pts 21 dionysius von alexandrien zur frage des origenismus im dritten jahrhundert...

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  • WOLFGANG A. BIENERT

    DIONYSIUS VON ALEXANDRIENZUR FRAGE DES ORIGENISMUS IM DRITTEN JAHRHUNDERT

    WDE

    G

  • PATRISTISCHE TEXTE UND STUDIEN

    IM AUFTRAG DERPATRISTISCHEN KOMMISSION

    DER AKADEMIEN DER WISSENSCHAFTENIN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

    HERAUSGEGEBEN VON

    K.ALAND UND W. SCHNEEMELCHER

    BAND 21

    WALTER DE GRUYTER BERLIN NEW YORK1978

  • DIONYSIUS VON ALEXANDRIEN

    ZUR FRAGE DES ORIGENISMUS

    IM DRITTEN JAHRHUNDERT

    VON

    WOLFGANG A. BIENERT

    WALTER DE GRUYTER BERLIN NEW YORK1978

  • Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Evangelisch-Theologischen Fakulttder Universitt Bonn

    gedruckt mit Untersttzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

    CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

    Bienert, Wolfgang A.:Dionysius von Alexandrien : Zur Frage d. Origenismus im 3. Jh.- 1. Aufl. - Berlin, New York : de Gruyter, 1978.

    (Patristische Texte und Studien ; Bd. 21)ISBN 3-11-007442-7

    1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Gschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer KarlJ. Trbner Veit & Comp.,

    Berlin 30Printed in Germany

    Ohne ausdrckliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oderTeile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfltigen

    Satz und Druck: Walter de Gruyter, Berlin Einband: Wbben, Berlin.

  • Meiner Frau

  • VORWORT

    Die Beschftigung mit Dionysius von Alexandrien geht auf eine An-regung von Herrn Prof. D. Dr. h. c. W. Schneemelcher zurck. Darausentstand zunchst eine bersetzung der erhaltenen Fragmente diesesalexandrinischen Theologen und Bischofs (BGL2, Stuttgart 1972). Diedabei aufgekommenen Zweifel am origenistischen Charakter der Theologiedes Dionysius, wie er in der Forschung fast durchweg behauptet wird, ver-strkten sich durch den Fund neuer Texte (vgl. Kleronomia 5, 1973, 308ff.)und machten eine genauere Untersuchung dieses Problems notwendig.Insgesamt aber sollte die bisher zu wenig beachtete Bedeutung des Diony-sius fr die Kirchen- und Theologiegeschichte des 3. Jahrhunderts sicht-bar gemacht werden.

    Von der Evangelisch-Theologischen Fakultt der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universitt Bonn wurde diese Untersuchung im Wintersemester1976/77 als Habilitationsschrift angenommen. Fr die Drucklegung habeich sie noch einmal durchgesehen, geringfgig berarbeitet und ergnzt.

    Zum Abschlu der Drucklegung mchte ich noch einmal allen danken,die diese Arbeit durch Anregungen, Rat und Kritik gefrdert haben. NebenHerrn Prof. Schneemelcher seien besonders genannt die Professoren:L. Abramowski, H. Crouzel, D. Hagedorn, R. Hbner, F. H. Kettler undder inzwischen verstorbene M. Richard. Der Patristischen Kommission derAkademien der Wissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland dankeich fr die Aufnahme dieser Untersuchung in die Reihe , Patristische Texteund Studien', ebenso der Deutschen Forschungsgemeinschaft fr einennamhaften Druckkostenzuschu. Danken mchte ich auch an dieser StelleFrl. U. Keuthen fr die Reinschrift des Manuskripts sowie dem F. J. Dlger-Institut in Bonn fr mancherlei Untersttzung. Fr das Mitlesen derKorrekturen danke ich Herrn Pastor H.-P. Friedrich, Bonn, und meinerFrau.

    Hermannsburg, am 18. Mai 1978 Wolf gang A. Bienen

  • INHALTSVERZEICHNIS

    I. Einleitung lA. Zum Thema lB. Das Verhltnis zwischen Dionysius und Origenes in der bis-

    herigen Forschung 3C. Das Problem des Origenismus 6

    1. Der Begriff ,Origenismus' 62. Origenismus und die Lehre des Origenes 73. Die origenistischen Streitigkeiten 104. Das Problem des Antiorigenismus 155. Kriterien fr eine Bestimmung des Origenismus im 3. Jahr-

    hundert 18a) Theologiegeschichtliche berlegungen 18b) Kirchengeschichtliche Aspekte 22

    D. Aufgaben der folgenden Untersuchung 25

    II. Die Grundlagen: Quellen und "Zeugnisse 28A. Altkirchliche Zeugnisse ber Dionysius 28B. Ein weiterer alexandrinischer Dionysius? 33

    1. Eine Schrift gegen Origenes? 372. Fragmente aus der dem Niketas zugeschriebenen Hiob-

    Katene 383. Fragmente aus der Lukas-Katene des Niketas 40

    a) Ein Lukas-Kommentar des Dionysius? 40b) Verbindung zu PS.-Dionysius Areopagita 43

    4. Zusammenfassung 46C. Flschungen unter dem Namen des Dionysius 47

    1. Ein Briefwechsel mit Paul von Samosata 472. Ein geflschter Brief des Dionysius an Sixtus (Xystus) II.

    von Rom 50D. Das erhaltene Werk des Dionysius 51

    1. Sammlungen der Fragmente des Dionysius 512. Unbestritten echtes Material 533. Texte aus kanonistischer berlieferung 534. Exegetica 555. Vermischtes aus griechischer berlieferung 58

    a) Aus den Sacra Parallela des Johannes Damascenus . . . 58

  • X Inhaltsverzeichnis

    b) Fragmente aus Katenen zu neutestamentlichen Schriften 60c) Fragen und Antworten 62d) Zwei Texte Isidors von Pelusium unter dem Namen

    . des Dionysius 636. Ein lateinisch berliefertes Fragment 637. Syrisch berlieferte Fragmente 648. Armenisch berlieferte Fragmente 669. Zusammenfassung 70

    ///. Dionysius und die alexandrinische Kirche am Anfang des 3. Jahr-hunderts 71A. Herkunft und Entwicklung des Dionysius 71B. Die alexandrinische Kirche zu Beginn des 3. Jahrhunderts . . 75

    1. Die Anfnge der alexandrinischen Kirche 752. Rom und Alexandrien 783. Die Anfnge der alexandrinischen Katechetenschule' . . 81

    C. Der Streit um Origenes 871. Die Jugend des Origenes: Historic oder Legende? . . . . 872. Origenes als kirchlicher Lehrer 923. Origenes verlt Alexandria 95

    a) Die Grnde fr den Weggang 95b) Heraklas und seine Stellung im Streit um Origenes . . 100c) Die Folgen fr die Geschichte der alexandrinischen

    Kirche 104D. Dionysius als Leiter des Katechumenunterrichts 106

    1. Dionysius und Heraklas 1062. Schriften des Dionysius aus dieser Zeit 108

    a) Zur Chronologie der Schriften 108b) ber die Natur" 109c) Der Kommentar zum Ekklesiastes 115d) Die Deutung des Paradieses bei Dionysius und Origenes 119e) Die Briefe an Basilides 121

    (a) Der griechisch erhaltene ,kanonische' Brief . . . . 121() Der armenisch berlieferte Brief an Basilides . . . 124

    f) ber das Martyrium. An Origenes" 1253. Rckblick auf das Verhltnis zwischen Dionysius und

    Origenes in dieser Zeit 131

    7V. Dionysius als Bischof von Alexandrien 134A. Vorbemerkungen 134B. Die Osterfestbriefe 138

    1. Der Ursprung der Osterfestbriefe 1382. Zur Chronologie der Osterfestbriefe 142

  • Inhaltsverzeichnis XI

    3. Einzeluntersuchung der Festbriefe 156a) Der Brief an Hierax 157b) Der Brief an die Brder in Alexandrien 162c) Der Brief an Hermammon 166d) Die Bedeutung der Festbriefe 174

    C. Der Streit um die Busse, das Schisma Novatians und dieFolgen 1771. Zur Vorgeschichte 1772. Die Stellung des Dionysius zur Frage der Busse 1803. Der Ketzertaufstreit 185

    a) Der Verlauf 185b) Die Vermittlungsttigkeit des Dionysius 187

    D. Die Auseinandersetzung mit dem gyptischen Chiliasmus . . 1931. Die historischen Zusammenhnge 1932. Zum Verstndnis der Johannesapokalypse 197

    E. Der ,Streit der beiden Dionyse* 2001. Vorbemerkungen 2002. Der Verlauf 2043. Die Streitpunkte zwischen Dionysius und seinen Gegnern 2074. Das Lehrschreiben des Dionysius von Rom 2115. Die Antwort des alexandrinischen Dionysius 217

    V. Origenismus und alexandnnische Tradition 222

    VI. Literatur (in Auswahl) 224

    VII. Register 2331. Stellen 233

    a) Altes Testament 233b) Neues Testament 234c) Antike Autoren 235

    2. Moderne Autoren 2423. Antike Namen, Sachen und Begriffe 246

  • I. EINLEITUNG

    A. ZUM THEMA

    Die vorliegende Untersuchung behandelt ein Problem der Kirchen-und Theologiegeschichte, das in der Forschung bisher wenig Beachtunggefunden hat: das Verhltnis des alexandrinischen Bischofs Dionysius,des bedeutendsten Reprsentanten seiner Kirche im 3. Jahrhundert, zuseinem Lehrer Origenes1, dem berragenden Theologen der griechischenKirche. Bei der Flle der Origenesliteratur2 ist man berrascht, wie seltender Frage nachgegangen wird, auf welchem Wege das Erbe des Origeneszu seiner historischen Bedeutung gelangt ist. Durch die weitgehend theo-logie- und geistesgeschichtlich bestimmte Origenesforschung gewinnt manhufig den Eindruck, als sei es geradezu selbstverstndlich, da ein soberragendes theologisches Lehrgebude wie das des Origenes sichauch historisch beinahe zwangslufig durchsetzen und alle zeitgenssi-schen Theologen zumindest die griechischen und deren Nachfolger in ihren Bann schlagen mute. Man bersieht dabei leicht, da unsereKenntnis der Kirchengeschichte des 3. Jahrhunderts fast ausschlielich aufder Darstellung Eusebs von Csarea beruht, der bekanntlich ein Anhngerund Verehrer des Origenes war. Und man vergit ebenso leicht, da derLehrer Eusebs, Pamphilus, sich gegen Ende des 3. Jahrhunderts gentigtsah, eine umfangreiche Apologie fr Origenes zu verfassen, an der seinSchler mageblich mitgewirkt hat3. Daran zeigt sich, da das Erbe desOrigenes im 3. Jahrhundert bereits keineswegs unumstritten war und daes schon frh Kreise gegeben hat, die die Theologie des Origenes oderbestimmte Lehren dieser Theologie mehr oder weniger heftig bekmpfthaben4.

    Bisher ging man im allgemeinen davon aus, da nach Demetrius, dereinst Origenes aus Alexandrien verbannt hatte, Petrus I. (gest. 311) der

    1 Da Dionysius Schler des Origenes war, erfahren wir von Euseb, h. e. VI, 29, 4; vgl.Hieronymus, vir. ill. 69.

    2 Vgl. die umfassende Bibliographie (bis 1969) von H. Crouzel, Bibliographie critiqued'Origene (Instrumenta Patristica VIII), Steenbrugge 1971; ferner: R. Farina, Biblio-grafia Origeniana 1960-1970 (Biblioteca del .Salesianum' 77), Rom 1971.

    3 Erhalten ist von dem Werk, das zunchst fnf Bcher umfate und zu dem Eusebwohl selbstndig ein sechstes Buch angefgt hat, lediglich Buch l in der bersetzungRufins. Text: PG 17,521-616; vgl. Photius, Bibl. cod. 118.

    4 Da es sich dabei lediglich um eine zahme Reaktion" gehandelt habe, wie A. Harnackgemeint hat (Dogmengeschichte, 3. Aufl. Freiburg 1898, 140), erscheint mir fraglich.

  • 2 Einleitung

    zweite alexandrinische Bischof gewesen sei, der sich gegen den berhmtenLehrer bzw. gegen dessen Lehren gewandt habe5. Dionysius galt weit-hin wenn auch gelegentlich mit gewissen Einschrnkungen alsgenuiner Vertreter des Origenismus und als Anhnger und Freund des Ori-genes. Inzwischen aber sind neue Fragmente ans Licht gekommen, die zuerheblichen Zweifeln an dieser Anschauung Anla geben6. Sollten sich diedurch den Neufund verstrkten Zweifel am Origenismus des Dionysius be-sttigen7, so htte das nicht nur Konsequenzen fr die Beurteilung desDionysius selbst. Auch die sogenannte ,alexandrinische Theologie' er-schiene in einem anderen Licht8. Denn Dionysius ist nicht nur der be-deutendste bischfliche Vertreter der alexandrinischen Kirche im S.Jahr-hundert, er ist auch der einzige, von dem wir trotz der fragmentarischenberlieferung seines Werkes mehr wissen als von jedem anderen Theo-logen oder Bischof dieser Kirche nach Origenes bis hin zu Alexander vonAlexandrien, dem Vorgnger des Athanasius. Schlielich hngt auch dieBeurteilung des Origenismus im 3. Jahrhundert weitgehend davon ab, wieman Dionysius theologiegeschichtlich einordnet, da er bisher nicht seltenals Musterbeispiel fr einen kirchlichen Origenismus betrachtet wurde undals Vermittler des origeneischen Erbes eine Schlsselstellung in der theo-logiegeschichtlichen Entwicklung einnahm.

