pro asyl: flüchtlingspolitik

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TAG DES FLÜCHTLINGS 2013

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TAG DES FLÜCHTLINGS 2013

INHALT

3 Grußwort von Dr. Michael Lindenbauer, UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich, zum Tag des Flüchtlings 2013

4 Menschenrechte für Flüchtlinge Handlungsimpulse zur BundestagswahlGünter Burkhardt

8 Auf Abwehr gebürstet Die deutsche Visumspolitik in der SyrienkriseGünter Burkhardt

10 Gestrandet, entrechtet und im Stich gelassenSyrische Flüchtlinge an Europas GrenzenKarl Kopp

13 Folterkammer SinaiFlüchtlinge werden Opfer von GewaltverbrechenKarin Keil

14 Für eine solidarische Klimamigrationspolitik

16 Zwei Jahre in der WüsteFlüchtlinge im tunesischen ChouchaJudith Kopp

18 »Flüchtlinge sind willkommen und ein Teil unserer Stadt«Gespräch mit Hilde Scheidt, Bürgermeisterin von Aachen

20 Flüchtlinge in Italien – vermutlich sicher?Maria Bethke

22 Zahlen und Fakten 2012Dirk Morlok, Bernd Mesovic

27 Die Opfer: RomaDer Missbrauch des Asylrechts durch den BundesinnenministerBernd Mesovic

30 Politisch Verfolgte genießen Asylrecht20 Jahre Änderung des Grundrechts auf AsylGünter Burkhardt

32 Nie in die Opferrolle gefügtAcht Jahre nach der Abschiebung ist Gazale Salame wieder zuhause

34 Menschenrechtspreis 2013 der STIFTUNG PRO ASYLLuise und Gerjet Harms, Unterstützer von Gazale

35 Ende: gut!Kirchenasyl in Würzburg erfolgreichEva Peteler

36 Überhören war gesternProteste von FlüchtlingenDaniel Steinmaier

39 Auch Flüchtlinge haben eine MenschenwürdeNach dem Verfassungsgerichtsurteil zum AsylbLGBernd Mesovic

40 Rassistische Gewalt gegen FlüchtlingeAngelika Calmez

42 AbschiebungshaftTotale Institution in der LegitimationskriseMarei Pelzer

44 Das Richtige im FalschenGrandhotel CosmopolisAngelika Calmez

47 Adressen

49 Bestellformular

■ Das Drama will nicht enden. BlutigeKonflikte zwingen überall auf der

Welt Hunderttausende von Menschen,ihre Heimat zu erlassen. Ob im Nahen Osten, in Zentral- und Ostafrika oder inVorder- und Südostasien: Die Welt ist vol-ler Verzweifelter, Vertriebener, Verstoße-ner, die nach einer Zuflucht suchen vor religiös, politisch oder ethnisch motivier-ter Verfolgung und menschenverachten-der Gewalt.

UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guter-res lässt keine Gelegenheit verstreichen,um mahnend darauf hinzuweisen, welchungeheurem Aufgabendruck sich derzeithumanitäre Organisationen ausgesetzt sehen. Die neu aufgeflammten Brenn-punkte der letzten zwei Jahre, zusammenmit den Dauerkonflikten wie in Afghanis-tan, Somalia und dem Irak, haben UNHCRund andere an den Rand ihrer Möglichkei-ten und darüber hinaus gebracht.

Solidarität ist gefordert. Der Blick geht hierauch Richtung Europa. Niemand kann ver-kennen, dass auch auf diesem Kontinentderzeit gewaltige Probleme viele Millio-nen Existenzen schwer belasten. Diese Kri-se in all ihren Facetten ist das beherr-schende Dauerthema in der EuropäischenUnion. Ihre Bewältigung gilt als schicksal-haft für deren Zukunft.

In den Grundwertekanon der Europäi-schen Union gehören jedoch auch dieThemen Asyl und Flüchtlingsschutz imidentitätsstiftenden Sinne. Im Krisenjahr2013 wird der legislative Prozess zur EU-Asylharmonisierung aller Voraussichtnach bis auf Weiteres formal ab ge schlos -sen sein. Inwieweit damit aber auch in der Praxis von einem gemein samen euro -päischen Asylsystem gesprochen werdenkann, bleibt abzuwarten.

Entscheidendes Kriterium der Beurteilunghier kann dabei nur sein, ob in Zukunft dienotwendigen höheren Standards erreichtund vorhandene Schutzlücken gefülltwerden können.

Harmonisierung kann gerade auch ange-sichts der Realitäten nicht heißen, dass alles in jedem Mitgliedsland so bleibt, wiees ist. Veränderung tut Not. Offenheit istunabdingbar, um den Schutzgedankender Genfer Flüchtlingskonvention und dereuropäischen Menschenrechtstraditionim angestrebten gemeinsamen europäi-schen Asylsystem zur bestmöglichen Wirk-samkeit zu verhelfen.

Der Lackmustest steht nicht in ferner Zu-kunft an, sondern schon heute und jedenTag aufs Neue. Vor den Toren Europasspielt sich eine Flüchtlingstragödie unge-heuren Ausmaßes ab. Das im Bürgerkriegversunkene Syrien hat Millionen von Men-schen zur Flucht gezwungen. Die Nach-barländer haben Hunderttausende vonMenschen aufgenommen, wenige Zehn-tausend schafften es in den letzten zweiJahren nach Europa, oft als auf sich alleingestellte Asylbewerber. Wer in Deutsch-land oder beispielsweise in SchwedenAufnahme fand, konnte fest mit einem effektiven Rechtsschutz rechnen, anders-wo in der EU droht hingegen ein Lebenauf der Straße oder gar Haft.

»Flucht ist kein Verbrechen«, so das Mot-to des diesjährigen Tags des Flüchtlings.Die TV-Bilder, die fast täglich aus demkriegszerstörten Syrien in diesem Jahr zusehen waren, bergen deshalb auch einendringenden Schutz-Appell in sich. Schutz-suchende wie potentielle Straftäter zu be-handeln, ist nicht nur für die Betroffenenäußerst stigmatisierend, sondern erschüt-tert auch jenseits rechtlicher Erwägungenden moralisch fundierten gesellschafts-politischen Anspruch der Institution desAsyls.

Dass Deutschland in diesem Jahr 5.000 be-sonders schutzbedürftige syrische Flücht-linge aus der betroffenen Region vorüber-gehend aufnehmen will, ist ein eindrucks-volles Beispiel dafür, wie gesellschaftlicherKonsens für den Flüchtlingsschutz akti-viert und organisiert werden kann. Diesmacht Hoffnung, dass es bei entsprechen-

dem Willen durchaus Fortschritte im Be-reich des Flüchtlingsschutzes geben kann.

Eines der ganz wichtigen UNHCR -An -liegen an die Europäische Union und ihreMitgliedstaaten bezieht sich auf das soge-nannte Resettlement, also die Bereitstel-lung von Aufnahmeplätzen für Flüchtlin-ge aus Erstzufluchtsstaaten. Nur wenigmehr als 5.000 Flüchtlinge pro Jahr erhal-ten derzeit auf diesem Weg eine dauerhaf-te Perspektive in der Europäischen Union.Europa kann und muss hier mehr tun.

Allein Australien und Kanada nehmen je-der für sich mehr Flüchtlinge durch Resett-lement innerhalb eines Jahres auf. Nochbesser eignet sich jedoch wohl der Ver-gleich mit den USA: Dort gibt es – und diesauch in Krisenzeiten – Aufnahmeplätze für50.000 - 60.000 Flüchtlinge pro Jahr. Wa-rum sollte dies nicht auch in Europa mög-lich sein?

Dr. Michael LindenbauerVertreter des Hohen Flüchtlings -kommissars der Vereinten Nationen in Deutschland und Österreich

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Grußwort zum Tag des Flüchtlings

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Günter Burkhardt

■ Die Bundestagswahl am 22. Sep-tember 2013 und einige Landtags-

wahlen werfen ihre Schatten voraus: DieParteien bereiten sich auf den Wahlkampfvor, verkünden große Pläne und hehreZiele. An wohlfeilen Worten fehlt es danicht.

Politiker aller Parteien wollen weltweit fürdie Achtung der Menschenrechte eintre-ten. Bundesaußenminister Westerwelleformulierte im Deutschen Bundestag so-gar: Es gibt keinen Unterschied zwischendem Engagement für die Einhaltung derMenschenrechte im Ausland und derMenschenrechtspolitik im Inland. Einwichtiger Satz – aber von der Realität inDeutschland noch weit entfernt. Dies wis-

sen viele, die in der Flüchtlingsarbeit tätigsind – und die Politik? Manches hat sich inden letzten Jahren, vor allem im Zuge derFachkräftemangel-Debatte, getan. Für dieFlüchtlingsrechte bleibt dennoch viel zutun.

Abgeordnete, Kandidatinnen und Kan-didaten für die Parlamente werden sichin den kommenden Wochen und Mona-ten der öffentlichen Diskussion stellen.Jetzt sind wache Bürgerinnen und Bürger gefragt! Werden Sie aktiv, kon-frontieren Sie die Kandidatinnen undKandidaten aus Ihrem Wahlkreis mit aktuellen Fragestellungen und fragenSie, wie menschenrechtlich orientierteLösungen aussehen sollen. Themengibt es viele.

»WIR BRAUCHEN OFFENE TÜRENFÜR VERFOLGTE«

Dies formulierte niemand anderer alsDeutschlands höchster Repräsentant,Bundespräsident Gauck, zu Beginn diesesJahres. Die Realität sieht anders aus. DieGrenzen Europas sind abgeriegelt. Durchnationale Grenzpolizei, Frontex und denAusbau des Grenzsicherungssystems Eu -rosur soll die Abschottung noch weiterperfektioniert werden. Der Hauptflucht-weg für syrische, iranische oder afgha -nische Flüchtlinge nach Europa ver-läuft über die Türkei. Doch der Landweg nach Griechenland wird mit Grenzzäunen, Stacheldraht und High-Tech-Equipmentversperrt. Schutzsuchende müssen die ge-fährliche Route über das Meer nehmen.

Menschenrechte für Flüchtlinge!HANDLUNGSIMPULSE ZUR BUNDESTAGSWAHL

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Unsere Fragen: Warum sterben seit Jah-ren an Europas Grenzen tausende Men-schen, ohne dass die Politik Rettung orga-nisiert? Wie können Opfer von Menschen-rechtsverletzungen Europa erreichen? Wieist es mit den hehren Erklärungen, Flücht-linge schützen zu wollen, zu vereinbaren,dass diese Europa kaum noch auf legalemWege erreichen können?

AN EUROPAS GRENZEN

Und was geschieht, wenn Flüchtlinge dieGrenzstaaten der Europäischen Union er-reichen? Die europäische Asylzuständig-keitsverordnung zwingt sie, dort ihrenAsylantrag zu stellen und zu bleiben. DieVerantwortung für den Flüchtlingsschutzwird systematisch auf die Grenzstaatender Europäischen Union verlagert. Ein Bei-spiel: Eine Syrerin flieht mit Ehemann undKindern vor dem Bürgerkrieg nach Athen.Sie möchte nach Deutschland, wo ihre sieben Geschwister leben und arbeiten.Die Familie in Deutschland möchte ihreSchwester gern zu sich holen. Der Visum-antrag wird abgelehnt. Warum darf sienicht nach Deutschland, wo Verwandteauf sie warten, die bereit sind, sie aufzu-nehmen? Die menschenrechtswidrigenZustände in Staaten wie Griechenlandsind ins Bewusstsein von Öffentlichkeitund Politik gelangt. Die jährliche Verlän-gerung des Abschiebestopps – aktuell bisJanuar 2014 – hilft einigen, löst jedochnicht das Problem. Eine Neuausrichtungdes europäischen Asylrechts ist erforder-lich. PRO ASYL, Wohlfahrtsverbände, An-walts- und Richtervereinigungen fordern:Flüchtlinge sollen dort ihren Asylantragstellen, wo sie es möchten. Etwaige Un-gleichgewichte in Europa können durchFinanzzahlungen ausgeglichen werden.Dies erleichtert die Integration und ver-hindert illegale Weiterwanderungen.

»DAS RECHT IST DIE WAFFE DER SCHWACHEN«

Diesen programmatischen Satz formulier-te der frühere Bundespräsident JohannesRau. Das Recht, sich gegen falsche Ent-scheidungen von Behörden zu wehren, istin Europa ein verbrieftes Grundrecht. In

der Charta der Grundrechte ist es ebensofestgeschrieben wie im deutschen Grund-gesetz. Doch immer noch finden unange-kündigte Abschiebungen in andere euro-päische Staaten statt, ohne dass Gerichtedas Handeln der Behörden im Eilverfah-ren stoppen können. So sieht es das deut-sche Asylverfahrensgesetz (§ 34 a AsylvfG)vor. Am 21. Dezember 2011 stellte der Eu-ropäische Gerichtshof (EuGH) klar, dassAsylsuchende das Recht haben müssen,sich vor Gericht gegen Abschiebungen effektiv zu wehren.

Unsere Fragen: Warum ist das EuGH- Urteil in Deutschland noch immer nichtum gesetzt? Wann erhalten Flüchtlinge inDeutschland die Möglichkeit effektivenRechtschutzes gegen Abschiebungen?

VOM ABWEHRRECHT ZUM EINWANDERUNGSRECHT

Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsge-setzes vor annähernd 10 Jahren wurdendie damals getroffenen Entscheidungennicht mehr hinterfragt. Neue Aufenthalts-titel wurden geschaffen – und heute sehen wir das Ergebnis: Mehr als 100.000Menschen leben in Deutschland über sehrlange Zeiträume mit immer wieder nurbefristeten Aufenthaltserlaubnissen. DieHürden zum sicheren Daueraufenthalt(Niederlassungserlaubnis) sind zu hoch.

Bei vielen von ihnen ist per Gesetz aus ge -schlossen, Familienangehörige nachzie-hen zu lassen. Wer aufgrund von Arbeits-losigkeit oder Krankheit in die Sozial -leistungsabhängigkeit rutscht, droht denAufenthaltstitel zu verlieren. Die Gruppeder Menschen mit prekärem Aufenthalts-

Von einem Elend ins nächste: Ahmed aus Afghanistan

■ Ahmed ist zwölf Jahre alt, als er nach dem Tod seiner Eltern mit zwei Onkeln in den Irak flieht und sichdort jahrelang durchschlägt. Als die Situation auch dort unerträglich wird, fliehen sie über die Türkei nach

Griechenland. Doch statt der erhofften Hilfe erhalten sie nur ein Papier, das sie dazu auffordert, Griechenland innerhalb von vier Wochen zu verlassen. 45 Tage leben sie in Parks und auf der Straße, die Nächte verbringen sieoft in verlassenen Waggons am Bahnhof.

Mit einem kleinen Boot flüchten sie weiter nach Italien. Aber auch hier erhalten sie keinerlei staatliche Unter -stützung. Mal kommen sie bei Landsleuten unter, meist leben sie auf der Straße. Sie machen sich erneut auf denWeg, wollen zu Verwandten in Schweden. Als sie in Hamburg aufgegriffen werden, stellen sie einen Asylantragund werden in einem Lager in Nordrhein-Westfalen untergebracht. Dass Ahmed minderjährig ist, glauben ihmdie Behörden nicht. Am 17. Januar 2011 wird er »zuständigkeitshalber« nach Italien abgeschoben. Wieder lebter auf der Straße. Über Frankreich versucht er, nach Deutschland zurückzukehren, wird aber an der Grenze auf -gegriffen und umgehend ins Abschiebegefängnis in Rheinland-Pfalz gebracht. Am 18. April 2011 wird Ahmed erneut nach Italien abgeschoben. Augenzeugen berichten, er sei apathisch und verängstigt gewesen. Hier ver-liert sich seine Spur.

PRO ASYL, Interkultureller Rat und derDGB formulieren in 20 Kapiteln ihre Anforderungen an eine menschenrechts-konforme Migrations-, Integrations- undAsylpolitik, die sich von der bisherigen Abwehrpolitik abwendet.

■ Weitere Infos: www.proasyl.de

recht ist groß. Dass hier ein akuter Rege-lungsbedarf besteht, ist bislang nicht imBewusstsein von Politik und Öffentlich-keit. Spätestens nach fünf Jahren des Auf-enthalts sollten Menschen sicher sein kön-nen, dass sie für immer bleiben dürfen.Das Aufenthaltsgesetz muss von einemAbwehrrecht zu einem Einwanderungs-recht umgebaut werden.

Unsere Fragen: Treten Sie dafür ein, dassdas Aufenthaltsrecht von Menschen, dieseit Jahren mit befristeten Aufenthaltser-laubnissen in Deutschland leben, nichtmehr in Frage gestellt wird und sie eineNiederlassungserlaubnis erhalten? Wiekann es sein, dass Sozialhilfebezug auchnach Jahrzehnten des Aufenthalts einGrund zur Ausweisung ist? Wie lange müs-sen Menschen hier noch legal leben, umendgültig dazuzugehören? Ist es vertret-bar, dass Menschen über Jahre hinweg inDeutschland leben und ihnen das Rechtauf Familiennachzug per Gesetz verwei-gert wird?

WER LANGE HIER LEBT, MUSS BLEIBEN DÜRFEN

Die Initiativen von PRO ASYL, Kirchen, Ver-bänden und vor allem von Betroffenenselbst haben hier in den letzten Jahren zu

einem Umdenken geführt. Das Problemder Kettenduldungen wurde erkannt –aber nicht gelöst: Eine dauerhafte, stich-tagsunabhängige Bleiberechtsregelungmit erfüllbaren Bedingungen ist überfäl-lig. Im März 2013 haben die Bundesländersich im Bundesrat auf einen Entwurf ge-einigt, der in die richtige Richtung geht,doch eine Einigung vor Ende der Legisla-turperiode ist unwahrscheinlich. Für dieneue Bundesregierung wird eine wir-kungsvolle Bleiberechtsregelung eine derdrängendsten Aufgaben sein. Denn im-mer noch leben fast 50.000 Menschen seitJahren in Deutschland mit einer immerwieder kurz befristeten Duldung.

Unsere Frage: Treten Sie für eine stich-tagsunabhängige Bleiberechtsregelungmit humanitärem Charakter ein?

DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR

Das Grundgesetz schützt die Würde desMenschen – nicht die Würde des deut-schen Staatsbürgers. Komplizierter for -mulierte es das Verfassungsgericht: »DieMenschenwürde ist migrationspolitischnicht zu relativieren.« Flüchtlinge dürfennicht zum Zwecke der Abschreckung mitGesetzen und Maßnahmen konfrontiert

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Familie Gashi: Wann gehören sie endgültig dazu?

■ Imer Gashi ist 23 Jahre alt, als er mitseiner Frau Bedrije 1994 aus dem

Kosovo nach Deutschland flieht. Es dauert fünfJahre, bis die Gashis als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden, aber 2003 wird ihnen dasAufenthaltsrecht wegen der politischen Ent-wicklungen im Kosovo wieder entzogen. DieGashis werden nur noch geduldet. Trotz desunsicheren Aufenthaltsstatus bemüht sichImer um wirtschaftliche Unabhängigkeit: Erarbeitet als Übersetzer, Pförtner, Hausmeister,LKW-Fahrer, in der Autofertigung, als Toilet-tenaufsteller – unter oft schlechten Bedingun-gen bei einer Zeitarbeitsfirma.

»Ich hab’ mich für nichts geschämt«, sagt er.Mit zwei Jobs gleichzeitig reicht das Einkom-men für die inzwischen sechsköpfige Familie2008 gerade so für ein Aufenthaltsrecht nachder Bleiberechtsregelung aus. Im April 2011aber attestiert der Arzt Imer Gashi Arbeits un -fähigkeit – der erneute Verlust des Aufenthalts-rechts droht. Eine monatelange Zitterpartiefolgt, dann lässt Gashi sich »gesundschreiben«,trotz eines akuten Bandscheibenvorfalls. Mitstarken Tabletten und unter großen Schmer-zen übersteht er seine harte Arbeit in der Metallindustrie. Weil das Familieneinkommenso gesichert ist, wird die Aufenthaltsgenehmi-gung verlängert. Wieder vergehen Monate,zweimal muss Imer seine Arbeitsstelle wech-seln. Erneut treten Bandscheibenprobleme auf.Im Februar 2013 wird Gashi wieder arbeits-los. Aufgrund einer kleinen Flaute werde er momentan nicht gebraucht, erklärt der Chef.

Heute ist Imer Gashi 42 Jahre alt. »Ich hab’ michhier verbraucht«, sagt er. »Und ich habe Angst,dass ich eines Tages abgeschoben werde mitmeiner Familie.« Auch nach 18 Jahren inDeutschland kann Imer Gashi nicht sicher sein,dass er sein Aufenthaltsrecht behält.

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werden, die ihre Menschenwürde be -einträchtigen. Für PRO ASYL geht es nicht nur um das Asylbewerberleistungsgesetz. Dieses Gesetz gehört abgeschafft und mitihm alle anderen Abschreckungsmaßnah-men, die Flüchtlingen ein Leben in Würdeverunmöglichen, wie die Residenzpflicht,Arbeitsverbote und einiges mehr. Not wen - dig ist stattdessen eine strukturelle Ein -beziehung und Gleichbehandlung vonFlüchtlingen: Deutsch- und Integrations-kurse vom ersten Tag an, freie Wahl desAufenthaltsortes, uneingeschränkter Zu-gang zum Arbeitsmarkt, Durchsetzungder Kinderrechte, gleiche Chancen, wennes um Bildung und Ausbildung geht. DerHandlungsbedarf ist groß – das politischeBewusstsein meist noch gering. Meist ent-scheiden Innenpolitiker wichtige Flücht-lingsfragen, viele sind geleitet von ord-nungspolitischen Interessen.

Flüchtlingspolitik ist eine Querschnittsauf-gabe. Zentrale Herausforderungen be -stehen auch bei Themen wie der Bekämp-fung von Rassismus, dem Schutz von Opfern rassistischer Gewalt, der Verhinde -rung von monatelanger Inhaftierung vonFlüchtlingen, der vollständigen Umset-zung von Menschenrechtskonventionenwie der UN-Kinderrechtskonvention, derGewährleistung eines fairen Asylverfah-rens, einem großzügigen Aufnahmepro-

gramm für Flüchtlinge. PRO ASYL, der In-terkulturelle Rat in Deutschland und derDeutsche Gewerkschaftsbund veröffent -lichen deshalb gemeinsam Positionenund Forderungen zur Bundestagswahl2013.

Nutzen wir die Bundestagswahl alsChance. Konfrontieren wir Politikerin-nen und Politiker verschiedener Partei-en mit unseren Fragen. Wer weltweit fürdie Achtung der Menschenrechte ein-tritt, muss im eigenen Haus be ginnen.

Kranke Flüchtlinge: Wo bleibt ihre Menschenwürde?

■ Zur Achtung der Menschenwürde gehört eine Krankenversorgung nach allen Regeln der ärztlichen Kunst.Daran können die einschränkenden Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) eigent-

lich nichts ändern. In der Praxis führt das Gesetz jedoch dazu, dass Flüchtlinge die notwendige medizinische Versorgung zu spät, nur unzureichend oder gar nicht erhalten. So sieht der erschreckende Alltag aus:

■ Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus braucht ein Flüchtling im Wohnheim eine ambulante Nach-sorge seiner Wunden. Das Sozialamt will jedoch die Notwendigkeit häuslicher Krankenpflege zunächst durcheinen Amtsarzt prüfen lassen. Der Flüchtling bleibt solange unversorgt: Verbandswechsel und Thrombose -prophylaxe unterbleiben. Drei Tage vergehen, dringende Anrufe einer Sozialarbeiterin beim Sozialamt helfennicht weiter. Die Folge: Vor dem Wochenende muss der Betroffene als Notfall wieder ins Krankenhaus.

■ Für einen querschnittgelähmten Asylbewerber lässt das Sozialamt die Notwendigkeit eines Rollstuhles, von Inkontinenzhilfen und anderem zunächst vom Amtsarzt prüfen. Wochenlang kann sich der junge Mannnicht außer Haus begeben, Waschen und Duschen stellen große Probleme dar, ohne Hilfsmittel kommt es zum Einnässen.

■ Eine junge Frau leidet unter einer erheblichen Seh- und Hörbeeinträchtigung sowie einer schweren Traumatisierung. Sie kann sich nur schwer mit ihren Angehörigen verständigen. Den Antrag auf ärztlich verordnete Hörgeräte lehnt das Sozialamt ab.

(Quelle: Georg Classen, www.fluechtlingsrat-berlin.de )

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Günter Burkhardt

■ Syrien versinkt im Bürgerkrieg. Vorden Toren Europas spielen sich

ent setzliche Tragödien ab und ein Endeist nicht in Sicht. Über 70.000 Tote hat derKrieg bisher gekostet. Und was geschieht, wenn eine der Parteien militärisch siegt? Auch dies ist völlig offen. Selten folgennach Terrorherrschaften und Bürger krie -gen demokratische und stabile Struktu-ren.

Noch hoffen die Flüchtlinge in den Nach-barstaaten auf eine baldige Rückkehr.Über eine Million Menschen sind auf derFlucht. Hunderttausende haben Schutzgesucht in der Türkei, im Libanon, in Jordanien, im Irak, sogar in Staaten Nord-afrikas.

Die Bundesregierung, vertreten durch Ent-wicklungsminister Niebel, sagte groß -zügige finanzielle Hilfe zu und forderte inder Presse, die Grenzen der Nachbarstaa-ten müssten offen bleiben. Europa bekun-det also Solidarität, reagiert zunächst mitAppellen und Finanzzusagen. Wer aberdie Nachbarstaaten Syriens bewegen will,die Grenzen offen zu halten, muss selbstgroßzügig Flüchtlinge aufnehmen. ImMärz 2013 verkündete der Innenministerdie Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen imRahmen eines Kontingents. Das ist gut,

strukturell aber zu wenig. Gerade einmal23.500 syrische Flüchtlinge haben in derganzen EU im Jahr 2012 Asylanträge ge-stellt. In Deutschland waren es 6.201. DieChancen dieser Menschen auf eine Aner-kennung im Asylverfahren stehen extremgut, aber das Verfahren dauert viele Mo-nate. Selbst engste Angehörige haben indieser Zeit keine Möglichkeit, legal nachzu -kommen. Ein Familiennachzug zu einemAsylsuchenden ist in Deutschland recht-lich unmöglich. Europa wird unglaubwür-dig, wenn es für Menschenrechte undFlüchtlingsschutz eintritt, jedoch selbstseine Grenzen abriegelt.

Es sind Außenpolitiker verschiedener Frak-tionen, die die Debatte anstoßen und dieAufnahme von Flüchtlingen in Deutsch-land fordern. Die Integrations- und Flücht-lingsbeauftragte im Kanzleramt, FrauStaatsministerin Böhmer, formuliert be-reits Ende August 2012: »Zurecht machensich die in Deutschland lebenden Men-schen mit syrischen Verwandten großeSorgen um ihre Angehörigen. Hier istzwingend auch unbürokratische Hilfe notwendig. Syrische Familien in Deutsch-land sollen wissen: Wir lassen sie nicht allein.«

Tatsächlich ist das deutsche Aufent -haltsrecht auf Abwehr ausgerichtet, ein Paragraphendschungel engt humanitäre

Spielräume dramatisch ein. Flüchtlingebefinden sich in verzweifelter Lage, oftohne Chance, auf legalem Weg Deutsch-land zu erreichen.

AUFENTHALTSORT TÜRKEI

Mutter und Bruder einer in Deutschlandlebenden Syrerin sind nach Istanbul ge-flohen. Dort hoffen sie auf ein Besuchs -visum für Deutschland. Die Mutter warschon mehrfach zu Besuch in Deutsch-land, damals war noch kein Krieg in Syrien.Die deutschen Verwandten sind Ärzte, diefinanziellen Verhältnisse gut, alle Voraus-setzungen zur Erteilung eines Visums liegen vor. Aber die deutsche Botschaft in Istanbul lehnt das Visum ab: Es sei un -sicher, ob sie wieder in ihr Heimatland zu-rückkehrten. Die Bereitschaft zur Rückkehrsei aber die Voraussetzung, um ein Touris -tenvisum zu erhalten. Rechtlich mag diesin Ordnung sein – für die Betroffenen istdies in keiner Weise nachvollziehbar.

