, noch Gleichnis Gottes, sondern derselbe Gott undderselbe Sohn, den der Vater in der Ewigkeit gebiert undnichts anderes, denn das minnigliche göttliche Wort, dasdie andere Person in der Dreifaltigkeit ist, den gebiert derVater in der Seele... und hievon hat die Seele also großeund sonderliche Würdigkeit» (vgl. Preger, «Geschichte derdeutschen Mystik», 3. Bd., S.2i9f.). - Die Erzählungen derSchrift werden für Tauler das Kleid, in das er Vorgängedes inneren Lebens hüllt. «Herödes, der das Kind verjagteund töten wollte, ist ein Vorbild der Welt, welche nochdieses Kind in einem gläubigen Menschen töten will, dar-um soll und muß man sie fliehen, wollen wir anders dasKind in uns lebendig erhalten, das Kind aber ist die er-leuchtete gläubige Seele eines jeglichen Menschen.»

Tauler kommt es deshalb, weil er den Blick auf den na-türlichen Menschen richtet, weniger darauf an, zu sagen,

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was wird, wenn der höhere Mensch in den natürlichen ein-zieht, als vielmehr, die Wege zu finden, welche die niede-ren Kräfte der Persönlichkeit einzuschlagen haben, wennsie in das höhere Leben übergeführt werden sollen. AlsPfleger des sittlichen Lebens will er dem Menschen dieWege zum Allwesen zeigen. Er hat den unbedingten Glau-ben und das Vertrauen, daß das Allwesen in dem Menschenaufleuchtet, wenn dieser sein Leben so einrichtet, daß fürdas Göttliche in ihm eine Stätte ist. Niemals aber kann die-ses Allwesen aufleuchten, wenn der Mensch in seiner blo-ßen, natürlichen, einzelnen Persönlichkeit sich abschließt.Dieser in sich abgesonderte Mensch ist in der Sprache Tau-lers nur ein Glied der Welt; eine einzelne Kreatur. Je mehrsich der Mensch in dieses sein Dasein als Glied der Welteinschließt, desto weniger kann das Allwesen in ihm Platzfinden. «Soll der Mensch in der Wahrheit mit Gott einswerden, so müssen alle Kräfte auch des inwendigen Men-schen sterben und schweigen. Der Wille muß selbst desGuten und alles Willens entbildet und willenlos werden.»«Der Mensch soll entweichen allen Sinnen und einkehrenalle seine Kräfte, und kommen in ein Vergessen aller Dingeund seiner selbst.» «Denn das wahrhafte und ewige WortGottes wird allein in der Wüste gesprochen, wenn derMensch von sich selbst und von allen Dingen ausgegangenist, und ganz ledig, wüst und einsam steht.»

Als Tauler auf seiner Höhe stand, da trat die Frage inden Mittelpunkt seines Vorstellungslebens: wie kann derMensch sein Einzeldasein in sich vernichten, überwinden,damit er im Sinne des All-Lebens mitlebe? Wer in dieserLage ist, dem drängen sich die Gefühle gegenüber demAllwesen in das eine zusammen: Ehrfurcht vor diesem All-

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wesen, als dem, was unerschöpflich, unendlich ist. Er sagtsich: hast du welche Stufe immer erreicht; es gibt nochhöhere Ausblicke, noch erhabenere Möglichkeiten. So be-stimmt und klar ihm die Richtung ist, in der er seine Schrittezu bewegen hat, so klar ist ihm auch, daß er von einemZiele nie sprechen kann. Ein neues Ziel ist nur der Anfangzu einem neuen Wege. Durch ein solches neues Ziel hatder Mensch einen Entwicklungsgrad erreicht; die Entwick-lung selbst bewegt sich ins Unermeßliche. Und was sie aufeiner ferneren Stufe erreichen wird, weiß sie in der gegen-wärtigen nie. Ein Erkennen des letzten Zieles gibt es nicht;nur ein Vertrauen in den Weg, in die Entwicklung. Füralles, was der Mensch schon erreicht hat, gibt es ein Er-kennen, Es besteht in dem Durchdringen eines schon vor-handenen Gegenstandes durch die Kräfte unseres Geistes.Für das höhere Leben des Innern gibt es ein solches Erken-nen nicht. Hier müssen sich die Kräfte unseres Geistes denGegenstand selbst erst in das Vorhandensein versetzen; siemüssen ihm ein Dasein, das so ist, wie das natürliche Da-sein, erst schaffen. Die Naturwissenschaft verfolgt die Ent-wicklung der Wesen von dem einfachsten bis zu dem voll-kommensten, dem Menschen selbst. Diese Entwicklungliegt als abgeschlossene vor uns. Wir erkennen sie, indemwir sie mit unseren Geisteskräften durchdringen. Ist dieEntwicklung beim Menschen angekommen, dann findet erkeine weitere Fortsetzung vorhanden vor. Er vollziehtselbst die Weiterentwicklung. Er lebt nunmehr, was er fürfrühere Stufen bloß erkennt. Er schafft dem Gegenstandenach, was er für das vorhergehende nur dem geistigen We-sen gemäß nachschafft. Daß die Wahrheit nicht eins ist mitdem Vorhandenen in der Natur, sondern natürlich Vor-

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handenes und Nicht-Vorhandenes umspannt: davon istTauler ganz erfüllt in allen seinen Empfindungen. Es istuns überliefert, daß er zu dieser Erfüllung durch einen er-leuchteten Laien, einen «Gottesfreund vom Oberland» ge-führt worden ist. Es liegt hier eine geheimnisvolle Ge-schichte vor. Darüber, wo dieser Gottesfreund gelebt hat,gibt es nur Vermutungen; darüber, wer er gewesen ist,nicht einmal solche. Er soll viel von Taulers Art, zu pre-digen, gehört haben, und sich nach diesen Mitteilungenentschlossen haben, zu Tauler, der als Prediger in Straß-burg wirkte, zu reisen, um an ihm eine Aufgabe zu erfül-len. Das Verhältnis Taulers zum Gottesfreund und den Ein-fluß, den dieser auf jenen ausgeübt hat, finden wir in einerSchrift dargestellt, die den ältesten Ausgaben von TaulersPredigten unter dem Titel «Das Buch des Meisters» bei-gedruckt ist. Darin erzählt ein Gottesfreund, in dem manden erkennen will, der zu Tauler in Beziehungen getretenist, von einem «Meister», als den man Tauler selbst erken-nen will. Er erzählt, wie ein Umschwung, eine geistige Wie-dergeburt in einem «Meister» bewirkt worden ist, und wiedieser, als er seinen Tod herankommen fühlte, den Freundzu sich rief und ihn bat, die Geschichte seiner «Erleuch-tung» zu schreiben, jedoch dafür zu sorgen, daß niemalsjemand erfährt, von wem in dem Buche die Rede ist. Erbittet darum aus dem Grunde, weil alle die Erkenntnisse,die von ihm ausgehen, doch nicht von ihm sind. «Dennwisset, Gott hat alles durch mich armen Wurm gewirkt,das ist es auch, es ist nicht mein, es ist Gottes.» Ein wissen-schaftlicher Streit, der sich an die Angelegenheit geknüpfthat, ist für das Wesen der Sache nicht von der allergering-sten Bedeutung. Es wurde von einer Seite (Denifle, «Die

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Dichtungen des Gottesfreundes im Oberlande») zu bewei-sen versucht, daß der Gottesfreund niemals existiert habe,sondern daß seine Existenz erdichtet sei, und die ihm zu-geschriebenen Bücher von einem anderen (Rulman Mer-swin) herrühren. Mit vielen Gründen hat Wilhelm Preger(«Geschichte der deutschen Mystik») die Existenz, die Echt-heit der Schriften und die Richtigkeit der Tatsachen, diesich auf Tauler beziehen, zu stützen gesucht. - Mir obliegtes hier nicht, mit aufdringlicher Forschung ein menschli-ches Verhältnis zu beleuchten, von dem derjenige, welcherdie in Betracht kommenden Schriften zu lesen versteht,ganz gut weiß, daß es Geheimnis bleiben soll. (Diese inBetracht kommenden Schriften sind u. a.: «Voneime eigin-wüligen weltwisen manne, der von eime heiligen welt-priestere gewiset wart uffe demuetige gehorsamme», 1338;«Das Buch von denzwei Mannen»; «Der gefangene Ritter »,13 49; «Die geistliche Stege», 1350; «Von der geistlichen Lei-ter», 1357; «Das Meisterbuch», 13 69; «Geschichte von zweijungen 15 j ährigen Knaben».) Wenn vonTauler gesagt wird,daß mit ihm auf einer gewissen Stufe seines Lebens eineWandlung sich vollzogen habe, wie diejenige ist, die ichnunmehr schildern will, so genügt das vollkommen. Tau-lers Persönlichkeit kommt dabei gar nicht mehr in Betracht,sondern eine Persönlichkeit «im allgemeinen». Was Taulerbetrifft, so geht uns nur an, daß wir seine Wandlung unterdem durch das Folgende angegebenen Gesichtspunkte zuverstehen haben. Vergleichen wir sein späteres Wirken mitseinem vorhergehenden, so ist, ohne weiteres, die Tat-sache dieser Wandlung gegeben. Ich lasse alle äußeren Tat-sachen weg und erzähle die inneren Seelenvorgänge des«Meisters» unter «dem Einflüsse des Laien». Was sich

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mein Leser unter dem «Laien» und unter dem «Meister»denkt, hängt ganz von seiner Geistesart ab; was ich mirselbst darunter vorstelle, davon kann ich nicht wissen, fürwen es noch in Betracht kommt. - Ein Meister belehrt seineZuhörer über das Verhältnis der Seele zum Allwesen derDinge. Er spricht davon, daß der Mensch nicht mehr dienatürlichen, beschränkten Kräfte der Einzelpersönlichkeitin sich wirken fühlt, wenn er in den Abgrund seiner Seelen-tiefen hinuntersteigt. Dort spricht nicht mehr der einzelneMensch, dort spricht Gott. Dort sieht nicht der MenschGott, oder die Welt; dort sieht Gott sich selbst. Der Menschist mit Gott eins geworden. Aber der Meister weiß, daßdiese Lehre noch nicht völlig lebendig in ihm gewordenist. Er denkt sie mit dem Verstande; aber er lebt noch nichtin ihr mit jeder Faser seiner Persönlichkeit. Er lehrt alsovon einem Zustande, den er in sich noch nicht vollkommendurchgemacht hat. Die Schilderung des Zustandes ent-spricht der Wahrheit; doch ist diese Wahrheit nichts wert,wenn sie nicht Leben gewinnt, wenn sie sich nicht in derWirklichkeit als Dasein hervorbringt. Der «Laie» oder«Gottesfreund» hört von dem Meister und seinen Lehren.Er ist von der Wahrheit, die der Meister ausspricht, nichtminder durchdrungen als dieser selbst. Aber er hat dieseWahrheit nicht als Verstandessache. Er hat sie als ganzeKraft seines Lebens. Er weiß, daß man diese Wahrheit,wenn sie von außen angeflogen ist, selbst aussprechenkann, ohne auch nur im geringsten in ihrem Sinne zu leben.Man hat dann doch nichts anderes als die natürliche Er-kenntnis des Verstandes in sich. Man spricht von diesernatürlichen Erkenntnis dann so, als ob sie die höchste, mitdem Wirken des Allwesens gleiche, wäre. Sie ist es nicht,

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weil sie nicht in einem Leben erworben ist, das schon alsein verwandeltes, als ein wiedergeborenes an diese Erkennt-nis herangetreten ist. Was man als bloß natürlicher Menscherwirbt, das bleibt bloß natürlich, auch wenn man hinterherden Grundzug der höheren Erkenntnis in Worten aus-spricht. Aus der Natur selbst heraus muß die Verwandlungvollzogen werden. Die Natur, die lebend sich bis zu einergewissen Stufe entwickelt hat, muß durch das Leben wei-terentwickelt werden; neues muß durch diese Weiterent-wicklung entstehen. Nicht bloß zurückschauen auf dieschon vorliegende Entwicklung darf der Mensch und das,was sich in seinem Geiste über diese Entwicklung nach-bildet, als das höchste ansprechen; sondern Vorschauen mußer auf Ungeschaffenes; ein Anfang eines neuen Inhalts mußseine Erkenntnis sein, nicht ein Ende des vor ihr liegendenEntwicklungsinhalts. Die Natur schreitet vom Wurm zumSäugetier, vom Säugetier zum Menschen nicht in einembegrifflichen, sondern in einem wirklichen Prozeß. DerMensch soll diesen Prozeß im Geiste nicht bloß wieder-holen. Die geistige Wiederholung ist nur der Anfang einerneuen wirklichen Entwicklung, die aber eine geistige Wirk-lichkeit ist. Der Mensch erkennt dann nicht bloß, was dieNatur hervorgebracht hat; er setzt die Natur fort; er setztseine Erkenntnis in lebendiges Tun um. Er gebiert in sichden Geist; und dieser Geist schreitet von da an fort vonEntwicklungsstufe zu Entwicklungsstufe, wie die Naturfortschreitet. Der Geist beginnt einen Naturprozeß auf hö-herer Stufe. Das Sprechen über den Gott, der sich im In-nern des Menschen selbst schaut, nimmt bei dem, der sol-ches erkannt hat, einen anderen Charakter an. Er legt we-nig Wert darauf, daß eine schon erlangte Erkenntnis ihn in

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die Tiefen des Allwesens geführt hat; dafür gewinnt seineGeistesart ein neues Gepräge. Sie entwickelt sich in derRichtung, die durch das Allwesen bestimmt ist, weiter. Einsolcher Mensch betrachtet nicht allein die Welt anders alsder bloß Verständige; er lebt das Leben anders. Er sprichtnicht von dem Sinn, den das Leben schon hat durch dieKräfte und Gesetze der Welt; sondern er gibt erst diesemLeben einen neuen Sinn. So wenig der Fisch das in sichhat, was auf späterer Entwicklungsstufe als Säugetier zumVorschein kommt, so wenig hat der verständige Menschdas schon in sich, was aus ihm als höherer Mensch geborenwerden soll. Könnte der Fisch sich und die Dinge um sichher erkennen: er betrachtete das Fisch-Sein als den Sinndes Lebens. Er würde sagen: Das Allwesen ist gleich demFisch; im Fisch sieht das Allwesen sich selbst. So mag derFisch sprechen, solange er bloß an sein verstandesmäßigesErkennen sich hält. In Wirklichkeit hält er sich nicht daran.Er geht mit seinem Wirken über sein Erkennen hinaus. Erwird zum Kriechtier und später zum Säugetier. Der Sinn,den er sich in Wirklichkeit gibt, geht über den Sinn, denihm das bloße Betrachten eingibt, hinaus. Auch beim Men-schen muß es so sein. Er gibt sich einen Sinn in der Wirk-lichkeit; er bleibt nicht stehen bei dem Sinne, den er schonhat, und den ihm seine Betrachtung zeigt. Das Erkennenspringt über sich selbst hinaus, wenn es sich nur recht ver-steht. Die Erkenntnis kann nicht aus einem fertigen Gottedie Welt ableiten; sie kann nur aus einem Keime sich in derRichtung nach einem Gotte entwickeln. Der Mensch, derdas begriffen hat, will nicht Gott betrachten wie etwas, dasaußer ihm ist; er will Gott behandeln wie ein Wesen, wel-ches mit ihm wandelt zu einem Ziel, das im Anfange so un-

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bekannt ist, wie dem Fisch die Natur des Säugetiers unbe-kannt ist. Nicht Erkenner des verborgenen, oder sich offen-barenden, seienden Gottes will er sein, sondern Freund desgöttlichen, über Sein und Nicht-Sein erhabenen göttlichenTuns und Wirkens. Ein «Gottesfreund» in diesem Sinnewar der Laie, der zu dem Meister kam. Und durch ihn wur-de der Meister aus einem Betrachter der Wesenheit Gottesein «Lebendiger im Geiste», der nicht bloß betrachtete,sondern lebte im höheren Sinn. Dieser holte nun nicht mehrBegriffe und Ideen des Verstandes aus seinem Innern, son-dern diese Begriffe und Ideen drangen aus ihm hervor alslebendiger, wesenhafter Geist. Er erbaute nicht mehr bloßseine Zuhörer; er erschütterte sie. Er versenkte ihre Seelennicht mehr in ihr Inneres; er führte sie in ein neues Leben.Symbolisch wird uns das erzählt: etwa vierzig Menschenfielen durch seine Predigt hin und waren wie tot.

Als Führer zu einem solchen neuen Leben stellt sich eineSchrift dar, über deren Verfasser nichts bekannt ist. Lutherhat sie zuerst durch den Druck bekanntgemacht. DerSprachforscher Franz Pfeiffer hat sie nach einer aus demJahre 1497 stammenden Handschrift neuerdings gedruckt,und zwar mit einer dem Urtext gegenüberstehenden neu-deutschen Übersetzung. Was der Schrift vorgeschickt ist,gibt ihre Absicht und ihr Ziel an: «Hier hebet der Frank-furter an und sagt gar hohe und gar schöne Dinge voneinem vollkommenen Leben.» Es schließt sich daran «dieVorrede über den Frankfurter»: «Dies Büchlein hat derallmächtige, ewige Gott ausgesprochen durch einen wei-sen, verständigen, wahrhaftigen, gerechten Menschen, sei-nen Freund, der vor Zeiten ein deutscher Herr gewesen ist,

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ein Priester und ein Custos in der deutschen Herren Hauszu Frankfurt; es lehret gar manche liebliche Erkenntnisgöttlicher Wahrheit, und besonders, wie und wodurch manerkennen mag die wahrhaften, gerechten Gottesfreunde,und auch die ungerechten, falschen, freien Geister, die derheiligen Kirche gar schädlich sind.» - Man darf unter«freien Geistern» diejenigen verstehen, weichein einer Vor-stellungswelt leben, wie der oben beschriebene «Meister»vor seiner Verwandlung durch den «Gottesfreund», undunter den «wahrhaften, gerechten Gottesfieunden» solchemit der Gesinnung des «Laien». Man darf ferner dem Buchdie Absicht zuschreiben, auf seine Leser so zu wirken, wieder «Gottesfreund im Oberland» auf den Meister gewirkthat. Man kennt den Verfasser nicht. Was heißt das aber?Man weiß nicht, wann er geboren und gestorben ist, undwas erinnerhalb des äußerlichen Lebens getrieben hat. Daßder Verfasser über diese Tatsachen seines äußeren Lebensein ewiges Geheimnis erstrebt hat, gehört schon zu der Art,in der er wirken wollte. Nicht das in einem bestimmtenZeitpunkte geborene «Ich» dieses oder jenes Menschen sollzu uns sprechen, sondern die Ichheit, auf deren Grund sich«die Besonderheit der Individualitäten» (im Sinne des Aus-spruches Paul Asmus', vgl. oben S. 27 t.) erst entwickelt.«Wenn Gott alle Menschen an sich nähme, dk da sind undje waren, und in ihnen vermenscht würde, und sie in ihmvergottet, und geschähe es nicht auch an mir, so würdenmein Fall und mein Abkehren nimmer gebessert, es ge-schähe denn auch in mir. Und in dieser Wiederherstellungund Besserung kann und mag und soll ich nichts dazu tun,als ein bloßes lauteres Leiden, also daß Gott allein alleDinge in mir tue und wirke, und ich leide ihn und alle seine

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Werke und seinen göttlichen Willen. Aber so ich das nichtleiden will, sondern mich besitze mit Eigenschaft, d. i. mitMein und Ich, Mir, Mich und dergleichen, das hindertGott, daß er nicht lauterlich allein und ohne Hindernis inmir sein Werk wirken kann. Darum so bleibt auch meinFall und mein Abkehren ungebessert.» Der «Frankfurter»will nicht als Einzelner sprechen; er will Gott sprechen las-sen. Daß er das doch nur als einzelne, besondere Persön-lichkeit kann, weiß er natürlich; aber er ist «Gottesfreund»,das heißt, ein Mensch, der nicht durch Betrachten das We-sen des Lebens darstellen, sondern durch den lebendigenGeist den Anfang einer Entwicklungsrichtung weisen will.Die Auseinandersetzungen der Schrift sind verschiedeneUnterweisungen, wie man zu diesem Wege kommt. DerGrundgedanke kehrt immer wieder: Der Mensch soll ab-streifen alles, was mit derjenigen Anschauung zusammen-hängt, die ihn als eine einzelne, besondere Persönlichkeiterscheinen läßt. Dieser Gedanke scheint nur im Hinblickauf das sittliche Leben ausgeführt; er ist, ohne weiteres,auch auf das höhere Erkenntnisleben zu übertragen. Mansoll in sich vernichten, was als Besonderheit erscheint:dann hört das Sonderdasein auf; das All-Leben zieht in unsein. Wir können uns nicht dadurch dieses All-Lebens be-mächtigen, daß wir es an uns heranziehen. Es kommt inuns, wenn wir das Einzel-Sein in uns zum Schweigen brin-gen. Wir haben gerade dann das All-Leben am allerwenig-sten, wenn wir unser Einzeldasein so betrachten, als wennin ihm schon das All ruhte. Dies geht erst dann in dem Ein-zeldasein auf, wenn dieses Einzeldasein nicht für sich inAnspruch nimmt, etwas zu sein. Dieses Beanspruchen desEinzeldaseins nennt die Schrift das «Annehmen». Durch

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das «Annehmen» macht es sich das «Ich» unmöglich, daßdas All-Ich in es einzieht. Das Ich setzt sich dann als Teil,als Unvollkommenes an die Stelle des Ganzen, des Voll-kommenen. «Das Vollkommene ist ein Wesen, das in sichund in seinem Wesen alle Wesen begriffen und beschlossenhat, und ohne das und außer dem kein wahres Wesen ist,und in dem alle Dinge ihr Wesen haben; denn es ist allerDinge Wesen und ist in sich selber unwandelbar und un-beweglich, und verwandelt und bewegt alle anderen Dinge.Aber das Geteilte und Unvollkommene ist das, was ausdiesem Vollkommenen entsprungen ist, oder wird, recht wieein Glanz oder ein Schein, der da ausfließt aus der Sonneoder aus einem Lichte und scheint etwas, dies oder das.Und das heißt Kreatur, und dieser Geteilten aller ist keinsdas Vollkommene. Also ist auch das Vollkommene der Ge-teilten keins... Wenn das Vollkommene kommt, so ver-schmäht man das Geteilte. Wann kommt es aber? Ichspreche: wenn es, sofern es möglich ist, erkannt, empfun-den und geschmeckt wird in der Seele; denn der Mangelliegt gänzlich in uns und nicht in ihm. Denn gleich wie dieSonne die ganze Welt erleuchtet und dem einen ebensonahe ist wie dem anderen, so sieht sie doch ein Blindernicht. Aber das ist kein Gebrechen der Sonne, sondern desBlinden... Soll mein Auge etwas sehen, so muß es gerei-nigt werden, oder sein von allen anderen Dingen ... Nunmöchte man sprechen: sofern es nun unerkenntlich und un-begreiflich ist von allen Kreaturen, und die Seele nun eineKreatur ist, wie mag es dann in der Seele erkannt werden ?»Antwort: darum spricht man, die Kreatur soll als Kreaturerkannt werden. Das heißt so viel, als alle Kreatur soll alsKreatürlichkeit und GeschafFenheit angesehen werden, und

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nicht, wodurch dies Erkennen unmöglich ist, als Ichheitund Selbstheit sich betrachten. «Denn in welcher Kreaturdies Vollkommene erkannt werden soll, da muß Kreatür-lichkeit, Geschaffenheit, Ichheit, Selbstheit und dergleichenalles verloren und zu nichte werden.» (i. Kapitel der Schriftdes Frankfurters.) Die Seele muß also in sich sehen, da fin-det sie ihre Ichheit, ihre Selbstheit. Bleibt sie dabei stehen,so scheidet sie sich von dem Vollkommenen ab. Betrachtetsie ihre Ichheit nur als eine ihr gleichsam geliehene und ver-nichtet sie im Geiste dieselbe, so wird sie von dem Stromdes All-Lebens, der Vollkommenheit, erfaßt. «Wenn sichdie Kreatur etwas Gutes annimmt, als Wesens, Lebens,Wissens, Erkennens, Vermögens, kürzlich alles dessen, dasman gut nennen soll, und meint, daß sie das sei oder daßes das Ihre sei oder ihr zugehöre oder daß es von ihr sei:so oft und viel das geschieht, so kehrt sie sich ab.» Es hat« die geschaffene Seele des Menschen zwei Augen. Das eineist die Möglichkeit, zu sehen in die Ewigkeit; das andere,zu sehen in die Zeit und in die Kreatur.» «Der Menschsollte also gar frei ohne sich selbst stehen und sein, das istohne Selbstheit, Ichheit, Mir, Mein, Mich und desgleichen,also daß er sich und des Seinen so wenig suchte und meintein allen Dingen, als ob es nicht wäre; und sollte auch alsowenig von sich selber halten, als ob er nicht wäre, und alsob ein anderer alle seine Werke getan hätte.» (i 5. Kapitel.)Auch bei dem Verfasser dieser Sätze muß man damit rech-nen, daß der Vorstellungsgehalt, dem er durch seine höhe-ren Ideen und Empfindungen eine Richtung gibt, derjenigeeines gläubigen Priesters im Sinne seiner Zeit ist. Hier han-delt es sich nicht um den Vorstellungsinhalt, sondern umdie Richtung, nicht um die Gedanken, sondern um die Gei-

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stesart. Wer nicht wie er in christlichen Dogmen, sondernin Vorstellungen der Naturwissenschaft lebt, prägt andereGedanken seinen Sätzen ein; aber er weist mit diesen ande-ren Gedanken nach derselben Richtung hin. Und dieseRichtung ist die, welche zur Überwindung der Selbstheitdurch diese Selbstheit selber führt. Dem Menschen leuchtetin seinem Ich das höchste Licht. Aber dieses Licht gibt sei-ner Vorstellungswelt nur den rechten Widerschein, wenner gewahr wird, daß es nicht sein Selbstlicht ist, sonderndas allgemeine Weltlicht. Es gibt daher keine wichtigere Er-kenntnis als die Selbsterkenntnis; und es gibt zugleich keine,die so vollkommen über sich selbst hinausführt. Wenn das«Ich» sich recht erkennt, so ist es schon kein «Ich» mehr.In seiner Sprache drückt das der Verfasser der in Rede stehen-den Schrift so aus: «Denn Gottes Eigenschaft ist ohnedies und ohne das und ohne Selbstheit und Ichheit; aber derKreatur Natur und Eigen ist, daß sie sich selber und das Ihre,und das dies und das sucht und will; und in all dem, was sietut oder läßt, will sie ihren Frommen und Nutzen empfan-gen. Wo nun die Kreatur oder der Mensch sein Eigen undseine Selbstheit und sich selbst verliert, und von sich selbstausgeht, da geht Gott ein mit seinem Eigen, das ist mit sei-ner Selbstheit.» (24. Kapitel.) Der Mensch steigt von einerAnschauung über sein «Ich», die ihm dieses als sein Wesenerscheinen läßt, zu einer solchen empor, die es ihm als blo-ßes Organ zeigt, in dem das Allwesen auf sich wirkt. Inner-halb des Vorstellungskreises unserer Schrift heißt das:«Kann der Mensch dazu gelangen, daß er Gottes ebenso zu-gehörig ist, wie die Hand des Menschen diesem zugehörigist, dann lasse er sich genügen und suche nicht weiter.»(54. Kapitel.) Das soll nicht heißen, der Mensch soll in einem

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gewissen Punkte seiner Entwicklung stehen bleiben, son-dern er soll, wenn er soweit ist, wie in obigen Worten ange-deutet ist, nicht weiter Untersuchungen über die Bedeutungder Hand anstellen, sondern vielmehr die Hand gebrauchen,auf daß sie dem Körper, dem sie gehört, Dienste leiste.