    5 A. Harnack, LG I, l, 444: Petrus war als Schriftsteller ein Gegner des Origenes, undseine Bedeutung in der alexandrinischen Literaturgeschichte besteht darin, da sich durchihn die zweite Abkehr des offiziellen Kirchentums in Alexandrien von Origenes voll-zogen hat". Vgl. L. B. Radford, Three Teachers of Alexandria, Cambridge 1908, 58.

    6 W. Bienert, Neue Fragmente des Dionysius und des Petrus von Alexandrien aus Cod.Vatop. 236, in: Kleronomia 5 (1973) 308-314.

    7 Es gab auch frher schon Grnde, am genuinen Origenismus des Dionysius zu zweifeln;vgl. meine bersetzung (BGL 2, Stuttgart 1972) 18, wo die neuen Fragmente noch nichtbercksichtigt sind. Zu der gesamten Frage vgl. auch R. Staats, in: ZKG 86 (1975)98-99.

    8 Wenn z. B. W. Gericke, Marcell von Ancyra, Halle 1940, 88 schreibt: Die alexandri-nische Theologie ist durch ihren Hhepunkt Origenes genugsam bekannt", dann gibt erdamit die weitverbreitete Ansicht wieder, die in Klemens Alexandrinus und vor allemOrigenes die beherrschenden Theologen der alexandrinischen Theologie zumindest frdas 3. Jahrhundert erblickt. H. Chadwick, ,Alexandrinische Theologie' in: RGG3 I(1957) 233f., unterscheidet zwar zwischen einer apologetisch bestimmten Alexandri-nischen Theologie bei Klemens und Origenes (im 3. Jh.) und einer hochkirchlich-klerikalen Orthodoxie unter dem Einflu des Athanasius (im 4. und 5. Jh.). Da aberDionysius mit keinem Won erwhnt wird, bleibt der Eindruck bestehen, da im 3. Jahr-hundert der Einflu des Klemens und des Origenes bestimmend war.

  • Das Verhltnis zwischen Dionysms und Origenes in der bisherigen Forschung 3

    B. DAS VERHLTNIS ZWISCHEN DIONYSIUS UND ORIGENES IN DERBISHERIGEN FORSCHUNG

    Man hat in der bisherigen Forschung soweit ich sehe die Ab-hngigkeit des Dionysius von Origenes niemals grundstzlich infrage-gestellt. Doch schwankt die Beurteilung dieser Abhngigkeit hinsichtlichihrer Intensitt nicht unerheblich. Denn es gab auch frher schon Hinweisedarauf, da sich Dionysius zu bestimmten Lehren des Origenes offenbarkritisch oder gar ablehnend geuert hat. Je nachdem, welche Bedeutungman diesen Hinweisen innerhalb der Gesamtbeurteilung gab, differierenauch die Urteile. Ohne bereits auf Einzelheiten einzugehen, die einergenaueren Analyse bedrfen, seien hier nur einige markante und bis in dieGegenwart wirksame Urteile wiedergegeben.

    H. G. Opitz hat Dionysius als glnzendsten Vertreter der origenisti-schen Theologie" bezeichnet9, und P. Th. Camelot hat dieses Urteil erstkrzlich wiederholt10. Zurckhaltender uerte sich Ch. L. Feltoe in derEinleitung zu seiner bis heute grundlegenden Sammlung der Fragmente desDionysius im Hinblick auf die Exegese des Dionysius: The general im-pression . . . left upon us is that Dionysius reverted to the more sobermethods of interpreting the Bible that prevailed throughout the Church ofhis day as a whole, though he approached his master's (sc. des Origenes)theories in his usual sympathetic spirit and availed himself of much that wasvaluable in them"11.

    A. v. Harnacks Urteil ist merkwrdig schwankend. In seiner Geschichteder altchristlichen Literatur kommt er zu dem Schlu, da Dionysius nurein bedingter Verehrer des Origenes gewesen ist und deshalb auch ein be-dingter Gegner" und da er einen gemilderten resp. halbschlchtigenOrigenismus" vertreten habe12. In seinem Lehrbuch der Dogmen-geschichte13 meint er jedoch, es sei nicht nachweisbar, da die nchstenSchler des Origenes, die Vorsteher der Katechetenschule" und zu ihnengehrt Dionysius ihren Meister erheblich korrigiert haben". In seinerletzten zusammenfassenden Darstellung ber Dionysius geht Harnacknoch einen Schritt weiter. Dort schreibt er ber ihn: Er lebte und webte inder religionsphilosophischen Wissenschaft seines wenig lteren LehrersOrigenes und verstand es, ihre kirchliche Seite so hervorzukehren, da dasAnsehen des Origenes, das unter seinen beiden Vorgngern tief geschdigtwar, sich wieder hob und trotz fortgesetzter Anfechtungen wieder wirksamwurde"14.

    9 Dionys von Alexandrien und die Libyer, in: Quantulacumque, London 1937, 42.

    10 RSPhTh 57 (1973) 539. Feltoe S. XXVIII, vgl. S. XXV-XXIX.

    12 I, l, 423; vgl. II, 2, 59. 4. Aufl. I, 777.

    14 A. v. Harnack, Die Sammlung der Briefe des Dionysius von Alexandria, in: Die Brief-

    sammlungen des Apostels Paulus und die anderen vorkonstantinischen Briefsammlungen,Leipzig 1926, 63 (insgesamt: 62-69 m. Anm. S. 86f.).

  • 4 Einleitung

    Damit nhert sich Harnack der weitverbreiteten Ansicht, die in Dio-nysius den Wegbereiter und ersten Vertreter eines ,kirchlichen Origenis-mus' sieht, was man im einzelnen darunter auch verstehen mag. Im allge-meinen soll damit wohl ausgedrckt werden, da er als spekulativ wenigbegabter Schler des Origenes15 einen kirchlich gemilderten Origenismusvertrat, der die problematischen Spitzen des origeneischen Systems besei-tigte16. Gemeint ist dies vor allem im Hinblick auf Christologie undTrinittslehre.

    F. Loofs hat darber hinaus bei seiner Einteilung der theologiegeschicht-lichen Entwicklung der Trinittslehre des 3./4. Jahrhunderts in eine orige-nistische Rechte" und eine origenistische Linke" Dionysius der in-ferioristischen ,origenistischen Linken' zugeordnet17. Im Hinblick auf dasVerhltnis zu Origenes mu er allerdings einrumen, da bestimmteuerungen des Dionysius genuinem Origenismus" widersprchen18.

    Theologiegeschichtlich betrachtet erscheint Dionysius gemessen an Ori-genes im allgemeinen als Theologe minderer Begabung und darum auchminderer Bedeutung. Seine kirchengeschichtliche Bedeutung innerhalb des3. Jahrhunderts wird demgegenber weitgehend anerkannt und der ihmbereits von Euseb beigelegte Titel der Groe" 19 in dieserHinsicht auch als berechtigt zugesprochen20. Eigentmlicherweise tritt beidieser Betrachtung das Verhltnis des Dionysius zu Origenes deutlich inden Hintergrund21. Man begngt sich zumeist mit dem Hinweis darauf,da Dionysius einst Schler des Origenes und spter Leiter der alexandri-

    15 So bereits Th. Foerster, Dionysius der Groe von Alexandrien. Ein Beitrag zu seiner

    Biographie, in: Zeitschr. f. hist. Theol. 35 (1871) 76; ders.: De doctrina et sententiisDionysii Magni episcopi Alexandrini, Diss. Berlin 1865, 44.

    16 So oder hnlich: F. Loofs, Leitfaden zum Studium der DG (19596) 173; R. Seeberg,

    Lehrbuch der DG, I (Nachdruck der 3. Aufl. 1965) 628; H. Lietzmann, Gesch. d. altenKirche III (1961) 81 ff.; K. Mller, Kirchengeschichte I3 (1941) 303f.; A. Adam, Lehr-buch der DG I (1965) 213; H. Chadwick, Die Kirche in der antiken Welt (1972) 128; u. a.

    17 Vgl. Art.: ,Arianismus' in: RE3 2 (1897) 9; Art.: ,Christologie', in: RE3 4 (1898) 45;

    Leitfaden (19596) 174. Diese didaktisch hilfreiche, sachlich jedoch wegen der damit ver-bundenen Schematisierung nicht unproblematische Einteilung hat ihre Wirkung bis heutenicht verfehlt: vgl. J. F. Bethune-Baker, An Introduction in the Early History of ChristianDoctrine to the Time of the Council of Chalcedon, London 19202, 121; B. Lohse,Epochen der Dogmengeschichte, Stuttgart 19743, 54 f.

    18 Leitfaden, 174. Der in diesem Zusammenhang von F. Loofs angefhrte Beleg ausAthanasius (Dion. 4) ist allerdings wenig geeignet, denn es handelt sich hierbei nicht umein Zitat aus dem Werk des Dionysius, sondern um ein zusammenfassendes Referat desAthanasius.

    19 Eus. h. e. VII, prooem.

    20 Vgl. z. B. Harnack, LG II, 2, 59; O. Bardenhewer, LG II, 203; u. a.

    21 Vgl. etwa O. Bardenhewer aaO; G. Bardy, Denys d'Alexandrie, in: Catholicisme 3 (1952)614-616.

  • Das Verhltnis zwischen Dionysius und Origenes in der bisherigen Forschung 5

    nischen ,Katechetenschule' war, wobei man davon ausgeht, da in dieserSchule charakteristische Tendenzen des Klemens und Origenes weiter-gegeben wurden"22. Die Tatsache, da Demetrius und dessen NachfolgerHeraklas Origenes aus Alexandrien verbannt hatten und Dionysius unterdem Episkopat des Heraklas Leiter der alexandrinischen , Katechetenschule'war, findet kaum Erwhnung. Auch da es neben Methodius von Olympusvor allem Alexandriner waren, die sich gegen Origenes wandten, wird beider Bestimmung der ,alexandrinischen Theologie' kaum bercksichtigt. Diegesamte weitere Entwicklung erscheint unter dem Einflu des Origenes,dem sich zumindest im Osten des rmischen Reiches offenbar keinTheologe entziehen konnte23. Und wenn schlielich festgestellt wird, daauch die Gegner des Origenes von dessen Theologie beeinflut waren24,dann ist das Bild vom berragenden Einflu des Origenes auf die theo-logische Entwicklung seiner Zeit vollkommen. Es entspricht in vielenPunkten dem, das Euseb von Csarea in seiner Kirchengeschichte vondieser Epoche gezeichnet hat. Und eine Korrektur dieses Bildes ist des-wegen so schwer, weil andere Quellen vor allem solche, die nicht vonFreunden und Verehrern des Origenes bermittelt sind fast vlligfehlen. Das sprt man am deutlichsten, wenn man nach den Grnden fragt,die dazu gefhrt haben, da Origenes Alexandrien verlassen und nach Csa-

    22 B. Altaner/A. Stuiber, Patrologie, Freiburg 19667, 189. Fr die sptere Entwicklungwird gern darauf verwiesen, da es im 4. Jahrhundert zu Auseinandersetzungen zwischender .alexandrinischen' exegetischen Tradition gemeint ist die allegorische Bibelaus-legung und der ,antiochenischen Tradition' gekommen ist. Als Begrnder der antio-chenischen Schule gilt der Presbyter Lukian von Samosata (gest. 312). Vgl. dazu:J. Guillet, Les exegeses d'Alexandrie et d'Antioche. Conflit ou malentendu? in:RechSR34 (1947) 257-302. Zu Lukian vgl. neuerdings auch: D. Hagedorn, Der Hiob-kommentar des Arianers Julian (PTS 14), Berlin 1973, 30 u. Einl. XXXIV. Kritisch berdie Entwicklung der frhen antiochenischen Schule M. Simonetti, Le origini de" Aria-nesimo, in: RSLR 7 (1971) 317330. Zur Frage der antiochenischen Exegese zuletzt:Chr. Schublin, Untersuchungen zur Methode und Herkunft der antiochenischenExegese (Theophaneia 23), Kln-Bonn 1974.

    23 Selbst K. Mller, der einrumen mu, da die Theologie des Klemens Alexandrinus unddes Origenes nicht die ganze Theologie des Ostens" umgreift, sieht auch in jeneranderen Richtung, die den starken Spiritualismus preisgibt und die eine Linie ver-folgt, . . . die vor allem durch Irenus vertreten war" und die, wie der junge Athanasiusbeweist, an der Wende des Jahrhunderts in Alexandrien selbst eingebrgert gewesensein" mu, nur eine Weiterentwicklung auf dem Grund der origenistischen Logos- undTrinittslehre" (Kirchengeschichte P, 1941, 307).

