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A.1 Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen 1.1 Qualität – Management – Qualitätsmanagement – 4 1.1.1 Ent wicklung von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement – 4 1.1.2 Beg riffe – 6 1.1.3 Grundprinzipien – 9 1.1.4 Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierung – 12 1.2 Qualitätsmanagementmodelle – 15 1.2.1 Branchenüber greifende Qualitätsmanagement-Modelle: DIN EN ISO 9001, EFQM – 16 1.2.2 Gesundheitsw esen-spezifische Qualitätsmanagement-Modelle: QEP, KTQ, KPQM – 19 1.3 Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen – 22 1.3.1 Vorgeschichte der Förderung von Qualität im Gesundheitswesen – 22 1.3.2 Gründe für die Einführung von Qualitätsmanagement – 23 1.3.3 Kritische Bewertung und Nutzen von Qualitätsmanagement – 24 1.4 QM-Begriffe und -Prinzipien im Gesundheitswesen – 26 1.4.1 Definition der Qualität – 26 1.4.2 Kundenorientierung und Kundenanforderungen – 28 1.4.3 P atientenorientierung – 29 1.4.4 F ehlerkultur – 30 1.4.5 Qualitätssicherung – Qualitätsmanagement – 32 1.5 Gesetzliche Vorgaben zur Qualität im Gesundheitswesen – 34 1.5.1 Festlegung von Qualitätsstandards durch Rechtsnormen – 34 1.5.2 Qualitätsmanagement-Richtlinie: Vorgaben für die Umsetzung von Qualitätsmanagement – 38

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Page 1: Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung ... · 4 Kapitel A.1 · Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen A.1 Im theoretischen

A.1

Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen

1.1 Qualität – Management – Qualitätsmanagement – 41.1.1 Ent wicklung von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement – 41.1.2 Beg riffe – 61.1.3 Grundprinzipien – 91.1.4 Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierung – 12

1.2 Qualitätsmanagementmodelle – 151.2.1 Branchenüber greifende Qualitätsmanagement-Modelle:

DIN EN ISO 9001, EFQM – 161.2.2 Gesundheitsw esen-spezifische Qualitätsmanagement-Modelle:

QEP, KTQ, KPQM – 19

1.3 Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen – 221.3.1 Vorgeschichte der Förderung von Qualität im Gesundheitswesen – 221.3.2 Gründe für die Einführung von Qualitätsmanagement – 231.3.3 Kritische Bewertung und Nutzen von Qualitätsmanagement – 24

1.4 QM-Begriffe und -Prinzipien im Gesundheitswesen – 261.4.1 Definition der Qualität – 261.4.2 Kundenorientierung und Kundenanforderungen – 281.4.3 P atientenorientierung – 291.4.4 F ehlerkultur – 301.4.5 Qualitätssicherung – Qualitätsmanagement – 32

1.5 Gesetzliche Vorgaben zur Qualität im Gesundheitswesen – 341.5.1 Festlegung von Qualitätsstandards durch Rechtsnormen – 341.5.2 Qualitätsmanagement-Richtlinie: Vorgaben für die Umsetzung von

Qualitätsmanagement – 38

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4 Kapitel A.1 · Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen

A.1 Im t heoretischen T eil des B uches, in S ektion A, werden die B egriffe, P rinzipien und I nstrumente des Qualitätsmanagements sowie deren Bedeutung für das Gesundheitswesen und die ambulante Psy-chotherapie behandelt.

Die Darstellung der En twicklung und G rund-sätze des Quali tätsmanagements (Q M) s oll dazu beitragen, die Diskussion zu versachlichen und zu differenzieren. Wer sich mit der Thematik ausein-andersetzt, tr ifft auf die un terschiedlichsten D ar-stellungen des Qualitätsmanagements und auf ein breites S pektrum v on S tellungnahmen dazu . Auf der einen Seite kann man unkritischen Enthusias-mus und affirmative Statements finden, aber auch Begeisterung a ufgrund v on gu ten Er fahrungen mit QM; auf der anderen Seite gibt es abwehrende Aussagen wie »QM mache ich doch sowieso schon immer,« b is hin zu emo tional ho ch a ufgeladener Ablehnung, die Q M als t otalitäres Kontrollsystem verdächtigt, nic ht w eit en tfernt v on G ehirnwä-sche. Eine ak tuelle S tudie der S tiftung G esund-heit »Qualitätsmanagement in der ä rztlichen Pra-xis 2007« (Ob ermann u . M üller 2007) k ommt zu dem S chluss, dass etwa 25% der Ärzt e dem QM »üb eraus kr itisch g egenüber st ehen«; 67% der Studienteilnehmer haben noch keine konkre-ten S chritte hin sichtlich Q M un ternommen. Die vielfach v erbreitete A blehnung b ei Ärzt en und Psychotherapeuten ha t er fahrungsgemäß un ter anderem auch damit zu t un, dass P rinzipien und Begriffe ma nchmal unr eflektiert und un vermit-telt a us dem B ereich der W irtschaft a uf das G e-sundheitswesen üb ertragen und missv erständlich gebraucht werden. Sie passen dann nicht, sowohl in ihr en Wertkategorien, die sic h v on denen des Gesundheitswesens unterscheiden, als auch ihrem Inhalt nach, s o dass die da raus abgeleiteten QM-Konzepte banal o der unangemessen kommerziell erscheinen.

In � Kap. A.1 soll daher eine Erlä uterung der grundlegenden B egriffe und P rinzipien des Q M mit der F achterminologie v ertraut mac hen und ihre U msetzung im G esundheitswesen b eschrei-ben. QM-Kritiker bezeichnen die als b ürokratisch empfundene Q M-Sprache und -L ogik hä ufig als »typisch deu tsch«. D aher wir d a n einig en S tellen auch ein B ezug zur in ternationalen En twicklung hergestellt. Die sp ezielle B edeutung der Q M-Ter-

minologie und der QM-Instrumente für die ambu-lante Psychotherapie wird im � Kap. A.2 ausführlich behandelt.

1.1 Qualität – Management – Qualitäts-management

1.1.1 Entwicklung von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement

Qualitätsmanagement hat eine lange Vorgeschichte und ist im L auf des letzt en Jahrhunderts zu einer eigenständigen wiss enschaftlichen Diszi plin mi t entsprechender F orschung, F achzeitschriften und eigener T erminologie g eworden. Es gib t mi ttler-weile eine ga nze Reihe v on nationalen und in ter-nationalen Fachgesellschaften und Trägerorganisa-tionen, die gemeinsame Standards, Methoden und Verfahren en twickeln s owie v erschiedene A usbil-dungsgänge und anerkannte Abschlüsse anbieten.

Die Anfänge von Qualitätsdefinition und Qua-litätskontrolle lassen sich tausende von Jahren zu-rückverfolgen. M an f indet zahlr eiche hist orische Beispiele wie den ba bylonischen C odex Hammu-rabi aus dem 18. Jahrhundert v or Chr isti G eburt, die Qualitätsstandards b ei st aatlichen G roßpro-jekten wie dem P yramidenbau, dem B au der mi t-telalterlichen Dome und K athedralen oder in den komplex a rbeitsteilig o rganisierten M anufakturen des 18. Jahrhunderts. Der Eid des H ippokrates ist ein f rühes B eispiel f ür die Z ielsetzung, die T ätig-keit einer ga nzen Berufsgruppe durch einheitliche Verhaltensnormen im p ositiven S inne zu q ualifi-zieren.

Eine b estimmte F orm der Quali tätskontrolle wurde geradezu konstitutiv für die Entstehung des seit dem Mittelalter erfolgreichen Produktionsmo-dells Handwerksbetrieb: Die Zunft mit ihren Qua-litätsvorgaben wa r hier das Regula tiv g egen exis-tenzschädigenden W ettbewerb. D er M eister des einzelnen Betriebes überblickte den gesamten Her-stellungsprozess, konnte f rühzeitig eingreifen, um Fehler zu v erhindern und da mit a uch A usschuss zu vermeiden. Qualif izierte Mitarbeiter hatten die Fachkenntnisse, den gesamten Herstellungsprozess zu überblicken. Über allem s etzte die Z unft Stan-dards f ür P roduktqualität und üb erwachte ihr e

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1.1 · Qualität – Management – QualitätsmanagementA.15

Einhaltung mi t dem üb ergeordneten Z iel, den Erfolg aller Einzelb etriebe d urch üb erbetrieblich gleich bleibende Qualität zu sichern.

Eine neue Phase der Qualitätsbemühungen be-gann mi t der I ndustrialisierung, der M assenferti-gung v on G ütern und der da mit einher gehenden höheren K omplexität der H erstellungsprozesse. Nach der Z erlegung des H erstellungsprozesses in einzelne Schritte, die vom einzelnen Arb eiter ohne entsprechende F achkenntnisse nic ht mehr üb er-blickt w erden k onnten, wur den S tandards en twi-ckelt, zunächst während des 2. Weltkrieges für die Massenproduktion k omplexer R üstungsgüter, spä-ter da nn in sgesamt in der ind ustriellen P roduk-tion. Die S tandards dien ten a uch dem in ternatio-nalen Austausch von Gütern. Es entstanden eigene Fachabteilungen f ür Quali tätskontrolle, eine v om Herstellungsprozess abgetrennte Instanz übernahm die Quali täts-Verantwortung. Endk ontrollen der produzierten T eile s ollten sic herstellen, dass der Ausschuss, der nicht den Anforderungen entsprach, aussortiert wurde. In einer spä teren Phase wurden zusätzlich p rozessbegleitende S tichprobenprüfun-gen mittels st atistischer Verfahren eingeführt. D a-für waren Spezialisten zuständig, die nicht selbst an den Arb eitsprozessen b eteiligt waren. Dies e Phas e der » Qualitätssicherung«, g ekennzeichnet d urch Fremd- und Endk ontrolle, reichte b is in die 50er -Jahre des letzten Jahrhunderts.