Heinrich Suso und Johannes Ritysbroek hatten eine Geistes-art, die man als Genialität des Gemüts bezeichnen darf. IhrGefühl wird von etwas Instinktartigem dahin gezogen, wo-hin Eckharts und Taulers Gefühle durch höheres Vorstel-lungsleben geführt worden sind. Inbrünstig wendet sichSusos Herz nach einem Urwesen, das den einzelnen Men-schen ebenso umfaßt wie die ganze übrige Welt, und indem er, sich selbst vergessend, aufgehen will wie ein Was-sertropfen in dem großen Ozean. Er redet von diesem sei-nem Sehnen nach dem Allwesen nicht wie von etwas, daser mit Gedanken umspannen will; er redet davon wie voneinem Naturtrieb, der seine Seele trunken macht nach Ver-nichtung ihres Sonderdaseins und nach dem Wiederauf-leben in der Allwirksamkeit des unendlichen Wesens. « Zudem Wesen kehre deine Augen in seiner lauteren bloßenEinfältigkeit, daß du fallen lassest dies und das teilhaftigeWesen. Nimm allein Wesen an sich selbst, das unvermischtsei mit Nichtwesen; denn alles Nichtwesen leugnet allesWesen; ebenso tut das Wesen an sich selbst, das leugnetalles Nichtwesen. Ein Ding, das noch werden soll, odergewesen ist, das ist jetzt nicht in wesentlicher Gegenwär-tigkeit. Nun kann man vermischtes Wesen oder Nichtwe-sen nicht erkennen, denn mit einem Gemerk des alligenWesens. Denn so man ein Ding will verstehen, so begegnetder Vernunft zuerst Wesen, und das ist ein alle Dinge wir-kendes Wesen. Es ist nicht ein zerteiltes Wesen dieser oder

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der Kreatur; denn das geteilte Wesen ist alles vermischtmit etwas Anderheit einer Möglichkeit, etwas zu empfan-gen. Darum, so muß das namenlose göttliche Wesen in sichselbst ein alliges Wesen sein, das alle zerteilte Wesen erhältmit seiner Gegenwärtigkeit.» So spricht Suso in der Selbst-biographie, die er im Verein mit seiner Schülerin ElsbetStägün niedergeschrieben hat. Auch er ist ein frommerPriester und lebt ganz in dem christlichen Vorstellungs-kreis. Er lebt so darin, als ob es ganz undenkbar wäre,daß man mit seiner Gdstesrichtung in einer anderen Geistes-welt leben könnte. Aber auch von ihm gilt, daß man dochmit seiner Geistesrichtung einen anderen Vorstellungsin-halt verbinden kann. Es spricht dafür deutlich, wie für ihnder Inhalt der christlichen Lehre zum inneren Erlebnis, seinVerhältnis zu Christus zu einem solchen zwischen seinemGeiste und der ewigen Wahrheit in rein ideellgeistiger Wei-se wird. Er hat ein «Büchlein von der ewigen Weisheit»verfaßt. In diesem läßt er die «ewige Weisheit» zu ihrem«Diener», also wohl zu ihm selbst, sprechen: «Erkennestdu mich nicht? Wie bist du sogar niedergesunken, oder istdir von Herzenleid die Besinnung geschwunden, mein zar-tes Kind? Ich bin es doch, die barmherzige Weisheit, dieda den Abgrund der grundlosen Barmherzigkeit, welcherallen Heiligen dennoch verborgen ist, weit aufgeschlossenhat, dich und alle reuige Herzen gütlich zu empfangen; ichbin es, die süße, ewige Weisheit, die da arm und elendward, daß ich dich zu deiner Würde wiederbrächte; ich bines, die den bittern Tod erlitt, daß ich dich wieder lebendigmachte! Ich stehe hier bleich und blutig und minniglich,als ich stand an dem hohen Galgen des Kreuzes, zwischendem strengen Gerichte meines Vaters und dir. Ich bin es,

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dein Bruder; lug, ich bin es, dein Gemahl! Ich habe alsogar vergessen alles, das du je wider mich tatest, als ob esnie geschehen wäre, so du dich nun gänzlich zu mir kehrestund dich nicht mehr von mir scheidest.» Alles Körperlich-Zeitliche in der christlichen Weltvorstellung ist für Suso,wie man sieht, zu einem geistig-idealischen Prozeß im In-nern seiner Seele geworden. - Aus einigen Kapiteln der er-wähnten Lebensbeschreibung Susos könnte es scheinen,als ob er nicht durch die bloße Betätigung der eigenen Gei-steskraft, sondern durch äußerliche Offenbarungen, durchgeisthafte Visionen sich hätte leiten lassen. Doch spricht erauch seine Meinung darüber ganz klar aus. Zur Wahrheitgelangt man nur durch Vernünftigkeit, nicht durch irgendwelche Offenbarung. «Den Unterschied zwischen lautererWahrheit und zweifeligen Visionen in bekennender Ma-terie... will ich dir auch sagen. Ein mittelloses Schauender bloßen Gottheit, das ist rechte lautere Wahrheit, ohneallen Zweifel; und eine jede Vision, je vernünftiger und bild-loser sie ist, und derselben bloßen Schauung je gleicher, umso edler ist sie.» -Auch der Meister Eckhart läßt darüber kei-nen Zweifel, daß er die Anschauung ablehnt, die in körper-lich-räumlichen Gebilden, in Erscheinungen, die man wiesinnliche wahrnehmen kann, das Geistige schauen will. Gei-ster von der Art Susos und Eckharts sind somit Gegner einerAuffassung, wie sie sich in dem im 19. Jahrhundert zur Ent-wicklung gekommenen Spiritismus zum Ausdruck bringt.

Johannes Ruysbroek, der belgische Mystiker, ging die glei-chen Wege wie Suso. Sein geistiger Weg fand einen leb-haften Angreifer in Johannes Gerson (geb. 1363), der eineZeitlang Kanzler der Pariser Universität war und eine be-deutsame Rolle beim Konstanzer Konzil spielte. Es wirft

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einiges Licht auf das Wesen derjenigen Mystik, die in Tau-ler, Suso und Ruysbroek ihre Pfleger fand, wenn man sievergleicht mit den mystischen Bestrebungen Gersons, derin Richard v. St Viktor, Bonaventura u.a. Vorgänger hatte. -Ruysbroek selbst kämpfte gegen diejenigen, die er zu denketzerischen Mystikern zählte. Als solche galten ihm alledie, welche durch ein leichtfertiges Verstandesurteil alleDinge für den Ausfluß eines Urwesens halten, die also inder Welt nur eine Mannigfaltigkeit sehen und in Gott dieEinheit dieser Mannigfaltigkeit. Zu ihnen rechnete sichRuysbroek nicht, denn er wußte, daß man nicht durch Be-trachtung der Dinge selbst zum Urwesen kommen könne,sondern nur dadurch, daß man sich von dieser niederen zueiner höheren Betrachtungsweise erhebe. Ebenso wandteer sich gegen diejenigen, welche in dem einzelnen Men-schen, in seinem Sonderdasein (in seiner Kreatürlichkeit),ohne weiteres auch seine höhere Natur sehen wollten. Nichtwenig beklagte er auch den Irrtum, der alle Unterschiedein der Sinnenwelt verwischt, und leichten Sinnes sagt, nurdem Scheine nach seien die Dinge verschieden, dem Wesennach seien sie alle gleich. Das wäre für eine Denkweise, wiediejenige Ruysbroeks ist, gerade so, als wenn man sagte:Daß die Bäume einer Allee für unser Sehen in der Entfer-nung zusammenlaufen, ginge uns nichts an. Sie seien inWirklichkeit überall gleich weit entfernt, deshalb müßtenunsere Augen sich gewöhnen, richtig zu sehen. Aber unsereAugen sehen richtig. Daß die Bäume zusammenlaufen, be-ruht auf einem notwendigen Naturgesetz; und wir habennichts gegen unser Sehen einzuwenden, sondern im Geistezu erkennen, warum wir so sehen. Auch der Mystiker wen-det sich nicht ab von den sinnlichen Dingen. Als sinnliche

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nimmt er sie hin, wie sie sind. Und ihm ist auch klar, daßsie durch kein Verstandesurteil anders werden können.Aber er geht im Geiste über Sinne und Verstand hinaus,und dann erst findet er die Einheit. Sein Glaube ist ein un-erschütterlicher, daß er sich zum Schauen dieser Einheitentwickeln kann. Deshalb schreibt er der menschlichenNatur den göttlichen Funken zu, der in ihm zum Leuch-ten, zum Selbstleuchten gebracht werden kann. Anders Gei-ster von der Art Gersons. Sie glauben nicht an dieses Selbst-leuchten. Für sie bleibt das, was der Mensch schauen kann,immer ein Äußeres, das von irgendeiner Seite auch äußer-lich an sie heran kommen muß. Ruysbroek glaubte, daß diehöchste Weisheit dem mystischen Schauen aufleuchten müs -se; Gerson glaubte nur, daß die Seele einen äußeren Lehr-gehalt (den der Kirche) beleuchten könne. Für Gerson warMystik nichts anderes, als ein warmes Gefühl haben für alles,was in diesem Lehrgehalt geoffenbart ist. Für Ruysbroekwar sie ein Glaube, daß aller Lehrgehalt in der Seele auchgeboren wird. Deshalb tadelt Gerson an Ruysbroek, daßdieser sich einbilde, erbesitze nicht bloß das Vermögen mitKlarheit das Allwesen zu schauen, sondern in diesem Schau-en drücke sich selbst eine Tätigkeit des Allwesens aus.Ruysbroek konnte von Gerson eben nicht verstanden wer-den. Beide sprachen von zwei ganz verschiedenen Dingen.Ruysbroek hat das Seelenleben im Auge, das sich in seinenGott einlebt; Gerson nur ein Seelenleben, das d&n Gottlieben will, den es in sich selbst nimmer zu leben vermag.Wie so viele, kämpfte auch Gerson gegen etwas, das ihm nurfremd war, weil er es in der Erfahrung nicht fassen konnte *.

* Siehe Nachtrag II, Seite 147.

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DER KARDINAL NICOLAUS VON KUES

Ein herrlich leuchtendes Gestirn am Himmel mittelalter-lichen Geisteslebens ist Nicolaus Chrypffs aus Kues (bei Trier1401-1464). Er steht auf der Höhe des Wissens seiner Zeit.In der Mathematik hat er Hervorragendes geleistet. In derNaturwissenschaft darf er als Vorläufer des Kopernikusbezeichnet werden, denn er stellte sich auf den Standpunkt,daß die Erde ein bewegter Himmelskörper ist gleich ande-ren. Er hat schon gebrochen mit einer Anschauung, auf diesich noch hundert Jahre später der große Astronom Tychode Brahe stützte, als er der Lehre des Kopernikus den Satzentgegenschleuderte: «Die Erde ist eine grobe, schwereund zur Bewegung ungeschickte Masse; wie kann nun Ko-pernikus einen Stern daraus machen und ihn in den Lüftenherumfuhren?» Nicolaus von Kues, der das Wissen seinerZeit nicht nur umfaßte, sondern auch weiterführte, hatteauch in hohem Grade das Vermögen, dieses Wissen zuminneren Leben zu erwecken, so daß es nicht nur über dieäußere Welt aufklärt, sondern auch dem Menschen das-jenige geistige Leben vermittelt, nach dem er sich, aus dentiefsten Gründen seiner Seele heraus, sehnen muß. Ver-gleicht man Nicolaus mit Geistern wie Eckhart oder Tau-ler, so erhält man ein bedeutsames Ergebnis. Nicolaus istder wissenschaftliche Denker, der sich aus der Forschungüber die Dinge der Welt auf die Stufe einer höheren An-schauung heben will; Eckhart und Tauler sind die gläubi-gen Bekenner, die aus dem Glaubensinhalt heraus das hö-here Leben suchen. Zuletzt kommt Nicolaus zu demselbeninneren Leben wie der Meister Eckhart; aber das des erste-ren hat ein reiches Wissen zum Inhalt. Die volle Bedeutung

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des Unterschiedes wird klar, wenn man bedenkt, daß fürdenjenigen, der sich in den verschiedenen Wissenschaftenumtut, die Gefahr nahe liegt, die Tragweite der Erkennt-nisart zu verkennen, die über die einzelnen Wissensgebieteaufklärt. Ein solcher kann leicht zu dem Glauben verfuhrtwerden, daß es nur eine einzige Art der Erkenntnis gebe.Er wird dann diese Erkenntnis, die in Dingen der einzel-nen Wissenschaften zum Ziele führt, entweder unter- oderüberschätzen. In dem einen Falle wird er auch an die Ge-genstände des höchsten Geisteslebens so herantreten, wiean eine physikalische Aufgabe, und sie mit Begriffen be-handeln, mit denen er die Schwerkraft oder Elektrizität be-handelt. Die Welt wird ihm, je nachdem er sich mehr oderweniger aufgeklärt glaubt, eine blind wirkende Maschine,oder ein Organismus, oder der zweckmäßige Bau einespersönlichen Gottes; vielleicht auch ein Gebilde, das vonirgendeiner mehr oder weniger klar vorgestellten «Welt-seele» regiert und durchdrungen ist. In dem anderen Fallemerkt er, daß die Erkenntnis, von der er allein eine Erfah-rung hat, nur für die Dinge der Sinnenwelt taugt; dannwird er ein Zweifler, der sich sagt: Wir können über dieDinge nichts wissen, die über die Sinnes weit hinausliegen.Unser Wissen hat eine Grenze. Wir können uns für die Be-dürfnisse des höheren Lebens nur einem vom Wissen un-berührten Glauben in die Arme werfen. Für einen gelehr-ten Theologen wie Nicolaus von Kues, der zugleich Natur-forscher war, lag die zweite Gefahr besonders nahe. Erging ja, seiner gelehrten Erziehung nach, aus der Schola-stik hervor, der Vorstellungsart, welche innerhalb des wis-senschaftlichen Lebens in der Kirche des Mittelalters dieherrschende war, und die durch Thomas von Aquino (1225

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bis 1274), dem «Fürsten der Scholastiker», zu ihrer höch-sten Blüte gebracht worden war. Diese Vorstellungsartmuß man zum Hintergrunde machen, wenn man die Per-sönlichkeit des Nicolaus von Kues malen will.

Die Scholastik ist im höchsten Mäße ein Ergebnis desmenschlichen Scharfsinnes. Die logische Fähigkeit feiertein ihr die höchsten Triumphe. Wer darnach strebt, Begriffein den schärfsten, reinlichsten Konturen auszuarbeiten, dersollte zu den Scholastikern in die Lehre gehen. Sie bietendie hohe Schule für die Technik des Denkens. Sie habeneine unvergleichliche Gewandtheit, sich im Felde des rei-nen Gedankens zu bewegen. Was sie auf diesem Felde zuleisten imstande waren, das wird leicht unterschätzt. Dennfür die meisten Gebiete des Wissens ist es den Menschennur schwer zugänglich. Die meisten erheben sich zu ihmnur deutlich auf dem Gebiete der Zähl- und Rechenkunst,und beim Nachdenken über den Zusammenhang geometri-scher Gebilde. Wir können zählen, indem wir im Gedankeneine Einheit zu einer Zahl fügen, ohne daß wir uns sinn-liche Vorstellungen zu Hilfe rufen. Wir rechnen auch, ohnesolche Vorstellungen, nur im reinen Elemente des Den-kens. Für die geometrischen Gebilde wissen wir, daß siesich mit keiner sinnlichen Vorstellung vollkommen decken.Es gibt in der Wirklichkeit der Sinne keinen (ideellen)Kreis. Dennoch beschäftigt sich unser Denken mit diesem.Für die Dinge und Vorgänge, welche komplizierter sindals Zahlen- und Raumgebilde, ist es schwieriger, die ideel-len Gegenstücke zu finden. Das hat dazu geführt, daß vonmanchen Seiten behauptet wird, in den einzelnen Erkennt-nisgebieten sei nur so viel wirkliche Wissenschaft, als sichdarin messen und zählen läßt. So ausgesprochen ist das

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unrichtig, wie ein Einseitiges unrichtig ist; aber es be-sticht viele, wie das eben oft nur Einseitigkeiten gelingt.Die Wahrheit darüber ist, daß die meisten Menschen nichtimstande sind, auch da noch das rein Gedankliche zu er-greifen, wo es sich nicht mehr um Meß- oder Zählbareshandelt. Wer das aber nicht vermag für höhere Lebens- undWissensgebiete, der gleicht in dieser Beziehung einem Kin-de, das noch nicht gelernt hat, anders zu zählen, als indemes Erbse zu Erbse fügt. Der Denker, der gesagt hat, es seiso viel wirkliche Wissenschaft in einem Wissensgebiete,als darin Mathematik ist, hat die volle Wahrheit der Sachenicht überschaut. Man muß verlangen: es sollte alles an-dere, was sich nicht messen und zählen läßt, gerade soideell behandelt werden, wie die Zahl- und Raumgebilde.Und diesem Verlangen trugen die Scholastiker in voll-kommenster Weise Rechnung. Sie suchten überall den Ge-dankeninhalt der Dinge, wie ihn der Mathematiker auf demGebiete des Meß- und Zählbaren sucht.

Trotz dieser vollendeten logischen Kunst brachten es dieScholastiker nur zu einem einseitigen und untergeordnetenBegriff vom Erkennen. Dieser ist der, daß der Mensch beimErkennen in sich ein Bild von dem erzeugt, was er erken-nen soll. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß man beieinem solchen Begriffe vom Erkennen alle Wirklichkeitaußer das Erkennen versetzen muß. Denn im Erkennenkann man dann kein Ding selbst, sondern nur ein Bild die-ses Dinges ergreifen. Auch nicht sich selbst kann derMensch in seiner Selbsterkenntnis ergreifen, sondern auch,was er von sich erkennt, ist nur ein Bild seines Selbst. Ganzaus dem Geiste der Scholastik heraus sagt ein genauer Ken-ner derselben (K. Werner in seinem Buche «Franz Suarez

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und dieScholastik der letzten Jahrhunderte», [2.Bd.] S. 122):«Der Mensch hat in der Zeit keine Anschauung von seinemIch, dem verborgenen Grunde seines geistigen Wesens undLebens;... Er wird ... nie dazu kommen, sich selber anzu-schauen; denn entweder wird er, auf immer Gott entfrem-det, in sich nur einen bodenlosen finsteren Abgrund, eineendlose Leere finden, oder er wird, in Gott beseliget, denBlick nach innen wendend, eben nur Gott finden, dessenGnadensonne in ihm leuchtet, dessen Bi/din den geistigenZügen seines Wesens sich abgestaltet.» Wer so über allesErkennen denkt, der hat nur einen Begriff von dem Erken-nen, das auf äußere Dinge anwendbar ist. Das Sinnliche aneinem Ding bleibt uns immer äußerlich. Deshalb könnenwir von dem, was an der Welt sinnlich ist, nur Bilder inunsere Erkenntnis aufnehmen. Wenn wir eine Farbe odereinen Stein wahrnehmen, können wir nicht, um das Wesender Farbe oder des Steines zu erkennen, selbst zur Farbeoder zum Stein werden. Ebensowenig können die Farbeoder der Stein sich in einen Teil unseres eigenen Wesensverwandeln! Es fragt sich aber, ob der Begriff einer solchenauf das Äußere an den Dingen gerichteten Erkenntnis einerschöpfender ist? - Für die Scholastik fällt allerdings imwesentlichen alles menschliche Erkennen mit diesem Erken-nen zusammen. Ein anderer vorzüglicher Kenner der Scho-lastik (Otto Willmann, in seiner «Geschichte des Idealis-mus», 2. Bd., 2. Aufl., S. 396) charakterisiert den für dieseDenkrichtung in Betracht kommenden ErkenntnisbegrifFin der folgenden Weise: «Unser Geist, im Erdenleben demKörper gesellt, ist in erster Linie eingestellt auf die um-gebende Körperwelt, aber hingeordnet auf das Geistige indieser: die Wesenheiten, Naturen, Formen der Dinge, wel-

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ehe Daseinselemente ihm verwandt sind und ihm die Spros-sen zum Aufsteigen zum Übersinnlichen darbieten; dasFeld unserer Erkenntnis ist also das Gebiet der Erfahrung,aber wir sollen, was sie bietet, verstehen lernen, bis zu sei-nem Sinne und Gedanken vordringen und uns damit dieGedankenwelt erschließen.» Zu einem anderen Begriffevom Erkennen konnte der Scholastiker nicht gelangen.Daran hinderte ihn der dogmatische Lehrgehalt seinerTheo-logie. Hätte er den Blick seines geistigen Auges auf dasgeheftet, was er als bloßes Bild ansieht, dann hätte er ge-sehen, daß in diesem vermeintlichen Bilde sich der geistigeInhalt der Dinge selbst offenbart; dann hätte er gefunden,daß in seinem Innern sich der Gott nicht bloß abbildet, son-dern daß er darin lebt, wesenhaft gegenwärtig ist. Er hättebei dem Hineinblicken in sein Inneres nicht einen finsternAbgrund, eine endlose Leere erblickt, aber auch nicht bloßein Bild Gottes; sondern er hätte gefühlt, daß ein Leben inihm pulsiert, welches das göttliche Leben selbst ist; unddaß sein eigenes Leben eben Gottes Leben ist. Das durfteder Scholastiker nicht zugeben. Der Gott durfte, seinerMeinung nach, nicht in ihn einziehen und aus ihm spre-chen; er durfte nur als Bild in ihm sein. In Wirklichkeitmußte die Gottheit außer dem Selbst vorausgesetzt wer-den. Sie konnte sich also auch nicht im Innern durch dasgeistige Leben, sondern sie mußte sich von außen, durchübernatürliche Mitteilungen offenbaren. Was dabei ange-strebt wird, ist dadurch gerade am allerwenigsten erreicht.Es soll von der Gottheit ein möglichst hoher Begriff er-reicht werden. In Wirklichkeit wird die Gottheit erniedrigtzu einem Ding unter anderen Dingen; nur daß sich demMenschen diese anderen Dinge auf natürlichem Wege of-

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fenbaren, durch Erfahrung; während die Gottheit sich ihmübernatürlich offenbaren soll. Es wird aber ein Unterschiedzwischen der Erkenntnis des Göttlichen und des Geschöpf-lichen dadurch erreicht, daß beim Geschöpf liehen das äu-ßere Ding in der Erfahrung gegeben ist, daß man von ihmein Wissen hat. Bei dem Göttlichen ist der Gegenstand nichtin der Erfahrung gegeben; man kann ihn nur im Glaubenerreichen. Die höchsten Dinge sind also für den Scholasti-ker keine Gegenstände des Wissens, sondern lediglich desGlaubens. Es ist das Verhältnis des Wissens zum Glaubenallerdings, nach scholastischer Auffassung, nicht so vorzu-stellen, daß in einem gewissen Gebiete nur das Wissen, ineinem andern nur der Glaube herrschte. Denn die «Er-kenntnis des Seienden ist uns möglich, weil es selbst auseinem schöpferischen Erkennen stammt; die Dinge sindfür den Geist, weil sie aus dem Geiste sind; sie haben unsetwas zu sagen, weil sie einen Sinn haben, den eine höhereIntelligenz in sie gelegt hat». (O. Willmann,« Geschichte desIdealismus», 2. Bd., S. 3 8 3.) Weil Gott die Welt nach Gedan-ken geschaffen hat, können wir, wenn wir die Gedankender Welt erfassen, auch die Spuren des Göttlichen in derWelt durch wissenschaftliches Nachdenken erfassen. WasGott, seinem Wesen nach, ist, können wir aber nur durchdie Offenbarung erfassen, die er uns auf übernatürlicheWeise gegeben hat, und an die wir glauben müssen. Waswir von den höchsten Dingen zu halten haben, darüberentscheidet keine menschliche Wissenschaft, sondern derGlaube; und «zum Glauben gehört alles, was in den Schrif-ten des neuen und alten Bundes und in den göttlichenÜberlieferungen enthalten ist». (Joseph Kleutgen, «DieTheologie der Vorzeit», i.Bd., S. 39.) - Es kann hier nicht

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eine Aufgabe sein, das Verhältnis des Glaubensinhalts zumWissensinhalt ausführlich darzustellen und zu begründen.In Wahrheit stammt aller Glaubensinhalt aus einer irgendeinmal gemachten inneren menschlichen Erfahrung. Erwird dann, seinem äußerlichen Gehalte nach, aufbewahrt,ohne das Bewußtsein, wie er erworben ist. Es wird vonihm behauptet, er sei durch übernatürliche Offenbarung indie Welt gekommen. Der christliche Glaubensinhalt wurdevon den Scholastikern als Überlieferung einfach hingenom-men. Die Wissenschaft, das innere Erleben durfte sich überihn keine Rechte anmaßen. So wenig die Wissenschaft einenBaum schaffen kann, so wenig durfte die Scholastik einenGottesbegriff schaffen; sie mußte den geoffenbarten als fer-tig hinnehmen, wie die Naturwissenschaft den Baum alsfertig hinnimmt. Daß das Geistige selbst im Innern auf-leuchtet und lebt, durfte der Scholastiker nimmermehr zu-geben. Er begrenzte daher die Rechtskraft der Wissenschaftda, wo das Gebiet der äußeren Erfahrung aufhört. Diemenschliche Erkenntnis durfte keinen Begriff der höherenWesenheiten aus sich heraus erzeugen. Sie wollte einen ge-offenbarten hinnehmen. Daß sie damit doch nur einen inWahrheit auf einer früheren Stufe des menschlichen Gei-steslebens erzeugten annahm und ihn als geoffenbart erklär-te, das konnten die Scholastiker nicht zugeben. - Es warendaher aus der Scholastik im Laufe ihrer Entwicklung alleIdeen geschwunden, welche noch auf die Art und Weisehindeuteten, wie der Mensch auf natürlichem Wege die Be-griffe des Göttlichen erzeugt hat. In den ersten Jahrhunder-ten der Entwicklung des Christentums, zur Zeit der Kir-chenväter, sehen wir den Lehrinhalt der Theologie Stückfür Stück durch Aufnahme innerer Erlebnisse entstehen.

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Bei Johannes ScotusErigena, der im neunten Jahrhunderte aufder Höhe der christlichen theologischen Bildung stand,finden wir diesen Lehrinhalt noch ganz wie ein inneres Er-lebnis behandelt. Bei den Scholastikern der folgenden Jahr-hunderte verliert sich vollkommen dieser Charakter einesinneren Erlebnisses; der alte Lehrgehalt wird zum Inhalteeiner äußeren, übernatürlichen Offenbarung umgedeutet. —Man kann deshalb die Tätigkeit der mystischen TheologenEckhart, Tauler, Suso und ihrer Genossen auch so auffas-sen, daß man sagt: sie wurden durch den Lehrgehalt derKirche, der in der Theologie enthalten, aber umgedeutetwar, angeregt, einen ähnlichen Gehalt als inneres Erlebnisaus sich selbst wieder aufs neue zu gebären.

Nicolaus von Kues begibt sich auf den Weg, von dem Wis-sen, das man in den einzelnen Wissenschaften erwirbt, selbstzu den inneren Erlebnissen aufzusteigen. Es ist kein Zwei-fel, daß die vorzügliche logische Technik, welche die Scho-lastiker ausgebildet haben, und für die Nicolaus erzogenwar, ein treffliches Mittel bietet, zu inneren Erlebnissen zukommen, wenn die Scholastiker selbst auch durch den po-sitiven Glauben von diesem Wege zurückgehalten wurden.Vollkommen verstehen wird man Nicolaus aber nur, wennman bedenkt, daß sein Beruf als Priester, der ihn bis zurKardinalswürde emporhob, ihn zu einem völligen Bruchmit dem Kirchenglauben, der in der scholastischen Theo-logie seinen zeitgemäßen Ausdruck fand, nicht kommenließ. Wir rinden ihn auf einem Wege so weit, daß ihn jederSchritt weiter auch aus der Kirche hätte hinausführen müs-sen. Wir verstehen den Kardinal deshalb am besten, wenn

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wir den Schritt, den er nicht mehr gemacht hat, auch nochvollziehen; und dann, rückwärts, das beleuchten, was ergewollt hat.

Der bedeutsamste Begriff des Geisteslebens Nicolaus' istderjenige der «gelehrten Unwissenheit». Er versteht dar-unter ein Erkennen, das gegenüber dem gewöhnlichenWissen eine höhere Stufe darstellt. Wissen im untergeord-neten Sinne ist Erfassen eines Gegenstandes durch denGeist. Das wichtigste Kennzeichen des Wissens ist, daß esAufklärung gibt über etwas außer dem Geiste, daß es alsoauf etwas blickt, was es nicht selbst ist. Der Geist beschäf-tigt sich also im Wissen mit außerhalb seiner gedachtenDingen. Nun ist aber dasjenige, was der Geist in sich überdie Dinge ausbildet, das Wesen der Dinge. Die Dinge sindGeist. Der Mensch sieht zunächst den Geist nur durch diesinnliche Hülle. Was außerhalb des Geistes bleibt, ist nurdiese sinnliche Hülle; das Wesen der Dinge geht in denGeist ein. Blickt dann der Geist auf dieses Wesen, das Stoffvon seinem Stoffe ist, dann kann er gar nicht mehr vonWissen reden, denn er blickt nicht auf ein Ding, das außer-halb seiner ist; er blickt auf ein Ding, das ein Teil von ihmist; er blickt auf sich selbst. Er weiß nicht mehr; er schautnur auf sich. Er hat es nicht mit einem «Wissen», sondernmit einem «Nicht-Wissen» zu tun. Er begreift nicht mehretwas durch den Geist; er «schaut, ohne Begreifen» seineigenes Leben an. Diese höchste Stufe des Erkennens istim Verhältnis zu den niedrigen Stufen «Nicht-Wissen». -Es ist aber einleuchtend, daß das Wesen der Dinge nurdurch diese Stufe der Erkenntnis vermittelt werden kann.Nicolaus von Kues spricht also mit seinem «gelehrtenNichtwissen» von nichts anderem als von dem als inneres

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Erlebnis wiedergeborenen Wissen. Er erzählt selbst, wie erzu diesem inneren Erlebnis gekommen ist. «Ich machteviele Versuche, die Gedanken über Gott und Welt, Chri-stus und Kirche in einer Grundidee zu vereinigen, aberkeiner von allen befriedigte mich, bis sich endlich bei derRückkehr aus Griechenland zur See wie durch eine Er-leuchtung von oben der Blick meines Geistes zu der An-schauung erhob, in welcher mir Gott als die höchste Ein-heit aller Gegensätze erschien.» Mehr oder weniger sind andieser Erleuchtung die Einflüsse beteiligt, die von demStudium seiner Vorgänger herrührten. Man erkennt in sei-ner Vorstellungsart eine eigenartige Erneuerung der An-schauungen, die uns in den Schriften eines gewissen Diony-sius begegnen. Der schon genannte Scotus Erigena hatdiese Schriften ins Lateinische übersetzt. Er nennt den Ver-fasser « den großen und göttlichen Offenbarer». Die in Re-de stehenden Schriften werden zuerst in der ersten Hälftedes sechsten Jahrhunderts erwähnt. Man schrieb sie demin der Apostelgeschichte erwähnten Areopagiten Diony-sius zu, der von Paulus zum Christentum bekehrt wordenist. Wann diese Schriften wirklich abgefaßt worden sind,möge hier dahingestellt bleiben. Ihr Inhalt wirkte stark aufNicolaus, wie er schon auf Johannes Scotus Erigena ge-wirkt hatte, und wie er auch vielfach anregend für dieDenkart Eckharts und seiner Genossen gewesen sein muß.Das «gelehrte Nichtwissen» ist in einer gewissen Art indiesen Schriften vorgebildet. Es sei hier nur der Grundzugin der Vorstellungsart dieser Schriften aufgezeichnet. DerMensch erkennt zunächst die Dinge der Sinneswelt. Ermacht sich Gedanken über ihr Sein und Wirken. Der Ur-grund aller Dinge muß höher liegen als diese Dinge selbst.

