reibungsreduktion am ventiltrieb durch ganzheitliche betrachtung der systemkomponenten

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Page 1: Reibungsreduktion am Ventiltrieb durch ganzheitliche Betrachtung der Systemkomponenten

Reibungsreduktion am Ventiltrieb

durch ganzheitliche Betrachtung

der SystemkomponentenNeueste Überlegungen, den C02-Ausstoß von Fahrzeugen mit Sonderabgaben zu belegen, haben die Entwicklungs-arbeit zur Reduzierung der Emissionen verstärkt. Durch die Höhe der eventuell auf die Automobilhersteller zu-kommenden Strafen wurden die Kosten für solche Maßnahmen in ein neues Licht gerückt. Der vorliegende Artikel dient als Situationsbeschreibung, inwieweit Mubea als Hersteller von Ventiltriebkomponenten – Ventil-federn, Federtellern und gebaute Nockenwellen – beim Erreichen der Zielwerte unterstützen kann.

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MTZ 07-08I2008 Jahrgang 69606

Ventiltrieb

Page 2: Reibungsreduktion am Ventiltrieb durch ganzheitliche Betrachtung der Systemkomponenten

1 Einleitung

Die Reduzierung des Kraftstoffverbrau-ches und der CO2-Emissionen von Ver-brennungsmotoren kann neben kons-truktiven Eingriffen in das Motorkon-zept auch durch die sukzessive Optimie-rung der Systemkomponenten erreicht werden. Die einzelnen Maßnahmen las-sen in Summe einen ebenfalls deutlich messbaren Erfolg erkennen. Durch die Kombination moderner CAE-Methoden mit innovativer Messtechnik wurden fol-gende Optimierungen und Neuentwick-lungen untersucht:– Optimierung der Ventilfeder hinsicht-

lich Baugröße und Gewicht– Reduzierung der dynamischen Masse

und der Querkraft in der Ventilschaft-führung durch einen neuartigen, keil-losen Federteller

– Reduzierung des Antriebsmomentes der Nockenwellen

– Verringerung der Ölpumpenleistung durch einen reduzierten Ölvolumen-strom im Zylinderkopf.

Nachfolgend werden die Maßnahmen zunächst detailliert beschrieben und an-schließend im Gesamtsystem Ventiltrieb untersucht und bewertet.

2 Maßnahmen

2.1 Optimierung der VentilfedernDie Ventilfeder erhält durch eine ko-nische oder bienenkorbförmige Außen-kontur eine stark progressive Federkenn-linie und ein leichteres, bewegtes Fede-rende. Die durch die Helixform des Fe-derkörpers bedingte Erhöhung der Bau-teilspannungen auf der Federinnenseite kann durch Verwendung von Draht mit elliptischem Profil anstelle von Rund-draht homogener verteilt und das Span-nungsniveau insgesamt gesenkt werden.

Hochfeste Drahtwerkstoffe gewähr-leisten durch beanspruchungsorientierte Wärmebehandlung eine ausreichend lange Lebensdauer. Durch die Erhöhung der ertragbaren Spannungen im Draht lassen sich die Federlänge und dadurch die Bauhöhe des Zylinderkopfes sowie die Ventilschaftlänge verringern [1].

2.2 Reibungs- und MassenreduzierungDie Symmetrieeigenschaften der Ventil-feder, das Anlageverhalten sowie die Zahl

der Windungen nehmen maßgeblich Einfluss auf die Federquerkraft [2], wel-che sich auf die Reibungsverluste in der Ventilschaftführung auswirkt. Hier setzt der neu entwickelte keillose Federteller (Keyless Retainer) an, Bild 1. Durch seine pendelnde Anbindung lässt sich die übertragbare Querkraft an dem Ventil-schaft reduzieren. Die konventionelle Lösung aus Federteller und Keilsteinen fixiert den Federteller am Schaftende und räumt dem Federteller maximal ei-nen rotatorischen Freiheitsgrad um die Ventilschaftachse ein. Der Keyless Retai-ner, eine einteilige Lösung aus umge-formtem Federband, gestattet dem Fede-rende zusätzlich eine ausreichende Tau-melbewegung um den Anbindungspunkt am Ventilschaft. Damit wird das Anlage-verhalten der oberen Federwindungen hinsichtlich Querkraft optimiert. Der Keyless Retainer senkt im Vergleich zur Serienlösung die Masse bis zu 60 %, die Teilezahl um 67 % und die Axialtoleranz bis zu 60 %.

2.3 Reduzierung des Antriebsmomentes der NockenwellenDie Reibverluste einer hydrodynamisch gelagerten Nockenwelle nehmen bei niedrigen Drehzahlen durch Mischrei-bung zu. Während eine geeignete Be-schichtung (DLC), Bild 2, diesen Effekt verringert, kann er durch Wälzlagerung aufgehoben werden. Die Montage der Na-

Die Autoren

Dipl.-Ing. Christof Struwe ist Projektingenieur

für Simulation in der

Vorentwicklung der

Mubea Motorkompo-

nenten GmbH in

Attendorn.