    24 Zu Methodius vgl. N. Bonwetsch, Die Theologie des Methodius von Olympus(AGG 7, 1) 1903, bes. 54, 105ff., 114-126. Zu Petrus I. von Alexandrien vgl. HarnackLG I, 447; F. Loofs, Leitfaden, 173; L. B. Radford, 76; H. v. Campenhausen, Kirch-liches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 19632, 290Anm. 3.2 Bienen: Dionysius

  • 6 Einleitung

    rea in Palstina bersiedeln mute25. Hier ist ber Vermutungen kaumhinauszukommen. Doch auch in diesem Fall scheint die Frage nach derStellung des Dionysius in dieser Angelegenheit nicht unwichtig, denn erwar ein Zeitgenosse dieser Ereignisse. So erscheint die Stellung desDionysius zu Origenes nicht nur theologiegeschichtlich sondern auchkirchengeschichtlich von zentraler Bedeutung.

    C. DAS PROBLEM DES ORIGENISMUS

    l. Der Begriff, Origenismus'

    Je umfassender man den Einflu des Origenes auf die zeitgenssischeund nachfolgende Theologie voraussetzt, um so schwieriger wird es, denBegriff ,Origenismus' bzw. ,origenistische Theologie' inhaltlich zu fllen.Dabei kommt erschwerend hinzu, da der Begriff ,Origenismus' in derWissenschaft unterschiedlich verwendet wird. H. Crouzel unterscheidetdrei Bereiche, auf die er angewandt wird:

    1. die Lehre des Origenes2. die dem Origenes von seinen Gegnern zugeschriebenen Lehren3. die Lehren der ,Origenisten' des 6. Jahrhunderts26.

    Grundstzlich drfte es jedoch gengen, zwei Bereiche auseinanderzu-halten: 1) die Lehre des Origenes und 2) all das, was sich im Laufe der Ge-schichte als Weiterentwicklung oder gltige Interpretation dieser Lehreverstand. Ob man auch die von Gegnern des Origenes diesem zugeschrie-benen Lehrmeinungen als ,Origenismus' betrachten kann, hngt wohldavon ab, ob es Kreise gegeben hat, die entsprechende Lehren unterBerufung auf Origenes vertreten haben. Bloe polemische Unterstellungenwird man schwerlich als ,Origenismus' bezeichnen knnen. Die Lehre der,Origenisten' des 6'. Jahrhunderts wre in diesem Fall lediglich als be-sondere Form der Weiterentwicklung bzw. Interpretation der Lehre desOrigenes anzusehen, ein Vorgang, der sehr wahrscheinlich schon frhereingesetzt hat und verschiedentlich zu Auseinandersetzungen um dastheologische Erbe des Origenes gefhrt hat.

    25 Vgl. meinen Beitrag ,Dionysius der Groe und Origenes' auf der 7. intern, patristischenKonferenz 1975 in Oxford (im Druck).

    26 Art.: Origenismus, LThK2 7 (1962) 1235. - Der Artikel ,Origenisme' von G.Fritz,DThC 11,2 (1932) 1565-1588 behandelt den Komplex, den andere Lexika unter dasStichwort .Origenistische Streitigkeiten' stellen, z. B. N. Bonwetsch, RE3 14 (1904)489-493; F. H. Kettler, RGG3 IV (1960) 1701-1702.

  • Das Problem des Origenismus 7

    2. Origenismus und die Lehre des Origenes

    Auch wenn es um der begrifflichen Klarheit willen sinnvoller erscheinendrfte, mit dem Wort , Origenismus' lediglich die Weiterentwicklung undInterpretation der Lehre des Origenes zu bezeichnen, da man ,Ismen' imallgemeinen in diesem Sinne versteht27, kann man nicht davon absehen, daes bis heute auch zur Bezeichnung der Lehre des Origenes verwendet wird.Das zeigt z. B. der Versuch E. von Ivnkas, den Origenismus geistesge-schichtlich einzuordnen28. Auch wenn A. Adam von einer inneren Kon-sequenz des Origenismus" spricht29, meint er damit das theologischeSystem des Origenes. hnlich verhlt es sich, wenn F. Loofs bei einigenTheologen des 3. Jahrhunderts uerungen findet, die genuinem Ori-genismus" widersprchen30 oder wenn W. Gericke feststellt, Euseb vonCsarea habe eine epigonenhafte Form des Origenismus" vertreten31.Dabei machen gerade die zuletzt genannten Formulierungen deutlich, dadie Lehre des Origenes bei seinen Anhngern Vernderungen erfahren hat27

    Mit Recht fordert z. B. K. Treu, man solle zwischen ,origeneischer' und ,origenistischer'Theologie unterscheiden (ThLZ 98, 1973, 356).

    28 E. v. Ivanka, Zur geistesgeschichtlichen Einordnung des Origenismus, By Z 44 (1951)

    291303. Es heit dort (301): Im Origenismus ist so knnen wir seine Wesens-bestimmung formulieren die Synthese gezogen worden zwischen der christlichenLehrberlieferung und dem damaligen, von hellenisch-antiker Denkweise gestaltetenWeltbilde und zwar in der Weise, da die einzelnen christlichen Lehrstcke undGlaubenselemente sich m den festen Rahmen dieses Weltbildes einfgen muten. Wennman auch vom rein Philosophischen her bei Origenes sagen kann, da es oft nur die,Transskription' des christlichen Inhalts mit den Begriffen der hellenischen Philosophieist (Hinweis auf J. Dani6lou, Origene, 49), so sind andererseits doch diese christlichenGlaubensinhalte in ein Gesamtschema hineingesehen, das dem hellenischen ,Seelen-mythos' entstammt und der zeitgenssischen Philosophie zugrunde liegt. Das bedingtseine eigenartige Zwischenstellung zwischen Glaubenslehre, Philosophie und Gnostik darin liegt aber auch das wesentlich Unchristliche (!) des Origenismus." In der gender-ten Fassung dieses Aufsatzes von 1964 (Plato Christianus, Einsiedeln 1964, 11-125)lautet der Schlusatz: . . . und darin liegt auch die Bedrohung des christlichenGlaubensgehaltes, der in dieses zyklische Weltbild hineingestellt wird" (123). Grundlage fr diese Wesensbestimmung des Origenismus ist das System des Origenes,wie es sich vor allem in dessen Schrift ,Peri Archon' niedergeschlagen hat. ,Origenistische'Theologen werden nicht weiter bercksichtigt. Die Mglichkeit einer Weiterentwicklung,Interpretation oder gar Verflschung der Theologie des Origenes kommt bei dieserBetrachtungsweise nicht in den Blick. Dabei drfte das abschlieende Urteil nichtunwesentlich von den sogen, origenistischen Streitigkeiten" und der dabei auftretendenInterpretation der Lehre des Origenes beeinflut sein. Vgl. dazu u. S. lOff.

    29 Lehrbuch der DG I, 213.

    30 Leitfaden, 174.

    31 Marcell von Ancyra, 88. - Der negative Klang dieses Urteils sollte den Blick fr dietatschliche Bedeutung Eusebs nicht verstellen; vgl. dazu H. G. Opitz, Euseb vonCaesarea als Theologe, ZNW 34 (1935) 1-19.

  • 8 Einleitung

    bzw. nur zum Teil von ihnen rezipiert wurde. Letzten Endes wird mansagen mssen, da kein ,origenistischer' Theologe das gesamte System desOrigenes bernommen und uneingeschrnkt vertreten hat. Das gilt z. B.auch fr Gregor von Nyssa, der ohne Zweifel viel von Origenes gelernt hatund schwerlich als Antiorigenist eingestuft werden kann, der aber gleich-wohl bestimmte Lehren etwa die von der begrenzten SchpfermachtGottes heftig bekmpft hat32. Selbst Didymos der Blinde, den man nocham ehesten als genuinen Vertreter des Origenismus bezeichnen kann, weiler auch bestimmte Sonderlehren des Origenes vertrat, die von anderenbekmpft wurden z. B. die Lehre von der Prexistenz der Seelen , istber Origenes hinausgegangen und hat dessen Lehren in einzelnen Punktenweiterentwickelt33.

    Je allgemeiner man das Phnomen Origenismus geistes- und theologie-geschichtlich betrachtet, um so strker ist man gentigt, die Lehre des Ori-genes als Voraussetzung mit einzubeziehen. Je mehr man jedoch historischzu differenzieren beginnt, erscheint diese Lehre als eine theologische Gresui generis, in der platonisch-stoische Elemente zusammen mit philonischerBibelexegese und christlicher Tradition zu einem einmaligen Lehrgebudevon kosmologischer und zugleich heilsgeschichtlicher Dimension ver-schmolzen sind, in dem Widersprchlichkeiten dialektisch in Spannunggehalten werden im Dienste einer umfassenden gttlichen Pdagogik, diewohl fhrt, aber niemals zwingt"34. Will man dieser Lehre, mit der Ori-genes bereits zu Lebzeiten Widerspruch erregte, gerecht werden, dann muman sie in den historischen Zusammenhang stellen, in dem sie entstanden32

    Vgl. dazu E. Mhlenberg, Die Unendlichkeit Gottes bei Gregor von Nyssa (FKDG 16),Gttingen 1966, 135141; R. Hbner, Die Einheit des Leibes Christi bei Gregor vonNyssa, Leiden 1974, 89 (mit Belegen).

    33 Vgl. meine Untersuchung: Allegoria" und Anagoge" bei Didymos dem Blinden vonAlexandria (PTS 13), Berlin 1972, bes. 163f.; vgl. auch 49f.

    34 H. v. Campenhausen, Griechische Kirchenvter, 2. Aufl. Stuttgart 1956, 49. Zumbesonderen Systemcharakter der Theologie des Origenes vgl. F. H. Kettler, in: RGG3 IV(1960) 1700; ders.: Der ursprngliche Sinn der Dogmatik des Origenes (BZNW 31),Berlin 1966; ders.: War Origenes Schler des Ammonios Sakkas? in: EPEKTASIS(Festschrift). Danielou), Paris 1972, 327-334 (bes. 329 mit Anm. 20; dort weitere Lit.);anders H. Crouzel, Origene et la philosophic, Paris 1962, 179-215. - Es ist hier nichtmglich, auf dieses zentrale Problem der Origenesforschung nher einzugehen.H. Crouzel gibt einen recht guten berblick ber die ltere Debatte, entscheidet sichdann aber dafr, den Exegeten Origenes in den Vordergrund zu rcken. Aber auch einExeget kommt nicht ohne ein systematisches Gerst aus, auch wenn man nicht so weitwie Hai Koch gehen will, der von Origenes gemeint hat (Pronoia und Paideusis[AKG 22], 1932, 317): Da ein Mann jahraus jahrein die Schrift hat lesen knnen, ohnedadurch entschieden vom biblischen Gedankengang beeinflut zu werden, da er dieganze griechische Religionsphilosophie in die Texte hat hineinlesen knnen, scheint unsundenkbar, ist aber nichtsdestoweniger der Fall". Vielleicht sollte man den Begriff.System' auf die Lehre des Origenes besser nicht anwenden, sondern eher vom Zentrum

  • Das Problem des Origenismus 9

    ist. Man mu sie beurteilen nach den geschichtlichen Voraussetzungen,Aufgaben und Mglichkeiten von Kirche und Theologie zu Beginn des3. Jahrhunderts und darf keine Mastbe von Rechtglubigkeit an sie legen,die sich erst im Verlauf spterer Entwicklungen herausgebildet haben34*.Erst wenn es gelingt, sie unabhngig von den origenistischen Streitigkeitenim 4. und 6. Jahrhundert zu betrachten und d. h. zugleich ohne den damitverbundenen Hresieverdacht, wird man ihre Besonderheit und Grerecht wrdigen knnen.

    Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es notwendig, Origenismus undLehre des Origenes auseinanderzuhalten, auch wenn eine sachlicheTrennung beider nicht mglich ist. Hieraus ergibt sich allerdings die Auf-gabe, nach eindeutigen Kriterien zur Bestimmung des Origenismus zusuchen. Zwar wird man letzten Endes jeden ,origenistischen1 Theologendaraufhin befragen mssen, in welcher Weise und in welchem Umfang erGedanken und Lehren des Origenes rezipiert und interpretiert hat. Dochentbindet dies nicht von der Suche nach deutlichen Merkmalen, die eineUnterscheidung zwischen der Theologie des Origenes und dem Origenis-mus ermglichen. H. Crouzel hat diese Aufgabe gesehen und neuerdingsfolgende Definition des Origenismus vorgeschlagen: Er sei eine Geistes-strmung, die in einigen spekulativen Positionen seines (sc. des Origenes)Werkes ,Peri Archon' ihren Ursprung hat, welche, vom Kontext getrenntund so ihres hypothetischen, antithetischen Charakters entkleidet, im Laufdes 4.6. Jahrhunderts systematisiert wurden"35. Als charakteristischeMerkmale nennt er: 1. den trinitarischen Subordinatianismus, 2. die Hypo-these von der Prexistenz der Seelen, 3. die Prexistenz der menschlichenSeele Christi und 4. die Apokatastasis. Ferner erwhnt er die Auffassungvon den Sternen als beseelter und mit Verstand begabter Wesen und dieallegorische Auslegung der Heiligen Schrift.

    Dieser Katalog umfat im wesentlichen jene Lehren, die die antiorige-nistische Polemik in den origenistischen Streitigkeiten des 4. bis 6. Jahr-hunderts bekmpfte und die schlielich im Zusammenhang mit dem V.kumenischen Konzil des Jahres 553 als hretisch verurteilt wurden36.

    oder der Mitte seines theologischen Denkens reden. Der regelmige Umgang mit derSchrift hat Origenes immer wieder zu neuen und tieferen berlegungen veranlat, undOrigenes war flexibel genug, sich von der Bibel korrigieren zu lassen.