So geht es einer Vielzahl von Menschen:Syrische Staatsangehörige wollen vor -übergehend Bruder, Schwester, Eltern, andere Verwandte aufnehmen. Sie sindbereit, sie zu finanzieren, aber sie dür-fen nicht kommen. Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich: »Was wir nicht machen können, generell, ist zu sagen, jeder, der irgendeinen Verwandten in

Auf Abwehr gebürstetDIE DEUTSCHE VISUMSPOLITIK IN DER SYRIENKRISE

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Deutschland hat, kann kommen. Soweitwerden wir die Zuwanderungstatbestän-de nicht ausweiten.« (ARD-Magazin Pano-rama, 14.2.2013)

Die Folge dieser Politik: Die Menschen haben keine andere Chance, als sich in die Hände von Schleppern zu begeben.Die Wege sind gefährlich und riskant. DieLandgrenze ist geschlossen, der Flucht-weg verlagert sich für viele über die Türkei nach Griechenland.

BEISPIEL GRIECHENLAND

Im Oktober 2012 flieht der Syrer Y. aufhöchst gefährlichem Weg über die Türkeiauf die griechische Insel Lesbos. Dort wirder als illegaler Einwanderer festgenom-men und inhaftiert. Das ARD-Fernseh -magazin Panorama berichtet am 8. No-vember 2012. Sein Onkel im Rheinland,mit einer Deutschen verheiratet, will ihnaufnehmen. Doch für schutzsuchendeFlüchtlinge gibt es keinen legalen Wegvon Griechenland nach Deutschland.Nach der Dublinverordnung bleibt Grie-chenland für Y. zuständig. Ein Recht aufZusammenführung mit dem Onkel hat ernicht. Seine einzige Chance: Warten, bisneue Geldmittel aus Deutschland eintref-fen und dann auf gefahrvollen Wegen zu versuchen, Deutschland heimlich zu er-reichen.

BEISPIEL BULGARIEN

Frau S. und ihre vier Kinder sind christlich-syrische Flüchtlinge. Drei der Kinder sindbereits volljährig, aber behindert. Sie wol-len nach Deutschland, zur Schwester derFrau, werden aber in Bulgarien aufge -griffen. Nach der Dublin-Regelung ist Bul-garien zuständig, völlig ungeachtet derTatsache, dass die alleinstehende Frau mit behinderten Kindern dort kaum eineÜberlebenschance hat. Vergebens hattesie zuvor versucht, ein Touristenvisumnach Deutschland über die Deutsche Bot-schaft in Beirut zu erhalten. Die Schwes-ter in Deutschland ist zwar bereit, sie zuunterstützen – doch das reicht nicht. DerGrund für die Ablehnung: Sie konnte denNachweis über ausreichende Mittel zur

Bestreitung des Lebensunterhalts für dieDauer des beabsichtigten Aufenthaltsnicht erbringen.

Die Liste der Gründe, mit denen Visa ver-weigert werden können, ist lang. Einigewenige Lockerungen wie der Verzicht aufDeutschkenntnisse von Ehegatten vor derEinreise sind vorgenommen worden. Ins-gesamt folgen aber den Ankündigun-gen, Flüchtlingen helfen zu wollen, kaum Taten. Warum können die Deutschen Bot-schaften nicht einfach Visa erteilen, sodassMenschen nach Deutschland kommenkönnen?

Also bleibt im Wesentlichen nur der Weg,ein Touristen- oder Besuchsvisum zu be-antragen. Und hier sind die Voraussetzun-gen die Rückkehrbereitschaft und ausrei-chende finanzielle Mittel. In der öffentli-chen Diskussion entsteht Verständnis:Deutschland soll syrische Flüchtlinge auf-nehmen.

Der politische Druck nimmt zu. Die Nach-barstaaten Syriens appellieren an dieGlaubwürdigkeit Europas. Deutschlandzeigt sich gerne als Vorreiterin, wenn es um weltweite Menschenrechtsfragengeht. 5.000 Menschen sollen nun im Kon-tingent nach Deutschland kommen dür-fen. Für die Betroffenen ist es die Rettung.Es ist ein großer Schritt aus Sicht der In-nenpolitiker, ein kleiner nur zur Lösungder Flüchtlingskrise. In den Nachbarregio-nen Syriens sind hunderttausende aufge-nommen worden. Während des Kosovo-Kriegs wurden 20.000 Menschen nachDeutschland ausgeflogen, 150.000 habenin Deutschland Zuflucht gefunden.

Die Hürden bei der Aufnahme von Ver-wandten können durch ein Kontingentnicht beseitigt werden. Strukturell bleibtder Abwehrwall aus Paragraphen beste-hen. In Deutschland leben rund 40.000 Syrer, von denen viele bereit sind, Famili-enangehörige aufzunehmen. Ein begrenz-tes Kontingent hilft ihnen nicht weiter. Änderungen in der Visapolitik und den Visabestimmungen im Aufenthaltsgesetzsind erforderlich, damit Lösungen gefun-den werden können.

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Flüchtlingsaufnahme in der Europäischen Union: Memorandum für ein gerech-tes und solidarisches Systemder Verantwortlichkeit

■ Das Memorandum für ein gerechtes und solida -risches System der Verantwortlichkeit beleuchtet

die tiefgreifende Krise der europäischen Asylpolitik. Ur -sache ist das Dublin-System, das den EU-Staaten an denAußengrenzen die Verantwortung für die Asyl verfahrenzuweist. Diese werden überproportional be ansprucht undsind vielfach überfordert. Die Folge: Flüchtlinge werden in Ländern wie Griechenland, Italien, Ungarn und Malta zu Obdachlosen gemacht, erleben schlimmste Armut undÜbergriffe. Vielfach werden sie völkerrechtswidrig in -haftiert.

All dies führt zu gravierenden Menschenrechtsverletzun-gen. Das breite Bündnis von Diakonischem Werk Deutsch-land, Paritätischem Wohlfahrtsverband, dem Bundesver-band der Arbeiterwohlfahrt, Jesuiten Flüchtlingsdienst,Deutschem Anwaltverein, der Neuen Richtervereinigungund PRO ASYL fordert eine grundlegende Veränderung imUmgang mit Asylsuchenden in der EU. Flüchtlinge sollenselbst bestimmen können, in welchem Land der EU sie denAsylantrag stellen und ihr Asylverfahren durchlaufenmöchten. Kommt es nicht zu diesem Systemwechsel, wirdsich die asylpolitische Krise in der EU weiter verschärfen.

■ Das 32-seitige Memorandum ist bei PRO ASYL zu bestellen für 2 Euro pro Stück, ab einer Bestellung von 50 Exemplaren für 1,50 Euro pro Stück, jeweils zuzüglichVersandkosten. Alternativ steht es auf unserer Website zumDown load zur Verfügung.

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Karl Kopp

■ Immer mehr syrische Flüchtlingesterben an der EU-Außengrenze. Le-

diglich 28.000 Schutzsuchende aus demBürgerkriegsland schafften es in den letz-ten beiden Jahren, in die Europäische Uni-on zu gelangen. Oft werden sie dann mitanderen Flüchtlingen unter unmenschli-chen Bedingungen in Griechenland undBulgarien inhaftiert, 8.000 syrische Flücht-linge 2012 allein in Griechenland. Mit dembescheidenen Angebot des Bundesinnen-ministers vom 20. März 2013, 5.000 Flücht-linge aus Syrien aufzunehmen, ist wahr-lich kein flüchtlingspolitischer Frühlingausgebrochen, aber die deutsche und europäische Debatte akzentuiert sich neu.

Griechenlands Grenze sei »offen wie einScheunentor«, hatte Österreichs Innen -ministerin Johanna Mikl -Leitner im Früh-jahr 2012 gewettert. Ihr deutscher Amts-kollege Hans-Peter Friedrich drohte Griechenland mit der Wiedereinführunginnereuropäischer Grenzkontrollen, soll-ten weiterhin Flüchtlinge über Griechen-land in die EU gelangen. Der Druck zeig-te Wirkung: Die griechische Regierungentsandte 1.800 zusätzliche Polizeikräftean die griechisch-türkische Landgrenze.In Zusammenarbeit mit der europäischenGrenzagentur Frontex wurde die Grenzeabgeriegelt. Neue Haftlager für Flücht -linge wurden errichtet – vollfinanziert von der EU. Die Haftdauer wurde erhöht. Ein 10,4 Kilometer langer Sperrzaun wur-de im Dezember 2012 fertig gestellt. Diesist übrigens der einzige Beitrag zur Flücht-

lingsabwehr, an dem sich die EU nicht finanziell beteiligte.

Im Landesinnern wurde die Hatz aufFlüchtlinge eröffnet. Bei der Operation»Xenios Zeus« wurden allein zwischen An-fang August und Ende 2012 bei landes-weiten Polizeirazzien 90.000 Menschenkurzfristig festgenommen, 4.849 landetenin Abschiebungshaft. Zeitgleich eskalier-te die rassistische Gewalt in Athen und anderen Städten Griechenlands.

Frontex wertet die massive Aufrüstung ander türkisch-griechischen Landgrenze alsErfolg: Bereits in der ersten Woche derOperation »Xenios Zeus« im August 2012sei die Zahl der Grenzübertritte dort von2.000 auf 200 pro Woche gesunken. Waspassiert, ist in Wahrheit der Ausverkaufvon Menschenrechten: Grenze schließen,Inhaftierung, Polizeiwillkür und den Resterledigen die Schlägertrupps der faschis-tischen »Goldenen Morgenröte«.

Im Syrien-Krieg leisten die europäischen Staaten humanitäre Hilfe vor Ort und intonieren den Evergreen der europäischen Flüchtlingsabwehr: die Unterbringung der Schutzsuchenden in der Herkunftsregion. Deutsche Regierungsmitglieder appellieren an die Hauptaufnahmeländer: Haltet Eure Grenze offen. Aber an der eigenen Haustür macht Deutschland Druck und Europa dicht. Ein Blick in die Abgründe der EU-Grenzpolitik.

Gestrandet, entrechtet und im Stich gelassen

Syrische Flüchtlinge an Europas

Grenzen

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TOD UND ZURÜCKWEISUNGENIN DER ÄGÄIS 

Infolge der Abschottung der Landgrenzeversuchen Flüchtlinge aus Afghanistan,aus dem Irak, aus Somalia und zuneh-mend aus Syrien vermehrt über das Meerauf die griechischen Inseln zu fliehen. VonAugust bis Dezember 2012 griff die grie-chische Küstenwache über 1.500 Boot-flüchtlinge auf,  doch allein in den letztenMonaten starben über 150 Flüchtlingebeim Versuch, das rettende Ufer zu errei-chen. Schlaglichter dieser tödlichen Ab-schottungspolitik: Am 13. März überleb-te ein syrischer Flüchtling die Überfahrtauf die Insel Chios, neun Menschen star-ben. Am 11. März 2013 ging ein Boot mitFlüchtlingen unter – auf Lesbos wurdenLeichen von Männern, Frauen und Kin-dern angespült, 12 Flüchtlinge sind ver-misst. Am 13. Januar 2013 wurden aufChios die Leichen von drei Flüchtlingenangespült. Am 15. Dezember 2012 ken -terte ein Flüchtlingsboot vor Lesbos – 28 Menschen ertranken. Am 6. Septem-ber 2012 starben 63 Menschen vor Izmirbeim Versuch, nach Griechenland zu ge-langen – mehr als die Hälfte von ihnen waren Kinder. 

Nach Angaben des griechisch-türkischenNetzwerkes Kayiki kommt es immer wie-der zu illegalen Push-Back-Operationenauf See, bei denen die meist überfüll-ten Schlauchboote in türkische Gewässerzurückgetrieben werden. »Diese Opera -tionen werden in Zusammenarbeit von Armee, Frontex und Küstenwache durch-geführt«, so Kayiki am 18. Januar 2013. Das Risiko, dass die kleinen Flüchtlings-boote bei diesen menschenverachtendenAktionen in Seenot geraten, werde dabeibewusst in Kauf genommen.

DIE KOMMISSARIN IST BETROFFEN – FRONTEX HÄLT DIE MENSCHENRECHTE HOCH

Komotini / Oktober 2012: Die EU-Innen-kommissarin Cecilia Malmstroem besuchtdas Flüchtlingshaftlager im NordostenGriechenlands. Betroffen wie alle Besucherdieser Elendslager steht sie am Stachel-draht und spricht mit den inhaftierten

Flüchtlingen aus Syrien. Sichtlich bewegtspricht sie von dem traurigen Schicksalder aus dem Bürgerkrieg Entflohenen.Dann sagt Malmstroem noch, es sei im-mer noch schwierig mit dem Flüchtlings-schutz in Griechenland, aber es tue sichetwas. Die europäische GrenzagenturFrontex sei da, Europa liefere Expertiseund Technologie. Die Haftbedingungenwürden an manchen Stellen besser – mitHilfe von EU-Geldern.

Zum fortwährenden Skandal, dass Schutz-suchende im Gefängnis landen, gab esvon der EU-Innenkommissarin kein State-ment. Den tausenden inhaftierten Flücht-lingen in Griechenland nützt dieser hoch-karätige europäische Betroffenheitstou-rismus nichts. Sie wollen nur frei gelassenwerden und weg aus Griechenland – aberdas ist nicht im europäischen Angebot.

Warschau/Oktober 2012: Eine deutsch-polnische Delegation besucht das Fron-tex-Hauptquartier. Die Frontex-Gesprächs -partner sind stolz, dass die umstritteneAgentur jetzt eine »Grundrechtsstrategie«und sogar eine Menschenrechtsbeauf-tragte hat. Außerdem berät nun ein soge-nanntes »konsultatives Forum«, in dem»die besten Köpfe aus dem Flüchtlings-und Menschenrechtsbereich« in Europasitzen, die Agentur. In einem Verhaltens-kodex wird den Frontex-Beamten klar ge-macht, was die Dos und Don’ts sind im Grenzeinsatz: Respekt, Würde, keineDiskriminierung – und selbstverständlichkeine Drogen, keine Bestechung, keine sexuelle Belästigung. Kurzum: Frontex ist mit sich und den Menschenrechten imReinen.

Frage aus der Runde: Was wird passie-ren, wenn Frontex beim Einsatz in der grie -chischen Ägäis  feststellt, dass es zu Men -schenrechtsverletzungen kommt? DerFragesteller verweist auf die nicht vorhan -denen Aufnahmezentren, beispielsweiseauf der Insel Lesbos. Der zuständige Mannbei Frontex bekennt, dass ihm diese Pro-blematik bewusst sei. Ihm sei aber vonden griechischen Behörden versichertworden, dass eine neue Unterkunft bereitsin Betrieb sei.

FLÜCHTLINGSELEND AUF DEN INSELN

Chios und Lesbos / März 2013: Bis heutegibt es kein Aufnahmezentrum auf Les-bos. Flüchtlinge aus Syrien, aus Afghanis-tan und Somalia werden in Polizeistatio-nen inhaftiert – unter absolut unmensch-lichen Bedingungen. Flüchtlinge lebenansonsten mittel- und obdachlos in denöffentlichen Parks. Flüchtlingsinitiativenin Mytilini versuchen sie mit dem Nötigs-ten zu versorgen. Alles wird benötigt.

Am 24. Februar 2013 kamen auf Chios 51Flüchtlinge aus Syrien an. Lathra, die loka -le Flüchtlingsinitiative berichtet, dass dieGruppe, darunter zehn Kinder, über Tagein einer 35 qm großen Holzbaracke im Hafen festgehalten wurde. Am 6. März waren mehr als 60 Flüchtlinge – in derMehrheit aus Syrien – in dieser Baracke zu-sammengepfercht.

WO IST EUROPA?

Europa investiert gigantische Summen in die Abwehr und in neue Haftan stal -

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ten. Zeitgleich laufen Schutzsuchende, dieauf der Flucht alles verloren haben, barfuß durch Mytilini. Sie hungern und frieren. Dies ist Ausdruck einer heuchleri-schen, desaströsen Flüchtlingspolitik.Flüchtlingsfamilien bitten dort um ihre Inhaftierung, um sich und ihre Kinder ei-nen Moment vor der kalten Witterung zuschützen. Verlassen sie die Insel, sind sieFreiwild für den rassistischen Mob inAthen und der Gefahr der erneuten Inhaf-tierung ausgesetzt. Legale Weiterreise-möglichkeiten zu ihren Verwandten inEuropa gibt es nicht. Die immer wieder-kehrenden Bekenntnisse aus Berlin undBrüssel, die syrischen Flüchtlinge nicht imStich zu lassen, klingen dabei wie Hohn.

Und Frontex? Die Einheiten vor Ort ma-chen ihren Job, überwachen, helfen dieFlüchtlingsboote »abzuschrecken«, erfas-sen die lebend ankommenden Flüchtlingeund überlassen sie dann dem Elend, derObdachlosigkeit und der unmenschlichenInhaftierung. Die neue Frontex-Verordnung sieht vor, dass der Chef derAgentur den Einsatz beenden kann. Ist daseine Menschenrechtsverletzung, die denAbbruch rechtfertigt? Frontex-Chef Laiti-nen schweigt, Brüssel schweigt und bisjetzt auch das Konsultativforum.

Momentan gibt es nur einen Hoffnungs-schimmer und das sind die Flüchtlingsini-tiativen vor Ort. Sie zeigen Menschlichkeitund Solidarität. Auf Lesbos organisieren

sie Essen, Decken, Kleidung, Schuhe fürdie gestrandeten Flüchtlinge. In Mytiliniunterhalten sie eine selbstorganisierte Un-terkunft, menschenwürdige Aufnahmestatt Haft. Ihr Engagement steht für ein an-deres Europa. Dieses Europa entstehtnicht, indem wir viele Schnittchen in europäischen Gremien essen, sondern imtäglichen Kampf gegen das Sterben anden Grenzen und gegen das Wegsperrenvon Flüchtlingen. Dazu gehört auch, diezentrale Mitverantwortung der Festungs-bauer in Berlin und anderswo für diesenMenschenrechtsskandal zu benennen –vernehmbar und nachhaltig. Dies sind wir den gestrandeten, den entrechtetenFlüchtlingen und uns selbst schuldig.

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Europas Mauern werden fallen»Europas Mauern werden fallen« – das prophe zeit die Band Tocotronic auf ihremneuen Album »Wie wir leben wollen«. Passend dazu setzt sich Tocotronic mit PRO ASYL gegen die Abschottung Europas ein und für eine Politik, die FlüchtlingenSchutz bietet.

■ Die Slogans von Tocotronic haben sich in die Hirnwin-dungen einer ganzen Generation eingebrannt. Auch

wenn sie nie einfache politische Parolen waren, hat die Bandstets eindeutig klar gemacht, was sie von Nationalismus,Chauvinismus und Rassismus hält.

Als Tocotronic vor einigen Monaten auf PRO ASYL zukam, umanzubieten, Informationen von PRO ASYL unter ihren zahlrei-chen Fans zu streuen, war die Freude daher groß – und noch größer, als dieneue Platte »Wie wir leben wollen« erschien, die sogar ein kleines Plädoyer fürden Flüchtlingsschutz enthält: »Europas Mauern / Werden fallen / An dieAnemonen / Und Korallen / Wiederholte Differenzen / Für Asyle / OhneGrenzen« heißt es im Song »Neue Zonen«.

In einem Video-Interview mit PRO ASYL zeigt sich Tocotronic-Sänger Dirk vonLowtzow vor allem erschüttert über die Tatsache, wie wenig Empörung dasSterben von Flüchtlingen an Europas Außengrenzen hervorruft. »Da ist wirk-

lich ein Brainwash gelungen, der es von den Men-schen fernhält, dass tagtäglich Menschen an denGrenzen Europas sterben. Diese Menschenlebenscheinen den Leuten nicht so viel zu bedeuten. Dasist ungemein grauenhaft.«

Als beim Konzert in Frankfurt / Offenbach die Vorband zu Ende gespielt hat unddas Licht für den Auftritt von Tocotronic ausgeht und das Publikum ganz stillund aufmerksam wird, projiziert Tocotronic Bilder von gestrandeten, toten undeingesperrten Flüchtlingen auf die Rückseite der Bühne, mit denen PRO ASYLauf das Sterben an Europas Grenzen hinweist. Das Publikum ist überrascht –und applaudiert. »No Border, No Nation, Stop Deportation«, rufen Tocotronic-Fans in die Halle. Auf ihrer gesamten »Wie wir leben wollen«-Tour macht dieBand mit Informationsmaterial von PRO ASYL auf die Abschottungspolitik derEuropäischen Union und ihre tödlichen Konsequenzen aufmerksam. »Je weni-ger dieses Thema in den Medien beachtet wird und damit die Toten nicht be -achtet werden, desto wichtiger ist, dass dieses Thema nicht unter den Teppichgekehrt wird«, sagt Tocotronic – und trägt selbst mit jedem Konzert etwas gegen das Verdrängen bei.

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Karin Keil

■Mit den Tumulten des arabischenUmbruchs änderten sich die Migra-

tionsrouten Geflüchteter aus Ländern der Subsahara. Kriminelle Organisationen,die de facto die Kontrolle im Sinai über-nommen hatten, begannen, Flüchtlingeüber die Halbinsel nach Israel zu schleu-sen. Nebst regem Drogen- und Waffen-schmuggel ist das Handeln mit der WareMensch auf der Halbinsel ein lukrativesneues Geschäft geworden, auf das dieägyptische Regierung mit Gleichgültig-keit reagiert. Flüchtlinge werden unter falschen Versprechungen in den Sinai ge-lockt und in Camps gefangen gehalten.Seit einem Jahr finden darüber hinaus re-gelmäßig Entführungen statt: Menschenwerden aus Flüchtlingscamps im Sudanentführt und über mehrere Zwischen-händler bis in den Sinai verkauft. Eine Um-frage der Hotline for Migrant Workers un-ter den Betroffenen vom November 2012ergab, dass 63 % der Menschen niemalsvorhatten zu emigrieren.

Bei den Opfern handelt es sich vor allemum Flüchtlinge aus Eritrea, wenige ausdem Sudan und einzelne aus Äthiopien.Sie werden brutalster Folter ausgesetzt:Dem Verabreichen von Elektroschocks,Brandmarken mit heißen Eisenstangenoder geschmolzenem Plastik, heftigs-ten Schlägen mit Gegenständen, Aufhän-gen an den Beinen, Verweigerung vonNahrung und Wasser, täglich kommt es zu Massenvergewaltigungen. Auch vor(Klein-)Kindern machen die Folterknech-te nicht Halt, Minderjährige werden selbstOpfer und Zeugen der Gewaltverbrechenan ihren Eltern.

Die Peiniger zwingen ihre Opfer Verwand-te anzurufen, während sie gefoltert odersexuell missbraucht werden, oder ande-ren Formen von Gewalt ausgesetzt sind.Die flehenden Bitten und Schmerzens-schreie ihrer Geliebten sollen die Familiedazu nötigen, das verlangte Lösegeld zuzahlen. Diese verkauft Hab und Gut, nimmtSchulden auf und bittet zum Beispiel dieeritreische Diaspora, die weltweit sehr gutvernetzt ist, um Hilfe. Indirekt trägt sowohldas Erfüllen der Forderungen als auch dieMassenflucht aus der Diktatur Eritrea zumflorierenden Handel dieser menschlichenWare bei.

Von der Hotline for Migrant Workers durch-geführte Befragungen zeigen, dass in denletzten zwei Jahren an die 7.000 in Israelbefindliche Flüchtlinge Opfer von Folteroder unmenschlicher oder erniedrigen-der Behandlung wurden. Menschenrechts-aktivistInnen, die in ständigem Telefon-kontakt mit den Entführten stehen, be-richten von zirka 200 Menschen, die sichständig in den Camps der Menschenhänd-ler befinden. Die Lösegeldforderung proFlüchtling beträgt in der Regel 30.000 US-Dollar, vereinzelt wurden Summen bis zu60.000 US-Dollar verlangt. Die Opfer wer-den im Durchschnitt mehrere Monate, inEinzelfällen länger als ein Jahr, gefangengehalten, bis die erpresste Summe letzt-endlich überwiesen wird. Viele überlebendie Folterkammern nicht, sie sterben anden Folgen der Misshandlungen oder fal-len einer illegalen Organentnahme zumOpfer. Nach Recherchen der Aktivistin Meron Estefanos werden seit 2006 insge-samt an die 4.000 dokumentierte Perso-nen vermisst. Sie geht davon aus, dass einerheblicher Teil der Vermissten von den

ägyptischen Grenzbehörden erschossenwurde, in der ägyptischen Abschiebungs-haft starb oder nach der Abschiebung inEritrea ermordet wurde.

Die Hotline for Migrant Workers verfügtdurch die Auswertung unzähliger Zeu-genaussagen über eine ständig wachsen-de Liste von Namen und wechselnden Telefonnummern der Täter sowie über die genauen Standorte dieser Folterlager.Obwohl diese Daten an die israelischenBehörden und, laut deren Aussagen, an Interpol weitergeleitet wurden, kam es lediglich zu ersten zwar begrüßenswer-ten Verurteilungen von Kollaborateuren– von Leuten, die in Israel Lösegeld einho-len und in den Sinai weiterleiten. Die Fol-terknechte auf dem Sinai bleiben jedochweiterhin ungestraft.

Nur diejenigen, die von Martyrium undHunger so gezeichnet sind, dass selbst israelische Grenzsoldaten aus Mitleid Ein-lass gewähren, schaffen es noch über dieGrenze nach Israel, wie jüngst ein jungerMann, der als Folge der Folter beide Hän-de verlor. Andere, nicht gleich als solcheerkennbare Folterüberlebende werden direkt an der Grenze den ägyptischen Be-hörden übergeben – ein Akt, der gegengrundsätzliche Prinzipien des internatio-nalen Rechts verstößt. In beiden Ländern,Israel wie Ägypten, wartet langandauern-de Abschiebungshaft auf die Flüchtlinge,mit sehr eingeschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung und rechtlicherVertretung.

Seit mehr als zwei Jahren dokumentiert die israelische Nichtregierungs organisation Hotline for Migrant Workers auf der ägyptischen Halbinsel Sinai eines der laut UNHCR-Chef

Guterres »größten zur Zeit stattfindenden Gewaltverbrechen gegen Flüchtlinge«. Mit brutaler Gewalt werden im großen Stil Flüchtlinge entführt

und gefoltert, um Lösegelder zu erpressen.

Folterkammer Sinai

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■ Bereits heute müssen MillionenMenschen ihre Siedlungsgebie -

te  wegen Umweltschäden infolge des Klimawandels dauerhaft verlassen. Wer-den die Klimaschutzziele verfehlt, wirdihre Zahl beträchtlich zunehmen. Dochein internationaler Schutzmechanismusfür die Betroffenen fehlt. Wissenschaft und Politik haben bis heute noch keineverbindliche Definition dafür gefunden,wann Flüchtlinge »Klimaflüchtlinge« sind.Gleichzeitig mangelt es an globalen Hand-lungsstrategien, die die betroffenen Län-der dazu befähigen würden, die ökologi-schen Folgen des Klimawandels zu be-grenzen, Lebensgrundlagen zu erhaltenund nicht zuletzt die Folgen der klimabe-dingten Migration – in der Regel findet sie

vom Land in die Elendsviertel der Städtestatt – aufzufangen. Es ist insbesonderedie Wirtschaftspolitik der im globalenMaßstab reichen Länder, die die Länderdes globalen Südens in Armut fesselt, dieBevölkerung dadurch besonders ver-wundbar gegenüber den Folgen des Kli-mawandels macht und aktuelle Flucht-und Migrationsdynamiken auslöst. Der Klimawandel ist in den seltensten FällenAlleinursache. Konzepte für eine nachhal-tige Entwicklung dürfen sich daher nichtauf technologische Hilfen wie Bewässe-rungssysteme beschränken, sondern müs-sen insgesamt auf die Stärkung der Län-der des globalen Südens abzielen. Völ -kerrechtliche Konventionen müssen dasPrinzip der differenzierten Verantwortung

nach der Leistungsfähigkeit einzelnerStaaten berücksichtigen und auf die Wah-rung der wirtschaftlichen, kulturellen undsozialen Menschenrechte und auf Vorsor-ge ausgerichtet sein. Dies beginnt mit einem ambitionierten Klimaschutz der Industrie- und Schwellenländer. Aspekte einer solidarischen Klimapolitik sowieÜberlegungen zur Verortung eines inter-nationalen Schutzschirms für Klimaflücht-linge präsentieren amnesty international,Brot für die Welt, DGVN, Germanwatch,medico international, Oxfam und PROASYL in ihrem Debattenbeitrag. Von denVerursacherstaaten fordern sie, Migrationals Anpassungsstrategie anzuerkennen,statt Bedrohungsszenarien aufzubauen.Eine Politik, die Flüchtlinge bislang eherillegalisiert, anstatt Fluchtursachen zu bekämpfen, kann den humanitären undmenschenrechtlichen Herausforderungendes Klimawandels keinesfalls gerecht werden.