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Der Mensch kann daher diesen Urgrund nicht mit densel-ben Begriffen und Ideen erfassen wollen wie die Dinge.Sagt er daher von dem Urgrund (Gott) Eigenschaften aus,welche er an den niederen Dingen kennengelernt hat, sokönnen solche Eigenschaften bloße Hilfsvorstellungen desschwachen Geistes sein, der den Urgrund zu sich herab-zieht, um ihn vorstellen zu können. In Wahrheit wird da-her nicht irgendeine Eigenschaft, welche niedere Dinge ha-ben, von Gott behauptet werden dürfen. Es wird nicht ein-mal gesagt werden dürfen, daß Gott ist. Denn auch das«Sein» ist eine Vorstellung, die sich der Mensch an denniederen Dingen gebildet hat. Gott aber ist erhaben über«Sein» und «Nicht-Sein». Der Gott, dem wir Eigenschaf-ten beilegen, ist also nicht der wahre. Wir kommen zu demwahren Gotte, wenn wir über einen Gott mit solchen Ei-genschaften einen «Übergott» denken. Von diesem «Über-gott» können wir nichts im gewöhnlichen Sinne wissen.Um zu ihm zu gelangen, muß das «Wissen» in das «Nicht-Wissen» einmünden. - Man sieht, einer solchen Anschau-ung liegt das Bewußtsein zugrunde, daß der Mensch ausdem heraus, was ihm seine Wissenschaften geliefert haben,selbst - auf rein natürlichem Wege - ein höheres Erkennenentwickeln kann, das nicht mehr bloßes Wissen ist. Diescholastische Anschauung erklärte das Wissen ohnmäch-tig zu einer solchen Entwicklung und ließ an dem Punkte,wo das Wissen aufhören soll, den auf äußerliche Offenba-rung sich stützenden Glauben dem Wissen zu Hilfe kom-men. - Nicolaus von Kues war also auf dem Wege, das ausdem Wissen heraus wieder zu entwickeln, wovon dieScholastiker erklärt hatten, daß es für das Erkennen un-erreichbar sei.

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Vom Gesichtspunkte des Nicolaus von Kues aus kannman somit nicht davon sprechen, daß es nur eine Art desErkennens gebe. Es legt sich das Erkennen vielmehr deut-lich auseinander in ein solches,"welches ein Wissen vonäußeren Dingen vermittelt, und in ein solches, welches derGegenstand, von dem man eine Erkenntnis erwirbt, selbstist. Das erstere Erkennen herrscht in den Wissenschaften,die wir uns über die Dinge und Vorgänge der Sinneswelterwerben; das zweite ist in uns, wenn wir in dem Erworbe-nen selbst leben. Die zweite Art des Erkennens entwickeltsich aus der ersten. Nun ist es aber doch dieselbe Welt, aufdie sich beide Arten des Erkennens beziehen; und es istderselbe Mensch, welcher sich in beiden betätigt. Die Fragemuß entstehen, woher kommt es, daß ein und derselbeMensch von ein und derselben Welt zweierlei Arten derErkenntnis entwickelt? - Auf die Richtung, in welcher dieAntwort auf diese Frage zu suchen ist, konnte bereits beiTauler (vgl. S. 62 f.) gedeutet werden. EQer bei Nicolaus vonKues läßt sich diese Antwort noch entschiedener formen.Der Mensch lebt zunächst als einzelnes (individuelles) We-sen unter anderen einzelnen Wesen. Zu den Wirkungen,welche die anderen Wesen aufeinander ausüben, kommtbei ihm noch das (niedere) Erkennen. Er erhält durch seineSinne Eindrücke von den anderen Wesen und verarbeitetdiese Eindrücke mit seinen geistigen Kräften. Er lenkt dengeistigen Blick von den äußeren Dingen ab und sieht sichselbst, seine eigeneTätigkeit an. Daraus geht ihm die Selbst-erkenntnis hervor. Solange er auf dieser Stufe der Selbst-erkenntnis bleibt, schaut er sich noch nicht, im wahren Sinndes Wortes, selbst an. Er kann noch immer glauben, in ihmsei irgendeine verborgene Wesenheit tätig, deren Äußerun-

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gen, Wirkungen das nur seien, was ihm als seine Tätigkeiterscheint. Nun kann aber der Punkt kommen, wo demMenschen durch eine unwiderlegüche innere Erfahrungklar wird, daß er in dem, was er in seinem Inneren wahr-nimmt, erlebt, nicht die Äußerung, die Wirkung einer ver-borgenen Kraft oder Wesenheit, sondern diese Wesenheitselbst in ihrer ureigensten Gestalt hat. Er darf sich dannsagen, alle anderen Dinge finde ich in einer gewissen Weisefertig vor; und ich, der ich außer ihnen stehe, füge zu ihnenhinzu, was der Geist über sie zu sagen hat. Was ich so aberselbst zu den Dingen in mir hinzu schaffe, darin lebe ichselbst, das bin ich; das ist mein eigenes Wesen. Was aberspricht da auf dem Grunde meines Geistes ? Es spricht dasWissen, das ich mir über die Dinge der Welt erworbenhabe. Aber in diesem Wissen spricht nicht mehr irgendeineWirkung, eine Äußerung; es spricht etwas, was nichts zu-rückbehält von dem, was es in sich hat. Es spricht in diesemWissen die Welt in aller ihrer Unmittelbarkeit. Dieses Wis-sen habe ich aber von den Dingen und von mir selbst, alseinem Dinge unter Dingen, erworben. Aus meinem eige-nen Wesen spreche ich selbst, und es sprechen die Dinge.Ich spreche also, in Wahrheit, gar nicht mehr bloß meinWesen aus; ich spreche das Wesen der Dinge aus. Mein«Ich» ist die Form, das Organ, in dem sich die Dinge übersich selbst aussprechen. Ich habe die Erfahrung gewonnen,daß ich in mir meine eigene Wesenheit erlebe; und dieseErfahrung erweitert sich mir zu der anderen, daß sich inmir und durch mich die All-Wesenheit selbst ausspricht,oder, mit anderen Worten, erkennt. Ich kann mich nunnicht mehr als ein Ding unter Dingen fühlen; ich kannmich nur mehr als eine Form fühlen, in der das All-Wesen

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sich auslebt. - Es ist daher nur natürlich, daß ein und der-selbe Mensch 2wei Arten von Erkenntnis hat. Er ist, densinnlichen Tatsachen nach, ein Ding unter Dingen, und,insofern er ein solches ist, erwirbt er sich ein Wissen vondiesen Dingen; er kann aber in jedem Augenblicke diehöhere Erfahrung machen, daß er die Form ist, in der sichdas All-Wesen anschaut. Dann verwandelt er sich selbst,von einem Ding unter Dingen, zu einer Form des All-Wesens - und mit ihm verwandelt sich das Wissen von denDingen zum Aussprechen des Wesens der Dinge. DieseVerwandlung kann aber tatsächlich nur durch den Men-schen selbst vollzogen werden. Das, was in der höherenErkenntnis vermittelt wird, ist noch nicht da, solange diesehöhere Erkenntnis selbst noch nicht da ist. Erst im Schaf-fen dieser höheren Erkenntnis wird der Mensch wesenhaft;und erst durch des Menschen höhere Erkenntnis bringenauch die Dinge ihr Wesen zum tatsächlichen Dasein. Wennalso verlangt würde, der Mensch solle durch seine höhereErkenntnis nichts zu den Sinnendingen hinzufügen, son-dern nur aussprechen, was in diesen Dingen draußen schonliegt, so hieße das nichts anderes, als auf alle höhere Er-kenntnis verzichten. - Aus der Tatsache, daß der Mensch,seinem sinnlichen Leben nach, ein Ding unter Dingen ist,und daß er zur höheren Erkenntnis nur gelangt, wenn ermit sich als Sinneswesen die Verwandlung zum höherenWesen selbst vollzieht, folgt, daß er niemals die eine Er-kenntnis durch die andere ersetzen kann. Sein geistiges Le-ben besteht vielmehr in einem fortwährenden Hin- undHerbewegen zwischen beiden Polen der Erkenntnis, zwi-schen dem Wissen und dem Schauen. Schließt er sich vondem Schauen ab, so verzichtet er auf das Wesen der Dinge;

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wollte er sich von dem sinnlichen Erkennen abschließen,so entzöge er sich die Dinge, deren Wesen er erkennen will. -Es sind dieselben Dinge, die sich dem niederen Erkennenund dem höheren Schauen offenbaren; nur das eine Malihrer äußeren Erscheinung nach; das andere Mal ihrer inne-ren Wesenheit nach. - Es liegt also nicht an den Dingen,daß sie auf einer gewissen Stufe, nur als äußere Dinge er-scheinen; sondern es liegt daran, daß der Mensch sich zuder Stufe erst hinauf verwandeln muß, auf der die Dingeaufhören, äußere zu sein.

Von diesen Betrachtungen aus erscheinen gewisse An-schauungen, welche die Naturwissenschaft im neunzehntenJahrhundert ausgebildet hat, erst im rechten Lichte. DieTräger dieser Anschauungen sagen sich: Wir hören, sehenund tasten die Dinge der körperlichen Welt durch die Sin-ne. Das Auge z.B. vermittelt uns eine Lichterscheinung,eine Farbe. Wir sagen, ein Körper sende rotes Licht aus,wenn wir mit Hilfe unseres Auges die Empfindung «rot»haben. Aber das Auge bringt uns eine solche Empfindungauch in anderen Fällen. Wenn es gestoßen oder gedrücktwird, wenn ein elektrischer Funke durch den Kopf strömt,so hat das Auge eine Lichtempfindung. Es kann somit auchin den Fällen, in denen wir einen Körper in einer bestimm-ten Farbe leuchtend empfinden, in dem Körper etwas vor-gehen, was gar keine Ähnlichkeit mit der Farbe hat. Wasauch immer draußen im Räume vorgeht: wenn dieser Vor-gang nur geeignet ist, auf das Auge einen Eindruck zu ma-chen, so entsteht in mir eine Lichtempfindung. Was wiralso empfinden, entsteht in uns, weil wir so oder so be-schaffene Organe haben. Was draußen im Räume vorgeht,das bleibt außer uns; wir kennen nur die Wirkungen, welche

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die äußeren Vorgänge in uns hervorbringen. HermannHelm-holt^ (i 821-1894) hat diesem Gedanken einen klar umris-senenAusdruck gegeben. «UnsereEmpfindungen sind ebenWirkungen, welche durch äußere Ursachen in unseren Or-ganen hervorgebracht werden, und wie eine solche Wir-kung sich äußert, hängt natürlich ganz wesentlich von derArt des Apparats ab, auf den gewirkt wird. Insofern dieQualität unserer Empfindung uns von der Eigentümlich-keit der äußeren Einwirkung, durch welche sie erregt ist,eine Nachricht gibt, kann sie als ein Zeichen derselben gel-ten, aber nicht als ein Abbild. Denn vomBilde verlangt manirgendeine Art der Gleichheit mit dem abgebildeten Gegen-stande, von einer Statue Gleichheit der Form, von einerZeichnung Gleichheit der perspektivischen Projektion imGesichtsfelde, von einem Gemälde auch noch Gleichheitder Farben. Ein Zeichen aber braucht gar keine Art derÄhnlichkeit mit dem zu haben, dessen Zeichen es ist. DieBeziehung zwischen beiden beschränkt sich darauf, daß dasgleiche Objekt, unter gleichen Umständen zur Einwirkungkommend, das gleiche Zeichen hervorruft, und daß alsoungleiche Zeichen immer ungleicher Einwirkung entspre-chen ... Wenn Beeren einer gewissen Art beim Reifen zu-gleich rotes Pigment und Zucker ausbilden, so werden inunserer Empfindung bei Beeren dieser Form rote Farbeund süßer Geschmack sich immer zusammen finden.» (Vgl.Helmholtz, «Die Tatsachen in der Wahrnehmung», S. 12 f.)Ich habe diese Vorstellungsart ausführlich charakterisiertin meiner «Philosophie der Freiheit» und in meinen «Rät-seln der Philosophie». - Man gehe dem Gedanken-gange, den diese Anschauung zu dem ihrigen macht, nureinmal Schritt vor Schritt nach. Draußen im Räume wird

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ein Vorgang vorausgesetzt. Der übt eine Wirkung auf meinSinnesorgan; mein Nervensystem leitet den gewordenenEindruck zu meinem Gehirn. Da wird wieder ein Vorgangbewirkt. Ich empfinde nunmehr «rot». Nun wird gesagt:also ist die Empfindung des «Rot» nicht draußen; sie ist inmir. Alle unsere Empfindungen sind nur Zeichen von äuße-ren Vorgängen, über deren wirkliche Qualität wir nichtswissen. Wir leben und weben in unseren Empfindungen,und wissen nichts von deren Ursprung. Man kann im Sinnedieser Denkweise auch sagen: Hätten wir kein Auge, sowäre keine Farbe; nichts würde dann den uns unbekanntenäußeren Vorgang in die Empfindung «rot» umsetzen. Die-ser Gedankengang hat für viele etwas Bestrickendes. Er be-ruht aber doch nur auf einer völligen Verkennung der Tat-sachen, über die man sich dabei Gedanken macht. (Wärenviele Naturforscher und Philosophen der Gegenwart nichtbis zur Ungeheuerlichkeit durch diesen Gedankengangverblendet, so brauchte man weniger über ihn zu reden.Aber diese Verblendung hat in der Tat das Denken derGegenwart in vieler Beziehung verdorben.) Da der Menschein Ding unter Dingen ist, so müssen die Dinge natürlichauf ihn einen Eindruck machen, wenn er von ihnen etwaserfahren soll. Ein Vorgang außer dem Menschen muß einenVorgang im Menschen erregen, wenn im Blickfeld die Er-scheinung «rot» auftreten soll. Es fragt sich nur, was istdraußen, was ist drinnen? Draußen ist ein in Raum undZeit ablaufender Vorgang. Drinnen ist aber zweifellos einähnlicher Vorgang. Ein solcher ist im Auge und setzt sichins Gehirn fort, wenn ich «rot» wahrnehme. Der Vorgang,der «drinnen» ist, den kann ich nicht, ohne weiteres, wahr-nehmen ; ebensowenig, wie ich die Wellenbewegung « drau-

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ßen» unmittelbar wahrnehmen kann, welche die Physikerder Farbe «rot» entsprechend denken. Aber nur in diesemSinne kann ich von einem «draußen» und «drinnen» spre-chen. Nur auf der Stufe des sinnlichen Erkennens hat der Ge-gensatz von «draußen» und «drinnen» Geltung. Es fuhrtmich dieses Erkennen dazu, «draußen» einen räumlich-zeitlichen Vorgang anzunehmen, wenn ich diesen auch nichtunmittelbar wahrnehme. Und weiter führt mich das gleicheErkennen dazu, in mir einen solchen Vorgang anzuneh-men, wenn ich auch diesen nicht unmittelbar wahrnehmenkann. Aber ich nehme ja auch im gewöhnlichen Lebenräumlich-zeitliche Vorgänge an, die ich nicht unmittelbarwahrnehme. Ich höre z. B. in meinem Nebenzimmer Kla-vier spielen. Ich nehme deshalb an, daß ein räumlichesMenschenwesen am Klavier sitzt und spielt. Und nicht an-ders ist mein Vorstellen, wenn ich von Vorgängen in mirund außer mir spreche. Ich setze voraus, daß diese Vor-gänge analoge Eigenschaften haben, wie die Vorgänge, diein den Bereich meiner Sinne fallen, nur daß sie, wegen ge-wisser Ursachen, sich meiner unmittelbaren Wahrnehmungentziehen. Wollte ich diesen Vorgängen alle Eigenschaftenabsprechen, die mir meine Sinne im Bereich des Räumli-chen und Zeitlichen zeigen, so dächte ich in Wahrheit soetwas wie das berühmte Messer ohne Griff, dem die Klingefehlt. Ich kann also nur sagen,« draußen» spielen sich räum-lich-zeitliche Vorgänge ab; sie bewirken «drinnen» räum-lich-zeitliche Vorgänge. Beide sind notwendig, wenn inmeinem Blickfeld «Rot» erscheinen soll. Dieses Rot, inso-fern es nicht räumlich-zeitlich ist, werde ich vergeblichsuchen, gleichgültig, ob ich «draußen» oder «drinnen»suche. Die Naturforscher und Philosophen, die es «drau-

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ßen» nicht finden können, sollten es auch nicht «drinnen»suchen wollen. Es ist in demselben Sinne nicht «drinnen»,in dem es nicht «draußen» ist. Den gesamten Inhalt dessen,was uns die Sinnenwelt darbietet, für eine innere Empfin-dungswelt erklären, und zu ihr etwas «Äußeres» suchen,ist eine unmögliche Vorstellung. Wir dürfen also nicht da-von sprechen, daß «rot», «süß», «heiß» usw. Zeichen seien,die als solche nur in uns erregt werden und denen «außen»etwas ganz anderes entspricht. Denn, was wirklich in unsals Wirkung eines äußeren Vorganges erregt wird, das istetwas ganz anderes als was in unserem Empfindungsfeldauftritt. Will man das, was in uns ist, Zeichen nennen, sokann man sagen: Diese Zeichen treten innerhalb unseresOrganismus auf, um uns die Wahrnehmungen zu vermit-teln, die als solche, in ihrer Unmittelbarkeit, weder inner-halb noch außerhalb unser sind, sondern die vielmehr zuder gemeinschaftlichen Welt gehören, von der meine «Au-ßenwelt» und meine «Innenwelt» nur Teile sind. Um diesegemeinschaftliche Welt erfassen zu können, muß ich michallerdings zu der höheren Stufe des Erkennens erheben,für die es ein «Innen» und «Außen» nicht mehr gibt. (Ichweiß ganz gut, daß Leute, welche auf das Evangelium po-chen, daß «unsere ganze Erfahrungswelt» sich aus Empfin-dungen von unbekanntem Ursprünge aufbaut, hochmütigauf diese Ausführungen herabsehen werden, wie etwa Herr

Dr. Erich Adickes in seiner Schrift: «Kant contra Haeckel»von oben herab sagt: «Vorerst philosophieren Leute wieHaeckel und Tausende seines Schlages noch munter darauflos, ohne sich um Erkenntnistheorie und kritische Selbst-besinnung zu bekümmern.» Solche Herren ahnen eben garnicht, wie billig ihre Erkenntnistheorien sind. Sie vermuten

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den Mangel an kritischer Selbstbesinnung nur - bei an-dern. Es sei ihnen ihre «Weisheit» gegönnt.)

Nicolaus von Kues hat gerade über den hier in Betrachtkommenden Punkt treffende Gedanken. Sein klares Aus-einanderhalten von niederem und höherem Erkennen läßtihn auf der einen Seite zur vollen Einsicht in die Tatsachekommen, daß der Mensch als Sinneswesen in sich nur Vor-gänge haben kann, welche als Wirkungen den entsprechen-den äußeren Vorgängen unähnlich sein müssen; es bewahrtihn aber andererseits vor der Verwechslung der innerenVorgänge mit den Tatsachen, die in unserem Wahrneh-mungsfelde auftauchen, und die, in ihrer Unmittelbarkeit,weder draußen, noch drinnen sind, sondern die über diesenGegensatz erhaben sind. -An der rückhaltslosen Verfolgungdes Weges, den ihm diese Einsicht gewiesen hat, wurdeNicolaus «durch das Priestergewand gehemmt». So sehenwir denn, wir er mit dem Vorschreiten vom «Wissen» zum«Nichtwissen » einen schönen Anfang macht. Zugleich aberauch müssen wir bemerken, daß er auf dem Felde des«Nicht-Wissens» doch nichts anderes 2eigt als den theolo-gischen Lehrgehalt, den uns auch die Scholastiker darbie-ten. Allerdings weiß er diesen theologischen Inhalt in geist-voller Form zu entwickeln. Über Vorsehung, Christus,Weltschöpfung, Erlösung des Menschen, über das sittlicheLeben stellt er Lehren dar, die durchaus im Sinne des dog-matischen Christentums gehalten sind. Seinem geistigenAusgange hätte es entsprochen, zu sagen: Ich habe dasVertrauen in die Menschennatur, daß diese, nachdem siesich in die Wissenschaften über die Dinge nach allen Seitenvertieft hat, aus sich selbst heraus dieses «Wissen» in ein«Nichtwissen» zu verwandeln vermag, daß also die höchste

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Erkenntnis Befriedigung bringt. Nicht die überlieferten Ide-en von Seele, Unsterblichkeit, Erlösung, Gott, Schöpfung,Dreieinigkeit usw. hätte er dann angenommen, wie er esgetan hat, sondern die selbstgefundenen hätte er vertreten.-Nicolaus war aber persönlich mit den Vorstellungen desChristentums so durchsetzt, daß er wohl glauben konnte,er erwecke ein eigenes «Nichtwissen» in sich, während erdoch nur die überlieferten Anschauungen zum Vorscheinbrachte, in denen er erzogen war. - Er stand aber auch aneinem verhängnisvollen Abgrund im menschlichen Gei-stesleben. Er war wissenschaftlicher Mensch. Die Wissen-schaft entfernt den Menschen ja zunächst von der unschul-digen Eintracht, in der er mit der Welt steht, solange ersich einer rein naiven Lebenshaltung hingibt. Bei einer sol-chen Lebenshaltung fühlt der Mensch dumpf seinen Zu-sammenhang mit dem Weltganzen. Er ist ein Wesen wiedie anderen, eingegliedert in den Strom der Naturwirkun-gen. Mit dem Wissen trennt er sich von diesem Ganzen ab.Er erschafft in sich eine geistige Welt. Mit dieser steht ereinsam der Natur gegenüber. Er ist reicher geworden; aberder Reichtum ist eine Last, die er schwer trägt. Denn sielastet zunächst auf ihm allein. Er muß, aus eigener Kraft,den Weg zurückfinden zur Natur. Er muß erkennen, daß erselbst seinen Reichtum nunmehr eingliedern muß in denStrom der Weltwirkungen, wie früher die Natur selbstseine Armut eingegliedert hat. Hier lauern alle schlimmenDämonen auf den Menschen. Seine Kraft kann leicht er-lahmen. Statt die Eingliederung selbst zu vollziehen, wirder bei solchem Erlahmen seine Zuflucht zu einer von außenkommenden Offenbarung nehmen, die ihn aus seiner Ein-samkeit wieder erlöst, die das Wissen, das er als Last emp-

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findet, wieder zurückfuhrt in den Urschoß des Daseins, indie Gottheit. Er wird, wie Nicolaus von Kues, glauben,seinen eigenen Weg zu gehen; und er wird doch in Wirk-lichkeit nur den finden, den ihm seine geistige Entwicklunggezeigt hat. Es gibt nun drei Wege - im wesentlichen -, dieman gehen kann, wenn man da ankommt, wo Nicolausangekommen war: Der eine ist der positive Glaube y der vonaußen auf uns eindringt; der zweite ist die Verzweiflung;man steht einsam mit seiner Last und fühlt das ganze Da-sein mit sich wanken; der dritte Weg ist die Entwicklungder tiefsten, eigenen Kräfte des Menschen. Vertrauen in dieWelt muß der eine Führer auf diesem dritten Wege sein.Mut, diesem Vertrauen zu folgen, gleichviel, wohin esführt, muß der andere sein *.

::" Siehe Nachtrag III, Seite 147.

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AGRIPPAVON NETTESHEIM

UND THEOPHRASTUS PARACELSUS

Den Weg, aufweichen die Vorstellungsweise des Nicolausvon Kues hinweist, sind Heinrich Cornelius u4grippa von Net-tesheim (1487-15 35) und TheophrastusParacelsus (1493-1541)gewandelt. Sie vertiefen sich in die Natur und suchen derenGesetze mit allen Mitteln, die ihnen ihre Zeitepoche dar-bietet, zu erforschen, und zwar so allseitig wie möglich. Indiesem Naturwissen sehen sie zugleich die wahre Grund-lage für alle höhere Erkenntnis. Diese suchen sie aus derNaturwissenschaft heraus selbst zu entwickeln, indem siediese im Geiste wiedergeboren werden lassen.

Agrippa von Nettesheim führte ein wechselreiches Le-ben. Er stammt aus einem vornehmen Geschlecht und istin Köln geboren. Er studierte frühzeitig Medizin undRechtswissenschaft und suchte sich über die Naturvor-gänge in der Art aufzuklären, wie es damals üblich war in-nerhalb gewisser Kreise und Gesellschaften, oder auch beieinzelnen Forschern, die, was ihnen an Naturkenntnis auf-ging, sorgfältig geheim hielten. Er ging zu solchen Zwek-ken wiederholt nach Paris, nach Italien und England, undbesuchte auch den berühmten Abt Trithem von Sponheimin Würzburg. Er lehrte zu verschiedenen Zeiten in wissen-schaftlichen Anstalten und trat da und dort in die Dienstevon Reichen und Vornehmen, denen er seine staatsmän-nischen und naturwissenschaftlichen Geschicklichkeiten zurVerfügung stellte. Wenn von seinen Biographen die Dien-ste, die er geleistet hat, als nicht immer einwandfrei ge-schildert werden, wenn gesagt wird, daß er unter dem Vor-geben, geheime Künste zu verstehen und durch sie den

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Menschen Vorteile zu verschaffen, sich Geld erworben ha-be, so steht dem sein unverkennbarer, rastloser Trieb ge-genüber, sich das gesamte Wissen seiner Zeit in ehrlicherWeise anzueignen und dieses Wissen im Sinne einer höhe-ren Welterkenntnis zu vertiefen. Deutlich tritt bei ihm dasBestreben zutage, eine klare Stellung zur Naturwissen-schaft auf der einen Seite, zur höheren Erkenntnis auf deranderen Seite zu gewinnen. Zu einer solchen Stellung ge-langt nur, wer Einsicht darin hat, auf welchen Wegen manzu der einen und zur anderen Erkenntnis gelangt. So wahres ist, daß die Naturwissenschaft zuletzt in die Region desGeistes heraufgehoben werden muß, wenn sie in höhereErkenntnis übergehen soll, so wahr ist es auch, daß sie zu-nächst auf dem ihr eigentümlichen Felde bleiben muß,wenn sie die rechte Grundlage für eine höhere Stufe ab-geben soll. Der «Geist in der Natur» ist nur für den Geistda. So gewiß die Natur in diesem Sinne geistig ist, so ge-wiß ist nichts in der Natur unmittelbar geistig, was vonkörperlichen Organen wahrgenommen wird. Es gibt nichtsGeistiges, das meinem Auge als Geistiges erscheinen kann.Ich darf den Geist als solchen nicht in der Natur suchen.Das tue ich, wenn ich einen Vorgang der äußeren Welt un-mittelbar geistig deute, wenn ich z. B. der Pflanze eine Seelezuschreibe, die nur entfernt analog der Menschenseele seinsoll. Das tue ich ferner auch, wenn ich dem Geist odei derSeele selbst ein räumliches oder zeitliches Dasein zuschrei-be, wenn ich z. B. von der ewigen Menschenseele sage, daßsie ohne den Körper, aber doch nach Art eines Körpers,statt als reiner Geist, in der Zeit fortlebe. Oder wenn ichgar glaube, daß in irgendwelchen sinnlich-wahrnehmbarenVeranstaltungen der Geist eines Verstorbenen sich zeigen

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könne. Der Spiritismus, der diesen Fehler begeht, zeigt da-mit nur, daß er bis zur wahrhaften Vorstellung des Geistesnicht vorgedrungen ist, sondern in einem Grobsinnlichenunmittelbar den Geist anschauen will. Er verkennt sowohldas Wesen des Sinnlichen wie dasjenige des Geistes. Er ent-geistet das gewöhnliche Sinnliche, das Stunde für Stundesich vor unseren Augen abspielt, um ein Seltenes, Über-raschendes, Ungewöhnliches unmittelbar als Geist anzu-sprechen. Er begreift nicht, daß, was als «Geist in der Na-tur» lebt, sich z.B. beim Stoß zweier elastischer Kugelnfür denjenigen, der Geist zu sehen vermag, enthüllt; undnicht erst bei Vorgängen, die durch ihre Seltenheit frap-pieren und die in ihrem natürlichen Zusammenhange nichtsofort überschaubar sind. Der Spiritist zieht aber auch denGeist in eine niedere Sphäre herab. Statt etwas, das imRäume vorgeht und das er mit den Sinnen wahrnimmt,auch durch Kräfte und Wesen zu erklären, die nur wiederräumlich und sinnlich wahrnehmbar sind, greift er zu «Gei-stern», die er somit völlig gleichsetzt mit dem Sinnlich-Wahrnehmbaren. Es liegt einer solchen Vorstellungsart einMangel an geistigem Auffassungsvermögen zugrunde. Manist nicht imstande, Geistiges auf geistige Art anzuschauen;deshalb befriedigt man sein Bedürfnis nach dem Vorhan-densein des Geistes mit bloßen Sinnenwesen. Der Geistzeigt solchen Menschen keinen Geist; deshalb suchen sieihn mit den Sinnen. Wie sie Wolken durch die Luft fliegensehen, möchten sie auch Geister dahineilen sehen.