Modernes Quali tätsmanagement im en geren Sinne wur de v on a merikanischen Exp erten (Wil-liam E. Deming, Philip Crosby, Malcolm Baldrige, u. a.) in der N achkriegszeit – zunäc hst in J apan – entwickelt. Es gin g hierb ei um eine syst ematische Verbesserung der P roduktionsprozesse durch eine Planung, die Fehler möglichst gar nicht erst entste-hen lässt: Fehlervermeidung trat an die S telle von Fehlerbeseitigung, Qualität wurde nicht in die Pro-dukte »hinein geprüft«, s ondern »hinein geplant«. Angestrebt wur de eine mög lichst h undertprozen-tige Fehlervermeidung, im G egensatz zu den Z ei-ten der Quali tätssicherung, als no ch F ehlerraten im Prozentbereich als akzeptabel (Acceptable Qua-lity Level, AQL = Annehmbare Qualitätsgrenzlage) betrachtet worden waren.

Einige Z ahlen v erdeutlichen die B edeutung dieser »N ull-Fehler-Philosophie«, als o der N ot-wendigkeit, sic h v on einem »Akzep tablen Quali-

tätslevel« mi t einer F ehlertoleranz im ein stelligen Prozentbereich abzuwenden:

Eine F ehlerrate v on 0,1% b ei 99,9% r ichtig ausgeführter Tätigkeiten würde heutzutage auf die USA bezogen zu folgenden Ergebnissen führen:▬ Zwei un sichere L andungen p ro T ag a uf dem

Internationalen Flughafen O’Hare.▬ 16.000 verlorene Postsendungen pro Tag.▬ 20.000 falsche Medikamentenrezepte im Jahr.▬ 500 nic ht ein wandfreie c hirurgische Ein griffe

in der Woche.▬ 22.000 vom falschen Konto abgezogene Schecks

pro Stunde.

Im Zusammenhang mit der En twicklung des mo-dernen Quali tätsmanagements wur de a uch der Begriff » Qualität« neu def iniert: I m Vordergrund stand nun nicht mehr allein die t echnische Erfül-lung v orgegebener S pezifikationen, s ondern die »Gebrauchstauglichkeit in den Augen des Kunden« (»fitness for us e«). Außerdem verschob sic h auch die Verantwortung f ür die Quali tät innerhalb des Managements: Quali tät wur de wieder als Chefs a-che angesehen, statt sie an Spezialisten abzugeben. Indem zunehmend a uch B ereiche a ufgenommen wurden, die der eig entlichen Produktion vor- und nachgelagert wa ren (B eschaffung, L ieferanten, Auslieferung, S ervice) en twickelte sic h ein »U m-fassendes Quali tätsmanagement« ( Total Quali ty Management – TQM, nach Deming), in das s ämt-liche Abteilungen und Mitarbeiter mit einbezogen wurden. Dazu gehörte auch eine Er weiterung des Kundenbegriffs, um die in ternen Abläufe zur Z u-friedenheit aller M itarbeiter zu o ptimieren: W er innerhalb des U nternehmens L eistungen a nderer Mitarbeiter in Em pfang nimm t, um da mit w eiter zu a rbeiten, wir d in dies em K onzept als in terner Kunde bezeichnet. Insgesamt ging die Entwicklung weg v on der ext ernen K ontrolle, hin zur Eig en-verantwortung, w eil sic h g ezeigt ha tte, dass n ur so echte und nac hhaltige Verbesserungen möglich sind.

Diese Entwicklung des Quali tätsmanagements fand N iederschlag in w eltweit b zw. eur opaweit gültigen M odellen wie D IN EN ISO 9001 o der EFQM, die in a bstrakter Form die S truktur eines QM-Systems b eschreiben, mi t M aßnahmen zur systematischen Pla nung, Üb erprüfung und V er-

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6 Kapitel A.1 · Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen

A.1 besserung der Quali tät. Die P rinzipien des Q M wurden aus der materiellen Produktion übertragen in den Dien stleistungsbereich. Die Üb ernahme in den st ationären und a mbulanten medizinis chen Bereich wird in Deutschland seit Anfang der neun-ziger Jahre intensiv diskutiert und vorangetrieben.

1.1.2 B egriffe

QualitätEs gibt viele Versuche, den Begriff » Qualität« fass-bar zu machen. Qualität heißt laut Duden zunächst einmal n ur B eschaffenheit (la t. »q ualitas«) und wird bestimmt anhand von objektiven Merkmalen und deren subjektiven Bewertungen.

Im S prachgebrauch b eschreibt Qualität zum einen die B eschaffenheit (Ob erfläche ist ra u o der glatt), zum a nderen ha t Quali tät a ber a uch die Bedeutung einer B ewertung: gu te o der s chlechte Qualität. I n a bstrakter, »ob jektiver« F orm sp richt man v on ho her o der niedr iger Quali tät, in sub-jektiver F orm v on zuf rieden st ellender Quali tät. Letztendlich sind alle Qualitäten subjektiver Natur, werden ihre Eigenschaften doch in der Regel durch die subjektive Wahrnehmung mitgeprägt. Die B e-trachtung v on Quali tät und q ualitätsbezogenen Fragestellungen setzt daher Begriffsbestimmungen in Form von Zielen, Normen, Standards oder Kon-sensformulierungen voraus.

Qualität – Erfüllung von Anforderungen

Definition DIN EN ISO 9000Qualität. Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt

Definition aus der früher gültigen DIN EN ISO 8402Qualität. Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen

Im QM wird nach der ISO-Norm Qualität zunächst ganz s chlicht def iniert als Er füllung von Anforde-rungen. Die Anforderungen stellt derjenige, der das

Produkt oder die L eistung haben will und b ezahlt, also der Kunde. A ußerdem gib t es fac hliche und gesetzliche Anforderungen, in denen Kundenanfor-derungen, z. B. hin sichtlich S icherheit, f ormuliert sind. Qualität ist das A usmaß, in dem ein P rodukt oder eine L eistung (»Einhei t«) dies e Anf orderun-gen er füllt. D aher gib t es n ur b edingt gu te o der schlechte Quali tät »a n sic h«. Die Quali tätsmerk-male w erden in ho hem M aße v om K unden def i-niert, und b einhalten immer a uch Kosten-Nutzen-Erwägungen. Verschiedene Kunden können je nach Interessenlage unterschiedliche Anforderungen ha-ben und demnac h die Quali tät ein und dess elben Produktes unterschiedlich beurteilen.

Im B ereich der W irtschaft o rientiert sic h die Fertigung eines P roduktes oder das An gebot einer Dienstleistung möglichst nah a n den Kundenwün-schen hin sichtlich F unktion, L ieferzeit, P reis und Service. Die M arktforschung b emüht sic h d urch Beobachtungen, D atenerhebungen und -a nalysen um eine mög lichst g enaue Ein schätzung des B e-darfs und der er forderlichen Quali tätsmerkmale von Produkten oder Dienstleistungen, damit diese Faktoren in das An gebot einf ließen k önnen. H ier liegt ein U nterschied zum G esundheitswesen b e-reits darin, dass P atienten als K unden ihre Anfor-derungen nicht in dem Ausmaß konkretisieren und spezifizieren können, wie es beim Kauf eines Mobil-telefons oder beim Friseurbesuch möglich ist.

Anforderungen und QualitätsmerkmaleDie Anforderungen der Kunden lassen sich gradu-ell unterscheiden, und demen tsprechend auch die Qualitätsmerkmale, a uf die sic h die Anf orderun-gen beziehen.

Die gr undsätzliche Anforderung an eine L eis-tung bezieht sich auf ihr Ergebnis. Als Grundanfor-derung an eine F ahrt mit der B ahn beispielsweise könnte man formulieren, dass der Zug an dem Ort und zu der Zeit ankommt, die der Fahrplan angibt. Werden die G rundanforderungen nicht er füllt, ist das eine massi ve B eeinträchtigung der Quali tät, dementsprechend g elten s olche G rundanforde-rungen als primäre Qualitätsmerkmale. Z u den grundlegenden Anf orderungen zählen a uch B e-standteile der Leistung, die der Kunde nicht expli-zit formuliert, sondern deren Erfüllung er implizit

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als s elbstverständlich (Er wartungen) v oraussetzt. Beim B eispiel B ahnfahrt ist die im plizite Er war-tung, dass der Z ug s ein Z iel o hne Unfall er reicht (Sicherheit). Die Er füllung der p rimären Quali-tätsmerkmale trägt nicht dazu bei, dass der Kunde besonders zuf rieden ist, s ondern sie fallen da nn ins G ewicht, wenn sie nic ht er füllt werden. Man-che primäre Qualitätsmerkmale sind vom Kunden nicht b eurteilbar (z. B. die S icherheit der B ahn-fahrt), sie sind aber deshalb nicht weniger wichtig. Viele dieser impliziten Erwartungen kondensieren sich in gesetzlichen und sonstigen normativen und fachlichen Vorgaben auf einer Meta-Ebene.

Darüber hinaus gibt es Anforderungen, die der Leistung eine zus ätzliche Attraktivität v erleihen, die der Annehmlic hkeit und B equemlichkeit die-nen (z. B. der mi t dem P rodukt oder der L eistung verbundene Service), und die der K unde vielleicht sogar von sich aus nicht erwartet hat. Sie gelten als sekundäre Qualitätsmerkmale. I m Q M g eht es häufig da rum, die K undenerwartungen nic ht n ur zu er füllen, s ondern zu üb ertreffen, den K unden zu begeistern, um ihn im Wettbewerb mit anderen Anbietern an das Unternehmen zu binden.

Das Verhältnis kann sich mit der Zeit verschie-ben: S ervicefaktoren, die zunäc hst eher ein er -freulicher Nebenaspekt wa ren, k önnen zu gr und-legenden Er wartungen w erden, und es f ührt zu Unzufriedenheit, wenn sie fehlen. Auch technische und wiss enschaftliche F ortschritte f ühren dazu , dass hohe Q ualität von heute morgen schon Stan-dard ist und üb ermorgen s chon nic ht mehr den Anforderungen genügt.