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Die von amnesty international, Brot für die Welt, DGVN, German-watch, medico international, Oxfam und PRO ASYL gemeinsam herausgegebene Broschüre »Auf der Flucht vor dem Klima« (2013, Din A5, 75 Seiten) kann auf der Website von PRO ASYL kosten-frei heruntergeladen oder für 2 Euro bei uns bestellt werden.

Für eine solidarische Klimamigrationspolitik Dürren, Überschwemmungen, Unwetter, Anstieg des Meeres-spiegels: Klima bedingte Flucht und Migration ist eine der größten menschenrechtlichen und humanitären Herausforderungen für die internationale Staatengemeinschaft. Sieben Organisationen haben diese Herausforderungen in dem gemeinsamen Debatten-beitrag »Auf der Flucht vor dem Klima« skizziert. Trotz vieler Probleme bieten schon heute bestehende völkerrechtliche Verträge durchaus Ansätze zu einer nachhaltigen Entwicklung zwischen Risiko minimierung und humanitärer Hilfe.

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… WEITERE FILME

Wadim (Dokumentarfilm von Carsten Rauund Hauke Wendler, 90 min, 2011)

Mit 18 Jahren wird der in Deutschland aufgewach-sene Sohn von russischstämmigen Letten alleinenach Riga abgeschoben, sucht über 5 Jahre lang einneues Zuhause für sich und nimmt sich schließlichbei seinem letzten, illegalen Besuch in seiner ge-fühlten Heimat Hamburg im Alter von 23 Jahrendas Leben. Eine breit recherchierte, bewegende Dokumentation.

■ Für öffentliche und kommerzielle Nutzung: Doris Bandhold Filmpromotion, Kai Reichel-HeldtTelefon: (+49) 040 - 300 33 701 [email protected] ■ Für privaten Gebrauch: Katholisches Filmwerk, Slavica Ferincevic Telefon: (+49) 069 - 97 14 36 [email protected]

Ein Augenblick Freiheit (Spielfilm von Arash T. Riahi, 110min, 2008)

Die Wege dreier iranischer/kurdischer Flüchtlings-gruppen kreuzen sich in einem heruntergekom -menen Hotel in der Türkei, wo sie stranden mit derHoffnung auf positive Asylbescheide und eine Wei-terwanderung. Der Film erzählt die Fluchthinter-gründe, Zukunftsvorstellungen, praktischen Erfol-ge und seelischen Fesseln von sehr unterschied -lichen Menschen in einer Schicksalsgemeinschaft.Tragisch, komisch, liebenswert.

■ Auf DVD zu beziehen über große bekannte Onlinevertriebe.

Illegal (Spielfilm von Olivier Masset-Depasse, 90min, 2010)

Über mehrere Jahre gelingt es Tania und ihremSohn mit Hilfe gefälschter Papiere ein weitgehend»normales« Leben zu führen. Als sie plötzlich auf-fliegen, kommt die Mutter in Abschiebungshaft,wo sie schwere körperliche und psychische Verlet-zungen erleidet. In letzter Minute gelingt es ihr,eine Abschiebung zu vereiteln.

■ DVD mit Hintergrundmaterial. Bezug überBundesverband Jugend und Film e.V.(www.bjf.info). Leihgebühr für öffentliche Vorführungen: ca. 75 €.

»Recolonize Cologne« (Spielfilm von Kanak TV, 43 min, 2005)

Ado ist ein Flüchtlingsaktivist in Deutschland. Heu-te ist der Kameruner mit der Sonnenbrille und demTuch um die Hüften als ein Kaiser aus der ehema-ligen deutschen Kolonie wieder auferstanden. Mit-ten in der Kölner Innenstadt ruft er vor den Augenerstaunter Passanten ein Stück Pflaster zur »Repu-blik Multitude« aus und verteilt globale Pässe. Dieprovokante Aktion des inzwischen aufgelösten,migrantischen Netzwerks »Kanak TV« umrahmtdessen Film »Recolognize Cologne« (2005), der ver-blüffende Parallelen zwischen den rassistischen Instrumenten der Kolonialpolitik und den heutigenSondergesetzen für Asylsuchende wie der Resi -denzpflicht aufdeckt. Die von Kanak TV geleisteteRecherche historischer Verträge und Fotos, interes -sante Interviewpartner und nicht zuletzt die Trick-filmsequenzen mit »schwarzen« und »weißen«Playmobilfiguren bieten reichlich Diskussionsstoffzu den aktuellen Themen Rassismus gegen Flücht-linge und Flüchtlingsproteste.

■ Bestelladresse: [email protected] Preis: 20 €.

Hier sind drei der Preisträger des Jahres2012. Die Filme können auch für Diskussio-nen und Veranstaltungen zur Flüchtlings -politik bestellt werden.

■ Der Deutsche Menschenrechtsfilmpreiswird seit 1998 im zweijährigen Rhyth-

mus in fünf unterschiedlichen Kategorien ver-liehen. Er soll Filmemacherinnen und Filme-macher dazu ermutigen, gleichermaßen dieVerletzungen von Menschenrechten wie posi-tive Beispiele des Menschenrechtsschutzes zuthematisieren. Zum Kreis der Veranstalter ge-hört auch PRO ASYL.

■ Weitere Informationen unter:www.menschenrechts-filmpreis.de

Rausch (Verena Jahnke, 2012, 20 min)

In dem Kurzspielfilm wird ein vermeintlicher Drogendealer von zwei Zivilfahndern festgenommenund stirbt in Anwesenheit der Beweissicherungsärztin während eines Brechmitteleinsatzes. Die Beteiligten weisen sämtliche Verantwortung von sich.

■ Vertrieb über [email protected], Leihgebühr für Vorführungen 40 €. Stichwort »PRO ASYL«bitte angeben. Kaufpreis für Einzelpersonen 15 €.

Bon Voyage (Fabio Friedli, 2012, 6 min)

Der gezeichnete Trickfilm bedient sich auch der Komik und macht die dramatischen Erlebnisse vonMigranten auf ihrer lebensbedrohlichen Reise nach Europa durch Überzeichnungen spürbar.

■ DVD mit Arbeitsmaterialien. Vertrieb über den Medienshop von www.emzbayern.de, Artikelnummer DVO1987, Kaufpreis 19,95 €.

Syrien – Zwischen Verzweiflung und Hoffnung(Tim Hartelt, 2012, 30 min)

In der Reportage kommen in Deutschland lebende Exil-Syrer zu Wort, ihre Ängste, Zielvorstellungenund Hoffnungen und manchmal ganz leise auch ihr Ärger in Bezug auf die syrische Revolution.

■ Enthalten auf der DVD »Deutscher Menschenrechts-Filmpreis 2012 – Amateurproduktionen«.Vertrieb über den Medienshop von www.emzbayern.de, Artikelnummer DVO1986, Kaufpreis 5 €.

Menschenrechts-Filmpreis 2012

Judith Kopp

■ Knapp eine Million Menschen flohnach der Erhebung der LibyerInnen

gegen den langjährigen Diktator Muam-mar al Gaddafi im Februar 2011 und demdarauf folgenden Krieg aus dem Land. Allein in Tunesien fanden rund 800.000Schutzsuchende Aufnahme und wurdengroßzügig von der lokalen, selber sehr

armen Bevölkerung im Süden des Landesversorgt. Erst Ende Februar 2011 wurdenvier große Lager entlang der tunesisch- libyschen Grenze in der Wüste errichtet,deren Leitung das UN-Hochkommissariatfür Flüchtlinge (UNHCR) übernahm. EinGroßteil der Flüchtlinge kam kurz nachAusbruch des Krieges im Lager Chouchaunter. Von anfangs knapp 20.000 Flücht-lingen blieben nach Abschiebungen undsogenannten »freiwilligen Rückkehrope-rationen«, die unter anderem von der International Organization for Migration(IOM) durchgeführt wurden, rund 4.000Menschen in Choucha zurück. Aufgrundder verzweifelten Situation im Lager ris-kierten manche immer wieder die gefähr-liche Überfahrt nach Europa.

Die verbleibenden Flüchtlinge in den Lagern stammten aus Somalia, Eritrea, Sudan, Elfenbeinküste – Länder, in denenihnen Verfolgung droht. Die meisten vonihnen wurden von UNHCR als Flüchtlingeanerkannt, jedoch nicht alle. Im Dezem-ber 2012 befanden sich nach wie vor rund1.400 Flüchtlinge in Choucha, darunter1.130 anerkannte Flüchtlinge, 35 Asylsu-chende und 210 abgelehnte Asylsuchen-de. Im März 2013 lag die Zahl der Flücht-

linge in Choucha immer noch über 1.300aus 13 unterschiedlichen Ländern. Erstrund 2.500 hatten über das Resettlement-Programm das Lager verlassen können. In Europa rangen sich sehr zögerlich 14 Staaten dazu durch, insgesamt rund 1.000Flüchtlingen einen Resettlementplatz an-zubieten: eine triste Bilanz. Durch denselbst organisierten Protest der Flücht -linge in Choucha, solidarische Aktionen in Tunesien und Apelle zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland wurdeschlussendlich ganzen 201 Menschen ausdem Lager ein Aufnahmeplatz in Deutsch-land gewährt.

Insbesondere die abgelehnten Schutz -suchenden sahen sich zunehmend in einer ausweglosen Situation. Die Flücht-linge organisierten sich jedoch, protestie-ren und verlangen unter anderem die erneute Prüfung ihrer Asylanträge, da inden Verfahren offensichtlich gravieren-de Fehler gemacht worden sind. Flücht-linge berichteten beispielsweise davon,ohne adäquate Übersetzung durch aus -gebil dete Dolmetscher befragt worden zusein. Seit November 2012 wird den abge-lehnten Schutzsuchenden sogar der Zu-gang zu Lebensmitteln und medizinischer

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Proteste von Flüchtlingen am Weltsozialforum in Tunis, März 2013

Während infolge der Revolutionen in Nordafrika 2011 die Ankunft von 60.000Bootsflüchtlingen an italienischen Küstenals Notstandssituation galt, boten dieNachbarländer Libyens hunderttausendenvon libyschen Kriegsflüchtlingen Schutz.Europa blockierte nicht nur die zentraleFlucht route über das Mittelmeer, was zuzahlreichen Todesfällen führte, sondern ließ auch die Länder in Nordafrika mit derFlüchtlingsaufnahme allein. Nach zwei Jahren harren immer noch hunderteFlüchtlinge in der tunesischen Wüste ausund fordern Schutz.

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Ver sorgung versagt, was die Lage für sieunerträglich macht. Nach ersten Protest-aktionen in Tunis Ende Januar 2013 zogeine Gruppe von Flüchtlingen Ende Feb-ruar aus Protest vor das Büro von UNHCRin Zarzis.

Nach dem Sturz Ben Alis wurde in Tune-sien ein Reformprozess eingeleitet, der zueinem besseren Schutz der Rechte vonFlüchtlingen und Migranten führen soll-te. Teil davon ist die Ausarbeitung einesAsylgesetzes in enger Zusammen arbeitmit UNHCR. Europas Interesse an einemfunktionierenden Flüchtlingsschutz istnicht nur humanitärer Art: Ein Asylschutzin Tunesien – so die Hoffnungen der EU –könnte eine Weiterreise von Flüchtlingen

nach Europa unnötig machen. Mit dem Instrument Regionaler Schutzprogramme(RPPs) versucht die EU, Flüchtlingskrisenjenseits des europäischen Territoriums zu»managen«, indem in den verschiedenenLändern Kapazitätsaufbau im Bereich Asylgeleistet wird. Im Dezember 2011 lancier-te die Kommission ein solches Programmin Nordafrika, für das 3,6 Millionen Eurobereitgestellt wurden.

Für die in Choucha verbleibenden Men-schen bleibt die Frage, was aus ihnen wer-den soll. Viele haben mehrfach traumati-sche Fluchterfahrungen gemacht, habenin Hoffnung auf ein besseres und sicheresLeben ihre Herkunftsländer verlassen, sindin Libyen vor dem Krieg  geflohen und ha-

ben nun zwei Jahre unter dramatischenBedingungen in der tunesischen Wüsteausgeharrt. Eine Zeit, die manche Flücht-linge im Rückblick als »Hölle« beschreiben.Das Versagen Europas hat dazu beigetra-gen, dass tausende Schutzsuchende in derWüste blieben oder sich auf den riskantenund oft tödlich endenden Weg über dasMittelmeer Richtung Europa begaben.Das Lager Choucha soll im Juni 2013 ge-schlossen werden. Es bleibt also noch Zeit,um eine humanitäre Lösung für alle dortverbliebenen Schutzsuchenden zu finden.Die Solidarität Europas und anderer Dritt-staaten ist gefragt.

14. Mai Bielefeld +++ 15. Mai Bielefeld +++ 17. Mai Kiel20. Mai Passau +++ 22. Mai Augsburg +++ 24. Mai Regensburg31. Mai Bochum +++ 01. Jun Bochum Stadion +++ 07. Jun Hannover

11. Jun München 14. Jun Heilbronn +++ 15. Jun Gräfenhainichen21. Jun Bocholt +++ 22. Jun St. Wendel/Bosen23. Jun St. Wendel/Bosen +++ 29. Jun Köln +++ 13. Jul Freiburg20. Jul Schweinfurt +++ 09. Aug Berlin +++ 22. Aug Dresden23. Aug Dresden +++ 24. Aug Neu-Ulm +++ 28. Aug Rostock29. Aug Hamburg +++ 31. Aug Minden +++ 06. Sep Bayreuth

07. Sep Mannheim +++ 11. Okt Düsseldorf +++ 12. Okt Düsseldorf

PRO ASYL auf Tour mit den Toten Hosen Die Toten Hosen setzen ein Zeichen gegenRassismus und die europäische Abschot-tungspolitik und für die Rechte von Asyl -suchenden und Flüchtlingen, zuletzt mit ihrem Song »Europa« über das Sterben anden Grenzen. Durch die rassistischen Über-griffe von Rostock-Lichtenhagen für dieFlüchtlingsthematik sensibilisiert, unter-stützen Die Toten Hosen bereits seit überzehn Jahren PRO ASYL.

Schon die erste Hälfte der »Der Krach der Republik«-Tour haben wir mit Infostand,Flyern und Unterschriftenlisten gegen dasSterben an Europas Außengrenzen beglei-tet. Nun steht die zweite Tourhälfte an undwieder werden wir mit Hilfe engagierter lokaler Aktivistinnen und Aktivisten Info-material verteilen, diskutieren und Unter-schriften sammeln. Wir freuen uns schon,euch dort zu sehen.

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Frau Scheidt, was macht Aachen eigent-lich so flüchtlingsfreundlich?

Aachen liegt im Dreiländereck zwischenHolland und Belgien, diese Lage und dielange Geschichte der Grenzregion hat dieMenschen geprägt. Grenzen zu über-schreiten ist ein Stück Alltag. Schon im-mer haben hier auch die Schicksale vonMenschen auf der Flucht eine große Rol-le gespielt. In der furchtbaren Zeit desNazi-Regimes konnten viele Menschen -leben durch mutige Fluchthelfer gerettetwerden. Diese Erinnerung ist lebendigund durch viele Projekte an der Grenzespürbar. Deshalb sind die BewohnerInnendieser Grenzregion mit ihrer wechselvol-len Geschichte besonders gefordert, auf-merksam und tolerant zu sein.

Der Ratsbeschluss zur Aufnahme der Re-settlementflüchtlinge 2009 war einstim-mig und hat zu einer großen Welle derHilfsbereitschaft geführt. Dem Rat derStadt Aachen war es wichtig, damit ein

deutliches Signal für die Aufnahme derFlüchtlinge zu setzen.

Wie ist denn aus Ihrer Sicht die Auf -nahme der Resettlementflüchtlinge ge-lungen?

Zurzeit wohnen rund 45 Flüchtlinge ausdem Irak und Somalia im Resettlement inAachen. Die Aufnahme wurde durch dieNGOs gemeinsam mit den Kirchen undder Sozialverwaltung organisiert. Es gabvon Anfang an, auch in der Vorbereitungs-phase, eine enge Zusammenarbeit zwi-schen Hauptberuflichen und Ehrenamt-lern. Durch viele Gespräche und Organi-sationstreffen wurde die Aufnahme imVorfeld so organisiert, dass die Flüchtlin-ge vom ersten Tag an in Aachen willkom-men waren und sich sehr schnell einge-wöhnen konnten. Dazu gehört auch dieVorbereitung von Sprachkursen, Plätze inKindergarten und Schule für die Kinderund der enge Kontakt zu den PatInnen der»Save me« Kampagne. Es wurden undwerden Treffen organisiert, um die alltäg-lichen Dinge mit Flüchtlingen, Ehrenamt-lern und Hauptberuflichen zu besprechen,es gibt den regelmäßigen »Patenstamm-tisch« für den internen Austausch. Nur in

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Wander-Ausstellungen

zum Buchen

und Besuchen

Invisible Borders

■ Die Wanderausstellung zum Thema Residenz-pflicht veranschaulicht die Grenzen, die für deut-sche Staats bürger unsichtbar sind, aber den Alltagvon Geduldeten und Menschen mit nicht-dauer -haftem Aufenthaltstitel behördlich kontrollierbarmachen und erschweren.

■ Informationen: www.invisibleborders.de Ausstellungsanfragen: [email protected]

menschen auf der flucht

■ Die multimediale Ausstellung hat ihren Platz in einem LKW. Anhand von acht Flüchtlingsbiografienkönnen junge Erwachsene ab Klasse 8 an Hörsta-tionen, auf Texttafeln und bei Computerspielen dasSchicksal der Vertriebenen im Ostkongo nachvoll -ziehen.

■ Informationen: www.missio-truck.de Ausstellungsanfragen: [email protected] oder Telefon: 0241/75 07294 Gruppengröße: bis 32 Personen Kosten ca. € 150,- pro Tag

»Flüchtlinge sind willkommen und ein Teil unserer Stadt.« GESPRÄCH MIT HILDE SCHEIDT, BÜRGERMEISTERIN VON AACHEN

Der Rat der Stadt Aachen hat schon 2009 die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen in der Stadt beschlossen. Seither wurden im gemeinsamen Bestreben der Stadt, von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen über 40 Flüchtlinge als Neubürger willkommen geheißen.

Hilde Scheidt

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dieser engen Zusammenarbeit kann Re-settlement gelingen.

Wo sehen Sie denn die Kommune in derVerantwortung: Was sollte eine Kom-mune selbst leisten und nicht Ehren-amtlichen überlassen?

Die aufnehmende Kommune muss Perso-nal und finanzielle Ressourcen zur Verfü-gung stellen und das über einen langenZeitraum. Nur in der engen Zusammenar-beit mit den begleitenden Organisationenund der kommunalen Verwaltung kanndie Aufnahme von Flüchtlingen gelingen.Dazu braucht die Verwaltung auch denpolitischen Willen des Rates, der die ent-sprechenden Beschlüsse fasst und die er-forderlichen Gelder bewilligt.

NGOs und Ehrenamtler müssen bei allenEntscheidungen gleichberechtigt gehörtwerden. Dadurch entsteht die beste At-mosphäre für die Menschen, die unsereHilfe brauchen.

In Zeiten wieder ansteigender Asylzah-len wenden sich Bürger vielerorts ge-gen neue Flüchtlingsunterkünfte. Wassagen Sie diesen Menschen?

Zurzeit werden wieder dringend Wohnun-gen für Flüchtlinge gebraucht, das hatauch in Aachen zu kontroversen Diskus-sionen geführt: »Meine neue Eigentums-wohnung verliert an Wert…«, »Wir habenschon genug Probleme in der Stadt…«,»Unsere Kinder können nicht mehr sicher

zur Schule gehen, wenn sie da vorbeikom-men« und so weiter.

Diese Vorurteile hatten wir in der Stadtlange nicht mehr so deutlich und offen ge-hört. Eine Debatte im Stadtrat hat dannaber ganz deutlich gemacht, dass Aacheneine Stadt sein will, die Flüchtlinge gerneaufnimmt und das als gesamtgesellschaft-liche Aufgabe sieht. In Veranstaltungenwurden die BürgerInnen informiert, dieVorurteile durch viele Gespräche mit Politik und Verwaltung abgebaut. Die ent-sprechenden Wohnungen werden jetztrenoviert und für die Flüchtlinge vorbe-reitet. Wir werden diesen Prozess weiteraufmerksam begleiten und mit allen imStadtteil im Gespräch bleiben.

Die Stadt Aachen hat, wie andere Städ-te auch, Schulden und ein enges Bud-get. Was kostet Sie die Flüchtlingsauf-nahme?

Ja, Aachen ist wie viele andere Städte ver-schuldet, aber die sozialen Aufgaben, unddazu gehört die Aufnahme von Flüchtlin-gen, sind wichtig und unterliegen keinenKürzungen. Wir haben für die Betreuungeinen eigenen Sozialdienst in den Wohn-häusern, AnsprechpartnerInnen im Sozi-alamt und ein eigenes Budget für die Einrichtung der Häuser, die zusätzliche Be -treuung z.B. durch Beratungsstellen, Inte-grationshelferInnen, Dolmetscher, Sprach-kurse für AsylbewerberInnen und die Ko-ordination der Resettlementflüchtlinge.

Der Zugewinn ist immer wieder deutlichzu sehen, es kommen Menschen mit vie-len Fähigkeiten, mit hochwertigen Berufs-abschlüssen, sie lernen innerhalb kürzes-ter Zeit die Sprache, sind schnell integriertund möchten auf eigenen Füßen stehen.Wir sind uns einig, dass eine Kommunedurch eine offene, transparente und deut-lich gewollte Aufnahme von Flüchtlingendeutlich zeigt: Hier kommen Menschen,die in Not sind und unsere Hilfe brauchen.Sie sind uns willkommen und sind als Neu-bürgerInnen ein Teil unserer Stadt.

Trotz allem – ich lebe

■ In 21 während der Kunsttherapie des Evange -lischen Zentrums für Beratung und Therapie inFrankfurt/Main entstandenen Bildern wird das Erlebte von Flüchtlingsfrauen offenbar: Schmerz,Verzweiflung und Gewalt, aber auch Mut, Lebens-wille und Hoffnung.

■ Informationen: www.uno-fluechtlingshilfe.de Ausstellungsanfragen: Kunsttherapeutin Katja Hantel [email protected] Tel. 0228 - 62 98 61 7 Kosten: ca. € 48,- Transportkosten

Überleben auf der Flucht

■ Die Organisation Ärzte ohne Grenzen geht jedesJahr mit dem nachgebauten, circa 900 qm großenFlüchtlingslager auf Tour. Besucher können eineIdee davon ge winnen, wie das Alltagsleben in ei-nem Flücht lingslager aussieht.

■ Der Eintritt ist frei. Im Frühsommer ist die Ausstellung in Hannover (28.05. - 02.06.), Erlangen (07. - 11.06.), Dresden (18. - 22.06) und Essen (29.06. - 06.07.). Mehr auf www.ärzte-ohne-grenzen.de

Save me – Face me – Welcome me

■ Die Save me-Wanderausstellung beleuchtet dasThema Resettlement. Veranschaulicht wird dieweltweite Flüchtlingssituation, der Auswahlpro-zess, die Aufnahme von 2.500 Irakern im Jahr 2009und die Entwicklung der Save me Kampagne. Auf22 Fototafeln, in Video- und Audiointerviews kom-men junge irakische Flüchtlinge ebenso zu Wort wieSave me Patinnen und Paten. Kosten: bis zu 100 € für den Versand, Aufbau: ein Tag.

■ Näheres auf www.save-me-muenchen.de, Kontakt: [email protected]

»Save me goes Europe«

■ Die bundesweite »Save me«-Kampa-gne ist auf europäischer Ebene ange-

kommen. 2012/2013 beteiligt sich PRO ASYLam EU-Projekt SHARE, das sich den Aufbau eines europäischen Netzwerks von Städten undRegionen zum Ziel gesetzt hat. Partnerscha f-tenüber die Landesgrenzen hinaus und der Aus-tausch von Methoden durch gegenseitige Be-suche und gemeinsame Veranstaltungen las-sen das Know-how und das Bekenntnis zumResettlement von Flüchtlingen auf lokaler Ebe-ne wachsen. Das Projekt steht unter der Lei-tung der katholischen Organisation ICMC undwird vom UNHCR sowie zahlreichen europäi-schen NGOs unterstützt. Mit dabei sind unteranderem die »Save me-Städte« Aachen undMünchen.

■ Mehr zum Thema unter www.resettlement.eu.

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Maria Bethke

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte untersagt eine Abschiebung in die Obdachlosigkeit.Eine Chronik:

APRIL 2011

Sara und Abdalla sind zusammen mit ihrem kleinen Sohn vor dem Terror der Islamisten aus Somalia geflüchtet. AlsBootsflüchtlinge stranden sie auf Lampe-dusa. Die italienischen Behörden bringensie in einem Flüchtlingslager auf Sizilienunter. Die Familie hofft, in Europa ein Le-ben in Sicherheit und Frieden zu finden.

JANUAR 2012

Sara ist im 7. Monat schwanger. Doch diemaximale Zeit für eine Unterbringung derFamilie im Lager ist abgelaufen und sie

wird auf die Straße gesetzt – mitten imWinter. Sara und Abdalla fürchten um dasLeben ihrer Kinder und fliehen erneut. Siebeantragen in Deutschland Asyl und be-richten dem Bundesamt, dass Italien ih-nen zwar Papiere ausgestellt, aber keinenSchutz gewährt hat. Im März wird SaraMutter von Zwillingen.

NOVEMBER 2012

Durch hartnäckige telefonische Nachfra-gen erfährt der Anwalt der Familie, dassdie Abschiebung nach Italien geplant ist.Der Versuch, das Verwaltungsgericht Kas-sel zu einem Stopp der Abschiebung zubewegen, scheitert: Die zuständige Rich-terin argumentiert, die Erlebnisse vom Le-ben auf der Straße in Italien seien vermut-lich erfunden und die Familie auch nichtbesonders schutzbedürftig – unter denFamilienmitgliedern sei schließlich ein ge-sunder erwachsener Mann. Im Übrigen

gelte aber ohnehin die Vermutung, dassder EU-Mitgliedstaat Italien Flüchtlings-rechte nicht verletzt.

Dass längst nicht mehr alle Richter dieseVer mutung in Hinblick auf Italien für ge-rechtfertigt halten, zeigt die Statistik: Etwa50 % der deutschen Verwaltungsgerichteuntersagen derzeit Abschiebungen nachItalien. Das VG Frankfurt beispielsweise urteilte im Mai 2012, dass eine Italien- Abschiebung »die Kläger tatsächlich derGefahr einer unmenschlichen und ernied-rigenden Behandlung« aussetzen würde.

DEZEMBER 2012

Die NGO borderline-europe veröffentlichtein 70-seitiges Gutachten zur Situation derFlüchtlinge in Italien. Zwar würden diemeisten Asylsuchenden in Aufnahmeein-richtungen untergebracht, aber sobald

Flüchtlinge in Italien –

vermutlich sicher?

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das Asylverfahren abgeschlossen sei, wer-de die große Mehrheit in die Obdach -losigkeit entlassen, auch und gerade die-jenigen, die eine Aufenthaltserlaubnis er-hielten. In ganz Italien gebe es geradeeinmal 3.146 Plätze in staatlichen Unter-künften für Schutzberechtigte. Wer esschaffe, dort einen Platz zu ergattern, müs-se ihn in der Regel nach sechs Monatenwieder räumen, die Zeit reiche nur denwenigsten, um Arbeit und Wohnung zufinden. Viele tausend Flüchtlinge mit Auf-enthaltserlaubnis, auch Familien mit Kin-dern, lebten deshalb in Abbruchhäusern,in Slums oder auf der Straße.

FEBRUAR 2013

Die Ausländerbehörde Kassel weigert sich,dem Anwalt Auskunft über das Verfahrenzu geben. Wann die nächste Abschiebunggeplant sei, will man ihm nicht sagen. Im-merhin: Das Bundesamt teilt auf Anfragemit, dass ein neuer Abschiebetermin fest-steht.

Ein neuer Eilantrag – gestützt auf neue Be-weise aus dem Gutachten von borderline-europe – scheitert. Auch das Bundesver-fassungsgericht, an das sich der Anwaltwendet, teilt mit, es werde die Abschie-bung nicht stoppen. Nur der EuropäischeGerichtshof für Menschenrechte (EGMR)kann die Abschiebung noch stoppen –und tut dies tatsächlich auch. In seinemSchreiben an die Bundesregierung machtder Menschenrechtsgerichtshof klar: Ersieht eine hinreichende Wahrscheinlich-keit, dass der Familie in Italien eine un-menschliche Behandlung droht und willwissen, welche Garantien die Bundesre-gierung hinsichtlich einer Unterbringungder Familie in Italien gewähren könne, da-mit eine unmenschliche Behandlung aus-geschlossen werde.