Agrippa von Nettesheim kämpft für eine echte Natur-wissenschaft, welche die Erscheinungen der Natur nichtdurch Geisteswesen, die in der Sinneswelt spuken, erklärenwill, sondern welche in der Natur nur Natürliches, im Gei-

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ste nur Geistiges sehen will. - Man wird natürlich Agrippavöllig mißverstehen, wenn man seine Naturwissenschaft mitderjenigen späterer Jahrhunderte vergleicht, die über ganzandere Erfahrungen verfügt. Bei solcher Vergleichungkönnte leicht scheinen, daß er noch durchaus auf unmittel-bare Geisterwirkungen bezieht, was nur auf natürlichenZusammenhängen oder auf falscher Erfahrung beruht. Einsolches Unrecht fügt Moriz Carriere ihm zu, wenn er -allerdings nicht im übelwollenden Sinne - sagt: «Agrippagibt ein großes Register der Dinge, welche der Sonne, demMond, den Planeten oder Fixsternen zugehören und Ein-flüsse von ihnen empfangen; z.B. der Sonne verwandt istdas Feuer, das Blut, der Lorbeer, das Gold, der Chrysolit;sie verleihen die Gabe der Sonne: Mut, Heiterkeit, Licht...Die Tiere haben einen Natursinn, der erhabener als dermenschliche Verstand sich dem Geiste der Weissagung nä-hert... Es können Menschen zu Lieb' und Haß, zu Krank-heit und Gesundheit gebunden werden. So bindet manDiebe, daß sie irgendwo nicht stehlen, Kauf leute, daß sienicht handeln, Schiffe, Mühlen, daß sie nicht gehen, Blitze,daß sie nicht treffen können. Es geschieht durch Tränke,Salben, Bilder, Ringe, Bezauberungen; das Blut von Hyä-nen oder Basilisken eignet sich zu solchem Gebrauch - esgemahnt an Shakespeares Hexenkessel.» Nein, es gemahnt nichtdaran, wenn man Agrippa richtig versteht. Er glaubteselbstverständlich an Tatsachen, die man in seiner Zeitnicht bezweifeln zu können glaubte. Aber das tun wir auchheute noch gegenüber dem, was gegenwärtig als «tatsäch-lich» gilt. Oder meint man, künftige Jahrhunderte werdennicht auch manches von dem, was wir als unzweifelhafteTatsache hinstellen, in die Rumpelkammer des «blinden»

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Aberglaubens werfen? Ich bin allerdings überzeugt, daßim menschlichen Tatsachen wissen ein wirklicher Fortschrittstattfindet. Als die «Tatsache», daß die Erde rund ist, ein-mal entdeckt war, waren alle früheren Vermutungen insGebiet des «Aberglaubens» verwiesen. So ist es mit ge-wissen Wahrheiten der Astronomie, der Wissenschaft vomLeben u.a. Die natürliche Abstammungslehre ist gegen-über allen früheren «Schöpfungshypothesen» ein Fort-schritt wie die Erkenntnis, daß die Erde rund ist, gegen-über allen vorhergehenden Vermutungen über deren Ge-stalt. Dennoch aber bin ich mir klar darüber, daß in unse-ren gelehrten naturwissenschaftlichen Werken und Ab-handlungen manche «Tatsache» steckt, die künftigen Jahr-hunderten ebensowenig als Tatsache erscheinen wird, wieuns heute manches, was Agrippa und Paracelsus behaup-ten. Nicht daraufkommt es an, was sie als «Tatsache» an-sahen, sondern darauf, in welchem Geiste sie diese Tat-sachen deuteten. - Zu Agrippas Zeiten fand man allerdingsmit der von ihm vertretenen «natürlichen Magie», die inder Natur Natürliches - und Geistiges nur im Geiste -suchte, wenig Verständnis; die Menschen hingen an der«übernatürlichen Magie», die im Reiche des Sinnlichen dasGeistige suchte, und die Agrippa bekämpfte. Deshalb durf-te der AbtTrithem von Sponheim ihm den Rat geben, seineAnschauungen als Geheimlehre nur wenigen Auserlesenenmitzuteilen, die sich zu einer ähnlichen Idee über Natur undGeist aufschwingen können, weil man «auch den Ochsennur Heu und nicht Zucker wie den Singvögeln gebe». Die-sem Abt hat Agrippa vielleicht selbst den richtigen Ge-sichtspunkt zu danken. Trithemius hat in seiner « Stegano-graphie» ein Werk geschrieben, in dem er mit der versteck-

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testen Ironie die Vorstellungsart behandelte, welche die Na-tur mit dem Geiste verwechselt. Er redet in dem Buchescheinbar von lauter übernatürlichen Vorgängen. Wer esliest, so wie es ist, muß glauben, daß der Verfasser vonGeisterbeschwörungen, Fliegen von Geistern durch dieLuft usw. rede. Läßt man aber gewisse Worte und Buch-staben des Textes unter den Tisch fallen, so bleiben - wieWolfgang Ernst Heidel im Jahre 1676 nachgewiesen hat -Buchstaben übrig, die, zu Worten zusammengesetzt, reinnatürliche Vorgänge darstellen. (Man muß in einem Fallez. B. in einer Beschwörungsformel das erste und letzte Wortganz weglassen, dann von den übrigen das zweite, vierte,sechste usw. streichen. In den übriggebliebenen Wortenmuß man wieder den ersten, dritten, fünften usw. Buch-staben streichen. Was dann übrig bleibt, setzt man zu Wor-ten zusammen; und die Beschwörungsformel verwandeltsich in eine rein natürliche Mitteilung.)

Wie schwer es Agrippa geworden ist, sich selbst aus denVorurteilen seiner Zeit herauszuarbeiten und zu einer rei-nen Anschauung emporzuheben, davon liefert den Beweis,daß er seine bereits 1510 verfaßte «Geheime Philosophie»(philosophia occulta) nicht vor dem Jahre 15 31 erscheinenließ, weil er sie für unreif hielt. Ferner zeugt davon seineSchrift «Über die Eitelkeit der Wissenschaften» (De varri-tate scientiarum), in der er mit Bitterkeit über das wissen-schaftliche und sonstige Treiben seiner Zeit redet. Erspricht da ganz deutlich aus, daß er nur schwer sich los-gerungen hat von dem Wahn derjenigen, welche in äußer-lichen Verrichtungen unmittelbare geistige Vorgänge, inäußerlichen Tatsachen prophetische Hindeutungen auf dieZukunft usw. erblicken. Agrippa schreitet in drei Stufen

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zum höheren Erkennen fort. Er behandelt als erste Stufedie Welt, wie sie mit ihren Stoffen, ihren physikalischen,chemischen und anderen Kräften den Sinnen gegeben ist.Er nennt die Natur, insofern sie auf dieser Stufe betrachtetwird, die elementarische. Auf der zweiten Stufe betrachtetman die Welt als Ganzes in ihrem natürlichen Zusammen-hang, wie sie ihre Dinge nach Maß, Zahl, Gewicht, Har-monie usw. ordnet. Die erste Stufe reiht das nächste an dasnächste. Sie sucht die im unmittelbaren Umkreis eines Vor-ganges liegenden Veranlassungen desselben. Die zweiteStufe betrachtet einen einzelnen Vorgang im Zusammen-hange mit dem ganzen Weltall. Sie führt den Gedankenaus, daß jedes Ding unter dem Einfluß aller übrigen Dingedes Weltganzen steht. Vor ihr erscheint dieses Weltganzeals eine große Harmonie, in der jedes Einzelne ein Gliedist. Die Welt, unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, be-zeichnet Agrippa als astrale oder himmlische. Die dritteStufe des Erkennens ist diejenige, wo der Geist durch dieVertiefung in sich selbst das Geistige, das Urwesen derWelt unmittelbar anschaut. Agrippa spricht da von dergeistig-seelischen Welt.

Die Ansichten, die Agrippa über die Welt und das Ver-hältnis des Menschen zu ihr entwickelt, treten uns bei Theo-phrastus Paracelsus in ähnlicher, nur in vollkommenerer Artentgegen. Man betrachtet sie daher besser bei diesem.

Paracelsus kennzeichnet sich selbst, indem er unter seinBildnis schreibt: «Eines Andern Knecht soll niemand sein,der für sich selbst kann bleiben allein.» Seine ganze Stel-lung zur Erkenntnis ist in diesen Worten gegeben. Er willüberall auf die Grundlagen des Naturwissens selbst zu-rückgehen, um durch eigene Kraft zu den höchsten Regio-

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nen der Erkenntnis emporzusteigen. Er will als Arzt nicht,wie seine Zeitgenossen, einfach das annehmen, was die da-mals als Autoritäten geltenden alten Forscher, z. B. Galenoder Avicenna, vor Zeiten behauptet haben; er will selbstunmittelbar im Buche der Natur lesen. «Der Arzt muß durchder Natur Examen gehen, welche die Welt ist; und all ihrAnfang. Und dasselbige, was ihm die Natur lehrt, das mußer seiner Weisheit befehlen, aber nichts in seiner Weisheitsuchen, sondern allein im Licht der Natur.» Er scheut vornichts zurück, um die Natur und ihre Wirkungen nachallen Seiten kennenzulernen. Er macht zu diesem ZweckeReisen nach Schweden, Ungarn, Spanien, Portugal und inden Orient. Er darf von sich sagen: «Ich bin der Kunstnachgegangen mit Gefahr meines Lebens und habe michnicht geschämt, von Landfahrern, Nachrichtern und Sche-rern zu lernen. Meine Lehre ward probiert schärfer denndas Silber in Armut, Ängsten, Kriegen und Nöten.» Wasvon alten Autoritäten überliefert ist, hat für ihn keinenWert;denn er glaubt nur zu der rechten Anschauung zu kom-men, wenn er den Aufstieg von dem Naturwissen zu derhöchsten Erkenntnis selbst erlebt. Dieses Selbsterleben legtihm den stolzen Ausspruch in den Mund: «Wer der Wahr-heit nachwill, der muß in meine Monarchei»... «Mir nach;ich nicht euch, Avicenna, Rhases, Galen, Mesue! Mir nachund ich nicht euch, ihr von Paris, ihr von Montpellier, ihrvon Schwaben, ihr von Meißen, ihr von Köln, ihr vonWien, und was an der Donau und dem Rheinstrome liegt;ihr Inseln im Meer, du Italien, du Dalmatien, du Athen, duGrieche, du Araber, du IsraeKte; mir nach und ich nichteuch! Mein ist die Monarchei!» - Man kann Paracelsuswegen seiner rauhen Außenseite, die machmal hinter Scherz

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tiefen Ernst verbirgt, leicht verkennen. Er sagt doch selbst:«Von der Natur bin ich nicht subtil gesponnen [...], auchnicht mit Feigen und Weizenbrod, sondern mit Käs, Milchund Haberbrod erzogen, darum bin ich wohl grob gegen dieKatzenreinen und Superfeinen; denn dieselben, die in wei-chen Kleidern, und wir, die in Tannenzapfen erzogen, ver-stehen einander nicht wohl. Ob ich mir selber holdselig zusein vermeine, muß ich also für grob gelten.» «Wie kann ichnicht seltsam sein dem, der nie in der Sonne gewanderthat?»

Goethe hat das Verhältnis des Menschen zur Natur (inseinem Buche über Winckelmann) mit den schönen Sätzengeschildert: «Wenn die gesunde Natur des Menschen alsein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einemgroßen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenndas harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzückengewährt: dann würde das Weltall, wenn es sich selbst emp-finden könnte, als an sein Ziel gelangtL, aufjauchzen, und denGipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern.» Von einer

Empfindung, wie sie sich in solchen Sätzen ausspricht, istParacelsus tief durchdrungen. Aus dieser Empfindung her-aus gestaltet sich für ihn das Rätsel des Menschen. Sehenwir zu, wie das, im Sinne des Paracelsus, geschieht. Ver-hüllt ist dem menschlichen Fassungsvermögen zunächstder Weg, den die Natur gegangen ist, um ihren Gipfel her-vorzubringen. Sie hat diesen Gipfel erstiegen; aber dieserGipfel sagt nicht: ich fühle mich als die ganze Natur; dieserGipfel sagt: ich fühle mich als dieser einzelne Mensch. Wasin Wirklichkeit eine Tat der ganzen Welt ist, das fühlt sichals einzelnes, einsames, für sich stehendes Wesen. Ja, dasist gerade das wahre Wesen des Menschen, daß er sich als

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etwas anderes fühlen muß, als er letzten Endes ist. Undwenn dies ein Widerspruch ist, so darf der Mensch ein le-bendig gewordener Widerspruch genannt werden. DerMensch ist die Welt auf seine eigene Art. Er sieht seinenEinklang mit der Welt als eine Zweiheit an. Er ist dasselbe,was die Welt ist; aber er ist es als Wiederholung, als ein-zelnes Wesen. Das ist der Gegensatz, den Paracelsus alsMikrokosmos (Mensch) und Makrokosmos (Weltall) emp-findet. Der Mensch ist ihm die Welt im Kleinen. Was denMenschen sein Verhältnis zur Welt so ansehen läßt, das istsein Geist. Dieser Geist erscheint an ein einzelnes Wesen,an einen einzelnen Organismus gebunden. Dieser Organis-mus gehört, seinem ganzen Wesen nach, dem großen Stromdes Weltalls an. Er ist ein Glied in demselben, das nur imZusammenhange mit allen anderen seinen Bestand hat. DerGeist aber erscheint als ein Ergebnis dieses einzelnen Or-ganismus. Er sieht sich zunächst nur mit diesem Organis-mus verbunden. Er reißt diesen Organismus aus dem Mut-terboden los, dem er entwachsen ist. So liegt für Paracelsusein tiefer Zusammenhang zwischen dem Menschen unddem ganzen Weltall in der Naturgrundlage des Seins ver-borgen, der sich durch das Dasein des Geistes verbirgt.Der Geist, der uns zur höheren Erkenntnis führt, indemer uns das Wissen vermittelt, und dieses Wissen auf höhe-rer Stufe wieder geboren werden läßt, hat für uns Men-schen zunächst die Folge, daß er uns unseren eigenenZusammenhang mit dem All verhüllt. So löst sich fürParacelsus die menschliche Natur zunächst in drei Gliederauseinander: in unsere sinnlich-körperliche Natur, unserenOrganismus, der uns als ein Naturwesen unter anderenNaturwesen erscheint und genau so ist, wie alle anderen

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Naturwesen; in unsere verhüllte Natur, die ein Glied in derKette der ganzen Welt ist, die also nicht innerhalb unseresOrganismus beschlossen ist, sondern die Kraftwirkungenaussendet und empfängt von dem ganzen Weltall; und indie höchste Natur: unseren Geist, der nur auf geistige Artsich auslebt. Das erste Glied der menschlichen Natur nenntParacelsus den Elementarleib; das zweite den ätherisch-himmlischen oder astralischen Leib, das dritte Glied nennt erSeele, - In den «astralischen» Erscheinungen sieht also Pa-racelsus eine Zwischenstufe zwischen den rein körperli-chen und den eigentlichen Seelenerscheinungen. Sie wer-den also dann sichtbar werden, wenn der Geist, welcherdie Naturgrundlage unseres Seins verhüllt, seine Tätigkeiteinstellt. Die einfachste Erscheinung dieses Gebietes habenwir in der Traumwelt vor uns. Die Bilder, die uns im Trau-me umgaukeln, mit ihrem merkwürdigen sinnvollen Zu-sammenhange mit Vorgängen in unserer Umgebung undmit Zuständen unseres eigenen Innern, sind Erzeugnisseunserer Naturgrundlage, die durch das hellere Licht derSeele verdunkelt werden. Wenn ein Stuhl neben meinemBette umfällt, und ich träume ein ganzes Drama, das miteinem durch ein Duell verursachten Schuß endet, oderwenn ich Herzklopfen habe, und ich träume von einemkochenden Ofen, so kommen Naturwirkungen zum Vor-schein, sinnvoll und bedeutsam, die ein Leben enthüllen,das zwischen den rein organischen Funktionen und demim hellen Bewußtsein des Geistes vollzogenen VorstellenHegt. An dieses Gebiet schließen sich alle Erscheinungenan, die dem Felde des Hypnotismus und der Suggestion an-gehören. Wir können in der Suggestion eine Einwirkungvon Mensch auf Mensch sehen, die auf einen durch die hö-

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here Geistestätigkeit verhüllten Zusammenhang der Wesenin der Natur deutet. Von hier aus eröffnet sich die Möglich-keit das zu verstehen, was Paracelsus als «astralischen»Leib deutet. Er ist die Summe von Naturwirkungen, unterderen Einfluß wir stehen oder durch besondere Umständestehen können; die von uns ausgehen, ohne daß unsereSeele dabei in Betracht kommt; und die doch nicht unterden Begriff rein physikalischer Erscheinungen fallen. DaßParacelsus auf diesem Felde Tatsachen aufzählt, die wirheute bezweifeln, das kommt von einem Gesichtspunkteaus, den ich oben bereits angeführt habe (vgl. S. 103 f.), nichtin Betracht. - Auf Grund solcher Anschauungen von dermenschlichen Natur sonderte Paracelsus diese in siebenGhedet. Es sind dieselben, welche wir auch in der Weisheitder alten Ägypter, bei den Neuplatonikern und in der Kab-bala antreffen. Der Mensch ist zunächst ein physikalisch-körperliches Wesen, also denselben Gesetzen unterworfen,denen jeder Körper unterworfen ist. Er ist also, in dieserHinsicht, ein rein elementarischer Leib. Die rein körperlich-physikalischen Gesetze gliedern sich zum organischen Le-bensprozeß. Paracelsus bezeichnet die organische Gesetz-mäßigkeit als «Archaeus» oder «Spiritus vitae»; das Orga-nische erhebt sich zu geistähnlichen Erscheinungen, dienoch nicht Geist sind. Es sind dies die «astralischen» Er-scheinungen. Aus den «astralischen» Vorgängen tauchendie Funktionen des «tierischen Geistes» auf. Der Mensch istSinnenwesen. Er verbindet sinngemäß die sinnlichen Ein-drücke durch seinen Verstand. Es belebt sich also in ihmdie « Verstandesseele». Er vertieft sich in seine eigenen gei-stigen Erzeugnisse, er lernt den Geist als Geist erkennen.Er hat sich somit bis zur Stufe der «Geistseele» erhoben.

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Zuletzt erkennt er, daß er in dieser Geistseele den tiefstenUntergrund des Weltdaseins erlebt; die Geistseele hört auf,eine individuelle, einzelne zu sein. Es tritt die Erkenntnisein, von der Eckhart sprach, als er nicht mehr sich in sich,sondern das Urwesen in sich sprechen fühlte. Es ist der Zu-stand eingetreten, in dem der Allgeist im Menschen sichselbst anschaut. Paracelsus hat das Gefühl dieses Zustan-des in die einfachen Worte geprägt: «Und das ist ein Gro-ßes, das ihr bedenken sollt: nichts ist im Himmel und aufErden, das nicht sei im Menschen. Und Gott, der im Him-mel ist, der ist im Menschen.» - Nichts anderes will Para-celsus mit diesen sieben Grundteilen der menschlichen Na-tur zum Ausdruck bringen als Tatsachen des äußeren undinneren Erlebens. Daß in höherer Wirklichkeit eine Ein-heit ist, was sich für die menschliche Erfahrung als Viel-heit von sieben Gliedern auseinanderlegt, das bleibt da-durch unangefochten. Aber gerade dazu ist die höhere Er-kenntnis da: die Einheit in allem aufzuzeigen, was demMenschen wegen seiner körperlichen und geistigen Orga-nisation im unmittelbaren Erleben als Vielheit erscheint.Auf der Stufe der höchsten Erkenntnis strebt Paracelsusdurchaus darnach, das einheitliche Urwesen der Welt leben-dig mit seinem Geiste zu verschmelzen. Er weiß aber, daßder Mensch die Natur in ihrer Geistigkeit nur erkennenkann, wenn er mit ihr in unmittelbaren Verkehr tritt. Nichtdadurch begreift der Mensch die Natur, daß er sie von sichaus mit willkürlich angenommenen geistigen Wesenheitenbevölkert, sondern dadurch, daß er sie hinnimmt undschätzt, so wie sie als Natur ist. Paracelsus sucht daher nichtGott oder den Geist in der Natur; sondern die Natur, sowie sie ihm vor Augen tritt, ist ihm ganz unmittelbar gött-

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lieb. Muß man denn der Pflanze erst eine Seele nach Art dermenschlichen Seele beilegen, um das Geistige zu finden?Darum erklärt sich Paracelsus die Entwicklung der Dinge,soweit das mit den wissenschaftlichen Mitteln seiner Zeitmöglich ist, durchaus so, daß er diese Entwicklung alseinen sinnlichen Naturprozeß auffaßt. Er läßt alle Dingeaus der Urmaterie, dem Urwasser (Yliaster) hervorgehen.Und er betrachtet als einen weiteren Naturprozeß die Schei-dung der Urmaterie (die er auch den großen Limbus nennt)in die vier Elemente: Wasser, Erde, Feuer und Luft. Wenner davon spricht, daß das «göttliche Wort» aus der Ur-materie die Vielheit der Wesen hervorrief, so ist auch dasnur so zu verstehen, wie etwa in der neueren Naturwissen-schaft das Verhältnis der Kraft zum Stoffe zu verstehen ist.Ein «Geist» im tatsächlichen Sinne ist auf dieser Stufenoch nicht vorhanden. Dieser «Geist» ist kein tatsächli-cher Grund des Naturprozesses, sondern ein tatsächlichesErgebnis dieses Prozesses. Dieser Geist schafft nicht dieNatur, sondern entwickelt sich aus ihr. Manches Wort desParacelsus könnte im entgegengesetzten Sinne gedeutetwerden. So wenn er sagt: «Es ist nichts körperlich, es hätteund führete nicht auch einen Geist in ihm verborgen undlebete. Es hat auch nicht nur das Leben, was sich regt undbewegt, als die Menschen, die Tiere, die Würmer der Erde,die Vögel im Himmel, und die Fische im Wasser, sondernauch alle körperlichen und wesentlichen Dinge.» Aber mitsolchen Aussprüchen will Paracelsus nur vor der oberfläch-lichen Naturbetrachtung warnen, welche mit ein paar «hin-gepfahlten» Begriffen (nach Goethes trefflichem Ausdruck)das Wesen eines Dinges auszuschöpfen glaubt. Er will indie Dinge nicht ein ausgedachtes Wesen hineinlegen, son-

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dern alle Kräfte des Menschen in Bewegung setzen, umdas, was tatsächlich in dem Dinge liegt, herauszuholen. -Es kommt darauf an, sich dadurch nicht verfuhren zu las-sen, daß Paracelsus sich im Geiste seiner Zeit ausdrückt.Es handelt sich vielmehr darum, zu erkennen, welche Dingeihm vorschweben, wenn er, auf die Natur bückend, in denAusdrucksformen seiner Zeit seine Ideen ausdrückt. Erschreibt z.B. dem Menschen ein zweifaches Fleisch, alsoeine zweifache körperliche Beschaffenheit zu. «Das Fleischmuß also verstanden werden, daß seiner zweierlei Art ist,nämlich das Adam entstammende Fleisch und das Fleisch,welches nicht aus Adam ist. Das Fleisch aus Adam ist eingrobes Fleisch, denn es ist irdisch und sonst nichts alsFleisch, das zu binden und zu fassen ist wie Holz und Stein.Das andere Fleisch ist nicht aus Adam, es ist ein subtilesFleisch und nicht zu binden oder zu fassen, denn es istnicht aus Erde gemacht.» Was ist das Fleisch, das aus Adamist? Es ist alles das, was der Mensch durch seine natürlicheEntwicklung überkommen hat, was sich also auf ihn ver-erbt hat. Dazu kommt das, was sich der Mensch im Ver-kehr mit der Umwelt im Lauf der Zeiten erworben hat. Diemodernen naturwissenschaftlichen Vorstellungen von ver-erbten und durch Anpassung erworbenen Eigenschaften lösensich los aus dem angeführten Gedanken des Paracelsus. Das«subtilere Fleisch», das den Menschen zu seinen geistigenVerrichtungen befähigt, ist nicht von Anfang an in demMenschen gewesen. Er war «grobes Fleisch» wie das Tier,ein Fleisch, das «zu binden und zu fassen ist, wie Holz undStein». Im naturwissenschaftlichen Sinne ist also auch dieSeele eine erworbene Eigenschaft des «groben Fleisches».Was der Naturforscher des neunzehnten Jahrhunderts im

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Auge hat, wenn er von den Erbstücken aus der Tierweltspricht, das hat Paracelsus im Auge, wenn er das Wort ge-braucht, das «aus Adam stammende Fleisch». Durch sol-che Ausführungen soll natürlich durchaus nicht der Unter-schied verwischt werden, der besteht zwischen einem Na-turforscher des sechzehnten und einem solchen des neun-zehnten Jahrhunderts. Erst dieses letztere Jahrhundert warja imstande, im vollen wissenschaftlichen Sinne die Erschei-nungen der Lebewesen in einem solchen Zusammenhangezu sehen, daß deren natürliche Verwandtschaft und tatsäch-liche Abstammung bis herauf zum Menschen vor Augentrat. Die Naturwissenschaft sieht nur einen Naturprozeß,wo noch Linn£ im achtzehnten Jahrhundert einen geistigenProzeß gesehen und mit den Worten charakterisiert hat:« Spezies von Lebewesen zählen so viele, als verschiedeneFormen im Prinzip geschaffen worden sind.» Während beiLinne also der Geist noch in die räumliche Welt verlegtwerden und ihm die Aufgabe zugewiesen werden muß, dieLebensformen geistig zu erzeugen, zu «schaffen», konntedie Naturwissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts derNatur geben, was der Natur ist, und dem Geiste, was desGeistes ist. Der Natur wird selbst die Aufgabe zugewiesen,ihre Schöpfungen zu erklären; und der Geist kann sichdort in sich versenken, wo er allein zu finden ist, im Innerndes Menschen. — Aber, wenn Paracelsus auch im gewissenSinne durchaus im Sinne seiner Zeit denkt, so hat er dochgerade in bezug auf die Idee der Entwickelung, des Werdens>das Verhältnis des Menschen zur Natur in tiefsinnigerWeise erfaßt. Er sah in dem Urwesen der Welt nicht etwas,was als Abgeschlossenes irgendwie vorhanden ist, sonderner erfaßte das Göttliche im Werden. Dadurch konnte er

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dem Menschen wirklich eine selbstschöpferische Tätigkeitzuschreiben. Ist das göttliche Urwesen ein für allemal vor-handen, dann kann von einem wahren Schaffen des Men-schen nicht die Rede sein. Nicht der Mensch schafft dann,der in der Zeit lebt, sondern Gott schafft, der von Ewigkeitist. Aber für Paracelsus ist kein solcher Gott von Ewig-keit. Für ihn ist nur ein ewiges Geschehen, und der Menschist ein Glied in diesem ewigen Geschehen. Was der Menschbildet, war vorher noch in keiner Weise da. Was derMensch schafft, ist so wie er schafft, eine ursprünglicheSchöpfung. Soll sie göttlich genannt werden, so kann sieso genannt werden nur in dem Sinne, wie sie als mensch-liche Schöpfung ist. Deshalb kann Paracelsus dem Men-schen eine Rolle im Weltenbaue zuweisen, die diesen selbstzum Mitbaumeister an dieser Schöpfung macht. Das gött-liche Urwesen ist ohne den Menschen nicht das, was es mitdem Menschen ist. «Denn die Natur bringt nichts an denTag, was auf seine Statt vollendet sei, sondern der Menschmuß es vollenden.» Diese selbstschöpferische Tätigkeitdes Menschen am Bau der Natur nennt Paracelsus Alchy-mie. «Diese Vollendung ist Alchymie. Also ist der Alchy-mist der Bäcker, indem er das Brod bäckt, der Rebmann,indem er den Wein macht, der Weber, indem er das Tuchmacht.» Paracelsus will auf seinem Gebiet, als Arzt, Alchy-mist sein. «Darum so mag ich billig in der Alchymie hieso viel schreiben, auf daß ihr sie wohl erkennet, und erfah-ret, was an ihr sei, und wie sie verstanden soll werden:nicht ein Ärgernis nehmen daran, daß weder Gold nochSilber dir daraus werden soll. Sondern daher betrachtet,daß dir die Arkanen (Heilmittel) eröffnet werden» ... «Diedritte Säule der Medizin ist Alchymie, denn die Bereitung

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der Arzneien kann ohne sie nicht geschehen, weil die Naturohne Kunst nicht gebraucht werden kann.»

Im strengsten Sinne also sind die Augen des Paracelsusauf die Natur gerichtet, um ihr selbst abzulauschen, wassie über ihre Hervorbringungen zu sagen hat. Die chemi-sche Gesetzmäßigkeit will er erforschen, um in seinemSinne als Alchymist zu wirken. Er denkt sich alle Körperaus drei Grundstoffen zusammengesetzt, aus Salz, Schwe-fel und Quecksilber. Was er so bezeichnet, deckt sich natür-lich nicht mit dem, was die spätere Chemie mit diesemNamen bezeichnet; ebenso wenig wie das, was Paracelsusals Grundstoff auffaßt, ein solcher im Sinne der späterenChemie ist. Verschiedene Dinge werden zu verschiedenenZeiten mit denselben Namen bezeichnet. Was die Altenvier Elemente: Erde, Wasser, Luft und Feuer nannten,haben wir noch immer. Wir nennen diese vier «Elemente»nicht mehr «Elemente», sondern Aggregatzustände undhaben dafür die Bezeichnungen: fest, flüssig, gasförmig,ätherförmig. Die Erde z.B. war den Alten nicht Erde,sondern das «Feste». Auch die drei Grundstoffe des Para-celsus erkennen wir wohl in gegenwärtigen Begriffen,nicht aber in den gleichlautenden gegenwärtigen Namenwieder. Für Paracelsus sind Auflösung in einer Flüssigkeitund Verbrennung die beiden wichtigen chemischen Pro-zesse, die er anwendet. Wird ein Körper gelöst oder ver-brannt, so zerfällt er in seine Teile. Etwas bleibt als Rück-stand; etwas löst sich oder verbrennt. Das Rückständigeist ihm salzartig, das Lösliche (Flüssige) quecksilberartig;das Verbrennliche nennt er schwefelig.