    341 Es ist das bleibende Verdienst der Arbeit von Walter Bauer, Rechtglubigkeit undKetzerei im ltesten Christentum (19642) ungeachtet mancher berechtigter Kritik anEinzelheiten des Werkes , diese Grundregel fr ein gerechtes historisches Urteil mitallem Nachdruck hervorgehoben zu haben. Vgl. auch H. D. Altendorf, Zum Stich wort:Rechtglubigkeit und Ketzerei im ltesten Christentum, ZKG 80 (1969) 61-74.

    35 In: Sacramentum Mundi 3 (1969) 925; vgl. auch die folgenden Spalten.

    36 Vgl. die 15 Anathematismen aus dem Jahre 553, in ACO IV, l (1971), 248-249 (Strub);H. Grgemanns/H. Karpp, Origenes. Vier Bcher von den Prinzipien, Darmstadt 1976,824-830.

  • 10 Einleitung

    Origenismus wre demnach ausschlielich als hretische Vernderung bzw.Verflschung ursprnglich ,rechtglubiger' in ihrem ursprnglichenZusammenhang zumindest unverdchtiger Lehren des Origenes zu ver-stehen. Eine solche Definition des Origenismus erweckt zwar ein wenigden Eindruck, als wolle man mit ihrer Hilfe die Lehren des Origenes soweit wie mglich vom Hresieverdacht befreien, indem man all das, was dieGegner des Origenismus bekmpften, als Vernderung oder Verflschungbestimmter Lehren des Origenes ansieht. Doch wird man nicht bestreitenknnen, da damit zumindest ein wichtiger Teilaspekt des Origenismus insAuge gefat ist, auch wenn ber die Abhngigkeit bestimmter Lehren desOrigenismus von Origenes dadurch noch kein abschlieendes Urteil geflltsein drfte. Darber hinaus aber enthlt H. Crouzels Definition des Ori-genismus eine doppelte Verengung: 1) beschrnkt sie den Begriff aus-schlielich auf die hretische Vernderung origeneischer Lehren undklammert damit einen wie auch immer gearteten kirchlichen* Orige-nismus von vornherein aus; und 2) begrenzt H. Crouzel den Origenismuszeitlich auf jene Form, die im Lauf des 4.6. Jhs." vorherrschte. Wie aberverhlt es sich mit der Zeit nach dem Tode des Origenes (t 254) bis zumBeginn der origenistischen Streitigkeiten am Ende des 4. Jahrhunderts?Auch in dieser Zeit fand die Theologie des Origenes Beachtung. Das gehteinerseits daraus hervor, da auch zu dieser Zeit bestimmte Lehren desOrigenes wie z. B. die Lehre von der Prexistenz der Seelen bekmpftwurden. Andererseits beweist die von Basilius dem Groen und Gregorvon Nazianz um die Mitte des 4. Jahrhunderts veranstaltete ,Bltenlese' ausdem Werk des Origenes die Philokalia37 ein besonderes Interesse anseinem Werk in dieser Zeit. Das theologische Erbe des Origenes war offen-sichtlich von Anfang an Gegenstand weitreichender Auseinandersetzungen;schon frh gab es Gegner und Verteidiger seines Werks. Wenn auch diespteren Auseinandersetzungen um dieses Erbe im 4.6.Jahrhundertbesondere Bedeutung fr das Problem des Origenismus haben, wird mandiesen dennoch nicht beschrnken knnen auf die Form, die in dieser Zeitals Ketzerei bekmpft wurde. Man wird vielmehr auch all das in eine Unter-suchung des Problems mit einzubeziehen haben, was sich selbst auchvorher schon als Weitergabe und gltige Interpretation des origeneischenErbes verstand.

    3. Die origenistischen Streitigkeiten

    Auseinandersetzungen um die Theologie des Origenes hat es vonAnfang an gegeben. Als origenistische Streitigkeiten im engeren Sinn be-zeichnet man in der Forschung jedoch jene Auseinandersetzungen, die im

    37 Vgl. die Ausgabe von J. A. Robinson, Cambridge 1893.

  • Das Problem des Origenismus 11

    4. und O.Jahrhundert mit besonderer Heftigkeit gefhrt wurden und dieschlielich die Verurteilung des Origenes zur Folge hatten38. Man unter-scheidet im wesentlichen zwei Phasen: die erste um die Wende des 4./5.Jahrhunderts, an der insbesondere Epiphanius von Salamis, Hieronymusund Theophilus von Alexandrien einerseits sowie Rufin und Johannes vonJerusalem andererseits beteiligt waren, und die zweite zu Beginn des6. Jahrhunderts, die unter dem Einflu Justinians zunchst auf einer Synodein Konstantinopel im Jahre 54339 und schlielich im Zusammenhang mitdem Konzil von Konstantinopel des Jahres 553 die endgltige Ver-urteilung des Origenes (zuletzt zusammen mit Didymos dem Blinden undEuagrius Ponticus) herbeifhrte, die auf spteren Konzilien mehrfachwiederholt wurde40.

    Die grundstzliche Bedeutung dieser Streitigkeiten, auf deren Verlaufhier nicht im einzelnen eingegangen werden kann, liegt fr unsere Fragedarin, da die wichtigsten Quellen des Antiorigenismus, aber auch diewichtigsten Texte des Origenes selbst vor allem die Schrift ,PeriArchon' uns in einer Form berliefen sind, die von diesen Streitigkeitenwesentlich beeinflut wurde. Unser Verstndnis und nicht zuletzt die Be-urteilung der Theologie des Origenes hngen nicht unwesentlich davon ab,ob man beispielsweise Rufin, dem Verehrer des Origenes und bersetzervon ,Peri Archon', mehr Vertrauen entgegenbringt als den Gegnern Hiero-nymus und spter Justinian oder den von ihnen oder anderen Gegnernzusammengestellten Zitaten aus dem Werk des Origenes41. Welche Folgensich daraus bis in die Gegenwart ergeben, soll an einem Beispiel erlutertwerden.

    Im Jahre 1954 verffentlichte H. Jonas eine Darstellung des Systems desOrigenes, wobei er dieses als ein System christlicher Gnosis zu deuten

    38 Vgl. auer den in Anm. 26 genannten Lexikonartikeln: F. Diekamp, Die origenistischenStreitigkeiten im sechsten Jahrhundert und das fnfte allgemeine Concil, Mnster 1899;K. Holl/A. Jlicher, Die Zeitfolge des ersten origenistischen Streits, in: K. Holl, Ges.Aufs. II, 1928 (Nachdruck 1964), 310-350; M. Villain, Rufin d'Aquilee. La querelleautour d'Origene, RechSR 27 (1937) 5-37, 165-197; K. Baus, in: Hdb. d. KG II, l(1973) 127134 (mit Literatur!). Wichtig auch: A. Guillaumont, Les ,Kephalaia gnostica'd'Evagre le Pontique (Patristica Sorbonensia 5), Paris 1962.

    39 Vgl. A. Guillaumont, Les .Kephalaia gnostica', 132; Ed. Schwanz, AGO III, 189-214.

    40 VI. kumen. Konzil v. Konstantinopel 680/81 (Mansi XI, 632e); Trullanum 692(Mansi XI, 937); VII. kumenisches Konzil v. Nica 787 (Mansi XIII, 377b) u. .;vgl. A. Guillaumont, Les .Kephalaia gnostica', 136f. (vgl. Cone. Oecum. Deer. ed.J. Alberigo et al. 19733, 125, I f f . ; 135, 8ff.).

    41 Die damit verbundene grundstzliche Schwierigkeit hatte bereits Ch. F. W. Walch (Ent-wurf einer vollstndigen Historic der Kezereien, Bd. VII, 1776, 365) erkannt: . . . esist ein Fehler, in den wirklich groe Mnner gefallen, des K. Justinians Edict und denActen der unter ihm gehaltenen Concilien ein hheres Ansehen beizulegen. Wenn sievon lteren Begebenheiten reden, so sind sie mit Geschichtsschreibern nicht einmal

  • 12 Einleitung

    suchte42. Dabei sttzt er sich nach eigener Darstellung ausschlielich aufdas Werk ,Peri Archon'43. Diese Schrift des Origenes ist uns vollstndigjedoch nur in der bersetzung Ruf ins aus dem Jahre 398 erhalten, undRufin hat wie er selbst schreibt sich bei seiner bersetzung bemht,Verflschungen der Lehren des Origenes zu beseitigen44. Diese ber-setzung ist also in apologetischer Absicht entstanden. P. Koetschau, derHerausgeber der noch immer mageblichen Edition des Werkes, meintesogar, sie stelle eher eine Bearbeitung als eine bersetzung desgriechischen Originals" dar45. Gegen das Verfahren Rufins hatte sichbereits Hieronymus gewandt, der von Rufin angegriffen seinerseitseine bersetzung von ,Peri Archon' anfertigte, um mit seiner ,zuverlssi-gen bersetzung* nicht nur die seines ehemaligen Freundes als unredlichblozustellen, sondern auch um zugleich die ketzerische Seite der Lehrendes Origenes besonders hervorzuheben46. Leider ist die bersetzung desHieronymus ebenso wie das griechische Original der Schrift weithin ver-lorengegangen. Wir besitzen lediglich eine Reihe von Zitaten aus dieserbersetzung, die Hieronymus in seinem Brief an Avitus selbst zusammen-gestellt hatte, um auf die ketzerischen Lehren des Origenes in besondererWeise aufmerksam zu machen47. Nach dem Urteil Koetschaus sind esgerade diejenigen Stellen von Peri Archon, welche Rufin hatte unter-drcken oder abschwchen wollen"48. Besttigt und ergnzt werden siedurch eine Reihe griechischer Zitate, wie Jonas hervorhebt, im Brief Justi-nians an den Bischof Menas von Konstantinopel sowie durch die bereitserwhnten Anathematismen von 543 und 553. H. Jonas schliet seine ber-sicht ber die Quellenlage mit der Bemerkung: da der unverflschte

    immer der ersten Klasse gleich zu sezen. Parteiische Geschichtsschreiber verrathen sichhier bald. Man siehet, da Eusebius ein Freund, da Epiphanius ein Feind des Origenesgewesen."

    42 Gnosis und sptantiker Geist, II, l, Gttingen 1954, 171-223.

    43 AaO 176 ff.

    44 Rufin, praef. 3 zu Origenes, princ. (GCS 22, 5, 11 ff. Koetschau): Sicubi ergo nos inlibris eius aliquid contra id invenimus, quod ab ipso in ceteris locis pie de trinitate fueratdefinitum, velut adulteratum hoc et alienum aut praetermisimus aut secundum eamregulam protulimus, quam ab ipso frequenter invenimus adfirmatam. Si qua sane velutperitis iam et scientibus loquens, dum breviter transire vult, obscurius protulit, nos, utmanifestier fieret locus, ea quae de ipsa re in aliis eius libris apertius legeramus adiecimusexplanation! studentes. Nihil tarnen nostrum diximus, sed licet in aliis locis dicta, suatarnen sibi reddidimus." Vgl. auch Rufin, De adulteratione librorum Origenis (hg. v.M. Simonetti, CCL 20, 1961, 717); nach c. 7 dieser Schrift hat sich bereits Origenesselbst ber die Verflschung seiner Lehren beklagt; vgl. ferner Origenes, hom. 25 inLucam, GCS 49 (35), 151, 7-14, hg. v. M. Rauer.

    45 GCS 22 (1913) Einleitung S. CXXVIII vgl. H. Jonas aaO 177.

    46 Vgl. Hieronymus, Adv. Rufin. I, 1. 6. 11; ep. 57, 2ff . ; ep. 124, 1.

    47 Ep. 124. Vgl. die Zusammenstellung der Zitate bei Harnack LG I, l, 381 f.

    48 GCS 22, Einleitung S. LXXXIX.

  • Das Problem des Origenismus 13

    spekulative Origenes nicht in dem uns erhaltenen ,De principiis', d. h.dem Rufinschen Texte, sondern in den verstreuten hresimachischen Frag-menten und Lehrextrakten zu finden ist. . . . Ganz besonders die 15Anathematismen sind eine ergiebige Quelle fr die Rekonstruktion desSystems . . ., da sie allein (!) die metaphysischen Anfangs- und Endhori-zonte des Gesamtaufrisses in hinreichender Przision, brigens in syste-matischer Anordnung, enthalten. . . . Das Original hat zu manchemPunkt Begrndungen und Ableitungen geboten (z. B. in Form von Schrift-beweisen), die die lehrsatzmige Ketzerverurteilung nicht bringt. Dieseaber stellt in der Tat eine Quintessenz der Lehre dar und als solcheverwenden wir sie"49. Wenn Jonas von dieser Grundlage aus das Systemdes Origenes zu rekonstruieren versucht und schlielich zu dem Ergebniskommt, es handle sich um ein gnostisches Lehrgebude50, dann besttigt eru. a. indirekt ohne da dies in der Intention seiner Untersuchung lge jene Theologen, die seinerzeit Origenes als Hretiker verurteilten, odersolche, die noch heute die Heterodoxie seiner Lehren betonen51. Einanderes Ergebnis ist unter den genannten Voraussetzungen allerdings auchnicht zu erwarten. Denn wer sich ausschlielich auf das Material derAnklger sttzt, kann schwerlich zu einem anderen Urteil gelangen. Eineandere Frage ist, ob ein solches Urteil auch gerecht sein kann. Die Be-grndung, da starker, als solcher scharfsichtiger Ha immerhin ein ange-messenerer Zeuge ist als schwchliches Entschuldigenwollen"52, drfteschwerlich berzeugen. Bekanntlich kann auch Ha blind sein und u. U.die Wahrheit verflschen. Und ob ein in seiner Eitelkeit gekrnkter Hiero-nymus ein besserer Zeuge ist als der treue, zumeist redliche, wenn auchnicht immer genaue Rufin, steht dahin.