MÄRZ 2013

Die Bundesregierung teilt dem EGMR mit,sie garantiere, dass die Familie in Rom ineinem Flüchtlingsheim untergebrachtwerde. Am folgenden Tag gibt der EGMRdie Abschiebung wieder frei.

Sara, Abdalla und ihre drei Kinder sind nun wieder akut von Abschiebung be-droht, wie bereits im vergangenen Herbst.Und doch hat sich etwas verändert: DerEGMR hat der Bundesregierung deutlichgemacht, dass eine Dublin-Abschiebungnach Italien eine unmenschliche Behand-lung darstellen kann. Die Bundesregie-rung hat erstmals eingeräumt, dass auchsie die bloße »Vermutung«, Italien werdeAbgeschobene menschenrechtskonformbehandeln, nicht als ausreichend ansiehtund hat konkrete Garantien für die Fami-lie eingeholt.

Diese Garantien sind wenig wert, weil dieUnterbringung in Italien immer befristetist, so dass spätestens nach einem halbenJahr erneut die Obdachlosigkeit droht.Aus diesem Grund fordert PRO ASYL, Ab-schiebungen nach Italien insbesonderefür besonders schutzbedürftige Flücht -linge wie Familien, Minderjährige undKranke sofort auszusetzen. Doch so langedas nicht gelingt, muss die Bundesregie-rung zumindest zusichern, dass die Betrof-fenen nach der Abschiebung nicht auf derStraße landen. Es wäre absurd, wenn nurdiejenigen eine solche Zusicherung er -hielten, die es schaffen, bis zum EGMR zugehen.

S.O.S. for Human Rights

■ Anfang Dezember 2012 haben 26 Jugendliche und Erwachsene des Berliner Grips Theaters undvon Jugendliche ohne Grenzen (JOG) mit ihrem Theaterprojekt »SOS for Human Rights« eine

dreitägige Fahrt nach Brüssel unternommen. Die Fahrt war Teil der von PRO ASYL unterstützten gleich-namigen Kampagne für Menschenrechte von Flüchtlingen an den Außengrenzen und in der EU. DasTheaterstück erzählt von der Flucht dreier Jugendlicher nach Europa, das sich ihnen rigoros verschließt.In Brüssel fanden mehrere Aufführungen und anschließende Diskussionsrunden statt. Daneben wur-den 5.000 Unterschriften an den Parlamentspräsidenten Martin Schulz übergeben. Mit diesem Appell fordern die Aktivisten die EU-Politikerinnen auf, sich aktiv für die Menschen- und Kinderrech-te von Flüchtlingen einzusetzen.

■ Das Stück kann für Aufführungen in Schulen, Kirchengemeinden und anderswo gebucht werden.Weitere Informationen zu Kampagne und Theaterprojekt sind auf www.sos-for-human-rights.eu zufinden.

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2012 KAMEN MEHR FLÜCHTLINGE. KEIN GRUND ZUR BESORGNIS

Im Jahr 2012 ist die Zahl der Asylsuchen-den im Vergleich zum Vorjahr um etwa 41 % auf 64.539 gestiegen. Das hört sichviel an. Setzt man diese Zahl in Relationzu den Asylbewerberzahlen vergangenerJahre, relativiert sich dieser Eindruck aberschnell: Zum einen sind die Zahlen seitAnfang der 90er Jahre stetig gesunken, bisauf einen Tiefstwert von knapp über19.000 Asylanträgen im Jahr 2007. In Relation zu niedrigen Werten fällt eineprozentuale Steigerung dann immer ver-gleichsweise hoch aus. Die HöchstständeAnfang der 90er Jahre, aber auch die be-reits drastisch gesunkenen Zahlen Mitte/Ende der 90er Jahre und um die Jahrtau-sendwende herum sind noch längst nichterreicht.

DIE MEISTEN FLÜCHTLINGE AUF DER WELT ERREICHENDEUTSCHLAND GAR NICHT

Die Statistik des UN-Flücht lings kom -missariats (UNHCR) von Ende 2011 be-nennt die größten Flüchtlingsgruppen aufder Welt. Ihre Herkunftsländer sind ge-kennzeichnet durch lang andauernde blutige Konflikte, Krieg und Terror. Doch80 % der Flüchtlinge verbleiben, teils jah-relang, in Nachbarstaaten, die selbst oftarm sind. Seit Anfang 2012 haben alleindie Nachbarstaaten Syriens über einer Million Flüchtlingen die Tore geöffnet. InDeutschland haben demgegenüber 2012knapp über 6.000 syrische FlüchtlingeAsyl gesucht.

UNTERBRINGUNG IST EINE FRAGE DER ORGANISATION UNDDES GUTEN WILLENS

Viel wurde 2012 geredet und geklagt überUnterbringungs probleme aufgrund ge-stiegener Asylzahlen. Das Notstandsge -rede verfehlt jedoch die realen Zustände.Sicher – es gab im letzten Jahr vielerortsSchwierigkeiten, wenn neue Unterkünftegesucht wurden, insbesondere wenn eszu Widerstand aus der Bevölkerung kam.In einigen Städten wurden Flüchtlingevor übergehend unter unzumutbaren Be-dingungen in Zelten und provisorischenNotunterkünften untergebracht. Das Pro-blem ist aber hausgemacht: Im Zuge jahrelang drastisch zurückgehender Asyl-suchendenzahlen wurden vielerorts Kapa -zitäten abgebaut, teure Unterkünfte ge-schlossen – verständlich. Dass die Behör-den aber auch damit rechnen mussten,dass die Flüchtlingszahlen wieder steigenkönnten, liegt auf der Hand. Nicht seltenwurden dann ad hoc neue (Groß-) Unter-künfte eingerichtet, ohne die lokale Be-völkerung rechtzeitig und konstruktiv indiesen Prozess einzubeziehen. Dort, wodies geschieht und die lokalen Behördenauf Alarmismus wie möglichst auch aufGroßunterkünfte verzichten, kann derAufnahmeprozess gelingen.

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Zahlen und Fakten 2012Mehr Asylsuchende, irrationale Katastrophenszenarien, gesunkeneAnerkennungs quoten: Die deutsche Asylbilanz 2012 kann aus Sicht von PRO ASYL kaum zufrieden stellen. Besonders kritikwürdig waren die politisch motivierten Schnell verfahren bei Romaflüchtlingen aus Serbien und Mazedonien, aber auch viele inakzeptable Abschiebungen im Rahmen der Dublin-II-Verordnung. Wir dokumentieren und kommentieren einige Zahlen und Fakten des vergangenen Jahres.

Dirk Morlok, Bernd Mesovic

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Asylanträge der letzten 15 Jahre in Deutschland

Flüchtlinge weltweit

Afghanistan 2.700.000Irak 1.430.000(Syrien)* > 1.300.000Somalia 1.100.000Sudan 500.000DR Kongo 491.000Myanmar 414.000Vietnam 338.000Kolumbien 282.000Eritrea 252.000

* Stand April 2013

Quelle: UNHCR 2011

43 Millionen Menschen auf der Flucht

über 80 % bleiben in der Region

davon 26,6 Mio. Binnenvertriebene im Herkunftsland

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43 Millionen Menschen auf der Flucht

davon 26,6 Mio. Binnenvertriebene im Herkunftsland

über 80 % bleiben in der Region

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DIE QUALITÄT DER ASYL -VERFAHREN IST DRASTISCH GESUNKEN

Im Jahr 2012 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 61.862Entscheidungen über Asylanträge getrof-fen. Die üblichen Qualitätsstandards wur-den bei der größten Gruppe, der der Bal-kanflüchtlinge, bewusst missachtet: AufBetreiben des Bundesinnenministeriumsführte das Bundesamt ab Herbst 2012 fürFlüchtlinge aus Serbien und Mazedonienpauschale Ablehnungs-Schnellverfahrendurch. Da es beim BAMF an Personal man-gelt und diese Ablehnungen für Balkan-flüchtlinge vorrangig zu erledigen waren,mussten Asylsuchende aus Afghanistan,Irak, Iran oder Syrien trotz guter Anerken-nungschancen regelmäßig mehr als einJahr auf die erste Entscheidung warten.Insgesamt eine inakzeptable Situation. Esmuss mehr qualifiziertes Personal beimBundesamt eingestellt werden, um zügi-ge Verfahren zu erreichen und – eigent-lich selbstverständlich: Schnellverfahrendarf es nicht geben. Jeder Einzelfall musssorgfältig, unvoreingenommen und völ-kerrechtskonform geprüft werden.

VIELE ASYLSUCHENDE BRAUCHEN SCHUTZ. NUR EIN TEIL ERHÄLT IHN

Insgesamt wurden im Jahr 2012 vomBAMF 8.764 Personen (14,2 % der Antrag-steller/innen) als Flüchtlinge anerkannt.Bei weiteren 8.376 Personen (13,5 %) wur-den Abschiebungsverbote festgestellt,weil ihnen im Herkunftsland beispielswei-se die Todesstrafe, Folter oder Gefahr fürLeib und Leben droht. Diese Menschen

sind quasi anerkannte Schutzbedürftigezweiter Klasse. Im Zuge der EU-Politik undRechtsprechung nähert sich ihre rechtli-che Situation schrittweise an die der GFK-Flüchtlinge an, eine vollständige Anglei-chung ist notwendig und gerechtfertigt. Die Unterschiede in der Anerkennungs-praxis zwischen den Herkunftsländernsind enorm: Die Schutzquote variiert von(verordneten) 0 % Anerkennungen für ser-bische und mazedonische Asylsuchendeüber 39 % für Afghanen, 54 % für Iranerbis hin zu 96 % für syrische Flüchtlinge.Sieht man sich Hauptherkunftsländer wieAfghanistan oder Irak an, die langjährigeKrisen- oder Kriegsgebiete sind, liegt derSchutzbedarf der Menschen vielfach aufder Hand. Im Vergleich mit anderen EU-Staaten schneidet Deutschland aber nichtimmer gut ab: Die erstinstanzliche Schutz-quote für Afghanen beispielsweise lag an-derswo deutlich höher: in Italien bei 76 %,in Schweden bei über 60 % Belgien eben-falls bei fast 60 %, in Frankreich bei 50 %und in Spanien (bei einer sehr geringenAntragszahl) sogar bei 88 %.

Insgesamt erhielten in Deutschland fast28 % aller Asylsuchenden in der ersten In-stanz einen Schutzstatus, Tendenz stei-gend, vor allem wegen der Syrien-Quote(2011: 22 %). Diese Schutzquote ist abernur ein Teil der Wahrheit: Denn zum einenwurden 2012 rund 23 % der Asylanträgegar nicht inhaltlich geprüft. Dies betrifftvor allem »Dublin-Fälle«, in denen man einen anderen EU-Staat für zuständig erklärt. Rechnet man sie heraus, kommtman bereits auf eine Schutzquote von 36 %.

Zum anderen werden die erstinstanzli-chen Entscheidungen des Bundesamtshäufig im anschließenden Klageverfahrenkorrigiert: 2012 erhielten so 38 % der zu-vor abgelehnten afghanischen Kläger/in-nen doch noch einen Schutzstatus. Eineähnlich hohe Quote gibt es bei iranischenAsylsuchenden mit 37 %, aber auch beipakistanischen (23 %) oder irakischen Asyl-suchenden (14 %) werden die Bewertun-gen des Bundesamts häufig in Frage ge-stellt.

Entscheidungen des Bundesamtes 2012über insgesamt 61.826 Asylanträge

Asylerstanträge in Deutschland 2012

1 Serbien 8.4772 Afghanistan 7.4983 Syrien 6.2014 Irak 5.3525 Mazedonien 4.5466 Iran 4.3487 Pakistan 3.4128 Russland 3.2029 Bosnien + Herzegowina 2.025

10 Kosovo 1.906andere 17.572

Summe gesamt 64.539

GFK-Status 14 %

subsidiärer Schutz 13 %nicht inhaltlich geprüft (z.B. Dublin-Verfahren) 23 %

abgelehnt 50 %

Ungeniert oder dumm? Die Westfälischen Nachrichten garnieren ihr Katastrophenszenario in NRW gar mit einem Zeltlagerbild aus der Türkei.Quelle: http://www.wn.de/Muensterland/ Kreis-Borken/ Schoeppingen/2012/08/Unterkunft-im-muensterlaendischen-Schoeppingen-

auch-betroffen-Ansturm-auf-Asylbewerber-Heime (Druckversion).

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Quelle: BAMF, Grafik: PRO ASYL

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ÜBER DAS DUBLIN-SYSTEM VERWEIGERT DEUTSCHLAND SCHUTZ

In 11.469 Fällen (18 % der Asylanträge) hatdie Bundesrepublik 2012 Übernahme -ersuchen nach der Dublin II-Verordnunggestellt, das heißt, andere EU-Staaten zu-ständigkeitshalber um die Übernahme derBetroffenen gebeten. Obwohl die Bundes-republik aufgrund der weiterhin katastro-phalen Situation für Flüchtlinge in Grie-chenland nicht dorthin abschiebt und diebetreffenden Asylverfahren selbst durch-führt, ist der Anteil der Dublinfälle nur

leicht gesunken (2011: 20 %). In absolu-ten Zahlen ist die Zahl der Dublin-Fälle sogar um rund 2.400 gestiegen. Unterdem Strich begünstigt das unfaire Dublin-System die Flüchtlingsabwehrpolitik derBundesrepublik: In über 3.000 Fällen fandeine Überstellung ins EU-Ausland statt,während Deutschland mit rund 1.500Flüchtlingen nur knapp halb so viele überdas Dublin-System aufnahm.

Hauptbetroffene der Dublin-Abschiebun-gen waren Flüchtlinge aus Afghanistan(311), der Russischen Föderation (257), ausGeorgien (254), Serbien (180), Kosovo

(171) und Irak (161). Mehr als jede fünfteÜberstellung ging nach Italien, eines deraufgrund seiner schlechten Aufnahmebe-dingungen am meisten in der Kritik ste-henden Länder. Flüchtlingen droht dortRecht- und Obdachlosigkeit, weswegendie Verwaltungsgerichte Abschiebungendorthin, aber teilweise auch nach Ungarn,Malta und Bulgarien in einer Vielzahl von Fällen gestoppt haben. Problematischsind aber auch die zahlreichen Überstel-lungen von Irakflüchtlingen nach Schwe-den, da der skandinavische Staat – im Unterschied zu Deutschland – abgelehn-te Asylsuchende in den Zentralirak ab-schiebt.

UNBEGLEITETE KINDER -FLÜCHTLINGE WERDEN NICHT GENÜGEND GESCHÜTZT

Die Zahl der unbegleiteten Kinderflücht-linge ging geringfügig zurück auf 598 Kin-der unter 16 Jahren und weitere 1.498 un-begleitete 16- und 17-Jährige. Insgesamtmachen unbegleitete Minderjährige rund3,3 % der Asylsuchenden aus, wobei bun-desweit behördliche Altersfestsetzungenpraktiziert werden, die die Flüchtlingskin-der oft älter machen als sie selbst an -geben. Nahezu die Hälfte aller behördlicherfassten unbegleiteten Minderjährigenkamen aus Afghanistan (1.003), weit da-hinter folgten Kinderflüchtlinge aus demIrak (152), Syrien (133) und Somalia (127).Die Schutzquote bei den unbegleitetenMinderjährigen lag bei 41 %. Mit einerSchutzquote von 39 % hatten afghanischeMinderjährige trotz der katastrophalen

BAMF-Entscheidungen Syrien 2012über 5.707 Anträge

Zu Beginn des Jahres 2012 war das BAMF noch sehr zurückhaltend mit Syrien-Entschei-dungen. Die meisten Fälle blieben lange liegen, augenscheinlich hoffte man auf eineschnelle Beendigung des Krieges. Erst seit Mitte 2012 wird kein Asylantrag von syrischenStaatsangehörigen aus inhaltlichen Gründenabgelehnt. Die Fälle, die nicht positiv ent -schieden werden, sind vorwiegend Dublin- Fälle, also solche, für die die Zuständigkeit einem anderen EU-Staat zugeschoben wird.

Keine Sicherheit, keine Grundrechte: Afghanistan

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich nach Berichten unter anderem der Vereinten Nationen seit vielen Jahren nicht wesentlich verbessert. Nachdem die Zahl der zivilen Todesopfer kontinuierlich zugenommen hatte, gab es 2012 nach Angaben der UN-Mission in Afghanistan zum ersten Mal seit vielen Jahren einen kleinen Rückgang. 2.457 Tote und 7.500 Verletzte sind es immerhin. Teile der Bevölkerung befürchten, dass die Situation mit dem Truppenabzug instabiler werdenwird und es zu einem Erstarken der Taliban kommen könnte.

Elf Jahre Bundeswehreinsatz in Afghanistan haben mehr als sieben Milliarden Euro gekostet.Im gleichen Zeitraum wurden 2,13 Milliarden für Wiederaufbau und Entwicklung des Landeseingesetzt, so die Ärzteorganisation IPPNW. Der Aufbau ziviler Strukturen geht kaum voranund Grundrechte wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Art sind kaum gewährleistet. Dieafghanische Regierung, geprägt durch Korruption, Vetternwirtschaft und mafiöse Strukturen,driftet in Richtung einer Familienpräsidialdiktatur, so die TAZ vom 24. Juli 2012. KritischeMenschenrechtsberichte, in denen es um die Verwicklung des afghanischen Establishments in Menschenrechtsverletzungen geht, werden unterdrückt, ihre Verfasser bedroht.

GFK-Status 31 %

subsidiärer Schutz 64 %

nicht inhaltlich geprüft (z.B. Dublin-Verfahren) 5 %

abgelehnt 0 %

Quelle: BAMF, Grafik: PRO ASYL

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Sicherheitslage in Afghanistan sogar nurunterdurchschnittliche Chancen, Schutzzu erhalten. Auch irakische Minderjährigehatten mit einer Schutzquote von nur 21 % vergleichsweise geringe Anerken-nungschancen.

Hintergrund ist offenbar eine Strategie desBundesamts. Die Abschiebung eines Kin-des ist grundsätzlich möglich, gesetzlichist allerdings festgelegt, dass sich Behör-den vorher zu vergewissern haben, dasses einem Familienmitglied oder einemKinderheim übergeben wird. Das Bundes-amt macht sich diese Regelung zunutzeund lehnt Minderjährige, die keine Elternmehr haben oder deren Eltern nicht auf-findbar sind, mit Verweis darauf ab, dasssie ja ohnehin nicht abgeschoben werdendürften. Im Ergebnis bedeutet diese Stra-tegie, dass die Minderjährigen bleiben,aber statt eines Schutzstatus nur eine Dul-dung erhalten, was insbesondere im Hin-blick auf Schulbesuch oder Ausbildungdie Integrationsmöglichkeiten verbaut.

16.000 MAL HIEß ES »RAUS!«:

Irak

Seit 1995 steht der Irak auf der Liste der zehn Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland, im Jahre 2012 auf Platz vier mit 5.352 Neuzugängen. Seit der Machtübernahme Saddam Husseins im Jahr 1979 kam es immer wieder zu Fluchtwellen aus dem Irak, zum Beispiel im Zusammen-hang mit dem zweiten Golfkrieg und seinen Folgen. Inzwischen ist es die Instabilität der Lage imIrak, die Menschen zur Flucht motiviert, hinzu kommt eine katastrophale Menschenrechtslage.Zehn Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein gehören Folter und unfaire Gerichtsverfahren zumirakischen Alltag, so die Einschätzung von Amnesty International. Weder die irakische Regierungnoch die Besatzungsmächte hielten sich an grundlegende Menschenrechtsstandards. Irak gehörtmit 129 Hinrichtungen im Jahr 2012 zu den führenden Staaten bei der Vollstreckung der Todes -strafe. Folter gegen Gefangene ist weit verbreitet. Inhaftierte sind weitgehend von der Außenweltabgeschottet und müssen mit Elektroschocks, dem Entzug von Nahrung und Schlaf rechnen.

Immer wieder neue Gewaltwellen gehen über das Land. Seit 2007 werden Jeziden immer stärkerverfolgt. Die irakische Regierung steht der Radikalisierung der einzelnen religiösen Gruppen hilflos gegenüber, einzelne Regionen befinden sich faktisch im Krieg. Mit fast 400 Gewaltopfern pro Monat, die das Iraq Body Count Project (IBC) registrierte, gab es 2012 etwa ein Viertel mehr zivile Opfer als im Jahre 2011.

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ABSCHIEBUNG, ZURÜCKSCHIE-BUNG, ZURÜCKWEISUNG

Im Jahr 2012 wurden 7.651 Personen ausDeutschland abgeschoben (2011: 7.917).Ein Großteil dieser Abschiebungen wirdnicht infolge abgelehnter Asylverfahrendurchgeführt, sondern betrifft Menschen,deren Aufenthaltsgenehmigung abge -laufen ist oder entzogen wurde, die aufgrund von Straftaten ausgewiesenwurden und andere. Mit rund 1.500 Ab-schiebungen besonders betroffen warenserbische Staatsangehörige, unter ihnenvorwiegend Angehörige der Roma-Min-derheit, gleiches gilt für Abschiebungenin den Kosovo (564) und Mazedonien(510). Diese Zahlen sind Ergebnis derSchnellverfahren und der Abschreckungs-politik gegenüber Flüchtlingen aus der Region West-Balkan: Ein Großteil dieserAbgeschobenen dürfte in massive Diskri-minierung und Ausgrenzung zurückver-frachtet worden sein.

Zu den Abschiebungen kommen nochZurückschiebungen (4.417), also Abschie-bungen im Zusammenhang mit Aufgrif-fen in der 30 km-Grenzregion, sowie un-mittelbare Zurückweisungen an der Gren-

ze (3.829). Zusammen liegt die Gesamt-zahl der Abschiebungen, Zurückschiebun-gen und Zurückweisungen bei knapp16.000.

Weiter im Trend: gemeinsame Sammelab -schiebungen. Die Zahl der über national-staatliche Grenzen hinaus koordiniertenAbschiebungen – über die EU-AgenturFrontex oder durch mehrere EU-Staatengemeinsam – hat sich im letzten Jahr nahe -zu verdoppelt: 645 Personen wurden imRahmen solcher Sammelabschiebungen

außer Landes gebracht, 644 unter Beteili-gung von FRONTEX, zusammen 1.289 Per-sonen.

VIELE GEDULDETE UND KEIN BLEIBERECHT

Die Zahl der Geduldeten in Deutschlandist mit mehr als 85.000 konstant hoch.Rund 36.000 von ihnen leben seit übersechs Jahren im Bundesgebiet. Dazu kom-men noch über 33.000 als ausreisepflich-tig Registrierte ohne Duldung. Im Ver-gleich zu den Vorjahren gibt es bei diesenZahlen kaum Bewegung: Die Zahl der Ge-duldeten ist zwar geringfügig gesunken,die Zahl der Ausreisepflichtigen ohne Dul-dung hingegen in etwa gleichem Umfangge stiegen. Eine stichtagsungebundeneBleiberechtsregelung ohne restriktive Aus-schlussgründe wie bei den Regelungender letzten Jahre ist also weiter dringenderforderlich. Dies belegt vor allem auchdie Zahl der Minderjährigen unter den Geduldeten: Mehr als jeder vierte Gedul -dete, über 22.000 insgesamt, ist minder-jährig. Zählt man noch die 18- bis 20-Jäh-rigen hinzu, leben fast 28.000 Kinder undjunge Erwachsene mit einer Duldung inDeutschland. Zum Vergleich: Von der Altfallregelung für gut integrierte Kinderund Jugendliche – seit Juli 2011 in Kraft –haben bislang weniger als 2.000 Jugendliche profitiert.

Pakistan

Pakistan stand im Jahr 2012 auf Platz 7 der Liste der Hauptherkunftsländer. Schon im Jahr zuvor hatte sich der Zahl der pakistanischen Asylantragsteller verdreifacht. Etwa zwei Drittel der Asylsuchenden aus Pakistan gehören der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya an. Der Druck auf sie wächst. Immer wieder werden Ahmadis Opfer religiös motivierter Gewalt. Die Religionsgemeinschaft wurde 1889 in Indien als – nach ihrem Selbstverständnis – islamische Bewegung gegründet, verbunden mit einer Modernisierung und pazifistischen Grundhaltung. Seit den 1980er Jahren werden die Ahmadiyya Opfer legalisierter Verfolgung in Pakistan. Sie werden als Nicht-Muslime betrachtet und immer wieder mit Verfahren nach den sogenannten Blasphemie-Gesetzen überzogen. In bestimmten Fällen droht ihnen sogar die Todesstrafe.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat im Fall zweier Ahmadis 2012 die Rechte religiös Verfolgter in Deutschland gestärkt. Der Gerichtshof entschied, dass auch die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit schutzwürdig sei und die bislang immer wieder geforderte Beschränkung auf religiöse Betätigung im stillen Kämmerlein nicht zu verlangen sei. Bei schwerwiegenden Sanktionen auf die Glaubensbetätigung bestehe ein Anspruch auf Asyl.

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Bernd Mesovic

■ Bei seiner Anti-Roma-Offensivewusste sich Bundesinnenminister

Friedrich im Einklang mit dem nicht nur in Deutschland schnell aktivierbaren anti ziganistischen Ressentiment. In derÖffentlichkeit wurde das Ganze von einerDebatte mit mehr oder minder rassisti-schen Untertönen gegen Roma begleitet.Regelrecht makaber erschien die Präsen-tation des Denkmals für rund 500.000 vonden Nazis ermordete Roma und Sinti am 24. Oktober 2012 in Berlin, währendgleichzeitig die öffentliche Hetze gegenasylsuchende Roma einen Höhepunkt er-reichte.

Die kalkulierte Strategie des Bundesin-nenministers gegen die Roma enthieltfünf Punkte:

1. Die Bearbeitung der Asylverfahren vonBürgerInnen aus Serbien, Mazedonienund anderen Balkanstaaten sollte be-schleunigt werden. Tatsächlich hat dasBundesamt für Migration und Flüchtlin-ge über Monate ausschließlich über Asyl-anträge aus den Balkanstaaten entschie-den und bis auf wenige Ausnahmen alleabgelehnt.

2. Serbien und Mazedonien sollten perGesetzgebungsverfahren als »sichere Her-

kunftsstaaten« eingestuft werden, mit derFolge einer regelmäßigen Ablehnung derAsylanträge als »offensichtlich unbe grün -det«. Ob Friedrich diesen Plan weiter ver -folgt, ist ungewiss. Auch ihm könnte in-zwischen klar geworden sein, dass er zudiesem Zweck die Verfassung mit Füßentreten müsste. Denn sichere Herkunfts-staaten sind nach deren Vorgaben nur sol -che, bei denen die politischen Verhältnis -se, die Rechtslage und die Rechtsanwen -dung gewährleisten, dass es dort wederpolitische Verfolgung noch unmenschli-che oder erniedrigende Behandlung gibt.Für Roma in Serbien kann von menschli-cher Sicherheit nicht die Rede sein.

3. Durch eine Ergänzung des Asylbewer-berleistungsgesetzes (AsylbLG) solltenAsylantragsteller aus solchen sicherenHerkunftsstaaten weniger Sozialleistun-gen erhalten. Auch diese Idee ist vor demHintergrund des Bundesverfassungs -gerichtsurteils zum AsylbLG von 2012mehr als fragwürdig. Die durch das Urteil

Die Opfer: RomaDER MISSBRAUCH DES ASYLRECHTS DURCH DEN BUNDESINNENMINISTER

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Als im Herbst 2012 in Deutschland die Zahl der Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien sprunghaft anstieg, etikettierte der Bundesinnenminister dies in der Öffentlichkeit pauschal als »Asylmissbrauch« und betrieb fortan eine rigorose Politik der Zurückweisung. Vor allem Roma waren es, die ohne Beachtung ihres Fluchtschicksals öffentlich verunglimpft, in Asylschnellverfahren abgelehnt und möglichst umgehend in üble Verhält-nisse zurück geschickt wurden.

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Metallsammeln als Überlebens-strategie

notwendig gewordene Neufassung desAsylbLG steht noch aus.