Wer über solche Naturprozesse nicht hinaussieht, denmögen sie als materiell-nüchterne Dinge kalt lassen; wer

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den Geist durchaus mit den Sinnen fassen will, der wirddiese Prozesse mit allen möglichen Seelenwesen bevöl-kern. Wer aber, wie Paracelsus, sie im Zusammenhange mitdem All zu betrachten weiß, das im Innern des Menschensein Geheimnis offenbar werden läßt, der nimmt sie hin,wie sie sich den Sinnen darbieten; er deutet sie nicht erstum; denn so, wie die Naturvorgänge in ihrer sinnlichenWirklichkeit vor uns stehen, offenbaren sie auf ihre eigeneArt das Rätsel des Daseins. Was sie durch diese ihre sinn-liche Wirklichkeit aus der Seele des Menschen heraus zuenthüllen haben, steht dem, der nach dem Licht der höhe-ren Erkenntnis strebt, höher als alle übernatürlichen Wun-der, die der Mensch ersinnen, oder sich offenbaren lassenmag über ihren angeblichen «Geist». Es gibt keinen « Geistder Natur», der erhabenere Wahrheiten auszusprechen ver-möchte, als die großen Werke der Natur selbst, wennunsere Seele in Freundschaft sich mit dieser Natur ver-bindet und im vertraulichen Verkehre den Offenbarungenihrer Geheimnisse lauscht. Solche Freundschaft mit derNatur suchte Paracelsus.

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VALENTIN WEIGEL UND JACOB BÖHME

Paracelsus kam es vor allen Dingen darauf an, über dieNatur Ideen zu gewinnen, die den Geist der von ihm ver-tretenen höheren Erkenntnis atmen. Ein ihm verwandterDenker, der die gleiche Vorstellungsart vorzugsweise aufdie eigene Natur des Menschen anwandte, ist ValentinWeigel (153 3-15 88). Er ist in ähnlichem Sinne aus der pro-testantischen Theologie herausgewachsen wie Eckhart,Tauler und Suso aus der katholischen. Er hat Vorgängerin Sebastian Franck und Caspar Schwenckfeldt. Diese deutetengegenüber dem am äußerlichen Bekenntnis hängenden Kir-chenglauben, auf die Vertiefung des inneren Lebens. Ihnenist nicht der Jesus wertvoll, den das Evangelium predigt,sondern der Christus, der in jedem Menschen aus dessentieferer Natur geboren werden kann, und der ihm Erlöservom niederen Leben und Führer zu idealer Erhebung seinsoll. Weigel verwaltete still und bescheiden sein Pfarramtin Zschopau. Erst aus seinen hinterlassenen, im siebzehn-ten Jahrhundert gedruckten Schriften erfuhr man etwasvon den bedeutsamen Ideen, die ihm über die Natur desMenschen aufgegangen waren. (Von seinen Schriften seiengenannt: « Der güldene Griff, das ist: All Ding ohne Irr-thumb zu erkennen, vielen Hochgelährten unbekannt, unddoch allen Menschen nothwendig zu wissen.» — «Erkennedich selber.» - «Vom Ort der Welt.») Es drängt Weigel, sichüber sein Verhältnis zur Lehre der Kirche klar zu werden.Das fuhrt ihn dazu, die Grundfesten aller Erkenntnis zuuntersuchen. Ob der Mensch etwas durch ein Glaubens-bekenntnis erkennen könne, darüber kann er sich nurRechenschaft geben, wenn er weiß, wie er erkennt. Von

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der untersten Art des Erkennens geht Weigel aus. Er fragtsich: wie erkenne ich ein sinnliches Ding, wenn es mirentgegentritt? Von da hofft er aufsteigen zu können bis zudem Gesichtspunkte, wo er sich über die höchste Erkennt-nis Rechenschaft geben kann. - Bei der sinnlichen Erkennt-nis stehen sich das Werkzeug (Sinnesorgan) und das Ding,der «Gegenwurf» gegenüber. «Dieweü in der natürlichenErkenntnis sein müssen zwei Dinge, als das Objekt oderGegenwurf, der soll erkannt und gesehen werden vomAuge; und das Auge, oder der Erkenner, der das Objektsieht, und erkennt, so halte gegeneinander: ob die Erkennt-nis herkomme vom Objekt in das Auge; oder ob das Ur-teil, und die Erkenntnis fließe vom Auge in das Objekt.»(« Der güldene Griff», 9. Kap.) Nun sagt sich Weigel: Würdedie Erkenntnis aus dem Gegenwurf (Ding) in das Augefließen, so müßte notwendig von einem und demselbenDing eine gleiche und vollkommene Erkenntnis in alleAugen kommen. Dies ist abei nicht der Fall, sondern jedersieht nach Maßgabe seiner Augen. Nur die Augen, nichtder Gegenwurf, können schuld daran sein, daß von einemund demselben Ding vielerlei verschiedene Vorstellungenmöglich sind. Weigel vergleicht, zur Klärung der Sache,das Sehen mit dem Lesen. Wäre das Buch nicht, so könnteich es natürlich nicht lesen; aber es könnte immerhin dasein, und dennoch könnte ich nichts darin lesen, wenn ichnicht die Kunst, zu lesen, verstände. Das Buch muß alsoda sein; aber es kann mir, von sich aus, nicht das geringstegeben; ich muß alles, was ich lese, aus mir herausholen.Das ist auch das Wesen der natürlichen (sinnlichen) Er-kenntnis. Die Farbe ist als «Gegenwurf» da; aber sie kann,von sich aus, nichts dem Auge geben. Das Auge muß von

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sich aus erkennen, was die Farbe ist. So wenig wie derInhalt des Buches in dem Leser ist, so wenig ist die Farbeim Auge. Wäre der Inhalt des Buches in dem Leser: erbrauchte es nicht zu lesen. Dennoch fließt im Lesen dieserInhalt nicht aus dem Buche, sondern aus dem Leser. Soist es auch mit dem sinnlichen Ding. Was dieses sinnlicheDing draußen ist, das fließet nicht von außen herein in denMenschen, sondern von innen heraus. — Man könnte, vondiesen Gedanken ausgehend, sagen: Wenn alle Erkenntnisaus dem Menschen in den Gegenstand fließt, so erkenntman nicht, was im Gegenstande ist, sondern nur, was imMenschen selbst ist. Die ausführliche Durchbildung diesesGedankenganges hat die Anschauung Immanuel Kants(1724-1804) gebracht. (Das Irrige dieses Gedankengangesfindet man in meinem Buch «Philosophie der Freiheit»dargestellt. Hier muß ich mich darauf beschränken, zuerwähnen, daß Valentin Weigel mit seiner einfachen,urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant.) -Weigel sagt sich: Wenn auch die Erkenntnis aus dem Men-schen fließt, so ist es doch nur das Wesen des Gegenwur-fes, das von diesem auf dem Umwege durch den Menschenzum Vorschein kommt. Wie ich den Inhalt des Buchesdurch das Lesen erfahre, und nicht meinen eigenen, so er-fahre ich die Farbe des Gegenwurfes durch das Auge; nichtdie im Auge, oder in mir befindliche Farbe. Auf einemeigenen Wege kommt also Weigel zu einem Ergebnis, dasuns bereits bei Nicolaus von Kues entgegengetreten ist.So hat sich Weigel über das Wesen der sinnlichen Erkennt-nis aufgeklärt. Er ist zu der Überzeugung gekommen, daßalles, was uns die äußeren Dinge zu sagen haben, nur ausunserem eigenen Innern selbst herausfließen kann. Der

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Mensch kann sich nicht leidend verhalten, wenn er diesinnlichen Dinge erkennen will, und diese bloß auf sichwirken lassen wollen; sondern er muß sich tätig verhalten,und die Erkenntnis aus sich herausholen. Der Gegenwurferweckt nur in dem Geiste die Erkenntnis. Zur höherenErkenntnis steigt der Mensch auf, wenn der Geist seineigener Gegenwurf wird. An der sinnlichen Erkenntnisersieht man, daß keine Erkenntnis von außen in den Men-schen einfließen kann. Also kann auch die höhere Erkennt-nis nicht von außen kommen, sondern nur im Innern er-weckt werden. Es kann daher keine äußere Offenbarung,sondern nur eine innere Erweckung geben. So wie nun deräußere Gegenwurf wartet, bis der Mensch ihm entgegen-tritt, in dem er sein Wesen aussprechen kann, so muß derMensch, wenn er sich selbst Gegenwurf sein will, warten,bis in ihm die Erkenntnis seines Wesens erweckt wird. Mußin der sinnlichen Erkenntnis sich der Mensch tätig verhal-ten, damit er dem Gegenwurf dessen Wesen entgegen-bringen kann, so muß in der höheren Erkenntnis sich derMensch leidend verhalten, weil er jetzt Gegenwurf ist. Ermuß sein Wesen in sich empfangen. Deshalb erscheint ihmdie Erkenntnis des Geistes als Erleuchtung von oben. ImGegensatz zur sinnlichen Erkenntnis nennt daher Weigeldie höhere Erkenntnis das «Licht der Gnaden». Dieses«Licht der Gnaden» ist in Wirklichkeit nichts anderes alsdie Selbsterkenntnis des Geistes im Menschen, oder dieWiedergeburt des Wissens auf der höheren Stufe des Schau-ens. - Wie nun Nicolaus von Kues beim Verfolgen seinesWeges vom Wissen zum Schauen nicht wirklich das vonihm gewonnene Wissen auf höherer Stufe wiedergeborenwerden läßt, sondern wie sich ihm das kirchliche Bekennt-

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nis, in dem er erzogen ist, als solche Wiedergeburt vor-täuscht, so ist das auch bei Weigel der Fall. Er fuhrt sichauf den rechten Weg und verliert diesen in dem Augen-blick wieder, in dem er ihn betritt. Wer den Weg gehenwill, den Weigel weist, der kann diesen selbst nur bis zumAusgangspunkte als Führer betrachten.

Es ist wie das Aufjauchzen der Natur, die, auf dem Gip-fel ihres Werdens, ihre Wesenheit bewundert, was uns ausden Werken des Görlitzer Schuhmachermeisters JacobBöhme (i 575-1624) entgegentönt. Ein Mann erscheint voruns, dessen Worte Flügel haben, gewoben aus der beseli-genden Empfindung, das Wissen in sich als höhere Weis-heit leuchten zu sehen. Als eine Frömmigkeit, die nur Weis-heit sein will, und als eine Weisheit, die allein in Frömmig-keit leben will, beschreibt Jacob Böhme seinen Zustand:«Als ich in Gottes Beistand rang und kämpfte, da ging mei-ner Seele ein wunderliches Licht auf, das der wilden Naturganz fremd war, darin ich erst erkannte, was Gott undMensch wäre, und was Gott mit den Menschen zu tunhätte.» Jacob Böhme fühlt sich nicht mehr als einzelnePersönlichkeit, die ihre Erkenntnisse ausspricht; er fühltsich als Organ des großen Allgeistes, der in ihm spricht.Die Grenzen seiner Persönlichkeit erscheinen ihm nicht alsGrenzen des Geistes, der aus ihm redet. Dieser Geist istihm allgegenwärtig. Er weiß, daß «der Sophist ihn tadeln»werde, wenn er vom Anfang der Welt und ihrer Schöp-fung spricht, «dieweil ich nicht sei dabei gewesen und esselber gesehn. Dem sei gesagt, daß in meiner Seelen- undLeibesessenz, da ich noch nicht der Ich war, sondern da

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ich Adams Essenz war, bin ja dabei gewesen und meineHerrlichkeit in Adam selber verscherzet habe.» Nur inäußeren Gleichnissen vermag Böhme anzudeuten, wie inseinem Innern das Licht hervorgebrochen. Als er sich ein-mal als Knabe auf dem Gipfel eines Berges befindet, dasieht er oben, wo große rote Steine den Berg zu schließenscheinen, den Eingang offen und in seiner Vertiefung einGefäß mit Gold. Ein Schauer überfällt ihn; und er gehtseiner Wege, ohne den Schatz zu berühren. Später ist er inGörlitz bei einem Schuhmacher in der Lehre. Ein fremderMann tritt in den Laden und verlangt ein Paar Schuhe.Böhme darf sie ihm in Abwesenheit des Meisters nicht ver-kaufen. Der Fremde entfernt sich, ruft aber nach einerWeile den Lehrling heraus, und sagt ihm: Jacob, du bistklein, aber du wirst einst ein ganz anderer Mensch werden,über den die Welt in Erstaunen ausbrechen wird. In reife-ren Jahren sieht Jacob Böhme beim Glanz der Sonne dieSpiegelung eines zinnernen Gefäßes: der Anblick, der sichihm da bietet, scheint ihm ein tiefes Geheimnis zu ent-schleiern. Er glaubt sich seit dem Eindrucke dieser Er-scheinung im Besitze des Schlüssels zu der Rätselspracheder Natur. - Als geistiger Einsiedler lebt er, bescheidensich von seinem Handwerk ernährend, und daneben, wiefür sein eigenes Gedächtnis, die Töne aufzeichnend, die inseinem Innern klingen, wenn er den Geist in sich fühlt.Zelotischer Priestereifer macht dem Manne das Lebenschwer. Er, der nur die Schrift lesen will, die ihm das Lichtseines Innern erleuchtet, wird verfolgt und gequält vondenen, welchen nur die äußere Schrift, das starre, dogma-tische Bekenntnis zugänglich ist.

Ein Welträtsel lebt als Unruhe, die zur Erkenntnis treibt,

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in Jacob Böhmes Seele. Er glaubt mit seinem Geiste ineine göttliche Harmonie eingesenkt zu sein; wenn er aberum sich sieht, so sieht er in den göttlichen Werken überallDisharmonie. Dem Menschen eignet das Licht der Weis-heit; und doch ist er dem Irrtum ausgesetzt; es lebt inihm der Trieb zum Guten, und doch klingt der Mißtondes Bösen durch die ganze menschliche Entwicklung. DieNatur wird beherrscht von den großen Naturgesetzen;und doch stören Unzweckmäßigkeiten und ein wilderKampf der Elemente ihren Einklang. Wie ist die Dishar-monie in dem harmonischen Weltganzen zu begreifen.Diese Frage quält Jacob Böhme. Sie tritt in den Mittel-punkt seiner Vorstellungswelt. Er will eine Anschauungvon dem Weltganzen gewinnen, welche das Disharmoni-sche mit umschließt. Denn wie sollte eine Vorstellung dieWelt erklären, welche das vorhandene Disharmonischeunerklärt liegen ließe ? Die Disharmonie muß aus der Har-monie, das Böse aus dem Guten selbst erklärt werden. Be-schränken wir uns, indem wir von diesen Dingen reden,auf das Gute und Böse, in dem die Disharmonie im enge-ren Sinne im Menschenleben ihren Ausdruck findet. DennJacob Böhme beschränkt sich im Grunde darauf. Er kannes, denn ihm erscheinen Natur und Mensch als Eine We-senheit. Er sieht in beiden ähnliche Gesetze und Vor-gänge. Das Unzweckmäßige ist ihm ein Böses in der Natur,wie ihm das Böse ein Unzweckmäßiges im Menschen-schicksal ist. Die gleichen Grundkräfte walten da und dort.Wer den Ursprung des Bösen im Menschen erkannt hat,vor dem Hegt auch derjenige des Bösen in der Natur offen. —Wie kann nun aus dem gleichen Urwesen das Böse wiedas Gute fließen? Wenn man im Sinne Jacob Böhmes

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spricht, so gibt man die folgende Antwort. Das Urwesenlebt sein Dasein nicht in sich aus. Die Mannigfaltigkeitder Welt nimmt an diesem Dasein teil. Wie der mensch-liche Leib sein Leben nicht als einzelnes Glied, sondern alseine Vielheit von Gliedern lebt, so auch das Urwesen. Undwie das menschliche Leben in diese Vielheit von Gliedernausgegossen ist, so das Urwesen in die Mannigfaltigkeitder Dinge dieser Welt. So wahr es ist, daß der ganzeMensch ein Leben hat, so wahr ist es, daß jedes Glied seineigenes Leben hat. Und so wenig es dem ganzen harmoni-schen Leben des Menschen widerspricht, daß seine Handsich gegen den eigenen Leib kehrt und diesen verwundet,so wenig ist es unmöglich, daß die Dinge der Welt, die dasLeben des Urwesens auf ihre eigene Weise leben, sichgegeneinander kehren. Also schenkt das Urleben, indem essich auf verschiedene Leben verteilt, einem jeglichen Lebendie Fähigkeit, sich gegen das Ganze zu kehren. Nicht ausdem Guten strömt das Böse, sondern aus der Art, wie dasGute lebt. Wie das Licht nur zu scheinen vermag, wenn esdie Finsternis durchdringt, so vermag das Gute sich nurzum Leben zu bringen, wenn es seinen Gegensatz durch-setzt. Aus dem «Ungrunde» der Finsternis heraus erstrahltdas Licht; aus dem «Ungrunde» des Gleichgültigen gebiertsich das Gute. Und wie im Schatten nur die Helligkeit denHinweis auf das Licht verlangt; die Finsternis aber selbst-verständlich als das Licht schwächend empfunden wird:so wird auch in der Welt nur die Gesetzmäßigkeit in allenDingen gesucht, und das Böse, das Unzweckmäßige alsdas Selbstverständliche hingenommen. Trotzdem also fürJacob Böhme das Urwesen das All ist, so kann doch nichtsin der Welt verstanden werden, wenn man nicht das Ur-

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wesen und seinen Gegensatz zugleich im Auge hat. «DasGute hat das Böse oder Widerwärtige in sich verschlun-gen ... Jedes Wesen hat in sich Gutes und Böses, undin seinerAuswicklung, indem es sich in Schiedlichkeit fuhrt, wirdes ein Contrarium der Eigenschaften, da eine die anderezu überwältigen sucht.» Es ist daher durchaus im SinneJacob Böhmes, in jedem Ding und Vorgang der WeltGutes und Böses zu sehen; aber es ist nicht in seinem Sinne,ohne weiteres, in der Vermischung des Guten mit demBösen das Urwesen zu suchen. Das Urwesen mußte dasBöse verschlingen; aber das Böse ist nicht ein Teil des Ur-wesens. Jacob Böhme sucht den Urgrund der Welt; dieWelt selbst aber ist durch den Urgrund aus dem Ungrundentsprungen. «Die äußere Welt ist nicht Gott, wird auchewig nicht Gott genannt, sondern nur ein Wesen, darinsich Gott offenbart... Wenn man sagt: Gott ist alles, Gottist Himmel und Erde und auch die äußere Welt, so ist daswahr; denn von ihm und in ihm urständet alles. Was macheich aber mit einer solchen Rede, die keine Religion ist?» -Mit solcher Anschauung im Hintergrunde erbauten sich inJacob Böhmes Geist seine Vorstellungen über das Wesenaller Welt, indem er in einer Stufenfolge die gesetzmäßigeWelt aus dem Ungrunde erstehen läßt. In sieben Natur-gestalten erbaut sich diese Welt. In dunkler Herbigkeiterhält das Urwesen Gestalt, stumm in sich verschlossenund regungslos. Unter dem Symbol des Salzes begreiftBöhme diese Herbigkeit. Er lehnt sich mit solchen Bezeich-nungen an Paracelsus an, der den chemischen Vorgängendie Namen für den Naturprozeß entlehnt hat (vgl. obenS. 116 f.). Durch die Verschlingung ihres Gegensatzes trittdie erste Naturgestalt in die Form der zweiten ein; das

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Herbe, Regungslose nimmt die Bewegung auf; Kraft undLeben tritt in sie. Das Quecksilber ist Symbol für diesezweite Gestalt. In dem Kampf der Ruhe und Bewegung,des Todes mit dem Leben, enthüllt sich die dritte Natur-gestalt (Schwefel). Dieses in sich kämpfende Leben wirdsich offenbar; es lebt fortan nicht mehr einen äußerenKampf seiner Glieder; es durchbebt wie ein einheitlichleuchtender Blitz sich selbst erhellend sein Wesen (Feuer).Diese vierte Naturgestalt steigt auf zur fünften, dem in sichruhenden lebendigen Kampf der Teile (Wasser). Auf die-ser Stufe ist eine innere Herbigkeit und Stummheit wie aufder ersten vorhanden; nur ist es nicht eine absolute Ruhe,ein Schweigen der inneren Gegensätze, sondern eine innereBewegung der Gegensätze. Es ruht in sich nicht das Ru-hige, sondern das Bewegte, das durch den Feuerblitz dervierten Stufe Entzündete. Auf der sechsten Stufe wird sichdie Urwesenheit selbst als solches inneres Leben gewahr;sie nimmt sich durch Sinnesorgane wahr. Die mit Sinnenbegabten Lebewesen stellen diese Naturgestalt dar. JacobBöhme nennt sie Schall oder Hall und setzt damit die Sin-nesempfindung des Tones für das sinnliche Wahrnehmenals Symbol. Die siebente Naturgestalt ist der auf Grund sei-ner Sinneswahrnehmungen sich erhebende Geist (die Weis-heit). Er findet sich innerhalb der im Ungrunde erwach-senen, aus Harmonischem und Disharmonischem sich ge-staltenden Welt als sich selbst, als Urgrund wieder. «Derheilige Geist führt den Glanz der Majestät in die Wesen-heit, darinnen die Gottheit offenbar steht.» - Mit solchenAnschauungen sucht Jacob Böhme die Welt zu ergründen,die ihm, nach dem Wissen seiner Zeit, für die tatsächlichegilt. Für ihn sind Tatsachen die von der Naturwissen-

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schaft seiner Zeit und von der Bibel als solche angesehe-nen. Ein anderes ist seine Vorstellungsart, ein anderes seineTatsachenwelt. Man kann sich die erstere auf eine ganzandere Tatsachenerkenntnis angewendet denken. Und soerscheint vor unserem Geiste ein Jacob Böhme, wie erauch an der Grenzscheide des neunzehnten und zwanzig-sten Jahrhunderts leben könnte. Ein solcher würde mitseiner Vorstellungsart nicht das biblische Sechstagewerkund den Kampf der Engel und Teufel durchdringen, son-dern Lyells geologische Erkenntnisse und die Tatsache der«Natürlichen Schöpfungsgeschichte» Haeckels. Wer inden Geist von Jacob Böhmes Schriften dringt, der mußzu dieser Überzeugung kommen. (Es seien die wichtig-sten dieser Schriften genannt: «Die MorgenrÖthe im Auf-gang.» «Die drei Prinzipien göttlichen Wesens.» «Vom drei-fachen Leben des Menschen.» «Das umgewandte Auge.»«Signatura rerum oder von der Geburt und Bezeichnungaller Wesen.» «Mysterium magnum.»)*

[Zusatz zur Neuauflage (1924):]

* Dieser Satz darf nicht so verstanden werden, als ob in der Gegenwartdie Erforschung der Bibel und der geistigen Welt eine Verirrung sei;gemeint ist, daß ein «Jacob Böhme des neunzehnten Jahrhunderts» durchähnliche Wege, wie sie den des sechzehnten Jahrhunderts zur Bibel führ-ten, zu der «natürlichen Schöpfungsgeschichte» geführt würde. Aber erwürde von da aus zur geistigen Welt vordringen.

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GIORDANO BRUNO UND ANGELUS SILESIUS

Im ersten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts ersinntauf dem Schloß zu Heilsberg in Preußen das naturwissen-schaftliche Genie des Nikolaus Kopernikus (1473-1543) einGedankengebäude, das die Menschen der folgenden Zeit-alter zwingt, mit anderen Vorstellungen zum gestirntenHimmel aufzusehen, als ihre Ahnen im Altertum und Mit-telalter gehabt haben. Diesen war die Erde ihr im Mittel-punkt des Weltalls ruhender Wohnplatz. Die Gestirne aberwaren ihnen Wesenheiten von einer vollkommenen Natur,deren Bewegung in Kreisen verlief, weil der Kreis dasBild der Vollkommenheit ist. - In dem, was die Sterneden menschlichen Sinnen zeigten, wurde unmittelbar etwasSeelisches, Geistiges erblickt. Eine andere Sprache redetenzu dem Menschen die Dinge und Vorgänge auf der Erde;eine andere die leuchtenden Gestirne, die jenseits des Mon-des im reinen Äther wie ein den Raum erfüllendes Geist-wesen erschienen. Nicolaus von Kues hat sich bereits an-dere Gedanken gebildet. Durch Kopernikus wurde für denMenschen die Erde ein Bruderwesen gegenüber den anderenHimmelskörpern, ein Gestirn, das sich wie andere bewegt.AlleUnterschiedenheit, die sie für den Menschen aufweist,konnte dieser nunmehr nur darauf zurückfuhren, daß sie seinWohnplatz ist. Er wurde gezwungen, nicht mehr verschie-den über die Vorgänge dieser Erde und über diejenigen desandern Weltraumes zu denken. Seine Sinnenwelt hatte sichbis in die fernsten Räume erweitert. Er mußte, was vomÄther in sein Auge drang, nunmehr ebenso als Sinnenweltgelten lassen, wie die Dinge der Erde. Er konnte in demÄther nicht mehr auf sinnliche Weise den Geist suchen.

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Mit dieser erweiterten Sinneswelt mußte sich ausein-andersetzen, wer fortan nach höherer Erkenntnis strebte.In früheren Jahrhunderten stand der sinnende Menschen-geist vor einer anderen Tatsachenwelt. Nun war ihm eineneue Aufgabe gestellt. Nicht mehr die Dinge dieser Erdeallein konnten von des Menschen Innern heraus ihr Wesenaussprechen. Dieses Innere mußte den Geist einer Sinnen-welt umfassen, die in überall gleicher Art das räumlicheAll erfüllt. - Vor einer solchen Aufgabe stand der Denkeraus Nola, Philotheo Giordano Bruno (1548-1600). Die Sinnehaben sich das räumliche Weltall erobert; der Geist istnun nicht mehr im Räume zu finden. So wurde der Menschvon außen darauf hingewiesen, den Geist fortan nur mehrdort zu suchen, wo ihn, aus tiefen inneren Erlebnissenheraus, die herrlichen Denker gesucht haben, deren Reihedie vorhergehenden Ausführungen an uns vorübergeführthaben. Diese Denker schöpfen aus sich eine Weltanschau-ung, zu der später eine fortgeschrittene Naturwissenschaftdie Menschen zwingt. Die Sonne der Ideen, die späterauf eine neue Naturanschauung fallen soll, steht bei ihnennoch unter dem Horizont; aber ihr Licht erscheint bereitsals Morgendämmerung in einer Zeit, als die Gedanken derMenschen über die Natur selbst noch im nächtlichen Dun-kel liegen. - Das sechzehnte Jahrhundert hat für die Na-turwissenschaft den Himmelsraum der Sinnenwelt gege-ben, der er rechtmäßig angehört; bis zum Ende des neun-zehnten Jahrhunderts war diese Wissenschaft so weit, daßsie auch innerhalb der Erscheinungen des pflanzlichen,tierischen und menschlichen Lebens dasjenige der sinn-lichen Tatsachenwelt geben konnte, was dieser zukommt.Weder droben im Äther, noch in der Entwicklung der

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Lebewesen darf nunmehr diese Naturwissenschaft etwasanderes suchen als tatsächlich-sinnliche Prozesse. Wie derDenker im sechzehnten Jahrhundert sagen mußte: DieErde ist ein Stern unter Sternen, den gleichen Gesetzenunterworfen wie andere Sterne - so muß derjenige desneunzehnten Jahrhunderts sagen: «Der Mensch, mag seineEntstehung, seine Zukunft sein, wie sie wolle, ist für dieAnthropologie nur ein Säugetier, und zwar dasjenige, des-sen Organisation, Bedürfnisse und Krankheiten die ver-wickeltesten sind, und dessen Gehirn mit seiner bewunde-rungswürdigen Leistungsfähigkeit den höchsten Grad derEntwicklung erreichte.» (Paul Topinard: «Anthropolo-gie», Leipzig 1888, S. 528.)- Von einem solchen durch dieNaturwissenschaft erreichten Gesichtspunkt kann eineVerwechslung von Geistigem und Sinnlichem nicht mehreintreten, wenn der Mensch sich selbst recht versteht. Dieentwickelte Naturwissenschaft macht es unmöglich, in derNatur einen, nach Art des Materiellen gedachten Geist zusuchen, wie ein gesundes Denken es unmöglich macht, denGrund des Vorrückens der Uhrzeiger nicht in den mecha-nischen Gesetzen (dem Geist der unorganischen Natur),sondern in einem besonderen Dämon zu suchen, der dieZeigerbewegung bewirkte. Mit Recht mußte Ernst Haek-kel die grobe Vorstellung von dem nach materieller Artgedachten Gott als Naturforscher zurückweisen. «In denhöheren und abstrakteren Religionsformen wird diese kör-perliche Erscheinung aufgegeben und Gott nur als <reinerGeist>> ohne Körper verehrt. < Gott ist ein Geist, und werihn anbetet, soll ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.>Trotzdem bleibt aber die Seelentätigkeit dieses reinen Gei-stes ganz dieselbe wie diejenige der anthropomorphen Got-

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tesperson. In Wirklichkeit wird auch dieser immaterielleGeist nicht unkörperlich, sondern unsichtbar gedacht, gas-förmig. Wir gelangen so zu der paradoxen VorstellungGottes als eines gasförmigen Wirbeltieres,,» (Haeckel, «DieWelträtsel», S. 333.) In Wirklichkeit darf ein sinnlich-tat-sächliches Dasein eines Geistigen nur da angenommenwerden, wo unmittelbare sinnliche Erfahrung Geistigeszeigt; und es darf nur ein solcher Grad des Geistigen vor-ausgesetzt werden, als auf diese Art wahrgenommen wird.Der ausgezeichnete Denker B. Carneri durfte (in der Schrift«Empfindung und Bewußtsein», S. 15) sagen: «Der Satz:Kein Geist ohne Materie, aber auch keine Materie ohneGeist, - würde uns berechtigen, die Frage auch auf diePflanze, ja, auf den nächsten besten Felsblock auszudehnen,bei welchem kaum etwas zugunsten dieser Korrelatbegriffesprechen dürfte.» Geistige Vorgänge als Tatsachen sinddie Ergebnisse verschiedener Verrichtungen eines Orga-nismus; der Geist der Welt ist nicht auf materielle Art,sondern eben nur auf geistige Art in der Welt vorhanden.Die Seele des Menschen ist eine Summe von Vorgängen,in denen der Geist am unmittelbarsten als Tatsache er-scheint. In der Form einer solchen Seele ist aber der Geistnur im Menschen vorhanden. Und es heißt den Geist miß-verstehen, es heißt, die schlimmste Sünde wider den Geistbegehen, wenn man den Geist in Seelenform anderswo alsim Menschen sucht, wenn man sich andere Wesen so be-seelt denkt, wie den Menschen. Wer dies tut, zeigt nur,daß er den Geist selbst in sich nicht erlebt hat; er hat nurdie in ihm waltende äußere Erscheinungsform des Geistes,die Seele, erlebt. Das aber ist gerade so, wie wenn jemandeinen mit Bleistift hingezeichneten Kreis für den wirklich

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mathematisch-idealen Kreis hielte. Wer nichts anderes insich erlebt, als die Seelenform des Geistes, der fühlt sichdann gedrängt, auch in den nichtmenschlichen Dingen sol-che Seelenform vorauszusetzen, damit er nicht bei dergrob-sinnlichen Materialität stehen zu bleiben brauche.Statt den Urgrund der Welt als Geist zu denken, denkt erihn als Weltseele, und nimmt eine allgemeine Beseelungder Natur an.