Eine a ndere U nterscheidung ist die nac h ob-jektiven und subjektiven Qualitätsmerkmalen: Es gibt Anforderungen und Merkmale, die anhand objektiv f ormulierter K riterien g emessen und b e-urteilt w erden k önnen, z. B. die Z eitdauer einer Bahnfahrt und die Ank unftszeit des Z uges, o der auch die Wartezeit in der Arzt praxis und die An-zahl bestimmter Komplikationen, wie Wundinfek-tionen, N achoperationen usw . Ander e Anf orde-rungen und M erkmale en tsprechen den sub jekti-ven Erwartungen der Kunden oder werden anhand ihrer sub jektiven W ahrnehmung b eurteilt. D azu gehören Atmosphäre, freundlicher Service, Verrin-gerung von Schmerzen, Verbesserung der Lebens-qualität, und a nderes mehr. Im Dienstleistungsbe-

reich her rschen hä ufig die sub jektiven F aktoren vor, im G egensatz zur ma teriellen Produktion, wo eindeutig messba re K riterien f ür die t echnische Funktionalität v on P rodukten en tscheidend sind . Es gib t An sätze, die sub jektiven Urteile der K un-den zu objektivieren, indem man für eine Messung Einschätzungs- und B eurteilungskriterien vorgibt, die dann zur »Objektivierung« – z. B. in Form von Sternen und K ochmützen f ür Hotels und Rest au-rants – führen können.

Im G esundheitswesen sind g erade die p ri-mären Quali tätsmerkmale – B ehandlungserfolg und Sicherheit – o ft schwer oder nur mit großem Aufwand messba r. D eshalb b eschränkt ma n sic h häufig auf das M essen von s ekundären Quali täts-merkmalen (Service) oder auf Surrogatparameter: Beispielsweise w erden P atienten b efragt, ob sie den Eindruck haben, dass ihr Arzt k ompetent ist. Man findet auch die B ehauptung: Weil der Patient die p rimären Quali tätsmerkmale nic ht b eurteilen könne, seien sie f ür das Quali tätsmanagement der Praxis unerheblich.

In der D efinition v on Quali tät nac h D IN EN ISO 8402, die zwa r d urch die D IN EN ISO 9000 abgelöst wurde, aber trotzdem noch häufig zitiert wird, wird auch von der Gesamtheit der Merkmale gesprochen. I n einem Q M-System ist es wic htig, dass alle q ualitätsrelevanten F aktoren er fasst und gemanagt werden. Denn die G esamtqualität kann beeinträchtigt oder gar hinfällig werden, wenn nur ein einziges Merkmal eine s chlechte Qualität auf-weist – en tweder in der sub jektiven B eurteilung des Kunden (unfreundliche Bedienung im Restau-rant kann dazu führen, dass der Kunde nicht mehr kommt, ob wohl das Ess en gu t ist) o der ob jektiv (eine verdorbene Zutat kann das Ess en und damit den gesamten Restaurantbesuch verderben).

Ein entscheidender Punkt von QM besteht also darin, dass der An bieter def iniert, w er eig entlich seine Kunden sind, und dass er deren Erwartungen und Anforderungen genau ermittelt. Dazu gehören auch die Anf orderungen, die nic ht exp lizit v on den K unden a usgesprochen, jedo ch als s elbstver-ständlich er wartet w erden. Z usätzlich g eht es im QM immer auch um die Einhal tung der gesetzlich vorgegeben Anforderungen, s owie um die Anf or-derungen, die nach dem aktuellen Fachwissen not-wendig sind, und s chließlich auch um die Anf or-

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8 Kapitel A.1 · Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen

A.1 derungen, die sic h der L eistungsanbieter selbst als Qualitätsmaßstab auferlegt.

Die Anforderungen von verschiedenen Kunden an ein und dies elbe Leistung können unterschied-lich, ja sogar widersprüchlich sein. Auch die Beur-teilung der Exp erten und die der K unden können sich widersprechen. Anforderungen stehen immer auch in Z usammenhang mi t dem P reis und mi t weiteren Rahmenbedingungen. Unter bestimmten Bedingungen k önnen die K undenanforderungen sich auf einem a us fachlicher Sicht sehr niedrigen Qualitätsniveau b ewegen, aus Kosten- o der ande-ren Beweggründen.

Es ist als o immer A ufgabe des An bieters, die unterschiedlichen Anf orderungen zu in tegrieren, oder eine sinnvolle Auswahl zu treffen.

Qualitätsmanagement Management bedeutet Führen und Steuern einer Or-ganisation und besteht im Kern aus den Schritten: ▬ Ziele entwickeln und den Mitarbeitern vermit-

teln.▬ Veränderungsprozesse in Hinblick auf die Ziele

einleiten und steuern.▬ Mitarbeiter in den Prozess einbeziehen.

DefinitionDIN EN ISO 9000Qualitätsmanagement. Aufeinander abge-stimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität. Anmerkung: Leiten und Lenken bezüglich Qualität umfassen üblicherweise das Festle-gen der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele , die Qualitätsplanung, die Qualitätslenkung, die Qualitätssicherung und die Qualitätsver-besserung.

Qualitätsmanagement meint das Führen und Steu-ern der Organisation hinsichtlich der Qualität ihrer Leistungen und P rodukte. Quali tätsmanagement umfasst die Bereiche▬ Quali tätsziele,▬ Quali tätsplanung,▬ Quali tätslenkung,▬ Quali tätssicherung, ▬ Quali tätsverbesserung.

PDCA-ZyklusDas Grundprinzip von Management wird auf sim-ple Weise da rgestellt im PD CA-Zyklus, nac h Ed-ward D eming a uch Deming-Kreis ( ⊡ Abb. 1.1) ge-nannt.

Im Quali tätsmanagement wir d dies es P rinzip auf den U mgang mit der Quali tät angewandt. Die Abkürzung PD CA f ür »p lan – do – c heck – ac t« beschreibt das G rundprinzip v on Quali tätsma-nagement: Einen st ändigen Kreislauf, in dem im-mer wieder das g eplante Tun üb erprüft und die Ergebnisse der Üb erprüfung als V erbesserung in den Prozess zurückgespeist werden.1. Plan: Festlegen v on Z ielen, M aßnahmen zur

Zielerreichung a ufgrund einer Anal yse der Ausgangssituation.

2. Do: Ausführen der g eplanten Maßnahmen zur Zielerreichung, B eschreibung v on Arb eitsab-läufen (P rozessen) mi t f estgelegten B efugnis-sen und Verantwortlichkeiten.

3. Check: Überprüfung, z. B. mittels Kennzahlen, Indikatoren: L aufen die P rozesse wie g eplant? Inwieweit sind die Z iele und V erbesserungen erreicht worden?

4. Act: Reagieren auf Abweichungen, Umsetzung der K onsequenzen a us der Üb erprüfung: Die bisherige M aßnahmen a bändern, w enn die Ziele nicht erreicht wurden; Maßnahmen in die Routine üb ernehmen, w enn sie sic h b ewährt haben.

⊡ Abb. 1.1. PDCA-Zyklus

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1.1 · Qualität – Management – QualitätsmanagementA.19

Das klingt selbstverständlich, häufig hapert es aber gerade b ei den b eiden letzt en S chritten »c heck« und »ac t«, w eil A bläufe f ür gu t g ehalten w erden, ohne dass sie t atsächlich üb erprüft wur den (»B e-triebsblindheit«), oder weil sie zur nicht mehr hin-terfragten Routine und zum Ritual geworden sind. Es kommt auch vor, dass Messungen durchgeführt werden, die k eine r elevanten F aktoren er fassen, oder dass a us den Üb erprüfungen k eine K onse-quenzen g ezogen w erden, die zu einer Quali täts-verbesserung führen.

Ist der PD CA-Zyklus d urchlaufen und sind die Z iele er reicht, er folgen neue Pla nungen und neue Z ielvorgaben. Dies er sic h st ändig wieder -holende K reislauf f ührt zur Kontinuierlichen Verbesserung, einer K ernanforderung a n alle QM-Systeme. D er PD CA-Zyklus wir d b ei allen relevanten Ak tivitäten und a uch f ür das Q M-System s elbst a ngewandt. D emnach gib t in der Organisation nicht nur einen, sondern zahlreiche PDCA-Zyklen.

1.1.3 Grundprinzipien

Bestimmte Grundprinzipien f inden sich in jedem modernen QM-Modell:▬ K undenorientierung▬ Verantwortung der Leitung▬ M itarbeiterorientierung▬ Z ielorientierung▬ P rozessorientierung▬ K ontinuierliche Verbesserung▬ F ehlerkultur▬ D okumentation▬ Sac hbezogener An satz zur En tscheidungsfin-

dung

KundenorientierungQM ist ein eigener Fachbereich (aus dem hier nur Basiswissen v ermittelt wir d) mi t eig ener F ach-sprache, die zu M issverständnissen führen kann, weil es Überschneidungen mit der Alltagssprache gibt. D as mac ht sic h im G esundheitswesen viel-fach a m B egriff »K unde« f est. Als Kunde wir d in der Q M-Terminologie der jenige b ezeichnet, der die L eistung b zw. das P rodukt in An spruch

nimmt (und da für b ezahlt). Alle w eiteren Impli-kationen, die mit dem Begriff »Kunde« verbunden werden, en tstammen dem um gangssprachlichen Verständnis, das nic ht mi t dem F achterminus gleichzusetzen ist. Der häufig geäußerte Einwand, dass P atienten k eine K unden s eien, w eist da r-auf hin, dass hier der a bstrakte Q M-Begriff des Kunden den jeweiligen Voraussetzungen entspre-chend angemessen und spezifisch zu definieren ist (� Kap. A.1.4.2).

DefinitionDIN EN ISO 9000Kunde. Organisation oder Person, die ein Pro-dukt empfängt.Beispiel: Verbraucher, Klient, Endanwender, Einzelhändler, Nutznießer und Käufer.Anmerkung: Ein Kunde kann der Organisation angehören oder ein Außenstehender sein.