4. Die Bundesländer sollten den Druckdurch Leistungseinschränkung und dieweitgehende Gewährung lediglich vonSachleistungen erhöhen. In der Praxisnehmen seit Jahren immer mehr Länderund Kommunen aufgrund der höherenKosten und der diskriminierenden Wir-kung von Sachleistungen Abstand. Die-ser Trend sollte gekippt werden.

5. Die Europäische Kommission sollte einezeitweilige Aussetzung der Visafreiheit er-möglichen. Dies hat die Bundesregierungin Brüssel inzwischen durchgesetzt. Da-mit steigt der Druck auf die Balkanstaa-ten. Schon in den vergangenen Jahren hatdie serbische Regierung auf Druck der EU

Ausreisekontrollen verschärft und inner -halb weniger Monate, so erklärte die stell-vertretende Ministerin für europäische Integration am 7. November 2012 ganzoffen, rund 5.000 mutmaßliche Asylsu-chende gezielt an der Ausreise gehindert.Zum Teil wurden sie später in ihren Her-kunftsländern polizeilich vorgeladen undpeinlich zu ihren Gründen für den Asylan-trag befragt.

INAKZEPTABLE SCHNELL -VERFAHREN

Punkt eins auf dem ministeriellen Wunsch-zettel wurde vom Bundesamt umgehenderledigt: Die Asylanträge aus den Länderndes Westbalkans wurden unter Zurück-stellung aller anderen Verfahren schnellund pauschal be arbeitet. Teilweise wur-

de unqualifiziertes und seit langem nichtmehr mit der Durchführung von Asylver-fahren betrautes Personal eingesetzt. Einvon vornherein auf Ablehnung und Ab-schiebung ausgerichtetes Sonderverfah-ren produzierte das, was der Ministerwünschte: Eine Anerkennungsquote vonpraktisch Null.

Es bedurfte nur einiger Textbausteine,schnelle Anhörungen mit geringem Zeit-aufwand und institutionalisierte Ignoranzin Sachen Herkunftsländerinformationen,damit demonstriert werden konnte, wasdemonstriert werden sollte. Der Bundes-innenminister fasste das dann so zusam-men: »In keinem Fall konnte eine asylre-levante Verfolgung festgestellt werden,sodass offenbar asylfremde Motive für dieAsylbeantragung maßgeblich waren.«

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■ Dr. Karin Waringo von der luxembur -gischen Nichtregierungsorganisation

Chachipe hat in einem von PRO ASYL 2013 ver-öffentlichten Bericht eine Vielzahl von Informa-tionen über die menschenrechtliche Lage in Ser-bien ausgewertet. Zwar hat das Land im vergan-genen Jahrzehnt Recht und Justiz umfassendreformiert, auch im Hinblick auf den Schutz vorrassistischer Diskriminierung. Das Problem ist jedoch: Die neuen Regelungen werden in derPraxis oft nicht umgesetzt. In 54 Fällen hat derEuropäische Menschenrechtsgerichtshof seit Oktober 2009 Verstöße Serbiens gegen die euro -päische Menschenrechtskonvention gerügt. DieSituation der Roma in Serbien beschreibt Warin-gos Bericht als eine einzige Verletzung wirt-schaftlicher, sozialer und kultureller Menschen-rechte.

Roma sind nach wie vor mit Vorurteilen und Diskriminierungen beim Zugang zu Bildung und Arbeit, medizinischen Diensten, politischer Be-teiligung und öffentlichen Räumen konfrontiert.Immer wieder werden Roma Opfer rassistischerGewalt. Amnesty International berichtete unteranderem über eine Attacke mit Molotov-Cock-tails auf eine Roma-Siedlung im November 2011,bei der zehn Baracken völlig ausbrannten. Gegen

Aktivitäten rassistischer Gruppen wird aber nur zögerlich vorgegangen. Das serbische Ministeriumfür Menschen- und Minderheitenrechte selbst kritisiert, dass die Polizei Roma nach Zwischenfäl-len nicht wie Opfer, sondern wie Täter behandelte.Auch das amerikanische Außenministerium stelltfest, dass die Roma immer wieder Opfer von Poli-zeigewalt, gesellschaftlicher Diskriminierung, ver-baler und physischer Misshandlung würden.

Ohne Chance auf eine Sozialwohnung leben vieleRoma in illegalen Baracken-Siedlungen, was be-deutet, dass sie keinen Zugang zu medizinischenDiensten, sauberem Wasser und Abwasserentsor-gung haben. Zwangsräumungen ohne Absprachemit den BewohnerInnen führen dazu, dass sie auchnoch von den wenigen Möglichkeiten der eigenenLebensunterhaltssicherung abgeschnitten werden.Roma-Kinder haben laut UNICEF eine um ein Drit-tel geringere Chance, das erste Lebensjahr zu er-reichen als andere Kinder. Niedrige Einschulungs-raten spiegeln Vorurteile bei der serbischen Bevöl-kerung und in den Institutionen wider. Roma habenSchwierigkeiten beim Zugang zu Personaldoku-menten.

Aus Angst um die gerade erst neu gewonnene Visumsfreiheit richtet sich die Stimmung in Ser-bien verstärkt gegen Roma: Angriffe nehmen zu.In einem fatalen Zusammenwirken verstärken diePolitik der EU und Serbiens so die Fluchtgründe.

Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat? Sichernicht.

■ Der ausführliche Bericht von Dr. Karin Waringo »Serbien – ein sicherer Herkunftsstaatvon Asylsuchenden in Deutschland?«, ver -öffentlicht im März 2013, steht zum Downloadauf www.proasyl.de bereit.

SERBIEN – ein sicheres Herkunftsland?Ein Blick in Menschenrechtsberichte belegt das Gegenteil

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Entlarvend war, dass die Ablehnungsquo-te von 99,9 Prozent signifikant von derEntscheidungspraxis vergangener Jahreabwich. In Frankreich und Österreich ha-ben in den Jahren 2009 bis 2011 insge-samt 215 Asylsuchende aus Serbien (jeetwa 7 %) allein einen Schutzstatus erhal-ten. Selbst in Deutschland hat es immerwieder einzelne Fälle von Anerkennun-gen gegeben. So wurden im Jahre 2011immerhin 26 serbische und sechs maze-donische Staatsangehörige als schutzbe-dürftig schon beim Bundesamt für Migra-tion und Flüchtlinge angesehen.

FÜR DIE ROMA WAR JEDER SUBSTANDARD RECHT

Besorgniserregend ist, wie das Bundes-amt in der zweiten Jahreshälfte praktischjede Art von Selbstverpflichtung auf Qua-lität über Bord warf. Bei allem Verständnisfür mangelnde Ressourcen: Es ist nicht zuakzeptieren, dass in vielen Fällen die Per-son, die die Anhörung eines Asylsuchen -den macht, nicht identisch ist mit der, dieschließlich die Entscheidung trifft. Diegleichmäßige Auslastung von Beschäftig-ten einer deutschen Behörde durch denVersand elektronischer Akten in alle Win-kel dieser Republik ist keine Vorgabe derVerfassung. Im Gegenteil: Bei der Beurtei-lung der Glaubhaftigkeit von Menschenkommt es auf den persönlichen Eindruckan. Schließlich erstellt das Bundesamtauch kein Wortprotokoll, sodass derjeni-ge entscheidet, dem die summarischeNiederschrift des Anhörungsprotokollsauf den Tisch kommt – vom grünen Tischund de facto ohne wirkliche Vorstellungvon der Person des Antragstellers.

PRO ASYL geht es nicht um Kritik an ein-zelnen, oft überlasteten und manchmalüberforderten Sachbearbeitern, sondernum eine wirksame Umsetzung verfah-rensrechtlicher Standards.

Ist das Bundesamt in dieser Hinsicht in derletzten Zeit ohnehin bedenklich rück-schrittlich, so war für die Roma vom Bal-kan einmal mehr jeder Substandard Recht.Die Berichte zur Situation von Roma inSerbien und Mazedonien, die rassistische

Diskriminierung bis hin zur existenzge-fährdenden Ausgrenzung belegen, dürf-ten sich auch in der Herkunftsländer -dokumentation des Bundesamtes finden.Doch der Einzelfall durfte nicht zählen, wodie Verfahrensgestaltung erklärtermaßenzum Mittel der Abschreckung werdensollte. Widerstand gegen solche Zumu-tungen ist nicht öffentlich geworden. DieGeschichte des Bundesamtes, das in die-sem Jahr sein 60-jähriges Jubiläum feiert,ist eine Geschichte der politischen Ein-flussnahme auf die Entscheidungspraxis.

Den Roma im Asylverfahren Gerechtigkeitwiderfahren zu lassen, hieße zu prüfen,ob im Einzelfall so schwerwiegende Men-schenrechtsverletzungen zusammenkom -men, dass sie sich zu sogenannter kumu-lativer Verfolgung summieren. EU-Recht,die sogenannte EU-Qualifikationsrichtli-nie, sieht dies vor. Darüber hinaus müssendie traurigen Fakten zur Menschenrechts-lage in Serbien und in anderen Staatendes Westbalkans auch Gesprächsthemabeim Annäherungsprozess an die EU sein.Das tut die EU gelegentlich. Aber gleich-zeitig wird der serbischen und mazedoni-schen Regierung bedeutet, doch bitte-schön dafür zu sorgen, dass es möglichstkeine Asylanträge ihrer Staatsangehöri-gen in EU-Staaten gibt.

ANTIZIGANISTISCHE ABWEHR-REFLEXE

PRO ASYL warnte schon im Herbst 2012vor dem Populismus aus dem Bundesin-nenministerium in Sachen Roma. Inzwi-schen hat sich der antiziganistische Dis-kurs die nächsten Opfer gesucht. Es gehtjetzt um die freizügigkeitsberechtigtenEU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien.Auch da ist wieder der erste Impuls, Rech-te beschneiden und Tricks suchen zu wol-len, um sie loszuwerden. Das wird nichtwirklich funktionieren. Um einen Satz vonBrecht leicht abzuwandeln: Wer seineelende Lage erkannt hat, wie soll der dau-erhaft aufzuhalten sein?

Leider ist es mit Armutsbekämpfungsstra-tegien weder in der EU noch in den Staa-ten des westlichen Balkans getan. Es geht

eben hier wie dort nicht allein um dieHöhe irgendwelcher sozialer Leistungen.Es geht um Rechte. Rechte um Zugang zudenjenigen Gütern, die ein menschen-würdiges Leben ausmachen: Wohnung,sauberes Wasser, Bildung, Arbeit, Chan-cengleichheit. Es geht um wirtschaftliche,soziale und kulturelle Menschenrechte.

HISTORISCHE VERANTWORTUNG

Von der europäischen Verantwortung ge-genüber den Roma und anderen Minder-heiten ist höchstens an Gedenktagen dieRede. Von der historischen deutschen Ver-antwortung gegenüber den Überleben-den des hunderttausendfachen Völker-mords an den Roma und Sinti noch sel -tener. In einem seiner lichten historischenMomente hat Deutschland sich zur Auf-nahme von jüdischen Zuwanderern ausder ehemaligen Sowjetunion bekanntund Anfang 1991 entsprechende Einrei-severfahren geschaffen. Bis Ende 2012wurden insgesamt rund 200.000 Jüdin -nen und Juden aus Osteuropa in Deutsch-land aufgenommen – ein Zeichen auchgegen den latenten Antisemitismus. Ähn-liches wäre in Sachen der Roma vom Bal-kan ebenfalls denkbar. Doch der Anti -ziganismus ist in weiten Teilen EuropasMainstream. So werden die Roma weiter-hin machen müssen, was sie oft in ihrerGeschichte tun mussten: Sich rassistischerDiskriminierung entziehen, versuchen, vorVerfolgungen fliehen, ein besseres Lebensuchen. »Mit ihrem Aufbruch, ihrem Zu-sammenhalt und Mut schaffen sie das fastUnmögliche«, heißt es über die BremerStadtmusikanten bei Wikipedia. »Sie über-listen die Bösen, schaffen sich ein Heimund somit ein neues Leben. Es ist eines derMärchen in der Grimmschen Sammlung,das auf die sozialutopischen Wünsche derUnterschicht in der bürgerlichen Gesell-schaft des 19. Jahrhunderts eingeht.« Esgab Zeiten, da konnten sich die Unter-schichten der bürgerlichen Gesellschaftin Europa wenigstens im Märchen die Frei-heit verschaffen. Den Roma haben sie die-selbe schon damals nicht gegönnt.

Günter Burkhardt

■ »Politisch Verfolgte genießenAsylrecht« – so hieß es kurz,

knapp und klar im Grundgesetz. DasGrundrecht auf Asyl entzog sich derSteuerbarkeit durch die Politik. Eswar als subjektives Recht ausge -staltet – einklagbar vor Gerichten.Das Asylrecht war die Antwort desParlamentarischen Rates 1949 aufdie Verfolgung durch die Natio -nalsozialisten. Damals standen vie-le Verfolgte, die Deutschland ver -lassen wollten, vor verschlossenenGrenzen.

Als die Flüchtlingszahlen in den80er und Anfang der 90er Jahre infolge der Balkankriege deutlichanstiegen, wurde politisch Stimmung ge-macht. Der damalige Bundeskanzler Hel-mut Kohl sprach vom »drohenden Staats-notstand«. Jahrelang trommelten CDU/CSU gegen das Asylrecht.

STIMMUNGSMACHE IN WAHLKÄMPFEN

Die Kampagne gegen das Asylrecht warder Nährboden für zahlreiche Angriffe aufFlüchtlinge. Die zentrale Aufnahmestellefür Asylsuchende in Rostock wurde syste-matisch überbelegt, die Stimmung schau-kelte sich hoch. Neonazis und »brave Bür-ger« griffen Flüchtlinge und die nebenanwohnenden vietnamesischen Vertrags -arbeitnehmer an. Drei Tage wüteten dieTäter, sie stießen auf wenig Widerstand.Anstatt dem tobenden Mob entschlossenentgegenzutreten, denunzierte der dama-lige Bundesinnenminister Rudolf Seitersdie Asylsuchenden: »Wir müssen handelngegen den Missbrauch des Asylrechts, derdazu geführt hat, dass wir einen unkon-trollierten Zustrom in unser Land bekom-

men haben.« Es folgten Brandanschlägeauf Flüchtlingsunterkünfte und Häuservon Migranten. Die Opfer der rassistischenAttacken wurden nicht in Schutz genom-men, sondern instrumentalisiert und dieForderungen nach einer Grundgesetzän-derung noch vehementer vorgetragen.Über Monate hinweg warfen PolitikerAsylsuchenden Missbrauch vor – und ver-schwiegen, dass Krieg nicht als Asylgrundanerkannt wird, dass Menschen aus zer-fallenden Staaten, die vor einer so ge-nannten nichtstaatlichen Verfolgung flie-hen, keine Chance auf Asyl hatten.

DER POLITISCHE SÜNDENFALL

Am 6. Dezember 1992 kapitulierte dieSPD. Mit CDU/CSU und FDP verabredetendie Sozialdemokraten die Änderung desGrundrechts auf Asyl. PRO ASYL kommen-tierte damals: »Dies ist ein Sieg der Straßeund eine Niederlage des Rechtsstaates.«Die zentrale asylrechtliche Einschränkungdes Asylkompromisses sah vor: Wer übereinen EU-Staat oder einen anderen siche-

ren Drittstaat einreise, müsse dortAsyl beantragen. Eine praktischeRegel: Deutschland sah sich von sicheren Drittstaaten umgeben –wer auf dem Landweg kam, solltekeine Chance haben.

Die unmittelbare Wirkung der Drittstaatenregelung waren jährlich tausende Zurückweisungen vonFlüchtlingen an der Grenze vor allem zu Polen und Tschechien. Die-jenigen, die die heimliche Einreiseaber schafften, konnten in den ers-ten Jahren der Regelung – entge-gen der Intention der Grundrechts-beschneider und von vielen nichtvorausgesehen ihr Asylverfahrenvielfach in Deutschland betreiben.Hauptgrund war, dass die nach

deutscher Lesart »zuständigen« Staatensich oft nicht auf eine Rücknahme derFlüchtlinge einließen, weil der Nachweisüber deren Reiseweg nicht erbracht war.Das Asylgrundrecht war für die Flüchtlin-ge verloren. Unter Bezugnahme auf denseit 1990 explizit im Ausländerrecht (nochviel zu schwach) verankerten Schutz nachder Genfer Flüchtlingskonvention konn-te ein Teil von ihnen dennoch einen be -fristeten, damals noch zweitklassigenSchutzstatus erhalten. Unsere hartnäcki-gen Kämpfe führten später sowohl zu einer Ausweitung des Schutzbereiches der GFK, insbesondere zur Anerkennungnichtstaatlicher und geschlechtsspezifi-scher Verfolgung, als auch zu einer recht-lichen Gleichstellung der GFK-Flüchtlingemit den wenigen nach dem Grundgesetzanerkannten Flücht lingen. Für sie spieltdieser Unterschied heute praktisch keineRolle mehr.

Der zentrale politische Sündenfall des Asyl -kompromisses war aber, dass Deutschland,selbst fraglos den Menschenrechten, der

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Politisch Verfolgte genießen Asylrecht

20 JAHRE ÄNDERUNG DES GRUNDRECHTS

AUF ASYL

EMRK und der GFK verpflichtet, die Zu-ständigkeit für Asylsuchende weiterreich-te, ohne sich um die Einhaltung von Men-schen- und Flüchtlingsrechten in den Ab -schiebestaaten zu scheren. Das Ergebnisdavon sind damals wie heute ungeschütz-te, unversorgte, obdachlose, inhaftierteoder misshandelte Schutzsuchende.

DAS LEERE VERSPRECHEN EINESEUROPÄISCHEN ASYLRECHTS

Als der Deutsche Bundestag am 26. Mai1993 die Änderung des Grundrechts aufAsyl beschloss, zog sich wie ein roter Faden durch die Debatte, dass das deut-sche Asylrecht europafähig werden müs-se. »Wir, die CDU/CSU und FDP haben immer gesagt, dass mit der Abschaffungder Binnengrenzen in Europa eine Har -monisierung des Asylrechts zwingendnotwendig wird«, so der damalige Vor -sitzende der CDU/CSU-Fraktion WolfgangSchäuble.

Diese Harmonisierung steht bis heute aus:Deutschland sperrt sich dagegen, eineuro päisches Asylrecht auf einem men-schenrechtlich einwandfreien Niveau zuschaffen. Ein gemeinsames europäischesAsylsystem, das diesen Namen verdientund Flüchtlinge tatsächlich schützt, ist immer noch in weiter Ferne.

In Europa ist immer noch in der Regel der-jenige Staat für einen Flüchtling zustän-dig, der ihn in die EU hat einreisen lassen.Dies ist das oberste Regelungsprinzip inEuropa, das vor allem Staaten in der Mit-tellage wie etwa Deutschland mit Zähnenund Klauen verteidigen – erlaubt es doch,die Verantwortung für den Flüchtlings-schutz den Staaten an den Außengrenzenzuzuschieben.

Das unsolidarische System führt dazu,dass für die EU-Staaten nicht der Schutzder Flüchtlinge, sondern das Abwälzender Verantwortung auf andere Staaten imVordergrund steht. Der Mangel an Solida-rität unter den EU-Staaten führt zu einemMangel an Solidarität gegenüber schutz-suchenden Menschen: In vielen Staatenam Rande der EU herrschen katastropha-

le Aufnahmebedingungen. In Malta, Grie-chenland, Ungarn, Italien und anderenStaaten werden Flüchtlinge inhaftiert oderlanden auf der Straße.

ABSCHOTTUNG UM JEDEN PREIS

»Das sich einigende Europa schottet sich nicht ab. Wir verlagern mit der Ent-scheidung, die wir heute zu treffen haben, unsere Probleme auch nicht auf unse-re Nachbarn in Europa,« so WolfgangSchäuble am 26. Mai 1993. Doch genaudies geschah.

Die Schutzverweigerung wirkt auch nachaußen: Die Innenminister der europäi-schen Länder setzen alles daran, Flücht-linge am Zugang nach Europa zu hindern.Heute üben sie massiven Druck auf Grie-chenland aus, die Grenzen gegen die an-gebliche illegale Einwanderung besser zu

schützen. Frontex-Einheiten liefern dietechnische Ausrüstung. Mit 1.800 Polizis-ten riegelt Griechenland die Landgrenzezur Türkei im Evros-Gebiet ab. Europaschützt seine Grenzen – nicht jedoch dieFlüchtlinge. Die Folge dieser inhumanenPolitik: Die Fluchtwege werden länger undgefährlicher. In ihrer Verzweiflung be -geben sich Flüchtlinge immer wieder aufden gefährlichen Weg mit kleinen Bootenüber das Mittelmeer. Trotz der vielen tödlichen Flüchtlingstragödien, die die Öffentlichkeit in Europa immer wiederkurzfristig aufschrecken, perfektioniertEuropa die Abschottung. So soll das Über-wachungssystem EUROSUR die Außen-grenzen mit Drohnen und Satelliten über-wachen. Die europäische GrenzagenturFrontex wird immer weiter ausgebaut. DieÜberwachung des Grenzbereichs wirdvorverlagert nach Nordafrika und in dieTürkei.

Strom & Wasser feat. the Refugees

■ Ein einzigartiges Projekt: Heinz Ratz und seine Band Strom & Wasser haben im Frühjahr 2011 knapp 80 Flüchtlingslager überall in Deutschland besucht. Dort haben sie erstklassige und zum Teil in ihrer

Heimat sehr bekannte Musiker getroffen, die, hier mit Reise- und Arbeitsverboten behängt, sich meist nicht einmal ihr Instrument leisten können. Ratz hat die Musiker nach Hamburg eingeladen und mit ihnen ihre Musikaufgenommen – jetzt sind sie mit neuer CD auf Tour. Das Projekt bringt mit »The Refugees« in Deutschland lebende Flüchtlinge aus Gambia, der Elfenbeinküste, Afghanistan und anderen Staaten auf die Bühne. Zusammenpräsentieren sie Dub-, Reggae-, Hiphop- und Balkanbeats. Hier die Tourdaten 2013, weitere Infos gibt es unterwww.heinzratz.de.

06.05. Greiz, Papierfabrik +++ 07.05. Erfurt, Museumskeller+++ 08.05. Leipzig, Lindenau-Festival 09.05. Kassel, Schlachthof +++ 10.05. Chemnitz, Weltecho +++ 11.05. Bamberg, Morph-Club 12.05. Wendland, Open-Air +++ 13.05. Hannover, Bei Chez Heinz +++ 14.05. Fulda, Kulturkeller 15.05. Koblenz, Circus Maximus +++ 16.05. Wiesbaden, Schlachthof +++ 17.05. Mainz, Open Ohr 19.05. Köln, Underground +++ 20.05. Hamburg, Fabrik +++ 23.05. Frankenberg (Sachsen), Kino 24.05. Dresden, Literaturhaus +++ 25.05. Pirna, Markt der Kulturen +++ 26.05. Magdeburg, Festung Mark13.06. Wolfsburg, Kulturzentrum Hallenbad (tbc) +++ 14.06. Bad Kreuznach, Bonhoefer-Haus 16.06. Eschweiler, tba +++ 17.06. Saarbrücken, Theaterschiff +++ 18.06. Bonn, Pantheon 19.06. Heilbronn, tba +++ 20.06. Marburg, KFZ +++ 21.06. Radolfzell, Muscheln (tbc)22.06. Aalen, Stadtfest (tbc) +++ 23.06. Bochum, Bahnhof Langendreer +++ 19.07. Aschaffenburg, Fest der Brüderlichkeit

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Kai, ist die Rückkehr Gazales der bislang größte Erfolg des Nieder -sächsischen Flüchtlingsrates?

Von Erfolg kann man nach acht Jahren eigentlich kaum noch reden. Ob die Fami-lie die tiefen Verletzungen verarbeitenkann, die durch die lange Trennung ent-standen sind, wird sich erst noch zeigen.Aber ich bin natürlich glücklich darüber,dass sie die Chance auf einen neuen An-fang erhalten. Und ich bin froh, dass esuns gelungen ist, einen Konsens aller Par-teien im Landtag zu finden.

Kannst du dich noch an den Tag derAbschiebung von Gazale erinnern?

Ich erinnere mich ziemlich gut daran. Als Ahmed Siala damals ins Büro desFlüchtlingsrats gestürzt kam, stand ihmdas Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Dawar der Abschiebungstransporter mit Ga-zale und der einjährigen Schams schon

auf dem Weg zum Flughafen. Ahmed hatte nichtsahnend seine beiden großenTöchter zur Schule gebracht. Sofort orga-nisierten wir juristische Unterstützung,aber unser in aller Eile vorbereiteter An-trag an das Verwaltungsgericht wurde ab-gelehnt. Ahmed stürzte noch zum Flug-hafen, durfte seine Frau aber nicht mehrsehen.

Man hat Gazale vorgeworfen, dassihre Eltern 17 Jahre zuvor ihre türki-sche Staatsangehörigkeit verschwie-gen hätten.

Die Eltern lebten eigentlich im Libanon,hatten auf der Flucht vor dem Bürgerkriegaber türkische Pässe für einen Zwischen-aufenthalt in der Türkei genutzt. Gazaleselbst war sieben, als sie mit ihren Elternnach Deutschland kam. Sie ist in dem Be-wusstsein aufgewachsen, dass Deutsch-land ihre Heimat ist. Sie wurde in ein ihr völlig unbekanntes Land verfrachtet,

sprach kaum ein Wort türkisch. Am Tag da-nach stand in der Zeitung: »Abschiebungeiner Betrügerin«. Gazales Abschiebungnach 17 Jahren in Deutschland war nichtnur unverhältnismäßig, sondern in jederHinsicht ein Unrecht.

Gab es keinen juristischen Weg, Gazale die Rückkehr zu ermöglichen?

Wir haben es versucht, die Prozesse habenaber Jahre gedauert. Wir hatten gleich zuBeginn Erfolg beim Verwaltungsgerichtund waren deshalb Mitte 2006 fast sicher,Gazale würde nun zurückkehren können,aber das Niedersächsische Innenministe-rium wollte das juristische Verfahren un-bedingt weitertreiben. In der letzten In-stanz 2009 empfahl die Richterin am Bun-desverwaltungsgericht eindringlich eineLösung im Wege des Vergleichs. Darauf-hin hat das Innenministerium uns erst ein-mal gebeten, uns öffentlich still zu verhal-ten. Gemeinsam kam man überein, eineLösung über das Härtefallverfahren her-beizuführen. Das Verfahren scheiterte2011 dennoch durch die Enthaltung eineseinzigen Mitglieds der Kommission. Dashat Ahmed in abgrundtiefe Verzweiflunggestürzt. Er hatte früher als wir erkannt,dass es hier im Kern nicht um einen juris-tischen, sondern um einen politischenStreit ging. Zum Schluss hat ja dann auchder Landtagsbeschluss den Weg für dieRückkehr freigemacht.

Nie in die Opferrolle gefügtACHT JAHRE NACH DER ABSCHIEBUNG IST GAZALE SALAME WIEDER ZUHAUSE

2005 wurde die damals 24-jährige Gazale Salame schwanger, mit ihrer ein -jährigen Tochter, in die Türkei abgeschoben, während ihr Mann Ahmed mit denzwei älteren Töchtern in Deutschland zurückblieb. Acht Jahre lang kämpfte einUnterstützerkreis in Hildesheim für die Zusammenführung der zerrissenen Familie in Deutschland. Anfang März 2013 war es endlich so weit: Bei der An -kunft auf dem Flughafen in Hannover konnte Gazale ihre beiden – ohne sie großgewordenen – Töchter in die Arme schließen, Ahmed die beiden jüngeren Kinder.Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat den Fall von Anfang an intensiv begleitet.Mit dem Geschäftsführer Kai Weber blicken wir auf eine achtjährige Leidens -geschichte und den Kampf eines unbeirrbaren Unterstützerkreises zurück.

Flughafen Hannover in der Nacht zum 3. März 2013: Die Töchter Amina und Nura Ahmed Siala und die jüngeren Kinder Schams und Gazi

Anfangs wurden sogar die Unter -stützer kriminalisiert.

Ja, richtig. Die erste Demonstration zumJahrestag der Abschiebung zum Beispielwar schon skurril: Unsere Demo wurde vonder Polizei pausenlos gefilmt, angeblich,um »Straftäter« dingfest machen zu kön-nen. Wir waren ein relativ kleiner, bunter,überwiegend sehr bürgerlicher Haufenmit Fahrrädern und Kinderwagen. Wir gin-gen im Polizeispalier, ein dröhnender Hub -schrauber kreiste unablässig über uns. De-monstranten wurden festgenommen, weilauf Flugblättern der presserechtliche Ver-merk »v.i.S.d.P.« fehlte. Als Anmelder derDemonstration erhielt ich ein paar Tagespäter einen Strafbefehl, weil Demonstran-ten unerlaubt die Treppenstufen einesKirchvorplatzes betreten hatten.