    Das bedeutet nicht, da damit die Bedenken, die Jonas mit einer Reihefhrender Forscher gegenber der bersetzung Rufins von ,Peri Archon'teilt53, beseitigt wren. Doch mehren sich die Stimmen, die dem bersetzer49

    H. Jonas aaO 178.50

    Ob diese Charakterisierung sachlich zutreffend ist, hngt davon ab, wie man den Begriff.gnostisch' interpretiert. In der vorgetragenen Weise entspricht er im wesentlichen dem,was Jonas selbst unter ,Gnosis' bzw. .gnostisch' versteht. - Zur neueren Debatte berdieses Problem vgl. den Sammelband des Kongresses von Messina: Le origini dellognosticismo, hg. v. U. Bianchi, Leiden 1967; vgl. auch W. Ehester (Hg.), Christentumund Gnosis (BZNW 37), Berlin 1969. Einen guten berblick ber den Stand derForschung gibt: K. Rudolph, Gnosis und Gnostizismus, ein Forschungsbericht, ThR 34(1969) 121-175, 181-231, 358-361; 36 (1971) 1-61; 37 (1972) 289-360; 38 (1973)1-25.

    51 Z.B. G. Mamzarides, , Thessaloniki 1960,83-90; vgl. H. Crouzel, Origene et la philosophic, 205 Anm. 98.

    52 Jonas aaO 177 Anm. 1.

    53 Dazu gehrt vor allem P. Koetschau, auf den H. Jonas sich sttzt und der durch seine

    Ausgabe wesentlich zur Verbreitung dieser Ansicht beigetragen hat; vgl. auch E. de Faye,Origene. Sa vie, son oeuvre, s pensee, 3 Bde. Paris 1923 1928.

  • 14 Einleitung

    Rufin eine grere Zuverlssigkeit bescheinigen, als Hieronymus ihm zu-billigen wollte. Den Anfang machte G. Bardy, der die UbersetzungstreueRuf ins auf der Grundlage der erhaltenen griechischen Fragmente von ,PeriArchon' berprfte54. Durch den Papyrusfund von Tura aus dem Jahre1941 ergab sich die Mglichkeit, die Zuverlssigkeit der bersetzungenRufins anhand der dort gefundenen Teile aus dem Rmerbriefkommentardes Origenes erneut zu berprfen. Das Ergebnis der UntersuchungJ. Scherers und anderer veranlate die Forscher zwar zu gewissen Ein-schrnkungen, besttigte aber aufs ganze gesehen, da Rufin als zuver-lssiger bersetzer angesehen werden kann55.

    H. Jonas aber hatte nicht nur die Zuverlssigkeit der bersetzungRufins in Zweifel gezogen, seine Darstellung grndete sich wie auchmanche frheren Darstellungen der Theologie des Origenes vor allemauf die antiorigenistischen Anathematismen der Jahre 543 und 553. Nunaber hat A. Guillaumont, gesttzt auf die von ihm neuentdeckte und imJahre 1958 verffentlichte syrische bersetzung der ,Kephalaia gnostica'des Euagrius Ponticus56 nachgewiesen, da im Jahre 553 nicht die Lehrendes Origenes selbst, sondern der Origenismus des Euagrius verurteiltwurde57. Die Anathematismen des Jahres 543 entsprechen zwar in vielenPunkten den von Epiphanius und Theophilus von Alexandrien im erstenorigenistischen Streit bekmpften Lehren, doch lassen sich auch hierbemerkenswerte Unterschiede zur Theologie des Origenes feststellen. InNr. l und Nr. 5 der Anathematismen werden z. B. Lehren verurteilt, die

    54 G. Bardy, Le texte du ,Peri Archon' d'Origene et Justinien, RechSR 10 (1920) 224-252;ders.: Recherches sur l'histoire du texte et des versions latines du ,De Principiis'd'Origene, Paris 1923.

    55 J. Scherer, Le Commentaire d'Origene sur Rom. Ill, 5-V, 7, Kairo 1957, 85-121;H. Chadwick, Rufinus and the Tura Papyrus of Origen's Commentary on Romans,JThS 10 (1959) 10-42; G. Beck, Das Werk Christi bei Origenes, Diss. theol. Bonn1966, 3243; vgl. bereits G. Bardy, Le texte de l'Epitre aux Romains dans le Commen-taire d'Origene - Rufin, RevBibl 29 (1920) 229-241. - Ferner zu diesem Problem:M. Wagner, Rufinus the Translator, Washington 1945; R.-C. Baud, Les Regies" de latheologie d'Origene, RechSR 55 (1967) 161-208 (bes. 164 mit Anm. 9); F. Winkelmann,Einige Bemerkungen zu den Aussagen des Rufinus von Aquileia und des Hieronymusber ihre Ubersetzungstheorie und -methode, in: Kyriakon (Festschr. J. Quasten) II,Mnster 1970, 532-547 (Lit.).

    56 PO 28,1, Paris 1958; vgl. dazu: A. und C. Guillaumont, Le texte veritable des

    ,Gnostica' d'Evagre le Pontique, RHR 142 (1952) 156-205; dieselben: DSp 4 (1961)1731-1744; dieselben: RAC VI (1966) 1088-1107 (bes. 1095f).

    57 A. Guillaumont, Les .Kephalaia gnostica', 143ff.; vgl. 158f.: Ces multiples correspon-dences doctrinales et laterales obligent conclure que les ,Kephalaia gnostica' d'Evagresont la source principale des quinze anathematismes antiorigenistes de 553, et quel'origenisme qui fut condamne par les Peres du V Concile et qui etait, comme l'histoirele montre, la doctrine des moines origenistes de Palestine est du, au premier chef, l'influence de l'oeuvre d'Evagre."

  • Das Problem des Origenismus 15

    sich nicht auf Origenes selbst zurckfhren lassen, sondern teils aufEuagrius, teils auf noch ungeklrte Ursprnge zurckgehen58. Der Ein-flu des Euagrius auf die im Jahre 543 verurteilten origenistischen Lehrenist zwar noch nicht abschlieend geklrt, aber insgesamt bleibt die be-grndete Vermutung, da die Bedeutung des Euagrius fr die origenisti-schen Streitigkeiten nicht erst des 6., sondern bereits des 4./S.Jahr-hunderts bisher unterschtzt worden ist. Da die Lebenszeit desEuagrius ungefhr in die Jahre 346399 fllt59 zuletzt weilte er ingypten , ist sein Einflu auf die Ereignisse ohnehin wahrscheinlich. Auf diesem Hintergrund erscheint Rufins Bemerkung, man habe dieLehren des Origenes verflscht, in einem anderen Licht. Wie weit dieseVerflschungen gingen, ob sie sich auch auf den Text von ,Peri Archon'direkt bezogen, was die Bemerkung Rufins nahelegt, und wie weit nunRufin daraufhin seinerseits den Text im Sinne der Orthodoxie abnderte,wird sich wohl nie ganz herausfinden lassen. Das Problem ist offensicht-lich komplizierter als es frher schien und kann sicherlich nicht allein zuLasten Rufins entschieden werden60.

    Fr unsere Fragestellung ergeben sich aus den UntersuchungenA. Guillaumonts zwei wertvolle Hinweise: erstens beweisen sie wasbisher nur vermutet wurde , da man die Lehren des Origenes weiter-entwickelt und verndert hat, und zweitens, da in den origenistischenStreitigkeiten des 4./5. und des 6. Jahrhunderts61 eine besondere Form desOrigenismus auf den Plan tritt, die von der vorhergehenden Zeit zuunterscheiden ist.

    4. Das Problem des Antiorigenismus

    Eine generelle theologische Bestimmung des Antiorigenismus erweistsich bei nherer Betrachtung als ebenso schwierig wie die Bestimmung desOrigenismus, vielleicht sogar als noch schwieriger. Denn die Quellenlageist beinahe noch schlechter, der Kreis selbst sehr uneinheitlich und nurdurch die Gegnerschaft gegen bestimmte Lehren des Origenes verbunden.Als Hauptvertreter des Antiorigenismus im 3. und 4. Jahrhundert geltenim allgemeinen: Methodius von Olympus, der sich in seiner Schrift ,Uberdie Auferstehung' vor allem gegen die Lehren von der Ewigkeit der Welt,

    58 Vgl. A. Guillaumont, Les ,Kephalaia gnostica', 141 ff.

    59 Vgl. Altaner-Stuiber, Patrologie, 265.

    60 Vgl. dazu B. Studer, Zur Frage der dogmatischen Terminologie in der lateinischen

    bersetzung von Origenes ,De Principiis', in: EPEKTASIS (Festschr. J. Danielou),Paris 1972, 403-414.

    61 Zu dem letzten Problemkreis vgl. auch: David B. Evans, Leontius of Byzantium. AnOrigenist Christology, Washington 1970 (Stichwort: Origenist Chalcedonian", 183).

  • 16 Einleitung

    von der Prexistenz der Seelen und von der Auferstehung nur desdes Menschen wandte62; Petrus I. von Alexandrien, der sich ebenfallsgegen eine spiritualistische Auferstehungslehre sowie die Lehre von derPrexistenz der Seelen aussprach63; Eustathius von Antiochien, der inseiner Schrift ,ber die Hexe von Endor (l.Sam 28)' die allegorischeSchriftauslegung des Origenes bekmpfte64; und schlielich die Wort-fhrer der Antiorigenisten im ersten origenistischen Streit: Epiphaniusvon Salamis65, Hieronymus66 nach seinem Wechsel ins antiorigenistischeLager und Theophilus von Alexandrien67, der offenbar erst unter demDruck bestimmter Mnchskreise in gypten zu einem entschiedenenGegner des Origenes und seiner Anhnger wurde68 und auf einer Synodein Alexandrien (Anfang 400) den Origenismus verdammen lie69. VonApollinaris von Laodicea, der gelegentlich auch unter die Antiorigenistengezhlt wird70, sind uns keine Zeugnisse berliefert, die nheren Auf-schlu ber den Inhalt seiner Kritik geben knnten.

    Geht man davon aus, da die origenistischen Streitigkeiten des4.6. Jahrhunderts einer besonderen Form des Origenismus gelten unddarum gesondert betrachtet werden mssen, wird die Quellenlage fr dieAnfnge des Antiorigenismus noch schwieriger. Es kommt hinzu, da

    62 Hg v. G. N. Bonwetsch, GCS 27 (1917) 217-424. Vgl. allerdings, de resurr. III, 3und Sokrates, h. e. VI, 12.

    63 Eine neuere Zusammenstellung der erhaltenen Texte des Petrus gibt es leider nicht.Einen guten berblick ber das ltere bekannte Material gibt A. Harnack, LG I, l,443-449; vgl. auch F. H. Kettler, in: PW 19,2 (1938) 1281-1288; zuletzt Altaner-Stuiber, Patrologie, 212f. - Weitere Texte bei M. Richard, in: Le Museon 86 (1973)267-268; W. Bienen, in: Kleronomia 5 (1973) 311-312, vgl. Kleronomia 6 (1974)237241; vgl. ferner: J. Barns/H. Chadwick, A Letter ascribed to Peter of Alexandria,JThS 24 (1973) 443-455.

    64 Hg. v. E. Klostermann, in: Kleine Texte 83 (1912) 16-62; vgl. auch M. Spanneut,

    Recherches sur les ecrits d'Eustathe d'Antioche, Lilie 1948. - Zur Exegese des Origenesber diesen Text vgl. den Papyrusfund von Tura, O. Gueraud, Note preliminaire sur lespapyrus d'Origene decouverts a Toura, RHR 131 (1946) 85-108 (Text: 99-102).

    65 Ancoratus 13, 54f., 62f.; Panarion 64; vgl. Hieronymus ep. 51.

    66 Vor allem epp. 82; 86-90; 99; vgl. ep. 124 (ad Avitum).

    67 Vgl. die in lateinischer bersetzung bei Hieronymus berlieferten Briefe: Hieron. ep.96, 98, 100. - Ferner M. Richard, in: Le Museon 52 (1939) 33-50; ders.: Nouveauxfragments de Theophile d'Alexandrie, NAG 1975, 57-65.

    68 Zur Stellung des Theophilus zu Origenes vgl. zuletzt: P. Nautin, La lettre de Theophiled'Alexandrie a l'Eglise de Jerusalem et la reponse de Jean de Jerusalem (Juin-juillet 396),in: RHE 69 (1974) 365-394.

    69 Vgl. Hieron. ep. 92; Justinian, ep. ad Menam (AGO III, 202f.).

    70 Vgl. Sokrates, h. e. VI 13, 3 (Sokrates spricht von einer antiorigenistischen

    : Eusthatius v. Ant., Method, v. l., Apollinaris, Theoph. AI.); Theophilus b.Hieron. ep. 98, 6. - Vielleicht erklrt sich von daher auch die Polemik des Didymosgegen Apollinaris; dazu: W. A. Bienen, Allegoria" und Anagoge", 123ff.