Giordano Brunoy auf den die neue kopernikanische Natur-betrachtung eindrang, konnte auf keine andere Art denGeist in der Welt fassen, aus der er in der alten Form ver-trieben war, denn als Weltseek. Man hat, wenn man sichin Brunos Schriften vertieft (insbesondere in sein tiefsin-niges Buch «Von der Ursache, dem Prinzip und demEinen»), den Eindruck, daß er sich die Dinge beseeltdachte, wenn auch in verschiedenem Grade. Er hat denGeist in Wirklichkeit nicht in sich erlebt, deshalb denkt ersich ihn nach Art der Menschenseele, in der er ihm alleinentgegengetreten ist. Wenn er von Geist spricht, so faßter ihn in dieser Art auf. «Die universelle Vernunft ist dasinnerste, wirklichste und eigenste Vermögen und ein po-tentieller Teil der Weltseele; sie ist ein Identisches, welchesdas All erfüllt, das Universum erleuchtet und die Naturunterweist, ihre Gattungen, so wie sie sein sollen, hervor-zubringen.» Der Geist wird zwar in diesen Sätzen nichtals «gasförmiges Wirbeltier», wohl aber als ein Wesengeschildert, das so ist wie die Menschenseele, «Das Dingsei nun so klein und winzig als es wolle, es hat in sicheinen Teil von geistiger Substanz, welche, wenn sie dasSubstrat dazu angetan findet, sich darnach streckt, einePflanze, ein Tier zu werden, und sich zu einem beliebigen

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Körper organisiert, welcher gemeinhin beseelt genanntwird. Denn Geist findet sich in allen Dingen, und es istauch nicht das kleinste Körperchen, welches nicht einensolchen Anteil in sich faßte, daß er sich nicht belebte.» -Weil Giordano Bruno den Geist nicht wirklich als Geistin sich erlebt hat, deshalb konnte er auch das Leben desGeistes mit den äußeren mechanischen Verrichtungen ver-wechseln, mit denen Raymundus Lullus (1235-1315) inseiner sog. «Großen Kunst» die Geheimnisse des Geistesentschleiern wollte. Ein neuerer Philosoph, Franz Bren-tano, beschreibt diese «Große Kunst» so: «Auf konzen-trischen, vereinzelt drehbaren Kreisscheiben wurden Be-griffe aufgezeichnet, und dann dadurch die verschieden-artigsten Kombinationen hergestellt.» Was der Zufall beider Drehung übereinanderschob, das wurde zu einem Ur-teile über die höchsten Wahrheiten geformt. Und GiordanoBruno trat auf seinen mannigfaltigen Irrfahrten durchEuropa an verschiedenen hohen Schulen als Lehrer dieser«Großen Kunst» auf. Er hat den kühnen Mut gehabt,die Gestirne als Welten zu denken, vollkommen analogunserer Erde; er hat den Blick naturwissenschaftlichenDenkens über die Erde hinaus erweitert; er dachte dieWeltkörper nicht mehr als körperliche Geister; aber er dachtesie doch noch als seelische Geister. Man darf nicht un-gerecht sein gegen den Mann, den seine fortgeschritteneVorstellungsart die katholische Kirche mit dem Todebüßen ließ. Es gehörte ein Ungeheures dazu, den ganzenHimmelsraum in dieselbe Weltbetrachtung einzuspannen,die man bis dahin bloß für irdische Dinge hatte, wennBruno auch das Sinnliche noch seelisch dachte.

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Als eine Persönlichkeit, die in einer großen seelischen Har-monie noch einmal aufleuchten ließ, was Tauler, Weigel,Jacob Böhme und andere vorbereitet hatten, erschien imsiebzehnten Jahrhundert Johann Schefffer, genannt AngelusSiksius (1624-1677). Wie in einem geistigen Brennpunktegesammelt und in erhöhter Leuchtkraft strahlend, erschei-nen die Ideen der genannten Denker in seinem Buche:«Cherubinischer Wandersmann. Geistreiche Sinn- undSchlußreime.» Und alles, was Angelus Süesius ausspricht,erscheint als solch eine unmittelbare, selbstverständlicheOffenbarung seiner Persönlichkeit, daß es ist, als wenn die-ser Mann durch eine besondere Vorsehung berufen wordenwäre, die Weisheit in persönlicher Gestalt zu verkörpern.Die selbstverständliche Art, in der er die Weisheit darlebt,kommt dadurch zum Ausdruck, daß er sie in Sprüchendarstellt, die auch bezüglich ihrer Kunstform bewunderns-wert sind. Er schwebt wie ein Geistwesen über allem irdi-schen Dasein; und, was er spricht, ist wie der Hauch auseiner anderen Welt, von vornherein befreit von allemGroben und Unreinen aus dem sich sonst menschlicheWeisheit nur mühsam herausarbeitet. - Wahrhaft erken-nend verhält sich im Sinne des Angelus Silesius nur, werdas Auge des Alls in sich zum Schauen bringt; in wahremLichte sieht sein Tun nur, wer dies Tun in sich verrichtetfühlt durch die Hand des Alls: «Gott ist in mir das Feur,und ich in ihm der Schein: sind wir einander nicht ganzinniglich gemein?» - «Ich bin so reich als Gott; es kannkein Stäublein sein, das ich- Mensch glaube mir - mit ihmnicht hab* gemein.» - «Gott liebt mich über sich: liebich ihn über mich: so geb ich ihm so viel, als er mir gibtaus sich.» - «Der Vogel in der Luft, der Stein ruht auf

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dem Land; im Wasser lebt der Fisch, mein Geist in GottesHand.» - «Bist du aus Gott geborn, so blühet Gott in dir:und seine Gottheit ist dein Saft und deine Zier.» - «Halt an,wo laufst du hin; der Himmel ist in dir: Suchst du Gottanderswo, du fehlst ihn für und für.» - Für den, der sichso im All fühlt, hört jede Trennung zwischen sich undeinem anderen Wesen auf; er empfindet sich nicht mehrals einzelnes Individuum; er empfindet vielmehr alles, wasan ihm ist, als Glied der Welt, seine eigentliche Wesenheitaber als dieses Weltall selbst. «Die Welt, die hält dichnicht; du selber bist die Welt, die dich in dir mit dir sostark gefangen hält.» - «Der Mensch hat eher nicht voll-kommne Seligkeit: bis daß die Einheit hat verschluckt dieAnderheit.» - «Der Mensch ist alle Ding': ist's daß ihmeins gebricht, so kennet er fürwahr sein Reichtum selbernicht.» - Als sinnliches Wesen ist der Mensch ein Dingunter anderen Dingen, und seine sinnlichen Organe brin-gen ihm als sinnlicher Individualität sinnliche Kunde vonden Dingen in Raum und Zeit außer ihm; spricht aber derGeist in dem Menschen, dann gibt es kein Außen und keinInnen; nichts ist hier und nichts ist dort, was geistig ist;nichts ist früher, und nichts ist später: Raum und Zeitsind in der Anschauung des Allgeistes verschwunden. Nurso lange der Mensch als Individuum schaut, ist er hier,und das Ding dort; und nur so lange er als Individuumschaut, ist dies früher, und dies später. «Mensch, wo dudeinen Geist schwingst über Ort und Zeit, so kannst dujeden Blick sein in der Ewigkeit.» - «Ich selbst bin Ewig-keit, wann ich die Zeit verlasse, und mich in Gott, undGott in mich zusammenfasse.» - «Die Rose, welche hierdein äußres Auge sieht, die hat von Ewigkeit in Gott also

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geblüht.» - «Setz dich in'n Mittelpunkt, so siehst du all'szugleich: was jetzt und dann geschieht, hier und im Him-melreich.» - «So lange dir, mein Freund, im Sinn liegtOrt und Zeit: so faßt du nicht, was Gott ist und die Ewig-keit.» — «Wenn sich der Mensch entzieht der Mannigfaltig-keit, und kehrt sich ein zu Gott, kommt er zur Einigkeit.»- Die Höhe ist damit erstiegen, auf welcher der Menschhinausschreitet über sein individuelles Ich und jeden Ge-gensatz zwischen der Welt und sich aufhebt. Ein höheresLeben beginnt für ihn. Wie der Tod des alten und eine Auf-erstehung im neuen Leben erscheint ihm das innere Erleb-nis, das ihn überkommt. «Wann du dich über dich erhebstund läßt Gott walten: so wird in deinem Geist die Himmel-fahrt gehalten.» - «Der Leib muß sich im Geist, der Geistin Gott erheben: wo du in ihm, mein Mensch, willst ewigselig leben.» - «So viel mein Ich in mir verschmachtetund abnimmt: so viel des Herren Ich darvor zu Kräftenkömmt.» — Von solchem Gesichtspunkt aus erkennt derMensch seine Bedeutung und die Bedeutung aller Dingeim Reich der ewigen Notwendigkeit. Das natürliche Allerscheint ihm unmittelbar als der göttliche Geist. Der Ge-danke an einen göttlichen Allgeist, der noch über undneben den Dingen der Welt Sein und Bestand habenkönnte, schwindet als eine überwundene Vorstellung da-hin. Dieser Allgeist erscheint so in die Dinge ausgeflossen,so mit den Dingen wesenseins geworden, daß er nichtmehr gedacht werden könnte, wenn aus seinem Wesennur ein einziges Glied weggedacht würde. «Nichts ist, alsIch und Du; und wenn wir zwei nicht sein: so ist Gottnicht mehr Gott, und fällt der Himmel ein.» - Der Menschfühlt sich als notwendiges Glied in der Weltenkette. Sein

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Tun hat nichts mehr von Willkür, oder Individualität ansich. Was er tut, ist notwendig im Ganzen, in der Welten-kette, die auseinanderfiele, wenn dieses sein Tun aus ihrherausfiele. «Gott mag nicht ohne mich ein einzigs Würm-lein machen: erhalt ich's nicht mit ihm, so muß es strackszerkrachen.» - «Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht einNu kann leben: werd ich zu nicht, er muß von Not denGeist aufgeben.» - Auf dieser Höhe erst sieht der Menschdie Dinge in ihrem rechten Wesen. Er hat nicht mehr nötig,dem Kleinsten, dem Grobsinnlichen eine geistige Wesen-heit von außen beizulegen. Denn so wie dieses Kleinsteist, in aller seiner Kleinheit und Grobsinnlichkeit, ist esGlied im All. «Kein Stäublein ist so schlecht, kein Stüpf-chen ist so klein: der Weise siehet Gott ganz herrlichdrinne sein.» - «In einem Senfkörnlein, so du's verstehenwillst: ist aller oberen und untren Dinge Bild.» - DerMensch fühlt sich auf dieser Höhe frei. Denn Zwang istnur, wo ein Ding noch von außen zwingen kann. Wennaber alles Äußere eingeflossen ist in das Innere, wenn derGegensatz zwischen «Ich und Welt», «Draußen und Drin-nen», «Natur und Geist» geschwunden ist: dann fühltder Mensch alles, was ihn treibt, nur als seinen eigenenTrieb. «Schließ mich, so streng du willst, in tausendEisen ein: ich werde doch ganz frei und ungefesselt sein.»- «Dafern mein Will* ist tot, so muß Gott, was ich will:ich schreib ihm selber vor das Muster und das Ziel.» -Nun hören alle von außen kommenden sittlichen Normenauf; der Mensch wird sich Maß und Ziel. Er steht unterkeinem Gesetz; denn auch das Gesetz ist sein Wesen gewor-den. «Für Bös* ist das Gesetz; war kein Gebot geschrie-ben : die Frommen würden doch Gott und den Nächsten

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lieben.» - Dem Menschen ist so, auf der höheren Stufeder Erkenntnis, die Unschuld der Natur wiedergegeben. Ervollzieht die Aufgaben, die ihm gesetzt sind, im Gefühleiner ewigen Notwendigkeit. Er sagt sich: es ist durchdiese eherne Notwendigkeit in deine Hand gegeben, dieserselben ewigen Notwendigkeit das Glied zu entziehen, dasdir zugeteilt ist. «Ihr Menschen, lernet doch vom Wiesen-blümelein: wie ihr könnt Gott gefall'n und gleichwohlschöne sein.» - «Die Ros' ist ohn' warum, sie blühet, weilsie blühet: sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob mansie siehet.» - Der auf höherer Stufe erstandene Menschempfindet in sich den ewigen, notwendigen Drang des Alls,wie die Wiesenblume; er handelt, wie die Wiesenblumeblüht. Das Gefühl seiner sittlichen Verantwortlichkeitwächst bei all seinem Tun ins Unermeßliche. Denn, was ernicht tut, ist dem All entzogen, ist Tötung dieses Alls,soweit die Möglichkeit solcher Tötung an ihm liegt. «Wasist nicht sündigen? Du darfst nicht lange fragen: geh hin,es werden's dir die stummen Blumen sagen.» - «Alls mußgeschlachtet sein. Schlacht'st du dich nicht für Gott, soschlachtet dich zuletzt für'n Feind der ew'ge Tod.»

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AUSKLANG

Zwei und ein halbes Jahrhundert sind nahezu verflossen,seit Angelus Silesius in seinem «Cherubinischen Wanders-mann» die tiefe Weisheit seiner Vorgänger gesammelt hat.Reiche Einsichten in die Natur haben diese Jahrhundertegebracht. Goethe hat der Naturwissenschaft eine große Per-spektive eröffnet. Er suchte die ewigen, ehernen Gesetzedes Naturwirkens bis zu dem Gipfel zu verfolgen, wo sieden Menschen mit ebensolcher Notwendigkeit entstehenlassen, wie sie auf unterer Stufe den Stein hervorbringen(vgl. mein Buch: «Goethes Weltanschauung»). Lamarck,Darwin> Haeckel u. a. haben im Sinne dieser Vorstellungs-art weiter gewirkt. Die «Frage aller Fragen», die nach demnatürlichen Ursprung des Menschen, hat im neunzehntenJahrhundert ihre Antwort erfahren. Andere sich daranschließende Aufgaben im Reiche der natürlichen Vorgängehaben ihre Lösungen gefunden. Man begreift es heute,daß man aus dem Reiche des Tatsächlichen und Sinnlichennicht herauszutreten braucht, wenn man die Stufenreiheder Wesen, bis herauf zum Menschen, in ihrer Entwicke-lung rein natürlich verstehen will. - Und auch in das Wesendes menschlichen «Ich» hat der Scharfsinn J. G. Fichtesgeleuchtet und der menschlichen Seele gezeigt, wo sie sichsuchen soll und was sie ist (vgl. oben, S. 17, und den Ab-schnitt über Fichte in meinem Buche: «Welt- und Lebens-anschauungen im neunzehnten Jahrhundert», in Neuaus-gabe als «Rätsel der Philosophie»). Hege/hat das Reich desGedankens über alle Gebiete des Seins ausgedehnt, unddas äußere sinnliche Naturdasein ebenso wie die höch-sten Schöpfungen des Menschengeistes in ihrer Gesetz-

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mäßigkeit denkend zu erfassen gesucht (vgl. meine Dar-stellung Hegels in «Rätsel der Philosophie», Bd. I). - Wieerscheinen die Geister, deren Gedanken in dieser Schriftverfolgt worden sind, im Lichte der Weltanschauung, diemit den wissenschaftlichen Errungenschaften der auf ihreEpochen folgenden Zeiten rechnet? Sie haben noch an eine«übernatürliche» Schöpfungsgeschichte geglaubt. Wienehmen sich ihre Gedanken vor einer «natürlichen» aus,welche die Naturwissenschaft des neunzehnten Jahrhun-derts geschaffen hat? - Diese Naturwissenschaft hat derNatur nichts gegeben, was ihr nicht gehört; sie hat ihr nurgenommen, was ihr nicht gehört. Sie hat alles das aus ihrverbannt, was nicht in ihr zu suchen ist, sondern was sichnur im Innern des Menschen findet. Sie sieht kein Wesenmehr in der Natur, das so ist, wie die Menschenseele, unddas schafft nach Art des Menschen. Sie läßt die Organis-menformen nicht mehr von einem menschenähnlichenGott geschaffen sein; sie verfolgt ihre Entwicklung in derSinnenwelt nach rein natürlichen Gesetzen. Der MeisterEckhart sowohl wie Tauler, und auch Jacob Böhme wieAngelus Silesius müßten bei Betrachtung dieser Natur-wissenschaft die tiefste Befriedigung empfinden. Der Geist,in dem sie die Welt betrachten wollten, ist im vollsten Sinneauf diese Naturbetrachtung übergegangen, wenn sie richtigverstanden wird. Was sie noch nicht konnten, auch die Tat-sachen der Natur selbst in das Licht rücken, das ihnen auf-gegangen war, das wäre ihre Sehnsucht ohne Zweifel ge-worden, wenn diese Naturwissenschaft ihnen vorgelegenhätte. Sie konnten es nicht; denn keine Geologie, keine«natürliche Schöpfungsgeschichte» erzählte ihnen von denVorgängen in der Natur. Die Bibel allein erzählte ihnen

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auf ihre Art von solchen Vorgängen. Sie haben deshalb,so gut sie es konnten, das Geistige dort gesucht, wo esallein zu finden ist: im menschlichen Innern. Gegenwärtighätten sie noch ganz andere Hilfsmittel als zu ihrer Zeit,zu zeigen, daß ein in sinnenfälliger Form existierender Geistnur im Menschen zu finden ist. Sie würden heute rück-haltlos mit denen übereinstimmen, die den Geist als Tat-sache nicht in der Wurzel der Natur, sondern in ihrerFrucht suchen. Sie würden zugeben, daß der Geist imSinnenkörper ein Entwickelungsergebnis ist, und daß aufunteren Stufen der Entwicklung ein solcher Geist nichtgesucht werden darf. Sie würden verstehen, daß nicht ein«Schöpfungsgedanke» bei dem Entstehen des Geistes imOrganismus gewaltet hat, ebensowenig wie ein solcher«Schöpfungsgedanke» den Affen aus den Beuteltieren hathervorgehen lassen. - Unsere Gegenwart kann über dieTatsachen der Natur nicht sprechen, wie Jacob Böhmeüber sie gesprochen hat. Aber es gibt einen Gesichtspunktauch in dieser Gegenwart, der die AnschauungsweiseJacob Böhmes einer mit der modernen Naturwissenschaftrechnenden Weltanschauung nahe bringt. Man brauchtnicht den Geist zu verlieren, wenn man in der Natur nurNatürliches findet. Viele glauben heute allerdings, manmüsse in einen flachen und nüchternen Materialismus ver-fallen, wenn man die von der Naturwissenschaft gefunde-nen «Tatsachen» einfach hinnimmt. Ich selbst stehe völligauf dem Boden dieser Naturwissenschaft. Ich habe durch-aus die Empfindung, daß bei einer Naturbetrachtung, wiediejenige Ernst Haeckels ist, nur derjenige verflachen kann,der schon mit einer flachen Gedankenwelt an sie heran-geht. Ich empfinde ein Höheres, Herrlicheres, wenn ich die

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Offenbarungen der «Natürlichen Schöpfungsgeschichte» aufmich wirken lasse, als wenn die übernatürlichen Wunder-geschichten der Glaubensbekenntnisse auf mich eindrin-gen. Ich kenne in keinem «heiligen» Buche etwas, das soErhabenes mir enthüllt, wie die «nüchterne» Tatsache,daß jeder Menschenkeim im Mutterleibe aufeinanderfol-gend in Kürze diejenigen Tierformen wiederholt, die seinetierischen Vorfahren durchgemacht haben. Erfüllen wirunser Gemüt mit der Herrlichkeit der Tatsachen, die un-sere Sinne schauen, dann werden wir wenig übrig habenfür die «Wunder», die nicht im Kreislaufe der Natur liegen.Erleben wir den Geist in uns, dann brauchen wir keinensolchen draußen in der Natur. Ich habe in meiner «Philo-sophie der Freiheit» meine Weltanschauung beschrieben,die den Geist nicht zu vertreiben glaubt, weil sie die Naturso ansieht, wie sie Darwin und Haeckel ansehen. EinePflanze, ein Tier gewinnen für mich nichts, wenn ich siemit Seelen bevölkere, von denen mir meine Sinne keineKunde geben. Ich suche nicht in der Außenwelt nacheinem «tieferen», «seelischen» Wesen der Dinge, ja ichsetze es nicht einmal voraus, weil ich glaube, daß dieErkenntnis, die mir in meinem Innern aufleuchtet, michdavor bewahrt. Ich glaube, daß die Dinge der Sinnenweltdas auch sind, als was sie sich uns darstellen, weil ich sehe,daß eine rechte Selbsterkenntnis uns dahin führt, in derNatur nichts als natürliche Vorgänge zu suchen. Ich suchekeinen Gottesgeist in der Natur, weil ich das Wesen desMenschengeistes in mir zu vernehmen glaube. Zu meinenTier-Ahnen bekenne ich mich ruhig, weil ich zu erkennenglaube, daß dort, wo diese Tier-Ahnen ihren Ursprunghaben, kein seelenartiger Geist wirken kann. Ich kann Ernst

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Haeckel nur zustimmen, wenn er einer Unsterblichkeit, wiesie manche Religion lehrt (vgl. Haeckels «Welträtsel»,S. 239), die «ewige Ruhe des Grabes» vorzieht. Denn ichfinde eine Herabwürdigung des Geistes, eine widerwärtigeSünde wider den Geist in der Vorstellung einer nach Arteines sinnlichen Wesens fortdauernden Seele. - Einenschrillen Mißton höre ich, wenn die naturwissenschaftli-chen Tatsachen in Haeckels Darstellung mit der «Fröm-migkeit» der Bekenntnisse mancher Zeitgenossen zusam-menstoßen. Aber für mich tönt aus Bekenntnissen, die mitnatürlichen Tatsachen einen schlechten Zusammenklanggeben, nichts von dem Geiste der höheren Frömmigkeit,die ich bei Jacob Böhme und Angelus Silesius finde. Diesehöhere Frömmigkeit steht vielmehr mit dem Wirken desNatürlichen in vollem Einklänge. Es liegt kein Wider-spruch darin, sich mit den Erkenntnissen der neuerenNaturwissenschaft zu durchdringen und gleichzeitig denWeg zu betreten, den Jacob Böhme und Angelus Silesiuszum Geiste gesucht haben. Wer sich auf diesen Weg imSinne dieser Denker begibt, der darf nicht fürchten, inflachen Materialismus zu verfallen, wenn er die Geheim-nisse der Natur sich von einer «natürlichen Schöp-fungsgeschichte» darstellen läßt. Wer meine Gedanken indiesem Sinne auffaßt, der versteht mit mir in gleicherWeise den letzten Spruch des «Cherubinischen Wanders-mannes », in den auch diese Schrift ausklingen soll: «Freund,es ist auch genug. Im Fall du mehr willst lesen: so geh undwerde selbst die Schrift und selbst das Wesen.»

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Zusatv^ %ur Neuauflage [1924]. Diese letzten Sätze dürfennicht im Sinne einer ungeistigen Auffassung der Natur um-gedeutet werden. Ich wollte durch sie nur in starker Artbetonen, daß der Geist, der der Natur zugrunde liegt, inihr gefunden werden muß, und nicht von außen in sie hin-eingetragen werden darf. Die Abweisung der «Schöp-fungsgedanken» bezieht sich auf ein Schaffen, das ähnlichdem menschlichen, nach Zweckgedanken, ist. Was überdie Entwicklungsgeschichte zu sagen ist, wolle man inmeinem Buche «Erkenntnistheorie der Goetheschen Welt-anschauung» (Vorwort zur Neuauflage) nachlesen.

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NACHTRÄGE ZUR NEUAUFLAGE [1924]

Nachtrag I (S. 38). Die Furcht vor einer Verarmung desSeelenlebens durch ein Aufsteigen zum Geiste haben nurdiejenigen Persönlichkeiten, die den Geist nur in einerSumme von abstrakten Begriffen kennen, welche von denSinnesanschauungen abgezogen sind. Wer in geistiger An-schauung zu einem Leben sich erhebt, das an Inhalt, anKonkretheit das sinnliche übertrifft, der kann diese Furchtnicht haben. Denn nur in Abstraktionen verblaßt das sinn-liche Sein; im «geistigen Anschauen» erscheint es erst inseinem wahren Lichte, ohne von seinem sinnlichen Reich-tum etwas zu verlieren.

Nachtrag II (S. 76). In meinen Schriften wird man inverschiedener Art über «Mystik» gesprochen finden. Manwird den scheinbaren Widerspruch, den manche Persönlich-keiten darin finden wollen, aufgeklärt finden in den An-merkungen zur Neuauflage meiner «Erkenntnistheorie derGoetheschen Weltanschauung», S. 139f.

Nachtrag III (S. 99), Hier ist andeutungsweise in weni-gen Worten auf den Weg zur Geist-Erkenntnis gewiesen,den ich in meinen späteren Schriften, besonders in «Wieerlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», «DieGeheimwissenschaft im Umriß», «Von Seelenrätseln»gekennzeichnet habe.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:7 Seite: 147

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Copyright Rudolf Steiner Nachiass-Verwaltung Buch:7 Seite: 148

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HINWEISE DES HERAUSGEBERS

Textgrundlagen: Der vorliegende Text beruht auf der von Rudolf Steiner1923 besorgten Neuauflage (2. Auflage, 1924). Für die 5. Auflage (1960) (ersteAuflage innerhalb der Gesamtausgabe) wurden die Zitate und Buchtitel mitden Originaltexten verglichen, woraus sich einige kleinere Korrekturen erga-ben. Für die 6. Auflage (1987) wurde der Text mit dem gesamten vorhande-nen Material verglichen: Korrekturbogen zur 2. Auflage mit handschriftli-chen Korrekturen und Ergänzungen Rudolf Steiners, Manuskript des Vor-wortes zur 2. Auflage, 2. Auflage als Druckvorlage für die 5. Auflage.

Die Seitenverweise auf andere Stellen im Text bzw. in anderen WerkenRudolf Steiners wurden mit der 1. und 2. Auflage verglichen und, wo nötig,korrigiert: im Text entsprechen jetzt alle Seitenhinweise den Angaben der2. Auflage (allfällige abweichende Seitenverweise in der 1. Auflage sind inden Hinweisen angegeben). Alle Seitenverweise auf andere Werke RudolfSteiners sind auch den Seitennumerierungen der Gesamtausgabe-Bänden an-gepaßt worden.

Die wenigen aus dem Textvergleich sich ergebenden Korrekturen sind:- Seiten verweise, Namen und Zitate (stillschweigend korrigiert)- Buchtitel und Jahreszahlen in eckige Klammern gesetzt- Wortveränderung (korrigiert und im Hinweis zu S. 7 vermerkt).

Die Bearbeitung der 6. Auflage besorgte David Hoffmann. Das Personen-register mit einem Register der im Text erwähnten Werke Rudolf Steinerswurde von Konrad Donat erstellt.

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in denHinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch das Perso-nenregister unter «Rudolf Steiner, Werke» und die Übersicht am Schluß desBandes.

zu Seite

7 Die Reibe der Persönlichkeiten . . . vermögen nicht: In allen früherenAuflagen: vermochten. Korrektur nach Manuskript.

11 von Vorträgen . . . in der theosophischen Bibliothek zu Berlin: Ver-gleiche Rudolf Steiner, «Mein Lebensgang» (1923-25), GA Bibl.-Nr.28, Kap. 30.

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11 in meiner «Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernenWeltanschauung — Seelische Beobachtungsresultate nach naturwis-senschaftlicher Methode» (1894), GA Bibl.-Nr. 4.

Buch über die Weltanschauungen . . .: Rudolf Steiner, «Welt- undLebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert», Band I (Berlin1900), Band II (Berlin 1901) - erschienen in der Reihe: «Am Endedes Jahrhunderts, Rückschau auf 100 Jahre geistiger Entwicklung,Band XIV und XIX» (ab 1914 erweitert und zusammengefaßt unterdem Titel «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umrißdargestellt», GA Bibl.-Nr. 18). In der Vorrede zum Band II. heißt es:«Der Leser wird sich überzeugen, daß der Verfasser nicht ein fanati-scher Bekenner des modernen naturwissenschaftlichen Glaubensbe-kenntnisses ist, wenn er auch in Ernst Haeckel einen monumentalenVertreter moderner Denkweise verehrt. Was uns das naturwissen-schaftliche Bekenntnis sein kann, und auch wo eine den höherenBedürfnissen des Menschengeistes Rechnung tragende Ansicht überdieses Bekenntnis hinausgehen muß: darauf glaube ich im Verlaufemeiner Darstellung in gleicher Weise hingedeutet zu haben.»

12 Es «darf eine Arbeit . . .»: Diese und die folgenden Kritiken überRudolf Steiner konnten nicht nachgewiesen werden.

14 Haeckels «Welträtsel»: Ernst Haeckel, «Die Welträtsel. Gemeinver-ständliche Studien über monistische Philosophie», Bonn 1899.