Welche Rolle hat der Unterstützer-kreis gespielt?

Er war der Kern einer immer größer wer -denden zivilgesellschaftlichen Unterstüt-zergemeinde. Er hat intensiv und un -ermüdlich Aktionen und politische Vor-stöße geplant, das Leiden der Familiethematisiert und die Verletzung von Kin-der- und Menschenrechten angeklagt. Einige Mitglieder haben Gazale besucht,mit ihr telefonisch Kontakt gehalten, ihrzugehört und Mut gemacht. Wir habenSpenden gesammelt und über 4.000 Eurofür die Erstattung der Abschiebungskos-ten aufbringen können. Wir konnten Ga-zale mit monatlichen Überweisungen dasÜberleben in der Türkei erleichtern undzwischenmenschlich beim Neuanfang.

Wie haben die beiden Mädchen, diehier blieben, die Geschehnisse ver-kraftet?

Für Amina und Nura war die plötzliche Ab-schiebung ihrer Mutter natürlich einfurchtbarer Schock. Sie schliefen und lern-ten schlecht, hatten Angst, dass ihnen ihrVater ebenso überfallartig weggenom-men würde wie ihre Mutter. Ahmed hatdarauf geachtet, die traumatisierten Kin-der nicht zu überfordern. Sie wollten beiunseren Aktionen mithelfen, aber die öf-fentlichen Auftritte waren natürlich aucheine Belastung für sie.

Und Gazale?

Sie hat die Entwicklungen aus der Türkeiverfolgt und durchaus nicht jede Entschei-dung ihres Mannes geteilt. Verständlicher-weise hat sie sich manchmal im Stich ge-lassen gefühlt, bekam Depressionen, zeit-weise hatten wir wirklich Angst um sie.

Doch wie Ahmed hat sie sich nie als Opferin ihr Schicksal gefügt, sondern um ihreRechte gekämpft: Mehrfach bat sie diedeutsche Botschaft um ein Gespräch,zweimal wagte sie den illegalen Flucht-versuch zurück nach Deutschland, schei-terte aber an den Polizeikontrollen derFestung Europa. Ihre Tatkraft und ihr Mutlassen uns hoffen, dass sie die ihr zugefüg-ten Verletzungen verarbeiten kann.

Ändert der Fall die Abschiebungs- poli tik?

In Niedersachsen, so scheint es, ja. SeitFebruar haben wir eine neue Landesregie-rung, die einen humanitären Richtungs-wechsel vollzogen hat. In anderen Bun-desländern gibt es allerdings weiterhinskandalöse Familientrennungen durchAbschiebungen. Da ist auch die Bundes-politik gefordert, eindeutige Vorgaben zumachen.

»Ich habe darum gekämpft, dass meine Familie hier leben darf«Ahmed Siala nach der Rückkehr seiner Frau Gazale am 3. März 2013

■ »Meine Eltern mussten 1985 vor dem Krieg flüchten, aus der ›Hölle von Beirut‹. Sie haben unser Leben inDeutschland damals nicht planen können. Sie sind nicht sehr gebildet und sie hatten keine Wahl. Ich bin in

Deutschland aufgewachsen, für mich als Kind war das Leben in Ordnung. Bis ich eines Tages gemerkt habe, dasses doch nicht in Ordnung ist. Ich erinnere mich an meine Verwunderung, dass ich einen Antrag dafür stellen muss-te, dass meine Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Ich habe mein Leben gelebt, geheiratet, Kinder bekommen,mich selbstständig gemacht. 20 Jahre war ich in Deutschland. Und dann ging es plötzlich um Abschiebung.

Als meine Frau mit meiner einjährigen Tochter und schwanger abgeschoben wurde, sagten mir die Beamten: Dukannst ihnen doch hinterherziehen. Wohin, hab ich gefragt, ins Nichts? Was sollen wir in der Türkei, wir kennendas Land doch gar nicht, wir sprechen kein Türkisch, wir haben dort nichts. Wir leben hier.

Ich habe darum gekämpft, dass meine Familie gemeinsam hier leben darf. Zurück bleibt eine Wut auf die Politikerund die Beamten, die jahrelang verbissen versucht haben, an unserer Familie politische Härte zu demonstrieren,ein Exempel zu statuieren. Haben wir keine Rechte? Sind wir keine Menschen?

Ohne die Medien wäre die Rückkehr von Gazale und meinen beiden jüngeren Kindern heute nicht möglich ge -wesen. Ich danke Ihnen. Vor allem danke ich unseren Unterstützern und den vielen anderen Menschen, die unsacht Jahre lang nicht aufgegeben haben.«

Gazale Salame und ihre Tochter Amina Kai Weber und Gazale Salame © Anna Kristina Bauer

■ Das flüchtlingspolitische Engage-ment des Studentenpfarrers der

Matthäusgemeinde in Hildesheim, GerjetHarms, und seiner Ehefrau Luise beginntschon Ende der 80er Jahre: Als ein Teil derBürgerschaft aus Sorge um den Wert ihrerEigenheime gegen die Neugründung ei-nes Flüchtlingswohnheims im Gemeinde-gebiet opponiert, gründet die Matthäus-gemeinde einen Unterstützerkreis und organisiert in den nächsten Jahren prak-tische Solidarität mit den Flüchtlingen.

1990 werden die beiden Theologen mitdem Schicksal von sieben von Abschie-bung bedrohten Flüchtlingen aus Bangla-desch konfrontiert. Die Matthäus-Ge -meinde gewährt »Kirchenasyl« und sorgt gemeinsam mit der lokalen Franziskaner-Bruderschaft am Ende dafür, dass die Ben-galen bleiben dürfen. Es bleibt nicht daseinzige »Kirchenasyl« des streitbarenTheologenehepaars. Mal geht es darum,Zeit für eine bevorstehende Hochzeit zugewinnen, mal darum, für einen Jungen,der auf der Flucht von einem Jäger ange-schossen und am Fuß schwer verletzt wur-de, eine angemessene Krankenversor-gung durchzusetzen. Im Zuge eines wei-teren Kirchenasyls 2001 erhält PastorHarms Post von der Polizei: Die Staatsan-waltschaft Hildesheim verhängt wegen›Beihilfe zum illegalen Aufenthalt‹ aufGrundlage des sogenannten ›Schlepper-paragraphen‹ (§ 92a Ausländergesetz)eine Geldstrafe in Höhe von 5.250 Euro.Pastor Harms sei ein ›Wiederholungs täter‹.Harms wehrt sich – und erklärt im an-schließenden Gerichtsprozess, er habe auschristlicher Überzeugung gehandelt: »DieVerteidigung der Menschenwürde kannnicht strafbar sein.« Kirchenasyl undRechtsstaat müssten sich nicht widerspre-chen. Am Ende erhält die Familie im Kir-chenasyl die Flüchtlingsanerkennung unddas Strafverfahren gegen Pastor Harmswird gegen eine symbolische Geldauf lageeingestellt.

Ab 2005 beginnt die Unterstützung derFamilie von Gazale Salame, Ahmed Sialasowie ihrer Kinder: Das Ehepaar Harmsfehlt bei keiner Demonstration und kei-nem Gerichtsverfahren. Mit unzähligenMahnwachen, Protestveranstaltungen,Gottesdiensten und Demonstrationen or-ganisiert der Unterstützerkreis eine brei-te Solidarität für die Rückkehr von Gaza-le, Schams und Gazi, und Familie Harmsist immer dabei. Innenminister Uwe Schü-nemann wird in direkten Gesprächen undauf dem »Tag der Niedersachsen« mit den Konsequenzen der behördlich her-beigeführten Familientrennung konfron-tiert. Der Unterstützerkreis sammelt vier-einhalbtausend Euro zur »Erstattung derAbschiebungskosten«. Die Gerichtsver-fahren zur Durchsetzung eines Rückkehr-rechts verschlingen Unsummen, auch Ga-zale braucht Unterstützung in der Türkei.Luise Harms leistet regelmäßig telefoni-schen Beistand und wird im Laufe der Zeitzu einer Vertrauten Gazales. Im Herbst be-sucht das Ehepaar die abgeschobene Fraumehrfach in der Türkei und informiert darüber auch die Öffentlichkeit. Immerwieder werden Solidaritätskonzerte or -ganisiert und Spendenaufrufe gestartet, lokale und später auch die großen über-regionalen Zeitungen für den Fall interes-siert. Als am Ende eine politische LösungGestalt annimmt, hat der Unterstützer-kreis für die Heimkehrer schon längst eineWohnung angemietet, sich zur Unterhalts-sicherung verpflichtet, Kontakt zur ört -lichen Grundschule aufgenommen undweitere Pläne zur Unterstützung der Familie in den ersten Monaten gemacht.Die Stiftung PRO ASYL würdigt das auf-rechte und unbeirrbare philanthropischeEngagement von Luise und Gerjet Harmsam 14. September 2013 in Frankfurt/Mainmit dem Menschenrechtspreis.

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Menschenrechtspreis 2013 der STIFTUNG PRO ASYL LUISE UND GERJET HARMS – UNTERSTÜTZER VON GAZALE –ERHALTEN DEN MENSCHENRECHTSPREIS 2013

Die Rückkehr Gazale Salames acht Jahre nach ihrer Abschiebung aus Nieder -sachsen ist ohne Frage einer der großen Einzelfallerfolge der Flüchtlings -solidarität. Maßgeblich am Erfolg beteiligt ist eine Gruppe von ehrenamtlich Engagierten: Der »Unterstützerkreis für Gazale«, der sich unmittelbar nach der Abschiebung gegründet und all die Jahre nicht locker gelassen hat, um eine Rückkehr der abgeschobenen Frau mit ihren Kindern Schams und Gazi zu erreichen. Als Vertreter/innen dieser Initiative wird das Theologen -ehepaar Luise und Gerjet Harms in diesem Jahr mit dem Menschenrechtspreis,der »PRO ASYL-Hand«, ausgezeichnet.

Gerjet und Luise Harms

© pr

ivat

Eva Peteler

■ Ein überwältigendes »Weihnachts-geschenk« 2012 für Ebrahim Akmel

Temam, den jungen äthiopischen Flücht-ling im Kirchenasyl der Katholischen Stu-dentengemeinde in Würzburg: Der Präsi-dent des Bundesamtes für Migration undFlüchtlinge teilte kurz vor dem Fest in ei-nem Schreiben mit, dass die Bundesrepu-blik in Ebrahims Fall nun von ihrem soge-nannten Selbsteintrittsrecht Gebrauchmache, das Asylverfahren an sich zu zie-hen. Somit erhält Ebrahim den Status ei-nes Asylbewerbers in Deutschland und istnicht mehr von einer Abschiebung nachMalta bedroht!

Das bedeutet noch nicht einen gesicher-ten Aufenthalt, macht jedoch den Weg freifür ein geordnetes Asylverfahren inDeutschland. Und das ist nach mehr als ei-nem halben Jahr Kirchenasyl ein überwäl-tigender Erfolg, der manchen BeteiligtenFreudentränen in die Augen trieb. Es sindjedoch auch die Früchte eines immen-sen persönlichen Einsatzes vieler Aktiver, allen voran des Hochschulpfarrers Burk-hard Hose und der Pastoralreferentin Eli-sabeth Wöhrle. Getragen und unterstütztvon ihrem Team sowie von einem Netz-werk vieler Engagierter schufen sie in derKHG für Ebrahim ein Zuhause, das ihm eingänzlich anderes Gesicht von Deutschlandzeigte als das, was die meisten Flüchtlin-ge erfahren.

»Als Begründung für die Entscheidung desBundesamtes nennt dessen Präsident diebesondere Schutzbedürftigkeit Akmel Temams auf Grund einer erheblichen Er-krankung. Ärztliche Stellungnahmen, diewährend der Zeit des Kirchenasyls erstelltworden waren, haben bestätigt, dass derjunge Äthiopier durch die Erfahrungenseiner sechsjährigen Flucht schwer trau-matisiert ist«, so Burkhard Hose. Er weist

darauf hin, dass nur durch das Kirchenasylfür Ebrahim die Möglichkeit geboten war,sein besondere Schutzbedürftigkeit nach-zuweisen und dies der verantwortlichenBehörde angemessen mitzuteilen. Ohnedas große Engagement ehrenamtlicherpsychologischer und medizinischer Un-terstützerInnen wäre dies nicht möglichgewesen. Dem bleibt hinzuzufügen, wohldem Flüchtling, dem dieses Glück beschie -den ist. Wie viele bleiben wohl ungehört,ohne Hilfe und Hoffnung …

Wie gesagt, es braucht viele Helfer undFreunde, um mit der zwar von Hoffnunggetragenen, aber dennoch belastendenSituation im Kirchenasyl fertig zu werden.Neben dem ganzen Team der KHG unddem Rechtsanwalt Joachim Schürkens wa -ren viele der ehrenamtlichen Unterstütze-rInnen und Freunde Studenten. Derengroßem Engagement trotz der hohen Be-lastung durch das Studium zollte BurkhardHose mehrfach großen Respekt. Sie alleinvestierten viel Zeit und Herzblut, um

Ebrahim seine Zeit im »Gefängnis« so er-träglich wie möglich zu machen. Es waraber weit mehr als das: So spannten sieein Netz mitmenschlicher und christlicherSolidarität wider eine menschenverach-tende europäische Asylpolitik, die mit ihrer Dublin II-Verordnung Menschen im-mer wieder entwurzelt und völlig unsin-nig kreuz und quer durch den Kontinentverschiebt wie Frachtgut.

Und Ebrahim, glücklich über die uner -wartete und doch so ersehnte Wendung?»Rausgehen und herumlaufen, das ist jetztdas Schönste! Sich frei fühlen und gutschlafen können!« So einfach kann es seinmit dem Glück.

Ende: gut!

Kirchenasyl ist Menschenrechtsschutz

■ »Kirchenasyl« ist auch dreißig Jahren nach seiner Entstehung ein Instrument des aktiven Flüchtlingsschut-zes von Kirchengemeinden. Viele Kirchenasyle sind »still«, insofern sie zwar den Behörden bekannt ge-

macht, aber meist aus pragmatischen Gründen aus der Presse herausgehalten werden. Allein in Norddeutschlandsind es im Frühjahr 2013 bis zu zwölf Kirchenasyle. Dabei geht es vor allem um den Schutz von Menschen, dieschon viele Jahre hier leben. Aber zunehmend führen auch Dublin-II Fälle, wo eine Rückschiebung innerhalbEuropas aus humanitären Gründen problematisch ist und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leider vomSelbst eintrittsrecht nicht Gebrauch machte, zu »Kirchenasyl«.

Der Kirchenasylbewegung ist es mit zu verdanken, dass die Härtefallregelung ins Zuwanderungsgesetz hinein-kam, über die in den letzten Jahren zum Glück viele Fälle gelöst werden konnten. Doch immer wieder gibt es neueEinzelfälle, in denen Menschen die Hilfe von Kirchengemeinden erbitten. Auch die seit Herbst 2012 durchgeführ-ten Asylschnellverfahren bei Roma aus Serbien und Mazedonien führen im Einzelfall, weil sonst kaum Zeit für eineBeweissicherung bleibt, immer wieder zu Kirchenasyl.

Inzwischen nehmen in den Großstädten auch sogenannte »Gästewohnungen« zu, die kirchlich finanziert, Men-schen ohne Papiere aufnehmen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen in einer Notlage befinden. Ihnen beizu -stehen, ihnen medizinische Versorgung zukommen zulassen, sie in Ruhe zu beraten, braucht oftmals einen siche -ren Schutzraum. Humanitäre Hilfe ist in diesen Fällen Menschen-rechtsschutz, denn Menschenrechte sind unteilbar und vonkeinem Aufenthaltsrecht abhängig.

■ Fanny Dethloff, Pastorin und Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche in Hamburg

Wieder einmal hat sich der Einsatz gelohnt: Ende 2012 endet in Würzburg ein Kirchenasyl erfolgreich. Nötig war es, um eine Abschiebung nach der Dublin-II-Verordnung zu verhindern. Wir dokumentieren den Artikel aus dem Magazin Heimfocus 12 - 2/2013 (www.heimfocus.net)

Ebrahim Akmel Temam © Eva Peteler

Daniel Steinmaier

■ Die Chancen, dass sich Asylsu -chende in Deutschland gegen ih -

re Le bensbedingungen wehren, stehenschlecht. Wie soll man sich zu Wort mel-den, wenn man in einem abgelegenen Lager leben muss? Wenn man keine Hilfebeim Spracherwerb erhält, kaum Geld hatund der Residenzpflicht unterliegt? Undeine ungewisse Zukunft vor sich hat undoft traumatische Erlebnisse hinter sich?

Trotz alledem gab es in Deutschland im-mer Flüchtlinge, die sich in selbstorgani-sierten Initiativen zusammenschlossen, umgegen das Leben in Lagern aufzubegeh-ren, gegen die Residenzpflicht zu protes-tieren oder um Abschiebungen zu verhin-dern. Aber dass sich Flüchtlinge deutsch-land- und europaweit organisieren, überMonate hinweg mit medienwirksamenAktionen an die Öffentlichkeit treten undschließlich als eigene politische Bewegungwahrgenommen werden, ist neu.

Im Januar 2012 nimmt sich der iranischeFlüchtlinge Mohammed Rahsepar in derWürzburger Gemeinschaftsunterkunft dasLeben. In der Folge ziehen Flüchtlinge ausder »GU« aus, um mitten in der Würz -burger Innenstadt mit einem tagelangenHungerstreik auf ihre verzweifelte Lageaufmerksam zu machen. Sie fordern dasEnde der Lagerunterbringung, die Ab-schaffung der Residenzpflicht und Schutzvor politischer Verfolgung. Zeitweise nä-hen sich einige von ihnen die Mundwin-kel zu.

Die Bilder der Asylsuchenden mit den zu-genähten Lippen gehen durch sämtlicheMedien, das Thema »Asylbewerber inDeutschland« ist plötzlich ganz aktuell.Zugleich schockt die Aktion auch viele Unterstützerinnen und Unterstützer der

Flüchtlinge. Wie weit würden dieHungerstreikenden gehen? Kannman es verantworten, geschwäch-te Hungerstreikende, die teils so-gar das Trinken verweigern, in ihrem Protest zu bestärken, ohnemitschuldig zu werden, sollten siegesundheitliche Schäden oder garihr Leben riskieren? Was tun, wennsich die politisch Verantwortlichen– wie realistischerweise zu erwar-

ten – den Forderungen der Flüchtlingeverschließen und die Hungerstreiks eska-lieren?

Aber die Proteste der Flüchtlinge verän-dern sich – und weiten sich aus. Schon

Überhören war gestern

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Januar 2012: In der Würzburger »Gemeinschaftsunterkunft« erhängtsich der iranische Flüchtling Moham-med Rahsepar. Daraufhin demonstrie-ren Flüchtlinge in Würzburg gegen die ihnen aufgezwungenen Lebens - verhältnisse. © Bayerischer Flüchtlingsrat

Die Flüchtlinge errichten in der Würz-burger Innenstadt ein Protestzelt undtreten darin in den Hungerstreik. © www.facebook.com/GUStreik

Einige der Flüchtlinge treten vor demBrandenburger Tor öffentlich in denHungerstreik. Zelte zu errichten wird ihnen verboten, die Polizei nimmt den Hungerstreikenden Decken undIsomatten ab. Der Polizeieinsatz sorgtbundesweit für Empörung. © flickr / cephir

8. Dezember 2012: In Österreich marschieren Asylsuchende von der Erst-aufnahmestelle Traiskirchen nach Wienund errichten im Sigmund-Freud-Parkein Protestcamp, das von der Polizei geräumt wird. Daraufhin besetzenFlüchtlinge elf Wochen lang die WienerVotivkirche. © Daniel Weber

2012 haben bundesweit Flüchtlinge nachdrücklich und ausdauernd gegen die ihnen aufgezwungenen Lebensumstände und Restriktionen aufbegehrt. Trotz aller widrigen Umstände und Schikanen ebben die Proteste nicht ab. Sie haben sich längst zu einer eigenen politischen Bewegung entwickelt.

bald gibt es ähnliche Protestcamps wie in Würzburg, oft ohne Hungerstreiks: in Regensburg, Bamberg, Aub und Düssel-dorf, in Frankfurt am Main, Passau, Nürn-berg, Osnabrück, Sinsheim, Freudenstadt,Berlin und vielen anderen Orten. Im August organisieren die Flüchtlinge ausden verschiedenen Städten einen ge -mein samen Protestmarsch nach Ber-lin – samt Kampag nen-Material, eigenemPresse telefon, Homepage und Facebook-Seite, am 8. September 2012 geht es los.

In Berlin angekommen ist ihre Demons-tration nicht vorbei. Auf dem KreuzbergerOranienplatz errichten die aus vielen Städ-ten zusammengekommenen Flüchtlinge

ein Protestcamp – ein Basislager für wei-tere Aktionen, Informationsveranstaltun-gen und Diskussionen. Das Camp hält sichüber den gesamten Winter. Lieber mittenin Berlin im Zelt protestieren als im abge-legenen Lager fernab der Öffentlichkeitdahinvegetieren, sagen Flüchtlinge in dieMikrofone der vielen Journalisten, die sichfür das Camp interessieren.

Auf dem Oranienplatz wird das Protest-camp bis heute toleriert. Anderswo tref-fen die Flüchtlinge auf harten Widerstand.Als ein Teil der Flüchtlinge Ende Oktobervor dem Brandenburger Tor in den Hun-gerstreik tritt und damit den Protest an ei-nen Ort trägt, an dem er sich unmöglich

ignorieren lässt, nehmen Polizisten denüber Wochen am Pariser Platz ausharren-den Flüchtlingen alles ab, was vor Kälteschützt: Decken und Isomatten, sogar Taschen, da diese als Sitzgelegenheitengenutzt werden könnten.

Währenddessen versuchen auch Neona-zis und Rechtspopulisten die Flüchtlings-proteste anzugreifen. Die NPD versuchtam Brandenburger Tor direkt neben denprotestierenden Flüchtlingen mit einerKundgebung Stimmung gegen Asyl su -chende zu machen, doch den etwa 15Neonazis stellen sich spontan rund 200Gegendemonstranten entgegen. Aucheine Kundgebung der Rechtspopulistenvon »Pro Deutschland« gegen angebli-chen Asylmissbrauch geht im November2012 am Brandenburger Tor in Buh-Rufenvon rund 200 Menschen unter. Die Hoff-nungen der Rechten, die Flüchtlingspro-teste könnten rassistische Reaktionen pro-vozieren und ihnen damit in die Händespielen, gehen nicht auf. Im Gegenteil: DieAktionen der Rechtsextremen sorgen vorallem dafür, dass sich immer mehr Men-schen mit den Flüchtlingen solidarisch er-klärten.

Auch der Versuch der Polizei, die Kundge-bung der Flüchtlinge vor dem Branden-burger Tor durch überzogene Auflagen zuunterbinden, scheitert. Zunächst berich -ten zahlreiche Netzaktivisten auf Twitterüber die Schikanen. Schließlich berichtenauch ARD und ZDF darüber. Auch auf-grund des überzogenen Polizeieinsatzeswerden die Flüchtlingsproteste in denüberregionalen Medien immer präsenter.Doch der große politische Erfolg bleibtaus. Ein Gespräch protestierender Flücht-linge mit Bundestagsabgeordneten ver-läuft ohne Ergebnis. Die Bundesregierunghält bisher an der Residenzpflicht ebensofest wie am Asylbewerberleistungsgesetz,das vorsieht, dass Asylsuchende und Ge-duldete mit Sachleistungen abgespeistwerden. Noch immer ziehen sich vieleAsylverfahren über viele quälend langeMonate hin. Nicht selten werden Anträgevon Asyl suchenden trotz plausibler Be-gründungen abgelehnt.

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Vom 8. September bis zum 5. Oktobermarschieren die Flüchtlinge aus denverschiedenen Städten nach Berlin, ander Glienicker Brücke betreten sie dieBundeshauptstadt. © thecaravan.org

Am 6. Oktober erreichen rund 70 Flücht-linge und 100 Unterstützer Berlin. Auf dem Kreuzberger Oranienplatz errichten sie ein Protestcamp, das bisheute besteht. © asphalttiger.wordpress.com

In München veranstalten die Flücht -linge vom 1. bis zum 3. März 2013 einenFlüchtlingskongress, um sich auszu -tauschen und politische Perspektivenzu diskutieren. © refugeecongress.wordpress.com

Flüchtlinge vom Camp auf dem Oranien-platz gehen mit zwei Kleinbussen auf»Refugee Revolution Tour« , um mitKundgebungen in vielen Städten aufdie Situation von Flüchtlingen aufmerk -sam zu machen. Vielerorts werden sievon der Polizei bedrängt: In Karls ruhe,Köln und Neumünster wurden Teilneh-merinnen und Teilnehmer der Bustourfestgenommen , einige werden verletzt.© flickr / Fotoprojekt Köln / Marco Pietta

Zeitgleich gibt es aber 2012/2013 eine Rei-he von kleinen Verbesserungen in denLändern: Die Residenzpflicht wird in fastallen Bundesländern gelockert. Die Inte-grationsministerkonferenz beschließt imMärz 2013, dass Asylsuchenden künftigIntegrationskurse offen stehen sollen.Zahlreiche Kommunen entscheiden An-fang 2013, Flüchtlingen künftig die demü-tigenden Sachleistungen zu ersparen. Bre-men beschließt, dass Asylsuchende früherin eigene Wohnungen ziehen dürfen. Klei-ne Schritte, die andeuten, dass die Politikder Ausgrenzung von Flüchtlingen aufmehr und mehr Unverständnis stößt.

Dazu hat die Flüchtlingsbewegung einenwichtigen Teil beigetragen. Auch wennunter Berichten über die Proteste in denKommentarspalten des Internets der ras-sistische Mob tobt – wie immer, wenn imInternet irgendwo auch nur ansatzweisevon Asyl und Migration die Rede ist – haben die Proteste bei zahlreichen Men-schen, die mit dem Thema Asyl zuvorkaum in Berührung kamen, Empathie undVerständnis für Flüchtlinge geweckt – undUnverständnis für deren systematischeAusgrenzung.

Für diesen Erfolg kann man viele Gründeanführen. Das Internet, das die Vernetzungerleichtert und das öffentliche Aufmerk-

samkeit ermöglicht, noch bevor das Fern-sehen berichtet. Das Vorbild der Occupy-Bewegung, die vormachte, dass mandurch Protestcamps viel mehr erreichenkann als durch kurze Kundgebungen. Dieoft brutalen Polizeiaktionen gegen den zivilen Ungehorsam der Flüchtlinge, diein einer breiten Öffentlichkeit für Empö-rung sorgten. Vor allem aber war und istes das hartnäckige Engagement der pro-testierenden Flüchtlinge und ihrer Unter-stützerinnen und Unterstützer. Während2012 noch viele fürchteten, die Protestewürden nach und nach sang- und klang-los versanden, scheint das 2013 kaumnoch vorstellbar.

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Residenzpflicht: Gefangen im Gestrüpp der Lockerungen

■ In fast allen Bundesländern wurde siemittlerweile gelockert: Die Residenz-

pflicht, die es Flüchtlingen verbietet, eine be-stimmte Region zu verlassen, solange sie nichtvorher von den Behörden eine »Verlassenserlaub-nis« bekommen. Aber ist diese europaweit ein-zigartige diskriminierende Regelung gegenüberAsylsuchenden und Geduldeten damit vom Tisch?

Keineswegs. Zwar wurde der legale Aufenthalts-bereich in vielen Bundesländern auf das gesam-te Gebiet des jeweiligen Landes ausgedehnt –aber meistens dürfen sich selbst dann nicht alleAsylsuchenden und Geduldeten frei im Bundes-land bewegen. Wirft etwa eine Ausländerbe -hörde Asylsuchenden einen »Verstoß gegen Mit -wirkungspflichten« vor, kann sie ihnen nach wie vor verbieten, eine bestimmte Region zu verlas-sen: Die Residenzpflicht hat sich so vielerorts von einer pauschalen Schikane zum einem beliebiganwendbaren Sanktionsmittel gewandelt.

Auch abgesehen davon besteht die »Residenz-pflicht« fort. Abgeschafft ist sie erst, wenn alleFlüchtlinge ihr Menschenrecht auf Bewegungs-freiheit wahrnehmen können: »Jeder Mensch hatdas Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu be-wegen«, heißt es in Artikel 13 der UN-Menschen-rechtskonvention.