  • Das Problem des Origenismus 17

    wichtige Quellen des lteren Antiorigenismus im Kontext der spterenAuseinandersetzungen berliefert sind. Das gilt z. B. fr einige derFragmente des Petrus von Alexandrien71, aber auch fr die griechischeberlieferung der Schrift des Methodius ,ber die Auferstehung'72. Dasgleiche gilt wahrscheinlich auch fr die neugefundenen Fragmente desDionysius, des Petrus und des Theophilus aus Cod. Vatop. 236, die ineinem antiorigenistischen Florileg enthalten sind, ber dessen Herkunftnoch keine abschlieende Klarheit besteht. Mglicherweise gehrt esebenfalls in den Zusammenhang der origenistischen Streitigkeiten73.

    Wollte man alle Autoren, die in antiorigenistischen Florilegien alsGegner des Origenes zitiert werden, sogleich als Antiorigenisten einstufen,kme man in einige Verlegenheit. Denn man mte auer den Genanntenauch noch Athanasius und die Kappadozier dazurechnen74 oder garIrenus, Justin und Klemens Alexandrinus, die in dem Florileg aus Cod.Vatop. 236 als Gegner der Lehre von der Prexistenz der Seelen zitiertwerden75, die aber bereits aus historischen Grnden nicht in Betrachtkommen. Bei den Kappadoziern lassen sich zwar uerungen finden, diezu bestimmten Lehren des Origenes im Widerspruch stehen. Andererseitszeigt die von Basilius und Gregor von Nazianz herausgegebene Philokaliaeine deutliche Verehrung des Origenes. Aus diesem und anderen Grndenpflegt man sie deshalb mehr in die Nhe der Origenisten als der Anti-origenisten zu rcken. Athanasius wird man zwar kaum als Origenistenansehen wollen, doch finden sich in seinem Werk uerungen, in denen ervoll Respekt von Origenes spricht und mit Zustimmung aus seinen Schrif-ten zitiert; gelegentlich nimmt er ihn sogar gegen seine Gegner in Schutz76.

    Aus all dem folgt, da auf diesem Wege eine Einordnung des Dionysiusunter die Antiorigenisten nicht mglich ist. Die bloe Tatsache, da Anti-origenisten spterer Zeit Dionysius als Zeugen fr ihre Ansichten zitieren,reicht keineswegs aus, um Dionysius selbst zum Antiorigenisten zumachen. Das gilt auch dann, wenn sich zeigen lt, da die Zitate in demgenannten Florileg zuverlssig wiedergegeben sind. Denn aus dem Zu-

    71 Z. B. bei Justinian, ep. ad Menam (ACO III, 197); vgl. allerdings auch Joh. Damascenus,Sacra Parallela (hg. v. K. Holl, TU 20, 2 [1899] 210).

    72 Der wichtige Abschnitt I, 20-II, 8, 10 ist griechisch nur bei Epiphanius, Pan. 64, 12-62erhalten, d. h. im Zusammenhang der Auseinandersetzung des Epiphanius mit Origenes.

    73 M. Richard datiert deshalb das Florileg in das 2. Viertel des 6. Jh. (NAG 1975, 57). -Die in Vorbereitung befindliche Edidon des gesamten Florilegs wird hoffentlich nochmehr Licht in diese Angelegenheit bringen.

    74 Justinian, ep. ad Menam (ACO III, 198ff.: Athanasius, Basilius, Gregor v. Nyssa).

    75 Vgl. A. de Santos Otero, Der Codex Vatopedi 236, in: Kleronomia 5 (1973), 315-326;ders.: Dos capitulos ineditos del original griego de Ireneo de Lyon (Aduersus haeresesII, 50-51) en el codice Vatopedi 236, in: Emerita 41 (1973) 479-489.

    76 Athanasius, decr. 27; vgl. H. G. Opitz (Hg.), Athanasius Werke 11,1 S. 23, 17ff.;ferner P. Koetschau, Einleitung zu Origenes, Peri Archon (GCS 22), XVIf. (Belege!).

  • 18 Einleitung

    sammenhang gerissen knnen Zitate oft recht unterschiedlich interpretiertwerden. Erst eine genaue Analyse der Texte im Zusammenhang mit demgesamten erhaltenen Werk ermglicht eine weitergehende Einordnung.

    .i. Kriterien fr eine Bestimmung des Origenismus im 3. Jahrhundert

    a) Theologiegeschichtliche berlegungen

    Versteht man den Origenismus ganz allgemein als das theologische Erbedes Origenes, das bei bestimmten nachfolgenden Theologen wirksam war,hier und dort besondere Ausprgungen erfuhr, wobei bestimmte Lehrendes Origenes herausgehoben und u. U. weiterentwickelt wurden, dannbedarf es zur Unterscheidung von anderen theologischen Traditionen, diezur gleichen Zeit ihren Einflu ausbten, bestimmter spezifischer Merk-male. Das Problem besteht also nicht nur in einer Unterscheidung zwischender Theologie des Origenes und dem Origenismus, sondern auch vorallem in der Frhzeit in einer Unterscheidung zwischen dem Erbe desOrigenes und anderen theologischen Strmungen. Die Frage lautet:Welches sind solche charakteristischen Merkmale, an denen das Erbe desOrigenes erkennbar wird ?

    Diese Frage richtet sich zugleich an die Theologie des Origenes selbst.Welches sind ihre spezifischen Kennzeichen, durch die sie sich von anderentheologischen Entwrfen unterscheidet, und was ist berkommenesGedankengut oder gemeinsames Kennzeichen frhchristlicher Theologie?Eine solche Frage mochte berflssig erscheinen, solange man von demalles berragenden Einflu des Origenes auf die Theologie zumindest inder stlichen Hlfte des rmischen Reiches berzeugt war. Allerdingshat man diesen Einflu zwar immer wieder behauptet, doch soweit ichsehe bisher niemals im einzelnen nachgewiesen. Fr einen solchen Nach-weis aber bentigt man die genannten Kriterien. Und dieser ist um so mehrerforderlich, wenn man Dionysius theologiegeschichtlich einordnen willund mit H. Crouzel der Meinung ist, man msse ihn als unabhngigen undselbstndig denkenden Theologen betrachten77. Das bedeutet zugleich, daman auch Origenes ungeachtet seiner zweifellos berragenden Bedeu-tung als Theologe und Lehrer aus dem geschichtlichen Zusammenhangheraus interpretieren mu, in dem er beheimatet ist. Dabei sollte zweierleinicht bersehen werden: da er selbst verschiedene ltere Traditionen philosophische, exegetische, christlich-theologische aufgenommen und

    77 H. Crouzel schreibt: Bien que le trop petit nombre de fragments conserves ne nouspermette pas d'apprecier avec securite l'originalite de la pensee de Denys, il faut leconsiderer comme un theologien independant, ce qu'il est certainement, et non commeun eleve qui ne ferait que repeter les lemons entendues" (BLE 76 [1975] 138).

  • Das Problem des Origenismus 19

    weitergegeben hat und da er zu seinen Lebzeiten nicht der einzige Lehrerin Alexandrien war. Nur das, was unter diesen Voraussetzungen alscharakteristisch f r die Lehre des Origenes erscheint oder durch Origeneseine besondere Pr gung erhielt, er ffnet die M glichkeit, bei einemsp teren Theologen auch dort von Origenismus zu sprechen, wo einedirekte Bezugnahme auf Origenes oder sein Werk fehlt, wie wir sie etwa inder Dankrede Gregors des Thaumaturgen besitzen. Bei Dionysius ist mangezwungen, die erhaltenen Texte auf Hinweise zu untersuchen, die denEinflu des Origenes verraten. Dabei geht es um Gemeinsamkeiten, die

    ber das hinausgehen, was beide mit lteren Theologen verbindet.Die blo e Feststellung, Dionysius habe einen trinitarischen Subordina-

    tianismus vertreten, reicht beispielsweise nicht aus, um seine Trinit tslehreeindeutig als origenistisch zu bestimmen. Denn Subordinatianismus war gemessen an den dogmatischen Normen sp terer Zeit ein Charakteristi-kum der gesamten vornic nischen Theologie78. Auch die Lehre von einerg ttlichen ,' begegnet schon vor Origenes79. hnliches gilt f r dieLogoschristologie80, sofern man Origenes berhaupt als Vertreter dieserLehre betrachten will. Denn die Bezeichnung Christi als , die bereitsim NT begegnet81, ist bekanntlich noch kein Beleg f r das Vorhandenseineiner Logoschristologie, wie sie inbesondere von den fr hchristlichenApologeten vertreten wurde. Origenes selbst hat jedoch bestimmte Formender Logoschristologie abgelehnt82. In jedem Fall ist bei der Er rterungdieses Punktes besondere Sorgfalt notwendig, wenn man dem Einflu desOrigenes auf die Spur kommen will. Das gilt auch, wenn man das Ver-h ltnis von Theologie und Philosophie untersucht. Die Tatsache, da eingriechischer Theologe des 3. Jahrhunderts und sei es auch ein alexan-drinischer von sp tantiker Philosophie beeinflu t ist, beweist noch nichtseine Abh ngigkeit von Origenes. In allen genannten F llen bedarf eszus tzlicher Kriterien, die den Einflu des Origenes erkennen lassen.

    Angesichts der sp rlichen berlieferung von theologischen Texten des3. Jahrhunderts aus der Zeit nach Origenes oder aus dessen Umgebung,d rfte der Nachweis des Origenismus ohne ausdr ckliche Berufung auf

    78 Vgl. W. Marcus, Der Subordinatianismus als historiologisches Ph nomen, M nchen

    1963.79

    Vgl. z. B. Theophilus v. Antioch, Ad Autolyc. II, 15.80

    Als Hauptvertreter gelten die fr hchristlichen Apologeten. Vgl. F. Loofs, Leitfaden,90ff. (mit Belegen); W. Pannenberg, Christologie II, in: RGG3 I (1957), 1767; B. Lohse,Epochen der DG, 19743, 81 f.; A. Grillmeier, Christ in Christian Tradition I, Atlanta19752, 108 ff.

    81 Z. B. Joh. l, 1. Zum Einflu der Johanneischen Christologie auf die Dogmengeschichte:T. E. Pollard, Johannine Christology and the Early Church, Cambridge 1970.

    82 Joh.-Komm. I ,23f . (GCS 10, 1903, 29, 15ff. Preuschen). Hier wendet sich Origenes

    gegen ein falsches Verst ndnis von PS 44,2 LXX ( ); vgl. auch Joh. Komm. I, 38 (39, 19ff.).

  • 20 Einleitung

    Person oder Werk des Origenes schwieriger sein, als die herkmmlicheDogmengeschichtsschreibung im allgemeinen erkennen lt. Noch schwie-riger wird es, wenn man mit so erheblichen Vernderungen der Theologiedes Origenes bei dessen Nachfolgern rechnen soll, wie sie K. Mllerbeschreibt: Origenes selbst hatte sich als Gnostiker gefhlt, der im Geistlebt und dem der Geist die gttlichen Geheimnisse erschliet, der darumber dem einfachen Glauben der Gemeinde steht, der aber auch dieseGnosis mit dem Glauben der Gemeinde unverworren lassen will. Diespteren Vertreter seiner Schule teilen diesen Standpunkt nicht mehr: dieTheologie soll nicht mehr reine Gnosis sein, sondern den Gemeindeglaubenbearbeiten und feststellen. Darum fllt vom origenistischen System (sc. demSystem des Origenes) einerseits alles dahin, was diesem Glauben von Hausaus ganz fremd gewesen war: die Ewigkeit der Schpfung, das Ende derLeiblichkeit, die Einheit der Geisterwelt in ihrem Auf- und Abstieg, dieeigentmliche Gestalt der Christologie. . . . Gehalten haben sich auch inAlexandrien die Logos- und die Trinittslehre, der Origenes nur eine ver-nderte Gestalt gegeben hatte, und die Spiritualisierung der Eschatologie,die tief in der ganzen von ihm ausgegangenen geistigen Richtung begrndetwar"83. Zusammenfassend stellt K. Mller fest: Jetzt blieb nur noch einStck theologischer Metaphysik, die Fortsetzung dessen, was die Apolo-geten begonnen hatten"84.

    So betrachtet wre der frhe Origenismus Mller vermeidet das Wortund spricht stattdessen von den spteren Vertretern seiner (sc. desOrigenes) Schule" nichts anderes als eine durch Origenes lediglich ver-mittelte und von ihm leicht modifizierte Form einer bereits von den frh-christlichen Apologeten vertretenen Theologie. Es ist hier nicht zu unter-suchen, ob die Theologie des Origenes in der Zusammenfassung vonK. Mller richtig wiedergegeben ist. Uns geht es darum, ob die Beschrei-bung des Origenismus zutrifft und ob sich aus ihr Kriterien zu seinerBestimmung gewinnen lassen. Schaut man nher hin, dann erweist sich dieBeschreibung Mllers als eine in vielen Punkten zutreffende Charakteri-sierung der Theologie des Dionysius, allerdings unter der stillschweigendenVoraussetzung, da diese Theologie durch Origenes vermittelt ist. DieseVoraussetzung gilt es jedoch zu prfen.