Bild 1: Vergleich von konventionellem Federteller mit Keyless Retainer

Dipl.-Ing. Stefan Schattenberg leitet die Berech-

nungen in der Vor-

entwicklung der

Mubea Motorkompo-

nenten GmbH in

Attendorn.

Dipl.-Ing. Michael Schebitz ist Leiter der Vorent-

wicklung der Mubea

Motorkomponenten

GmbH in Attendorn.

Bild 2: DLC-beschichtete Auslassnockenwelle

MTZ 07-08I2008 Jahrgang 69 607

Page 3: Reibungsreduktion am Ventiltrieb durch ganzheitliche Betrachtung der Systemkomponenten

delkränze und Lagerschalen lässt sich durch einen überschaubaren Mehrauf-wand in den Herstellungsprozess der ge-bauten Nockenwelle integrieren. Darü-ber hinaus sinkt der Ölbedarf des Zylin-derkopfes und wirkt sich damit positiv auf die Förderleistung der Ölpumpe aus.

3 Untersuchung des Gesamtsystems

Die folgenden Untersuchungen stützen sich auf einen modifizierten Serienzylin-derkopf eines 1,6-l-Ottomotors mit zwei obenliegenden Nockenwellen und Vier-ventiltechnik, Bild 3. Betrachtet wurden Hochläufe und statische Drehzahlen bei konstanten Öltemperaturen zwischen 0 °C und 90 °C.

In Bild 4 sind die dynamischen An-triebsmomente einer Nockenwelle im relevanten Drehzahlbereich dargestellt. Es zeigt sich, dass der Mischreibungsef-fekt bei niedrigen Drehzahlen eliminiert und das Antriebsmoment deutlich redu-ziert werden kann. Zu höheren Dreh-zahlen hin bleibt das Moment es auf einem konstanten Niveau und die Ver-besserungen werden geringer.

Die statisch gemessenen Punkte las-sen eine signifikante Verbesserung von über 25 % im Bereich niedriger Tempe-raturen erkennen. Erwartungsgemäß nimmt die Verbesserung mit steigender Temperatur ab, da durch die Abnahme

der Ölviskosität die Lagereigenschaften der Gleitlagerung günstiger werden. Die benötigte Ölmenge einer Wälzlage-rung ist im Vergleich zu der einer Gleit-lagers deutlich kleiner. Dadurch kann die Lieferkurve der Ölpumpe angepasst und die aufgenommene Antriebslei-tung senkt sich um etwa 5 bis 8 % ab. Dies kann für herkömmliche Pumpen über eine Verringerung der Läuferbrei-te geschehen. Bei den heute vermehrt eingesetzten geregelten Ölpumpen ge-schieht die Anpassung automatisch und bedarf keiner weiteren Maßnahme. Die DLC-beschichtete Nockenwelle ver-ursacht bei niedrigen Temperaturen ebenfalls weniger Reibungsverluste. Di-ese nehmen zu höheren Temperaturen hin jedoch wieder zu.

Bild 3: Zylinderkopf mit wälzgelagerter Auslassnockenwelle

Bild 4: Absenkung des Antriebsmomentes der Nockenwelle durch Wälzlagerung

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MTZ 07-08I2008 Jahrgang 69608

Ventiltrieb

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Im Weiteren werden die Verbesse-rungen infolge der Federoptimierung und der neuartigen Federtelleranbin-dung untersucht. Um die gegenseitige Wechselwirkung zwischen Feder und Fe-derteller zu berücksichtigen, wird der Einzelventiltrieb betrachtet. Besitzt der Keyless Retainer eine um bei spielswei se 5 g geringere Masse als die Serien- Lösung, kann bei konstanter Grenzdrehzahl die maximale Federkraft (F2) um 20 N herab-gesetzt werden [3], wodurch die Reibung im Ventiltrieb geringer wird. Die zusätz-lichen Freiheitsgrade am bewegten Fede-rende können durch Modifikationen des verwendeten ADAMS/ Engine-Federmo-dells berücksichtigt werden. In Bild 5 wird die am Federteller angreifende Fe-derquerkraft über dem Arbeitshub dar-gestellt. Gegenübergestellt sind die Kur-ven der konventionellen Federanbindung und des Key less Retainers. Analog zur Si-mulation wurden die Kräfte in einer ent-

sprechenden Messvorrichtung ermittelt, um das Modell zur verifizieren. Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung. Im un-teren Teil des Bildes sind die auf die Füh-rung wirkenden Biegemomente der Fe-derquerkraft aufgetragen. Die Momente infolge der Querkraft des Rollenschlepp-hebels sind hier nicht dargestellt und werden als unverändert betrachtet. Quer-kraft und Biegemoment verhalten sich qualitativ ähnlich und tragen zur Rei-bung im Ventilschaft bei. Der Verlauf des Keyless Retainers zeigt im Vergleich zur konventionellen Federanbindung eine deutliche Verbesserung. Wie oben be-schrieben, erzielt die Federoptimierung eine Reduzierung der dynamischen Mas-se und der Bauhöhe. Dieser Einfluss wur-de in den MKS-Simulationen berücksich-tigt. In Bild 6 ist ein Ausschnitt aus den Ergebnissen zu sehen. Bei hohen Dreh-zahlen wirkt sich eine Feder mit höherer Eigenfrequenz, gleicher Steifigkeit und