■ Einen bundesweiten Überblick über den Stand der Residenzpflichtregelungen finden Sie unter www.proasyl.de/residenzpflicht.

Erweiterung des Aufenthalts bereichs auf das Bundesland

Erweiterung auf Regierungs bezirk

Erweiterung auf angrenzende Landkreise

Noch keine Änderungen

Änderungen der Bundesländer bei der Residenzpflicht

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Bernd Mesovic

■ Die Überschrift klingt so selbstver-ständlich wie provokativ. Doch es

vergingen 20 Jahre, bis das Bundesverfas-sungsgericht am 18. Juli 2012 nicht nurentschied, dass das Asylbewerberleis-tungsgesetz in zentralen Teilen verfas-sungswidrig ist, sondern den deutlichenSatz formulierte: »Die Menschenwürde istmigrationspolitisch nicht zu relativieren.«20 Jahre lang jedoch wurde reichlich re -lativiert und die Verelendung von Asyl -suchenden und anderen Menschen, dieunter das Asylbewerberleistungsgesetzfallen, staatlich organisiert. Das Urteil desBundesverfassungsgerichts ist kein Trostfür diejenigen, die unter dieser Verelen-dungsstrategie gelitten haben. Und auchnach der Entscheidung bleibt viel zu tun,um dem Programmsatz aus Karlsruhe Ge-nüge zu tun. Denn nicht Einzelheiten desGesetzes sind der Fehler. Das Asylbewer-berleistungsgesetz als Ganzes muss ab-geschafft werden.

Die geltenden Leistungssätze sind evidentunzureichend, so das Bundesverfassungs-gericht. Bei einer Neuregelung muss derGesetzgeber die Leistungshöhe nachvoll-ziehbar und bezogen auf einzelne Bedar-fe rechnen – in existenzsichernder Höhe.Karlsruhe hat deutlich gemacht, dass esmit der Behauptung, die Bezieher vonAsylbewerberleistungen hielten sich nur

vorübergehend in Deutschland auf, seinBewenden nicht wird haben können. Be-trachtet man die Personengruppen, dieAsylbewerberleistungen beziehen, dannzeigt sich, dass unter ihnen viele Gedul-dete und Personen mit einer humanitärenAufenthaltserlaubnis sind. Und auch beiden Geduldeten, bei denen man noch amehesten an einen kurzzeitigen Aufenthaltdenken könnte, zeigt die Statistik: Knappdie Hälfte von ihnen lebt seit mehr alssechs Jahren in Deutschland. Das Bundes-verfassungsgericht sah in allem, was vonSeiten der Bundesregierung vorgetragenworden war, keinen Beleg dafür, dass dievom Asylbewerberleistungsgesetz erfass-ten Personen sich typischerweise nur fürkurze Zeit im Lande aufhalten.

Über andere Aspekte der Versorgung vonFlüchtlingen hatte Karlsruhe nicht zu ent-scheiden. Für viele Betroffene ist die ge-setzlich beschränkte Gesundheitsversor-gung ein gravierendes Problem, ebensowie die Ausgabe von Sachleistungen zurExistenzsicherung. Lebensmittelpakete,Gutscheine oder Gebrauchtkleidung wir-ken im Alltag diskriminierend. In vielenFällen sind sie auch nicht bedarfsdeckend.Zumindest verlangt Karlsruhe, dass dieSachleistungen damit keinen geringerenGegenwert haben dürfen als Geldleistun-gen. Wenig hat sich das Bundesverfas-sungsgericht auch zu Leistungseinschrän-kungen geäußert, die als Sanktion ver-

hängt werden, wenn unterstellt wird, dieBetreffenden hätten ihre Abschiebungselbst verhindert oder seien mit dem Zielnach Deutschland gekommen, Leistun-gen zu beziehen. Solche Sanktionen aberhaben durchaus den Charakter einer migrationspolitischen Relativierung. Mandarf deshalb an ihrer Verfassungsmäßig-keit mit Fug und Recht zweifeln.

Die Sachleistungspraxis ist in den letztenJahren immer liberaler geworden, auf Landesebene gibt einzig Bayern noch einerestriktive Linie vor. Wo die Menschenwür-de der Leistungsbezieher durch Lebens-mittelpakete oder Gutscheine tangiert ist,wird es vor Ort unruhig bleiben. Inzwi-schen haben mehrere Bundesländer Bun-desratsinitiativen mit dem Ziel einer Ab-schaffung des Asylbewerberleistungsge-setzes in den Bundesrat eingebracht.

Die Bundesregierung hingegen hat Ende2012 einen Gesetzentwurf vorgelegt, derweit davon entfernt ist, die noch bestehen -den Ungleichbehandlungen abzuschaf -fen, sondern weiterhin migrationspolitischrelativiert. Selbst für Menschen mit huma-nitärer Aufenthaltserlaubnis sollen die ge-minderten Leistungen des Asylbewerber-leistungsgesetzes weiterhin gelten. Erstnach zwei Jahren sollen die regulären Sozialhilfesätze gewährt werden – zweiJahre früher als bisher. Es soll bei medizi-nischer Notversorgung, bei Sachleistun-gen und Sanktionsmöglichkeiten bleiben.PRO ASYL hat Bundesinnenminister Fried-rich vorgeworfen, erneut zu versuchen,das So zialhilferecht als Mittel der Abschre-ckung zu instrumentalisieren. Der Bundes-innenminister hatte Ende November 2012die Idee propagiert, Asylantragstellern ausHerkunftsländern, in denen es angeblichkeine politische Verfolgung gibt, eine geringere Unterstützung zu zahlen. Diessei nötig, um die Einreise aus asylfremden,insbesondere wirtschaftlichen Motiven,zu bekämpfen. Die Begründung liest sichwie vor 20 Jahren. Der Gesetzentwurf undseine populistische Flankierung sind einAffront gegen Karlsruhe, der so nicht ste-hen bleiben kann.

Im Juli 2012 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die reduzierten Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) weder mit der Menschenwürde noch mit dem Sozialstaatsprinzip zu vereinbaren sind. Es stellte erstmals klar, dass das Recht auf ein menschenwürdiges Existenz minimum nicht vom Aufenthaltsrecht abhängig gemacht werden kann. Die Einsicht, dass das Gesetz damit endgültig seine Berechtigung verliert, setzt sich zunehmend durch. Beim Bundesinnenminister ist sie indes noch nicht angekommen.

Auch Flüchtlinge haben eine MenschenwürdeNACH DEM VERFASSUNGSGERICHTSURTEIL ZUM ASYLBLG

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Angelika Calmez

■ Das Bundesinnenministerium be-klagt einen Anstieg rechtsextremer

Straftaten und warnt vor einer dramatischsinkenden Hemmschwelle zur Gewalt. Sierichtet sich immer wieder auch gegenFlüchtlinge. So weist die jährliche Statis-tik der Beratungsstellen für Opfer rechterGewalt einen Anstieg rassistisch motivier-ter Gewalt auf. Viele Kommunen suchenderzeit nach Unterkünften für Asylsuchen-de. Im letzten Jahr wurde dieser Umstandverstärkt von Rechtsextremen für rassis ti -sche Stimmungsmache missbraucht. Dochauf lokaler Ebene spielen oft auch Bürgerund sogar Parteien der bürger lichen Mit-te ein gefährliches Spiel: Bei Diskussions-veranstaltungen gibt man sich bürgernah,indem man rassistische Scheinargumen-te wie die vermeintliche Bedrohung durchKriminalität nicht entkräftet und ihnenbreiten Raum gewährt. Im schlimmstenFall kommt es zum Schulterschluss mit denRechtsextremen. So geschehen in Rudow,einem Bezirk von Berlin-Neukölln, woRechtsextreme ungehindert an einer Bür-gerversammlung mit dem Titel »Asylbe-werberheim in Rudow?« teilnahmen.

Eingeladen zu der Veranstaltung am 9. Ok-tober 2012 hatten der Rudower CDU-Ab-geordnete Hans-Christian Hausmann undeinige christdemokratische Bezirksverord-nete. Rund 150 Menschen waren gekom-men, darunter auch der NPD-Kreisvor -sitzende aus Neukölln, Sebastian Thom.Gegen ihn ermittelte die Polizei bereits imZusammenhang mit dem NW (»Natio -nalen Widerstand«) Berlin, der mutmaß-lich just am Morgen des 9. Oktober einFlüchtlings lager im nahe gelegenen Waß-mannsdorf attackierte. Ein Glasbehältermit brauner Farbe flog durch die Fenster-scheibe und verfehlte glücklicherweisezwei schlafende Hausbewohnerinnen. DieTäter hinterließen die gesprühte Drohung»Rostock ist überall«, den Schriftzug »NWBerlin« und ein Hakenkreuz auf der Fas -sade.

Zu der Versammlung am Abend berichtendie Neuköllner Grünen auf ihrer Home -page, die Vorsitzende Francisca Fackeldeyhabe Gastgeber Hausmann auf die An we -senheit von Thom aufmerksam gemacht.Statt den Neonazi hinauszuweisen, habeHausmann geantwortet: »Dies ist eine Bürgerversammlung, bei der alle Demo-kraten mitdiskutieren können. Und da dieNPD keine verbotene Partei ist, sehe ichhier nicht Ihr Problem.«

Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte 2012

+++ Waßmannsdorf: 12. Mai – Unbekannte stecken zwei Kinderwagen in Brand; 9. Oktober –Wurf eines Farbbehälters durch das Fenster einer schlafenden Bewohnerin; Nazischmierereien+++ Wolgast: 29. August – Nazisprühereien; 5. Oktober – Wurf mit einem Feuerwerkskörperauf das Gebäude +++ Güstrow: 2. Oktober – Anschlag mit Buttersäure auf das Gebäude einergeplanten Flüchtlingsunterkunft +++ Beelitz: Sylvesternacht 2013 – Brandanschlag auf dasGebäude einer geplanten Flüchtlingsunterkunft +++

Rassistische GewaltIn der Debatte um Flüchtlings -unterkünfte spielt vielerorts die bürgerliche Mitte mit den rassistischen Ressentiments derBevölkerung. Vor dem Hinter-grund der rechtspopulistischenÄußerungen des Bundesinnen -ministers gegen »Asylmissbrauch«kann das Klima leicht wieder inGewalt gegen Flüchtlinge um-schlagen – wenn nicht engagierteBürger dazwischen treten.

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Gegenüber der Presse stritt Hausmanneine rassistische Stimmung bei der Ver-sammlung ab, der Hinweis auf die an -wesenden Rechtsextremen sei zudem nurvage gewesen. Laut dem ZEIT-Blog »Stö-rungsmelder« sollen sich allerdings zahl-reiche Besucher aggressiv und mit rechts-populistischen Aussagen ereifert haben:»Die anwesenden Rudower sehen ihredörfliche Idylle gestört, würden die Flücht-linge am liebsten auf das TempelhoferFeld oder den Rütli Campus schicken. Einer sagte, ›Wenn schon nach Rudow,dann in die Einflugschneise, damit sieschnell wieder abhauen.‹ Zwei Vertretervon Flüchtlingsrat und den Grünen wur-den hingegen niedergebrüllt.« WenigeWochen später hatte die Berliner NPDnach eigenen Aussagen in Rudow bereitsTausende Flyer gegen das »Asylanten-heim« verteilt.

Der Standort wurde inzwischen aufge -geben. Zurück bleibt der Eindruck, dass inRudow wie bei vielen anderen »Bürger-versammlungen« zum Thema Unterbrin-gung ein gefährlicher Rassismus-Cocktailaus Ressentiments der Mitte und der Tat-bereitschaft rechtsextremer Kreise zusam-mengerührt wird.

Gleiches drohte auch im brandenburgi-schen Wandlitz – letztlich aber mit über-raschend positiver Wendung. Nachdemdort Pläne für eine Flüchtlingsunterkunftbekannt wurden, hatte sich auch dort eineBürgerinitiative mit dem Ziel gegründet,die Unterkunft zu verhindern. Die Wand-litzer Initiative gab sich einen humanisti-schen Anstrich, sie sammelte Unterschrif-ten für eine »menschenwürdige«, dezen-trale Unterbringung von Asylbewerbernim gesamten Kreis Barnim. Wie sehr es denInitiatoren der Bürgerinitiative tatsächlichum die Menschenwürde ging? Auf den In-ternetseiten der Märkischen Oderzeitungbeschreiben sie ihre Beweggründe:

» … Die Standortbestimmung des Land-rates für ein Asylbewerberheim mit 40-50Plätzen an der Bernauer Chaussee, genaugegenüber dem Waldhotel Wandlitz, be-ängstigt viele Anwohner. Sie haben Angstvor Rüpeleien und Gewaltexzessen ewiggestriger und dem Verlust an Wohnquali-

tät sowie ihrer Immobilienwerte. Die Ge-schäftsführung des Hotels fürchtet um ih-ren Geschäftsstandort und die Angestell-ten um ihren Arbeitsplatz …« 

Fast 400 Unterschriften überreichte manbei der einer offiziellen Bürgerversamm-lung am 5. November dem Kreisrat. Unddoch sollte der emotionsgeladene Abenddas Blatt in Wandlitz zugunsten derjeni-gen wenden, die die Flüchtlinge willkom-men heißen wollen. Der »Tagesspiegel«,die »Berliner Zeitung«, und ein Augenzeu-ge berichten: Da war die mutige Bürger-meisterin, die sich nicht scheute, anwe-senden Rechtsextremen schnell das Re-derecht zu entziehen. Und dann war daMathis Oberhof. Der Wandlitzer wurde erstausgebuht, aber er setzte sich durch undsagte offen, was er dachte: Dass vieleFlüchtlinge beim Versuch, nach Europa zugelangen, ihr Leben verlieren. Und dassseine Großeltern nach dem Krieg selbstFlüchtlinge waren, die vor verschlossenenTüren standen. Oberhof war nicht der ein-zige Befürworter der inzwischen bereitsbewohnten Flüchtlingsunterkunft. Abersein Beitrag war der eindrücklichste, ihmgelang es, die Stimmung zu drehen. Erversprach, sich selbst für die Flüchtlingezu engagieren – unter anderem mit einemAngebot für Deutschunterricht. Tags da-rauf stand sein Telefon nicht mehr still,Nachbarn boten Hilfe an. In Wandlitz unterstützen jetzt viele Bürgerinnen undBürger im Rahmen des »Runden Tischesfür Toleranz« die Flüchtlinge tatkräftig. Sie betreuen Kinder und begleiten Eltern zu Behördengängen. Eine Rentnerin liestFlüchtlingskindern vor, ihr Mann hilft, dievielen gespendeten Fahrräder zu reparie-ren. Der »Berliner Zeitung« sagte Oberhof:»Ich weiß, dass es die Stimmen der Intole-ranz immer noch gibt. Aber sie habennicht die Hoheit über Wandlitz gewon-nen.«

Wo es keine Initiativen wie in Wandlitz gibt, die die Lagerisolation durchbrechen, ist der Alltag für sehr viele Flüchtlinge

deprimierend. Mit ihrem Comic »Im Land der Frühaufsteher« hat Paula Bulling den tristen Alltag in Flüchtlingslagern sichtbar gemacht. Dieses Bild aus dem Buch zeigt

die Zentrale Aufnahmestelle in Halberstadt und Bullings Ko-Autor Noel Kaboré.

■ 626 Fälle politisch rechts motivierter Gewalt in Ostdeutschland haben die Beratungsstellen für

Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewaltim vergangenen Jahr in den neuen Bundesländern undBerlin* registriert. Dies sind zwar rund 11 Prozent weniger, als 2011. Ausgesprochen besorgniserregenderscheint allerdings den Anstieg rassistischer Gewalt-taten um mehr als 20 Prozent (2012: 276; 2011: 226).Laut Bundesinnenministerium stieg die Zahl rechts motivierter Straftaten 2012 um vier Prozent. Das Minis -terium zählt seit der Wiedervereinigung 63 Todesopferrechtsextremer Gewalt. Diese Zahl gilt als weit zu nied-rig. Der Opferfonds Cura zählt 183 Todesopfer seit 1990.

* In den alten Bundesländern gibt es kein entsprechendes unabhängiges Monitoring rechter Gewalttaten.

gegen Flüchtlinge

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Marei Pelzer

■ Unter Abschiebungshäftlingen inDeutschland sind immer mehr Asyl-

suchende. In grenznahen Haftanstalten –wie in Rendsburg oder Eisenhüttenstadt– haben bis zu 90 Prozent der Inhaftierteneinen Asylantrag gestellt. In anderen Ge-genden sind es geschätzt regelmäßig 50Prozent. Dass Schutzsuchende trotz ihresAsylantrages inhaftiert werden, liegt amEU-Zuständigkeitssystem Dublin. Von ih -rer Einreise nach Deutschland bis zurzwangsweisen Überstellung in den nachder Dublin-Verordnung für den Asylantragzuständigen EU-Staat befinden sich dieBetroffenen in Haft.

Einen angemessenen Umgang mit Flücht-lingen stellt das Wegsperren nicht dar. Wervor Krieg, Gewalt oder Folter flieht, derbraucht Lebensbedingungen, die eine Er-holung ermöglichen. Von den Asylsuchen-den sind bis zu 70 % Prozent traumatisiert.Was aber macht das Eingesperrtsein unddie Rund-um-die-Uhr-Bewachung mit je-mandem, der eigentlich eine Behandlungnötig hätte? Trauma-Spezialisten sind inden Haftanstalten nicht verfügbar. Über-haupt findet keine systematische psycho-logische Betreuung der Inhaftierten statt.Die Menschen sind meist sich selbst über-lassen. In der Justizvollzugsanstalt in Ham-burg hat man einen multilingualen Sozi-alarbeiter eingestellt, nachdem es zu meh-reren Suiziden in Abschiebungshaft kam.

Dauergesprächspartner als Prävention.Dies ist kein Weg zur Heilung, sondern umdas Schlimmste zu verhindern.

Spezifische Probleme ergeben sich darü-ber hinaus für weitere besonders verletz-liche Gruppen. Die zurückgehenden Haft-zahlen können insbesondere für Frauenbedeuten, dass sie allein, also ohne Mit-gefangene, eingesperrt werden. DiesesProblem der Isolationshaft entsteht, wenndie geringe Anzahl inhaftierter Frauen, wievom EU Recht vorgeschrieben, getrenntvon den Strafhäftlingen untergebracht

wird. Familien werden für den Vollzug derAbschiebungshaft häufig auseinander -gerissen – dies stellt ebenfalls ein großesProblem dar. Als besonders verletzlicheGruppen sind zudem insbesondere Min-derjährige und Transsexuelle einzustufen,für die die Haft an sich jeweils unterschied-liche Gefährdungen bedeuten kann.

BEDINGUNGEN DER HAFT

Der Alltag stellt sich in den meisten Haft-anstalten noch trist und deprimierend dar.Die Betroffenen werden in kleine Zellenweggesperrt und haben zumeist nur zweiStunden Hofgang am Tag. Anders als beiStrafgefangenen müssen die Behördenkeine Arbeitsmöglichkeiten vorhalten. Da-her sitzen die Betroffenen fast überall denganzen Tag herum – was die Angst vor der bevorstehenden Abschiebung umsostärker wirken lässt. Mancherorts wird so-gar das Kochen untersagt, als Sicherheits-

Abschiebungshaft: Totale Institution in der Legitimationskrise»Ziel der rot-grünen Koalition ist es, Abschiebehaft überflüssig zu machen. Deshalb werden entsprechende Initiativen auf Bundesebene unterstützt«, heißt es im rot-grünen Koalitionsvertrag der 2013 neu gewählten Landes -regierung in Niedersachsen. Dieses politische Vorhaben ist zu begrüßen, spricht doch vieles generell gegen die Abschiebungshaft. Ein Blick hinter dieKulissen der deutschen Abschiebungshaftpraxis liefert außerdem handfesteGründe, warum sich etwas ändern muss. PRO ASYL hat 13 Haftanstalten besucht.

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risiko. Nur in einigen Haftanstalten dürfendie Inhaftierten sich Essen selbst zuberei-ten. Wo es möglich ist, bringt es für die Be-troffenen ein wenig soziales Zusammen-sein und »Normalität« in den Haftalltag.Der Kontakt zur Außenwelt ist besondersin den Gefängnissen limitiert, die als Jugendvollzugsanstalt fungieren. Dennhier gelten besonders hohe Sicherheits-vorgaben. Mancherorts werden monat-lich nur einige Stunden Besuchszeit ge-währt. Handys sind verboten, an Internetist gar nicht zu denken. So können die Be-troffenen sich weder durch den Kontaktzu Verwandten und Freunden beruhigenlassen noch Vorkehrungen für die be -vorstehende Abschiebung treffen. Auchwenn sich die Praxis teilweise verbesserthat, bleibt sie vielerorts sehr restriktiv.

RECHTSWIDRIGE HAFT

Nach Schätzungen sind ein Drittel aller In-haftierungen in Deutschland rechtswid-rig. Dies zeigt bereits die Statistik des aufAbschiebungshaft spezialisierten AnwaltsPeter Fahlbusch: Von über 700 Haftfällen,die er seit 2002 vertreten hat, wurden über250 Personen zu Unrecht festgenommenoder rechtswidrig inhaftiert. Seiner Be -harrlichkeit ist es zu verdanken, dass dieRechtswidrigkeit vor Gericht festgestelltwurde. Die Art und Weise, wie die Behör-den Menschen in Abschiebungshaft brin-gen, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzenoftmals nicht zu vereinbaren. So wird ge-gen das Recht auf rechtliches Gehör viel-fach verstoßen. Wenn etwa der Haftantragdem Betroffenen nicht einmal ausgehän-digt wird, bevor die Haft vor Gericht be-stätigt wird, so kann er sich kaum noch zurWehr setzten. Und an dem unfairen Ver-fahren wirken auch die Gerichte mit, wennsie etwa im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht den Betroffenen nichtanhören. Der seit 2009 zuständige Bun-desgerichtshof (BGH) hat in drei Jahren224 Beschlüsse zum Vollzug der Abschie-bungshaft gefasst. Immer wieder stellteer fest, dass die Haft nicht mit rechtsstaat-lichen Garantien vereinbar ist.

TRENNUNGSGEBOT

Ein weiterer rechtlicher Aspekt könntedem deutschen System der Abschie-bungshaft nicht nur die Legitimität ent-ziehen, sondern zu einer Erosion seinerGrundlage führen. Denn die EU-Rückfüh-rungsrichtlinie sieht ein Trennungsgebotvor, wonach Abschiebungshäftlinge nichtzusammen mit Strafgefangenen inhaftiertwerden dürfen. Und sie geht noch weiter:»Die Inhaftierung [zwecks Abschiebung]erfolgt grundsätzlich in speziellen Haft-einrichtungen. Sind in einem Mitglied-staat solche speziellen Hafteinrichtungennicht vorhanden und muss die Unterbrin-gung in gewöhnlichen Haftanstalten er-folgen, so werden in Haft genommeneDrittstaatsangehörige gesondert von dengewöhnlichen Strafgefangenen unterge-bracht« (Artikel 16 (1) Rückführungsricht-linie). Das heißt nichts anderes, als dass inJVAs keine Abschiebungshaft vollzogenwerden darf, wenn es spezielle Haftein-richtungen gibt. Die sind in Deutschland– etwa in Rheinland-Pfalz – vorhanden.

Deutschland stellt sich dagegen auf denStandpunkt, es reiche aus, wenn lediglichin einem Bundesland eine spezielle Ein-richtung nicht vorliege, damit man aufJVAs zurückgreifen könne. Die Folge: Einefast flächendeckende Praxis, die gegenEU-Recht verstößt. In Deutschland wirdAbschiebungshaft in elf von 16 Bundes-ländern in Justizvollzugsanstalten voll -zogen. Wenn der BGH oder der EuGH ent-scheiden sollten, dass dies rechtswidrigist, dann muss in neun Bundesländern derVollzug der Abschiebungshaft in den JVAsumgehend beendet werden. Die – zumin-dest einstweilige – Abschaffung der Ab-schiebungshaft könnte mit einem solchenUrteil also schneller kommen als erwartet.Davon abgesehen ist es vor allem die Situation der betroffenen Menschen, diezu denken geben muss. Abschiebungs-haft ist ein Überbleibsel einer »Ausländer-politik«, die sich als Teil der Gefahrenab-wehr verstand. Ein modernes Migrations-recht kann ohne diese »totale Institution«auskommen.

Der Grundrechte-Report 2013

Der Grundrechte-Report 2013 befasst sich anlässlich desVersagens des Verfassungsschutzes bei der Beobachtungdes »Nationalsozialistischen Untergrunds« schwerpunkt-mäßig mit dem Thema »Geheimdienste«. Er behandeltdarüber hinaus eine Vielzahl aktueller Themen wie

■ die Versammlungsverbote bei den Blockupy-Aktionenim Sommer 2012

■ die vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof(EGMR) noch einmal festgestellten Menschenrechts-verletzungen im »Fall El Masri«

■ den Generalverdacht gegen »Andershäutige« (Racist profiling) bei der Bundespolizei

»Der Graben zwischen den Menschenrechtsver-sprechen und dem Alltag vieler Menschen kannauch in Deutschland durchaus breit sein, allenVerpflichtungen aus dem Grundgesetz und allenBemühungen von Gesetzgeber, Behörden und Gerichten zum Trotz. Der Grundrechte-Report der deutschen Menschenrechtsorganisationenhilft nicht nur dabei, den Graben zu vermessen,sondern auch, ihn zu schließen. Das ist sein großes Verdienst.«Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin anlässlich der Präsenta -tion des Grundrechte-Reports im Mai 2012

■ Der Grundrechte-Report ist erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag (10,99 Euro, 240 Seiten) und ist ab Juni 2013 bei PRO ASYL oder im Buchhandel erhältlich.

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Angelika Calmez

■ Einer der Engagierten, Stef Malde-ner, nennt es eine »freundliche Be-

setzung«: »Wir haben ein super Konzept,jetzt brauchen wir den Schlüssel!« Rundzwei Jahre nach Projektbeginn, im Juni2013, sollen die ersten Gäste einziehen. Inden Monaten zuvor ratterten die Bauma-schinen in den Fluren des Gebäudes mit60er-Jahre-Charme, arbeiteten die Akti-ven – darunter auch Flüchtlinge – an derVerwirklichung der »sozialen Skulptur inAugsburgs Herzen«. Das Konzept könnteman so auf den Punkt bringen: Die Initia-torinnen und Initiatoren unterhalten ei-nen Hotel- und Kulturbetrieb, in demKunstschaffende, Asylsuchende und Rei-sende unter einem Dach leben, und des-

sen Veranstaltungen und Gastronomie fürjeden offen sind. Wenn die Bewohnerin-nen und Bewohner möchten, finden sieim Projekt viele Mitgestaltungsmöglich-keiten und im Hotelbetrieb einen Job.

»Wir wollen, dass der Unterschied zwi-schen Flüchtlingen und Nichtflüchtlingenkleiner gemacht wird. Mit allen möglichenMethoden und Mitteln. Darum geht es ja letztlich«, beschreibt Stef Maldener dieMotivation der Initiatorinnen und Initia-toren. Heruntergekommene Räumlichkei-ten, Kasernenatmosphäre, Essenspakete:Der Entwürdigung und Ausgrenzung, dieAsylsuchende so häufig in Flüchtlings -lagern erleben, stellt das Grandhotel dieMöglichkeit zum selbstbestimmten Lebenund sozialer Teilhabe gegenüber.

Wenn die »Gäste mit Asyl« erst einge zo -gen sind, werden sie nach dem Willen derInitiatorinnen und Initiatoren möglichstunterschiedslos mit den »Gästen ohneAsyl« zusammenleben. Wo das Land Bay-ern Vorgaben macht, werden diese auchumgesetzt – aber möglichst nicht im her-kömmlichen Sinn. So gibt es etwa die Idee,dass Flüchtlinge ihre entwürdigenden Essenspakete gleich neben der Ausgabe-stelle auf Wunsch gegen Bargeld ein tau -schen können – die portionierten Lebens-mittel könnten in die Hotelküche wandern.Die Stockbetten, mit denen die Re gierungdie 60 Zimmer der »Gäste mit Asyl« vor-schriftsgemäß ausstatten wollte, scheinenglücklicherweise abgewendet. Wie weitdie Hoteliers ihren Rahmen stecken kön-nen, ist sicher Ver hand lungs sache.