15 «Erkenne dich selbst»: Inschrift des Apollon-Tempels zu Delphi, dieeinem der sieben griechischen Weisen (u.a. Thaies, Chilon) zuge-schrieben wird.

«Solches Zeug, sagt man . . .»: Georg Wilhelm Friedrich Hegel,«Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie», Dritter Band,hg. von C.L. Michelet, Werke, 15. Band, Berlin 1844, S. 95 f. (ErsterTeil: Geschichte der griechischen Philosophie (Schluß), Dritter Ab-schnitt: Dritte Periode: Neuplatoniker, C. Alexandrinische Philoso-phie, 5. Nachfolger von Proklus).

16 Valentin Weigel, «Erkenne dich Selbst»: Siehe den Hinweis zu S. 119.

17 Baruch (Benedictus) Spinoza, 1632-1677, ist in Amsterdam als Sohneiner portugiesischen Judenfamilie geboren; er wurde wegen seinerPhilosophie aus der Synagoge ausgeschlossen und aus Amsterdamverbannt.

daß «die menschliche Seele . . .»: Spinoza, «Ethik», Teil II, 47. Lehr-satz.

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17 «Denke man eine Welt von Blindgeborenen, . . .»: Fichte, «Einlei-tungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre, die transzendentale Lo-gik und die Tatsachen des Bewußtseins» (Berlin 1812/13), SämtlicheWerke Bd. 9 (Bd. 1 der Nachgelassenen Werke), Bonn 1834, S. 4 f.

20 Wenn ich ein König wäre,. . .: Dieser Ausspruch wurde nur bei Mei-ster Eckhart gefunden. Siehe «Deutsche Mystiker des 14. Jahrhun-derts», Zweiter Band, Meister Eckhart, hg. von Franz Pfeiffer, Pre-digt 69, S. 220. Siehe auch «Meister Eckehart, Deutsche Predigtenund Traktate», herausgegeben und übersetzt von Josef Quint, Mün-chen 1963, Predigt 36, S. 323. (Vgl. Hinweis zu S. 39).

«Die meisten Menschen würden leichter . . .»: J.G. Fichte, «Grund-lage der gesamten Wissenschaftslehre» (1794), Anmerkung zu § 4.

23 «Der neue Sinn ist demnach der Sinn für den Geist, . . .»: J.G.Fichte, «Einleitungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre, die trans-zendentale Logik und die Tatsachen des Bewußtseins» (Berlin 1812/13), Sämtliche Werke Bd. 9 (Bd. 1 der Nachgelassenen Werke), Bonn1834, S. 19.

«Es ist mit diesem Sinne gesehen worden, . . .»: Fichte, a.a.O. S. 7.

26 «Ignorabimus»~Rede des . . . Du Bois-Reymond: Emil Du Bois-Rey-mond (1815-1896), Physiologe. «Über die Grenzen des Naturerken-nens», Vortrag, gehalten auf der Versammlung Deutscher Naturfor-scher und Ärzte zu Leipzig am 14. August 1872.1. Aufl. Leipzig 1872(Nicht 1876, wie von Rudolf Steiner angegeben).

27 Paul AsmuSy 1842-1876, «Das Ich und das Ding an sich. Geschichteihrer begrifflichen Entwicklung in der neuesten Philosophie», Halle1873.

30 Paul Asmus, «Die indogermanische Religion in den Hauptpunktenihrer Entwickelung. Ein Beitrag zur Religionsphilosophie». ErsterBand: Indogermanische Naturreligion, Halle 1875.

«von der zureichenden Vorstellung . . .»: Spinoza, «Ethik», V Teil,25. Lehrsatz, Beweis.

31 «Die höchste Tugend der Seele ist,. . .»: Spinoza, «Ethik», V. Teil, 27.Lehrsatz, Beweis.

32 die indische Dichtung «Bhagavad Gita» an, von der . . . Humboldtsagte, . . .: Siehe den Brief Humboldts an August Wilhelm Schlegelvom 21. 6. 1823. «Briefwechsel zwischen W. v. Humboldt und A.W.Schlegel», hg. von Albert Leitzmann, Halle 1908, S. 157-163. -Hum-boldt hat am 30. 6. 1825 und 15. 6. 1826 zwei Vorlesungen über die

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Bhagavad Gita gehalten, die eine Gesamtdarstellung der Dichtunggeben: «Über die unter dem Namen Bhagavad Gita bekannte Epi-sode des Mäha-Bhärata», in: «W. v. Humboldts Werke», hg. von Al-bert Leitzmann, 5. Band 1823-1826, Berlin 1906, S. 190-232 und S.325-344. - Siehe von Rudolf Steiner «Die Bhagavad Gita und diePaulusbriefe» (1912/13), GA Bibl.-Nr. 142.

«Ein ewiger Strahl von mir,. . .»: Bhagavad Gita, XV. Gesang, 7-10.

33 «Wer sich erhoben hat, . . .»: Bhagavad Gita XVIII. Gesang, 17.

«Hiermit ist das beendet, . . .»: Spinoza, «Ethik», V Teil, Anmer-kung nach dem 42. Lehrsatz (Schluß des Werkes).

33 f. «Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst»: Goethe, «Sprüche inProsa» in: Goethe, «Naturwissenschaftliche Schriften», herausgege-ben und kommentiert von Rudolf Steiner in Kürschners «DeutscheNational-Litteratur», 1884-1897, 5 Bände, Nachdruck Dornach1975, GA Bibl.-Nr. la-e, Bd. V (1897), S. 349. Siehe auch: Goethe,«Maximen und Reflexionen».

34 «Und so lang du das nicht hast, . . .»: Goethe, letzte Strophe desGedichtes «Selige Sehnsucht» aus dem West-östlichen Divan.

34/35 «Ich weiß, daß ohne mich . . .»: Angelus Silesius, «CherubinischerWandersmann», I. Buch, Spruch 8.

35 «Gott mag nicht ohne mich . . .»: a.a.O., I. Buch, Spruch 96.

Robert Hamerling, 1830-1889, «Die Atomistik des Willens, Beiträgezur Kritik der modernen Erkenntnis», 2. Band, Hamburg 1891.

39 Meister Eckhart: Über das äußere Leben dieses größten Denkers derdeutschen Mystik ist wenig bekannt: Er ist um 1250 wohl bei Gothain Sachsen geboren; als Dominikaner studierte und — nach seinerPromotion 1302 - lehrte er in Paris. 1303-1311 war er Provinzialpriorseines Ordens in Sachsen, las anschließend wieder in Paris und lehrteals Prediger 1312-1325 in Straßburg (und wahrscheinlich Frankfurt);seit 1325 hatte er das Lektorat des Dominikanerordens in Köln inne.Im letzten Lebensjahr wurde er durch den Erzbischof von Köln derHäresie angeklagt, welche Auslegung seiner Worte er 1327 noch öf-fentlich verwarf; zwei Jahre nach seinem Tode wurden 26 seinerSätze vom Papst verurteilt. - Die im Text vorkommenden Zitatekonnten nicht vollständig nachgewiesen werden. Zugrunde gelegtwurde die Ausgabe von Franz Pfeiffer, «Deutsche Mystiker des vier-zehnten Jahrhunderts», Zweiter Band: Meister Eckhart, Leipzig1857. - Eine historisch-kritische Ausgabe der deutschen und lateini-schen Werke Meister Eckharts, im Auftrage der Deutschen For-

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schungsgemeinschaft, ist weitgehend erschienen; die deutschen Pre-digten und Traktate sind bearbeitet von Josef Quint, der auch eineeinbändige Leseausgabe zusammengestellt hat: Meister Eckhardt:«Deutsche Predigten und Traktate», hg. und übers, von Josef Quint,München 1963 (als Taschenbuch: Zürich 1979). Nach Möglichkeitwurden die Zitate auch nach dieser Ausgabe nachgewiesen.

Thomas von Aquino, 1225-1274. Als Sohn des Grafen von Aquinotrat er 16jährig gegen den Willen der Eltern in den Dominikaneror-den und wurde Schüler des Albertus Magnus, zu dem er 1245 nachParis reiste und ihm 1248 nach Köln folgte; 1252 ging er zurück nachParis, wo er zusammen mit Bonaventura (siehe Hinweis zu S. 75)promovierte. In der folgenden Zeit war er für seinen Orden vorwie-gend in Italien tätig, Bologna, Neapel u. a. Auf dem Weg zum Konzilin Lyon starb er. Er wurde Doctor angelicus genannt und 1323 heiliggesprochen. - Siehe auch Rudolf Steiner, «Die Philosophie des Tho-mas von Aquino», drei Vorträge 1920, GA Bibl.-Nr. 74.

40 der heilige Augustin: Aurelius Augustinus, 354-^430. Kirchenvater,für die Entwicklung von Theologie und Philosophie gleich einfluß-reich. - Siehe Rudolf Steiner, «Das Christentum als mystische Tatsa-che und die Mysterien des Altertums», GA Bibl.-Nr. 8, S. 166-173,und den Vortrag «Thomas und Augustinus» in «Die Philosophie desThomas von Aquino», GA Bibl.-Nr. 74.

«Ich würde dem Evangelium nicht Rauhen . , .»: Augustinus «Con-tra epistulam Manichaei quam vocant fundamenti», 6.

«Was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, . . .»: 1. Johan-nesbrief, 1 und 3.

«Es ist euch nütze, daß . . .»: Johannes 16, 7.

«Recht, als oh er spräche:. . .»: Eckhart, Tractat «Von Abgescheiden-heit», PfeifferS. 491/92.

«Etliche Leute wollen Gott. , .»; In Pfeiffers Eckhart-Ausgabe nichtnachgewiesen. Siehe aber Quints Ausgabe, Predigt 16, S. 227.

41 «Einfältige Leute wähnen,. . .»: Eckhart, Predigt 65, Pfeiffer S. 206;Predigt 7, Quint S. 186.

«Ein Meister spricht:. . .»: Eckhart, Predigt 13, PfeifferS. 64; Predigt6, Quint S. 178.

«Der himmlische Vater gebiert . . .»: In Pfeiffers und Quints Eck-hart-Ausgaben nicht nachgewiesen. Eine fast gleich lautende Stellebei Quint, Predigt 7, S. 185.

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41 «Ziehet euch Jesum Christum an»: Römer 13, 14. - Siehe Eckhart,Tractat «Von Abgescheidenheit», Pfeiffer S. 491.

42 «Gott ist Mensch geworden, . . .»: Eckhart, «Vom Gottesreich» —Nicht bei Pfeiffer aufgenommen; siehe «Meister Eckharts Schriftenund Predigten», aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt und hg.von H. Büttner, Jena 1909, Band 2, S. 209.

«Hier sollst du wissen, . . .»: Eckhart, Tractat «Von Abgescheiden-heit», Pfeiffer S. 488.

46 «Dessen nimm ein Gleichnis. Eine Tür . . .»: a.a.O.; S. 489.

«Fünklein der Seele»: Dieser Ausdruck wird sehr häufig von Eckhartverwandt, ähnlich wie früher bei Bonaventura; siehe z.B. Predigt 32,Pfeiffer S. 113-115; Predigt 20, Quint S. 241-245.

ist «so lauter und so hoch, . . .»: Eckhart, Predigt 60, Pfeiffer S. 193/194; Predigt 34, Quint S. 316.

47 «Dies Fünklein, das ist Gott, . . .»: Nicht nachgewiesen.

«Es ist daher zu wissen, daß das Eines ist . . .»: Eckhart, Predigt 7,Pfeiffer S. 38; Predigt 35, Quint S. 317.

48 «Ich sprech hei guter Wahrheit. . .»: Eckhart, Predigt 60, Pfeiffer S.192; Predigt 34, Quint S. 314.

«Es ist eine sichere Wahrheit, . . .»: Eckhart, Predigt 11, Pfeiffer S.60; Predigt 49, Quint S. 386.

49 «Ich danke nicht Gott, . . .»: Eckhart, Predigt 73, Pfeiffer S. 231;Predigt 33, Quint S. 313.

« Wenn ich komme in den Grund der Gottheit,. . .»: Eckhart, Predigt56, Pfeiffer S. 181; Predigt 26, Quint S. 273.

50 « Wir sollen mit Gott vereinigt werden . . .»: Nicht nachgewiesen.

«Gott zwingt den Willen nicht, . . .»: Eckhart, Predigt 74, Pfeiffer S.232; Predigt 29, Quint S. 291.

51 «Dergerechte Mensch dienet weder Gott,. . .»: Nicht nachgewiesen.

«Der Mensch, der da steht in Gottes Willen . . .»: Eckhart, Predigt74, Pfeiffer S. 232; Predigt 29, Quint S. 291.

52 «Es sprechen etliche Menschen: . . .»: Ebenda.

«Denn alles, was das Verständnis . . .»: Nicht nachgewiesen.

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52 «Der Gerechten Seligkeit und . . .»: Eckhart, Predigt 59, PfeifferS. 189/90; Predigt 25, Quint S. 268.

53 Johannes Tauler, um 1300-1361, ist eine Generation jünger als Mei-ster Eckhart, als dessen Schüler der junge Dominikaner wohl um1325 in Köln studierte, zur selben Zeit wie Heinrich Suso. Taulerwirkte als Beichtvater und predigte hauptsächlich in seiner Heimats-tadt Straßburg, zeitweilig, während der kirchlichen Wirren unter Kö-nig Ludwig dem Bayern, in denen auch Straßburg unter päpstlichemBann stand, in Basel. Er lebte in Verbindung mit jenen gottzuge-wandten Männern und Frauen — Geistlichen und Laien in Straßburg,Basel und Schwaben u. a. —, die sich als Gottesfreunde bezeichneten,und die in freiwilliger Armut und Zurückgezogenheit die Grund-sätze der Mystik praktisch lebten und sich gegenseitig auf ihren inne-ren Wegen unterstützten.

Heinrich Suso: Siehe Hinweis zu S. 72.

Johannes Ruysbroek: Siehe Hinweis zu S. 74.

54 «Der Mensch ist recht, als ob er. . .»: Die von Rudolf Steiner verwen-dete Übersetzung: «Johann Tauler's Predigten», in jetzige Schrift-sprache übertragen von Julius Hamberger, Frankfurt a. M. 1864, Pre-digt 129, III. Teil S. 114 (Auf des heiligen Kreuzes Erhebung. Dieandere Predigt).

«Der eine ist der auswendige, . . .*: Tauler, Predigt 93, HambergerII. Teil S. 225/26 (Am 13. Sonntag nach Trinitatis. Die andere Pre-digt).

55 Wilhelm Preger: «Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter»,I. Teil: Geschichte der deutschen Mystik bis zum Tode Meister Eck-harts, Leipzig 1874. - II. Teil: Ältere und neuere Mystik in der erstenHälfte des XIV. Jahrhunderts. Heinrich Suso. Leipzig 1881. - III.Teil: Tauler. Der Gottesfreund vom Oberlande. Merswin. Leipzig1893.

«Das Auge, durch das ich Gottsehe,. . .»: Eckhart, Predigt 96, Pfeif-fer S. 312; Predigt 13, Quint S. 216.

57 die Vereinigung mit Gott «nehmen unverständige Menschen . . .»:Tauler, Predigt 72, Hamberger, II. Teil S. 94 (Auf unsers Herrn Fron-leichnams-Tag. 3. Predigt).

58 «Gott wirket alle seine Werke . . .»: Tauler, Predigt 83, Hamberger,II. Teil S. 167 (Am 6. Sonntag nach Trinitatis).

«Herodes, der das Kind verjagte . . .»: Tauler, Predigt 15, Hamber-ger, I. Teil S. 113 (An der heiligen drei Könige Abend).

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59 «Soll der Mensch in der Wahrheit. . .»: Tauler, Predigt 45a, Hamber-ger, I. Teil S. 270 (Auf Ostern. Die andere Predigt).

«Der Mensch soll entweichen . . .»: Nicht nachgewiesen.

«Denn das wahrhafte und ewige Wort Gottes . . .»: Tauler, siehe diedamit übereinstimmende Stelle in Predigt 145, Hamberger, III. Teil,S. 190/91 (Drei sinnreiche Lehren und nützliche Unterweisungenvon der Beichte).

61 «Das Buch des Meisters»: Es ist zugänglich unter dem Titel: «Nico-laus von Basel, Bericht von der Bekehrung Taulers», hg. von KarlSchmidt, Straßburg 1875.

«Denn wisset, Gott hat alles. . .»: Im letzten Kapitel des «Meisterbu-ches», hg. von K. Schmidt, S. 62. Siehe auch Preger III, S. 54.

61/62 Heinrich S. Denifle, «Die Dichtungen des Gottesfreundes im Ober-lande.» In: Steinmeyer, Zeitschrift für Deutsches Alterthum unddeutsche Literatur, Band XXIV und XXV, Berlin 1880 und 1881.

62 Rulman Merswin, 1307-1382, ein reicher Straßburger Bürger, derauf seinen Besitz verzichtete und das Bruderhaus zum «GrünenWörth» in Straßburg gründete, das Haus für eine Gemeinschaft von«Gottesfreunden», der er selber angehörte, und die mit wenig frei-willigen Regeln ein klosterähnliches Leben führte, kirchlich derPflege des Johanmterordens unterstellt. Dort wurden die Schriftenabgeschrieben und gehütet, die Rudolf Steiner im folgenden auf-zählt, und die mit jener Gestalt des «Gottesfreundes vom Oberland»verbunden sind.

(Diese in Betracht kommenden Schriften . . .): Sie sind alle in demUrkundenbuch des Johanniterhauses zum «Grünen Wörth» inStraßburg, dem sogenannten «Großen deutschen Memorial» enthal-ten. Zugänglich sind die meisten in: Karl Schmidt, «Nicolaus vonBasel - Leben und ausgewählte Schriften», Wien 1866. - Siehe auch:Wilhelm Rath, «Der Gottesfreund vom Oberland, sein Leben ge-schildert auf Grundlage der Urkundenbücher des Johanniterhauses«Zum Goldenen Wörth» in Straßburg», Stuttgart 1962.

66 Als Führer . . . stellt sich eine Schrift dar, . . .: «Theologia deutsch -Die leret gar manchen lieblichen underscheit gotlicher warheit undseit gar hohe und gar schone ding von einem volkomen leben», nachder einzigen bis jetzt bekannten Handschrift hg. von Franz Pfeiffer,2. verbesserte u. mit einer neudeutschen Übersetzung vermehrteAuflage, Stuttgart 1855.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:7 Seite: 156

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67 (im Sinne des Ausspruches PaulAsmus», vgl. oben S. 27 f . ) ; Der Hin-weis auf diese Stelle stammt aus der zweiten Auflage (1924); in derersten Auflage (1901) wird auf eine andere Seite verwiesen, die in dervorliegenden Ausgabe der Seite 30 entspricht.

«Wenn Gott alle Menschen an sich nähme, . . .»: Theologia deutsch,3. Kapitel, Pfeiffer S. 11/13.

68 das «Annehmen»: Theol. d., 2. Kapitel, Pfeiffer S. 7/9.

69 «Das Vollkommene ist ein Wesen, . . .»: Theol. d., 1. Kapitel, PfeifferS. 3/5/7.

70 «Wenn sich die Kreatur etwas Gutes annimmt, . . .»: Theol. d., 2.Kapitel, Pfeiffer S. 9.

«die geschaffene Seele des Menschen . . .»: Theol. d., 7. Kapitel, Pfeif-fer S. 25.

«Der Mensch sollte also gar frei. . .»: Theol. d., 15. Kapitel, PfeifferS. 51/53.

71 «Denn Gottes Eigenschaft ist ohne dies . . .»: Theol. d., 24. Kapitel,Pfeiffer S. 87.

«Kann der Mensch dazu gelangen,. . .»: Theol. d., 54. Kapitel, Pfeif-fer S. 233.

72 Heinrich Suso, 1295—1366, ist in Überlingen geboren und bereits13jährig in den Dominikanerorden in Konstanz eingetreten; schonfrüh führte er ein streng asketisches Leben mit schweren Kasteiun-gen. Er studierte in Straßburg und Köln, wo er Schüler Meister Eck-harts war. Als Lektor und Prior seines Ordens in Konstanz mußte ersich 1336 wegen seiner Verteidigung Eckhartscher Sätze, die demInterdikt verfallen waren, vor Gericht verantworten. Während derVerbannungszeit seines Ordens zog er durch Schwaben und wargeistlicher Berater besonders in zahlreichen Nonnenklöstern, wo erviele Schülerinnen fand; unter ihnen war Ebbet Stäglin im KlosterTöß bei Winterthur (gest. um 1350), die, zunächst ohne sein Wissen,seine Lebensgeschichte niederschrieb.

72/73 «Zu dem Wesen kehre deine Augen . . ,»: Heinrich Suso, «Lebensbe-schreibung», Kapitel 55, Eine Ausrichtung: Wo und wie Gott ist. In«Heinrich Susos, genannt Amandus, Leben und Schriften», hg. vonMelchior Diepenbrock, Regensburg 1884, S. 292.

73 «Büchlein von der ewigen Weisheit»: H. Suso, hg. Diepenbrock, S.311-415.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:7 Seite: 157

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73/74 «Erkennst du mich nicht? . . .»: H. Suso, «Büchlein von der ewigenWeisheit», Erster Teil, Kapitel 5, Diepenbrock, S. 326.

74 «Den Unterschied zwischen lauterer Wahrheit , . .»: H. Suso, «Le-bensbeschreibung», Kapitel 55, Diepenbrock S. 299.

Johannes Ruysbroek (Jan van R.) 1294-1381 war Vikar und Priesterin Brüssel und zog sich 1354 in das Augustinerkloster Grünthal (beiWaterloo) zurück, als dessen Prior er starb. Er übte freimütig Kritikan der Veräußerlichung der Kirche. Die Art seiner Mystik trug ihmden Namen «Doctor ecstaticus» ein.

Johannes Gerson (Jean le Charlier de Gerson) 1363-1429, einer dereinflußreichsten Theologen Frankreichs im 15. Jahrhundert, der ins-besondere gegen das päpstliche Schisma kämpfte und den Namen«Doctor christianissimus» erhielt. Sein Versuch, die Mystik mit derScholastik zu verbinden: «Considerationes de mystica theologia spe-culativa et practica».

75 Richard von St. Victor, gest. 1173, Schotte, Prior und Abt des Klo-sters St. Victor in Paris, Schüler und Nachfolger des Hugo vonSt. Victor, der den wissenschaftlichen Ruhm dieses Augustinerklo-sters begründete. Die «Victoriner» wurzeln mehr in der kirchlichscholastischen Tradition als in der Mystik.

Bonaventura, 1221—1274, eigentlich Johannes Fidanza, aus der Tos-cana stammender Franziskaner. Er studierte in Paris und promo-vierte zusammen mit Thomas von Aquino. Seit 1257 war er Ministergeneralis seines Ordens und wurde 1273 Kardinal und Bischof. Alspäpstlicher Legat nahm er am Konzil zu Lyon teil, während dessenVerlauf er starb. Die Kirche gab ihm den Namen «Doctor Seraphi-cus».

77 Nicolaus von Kues, 1401-1464, war zunächst Doctor der Rechte inPadua, wurde aber 1428 Geistlicher, der mit vielen päpstlichen Ge-sandtschaften betraut nach Basel, Konstantinopel, zahlreichen OrtenDeutschlands, Frankreichs und der Niederlande kam. 1448 wurde erKardinal und erhielt das Bistum Brixen; dessen Verwaltung führtejedoch zu politischen Schwierigkeiten, die ihn aus seinem Bistumvertrieben. Nicolaus war sowohl Theologe und Philosoph, Astro-nom und Mathematiker, wie auch Kirchenpolitiker.

Nicolaus Kopernikus: Siehe den Hinweis zu S. 130.

Tycho (de) Brahe, 1546-1601, dänischer Astronom. - «Die Erde isteine grobe, schwere . . .»: Vgl. Tycho Brahe: «Opera omnia», hg. vonLL. Dreyer, Mauniae 1929, S. 220/21; die Antwort Tycho Brahes anden Astronomen Christoph Rothmann in Kassel, 1590.

Copyright Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung Buch:7 Seite: 158

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80 Karl Werner, «Franz Suarez und die Scholastik der letzten Jahrhun-derte», 2. Band, Regensburg 1861.

81 Otto Willmann, «Geschichte des Idealismus», 2. Band, Der Idealis-mus der Kirchenväter und der Realismus der Scholastiker, Braun-schweig 1896.

83 «Die Theologie der Vorzeit verteidigt von Joseph Kleutgen», Priesterder Gesellschaft Jesu, Erster Band, Münster 1867 (in dieser 2. verbes-serten und sehr vermehrten Auflage in veränderter Form, S. 47).

85 Johannes Scotus Erigena, um 810-877, wahrscheinlich irischer Her-kunft; er wurde von Karl dem Kahlen als philosophischer Lehrernach Paris geholt. 860 veröffentlichte er ohne päpstliche Erlaubnisdie Übersetzung der Schriften des Dionysius Areopagita (sieheS. 87), was ihm den Haß der Kirche eintrug; der bezog sich aberauch auf seine anderen Schriften: «Über die Praedestination» unddie fünf Bücher «Über die Einteilung der Natur», die 1225 öffentlichverbrannt wurden. - Siehe über Erigena und Dionysius Rudolf Stei-ner, «Perspektiven der Menschheitsentwickelung», GA Bibl.-Nr.204, die Vorträge vom 2. und 3. Juni 1921.

86 «gelehrte Unwissenheit»: So auch als Titel von Cusanus' berühmte-ster Schrift: «De docta ignorantia» (3 Bücher).

er «schaut, ohne Begreifen»: «visio sine comprehensione», so in derSchrift: «De apice theoriae.»

87 «Ich machte viele Versuche, . . .»: «De docta ignorantia», Buch III.Schluß: Brief des Autors an den Herrn Kardinal Julianus.

Dionysius Areopagita: Siehe Apostelgeschichte, 17,34. - Es handeltsich um die Schriften: «Von den Gottesnamen», «Über die mystischeTheologie», «Von der himmlischen Hierarchie» und «Von der kirch-lichen Hierarchie». Siehe dazu Otto Willmann, «Geschichte desIdealismus», Band II, S. 201-216 (vgl. Hinweis zu S. 81).

89 Auf die Richtung . . . konnte bereits bei Tauler (S. 62 f.) gedeutetwerden: Der Hinweis auf diese Stelle stammt aus der zweiten Auflage(1924); in der ersten Auflage (1901) wird auf eine andere Seite verwie-sen, die in der vorliegenden Ausgabe der Seite 54 entspricht.

93 Hermann Helmholtz, 1821-1894, «Die Tatsachen in der Wahrneh-mung», Rede, gehalten zur Stiftungsfeier der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin am 3. August 1878 (Berlin 1879).

96 Erich Adickes, 1866-1928, Philosoph. - «Kant contra Haeckel, Er-kenntnistheorie gegen naturwissenschaftlichen Dogmatismus», Ber-lin 1901, S. 120.

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97 wurde Nicolaus «durch das Priestergewand gehemmt»: Ein Aus-druck Giordano Brunos, wörtlich: «Guter Gott, wo findet sich einMann vergleichbar jenem Cusaner, der je größer, um so wenigerenzugänglich ist? Hätte nicht das Priesterkleid sein Genie da und dortverhüllt, ich würde zugestehen, daß er dem Pythagoras nicht gleich,sondern bei weitem größer als dieser ist.» Aus: «Abschiedsrede, wel-che Giordano Bruno vor den Professoren und Hörern auf der Aka-demie zu Wittenberg im Jahre 1588 am 8. März gehalten hat» in:Giordano Bruno, «Gesammelte Werke», herausgegeben und insDeutsche übertragen von Ludwig Kuhlenbeck, Bd. 6, Eugen Diede-richs Verlag, Jena 1909, S. 86.

daß er . . . nichts anderes zeigt als den theologischen Lehrgehalt:Siehe Nicolaus Cusanus, «De docta ignorantia», Buch III.

100 Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Köln 1487-1535 Köln.Agrippa studierte in Köln und Paris Medizin und Jurisprudenz. Aufseinen Reisen durch Europa vertiefte er sich in den Neuplatonismus,die jüdische Kabbalah und in die Tradition des Hermes Trismegistosund wurde in Würzburg Schüler des Abtes Trithem. Als Lehrerwirkte Agrippa in Dole, Pavia, Metz, Köln und in den Niederlandenund mußte zweimal vor der Anklage der Ketzerei fliehen. Seine be-rühmtesten Werke sind: «De vamtate et incertitudine scientiarum»(1531), und «De occulta philosophia sive de magia» (1531). Zu Agrip-pas Bedeutung siehe auch Rudolf Steiner, «Die Weltgeschichte inanthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnisdes Menschengeistes. Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreu-zertum und modernes Einweihungsprinzip», GA Bibl.-Nr. 233, S.204 f.

Johannes Trithemius von Sponheim, 1462-1516, trat 1482 in das Bene-diktinerkloster zu Sponheim ein, dessen Abt er bereits 1485 wurde;ab 1506 führte er das Kloster zu Würzburg, hochangesehen wegenseiner umfassenden Gelehrsamkeit, insbesondere die «GeheimenWissenschaften» betreffend.

103 Moriz Carriere, 1817-1895, Philosoph, Ästhetiker.

«Agrippa gibt ein großes Register . . .»: Siehe Moriz Carriere, «Diephilosophische Weltanschauung der Reformationszeit in ihren Be-ziehungen zur Gegenwart», Leipzig 1887, S. 107 f. (Kap. II. «Natur-anschauung. Agrippa von Nettesheim»).

104 Deshalb durfte der Abt Trithem: Brief Trithems vom 8. 4. 1510, Ant-wort und Dank für die Übersendung der «Geheimen Philosophie»;wörtlich: «Nur einen Rat möchte ich Euch noch geben, daß Ihr dasGemeine den Gemeinen, das Höhere aber und die Geheimnisse bloß

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hervorragenden Männern und vertrauten Freunden mitteilt. <Gibdem Ochsen Heu und nur dem Papagei Zucker!> Prüfet die Geister,damit Ihr nicht, wie es so vielen geht, den Ochsen unter die Füßegeratet.» In «Heinrich Cornelius Agrippas von Nettesheim Magi-sche Werke, zum ersten Male vollständig ins Deutsche übersetzt»,4. Aufl. Meisenheim/Glan o.J., Band I, S. 37.