Interessierte Partei. Personen oder Gruppe mit einem Interesse an der Leistung oder dem Erfolg einer Organisation. Beispiel: Kunden, Eigentümer, Personen in einer Organisation, Lieferanten, Bankiers, Ver-einigungen, Partner oder die Gesellschaft.

Das ob erste Z iel aller Quali tätsbemühungen ei-nes U nternehmens b esteht da rin: D as U nterneh-men will wirtschaftlich erfolgreich sein, dazu muss es die her gestellten P rodukte o der a ngebotenen Dienstleistungen v erkaufen. Es m uss die K unden also überzeugen und sie ans Unternehmen binden, damit sie a uch in Z ukunft s eine P rodukte o der Leistungen ka ufen. Es m uss sic h im W ettbewerb mit a nderen U nternehmen b ehaupten, die eb en-falls gute Qualität herstellen, daher genügt es nicht, dass die Kunden »n ur« zuf rieden sind , s ondern sie s ollen b egeistert s ein, da mit sie wiederk om-men. Die Kundenorientierung steht an erster Stelle, alle a nderen Q M-Grundprinzipien und a uch die Forderung nach Transparenz s ollen letzt lich dazu beitragen.

Im Z uge des T otal Quali ty M anagement wurde der K undenbegriff a usgeweitet: Als »I n-terner Kunde« wird der Em pfänger von Leistun-gen innerhalb des Unternehmens bezeichnet. Die Qualität der L eistungen einer A bteilung ist V or-

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10 Kapitel A.1 · Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen

A.1 aussetzung f ür die Quali tät der L eistungen einer anderen A bteilung. U m o ptimale Er gebnisse zu erreichen, ist es notwendig, dass jeder Mitarbeiter seine L eistungen s o g estaltet, dass a ndere, der en Arbeit darauf aufbaut, damit optimal weiterarbei-ten können.

Der Z usammenhang zwis chen Kundenorien-tierung und Produktqualität ist k omplex. Quali-tätsmanagement f ührt nic ht a utomatisch zu ei-nem aus fachlicher Sicht hochwertigen Produkt, da bei den Anf orderungen des K unden ein niedr iger Preis im V ordergrund st ehen ka nn. Die H erstel-lung eines B illigprodukts ka nn einem s ehr gu ten Qualitätsmanagement un terliegen. A uch ist K un-denzufriedenheit nic ht g leichbedeutend mi t ho-her Produktqualität, da Kunden häufig wesentliche Qualitätsaspekte nic ht s elbst b eurteilen k önnen. Deshalb ist es sinn voll, die Quali tät mehrdimensi-onal zu bestimmen.

Verantwortung der LeitungWesentliche Voraussetzung für hohe Qualität be-steht darin, die Verantwortung für Qualität nicht an eine F achabteilung oder an externe Qualitäts-Experten zu delegieren, denn nur dann, wenn die »oberste Leitung« (ISO 9001), als o die S pitze des Unternehmens dahin ter st eht, k önnen die Qua-litätsgrundsätze und Quali tätsverbesserungen auf allen Eb enen des U nternehmens um gesetzt werden.

Dieser Grundsatz wird nicht immer ein gehal-ten: Z um QM-Beauftragten einer Or ganisation wird manchmal derjenige ernannt, der sich am we-nigsten dagegen wehren kann, weil die Leitung sich eigentlich nic ht wirk lich da mit b eschäftigen will , so dass der Q M-Beauftragte auch keinen Rückhalt bei der L eitung f indet. Die Er fahrung zeigt, dass QM-Systeme scheitern, die von oben nur geduldet oder n ur als A ushängeschild b enutzt w erden: S ie erzeugen Aufwand, Kosten und F rust, a ber k eine Qualität.

Mitarbeiterorientierung Mitarbeiterorientierung ist im Q M ein ga nz zen-traler F aktor, denn M itarbeiter sind die t euerste und w ertvollste Ress ource einer Or ganisation, sie

kennen Stärken und Schwächen der Arbeitsabläufe und sind k ompetente Partner für Verbesserungen. Ziel von QM ist es daher , das K nowhow der M it-arbeiter zu mob ilisieren und sie zu mo tivieren. Dazu g ehören a uch ein g eeigneter F ührungsstil und eine b esondere Fehlerkultur. N ur ein k onst-ruktiver Umgang mit Fehlern (»Jeder Fehler ist ein Schatz«) f ührt zur Red uzierung v on F ehlern und damit zu Verbesserungen.

Das ob en b eschriebene »immer b esser, im-mer mehr« b ezüglich der K undenanforderungen schlägt sic h a uch in der un ternehmensinternen Philosophie nieder : I n jeder A bteilung m üssen auch alle Mitarbeiter so ausgerichtet sein, dass sie nicht mit einer einmal er reichten Qualität zufrie-den sind , s ondern da nach str eben, immer b esser und effizienter zu a rbeiten. Auf diese Weise kann auch ein immen ser Dr uck a uf die M itarbeiter entstehen: Aus dem Japanischen stammt nicht nur der Begriff Kaizen ( Kontinuierliche Verbesserung, siehe un ten), s ondern a uch der B egriff K aroshi (plötzlicher T od d urch Üb erarbeitung – w obei allerdings die ja panischen Arb eitsbedingungen mit deutschen Verhältnissen nicht zu v ergleichen sind). Insofern gehört zur Mitarbeiterorientierung auch, die w ertvolle Ress ource M itarbeiter s o zu behandeln, dass sie a uch weiterhin ihre Fähigkei-ten für die Or ganisation einsetzen kann und will (Arbeitsschutz).

Die ISO 9000 sp richt in »0.2. Grundsätze des Qualitätsmanagements« nic ht v on M itarbeitern, sondern von Personen: »c) Ein beziehung der P er-sonen: Auf allen Ebenen machen Personen das We-sen einer Or ganisation aus, und ihr e v ollständige Einbeziehung er möglicht, ihr e F ähigkeiten zum Nutzen der Or ganisation einzus etzen.« Z u den Personen »auf allen Eb enen« und da mit zur M it-arbeiterorientierung gehört also auch die L eitung, auf die die P rinzipien der M itarbeiterorientierung ebenfalls anzuwenden sind.

ZielorientierungDie Zielorientierung ist umgesetzt im PDCA-Zyk-lus und f indet sich wieder b eim Thema Qualitäts-ziele: Z u Q M g ehört, dass die Or ganisation sic h regelmäßig neue Z iele hin sichtlich ihr er Quali tät setzt, und die Z ielerreichung d urch S oll-Ist-Ver-

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1.1 · Qualität – Management – QualitätsmanagementA.111

gleiche üb erprüft, um da raus da nn wieder neue Qualitätsziele zu generieren.

ProzessorientierungQualität wir d währ end eines H erstellungs- o der Dienstleistungsprozesses erzeugt. D aher ist es no t-wendig, bereits die Prozesse so zu planen, dass mög-lichst keine Fehler passieren können, und dass man während des Prozesses – wenn nötig – anhand von Kennzahlen steuernd eingreifen kann. Man interes-siert sich nicht nur für das Ergebnis, sondern auch dafür, wie die Ergebnisqualität zustande gekommen ist, w elche F aktoren sic h a uf die Er gebnisqualität auswirken, um zu wiss en, wo man eingreifen muss (Qualitätssteuerung und -lenkung).

Ständige VerbesserungDirekt mi t der P rozessorientierung in Z usam-menhang st eht der s o g enannte Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP). D as P rinzip der ständigen Verbesserung lei tet sich ab aus dem ja-panischen Kaizen: Nicht die sprunghafte Verbesse-rung durch Innovationen, sondern die schrittweise Optimierung, das st etige B emühen aller a n den Prozessen Beteiligten um Verbesserungen wird als Weg zum Er folg a ngesehen. Z u dies em P rinzip gehören a uch mi tarbeiterorientierte F ührung, b e-triebliches Vorschlagswesen und F ortbildung der Mitarbeiter. K aizen b edeutet die A bkehr v on der reinen Ergebnisorientierung. Bei den entscheiden-den P rozessen – p rimär den w ertschöpfenden – fragt ma n nic ht mehr n ur nac h dem Er gebnis, man in teressiert sic h a uch da für, wie es zust ande gekommen ist. Wenn das von der Leitung vorgelebt wird, wir d die M otivation da für g eschaffen, dass jeder Mitarbeiter die von ihm durchgeführten Pro-zesse s elbständig a uf e ventuelle F ehler üb erwacht und a uf der B asis s einer P rozesskenntnis w eitere Verbesserungen ini tiiert. D abei ist ein g ewisses immanentes B eharrungsbestreben immer wieder aktiv zu üb erwinden. So werden in vielen k leinen Schritten die P rozesse v erbessert und da mit die Qualität des Endproduktes gesteigert. Der erreichte Stand wir d d urch D okumentation und S tandar-disierung a bgesichert und ka nn da nn wieder um weiter verbessert werden.

Beispiel I IZum Prinzip des Kaizen aus Wikipedia ein Vergleich aus dem Fußball:»Reine Ergebnisorientierung wäre die Frage, wie ein Match ausgegangen ist. Also z. B. 3:2 oder 1:1 oder wie auch immer. Aus der Pro-zessperspektive ist es darüber hinaus (!) v on Interesse, wie es zu dem Ergebnis gekommen ist: Wie viele Torchancen? Wie viele Pässe ins Leere? Wie viele Zweikämpfe wurden gewon-nen? Damit wird auch deutlich, dass die Pro-zessorientierung sich den Erfolgsfaktoren (der Resultate) zuwendet. So gewinnt man tieferes Wissen, was vor sich geht, welche Zusammen-hänge bestehen, und woran man arbeiten muss (z. B. Freistöße besser trainieren, sog. Standardsituationen). Aber man sollte nicht nur Statistik betreiben, sondern immer das Ganze (hier: das ganze Spiel) betrachten und auch qualitative Aspekte betrachten: Wie gut funktioniert die Kommunikation der Spieler auf dem Feld? Wie ist die Stimmung, die Chemie in der Mannschaft? Auch auf dem Gebiet der »Soft Skills« gibt es oft beträchtliches Verbesse-rungspotenzial.«

FehlerkulturVerbesserungen entstehen auch, indem Fehler er-kannt, k orrigiert und in Z ukunft v ermieden w er-den, nach dem Motto »Jeder Fehler ist ein Schatz«. Der Umgang mit Fehlern und die da raus resultie-renden K orrektur- und V orbeugungsmaßnahmen sind wesentliche Elemente im QM.