Bild 5: Reduzierung von Federquerkraft und Biegemoment im Ventilschaft durch den Keyless Retainer

MTZ 07-08I2008 Jahrgang 69 609

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kleinerer Masse positiv auf die Ventil-triebdynamik aus. Die Kraftamplituden werden sowohl in der Bewegungs- als auch in der Grundkreisphase reduziert. Da die Schließrampe der Nocke die Auf-setzgeschwindigkeit des Ventils und da-mit die Kraftamplituden der Feder-schwingungen beeinflusst, erscheint ei-ne Abstimmung der Schließrampe auf die Ventilfeder als sinnvoll. In diesem Op-timierungsschritt wird nur die Rampen-form beeinflusst, während Zeitpunkt, Höhe und Länge der Rampe unverändert bleiben. Dies führt zu einer weiteren Re-duzierung der Kraftamplituden in der Grundkreisphase [1, 4]. Für die Reibungs-größen im Ventiltrieb ist diese Optimie-rung primär nicht relevant.

4 Zusammenfassung

In Bild 7 ist ein Kennfeld der prozentu-alen Einsparungen des spezifischen Kraftstoffverbrauches über der Motor-drehzahl und dem effektiven Mittel-druck aufgetragen. Wie bereits zuvor be-schrieben, sind die Einsparungen im un-teren Drehzahl- und Lastbereich am größten. Mit Hilfe eines Zyklussimulati-onstools, das es erlaubt, abhängig von Fahrzeug- und Motorkennwerten Ver-bräuche in beliebigen Fahrzyklen zu be-rechnen, wurden verschiedene Szenari-en durchgerechnet. Es zeigte sich eine Einsparung von 1,5 bis 2,0 % für einen Kleinwagen mit einem 1,6-l-Motor im NEDC. Dies würde bei dem untersuchten Fahrzeug einer CO2-Reduzierung von 2 bis 3 g/km entsprechen. Bei der Bewer-tung dieser Einsparung muss berück-sichtigt werden, dass das untersuchte Fahrzeug mit 130 g/km schon einen sehr guten Basiswert hat. Für Motoren mit an-deren Ventiltriebtopologien werden ent-sprechend höhere Werte erreicht.

Neben der Effektivität der Maßnah-men stellt sich die Frage nach den Kos-ten. Auch hier ist es sinnvoll, eine Ge-samtbetrachtung durchzuführen. Die Mehrkosten betragen in Relation zu den CO2-Einsparungen 2,50 €/g. Im Vergleich zu den in der EU diskutierten Sonderab-gaben ergibt sich somit ein Verhältnis von 1:10. Es zeigt sich, dass die hier be-schriebenen Optimierungen und Neu-entwicklungen ein kleiner Schritt in die richtige Richtung zur Einhaltung der

Emissionszielwerte sind, welche die auf die Fahrzeughersteller zukommenden Mehrkosten reduzieren können.

Literaturhinweise[1] Schebitz, M.: Lösungsansätze für steigende Anfor-

derungen zukünftiger Ventiltriebe mit Hilfe von

hochfesten Ventilfedern und drehsteifen Nocken-

wellen und deren Auslegung mit CAE-Tools. In:

VDI-Berichte (2006) Nr.1934, S.77-86

[2] Kuhn, P. R.: Über den Einfluss der Endwindungen

auf das Verhalten schraubenförmiger Druckfedern.

In: Draht 20 (1969), Nr.4, S.206-212

[3] Speckens, F.-W.; Hermsen, F.-G.; Buck, J.: Konstruk-

tive Wege zum reibungsarmen Ventiltrieb. In: MTZ

59 (1998), Nr.3, S.176-181

[4] Struwe, C.: Einflussanalyse verschiedener Ventilfe-

dermodelle und Fertigungstoleranzen auf die Ven-

tiltriebdynamik. Universität Siegen, Diplomarbeit,

2007

Bild 7: Kennfeld der Verbrauchsreduktion durch die Ventiltrieboptimierung

Bild 6: Verbesserung der Ventiltriebdynamik durch die Optimierung von Feder und Schließrampe

Download des Beitrags unter

www.MTZonline.de

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MTZ 07-08I2008 Jahrgang 69610

Ventiltrieb