104/105 «Steganogmpbia»: Zugänglich durch Wolf gang Ernst Heidel, «Jo-hannes Trithemii Steganographia», Norimbergae (Nürnberg) 1721.Vgl. zu diesem System einer «Geheimschrift» Isidor Silbernagel, «Jo-hannes Trithemius. Eine Monographie», Regensburg 1885, Kap. 14.

105/106 Agrippa schreitet in drei Stufen zum höheren Erkennen fort: Siehe«Geheime Philosophie», Buch I, Kap. 1; ausgeführt in den drei er-sten Büchern.

105 wie Wolf gang Ernst Heidel. . . nachgewiesen hat: Vgl. Hinweis zu5. 104/105.

106 Theophrastus Bombastus Paracelsus von Hohenheim, 1493-1541; ausEinsiedeln (Schwyz) geboren, führte dieser große Arzt, Philosophund Naturforscher ein an Reisen und Studien reiches Leben, wobeiwohl auch Trithem von Sponheim sein Lehrer gewesen ist. Zwischen1526 und 1528 war er Stadtarzt in Basel und Ordinarius der Universi-tät, mußte aber wegen Streitigkeiten mit Magistrat und ÄrzteschaftBasel wieder verlassen. Er lebte von da an unstet an den verschieden-sten Orten Süddeutschlands, oft in großem äußeren Elend, und ver-faßte während dieser Zeit seine großen medizinischen und chemi-schen Schriften. Er starb in Salzburg. — Siehe Johannes Hemleben,«Paracelsus. Revolutionär, Arzt und Christ», Stuttgart 1972. (Darinbefindet sich auch das Porträt von Paracelsus mit seinem Wahl-spruch: «Alterius non sit, qui suus esse potest»). - Siehe von RudolfSteiner, «Paracelsus», Öffentlicher Vortrag, Berlin 26. April 1906, in«Die Welträtsel und die Anthroposophie», GA Bibl.-Nr. 54, sowie«Von Paracelsus zu Goethe», Öffentlicher Vortrag, Berlin 9. Novem-ber 1911, in «Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung»,GA Bibl.-Nr. 61.

107 Claudius Galen, 131-201, Philosoph und Arzt aus Pergamon, der inseinen zahlreichen Schriften die gesamte Medizin des Altertums zu-sammenzufassen suchte; er galt noch bis ins 16. Jahrhundert als un-bedingte Autorität für die Ärzte im Morgen- und Abendland.

Avicenna, 980-1070, arabischer Arzt, der auf aristotelisch wissen-schaftlicher Grundlage einen Kanon zur Grundlegung des medizini-schen Studiums schuf.

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107 «Der Arzt muß durch der Natur Examen gehen, . . .»: «ParacelsusVolumen Paramirum und Opus Paramirum», hg. von Franz Strunz,Jena (Diederichs) 1904; Opus Param. Buch I, Kap. 1, S. 85.

«Ich bin der Kunst nachgegangen . . .»: Siehe «Theophrastus Paracel-sus. Das Wissenswerteste über dessen Leben, Lehre und Schriften»von P. Raymund Netzhammer, Einsiedeln 1901, S. 32, 33.Siehe auchR. Julius Hartmann, «Theophrast von Hohenheim», Stuttgart undBerlin 1904, S. 30 und 80.

«Wer der Wahrheit nach will, . . .»: Paracelsus, «Das Buch Para-granum», hg. von Franz Strunz, Leipzig (Diederichs) 1903, Derdritte Grund der Medizin, welcher ist Alchimia, S. 83.

«Mir nach; ich nicht euch, . . .»: Paracelsus, «Das Buch Para-granum», Vorrede, Strunz, S. 11.

Rhases (Räsi) um 850 geb., zwischen 911 und 932 gest., arabischerArzt und Musiker.

Mesur (Mesue) um 777—857, arabischer Arzt aus Gondischapur.

108 «Von der Natur hin ich nicht subtil gesponnen . . .»: Sieben Defensio-nen. Die sechste Defension, zitiert nach P. R. Netzhammer: «Paracel-sus. Das Wissenswerteste über dessen Leben, Lehre und Schriften»,Einsiedeln 1901, S. 85.

«Wie kann ich nicht seltsam sein dem, . . .»: Paracelsus, «Opus Para-mirum», 2. Buch (Schluß), Strunz, S. 172.

«Wenn die gesunde Natur des Menschen»: Goethe, «Winckelmann»,I, «Antikes».

112 «Und das ist ein Großes . . .»: Paracelsus, «Opus Paramirum»,4. Buch, Strunz, S. 279.

113 «Es ist nichts körperlich»: Siehe «Vom Wesen der Dinge. SchriftenTheophrasts von Hohenheim genannt Paracelsus», ausgewählt undherausgegeben von Hans Kayser, Insel Verlag, Leipzig 1921, S. 299(Abschnitt 192: «Das Leben ist ein geistlich Ding»).

114 «Das Fleisch muß also verstanden werden»: Siehe Theophrastus Para-celsus, «Lebendiges Erbe», herausgegeben von Jolan Jacobi, RascherVerlag, Zürich und Leipzig 1942, S. 242 (Abschnitt VI: «Mensch undSchicksal»).

115 Karl von Linne, 1707-1778, schwedischer Naturforscher und Arzt,Botaniker.

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115 «Spezies von Lebewesen zählen so viele, . . .»: Linne, «Genera plan-tarum», Frankfurt 1789, S. XII: Species tot sunt diversae, quot diver-sae formes ab initio creavit infinitum ens.

116 «Denn die Natur bringt nichts an den Tag, . . .»: «Das Buch Para-granum», Der dritte Grund der Medizin, welcher ist Alchimia,Strunz, S. 70.

«Diese Vollendung istAlchymie . . .»: Ebenda.

«Darum so mag ich billig . . .»: a.a.O., S. 86.

«Die dritte Säule der Medizin ist Alchymie, . . .»: Wohl frei zitiertnach «Paragranum», a.a.O., S. 70.

119 Valentin Weigel, 1533-1588, ist in Großenhain (bei Dresden) gebo-ren, hat in Leipzig und Wittenberg studiert und sein ganzes weiteresLeben als Pfarrer in Zschopau verbracht. Seine Schriften hat er be-wußt geheim gehalten und sie nur handschriftlich den nächstenFreunden anvertraut, um unverfolgt von der Kirche als Pfarrer wir-ken und seine Gedankenwelt ausbilden zu können.

Sebastian Franck, 1499-1542, in Donauwörth geborener, protestanti-scher Pfarrer; er studierte schon früh die älteren deutschen Mystikerund hatte persönlichen Kontakt mit C. Schwenckfeldt. Verfolgungender Kirche vertrieben ihn sowohl aus Nürnberg, wie später auch ausUlm und Straßburg. Er starb nach einem z.T. kümmerlich umherir-renden Leben in Basel. Neben seinem religiösen Werk hat er mit der«Chronica: Zeitbuch und Geschichtbibel von Anbeginn bis 1531»u.a. Schriften den Anfang der deutschen Geschichtsforschung ge-macht.

Caspar Schwenckfeldt, 1489-1561; der Schlesier war früh für dieNeuerungen Luthers gewonnen und schrieb 1527 selber einen Send-brief über das Wesen des Abendmahls in einem überkonfessionellen,mystischen Sinne. Das führte jedoch zu seiner Verfolgung von seitender Lutheraner. Er lebte von da an weitgehend im Verborgenen, zu-nächst in Straßburg, dann in Schwaben und am Rhein und starb inUlm.

Weigels Schriften: Die angeführten Werke sind erschienen in Newen-statt 1616 und 1618. - Eine neue Ausgabe Sämtlicher Schriften hg.von Will Erich Peukert und Winfried Zeller erscheint seit 1962, Stutt-gart/Bad Cannstadt.

121 Das Irrige dieses Gedankenganges findet man in meinem Buch «Phi-losophie der Freiheit» dargestellt: Siehe «Die Philosophie der Frei-heit», GA Bibl.-Nr. 4, Kap. IV, S. 57-79, v.a. S. 70 ff.

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123 Jacob Böhme, 1575-1624, ist bei Görlitz in einer Bauernfamilie gebo-ren und wurde zum Schusterhandwerk bestimmt. Als Geselle aufWanderschaft lernte er wahrscheinlich die Schriften Schwenckfeldtskennen und nahm Anteil an den Kämpfen um Protestantismus undKatholizismus. Er führte dann ein äußerlich ruhiges, von Frömmig-keit bestimmtes Handwerker- und Familienleben in Görlitz. Erst1610 schrieb er zum ersten Mal seine Erleuchtungen in der «Morgen-röte im Aufgang» nieder, die jedoch den Widerstand des Magistratsund der Kirche erregte und ihm das Verbot zum weiteren Schreibeneintrug. Böhme hat sich sieben Jahre daran gehalten und erst in denletzten sechs Lebensjahren den Reichtum seiner Gedanken auch inSchriften und Sendschreiben niedergelegt. - Siehe von Rudolf Stei-ner, «Jakob Böhme», Öffentlicher Vortrag, Berlin 3. Mai 1906, in«Die Welträtsel und die Anthroposophie», GA Bibl.-Nr. 54, sowie«Jakob Böhme», Öffentlicher Vortrag, Berlin 9. Januar 1913, in «Er-gebnisse der Geistesforschung», GA Bibl.-Nr. 62.

«Als ich in Gottes Beistand rang . . .»: Böhme, «Apologia I contraBalthasar Tilken», Vorrede 25. und 26.

«dieweil ich nicht sei dabei gewesen . . .»: Böhme, fast gleichlautend:Mysterium magnum, Kapitel 9, 1.2., sowie: Die drei Prinzipien gött-lichen Wesens, Kapitel 7,6.

124 Als er sich einmal als Knabe auf dem Gipfel eines Berges befindet:Siehe zu dieser und den weiteren Berichten aus dem Leben JakobBöhmes: Abraham von Franckenberg, Bericht von dem Leben undAbschied des in Gott selig ruhenden Jakob Böhme. Abgedruckt in«Schriften Jakob Böhmes», ausgewählt und hg. von Hans Kayser,Leipzig 1920.

127 «Das Gute hat das Böse . . .»: Wörtlich nicht nachgewiesen. DerGedanke wird jedoch sehr oft von Böhme ausgesprochen; siehez.B.: Mysterium magnum, Kap. 10,15. Und: 177 Fragen von göttli-cher Offenbarung, 3. Frage, 2. ff.

«Die äußere Welt ist nicht Gott,. ..»: Böhme, «Anti-Stiefelius II», 316.

«Wenn man sagt: Gott ist allesy . . .»: Böhme, «Apolologia II contraBalthasar Tilken», 140. (nicht ganz wörtlich).

In sieben Naturgestalten erbaut sich diese Welt: Siehe Böhme, «Theo-sophische Fragen oder 177 Fragen von göttlicher Offenbarung» in«Sämmtliche Werke», hg. von K.W. Schiebler, Bd. 6, Leipzig 1846,S. 667—677 (Claves VIII «Von der ewigen Natur und ihren siebenEigenschaften» und IX «Erklärung der sieben Eigenschaften der ewi-gen Natur»).

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128 «Der heilige Geist führt den Glanz . . .»: Böhme, «Vom dreifachenLeben des Menschen», Kap. 4,82. und Kap. 5,39.

129 Charles Lyell, 1797-1875, englischer Geologe; «Principles of Geo-logy», 3 Bände 1830-33.

Ernst Haeckel, «Natürliche Schöpfungsgeschichte»s Gemeinverständ-liche wissenschaftliche Vorträge über die Entwicklungslehre im all-gemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im be-sonderen, Über die Anwendung derselben auf den Ursprung desMenschen und andere damit zusammenhängende Grundfragen derNaturwissenschaft, 24 Vorträge, Berlin 1868; 9. umgearbeitete undvermehrte Auflage, mit dem Porträt des Verfassers und mit 30 Tafelnsowie zahlreichen Holzschnitten, Stammbäumen und systemati-schen Tabellen, Berlin 1898.

Jacob Böhmes Schriften: «Jakob Böhmes sämmtliche Werke», hg>von K.W. Schiebler, 7 Bände, Leipzig 1841-1847.

130 Nikolaus Kopernikus, 1473-1543, stammt aus Thorn; seine vielseiti-gen Studien begann er in Krakau und setzte sie in Bologna und Paduafort. Sie galten der Theologie, Medizin, Mathematik und Astrono-mie, in Italien besonders der Jurisprudenz und den alten Sprachen.Seit 1512 war er Domherr zu Frauenburg. Sein Hauptwerk «De revo-lutionibus orbium coelestium» blieb bis kurz vor seinem Tode unge-druckt; es war zunächst geschützt durch eine Widmung an denPapst, kam aber im Zusammenhang mit dem Galileiprozeß 1616 aufden Index.

131 Philotheo Giordano Bruno, 1548-1600, aus Nola bei Neapel; er istfrüh in den Dominikanerorden eingetreten und später mit ihm inKonflikt geraten; so groß wie seine Abneigung gegen Aristoteles unddie Scholastik, war seine Hinneigung zu Nicolaus Cusanus, Koper-nikus und Raimundus Lullus (s.u.). Aus Neapel, Rom und demkirchlichen Zwang geflohen, führte er ein unstetes Philosophen-Wanderleben, das ihn u.a. über Genf, Paris, London, Wittenberg,Prag, Frankfurt zurück nach Italien brachte. In Venedig wurde er andie Inquisition verraten und 1600 in Rom öffentlich verbrannt.Um 1900 entstand in Deutschland aus Anlaß seines dreihundertstenTodestages eine Giordano Bruno-Renaissance in den Kreisen dermonistischen Philosophen. Rudolf Steiner widmete die erste Auflageseiner «Theosophie» (1904) «dem Geiste Giordano Brunos». Sieheauch das Heft «Rudolf Steiner und der Giordano Bruno-Bund. Ma-terialien zu seinem Lebensgang, Berlin 1900-1905», Beiträge zur Ru-dolf Steiner Gesamtausgabe, Nr. 79/80, Dornach Ostern 1983.

132 Haeckel, «Die Welträtsel»: Siehe Hinweis zu S. 14.

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133 Bartholomäus von Carneri: «Empfindung und Bewußtsein, Monisti-sche Bedenken», Bonn 1893, S. 15.

134 «Die universelle Vernunft ist . . .»: Bruno, «Von der Ursache, demPrinzip und dem Einen», Zweiter Dialog; Aussage des Theophilo.

134/135 «Das Ding sei nun so klein und winzig . . .»: a.a.O., Aussage desTheophilo.

135 Raymundus Lullusy 1235-1315, Katalone aus Mallorca, der nach ei-nem ausschweifenden Leben allem äußeren Glanz entsagte und sichzum «Streiter Christi» bestimmte. Seine Hauptaufgabe sah er in derintellektuellen Überwindung des Arabismus. Nach mehrfachen sieg-reichen öffentlichen Disputationen, die ihm arabische Verfolgungund Gefangenschaft eintrugen, starb er als Märtyrer. Er war Franzis-kaner und erhielt den Namen «Doctor illuminatus».

Franz Brentano, 1838-1917, Philosoph und Psychologe.

«Auf konzentrischen, vereinzelt drehbaren . . .»: Brentano, «Die vierPhasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand», Stuttgart1895, S. 20.

136 Angelus Silesius (Johann Scheffler) 1624-1677, stammt aus einer Bres-lauer Protestantenfamilie, studierte in Straßburg, Leiden und PaduaMedizin. 1653 konvertierte er zum Katholizismus und wurde kaiser-licher Hofmedikus. 1661 trat er in den Mmoritenorden und empfingdie Priesterweihe. Seit 1664 war er geistlicher Rat des Fürstbischofszu Breslau.

«Cherubinischer Wandersmann oder geistreiche Sinn- und Schluß-reime zur göttlichen Beschaulichkeit anleitend» (6 Bücher), 1657. -Angelus Silesius, «Sämtliche poetische Werke in drei Bänden», hg.von H.L. Held, München 1949, Band 3.Eine neue, kritische Gesamtausgabe des «Cherubinischen Wanders-mann» ist bei Reclam erschienen, herausgegeben von Louise Gnädin-ger, Stuttgart 1984 (Universal-Bibliothek Nr. 8006).

«Gott ist in mir das Feur, . . .»: Silesius, «Cherubinischer Wanders-'mann», I. Buch, 11.

«Ich bin so reich als Gott; . . .»: I. Buch, 14.

«Gott liebt mich über sich: . . .»: I. Buch, 18.

«Der Vogel in der Luft, . . .»: I. Buch, 80.

137 «Bist du aus Gott geborn, . . .»: I. Buch, 81.

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137 «Halt an, wo laufst du hin;. . .»: I. Buch, 82.

«Die Welt, die hält dich nicht;. . .»: II. Buch, 85.

«Der Mensch hat eher nicht. . .»: IV Buch, 10.

«Der Mensch ist alle Ding': . . .»: I. Buch, 140.

«Mensch, wo du deinen Geist. . .»: I. Buch, 12.

«Ich seihst bin Ewigkeit, . . .»: I. Buch, 13.

«Die Rose, welche hier dein äußeres Auge . . .»: I. Buch, 108.

138 «Setz dich in'n Mittelpunkt, . . .»: II. Buch, 183.

«So lange dir, mein Freund, . . .»: IV. Buch, 215.

«Wenn sich der Mensch entzieht. . .»: IV. Buch, 224.

«Wann du dich über dich erhebst. . .»: IV. Buch, 56.

«Der Leib muß sich im Geist, . . .»: V. Buch, 88.

«So viel mein Ich in mir verschmachtet. . .»: V. Buch, 126.

«Nichts ist, als Ich und Du; . . .»: II. Buch, 178.

139 «Gott mag nicht ohne mich . . .»: I. Buch, 96.

«Ich weiß, daß ohne mich . . .»: I. Buch, 8.

«Kein Stäublein ist so schlecht, . . .»: IV. Buch, 160.

«In einem Senfkörnlein, . . .»: IV. Buch, 161.

«Schließ mich, so streng du willst, . . .»: I. Buch, 118.

«Dafern mein Will ist tot, . . .»: I. Buch, 98.

«Für Bös' ist das Gesetz;. . .»: V. Buch, 277.

140 «Ihr Menschen, lernet doch . . .»: I. Buch, 288.

«Die Ros' ist ohn' warum, . . .»: I. Buch, 289.

«Was ist nicht sündigen? . . .»: III. Buch, 98.

«Alls muß geschlachtet sein . . .»: V. Buch, 193.

141 mein Buch: «Goethes Weltanschauung» (1897), GA Bibl.-Nr. 6.

144 «Natürliche Schöpfungsgeschichte»: Siehe Hinweis zu S. 129.

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145 «Freund, es ist nun auch genug . . .»: VI. Buch, 263.

146 in meinem Buche: «Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goethe-sehen Weltanschauung» (1886), GA BibL-Nr. 2, S. 7-12.

147 «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (1904), GABibl.-Nr. 10.

«Die Geheimwissenschaft im Umriß» (1910), GA Bibl.-Nr. 13.

«Von Seelenrätseln» (1917), GA Bibl.-Nr. 21.

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PERSONENREGISTER

(Kursive Zahlen = Hinweis)

Adickes, Erich (1866-1928) 96Agrippa von Nettesheim (1487 bis

1535) 100, 102-106Asmus, Paul (1842-1876) 27, 30,

67Augustinus, Aurelius (354-430)

40Avicenna (980-1070) 107

Böhme, Jacob (1575-1624) 7, 8,119, 123, 129, 136, 142, 143, 145

Bonaventura (Johannes Fidanza,1221-1274) 75

Brahe, Tycho de (1546-1601) 77Brentano, Franz (1838-1917) 135Brockdorff, Cay Lorenz Graf von

(1844-1921) 11Brockdorff, Sophie Gräfin von

(1848-1906) 11Bruno, Giordano (1548-1600)

130, 131, 134, 135

Carneri, Bartholomäus von (1821bis 1909) 133

Carriere, Moriz (1817-1895) 103

Darwin, Charles (1809-1882)141, 144

Denifle, Heinrich (1844-1905)61

Dionysios (Areopagita) 87Du Bois-Reymond, Emil (1815 bis

1896) 26

Eckhart, Meister (um 1250 bis1327) 8, 11, 17, 20, 39-42, 46bis 53, 55, 72, 74, 77, 85, 87,112,119, 142

Erdmann, Benno (1851-1921) 13Erigena, siehe Johannes Scotus

Fichte, Johann Gottlieb (1762 bis1814) 17, 20, 23, 24, 141

Franck, Sebastian (1499-1542)119

«Frankfurter», Der 66, 68, 70

Galen, Claudius (131-201) 107Gerson, Johannes (1363-1429)

74-76Goethe, Johann Wolf gang (1749

bis 1832) 12, 33, 34, 108, 113,141

«Gottesfreund vom Oberland»61-63, 66, 67

Haeckel, Ernst (1834-1919) 11,13, 14, 96, 129, 132, 133, 141,143-145

Hamerling, Robert (1830-1889)35

Hegel, Georg Friedrich Wilhelm(1770-1831) 15, 16,28,141,142

Heidel, Wolfgang Ernst (?) 105Helmholtz, Hermann (1821 bis

1894) 93Herodes (1. Jh. v. Chr.) 58Humboldt, Wilhelm von (1767 bis

1835) 32Hume, David (1711-1776) 12

Johannes Scotus Erigena (um 810bis 877) 85, 87

Kant, Immanuel (1724-1804) 12,13, 96, 121

Kleutgen, Joseph (1811-1883) 83Kopernikus, Nikolaus (1473 bis

1543) 77, 130

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Lamarck, Jean (1744-1829) 141Linne, Karl von (1707-1778) 115Luilus, Raymundus (1235-1315)

135Luther, Martin (1483-1546) 66Lyell, Charles (1797-1875) 129

Merswin, Rulman (1307-1382)62

Mesue (um 777-857) 107Mill, John Stuart (1806-1873) 13Müller (Jesuitenpater) 12

Nikolaus von Kues (1401-1464)8, 77-79, 85, 86, 88, 89, 97, 99,100, 121, 122, 130

Oberland, siehe «Gottesfreund»

Paracelsus, Theophrastus (1493bis 1541) 7, 100, 104, 106-118,127

Paulsen, Friedrich (1846-1908)13

Paulus (Apostel) (gest. um 64 n.Chr.) 41, 87

Pfeiffer, Franz (1815-1868) 66Plato (427-347 v. Chr.) 31Plotin (um 205-270) 16Preger, Wilhelm (1827-1896) 55,

58,62Proklus (410-485) 16

Rhases (um 850 bis um 932) 107Richard von St. Viktor (gest. um

1173) 75Riehl, Alois (1844-1924) 13Ruysbroek, Johannes (1294 bis

1381) 53, 72, 74-76

Scheffler, Johann, siehe Süesius,Angelus

Schwenckfeldt, Caspar (1489 bis1561) 119

Shakespeare, William (1564 bis1616) 103

Sigwart, Christoph (1830-1904)13

Silesius, Angelus (JohannesScheffler, 1624-1677) 11, 17,34, 130, 136, 141, 142, 145

Spinoza, Baruch (1632-1677) 17,30, 31, 33

Stäglin, Elsbeth (gest. um 1350)73

Steiner, Rudolf (1861-1925) 12Werke:Einleitungen zu Goethes Na-

turwissenschaftliche Schrif-ten (GABibl-Nr. 1) 12

Grundlinien einer Erkenntnis-theorie der GoetheschenWeltanschauung, mit beson-derer Rücksicht auf Schiller(GA Bibl.-Nr. 2) 146, 147

Die Philosophie der Freiheit(GA BibL-Nr. 4) 11-14, 28,93, 121, 144

Goethes Weltanschauung (GABibl.-Nr. 6) 141

Wie erlangt man Erkenntnisseder höheren Welten? (GABibL-Nr. 10) 147

Die Geheimwissenschaft imUmriß (GA BibL-Nr. 13)147

Die Rätsel der Philosophie inihrer Geschichte als Umrißdargestellt (GA BibL-Nr. 18) 11, 93, 141, 142

Von Seelenrätseln (GA BibL-Nr. 21) 147

Goethes Geistesart in ihrer Of-fenbarung durch seinenFaust und das Märchen vonder Schlange und der Lilie(GA BibL-Nr. 22) 147

Suarez, Franz (1548-1617) 80

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Suso, Heinrich (1295-1366) 53, Weigel, Valentin (1533-1588) 16,72-75, 85, 119 17, 119-123, 136

Werner, Karl (1821-1888) 80Tauler, Johannes (um 1300 bis Willmann, Otto (1839-1920) 81,

1361) 20,53-59,^,62,72,75, 8377y 85, 89, 119, 136, 142 Winckelmann, Johann Joachim

Thomas von Aquino (1225 bis (1717-1768) 1081274) 39, 40, 78 Wundt, Wilhelm (1832-1920) 13

Topinard, Paul (1830-1911) 132Trithem von Sponheim (1462 bis

1516) 100, 104

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RUDOLF STEINER GESAMTAUSGABE

Gliederung nach: Rudolf Steiner- Das literarischeund künstlerische Werk. Eine bibliographische Übersicht

(Bibliographie-Nrn. kursiv in Klammern)

A. SCHRIFTEN

/. WerkeGoethes Naturwissenschaftliche Schriften, eingeleitet und kommentiert von R.

Steiner, 5 Bände, 1884-1897, Nachdruck 1975, (la-e); separate Ausgabe derEinleitungen, 1925 (1)

Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, 1886 (2)Wahrheit und Wissenschaft. Vorspiel einer <Philosophie der Freiheit^ 1892 (3)Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung, 1894

(4)Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895 (5)Goethes Weltanschauung, 1897 (6)Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur

modernen Weltanschauung, 1901 (7)Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums, 1902

Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestim-mung, 1904 (9)

Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? 1904/05 (10)Aus der Akasha-Chronik, 1904-1908 (11)Die Stufen der höheren Erkenntnis, 1905-1908 (12)Die Geheimwissenschaft im Umriß, 1910 (13)Vier Mysteriendramen, 1910-1913 (14)Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911 (15)Anthroposophischer Seelenkalender, 1912 (in 40)Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen, 1912 (16)Die Schwelle der geistigen Welt, 1913 (17)Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, 1914 (18)Vom Menschenrätsel, 1916 (20)Von Seelenrätseln, 1917 (21)Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen Faust und durch das

Märchen von der Schlange und der Lilie, 1918 (22)Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart

und Zukunft, 1919 (23)Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage

1915-1921 (24)Kosmologie, Religion und Philosophie, 1922 (25)Anthroposophische Leitsätze, 1924/25 (26)Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaft-

lichen Erkenntnissen, 1925. Von Dr. R. Steiner und Dr. I. Wegman (27)Mein Lebensgang, 1923-1925 (28)

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II. Gesammelte Aufsätze

Aufsätze zur Dramaturgie 1889-1901 (29) - Methodische Grundlagen der Anthro-posophie 1884-1901 (30) - Aufsätze zur Kultur- und Zeitgeschichte 1887-1901(31) - Aufsätze zur Literatur 1886-1902 (32) - Biographien und biographischeSkizzen 1894-1905 (33) - Aufsätze aus «Lucifer-Gnosis» 1903-1908 (34) - Philo-sophie und Anthroposophie 1904-1918 (35) - Aufsätze aus «Das Goetheanum»1921-1925 (36)

III. Veröffentlichungen aus dem Nachlaß

Briefe — Wahrspruchworte — Bühnenbearbeitungen - Entwürfe zu den VierMysteriendramen 1910-1913 - Anthroposophie. Ein Fragment - GesammelteSkizzen und Fragmente — Aus Notizbüchern und -blättern — (38-47)

B. DAS VORTRAGSWERK

/. Öffentliche Vorträge

Die Berliner öffentlichen Vortragsreihen, 1903/04 bis 1917/18 (51-67) - Öffent-liche Vorträge, Vortragsreihen und Hochschulkurse an anderen Orten Europas1906-1924 (68-84)

II. Vorträge vor Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft

Vorträge und Vortragszyklen allgemein-anthroposophischen Inhalts - Christolo-gie und Evangelien-Betrachtungen — Geisteswissenschaftliche Menschenkunde -Kosmische und menschliche Geschichte - Die geistigen Hintergründe der sozia-len Frage - Der Mensch in seinem Zusammenhang mit dem Kosmos - Karma-Betrachtungen - (91-244).Vorträge und Schriften zur Geschichte der anthroposophischen Bewegung undder Anthroposophischen Gesellschaft (251-263)

III. Vorträge und Kurse zu einzelnen Lebensgebieten

Vorträge über Kunst: Allgemein-Künstlerisches - Eurythmie — Sprachgestaltungund Dramatische Kunst - Musik - Bildende Künste - Kunstgeschichte - (271-292) - Vorträge über Erziehung (293-311) - Vorträge über Medizin (312-319) -Vorträge über Naturwissenschaft (320-327) - Vorträge über das soziale Lebenund die Dreigliederung des sozialen Organismus (328-341) - Vorträge für dieArbeiter am Goetheanumbau (347-354)

C. DAS KÜNSTLERISCHE WERK

Originalgetreue Wiedergaben von malerischen und graphischen Entwürfen undSkizzen Rudolf Steiners in Kunstmappen oder als Einzelblätter: Entwürfe für dieMalerei des Ersten Goetheanum - Schulungsskizzen für Maler - Programmbilderfür Eurythmie-Aufführungen - Eurythmieformen - Entwürfe zu den Eurythmie-figuren, u.a.

Die Bände der Rudolf Steiner Gesamtausgabesind innerhalb einzelner Gruppen einheitlich ausgestattet.

Jeder Band ist einzeln erhältlich.

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