DefinitionDIN EN ISO 9000Fehler. Nichterfüllung einer Anforderung. Anforderung. Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausge-setzt oder verpflichtend ist.

Fehler können sich beziehen auf:▬ das P rodukt, die L eistung: A bweichung v on

vorgegebenen fac hlichen S tandards, P rodukt-Anforderung, Kunden-Anforderung

▬ Organisation, Verwaltung, Service

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12 Kapitel A.1 · Qualitätsmanagement – Begriffe, Grundprinzipien, Anwendung im Gesundheitswesen

A.1 ▬ das QM-System selbst: »Nichtkonformität« mit den Vorgaben, Nicht-Erfüllen von QM-Anfor-derungen

In einem komplexen Produktions- oder Leistungs-prozess sind die meisten Fehler nicht auf einen ein-zigen indi viduellen F ehler zur ückzuführen, s on-dern sie sind syst embedingt, d . h. d urch unk lare Ablaufregelungen und k leinere Fehler bedingt, die für sich genommen nicht auffallen, sich aber insge-samt potenzieren. Deshalb ist es für die Fehlerana-lyse a uch wic htig, a uf s o g enannte B einahefehler zu achten, die im Rahmen des Gesamtablaufs noch rechtzeitig en tdeckt w erden, s o dass es letzt lich nicht zu einem fehlerhaften Ergebnis kommt (z. B. falsche Medikamentenverordnung wurde vor Aus-gabe a n den P atienten no ch en tdeckt und k orri-giert). Fehler können folgenlos b leiben o der kön-nen zu Schäden führen.

Fehler verursachen Kosten durch interne Feh-lerbeseitigung, Rek lamationen, R ückrufaktionen usw. D er A ufwand f ür das Quali tätsmanage-ment rechnet sich, wenn Fehler reduziert werden können, w eil die F ehlerkosten dad urch g esenkt werden.

Es gibt Konzepte und Instrumente des Fehler-managements wie z. B. F ailure Mode a nd Ef fects Analysis (FMEA), Critical I ncident Rep orting System (CIRS) o der Qualitäts-Zirkel, in denen gezielt F ehler und B einahefehler s anktionsfrei besprochen w erden, um da raus V erbesserungen entwickeln zu k önnen, was o hne Sa nktionsfrei-heit unmöglich wäre. Ziel dieser Instrumente und Konzepte ist die En twicklung einer F ehlerkultur, in der nic ht nach Schuldigen gesucht und Sa nkti-onen verhängt werden, sondern in der aus Fehlern gelernt und systematisch nach Verbesserungen ge-sucht werden kann.

DokumentationEtwas üb erspitzt formuliert, gil t im Q M der Sa tz: »Quod non est in actis, non est in mundo.« – »Was nicht dokumentiert ist, existiert nicht.«

Als Motto wird auch häufig angegeben:– »Schreibe auf, was zu tun ist.«– »Tue, was aufgeschrieben ist.«– »Zeige, dass es getan wird.«

Grundlage der Q M-Dokumentation sind die B e-schreibungen und Regelungen der Arbeitsabläufe und Tätigkeiten (»Vorgabedokumente«). Im QM-Modell DIN EN ISO 9001 werden sie Verfahrensanweisung und Arbeitsanweisung genannt, bei QEP heißen sie Interne Regelung. Diese Regelungen mit den da bei eingesetzten F ormularen, Chec klisten usw . b ilden zusammen das QM-Handbuch. Die s o g enannten »Nachweisdokumente« o der QM-Aufzeichnungen (z. B. P rotokolle, a usgefüllte F ormulare) dienen als Beleg, dass die Din ge t atsächlich s o g etan wur den, wie es durch die Regelung gefordert wird.

Die f ormale G estaltung der Q M-Dokumen-tation wir d det ailliert im � Abschn. A.2.3 b ei der Darstellung der QM-Instrumente beschrieben.

Für Krankenhäuser wird als w eiterer Bestand-teil der Dokumentation der Qualitätsbericht gefor-dert, der nach bestimmten Kriterien abgefasst und im Internet veröffentlicht werden muss.

Dokumentation gehört zu den a m meisten ge-fürchteten B estandteilen v on Q M, w eil dad urch mehr A ufwand en tsteht und die G efahr b esteht, dass die Beschäftigung damit ausufert. Daher sollte es das Z iel eines ef fizienten QM-Systems sein, die Dokumentation a uf das a bsolut N otwendige zu beschränken und sie so zu gestalten, dass sie mög-lichst einen direkten Nutzen bringt.

Sachbezogener Ansatz zur Entscheidungs-findungEin w eiteres G rundprinzip der ISO 9000 la utet: »Wirksame Entscheidungen beruhen auf der Ana-lyse v on D aten und I nformationen.« (ISO 9000, 0.2. Grundsätze des Qualitätsmanagements)

1.1.4 Qualitä tsmanagementsystem und Zertifizierung

Qualitätsmanagementsystem

Definition

DIN EN ISO 9000Qualitätsmanagementsystem (QMS). Managementsystem zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich der Qualität.

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B.1

Patientenversorgung

1.1 Kontaktaufnahme – 1071.1.1 Err eichbarkeit – 1101.1.2 T elefonischer Erstkontakt – 1131.1.3 Erst gespräch – 117

1.2 Abklärung – 1211.2.1 Diag nostik – 1211.2.2 I ndikation und Therapievereinbarung – 130

1.3 Therapie – 1371.3.1 Einleitung der Therapie – 1391.3.2 Durchführung der Therapie – 1451.3.3 Beendigung und Ergebnis der Therapie – 1521.3.4 Notfallmanagement – 1581.3.5 Externe Kooperation und Kommunikation – 1631.3.6 Strukturierte Behandlungsabläufe und praxisinterne Behandlungspfade – 170

1.4 Behandlungsdokumentation – 1701.4.1 Behandlungsdokumentation und Patientenakte – 1701.4.2 Z usätzliche Datenerhebung – 175

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106 Kapitel B.1 · Patientenversorgung

B.1

Die P atientenbehandlung ist der Kernprozess der psychotherapeutischen P raxis, daher k ommt ihr im QM die zentrale Bedeutung zu. Die QM-Richt-linie betont die große Bedeutung von QM hinsicht-lich der Behandlungsqualität; sie enthält zahlreiche Vorgaben, die sich gezielt auf die Patientenbehand-lung beziehen und nic ht nur auf die o rganisatori-schen Aspekte der Praxisführung.

§ QM-RichtlinieAusschnitte, die sich auf die Patientenversorgung beziehen:§ 2 Ziele eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements 1 Die Einführung und Weiterentwicklung eines ein-richtungsinternen Qualitätsmanagements dient der kontinuierlichen Sicherung und Verbesserung der Qualität der medizinischen und psychotherapeu-tischen Versorgung. 4 Durch die Identifikation relevanter Abläufe, deren systematische Darlegung und dadurch hergestellte Transparenz sollen Risiken erkannt und Probleme vermieden werden. 5 Wesentliche Bedeutungen kommen dabei der Objektivierung und Messung von Ergebnissen der medizinischen und psychotherapeutischen Versor-gung zu.

§ 3 Grundelemente eines einrichtungs-internen Qualitätsmanagements Die Grundelemente eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements sind 1. im Bereich »Patientenversorgung« a) Ausrichtung der Versorgung an fachlichen Stan-dards und Leitlinien entsprechend dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, b) Patientenorientierung, Patientensicherheit, Patientenmitwirkung, Patienteninformation und -beratung, c) Strukturierung von Behandlungsabläufen.

§ 4 Instrumente eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements Als Instrumente eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements sind insbesondere zu nutzen: c) Prozess- und Ablaufbeschreibungen, Durchfüh-rungsanleitungen,

d) Patientenbefragungen, nach Möglichkeit mit validierten Instrumenten, g) Erkennen und Nutzen von Fehlern und Beinahe-fehlern zur Einleitung von Verbesserungsprozessen, h) Notfallmanagement, i) Dokumentation der Behandlungsverläufe und der Beratung,

Zusammengefasst g eht es da rum, die r elevanten und v or allem die r isikobehafteten B ehandlungs- und organisatorischen Abläufe der Praxis zu iden-tifizieren, zu strukturieren und systematisch darzu-legen. Die dad urch hergestellte Transparenz dient dem Zweck, Risiken zu erkennen und Probleme zu vermeiden. Die B ehandlungsabläufe sollen am ak-tuellen Stand der wiss enschaftlichen Erkenntnisse ausgerichtet sein.

Die Rolle und die Sicht des Patienten sollen ge-zielt und syst ematisch berücksichtigt werden, und zwar sowohl bei den Behandlungsentscheidungen, als a uch b ei der B eurteilung der B ehandlungser-gebnisse (Patientenbefragungen).

Die Ob jektivierung und Messung v on Ergeb-nissen der V ersorgung wird als Z iel des Q M for-muliert, gehört aber nicht zu den Grundelementen und I nstrumenten, die in den P raxen um gesetzt werden m üssen. All das dien t der k ontinuierli-chen S icherung und V erbesserung der V ersor-gungsqualität. I m F olgenden s oll die P atienten-versorgung in der psy chotherapeutischen P raxis aus Q M-Perspektive b eschrieben w erden, w obei der Kernprozess Patientenbehandlung sich in ein-zelne Teilprozesse untergliedern lässt. Als B eitrag zur Patientenorientierung wird versucht, dabei zu berücksichtigen, wie Patienten den Weg durch den »Dschungel« der Psychotherapie erleben. Für psy-chotherapiesuchende P atienten sind die fac hlich bzw. abrechnungstechnisch geprägten Begriffe wie Anamnese, v ertiefte Exp loration, p robatorische Sitzung usw . ir relevant, f ür sie g eht es im W e-sentlichen um K ontaktaufnahme, Abklärung und Behandlung.