    Andererseits erweckt Mller den Eindruck, als seien die Sonderlehren"des Origenes die Lehren von der Ewigkeit der Schpfung, vom Ende derLeiblichkeit usw. von spteren insbesondere alexandrinischen Theo-logen nicht mehr vertreten worden. Dagegen aber sprechen nicht nur diein Alexandrien und anderen Ortes nachweisbaren antiorigenistischen ue-rungen; dagegen spricht auch, was wir ber den alexandrinischen Lehrerund Presbyter Pierus (Ende des 3. Jahrhunderts) wissen, den Hieronymus

    83 Kirchengeschichte I3 (1941), 303.

    84 Ebd. 306.

  • Das Problem des Origenismus 21

    einen Origenes iunior" genannt hat85. Auffallend ist vielmehr, da jeneBesonderheiten der Theologie des Origenes, die die Gemter sptererTheologengenerationen zu heftigem Widerspruch reizten, sich offenbar beiDionysius nicht feststellen lassen. Dies knnte auch als Hinweis daraufverstanden werden, da die Theologie des Dionysius eben nicht aus derTradition des Origenes, sondern aus anderen Traditionen zu verstehen ist.

    Zur Bestimmung des Origenismus wird man in jedem Fall auch inZukunft jene Lehren des Origenes in Betracht ziehen mssen, die schonfrh von Gegnern bekmpft wurden. Dies sind vor allem die Lehren vonder Prexistenz der menschlichen Seelen, die spirituelle Deutung der Auf-erstehungslehre wie berhaupt die mit der allegorischen Methode ver-bundene spirituelle Auslegung der Bibel.

    Ohne eindeutige Hinweise auf den Einflu des Origenes drfte esmethodisch zumindest fragwrdig sein, scheinbar fehlende theologischeElemente aus der Theologie des Origenes ergnzend anzufgen, wie es z. B.F. Dittrich bei seiner Darstellung der Trinittslehre des Dionysius getanhat. Er schreibt dazu: Dionysius war bekanntlich ein Schler desOrigenes und wurde von ihm in die christliche Wissenschaft eingefhrt.Wenn berhaupt ein Schlu von dem Lehrer auf den Schler berechtigt ist,so wird man auch von vornherein (!) auf eine Abhngigkeit des Dionysiusvon Origenes bezglich der hchsten aller christlichen Glaubenswahr-heiten, der Trinittslehre, schlieen knnen"86. Von hier aus sieht sichDittrich berechtigt, die Trinittslehre des Dionysius in das System desOrigenes einzuzeichnen und scheinbare Lcken durch Origenes auszu-fllen. Der Schlu, da Dionysius die Theorie des Origenes bis in ihreletzten Consequenzen verfolgte und ausbeutete"87, ist auf diesem Hinter-grund kaum anders zu erwarten. Bei der fragmentarischen berlieferungder Schriften des Dionysius ist es zwar verstndlich, da man nach Mg-lichkeiten der Ergnzung sucht; doch dazu bedarf es zuvor hinreichenderKlarheit ber die Lehren des Dionysius selbst. Wer von vornherein von derbloen Schlerschaft und mehr behauptet Euseb an der immer wieder alsBeleg angefhrten Stelle nicht88 auf die geistige Abhngigkeit desDionysius von Origenes schliet, ohne vorher diese Abhngigkeit auf derGrundlage des erhaltenen Quellenmaterials kritisch zu berprfen, derkann die deutlich vorhandenen Unterschiede zwischen Origenes undDionysius nur als ,Weiterentwicklungc, u. U. auch als Vernderung, ber-spitzung oder Verflachung des ursprnglichen origeneischen Systems inter-

    85 Hieron. vir. ill. 76; vgl. dazu auch L. B. Radford, Three Teachers, 4457.

    86 F. Dittrich, Dionysius der Groe, 95; vgl. auch 99 f.

    87 Ebd. 105.

    88 Eus. h. e. VI, 29, 4. Hieronymus, der allerdings weitgehend von Euseb abhngig ist,schreibt: . . . Origenis insignissimus auditor fuit" (vir. ill. 69).

    3 Bienen: Dionysius

  • 22 Einleitung

    pretieren. Die Mglichkeit einer anderen Interpretation der Theologie desDionysius kommt von hier aus nicht in den Blick.

    Es bleibt die Tatsache bestehen, da Dionysius einst Schler desOrigenes war, was eine persnliche Begegnung beider voraussetzt. Dieswirft aber neben theologiegeschichtlichen auch kirchengeschichtlicheProbleme auf.

    b) Kirchengeschichtliche Aspekte

    Origenismus und Antiorigenismus wurden bei unserer bisherigenBetrachtung, wie in der Forschung zumeist blich, als theologiegeschicht-liche Begriffe verwendet. Bei ihrer Nherbestimmung und gegenseitigenAbgrenzung traten jedoch erhebliche Schwierigkeiten auf. Denn einerseitsbedeutet es eine Verengung, wenn man unter dem Origenismus lediglichjene hresieverdchtigen Sonderlehren oder jene von anderen in hretischerWeise weiterentwickelten Theologumena des Origenes verstehen will, dievon Antiorigenisten bekmpft wurden, und damit jede Form eines wieauch immer gearteten ,kirchlichen Origenismus' ausschliet. Umgekehrtaber kann man auch nicht jeden Theologen, der sich gegen bestimmteLehren des Origenes oder seiner Anhnger gewandt hat, ohne weiteres alsAntiorigenisten einstufen89. Von entscheidender Bedeutung ist offenbar dieGesamteinstellung des jeweiligen Theologen zu Origertes und der sich aufihn berufenden Tradition.

    Schon O. Bardenhewer hatte festgestellt, da der Name des Origenesein Zeichen des Widerspruchs wurde, nicht erst in den Tagen der ,orige-nistischen Streitigkeiten', sondern schon im Laufe des 3. Jahrhunderts"90.Das aber bedeutet, da sich nicht nur an der Theologie, sondern bereits amNamen des Origenes die Geister schieden. Gewi verbindet sich mit demNamen immer auch die von ihm vertretene Theologie, aber so wenig einSchler notwendigerweise immer auch ein Anhnger und Verehrer derLehren seines Meisters sein mu, so wenig mu ein Anhnger und Verehrereines groen Theologen immer auch von allen Lehren seines Meistersdurchdrungen sein. Es gengt, wenn er sich dem mit dem Namen seinesMeisters verbundenen Programm verschreibt, um als Anhnger undParteignger' betrachtet zu werden. Mit anderen Worten: Origenismus

    89 Dazu gehrt auer Gregor von Nyssa (vgl. o. S. 8 mit Anm. 32) z. B. auch Markellv. Ankyra, der sich vor allem gegen eine unkritische bernahme der Gedanken desOrigenes bei dessen Anhngern (Paulinus von Tyrus, Euseb v. Csarea u. a.) wehrte unddiesen vorwarf, sie stellten seine Lehren ber die Schrift (Frg. 37 [GCS 14, 191] gegenPaulinus, vgl. auch Frg. 87 und 88 [GCS 14,204]), vgl. W. Gericke, Marcell vonAncyra, 88, Ul f .

    90 O. Bardenhewer LG II, 9.

  • Das Problem des Origenismus 23

    wird man nicht allein als eine bestimmte, von Origenes abhngigetheologische Richtung betrachten drfen, sondern vor allem auch als eine inder Kirche des 3. Jahrhunderts und danach vor allem im Osten desrmischen Reiches wirksame und zeitweise wohl recht einflureicheGruppierung, ja eine ,Partei'. Verbindendes Element in ihr ist die Ver-ehrung fr Origenes und sein theologisches Erbe, das man nach innensorgfltig pflegt und gegen Angriffe von auen verteidigt. Von daher kannjeder Theologe, der bestimmte Lehren des Origenes bekmpft, von dieserGruppe entsprechend als Antiorigenist angesehen werden. Eine breitereantiorigenistische Front begegnet allerdings erst gegen Ende des 4. Jahr-hunderts.

    Der Anfang dieser Entwicklung liegt allem Anschein nach bereits imAuftreten des Origenes selbst, der schon zu Lebzeiten leidenschaftlicheAnerkennung, aber auch Ablehnung erfuhr. Der Grund dafr lag wohlnicht nur in der Besonderheit seiner theologischen Lehre, sondern auch inseinem Wirken als theologischer Lehrer. Vor allem in Alexandrien, wozahlreiche Schulen miteinander konkurrierten, mute der Lehrerfolg desOrigenes bald Neid und Feindschaft hervorrufen91, zumal Origenes nicht

    91 Insofern drfte die Bemerkung des Hieronymus zutreffend sein, mit der er die Aus-weisung des Origenes aus Alexandria kommentiert: . . . non propter dogmatumnouitatem, non propter heresim, ut nunc aduersum eum rabidi canes simulant, sed quiagloriam eloquentiae eius et scientiae ferre non poterarit et illo dicente omnes mutiputabantur", ep. 33, 5 (CSEL 54, 259, 8-12 Hilberg). Wohl aus diesem Grund meintK. Baus: Ob die Spannungen zwischen ihm und seinem Bischof Demetrios, die ihn um230 zum Verlassen seiner Heimat zwangen, auf den von Origenes vertretenen theolo-gischen Ideen beruhten, ist unwahrscheinlich" (Hdb. d. KG II, l, 127). hnlich bereitsM. Hornschuh: Das Leben des Origenes, ZKG 71 (1960) 213 Anm. 124: Um einenAngriff auf die Lehre des Origenes hat es sich damals nicht gehandelt"; doch er fhrtkurz darauf fort: Spter mu sich Origenes allerdings auch wegen seiner Lehre ver-antworten". Denn nach Eus. h. e. VI, 36, 4 versuchte Origenes spter in einem Brief anFabianus von Rom und andere Kirchenfhrer, seine Rechtglubigkeit (!) zu verteidigen.M. Hornschuh vermutet: Wahrscheinlich ist der Angriff auf die Theologie des Origenesvon Rom ausgegangen, nicht von Alexandrien". Doch diese Vermutung beruht auf derAnnahme, Alexandrien habe nach dem Ausscheiden des Origenes an einem kirchlichtemperierten Origenismus" festgehalten. Und dies wird damit begrndet, da nochzu Lebzeiten des Meisters ein Origenist, Dionysius, nicht nur die Leitung der Schule,sondern auch das Bistum bernimmt" (ebd.). Wahrscheinlicher aber ist, da die Aus-weisung des Origenes aus Alexandrien auch mit theologischen Argumenten begrndetwurde, die die Rechtglubigkeit des Origenes in Zweifel ziehen sollten. In Rom dieQuelle der Angriffe gegen die Rechtglubigkeit des Origenes zu vermuten, besteht wenigVeranlassung, eher schon in Heraklas, dem Nachfolger des Demetrius in Alexandrien,der sehr wahrscheinlich hinter den Ausweisungsbeschlssen gegen Origenes stand; vgl.meinen Beitrag in Oxford 1975 (o. S. 6 Anm. 25); ferner: Hugo Koch, Zum Lebens-gange des Origenes und Heraklas, in: ZNW 25 (1926) 278-282. Vgl. auch u. S. 87ff.,bes. 100ff.

  • 24 Einleitung

    nur ein begnadeter Lehrer war, sondern sich auch bemhte, seine Lehrebeispielhaft vorzuleben. In Csarea in Palstina, wohin er sich nach seinemWeggang aus Alexandrien wandte, konnte Origenes seine Arbeit endlichungestrt fortfhren. Konkurrenz scheint es fr ihn an diesem Ort nichtgegeben zu haben; die benachbarten Bischfe schtzten und verehrten ihn.Wenn sein Ansehen und sein Nachruhm in Csarea und den benachbartenGemeinden besonders nachhaltig gewesen ist92, dann ist das kaum ver-wunderlich. Denn einmal geno er das Vertrauen des Ortsbischofs Theo-ktist und der einflureichen Nachbarbischfe Alexander von Jerusalem undFirmilian von Csarea in Kappadozien, und zum anderen gingen viele derspteren Bischfe der nheren und weiteren Umgebung durch seine Schulein Csarea, darunter die Brder Athenodor und Gregor Thaumaturgus,die Origenes selbst zum Christentum bekehrt hatte.

    Verfolgt man die Entwicklung des Origenismus in kirchengeschicht-licher Hinsicht, dann fllt auf, da offenbar an bestimmten Orten und inbestimmten Gegenden das Erbe des Origenes besonders gepflegt wurde.In Csarea in Palstina, wo die Bibliothek des Origenes aufbewahrtwurde, ragen Pamphilus und sein Schler Euseb, der sptere Bischof,hervor. In Kappadozien zeigen Gregor von Nazianz und Basilius durchdie Sammlung der Philokalia, da das Erbe des Origenes im 4. Jahr-hundert noch lebendig war. In den origenistischen Streitigkeiten gegenEnde des 4. Jahrhunderts steht Johannes, der Bischof von Jerusalem aufder Seite derer, die das Erbe des Origenes verteidigen, untersttzt vonMnchsgruppen aus seiner Umgebung. Auch in gypten gab es bekannt-lich Mnchsgruppen, die das Erbe des Origenes verehrten; ihnen wandtesich spterhin Euagrius Ponticus zu. Auch Didymus der Blinde hat diesenKreisen sicherlich nahegestanden.