Die meist en Teilprozesse, die im K apitel P a-tientenversorgung b eschrieben w erden, w erden nicht exp lizit v on der Q M-Richtlinie g efordert, da die Ric htlinie f ür s ämtliche B ereiche der a m-bulanten Versorgung gil t. D aher ka nn sie nic ht für einzelne Fachgruppen die je weiligen Behand-

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1.1 · KontaktaufnahmeB.1107

lungsabläufe b enennen. Konkret werden nur b e-nannt: N otfallmanagement und B ehandlungsdo-kumentation. An sonsten f ordert die Ric htlinie, relevante B ehandlungsabläufe zu str ukturieren (§ 3 c) und zu b eschreiben (§ 4 c). I nsofern ha t der einzelne P sychotherapeut die F reiheit, s elbst zu en tscheiden, w elche A bläufe er als r elevant identifiziert und im Rahmen der QM-Einführung behandelt.

Wie b ei der U msetzung v orzugehen ist, das wird detailliert beschrieben in � Kap. B.3.

In diesem Kapitel B.1 »Patientenversorgung« werden Beispielregelungen für folgende Be-handlungsabläufe als Teile des Kernprozesses Behandlung beschrieben:1.1. Kontaktaufnahme1.1.1. Err eichbarkeit1.1.2. T elefonischer Erstkontakt1.1.3. Erst gespräch1.2. Abklärung1.2.1. Diag nostik1.2.2 I ndikation und Therapieentscheidung1.3. Therapie1.3.1. Einleitung der Therapie: Antrag auf

Kostenübernahme1.3.2. Dur chführung der Therapie1.3.3. Beendigung und Ergebnis der Therapie1.3.4. Notfallmanagement1.3.5. Externe Kommunikation und Koope-

ration1.4. Behandlungsdokumentation1.4.1. Behandlungsdokumentation und

Patientenakte

1.1 Kontaktaufnahme

Den B eginn der P atientenversorgung im B ereich der Psychotherapie könnte man aus Patientensicht so b eschreiben: Ein M ensch suc ht w egen s einer Problematik o der B eschwerden einen F achmann, der ihm s agt, w elche B ehandlung no twendig ist und ihm die no twendigen L eistungen en tweder selbst anbietet oder aber ihm qualifizierte Empfeh-lungen gib t (K onsil, Üb erweisung). F ür den P sy-

chotherapeuten beginnt diese Phase ab dem Z eit-punkt, zu dem ein Patient sich in der Praxis meldet. Aus der Perspektive des Patienten beginnt sie unter Umständen schon viel früher. Die Möglichkeit der Psychotherapie wird oft erst spät ins Auge gefasst: Es ist b ekannt, dass d urchschnittlich 8 Jahre mi t ungeeigneten o der unzur eichenden s omatischen Behandlungen v ergehen, b evor die eig entlich in-dizierte P sychotherapie in An spruch g enommen wird. Dieser lange Vorlauf nimmt großen Einfluss auf K rankheitsverlauf (Chr onifizierung), B ehand-lungsmöglichkeiten, Behandlungsergebnis und Be-handlungskosten. D aran sind mehr ere F aktoren beteiligt, u. a.:▬ Psychische Erkrankungen werden häufig lange

nicht erkannt.▬ Psychotherapie und psy chische Erkra nkungen

sind in w eiten K reisen immer no ch stigma ti-siert.

▬ Der Psychomarkt ist immer no ch wenig trans-parent. Sowohl somatische Ärzte als auch Pati-enten wissen wenig darüber, wohin sie sich am besten wenden können.

▬ Die Wartezeiten auf Erstgespräche und auf eine Therapie sind immer noch lang, auch in »über-versorgten« Regionen.

Die B edeutung der Phas e der K ontaktaufnahme zum Psychotherapeuten für die Patienten zeigt sich in den B efunden der P sychotherapieforschung: Deutliche Symptombesserungen f inden bei einem Teil der P atienten b ereits in der Z eit der er sten Vorgespräche statt, offenbar weil sie Hoffnung auf Hilfe en twickeln. S ehr en tmutigend, demo tivie-rend und f ür die H eilung abträglich kann es s ein, wenn psychisch Kranke lange Listen abtelefonieren müssen, um üb erhaupt einen Erstgesprächstermin zu bekommen, oder lange Wartezeiten überstehen müssen.

Daher liegt b ei der Erreichbarkeit und dem Zugang zur P sychotherapie f ür die P atienten ein wesentlicher Quali tätsbereich, der aller dings n ur zu einem geringen Teil von den Psychotherapeuten selbst b eeinflusst w erden ka nn. W ie gr oß dies er beeinflussbare Teil ist, hängt von regionalen Gege-benheiten ab, z. B. von der Anzahl der niedergelas-senen P sychotherapeuten, v on der B udgetierung der nic htgenehmigungspflichtigen L eistungen,

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108 Kapitel B.1 · Patientenversorgung

B.1

aber a uch v om S elbstverständnis der P raxis hin-sichtlich ihr es Versorgungsauftrags und v on den Aktivitäten des P raxisinhabers, etwa hin sichtlich Vernetzung. Wenn allerdings ein P sychotherapeut aufgrund der lo kalen Versorgungssituation täglich fünf b is zehn Anr ufe v on psy chotherapiesuchen-den Patienten erhält, sprengt das den R ahmen des Steuerbaren.

Zu b erücksichtigen sind da bei a uch die Er -fordernisse der P raxis: Eine Sprechstunde als zu-sätzliches Angebot wäre wünschenswert, erfordert aber An gestellte und g eeignete R äume. Es gib t zwar inzwis chen A brechnungsziffern, die t heore-tisch eine Sprechstunde ermöglichen würden, weil die K alkulation der Z iffern im EBM 2000 dies en Aufwand mi t ein bezieht. A ber d urch die ä ußerst enge Budgetierung dies er L eistungen w erden sie nicht v ergütet. Die S ituation ha t sic h s ogar no ch verschlechtert, w eil f ür die meist en P raxen d urch Budgetierung b zw. Reg elleistungsvolumen a uch die probatorischen S itzungen ka um no ch ho no-riert werden.

Ein gutes Ergebnis aus Sicht des Patienten wäre in dies er g esamten Phas e zunäc hst einmal ga nz allgemein: ▬ frühzeitige Empfehlung einer psychotherapeu-

tischen B ehandlung o der Abklärung (psy cho-therapeutisches K onsil), ob eine P sychothera-pie notwendig ist

▬ die M öglichkeit, einen P sychotherapeuten zu erreichen und mit ihm persönlich sprechen zu können

▬ dadurch mehr K larheit (qualifizierte Einschät-zung, H inweise), a nstatt n ur die I nformation, dass k ein Thera pieplatz f rei ist o der die W ar-tezeit mindest ens s echs M onate b eträgt (hier stoßen viele P sychotherapeuten aller dings a n die Grenzen des Machbaren)

▬ Reduktion v orhandener S chwellenangst und Unsicherheit

▬ einen er sten Eindr uck v ermittelt b ekommen, worum es b ei P sychotherapie g eht, I nforma-tionen über den Therapeuten, d. h. erste Ent-scheidungskriterien, ob ma n sic h a uf dies em Weg w eiterbewegen will , S tärkung der M oti-vation

▬ eventuell bereits erste Hilfe bei den v orliegen-den Problemen oder Beschwerden

Auch w enn der Anmelde vorgang in allen P raxen Routine ist, ka nn es sinn voll s ein, dass P sycho-therapeuten sich im R ahmen von QM mit diesem Thema b eschäftigen. Z umindest ließe sic h no ch einmal r eflektieren, ob die G estaltung der K on-taktaufnahme auch weiterhin für geeignet gehalten wird oder ob es V erbesserungsmöglichkeiten gibt: Was t ue ic h, um f ür den Thera piesuchenden in dieser Initialphase mög lichst viel Quali tät zu b ie-ten? K ann ic h die Z ugangsschwelle f ür eine er ste Abklärung s enken, indem ic h mi t s omatischen Ärzten k ooperiere? H abe ic h d urch gu te Vernet-zung Möglichkeiten, Patienten q ualifiziert w eiter-zuvermitteln, d . h. ihnen b ei der S uche b ehilflich zu sein?

Die K ontaktaufnahme er folgt in der Reg el in mehreren Schritten, die sich je nach Praxisstruktur unterscheiden können. Im Zusammenhang damit erfolgen auch zunehmend dif ferenziertere Schritte der Indikationsstellung (s. auch Abschn. B.1.1.2). 1. Telefonischer oder sonstiger Erstkontakt:

erste K lärung, ob es w eitergeht → Termin Ja/Nein?

2. Er stgespräch/Sprechstunde weitere Klärung → weiterer Termin Ja/Nein?

3. Weitere Gespräche/Probatorische Sitzungen differenzierte K lärung → Thera pie J a/Nein? Wenn ja: welche?

Das Thema K ontaktaufnahme ha t v erschiedene Ebenen, die b ei dies en S chritten g leichzeitig b e-troffen sind:1. Konzept der P raxis b ezüglich Er reichbarkeit

(Strukturqualität): Wie ist die Erreichbarkeit der Praxis grundsätz-lich geregelt? (Anrufbeantworter, Sprechzeiten, Sprechstunden, auch räumliche Erreichbarkeit)

2. Organisatorische Ebene (Prozessqualität): Information des Patienten über Praxis und An-gebot Patientendaten a ufnehmen, Termin v ergeben, Praxisgebühr einziehen, Chi pkarte einles en, Dokumentation, Abrechnung

3. Teil des t herapeutischen Geschehens (Prozess-qualität): Beziehungsaufnahme, er ste Diagnostik und Indikationsstellung, erste therapeutische Inter-ventionen (z. B. Probedeutung) – dabei werden

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1.1 · KontaktaufnahmeB.1109

bereits grundlegende Faktoren für den späteren Therapieerfolg b erührt: M otivation des P ati-enten f ördern, P assung zwis chen P atient und Therapeut klären, usw.

4. Ergebnis der K ontaktaufnahme (Er gebnisqua-lität): Mehr Information, mehr Klarheit für den Pati-enten hinsichtlich des weiteren Vorgehens.

Je nac hdem, wie w eit dies e Abläufe st andardisiert oder delegier t werden, b leibt dem P atienten mehr oder weniger Raum für Inszenierungen seiner Form der B eziehungsgestaltung, die dem Thera peuten bereits erste Einblicke in die Problematik geben und bereits ein Teil der Diagnostik werden können.

Auch der P sychotherapeut b ringt s chon mi t der G estaltung s einer T elefonbuchanzeige, W eb-site und An sage a uf dem Anr ufbeantworter, mi t seiner S timme und H altung (f reundlich-ermuti-gend, zurückhaltend-distanziert, ...) viel von seiner Persönlichkeit zum A usdruck. B estimmte Vorge-hensweisen w erden a uch b ewusst ein gesetzt, um z. B. Er wartungen a n Z uverlässigkeit und Er nst-haftigkeit als V oraussetzung f ür eine f ruchtbare Zusammenarbeit zu üb ermitteln. Z um K onzept der Beziehungsgestaltung, mit dem der Thera peut dem P atienten ein B ild v on sic h v ermittelt und die B eziehung ak tiv g estaltet, k önnen ga nz un-terschiedliche A spekte g ehören, hier n ur einig e wenige Beispiele: ▬ Der Therapeut gib t s chon s ehr f rüh ga nz viel

Information, z. B. a uf der P raxiswebsite: üb er die P raxis, das An gebot, üb er Psychotherapie, über seine Person (Lebenslauf, Familie usw.)

▬ Der Therapeut will s chon zu B eginn ganz viel Information vom Patienten haben und s chickt ihm z. B. F ragebögen, die der P atient b eant-wortet und zum Erstgespräch mitbringen soll.

▬ Der Therapeut v ermittelt v on Anfa ng a n eine hohe Verbindlichkeit, z. B. durch einen Brief an den Patienten mi t Terminbestätigung und I n-formation über das a nfallende Bereitstellungs-honorar f ür den F all, dass der T ermin nic ht wahrgenommen wird.

Der Patient erhält also bereits im Vorfeld viele In-formationen zur B eziehungsgestaltung v on S eiten des Therapeuten, die er f ür seine eigene »Indikati-

onsentscheidung« nutzt. Patienten orientieren sich auch a n R atgebern, die erk lären, w orauf ma n b ei einem Thera peuten ac hten s ollte. B eispielsweise hat die V erbraucherzentrale H amburg a ufgrund ihrer langjährigen Er fahrung mi t psy chotherapie-suchenden und -geschädigten Patienten einen Rat-geber en twickelt, der H inweise zur A uswahl des Therapeuten gibt (@ www.vzhh.de).

Patienten verbinden mit der Kontaktaufnahme zum Psychotherapeuten bewusste und unbewusste implizite Ziele, die individuell sehr unterschiedlich sein können, und dementsprechend haben sie auch unterschiedliche Vorstellungen, welches Verhalten von S eiten des Thera peuten sie als hilf reich emp-finden. Ein Thera peut ka nn nic ht a uf s ämtliche Erwartungen und B edürfnisse ein gehen, deshalb gibt es nic ht »die« gu te Praxis oder »das r ichtige« Vorgehen bei der Kontaktaufnahme.

Auch mi t dem Thera peutenmangel ka nn un-terschiedlich umgegangen werden:▬ Der Therapeut gibt jedem Patienten einen Ter-

min für ein Er stgespräch, um sic h ein g enaue-res Bild zu machen, den Patienten hinsichtlich der Möglichkeiten zu beraten, und ihn auf eine längere Wartezeit zu verweisen.

▬ Der Thera peut v ersucht, s chon a m T elefon zu k lären, ob er dem P atienten etwas G e-eignetes a nbieten o der w ohin er ihn g ezielt weiterverweisen kann (entspricht einer un be-zahlten Sprechstunde). G ründe da für k önnen sein, die b egrenzte Zeit für Behandlungen zur Verfügung zu ha ben, die P atienten nic ht un-nötig in die P raxis k ommen zu lass en o der keine uner füllbaren B eziehungserwartungen beim Patienten zu w ecken, die na türlich auch dann entstehen, wenn man am Telefon darü-ber informiert, dass aktuell kein Therapieplatz frei ist.

▬ Dabei sp ielen auch eigene Interessen des P ra-xisinhabers eine Ro lle: Die Arb eit m uss zu bewältigen (wie viele Er stgespräche sind zu verkraften) und wirtschaftlich b leiben (Er st-gespräche w erden aufgrund der B udgetierung nur begrenzt honoriert).

Es lässt sic h als o a uch nic ht allg emein als »gu te Qualität« festlegen, dass z. B. jeder Patient ein Erst-gespräch bekommen müsste.

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110 Kapitel B.1 · Patientenversorgung

B.1

Zusammenfassung

Bei den Abläufen der Kontaktaufnahme von Patient und Psychotherapeut sind zu berück-sichtigen:▬ Bedürfnisse des Patienten auf baldige Klä-

rung des Therapiebedarfs und eines thera-peutischen Angebotes

▬ Beziehungsgestaltung als wesentliches the-rapeutisches Erfolgskriterium

▬ Ökonomische und organisatorische Mög-lichkeiten des Therapeuten

▬ Verschränkung von organisatorischen und fachlichen/therapeutischen Ebenen

Im Rahmen von QM definiert der einzelne Psy-chotherapeut für seine Praxis die spezifische Qualität, die er zur Verfügung stellt, legt die Maßnahmen fest, mit denen er sie auf mög-lichst hohem Niveau erbringt, sowie – falls möglich – Indikatoren, anhand derer er die erbrachte Qualität überprüfen kann.

1.1.1 Erreichbarkeit

Telefonische S prechzeit und Anr ufbeantworter/Rückrufangebot sind hä ufig der Er satz f ür die Sprechstunde. F ür den An sagetext sind En tschei-dungen b ezüglich der ob en a ufgeführten Punk te nötig. Rückrufe sind mit erheblichem Zeitaufwand verbunden, da P atienten o ft nic ht dir ekt zu er rei-chen sind. Vor allem bei Kinder- und Jugendlichen-therapeuten ist zu b eachten, mi t w em ma n, o hne die S chweigepflicht zu v erletzen, b ei einem R ück-ruf sp rechen ka nn. Wenn ein Thera peut f eststellt, dass er dies en Aufwand nic ht d urchgängig leist en kann, ist ein H inweis im An sagetext sinnvoll, dass nicht immer R ückrufe er folgen k önnen, s o dass die Anr ufer die t elefonischen Sprechzeiten nutzen mögen.

RegelungsbedarfRegelungen zur Erreichbarkeit der Praxis:▬ T elefonische Sprechzeiten▬ Anrufbeantworter: Text auf Anrufbeantworter,

Umgang mit Rückrufen

▬ ggf. Zeiten, Durchführung einer Sprechstunde▬ ggf. Instruktionen f ür An gestellte: Vorgehens-

weise am Telefon▬ ggf. Gestaltung von Website, Flyer

ZieleZiele der Regelung können u. a. sein:▬ Die P atienten wiss en, wa nn und wie sie den

Praxisinhaber erreichen können.▬ Die Patienten wissen, wohin sie sich im Notfall

wenden können. ▬ Die Patienten können sich im Vorfeld über die

Praxis informieren.

Mitgeltende DokumenteMitgeltende Unterlagen, in denen die D etails b e-schrieben sind, können sein:▬ An sagetext Anrufbeantworter Der An sagetext nimm t a uf f olgende Themen

Bezug:– Telefonische Sprechzeiten, Sprechstunden– Rückruf ja/nein, un ter w elchen B edingun-

gen– Ansprechpartner im ak uten N otfall (z. B.

Notdienstzentrale)– Textvariante z. B. f ür U rlaub: V ertretung,

Termin der Wieder-Erreichbarkeit▬ P raxiswebsite Inhalte der Praxiswebsite

– Darstellung der Praxis– L eistungsangebot– K ontaktmöglichkeiten– A dresse, Wegbeschreibung– gesetzlich und s eitens der K ammer v orge-

schriebene Angaben

Ein Beispiel für eine Reg elung zeigt das F ormular auf S. 111.

Das Formular auf S. 112 zeigt ein B eispiel für eine größere Praxis.

Hinweis: Die Formulare, die als Möglichkeit in der Praxisregelung angeführt werden (z. B. Ar-beitsanweisung Annahme von Telefonaten), sind nicht immer alle als Beispiel ausgestaltet.ÌÌ bedeutet: Formular im BuchÎÎ bedeutet: Formular nicht im Buch

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1.1 · KontaktaufnahmeB.1111

QM-Handbuch Psychotherapeutische Praxis Mustermann Version 8/06

1.1. Kontaktaufnahme

1.1.1. Erreichbarkeit Praxisregelung Seite 1 von 1

(Regelung für Einzelpraxis ohne Sprechstunde)

Ziele der RegelungNeue Patienten und andere Anrufer sind informiert, wann und wie sie den P raxisinhaber direkt erreichen können. –Die Patienten wissen, wohin sie sich im Notfall wenden können. –

Inhalt der Regelung1. Die Praxis ist rund um die Uhr über Anrufbeantworter erreichbar. Die Ansage auf dem AB informiert die Anrufer

darüber, wann der Praxisinhaber persönlich erreichbar ist: Mo, Mi, Fr 12 – 12.45 Uhr.Eine Rückrufzusage wird nicht gemacht, sondern um Anruf während dieser Zeiten gebeten. (Alternative: Rückruf innerhalb von x Tagen / sobald als möglich wird zugesichert.)Für Urlaubszeiten gilt ein eigener Ansagetext.

2. Für Notfälle, die sofortige Behandlung benötigen, werden im Ansagetext die Notrufnummern genannt.

3. Während der Therapiesitzungen geht der Praxisinhaber nicht ans Telefon, um den therapeutischen Prozess nicht zu stören.