    Die Einstellung zu Origenes in gypten und Alexandrien blieb aller-dings von Anfang an zwiespltig. Einerseits gab es dort zeitweilig be-rhmte Vertreter der Lehren des Origenes, wie z. B. Pierius, den Lehrerdes Pamphilus, und spter Didymus den Blinden. Auch Theognost, vondem wir allerdings recht wenig wissen, gehrt vielleicht in diesen Kreis93.

    92 Vgl. E. R. Redepenning, Origenes I (1841) 414: Es wurde und blieb Palstina seinezweite Heimath; von hier ging sein ferneres Wirken aus". Die besondere Bedeutung,die Csarea durch die Anwesenheit des Origenes erlangte, mute die Erinnerung undVerehrung fr diesen groen Theologen wachhalten. Man denke in diesem Zusammen-hang auch an Tyrus, wo man die Erinnerung an den Mrtyrer Origenes pflegte und seinGrab zeigte (vgl. H. Chadwick, Die Kirche in der antiken Weh, 124). - Zu Csarea vgl.neuerdings: H. Bietenhard, Caesarea, Origenes und die Juden, Stuttgart 1974, bes.7-18.

    93 Vgl. Photius, Bibl. cod. 106. Die Fragmente des Theognost hat A. Harnack gesammeltund kommentiert: Die Hypotyposen des Theognost (TU 24, 3), Leipzig 1903, 7392.Harnack nennt Theognost einen Origenesschler striktester Observanz" (S. 92). Vgl.auch L. B. Radford, Three Teachers, 143.

  • Aufgaben der folgenden Untersuchung 25

    Doch andererseits fllt auf, da keiner von ihnen Bischof war, da viel-mehr die bischfliche Tradition Alexandriens sich distanziert, in einigenFllen sogar deutlich ablehnend gegenber Origenes und der sich auf ihnberufenden Tradition verhalten hat. Der Kleinasiate Methodius vonOlympus nimmt eine Zwischenstellung ein. Er hat seinerseits Kritik vonorigenistischer Seite erfahren mssen94.

    In Antiochien werden vielleicht schon seit Lukian, den man meist alsBegrnder der sogenannten ,Antiochenischen Schule' ansieht95 kritischeStimmen gegenber der Exegese des Origenes laut, wie die Schrift desEustathius ber die Hexe von Endor zeigt.

    Es sollten hier nur einige Punkte genannt werden, die deutlich machen,da der Origenismus nicht nur theologiegeschichtlich, sondern auchkirchengeschichtlich zu beachten ist. Eine Darstellung des Origenismus,die bisher fehlt, drfte diesen Gesichtspunkt nicht auer acht lassen. Hier-bei ergeben sich allerdings fr das 4. Jahrhundert besondere Probleme.Insbesondere die Auseinandersetzungen um Arius und den Arianismus,bei denen ebenfalls die kirchengeschichtliche und vor allem auch kirchen-politische Seite nicht bersehen werden darf, haben sich auch auf die Ent-wicklung des Origenismus ausgewirkt, so da spter Epiphanius Origenesals geistigen Vater des Arius und damit als eigentlichen Urheber desArianismus hinstellen konnte96, ein Vorwurf, der bis in die Gegenwart dietheologiegeschichtliche Debatte direkt oder indirekt belastet.

    D. AUFGABEN DER FOLGENDEN UNTERSUCHUNG

    Die grundstzliche Bedeutung des Dionysius fr das Verstndnis unddie Beurteilung des Origenismus vor allem im 3. Jahrhundert, aber auchdarber hinaus drften die vorangestellten berlegungen deutlichgemacht haben. Dionysius hat als Leiter der alexandrinischen ,Katecheten-schule' und spterer Bischof die Entwicklung der Kirche Alexandriens undgyptens nachhaltig beeinflut; und seine Einstellung zu Origenes und94

    Vgl. de cibis l, l (GCS 27 [1917] 427 Bonwetsch).95

    Dazu jetzt kritisch: M. Simonetti, L'origini deH'Arianesimo (o. S. 5 Anm. 22), 319f.96

    Es ist auffallend, da sich Epiphanius (insbesondere Pan. 64, vgl. aber auch Ancor.13, 54f., 62f.) nur wenig mit Schriften des Origenes selbst auseinandersetzt, sondernsich meist auf berlieferungen und Ansichten anderer ber Origenes beruft. Epiphaniuswar kein besonders schpferischer Theologe, sondern vertrat mit Hartnckigkeit undgroem Eifer, was er von anderen emsig zusammengetragen hatte und darum an-scheinend von einer relativ breiten Front vertreten wurde. Man sollte allerdings nichtausschlieen, da erst Epiphanius durch sein unablssiges Bemhen gegen Ende des 4. Jh.einen Groteil der antiorigenistischen Front geschaffen hat. Vgl. dazu: M. Villain, in:RechSR 27 (1937) 5-18; zu Epiphanius insgesamt: W. Schneemelcher, in: RAC V (1962)909-927.

  • 26 Einleitung

    dessen Theologie drfte fr die Kirche gyptens magebliche Bedeutunggehabt haben. Das Verhltnis zwischen Dionysius und Origenes ist dabeinicht nur theologiegeschichtlich zu untersuchen, sondern auch kirchen-geschichtlich; denn beide waren Zeitgenossen und mssen sich persnlichgekannt haben.

    Leider fehlen in den erhaltenen Schriften sowohl des Dionysius alsauch des Origenes direkte Zeugnisse, die das Verhltnis beider zueinandereindeutig bestimmen. Daraus allerdings auf eine freundschaftlich unpro-blematische Beziehung zwischen beiden zu schlieen, wre ebensovoreilig, wie umgekehrt dies als Zeichen der Feindschaft oder des gegen-seitigen Desinteresses auszulegen. Vielmehr ist es notwendig, das erhal-tene Quellenmaterial im einzelnen zu prfen. Die persnliche Begeg-nung zwischen Dionysius und Origenes fllt in die Zeit, in der Origenesals Lehrer in Alexandrien wirkte. Denn nach seinem Weggang istOrigenes soweit wir wissen nicht wieder nach Alexandrien zurck-gekehrt. Auerdem bernahm Dionysius bald darauf die Leitung der,Katechetenschule', war nun also selbst als Lehrer ttig. ber die Frhzeitdes Dionysius wissen wir nur wenig. Da aber in diesen Jahren Entschei-dungen fallen, die das Verhltnis zwischen der alexandrinischen Kircheund Origenes nachhaltig beeinflut haben, von denen auch Dionysius inirgendeiner Weise Kenntnis gehabt haben mu, ist es notwendig, dieEntwicklung der alexandrinischen Kirche in dieser Zeit in ihren Grund-zgen nachzuzeichnen. Das gilt ebenso fr die Anfnge der ,Katecheten-schule'. Denn erst auf diesem Hintergrund wird die weitere Entwicklungverstndlich.

    Im Mittelpunkt der weiteren Untersuchung steht Dionysius und seinVerhltnis zu Origenes; Probleme der Origenesforschung werden nurdort ausfhrlicher behandelt, wo dieses Verhltnis betroffen ist. Anderer-seits soll jedoch versucht werden, einen mglichst umfassenden Eindruckvon der vielfltigen Bedeutung des Dionysius fr die Kirchengeschichtedes 3. Jahrhunderts zu geben, die in der Forschung nicht selten unter-schtzt wird97. Schuld daran ist nicht allein, da Dionysius allzusehr imSchatten des Origenes gesehen wird, sondern auch die uerst fragmen-tarische berlieferung seines Werks. Hier ist die bereits im Jahre 1904erschienene und von Ch. L. Feltoe herausgegebene Sammlung der Frag-mente des Dionysius98 eine nach wie vor unentbehrliche Ausgabe. Dochwaren bereits bei der bersetzung der Texte99 Ergnzungen und Korrek-97

    So enthlt beispielsweise das Werk von H. v. Campenhausen, Kirchliches Amt undgeistliche Vollmacht, 19632, zwar ein ausfhrliches Kapitel ber Cyprian (292322) alsdem Reprsentanten der lateinischen Kirche im 3. Jh.; ein entsprechendes Kapitel berDionysius von Alexandrien fehlt. Fr den Osten erscheinen Origenes und die syrischeDidaskalia als Hauptquellen fr diese Zeit (262-291).

    98 , Cambridge 1904.

    99 Dionysius von Alexandrien. Das erhaltene Werk (BGL 2), Stuttgart 1972.

  • Aufgaben der folgenden Untersuchung 27

    turen gegenber der Ausgabe Feltoe's erforderlich. Darber hinaus abersind neue Texte zu bercksichtigen100 und weitere Korrekturen notwen-dig, so da eine Errterung der Quellenlage unumgnglich erscheint. Beider Untersuchung selbst sind nicht zuletzt auch jene Gesichtspunkte zubeachten, die R. Staats in seiner Besprechung des Ubersetzungsbandeszusammengestellt hat101, sofern diese nicht bereits in den voraufgegange-nen grundstzlichen berlegungen zum Thema bercksichtigt wordensind.

    Den Abschlu bilden ein berblick ber die weitere Entwicklung deralexandrinischen Kirche im 3. Jahrhundert sowie berlegungen zumVerhltnis von Origenismus und alexandrinischer Tradition.

    100 W. Bienen, in: Kleronomia 5 (1973) 310; M. v. Esbroek, in: Anal. Boll. 91 (1973) 464(aus armenischer berlieferung); frher bereits: F. C. Conybeare, The Patristic ,Testi-monia* of Timotheus Aelurus, in: JThS 15 (1914) 436442 (ebenfalls aus armenischerberlieferung).

    101 ZKG 86 (1975) 99.

  • II. DIE GRUNDLAGEN: QUELLEN UND ZEUGNISSE

    A. ALTKIRCHLICHE ZEUGNISSE BER DIONYSIUS

    Das lteste Zeugnis ber Dionysius ist im Schreiben der Synode von268 enthalten, die sich in Antiochien versammelt hatte, um die LehrenPauls von Samosata zu verurteilen. In diesem Schreiben, aus dem Euseb inseiner Kirchengeschichte ausf hrlich zitiert, hei t es1:

    -, - , ' ', - , , .F r unsere Betrachtung ist diese Notiz aus mehreren Gr nden wichtig.

    Zun chst zeigt sie das Ansehen und die Bedeutung des alexandrinischenBischofs und seiner Kirche in der Mitte des 3. Jahrhunderts. Neben Dio-nysius, dem Bischof von Rom, wird Maximus, der alexandrinischeBischof dieser Zeit, zuvor als Adressat des Synodalschreibens ausdr cklichhervorgehoben. Rom und Alexandrien erscheinen als gleichrangigeBischofssitze dieser Zeit. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, da dieKirche Alexandriens erst zu Beginn des 3. Jahrhunderts deutlicher in dasLicht der Geschichte ger ckt ist. Dabei ist es keine Frage, da Dionysiusvon Alexandrien ma geblich zu der weltweiten Bedeutung der alexandrini-schen Kirche beigetragen hat, wie die Untersuchung im einzelnen nochzeigen wird.

    Das Schreiben selbst weist Dionysius als theologische Autorit t seinerZeit aus, seine Rechtgl ubigkeit ist unbestritten, und sein Wort hat auchnach seinem Tode noch solches Gewicht, da man seinen Brief an dieantiochenische Gemeinde, in dem er sich mit den Lehren Pauls vonSamosata auseinandergesetzt hatte, dem Synodalschreiben beilegt2. Diesist um so bemerkenswerter, als die Rechtgl ubigkeit des Dionysius zuseinen Lebzeiten keineswegs immer und in allen Punkten unumstritten

    1 Eus. h. e. VII, 30, 3 (GCS 9, 2, S. 706, 11-17).

    2 Dieses Schreiben ist verlorengegangen. Die Tatsache jedoch, da Dionysius sich mitden Lehren Pauls von Samosata auseinandergesetzt hatte, bildete die Grundlage f rden vermutlich aus apollinaristischen Kreisen stammenden fingierten Briefwechseldes Dionysius mit dem Samosatener. Vgl. dazu u. S. 47ff.

  • Altkirchliche Zeugnisse ber Dionysius 29

    war. Bestimmte uerungen in der Trinittslehre mute er in einemausfhrlichen Brief an seinen rmischen Namensvetter rechtfertigen undMiverstndnisse ausrumen. Und spter sah sich Athanasius aus diesemGrunde noch einmal gentigt, die Rechtglubigkeit dieses Vorgngers aufdem alexandrinischen Bischofsstuhl nachdrcklich hervorzuheben, weil siedurch den arianischen Streit erneut ins Zwielicht geraten war3. Fr dieSynodalen des Jahres 268 aber stand die Rechtglubigkeit des Dionysiusauer Zweifel.

    Bemerkenswert ist schlielich, da Dionysius zusammen mit Firmilianvon Csarea in Kappadozien genannt wird, der in gleicher Weise dieNeuerungen Pauls von Samosata bekmpft hatte, auf dem Weg zur Synodejedoch gestorben war und deshalb an der letzten Zusammenkunft nichtmehr teilnehmen konnte. Firmilian aber war bekanntlich ein Freund undVerehrer des Origenes4 und viele der Teilnehmer der Synode von 268ebenso. Dies zeigt, da Dionysius unter den Anhngern des Origenesber den Tod hinaus Respekt und