4. Alle Nachrichten werden zeitnah abgehört. Angaben von Patienten werden auf dem Formular Telefonischer Erst-kontakt eingetragen. Es wird im Einzelfall entschieden, unter Berücksichtigung der Dringlichkeit und der zeitlichen Möglichkeiten, wie der Praxisinhaber mit dem Anliegen umgeht.

5. Bei Rückrufen achtet der Praxisinhaber darauf, nur mit der Person zu sprechen, die auf Band gesprochen hat.

6. Patienten, die in Behandlung sind, sind darüber informiert, wie sie den Praxisinhaber, falls nötig, schnell erreichen können. Genaue Absprache je nach Situation im Einzelfall.

7. Patienten in Krisensituationen bekommen so bald wie möglich einen Termin, in dem die weiteren Behandlungs-möglichkeiten abgeklärt, besprochen und – soweit von Seiten des Praxisinhabers möglich – veranlasst werden. Falls ein Gesprächstermin nicht schnell genug einzurichten ist, werden dem Patienten die sonstigen Möglichkeiten genannt: Psychiater, Klinikambulanz.

8. Die örtliche Erreichbarkeit der Praxis ist auf der Website beschrieben.

Mitgeltende DokumenteÎÎ Ansagetexte Anrufbeantworter: Textvariante für normalen Praxisbetrieb, für UrlaubÎÎ Praxiswebsite: Adresse, WegbeschreibungÌÌ Formular Telefonischer Erstkontakt (� S. 117)

Andere Prozesse, die damit in Verbindung stehenÌÌ 1.1.2. Telefonischer Erstkontakt ÌÌ 1.3.4. Notfallmanagement

AktualisierungBei Bedarf

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112 Kapitel B.1 · Patientenversorgung

B.1

QM-Handbuch Psychotherapeutische Praxis Mustermann Version 8/06

1.1. Kontaktaufnahme

1.1.1. Erreichbarkeit Praxisregelung Seite 1 von 1

(Regelung für Praxisgemeinschaft mit Angestellten und Sprechstunde)

Ziele der Regelung Neue Patienten und andere Anrufer sind informiert, wann und wie sie einen Psychotherapeuten direkt erreichen –können.Die Patienten wissen, wohin sie sich im Notfall wenden können. –

Inhalt der Regelung1. Die Praxis ist rund um die Uhr über Anrufbeantworter erreichbar.

Die Ansage auf dem AB informiert die Anrufer darüber, wann im Büro der Praxis ein Mitarbeiter persönlich erreich-bar ist: täglich von 10 bis 12 Uhr.

2. Der Anrufbeantworter wird vom zuständigen Mitarbeiter zeitnah abgehört oder in den Telefonzeiten direkt entge-gengenommen (Arbeitsanweisung Annahme von Telefonaten)Alle Anrufe werden auf dem Formular Telefonliste notiert.

3. Jeder Therapeut informiert sich regelmäßig über die ihn betreffenden Anrufe. Bei dringenden Anrufen wird er von dem Mitarbeiter, der den Anruf abgehört hat, umgehend benachrichtigt.

4. Neue Patienten werden für die Sprechstunde donnerstags von 16 bis 19 Uhr einbestellt.

5. Neue Patienten, die sofortige Behandlung benötigen, bekommen, falls möglich, einen kurzfristigen Termin, oder werden auf die bekannten Notrufnummern, psychiatrische Praxen und Ambulanzen hingewiesen.

6. Patienten, die in der Praxis in Behandlung sind, sind darüber informiert, wie sie ihren Therapeuten, falls in Krisensi-tuationen nötig, direkt erreichen können (Absprache im Einzelfall).

7. Die örtliche Erreichbarkeit der Praxis ist auf der Website beschrieben.

Mitgeltende DokumenteÎÎ Ansagetexte Anrufbeantworter: Textvariante für normalen Praxisbetrieb, für UrlaubÎÎ Arbeitsanweisung Annahme von TelefonatenÎÎ Formular TelefonlisteÎÎ Praxiswebsite: Adresse, Wegbeschreibung

Andere Prozesse, die damit in Verbindung stehenÌÌ 1.1.2. Telefonischer Erstkontakt ÌÌ 1.3.4. NotfallmanagementÎÎ 1.3.6. Sprechstunde

Aktualisierung der RegelungBei BedarfZuständig für Aktualisierung: Mitarbeiter an der Anmeldung

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1.1 · KontaktaufnahmeB.1113

1.1.2 T elefonischer Erstkontakt

Im R ahmen des t elefonischen Er stkontaktes k ön-nen (nic ht müssen!) in un terschiedlicher Reihen-folge und A usführlichkeit, bestimmte Punkte vor-kommen, die in ⊡ Tab. 1.1 zusammengestellt sind.

Beim t elefonischen Er stkontakt ( ⊡ Abb. 1.1) bekommen P atient und Thera peut einen er sten Eindruck und er ste I nformationen v oneinander, und treffen Entscheidungen über das w eitere Vor-gehen.

⊡ Abb. 1.1. Telefonischer Erstkontakt – Flussdiagramm

1.1.2. Kontaktaufnahme – Telefonischer Erstkontakt Dokumentation(Beispiele)

Anruf Patient

Therapeut persönlich

anwesend?

Patient hinterlässt Telefonnummer

Telefon. Erstkontakt:Anliegen des Pat.

Klären: Notfall?

Angebot möglich?

Termin Erstgespräch

Daten des PatientenInfos zum Termin

Dokumentation

Nein

Ja

Ja

Nein

Therapeut ruft zurück

Alternativen nennen

Ansagetext auf AB

Formular Tel. Erstkontakt (S. 117) Checkliste Notfallkriterien

Therapeutenverzeichnis

Checkliste Patienten- annahme/

Terminkalender

Formular Tel. Erstkontakt (S. 117)

Formular Tel. Erstkontakt (S. 117)

Anruf Patient

Therapeut persönlich

anwesend?

Patient hinterlässt Telefonnummer

Telefon. Erstkontakt:Anliegen des Pat.

Klären: Notfall?

Angebot möglich?

Termin Erstgespräch

Daten des PatientenInfos zum Termin

Dokumentation

Nein

Ja

Ja

Nein

Therapeut ruft zurück

Alternativen nennen

ÌÌ

ÌÌ

ÌÌ

ÎÎ

ÎÎ

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114 Kapitel B.1 · Patientenversorgung

B.1

▬ Die Tätigkeit des Thera peuten im B ereich der telefonischen K ontaktaufnahme ist do kumen-tiert.

▬ In gr ößerer P raxis (B eispiele): Die V erteilung der Patienten nach den p raxisinternen Vorga-ben ist g ewährleistet. Die I nformationsweiter-gabe an die richtige Stelle ist gewährleistet.

Regelungsbedarf▬ Was wird am Telefon gesagt, gefragt?▬ Was und wie wird dokumentiert?▬ Entscheidungskriterien für die di versen anste-

henden Entscheidungen▬ Praxisgemeinschaft: Welche Informationen sind

ggf. weiterzugeben?

Auf S. 116 f olgt ein B eispiel für eine mög liche Re-gelung des Prozesses Telefonischer Erstkontakt.

Wenn es nic ht n ützlich er scheint, dies en A blauf ausführlich zu beschreiben, lässt sich die Beschrei-bung des V organgs – nac h den sp ezifischen G e-gebenheiten der eig enen P raxis – v erkürzen. Es ist b eispielsweise mög lich, Reg elungen dir ekt in Form eines Formulars darzustellen, das abgearbei-tet wir d. D as F ormular T elefonischer E rstkontakt (S. 117) b ildet ex emplarisch w esentliche Punk te des Telefonates a b und ist da mit g leichzeitig die Prozessbeschreibung und -regelung. Die einzelnen Prozessschritte sind b ereits v orgegeben, der P ro-zess wird mittels der Einträge durchgeführt.

Mögliche Inhalte des telefonischen ErstkontaktesDiese ausführliche Darstellung von möglichen In-halten und Kriterien hat keinesfalls die Bedeutung, dass all das a uch g etan w erden m üsste, s ondern soll zunäc hst einmal das b reite S pektrum dess en deutlich mac hen, was P sychotherapeuten allein schon beim ersten Telefonkontakt aufnehmen, re-flektieren und en tscheiden, also an z. T. hochqua-lifizierter Arb eit leist en. D as un terscheidet dies e Art von Telefonat grundlegend von einem b loßen Anmelde- und Terminvergabeprozess.

Aus den in ⊡ Tab. 1.1 dargestellten und eventuell noch anderen Punkten stellt sich der Praxisinhaber selbst seine Regelung bzw. Prozessbeschreibung für den telefonischen Erstkontakt zusammen.

Die Z iele des P rozesses Telefonischer E rstkon-takt hä ngen u . a. da von a b, ob das T elefonat mi t dem P atienten eher eine a nspruchsvolle T ätigkeit ist, die vom Therapeuten selbst durchgeführt wird, inklusive er ster diagnost ischer und I ndikations-überlegungen, o der r eine V erwaltungstätigkeit (Terminvergabe), die a uch d urch eine B ürokraft durchgeführt werden kann.

ZieleZiele dieses Prozesses können sein:▬ Neue P atienten f ür die P raxis w erden a nge-

nommen; der Patient hat einen Termin für ein Erstgespräch.

▬ Anliegen und Anf ragen des P atienten sind s o-weit möglich geklärt und beantwortet.

▬ Der Thera peut g ewinnt er ste I nformationen über den Patienten, für Organisation, Diagnos-tik, Indikation.

▬ Dem P atienten wir d unnö tiger Z eitaufwand erspart ( → K lärung a m Telefon, st att Er stge-spräch).

▬ Der Psychotherapeut nutzt die vorhandene Zeit möglichst effizient, um keine Therapieplätze zu blockieren.

▬ Der Therapeut gewinnt Informationen über die Versorgungssituation und die Ein bettung der Praxis in der Versorgungslandschaft (z. B.: Wer sind die Zuweiser?).

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