Entscheidend für das Projekt hält Stef Mal-dener den Einsatz für Einzelne. »Alle fei-ern, einer fliegt«, bloggte das Team anläss-lich einer Auszeichnung des Grandhotelsals vorbildliches Integrationsprojekt im November. Denn einem von ihnen, Sha-kib Pouya, droht die Abschiebung nach

Das Richtige im Falschen:Grandhotel Cosmopolis

Es war eine trostlose Ruine im Zentrum der Stadt: Ganze vier Jahre lang stand das ehemalige Seniorenheim des Diakonischen Werks Augsburg leer. Da erhielten die Verantwortlichen 2011 eine ungewöhnliche Anfrage von einer Gruppe Kreativer. Dank ihrer beispiellosen Initiative verspricht nun –ausgerechnet im für eine restriktive Flüchtlingspolitik berüchtigten Bayern –eine der progressivsten Flüchtlingsunterkünfte von Schutzsuchenden inDeutschland zu entstehen.

Afghanistan. Für Farhad Sidiqi, der eben-falls nach Afghanistan abgeschoben wer-den sollte, erkämpfte das Grandhotel ge-meinsam mit einer Anwältin ein Bleibe-recht in Deutschland – den Erfolg nimmtdie Gruppe als Beleg dafür, dass Engage-ment etwas verändern kann.

Dabei ist die Motivation, Flüchtlingen inDeutschland ein besseres Leben zu er-möglichen, für die Initiatorinnen und Ini-tiatoren nur der Teil eines Ganzen. Letzt-endlich geht es um die Vision einer Gesell-schaft, die freiwillige Arbeit ermöglicht,bei gleichzeitiger Sicherung der Existenz –auch für das Grandhotel die Grundlagedes Gelingens. Mit der Frage, wie dies gehen soll, setzen sich die Hoteliers in der Fortsetzung des Projekts auseinander:Sie konzipieren gerade eine Plattform für ziviles Engagement …

■ Informationen zum Projekt:http://grandhotelcosmopolis.wordpress.com/

Fotos: © Christian Menkel

Begegnung an der geschwun-genen Theke in der Lobby. »Wirwollen, daß die Flüchtlingeaus aller Welt, die den Weg zuuns ins sichere Europa gefun-den haben und auch dabei oftalbtraumhafte Erfahrungenmachen mußten, als aller -erstes einen warmen Empfangbekommen, eine Bleibe findenkönnen, in der man menschen-würdig wohnen kann, ihre Sinne und Fähigkeiten ausleben dürfen (dazu gehört auchberufliche Teilhabe)…« Aus dem Blogbeitrag »Alle feiern, einer fliegt« vom 9. November 2012.

Schon von außen strahlt das Haus eineAtmosphäre des Willkommens aus.Für Neuankömmlinge haben sich dieEngagierten – mit Hilfe der Flücht -linge unter ihnen –Unter stützungs -angebote überlegt. Bild haft gestalte-te Flyer sollen helfen, sich in Augs-burg zurecht zufinden. Vis-à-vis desGrandhotels wird ein Beratungsvereinfür Flüchtlinge einziehen. So ist Kontakt mit der Außenwelt gewähr-leistet. Das Hotel selbst versteht sichals Ort der Ruhe.

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Rote Pagenuniformenunterstreichen den

Hotelcharakter. »DasHaus ist ein Ort, an dem

man sich wohlfühlt,aber kein Zuhause.

Die Leute sollen ja ihrZuhause selber finden

dürfen«, sagt Stef Maldener. Das Grandhotel Cosmopolis ist schon jetzt ein sozialer Treffpunkt für

Menschen unterschiedlichster Herkunft. Die Bildungsangebote richtensich nicht nur an Flüchtlinge, sondern an die gesamte Stadtgesell-schaft. Schon jetzt gibt es etwa Nähen und Deutsch, eine Leihbiblio-

thek mit anspruchs-vollen Büchern ist geplant. So strahlt dasProjekt nach außen.

Fotos: © Christian Menkel

Einige Zimmer mit Blick über die Stadt sind von verschiedenen Künsterinnen und Künstlern gestaltet worden. Diese »Luxus -suiten« werden teurer vermietet als die Zimmer des Hostels. Sie sollen wesentlich zurFinanzierung des Grandhotels beitragen.

Die »Afrika-Wochen« waren imGrandhotel zu Gast. Ein Reporter

des Bayerischen Rundfunks sendetelive aus dem Gebäude. »Dass es einsozialer Schmelzpunkt, ein offener

Treffpunkt ist, das hat es bewiesen.Das kann ich auch spüren«, freut

sich Stef Maldener. Eine Nachbarinkam zunächst, um sich über ihr

zu ge parktes Auto zu beschweren.Jetzt bringt sie regelmäßig Kuchen

vorbei.

Den Umbau des Gebäudes plantendie Engagierten – unter ihnen ein

Architekt – selbst. Die umfang -reichen Bauarbeiten finanzieren

sich durch das Diakonische Werk undaus Spendengeldern. Die Zimmer

sind größtenteils mit gespendeten Möbeln eingerichtet, eineAugsburger Firma stiftete mehrere Computer. Auch ein Garten

gehört zum Hotel. Hier soll ein Spielplatz entstehen.

Offene Session mitMenschen aus der

Nachbarschaft. Schonfrüh setzten die

Initiatorinnen und Initiatoren auf Ge-

spräche. Rassistischgefärbte Töne kamenbei den Veranstaltun-

gen in der Lobby nurselten auf. »Was wir

an Kritikpunkten bieten, stellen wir zur Diskussion. SchlechteArgumente entkräften sich bald von selbst«,

beobachtete Stef Maldener.

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AdressenBUNDESWEITE ORGANISATIONEN

Aktion Courage e.V.Ahornstr. 5, 10787 BerlinTel.: 030 / 21 45 86 0, Fax: 030 / 21 45 86 20 Homepage: www.aktioncourage.org E-Mail: [email protected]

Amnesty International Sektion der BRD e.V.Zinnowitzer Straße 8, 10115 BerlinTel.: 030 / 42 02 48 0, Fax: 030 / 42 02 48 488Homepage: www.amnesty.deE-Mail: [email protected]

Arbeiterwohlfahrt – Bundesverband e.V.Heinrich-Albertz-Haus Blücherstr. 62/63, 10961 BerlinTel.: 030 / 26 30 90, Fax: 030 / 26 30 93 25 99Homepage: www.awo.orgE-Mail: [email protected]

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und IntegrationBundeskanzleramt Willy-Brandt-Str. 1, 10557 BerlinTel.: 030 / 18 400 16 40, Fax: 030 / 18 400 16 06Homepage: www.bundesregierung.deE-Mail: [email protected]

Ökumenische BundesarbeitsgemeinschaftAsyl in der Kirche e.V. Kirche Zum Heiligen Kreuz Zossener Str. 65, 10961 BerlinTel.: 030 / 25 89 88 91, Fax: 030 / 69 04 10 18Homepage: www.kirchenasyl.deE-Mail: [email protected]

Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.Büro München: Nymphenburger Str. 47, 80335 München Tel.: 089 / 20 24 40 14, Fax: 089 / 20 24 40 15Büro Berlin: Zwinglistr. 4a, 10555 BerlinTel.: 030 / 39 83 69 69Homepage: www.b-umf.deE-Mail: [email protected]: [email protected]

Connection e.V.Von-Behring-Str. 110, 63065 OffenbachTel.: 069 / 82 37 55 34, Fax: 069 / 82 37 55 35Homepage: www.connection-ev.deE-Mail: [email protected]

UNO Flüchtlingshilfe e.V.Wilhelmstr. 42, 53111 BonnTel.: 0228 / 62 98 60, Fax: 0228 / 629 86 11Homepage: www.uno-fluechtlingshilfe.deE-Mail: [email protected]

Deutscher Caritasverband e.V. Referat Migration und IntegrationKarlstraße 40, 79104 FreiburgTel.: 0761 / 20 00, Fax: 0761 / 20 07 55Homepage: www.caritas.de/diecaritas/deutschercaritasverband/verbandszentrale/arbeitsbereiche/migrationundintegration/E-Mail: [email protected]

Deutscher Frauenrat e.V.Axel-Springer-Str. 54a, 10117 BerlinTel.: 030 / 20 45 69 0, Fax: 030 / 20 45 69 44Homepage: www.frauenrat.deE-Mail: [email protected]

Der Paritätische Gesamtverband Flüchtlingshilfe und MigrationssozialarbeitOranienburger Str. 13-14, 10178 BerlinTel.: 030 / 246 36 0, Fax: 030 / 246 36 110Homepage: www.migration.paritaet.org/E-Mail: fluechtlingshilfe@)paritaet.org

Deutsches Institut für MenschenrechteZimmerstraße 26/27, 10969 BerlinTel.: 030 / 25 93 59 0, Fax: 030 / 25 93 59 59Homepage: www.institut-fuer-menschenrechte.de/E-Mail: [email protected]

Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat– Team Migration und IntegrationCarstennstr. 58, 12205 BerlinTel.: 030 / 854 04 0, Fax: 030 / 854 04 450Homepage: www.drk.deE-Mail: [email protected]

Diakonie Deutschland – Evangelischer BundesverbandEvangelische Werk für Diakonie und EntwicklungCaroline-Michaelis-Straße 1, 10115 BerlinHomepage: www.diakonie.deE-Mail: [email protected]

Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.Postfach 2024, 37010 GöttingenTel.: 0551 / 49 90 60, Fax: 0551 / 580 28Homepage: www.gfbv.deE-Mail: [email protected]

Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.Ludolfusstr. 2 - 4, 60487 FrankfurtTel.: 069 / 713 75 60, Fax: 069 / 707 50 92Homepage: www.verband-binationaler.deE-Mail: [email protected]

Informationsverbund Asyl und Migration e.V.Haus der Demokratie und MenschenrechteGreifswalder Straße 4, 10405 BerlinFax: 030 / 46 79 33 29Homepage: www.asyl.netE-Mail: [email protected]

Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Ver -antwortung e.V. IPPNW – GeschäftsstelleKörtestrasse 10, 10967 BerlinTel.: 030 / 698 07 4 0, Fax: 030 / 693 81 66Homepage: www.ippnw.deE-Mail: [email protected]

Interkultureller Rat in Deutschland e.V.Goebelstraße 21, 64293 DarmstadtTel.: 06151 / 33 99 71, Fax: 06151 / 39 19 740Homepage: www.interkultureller-rat.deE-Mail: [email protected]

Internationale Liga für MenschenrechteGreifswalder Straße 4, 10405 BerlinTel.: 030 / 39 62 122, Fax: 030 / 39 62 147Homepage: www.ilmr.deE-Mail: [email protected]

Internationaler Sozialdienst – Arbeitsfeld VII im Deutschen Verein für öffentliche und private FürsorgeMichaelkirchstr. 17-18, 10179 BerlinTel.: 030 / 62 980 403, Fax: 030 / 62 980 450Homepage: www.iss-ger.deE-Mail: [email protected]

Jesuiten-Flüchtlingsdienst DeutschlandWitzlebenstraße 30a, 14057 BerlinTel.: 030 / 32 60 25 90, Fax: 030 / 32 60 25 92Homepage: www.jesuiten-fluechtlingsdienst.deE-Mail: [email protected]

Jugendliche ohne GrenzenJOG-Bundeskoordination c /o BBZTurmstr. 72, 10551 BerlinTel.: 030 / 666 40 720, Fax: 030 / 666 40 724Homepage: www.jogspace.netE-Mail: [email protected]

Kirchenamt der EKDHerrenhäuser Str. 12, 30419 HannoverTel.: 0511 / 27 96 0, Fax: 0511 / 27 96 707Homepage: www.ekd.deE-Mail: [email protected]

Komitee für Grundrechte und DemokratieAquinostr. 7-11, 50670 KölnTel.: 0221 / 97 26 930, Fax: 0221 / 97 26 931Homepage: www.grundrechtekomitee.deE-Mail: [email protected]

Kommissariat der Deutschen BischöfeHannoversche Str. 5, 10115 BerlinTel.: 030 / 288 78 0, Fax: 030 / 288 78 108Homepage: www.kath-buero.de/E-Mail: [email protected]

medica mondialeHülchrather Straße 4, 50670 KölnTel.: 0221 / 93 18 98 0, Fax: 0221 / 93 18 98 1Homepage: www.medicamondiale.orgE-Mail: [email protected]

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medico internationalBurgstr. 106, 60389 FrankfurtTel.: 069 / 94 438 0, Fax: 069 / 43 60 02Homepage: www.medico.deE-Mail: [email protected]

Netzwerk FriedenskooperativeRömerstr. 88, 53111 BonnTel.: 0228 / 69 29 04, Fax: 0228 / 69 29 06Homepage: www.friedenskooperative.deE-Mail: [email protected]

Ökumenischer Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen WochePostfach 160646, 60069 FrankfurtTel.: 069 / 23 06 05, Fax: 069 / 23 06 50Homepage: www.interkulturellewoche.deE-Mail: [email protected]

Internationale katholische Friedens-bewegung pax christi Deutsche Sektion, SekretariatHedwigskirchgasse 3, 10117 BerlinTel.: 030 / 200 76 78 0, Fax: 030 / 200 76 78 19Homepage: www.paxchristi.de/E-Mail: [email protected]

PRO ASYLPostfach 160624, 60069 FrankfurtTel.: 069 / 23 06 88, Fax: 069 / 23 06 50Homepage: www.proasyl.deE-Mail: [email protected]

TERRE DES FEMMESBrunnenstraße 128, 13355 BerlinTel.: 030 / 40 50 46 99 0Fax: 030 / 40 50 46 99 99Homepage: www.frauenrechte.deE-Mail: [email protected]

terre des hommes Deutschland e.V.Ruppenkampstraße 11a, 49084 OsnabrückTel.: 0541 / 71 01 0, Fax: 0541 / 70 72 33Homepage: www.tdh.deE-Mail: [email protected]

UNHCR-Vertretung für Deutschland und ÖsterreichWallstraße 9 -13, 10179 BerlinTel.: 030 / 20 22 02 0, Fax: 030 / 20 22 02 20Homepage: www.unhcr.deE-Mail: [email protected]

VIA - Verband für Interkulturelle ArbeitAm Buchenbaum 21, 47051 DuisburgTel.: 0203 / 728 42 82Homepage: www.via-bund.deE-Mail: [email protected]

Landesweite Flüchtlingsräte

Wer Informationen und Auskünfte benötigt, Referentinnen und Referenten sucht, in Flüchtlingsinitiativen mitarbeiten will, wende sich bitte an die regionalen Flüchtlingsräte.

Baden-Württemberg: FlüchtlingsratUrbanstr. 44, 70182 StuttgartTel.: 0711 / 55 32 83 4; Fax: 0711 / 55 32 83 5Homepage: www.fluechtlingsrat-bw.de E-mail: [email protected]

Bayern: FlüchtlingsratAugsburger Str. 13, 80337 MünchenTel.: 089 / 76 22 34, Fax: 089 / 76 22 36Homepage: www.fluechtlingsrat-bayern.de E-Mail: [email protected]

Berlin: FlüchtlingsratGeorgenkirchstr. 69 -70, 10249 BerlinTel.: 030 / 24 34 45 76 2, Fax: 030 / 24 34 45 76 3Homepage: www.fluechtlingsrat-berlin.deE-Mail: [email protected]

Brandenburg: FlüchtlingsratRudolf-Breitscheid-Str. 164, 14482 PotsdamTel.: 0331 / 71 64 99, Fax: 033 / 1 88 71 54 60Homepage: www.fluechtlingsrat-brandenburg.de E-Mail: [email protected]

Bremen: Flüchtlingsrat c /o Zuflucht Ökumenische Ausländerarbeit e.V.Berckstr. 27, 28359 BremenTel. + Fax: 0421 / 800 70 04 Homepage: www.fluechtlingsrat-bremen.deE-Mail: [email protected]

Hamburg: FlüchtlingsratNernstweg 32-34, 22765 HamburgTel.: 040 / 43 15 87, Fax: 040 / 430 44 90Homepage: www.fluechtlingsrat-hamburg.de E-Mail: [email protected]

Hessen: FlüchtlingsratLeipziger Str. 17, 60487 FrankfurtTel.: 069 / 97 69 87 10, Fax: 069 / 97 69 87 11Homepage: www.fr-hessen.de E-Mail: [email protected]

Mecklenburg-Vorpommern: FlüchtlingsratPostfach 11 02 29, 19002 SchwerinTel.: 0385 / 58 15 790, Fax: 0385 / 58 15 791Homepage: www.fluechtlingsrat-mv.de E-Mail: [email protected]

Niedersachsen: FlüchtlingsratLanger Garten 23 B, 31137 HildesheimTel.: 05121 / 156 05, Fax: 05121 / 316 09Homepage: www.nds-fluerat.orgE-Mail: [email protected]

Nordrhein-Westfalen: FlüchtlingsratBullmannaue 11, 45327 EssenTel.: 0201 / 8 99 08 0, Fax: 0201 / 8 99 08 15Homepage: www.fluechtlingsrat-nrw.de E-Mail: [email protected]

Rheinland-Pfalz: Arbeitskreis Asyl Kurhausstr. 8, 55543 Bad KreuznachTel.: 0671 / 84 59 15 2, Fax: 0671 / 84 59 15 4Homepage: www.asyl-rlp.org E-Mail: [email protected]

Saarland: FlüchtlingsratKaiser-Friedrich-Ring 46, 66740 Saarlouis Tel.: 06831 / 48 77 93 8, Fax: 06831 / 48 77 93 9Homepage: www.asyl-saar.deE-mail: [email protected]

Sachsen: Flüchtlingsrat Heinrich-Zille-Str. 6, 01219 DresdenTel. 0351 / 436 37 22, Fax: 0351 / 436 37 32Homepage: www.saechsischer-fluechtlingsrat.deE-mail: [email protected]

Sachsen-Anhalt: FlüchtlingsratSchellingstr. 3-4, 39104 MagdeburgTel.: 0391 / 537 12 81, Fax: 0391 / 537 12 80 Homepage: www.fluechtlingsrat-lsa-online.deE-mail: [email protected]

Schleswig-Holstein: FlüchtlingsratOldenburger Str. 25, 24143 KielTel.: 0431 / 73 50 00, Fax: 0431 / 73 60 77Homepage: www.frsh.deE-Mail: [email protected]

Thüringen: FlüchtlingsratWarsbergstr. 1, 99092 ErfurtTel.: 0361 / 2 17 27 20, Fax: 0361 / 2 17 27 27Homepage: www.fluechtlingsrat-thr.deE-Mail: [email protected]

»Wir wählen die Freiheit!«Tag des Flüchtlings 2013

_____ Ex. des Materialheftes zum Tag des Flüchtlings 2013(52 S., DIN A4; 2,50 Euro pro Ex., ab 10 Stück pro Ex. 1,50 Euro, ab 100 Stück pro Ex. 1,25 Euro)

_____ Ex. des Plakates zum Tag des Flüchtlings 2013(Format DIN A3; 0,20 Euro pro Ex., ab 10 Stück pro Ex. 0,15 Euro, ab 100 Stück pro Ex. 0,10 Euro)

_____ Ex. des Flyers »Menschenrechte jetzt zum Thema machen« PRO ASYL setzt Thema Menschenrechte aufdie politische Agenda zur Bundestagswahl2013. (Mai 2013; kostenlos)

_____ Ex. Postkarten-Set »Prominente Zitate«(4er-Set; kostenlos)

_____ Ex. des Faltblattes »Wir brauchen offene Türen für Verfolgte.«Zur Situation der syrischen Flüchtlinge.(März 2013; kostenlos)

ASYL in Deutschland

_____ Ex. der Broschüre »Menschen wie Menschen behandeln!«(März 2011; DIN A5, 28 S.; 1,00 Euro pro Ex., ab 10 Stück pro Ex. 0,80 Euro, ab 100 Stück pro Ex. 0,70 Euro)

_____ Ex. des Faltblattes »Menschen wieMenschen behandeln!«Flüchtlinge in Deutschland: Für sozialeTeilhabe und ein Leben in Würde (Mai 2011; kostenlos)

_____ Ex. des Plakates zum Tag des Flüchtlings 2012 »Flucht ist kein Verbrechen« (Juni 2012, DIN A3; kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »Kinderrechte fürFlüchtlingskinder ernst nehmen!« Gesetzlicher Änderungsbedarf aufgrundder Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention(Hg.: PRO ASYL e.V.; November 2011, DIN A5, 44 S.; 0,70 Euro)

_____ Ex. der Broschüre »Für eine neue Bleiberechtsregelung« Hg.: Förderverein PRO ASYL e.V. (September 2011, DIN A5, 28 S.; 0,70 Euro pro Ex., ab 10 Stück 0,60 Euro pro Ex., ab 50 Stück 0,50 Euro pro Ex., ab 100 Stück 0,40 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Faltblattes »Für eine neue Bleiberechtsregelung«. Warum die Bleiberechtsregelung neu gestaltet werden muss. (September 2011, DIN A 4 gefalzt; kostenlos)

_____ Ex. des Faltblattes »Keine Abschiebun-gen ins Elend«. Minderheiten im Kosovo:Vegetieren am Rande der Müllkippe (Mai 2010; kostenlos)

_____ Ex. des Faltblattes »Mit Diskriminierungmacht man keinen Staat«Über die Lebenssituation von Flücht lingenin DeutschlandHg.: Förderverein PRO ASYL e.V. und Interkultureller Rat in Deutschland e.V.(März 2010, DIN lang, 12 S.; kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »Eritrea. Desertion,Flucht & Asyl«(Hg.: Connection e.V., Förderverein PRO ASYL e.V. und Eritreische Antimilita-ristische Initiative; September 2010; DIN A4, 72 S.; 6,00 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Faltblattes »Flüchtlinge vor Gericht« Über den Rechtshilfefonds vonPRO ASYL e.V. (Januar 2011; kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »Save me /Resettlement: Für ein Programm zurAufnahme von Flüchtlingen in Deutschland« (Februar 2009; DIN A5, 30 S.; kostenlos)

EUROPÄISCHE ASYLPOLITIK

_____ Ex. der Broschüre »Auf der Flucht vor dem Klima« Forderungen einersolida rischen Klimamigrationspolitik (Hg.: Amnesty International, Brot für dieWelt, DGVN, Germanwatch, medico inter-national, Oxfam, PRO ASYL; Januar 2013;DIN A5, 76S.; 2,00 Euro pro Ex.)

_____ Ex. der Broschüre »Memorandum:Flüchtlingsaufnahme in der Europä -ischen Union: Für ein gerechtes und solidarisches System der Ver -antwortlichkeit« (Hg.: Diakonie, NRV,ArGe Ausl- und AsylR im DAV, AWO, Paritätischer Wohlfahrtsverband, PROASYL, Jesuitenflüchtlingsdienst Deutsch-land, März 2013; DIN A5, 32S.; 2,00 Europro Ex., ab 50 Stück 1,50 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Faltblattes »Das europaweitgeplante Inhaftierungs programm zur Abwehr von Flüchtlingen«(Mai 2012, DIN lang, kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »You want to befree? You pay money! Corruption in the Immigration Detention andAsylum System of Ukraine« (englisch; Dezember 2011; DIN A5, 34 Seiten; kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »UNGARN: Flücht linge zwischen Haft undObdach losigkeit« Bericht einer ein -jährigen Recherche bis Februar 2012 (März 2012; DIN A4, 44 S.; 3,00 Euro pro Ex.)

_____ Ex. der Broschüre »Überleben im Transit« Zur Situation von Flüchtlingen in der Türkei (März 2012; DIN A4, 28 S.;2,00 Euro pro Ex.)

_____ Ex. der Broschüre »Malta: Out of System« Zur Situation von Flüchtlingenauf Malta (Mai 2012, Din A4, 35 Seiten;3,00 Euro pro Ex.)

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Aktuelle Materialien immer unter www.proasyl.de.

EUROPÄISCHE ASYLPOLITIK

_____ Ex. des Faltblattes »Europa darf nichtlänger wegschauen!«Über die Lage der Kinderflüchtlinge inGriechenland (März 2010; kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »Flüchtlinge in Seenot – handeln und helfen«Hinweise für Skipper und Crews (Juni 2011; DIN lang, 20 S.; kostenlos)

_____ Ex. des Faltblattes »Ausverkauf der Flüchtlingsrechte« (Juni 2011, zum Poster ausklappbar, kostenlos)

Bücher

_____ Ex. des Taschenbuches »Grundrechte-Report 2013« (Hg.: T. Müller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gössner, U. Engelfried und M. Küster; Fischer Taschenbuch Verlag; 234 S., 10,99 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Buches »Aufnehmen statt Abwehren – Flucht Asyl und zivil -gesellschaftliches Engagement« (Hg.: PRO ASYL e.V.; Oktober 2011;

120 S., kartoniert, 24,90 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Buches »Das Meer zwischen uns– Flucht und Migration in Zeiten derAbschottung« von Gabriele del Grande (Hg.: borderline europe e.V., PRO ASYL e.V.;1. Auflage 2011; 216 S. kartoniert, 16,90 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Buches »Zähle die Tage meiner Flucht«, Gottesdienstmateria-lien, Gebete und Impulse zum Themen feldFlucht und Asyl (Hg.: F. Dethloff und V. Mittermaier in Zusammenarbeit mit derBAG Asyl in der Kirche und PRO ASYL e.V.,von Loeper Verlag; Juni 2008; 130 S., 12,90 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Buches »Der erste Augenblickentscheidet – Clearingverfahren für unbegleitete minderjährigeFlüchtlinge in Deutschland«(Hg.: A. Riedels heimer u. I. Wiesinger; von Loeper Verlag 2004; 135 S.; 13,50 Euro pro Ex.)

_____ Ex. des Karikaturenbuches »Herzlich Willkommen«, mit Karikaturen von Gerhard Mester, Thomas Plaßmann, Klaus Stuttmann, (Hg.: PRO ASYL e.V.; September 2002; 100 S., 8,00 Euro pro Ex.)

CD / DVD

_____ Ex. der CD »ON THE RUN« (9,95 Euro pro Ex. inkl. Versand)

_____ Ex. der DVD »LET’S BREAK – Adil geht«von Esther Gronenborn (Label: Neue Visionen; 2005; 96 min. plus Bonustracks,Dolby Digital 2.0; 14,00 Euro pro Ex.)

Über PRO ASYL

_____ Ex. des »Tätigkeitsberichtes PRO ASYL 2012/2013(DIN A5; kostenlos)

_____ Ex. der Broschüre »Gewissen lässt sich nicht einfach abschieben«Rund um die Arbeit von PRO ASYL (Dezember 2012, Din A5, kostenlos)

STIFTUNG PRO ASYL

_____ Ex. des Faltblattes »Die PRO ASYL-Hand« Der Menschenrechtspreis der STIFTUNG PRO ASYL (kostenlos)

_____ Ex. des Faltblattes »STIFTUNG PRO ASYL« Wie Sie die STIFTUNG PRO ASYL unterstützen können. (Juli 2010; 8 S.; kostenlos)

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Unterschrift ___________________________________________________________________✗Bitte zurücksenden an Förderverein PRO ASYL e.V., Postfach 160624, 60069 Frankfurt/M.Oder per Fax an: 069 - 23 06 50

Alle Preise zzgl. Versandkosten

Gewissen lässt sich nicht einfach abschiebenDiese Broschüre stellt allen Interessierten die Arbeit von PRO

ASYL vor. Angefangen bei den Flüchtlings- und Menschen-

rechten über den Einsatz an den EU-Außengrenzen bis hin zur

Einzellfallhilfe und den Lebensverhältnissen schutzsuchender

Menschen in Deutschland.

Seit der Gründung im Jahre 1986 hat sich PRO ASYL zu der Stimme

für verfolgte Menschen und die Menschenrechte von Flüchtlingen

entwickelt. Bis heute ist die Mitgliederzahl unseres Fördervereins

auf über 16.000 Menschen angewachsen. Hinzu kommen viele

Tausend Spenderinnen und Spender.

Politischer Terror, Verfolgung, Gewalt, Elend – wir können erlittenes

Unrecht nicht ungeschehen machen. Aber wir können gemeinsam

dafür sorgen, dass die betroff enen Menschen Schutz und Unter-

stützung fi nden. Die Broschüre „Gewissen lässt sich nicht einfach

abschieben“ erhalten Sie kostenlos unter www.proasyl.de.

HERAUSGEGEBEN ZUM TAG DES FLÜCHTLINGSAM 27. SEPTEMBER 2013

Herausgeber: PRO ASYL, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Interkulturellen Wocheam 27. September 2013 statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeitmit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur InterkulturellenWoche vorbereitet.

Bei PRO ASYL arbeiten mit: Javad Adineh, Frankfurt/M.; Karim Alwasiti, Hildesheim;Veronika Arendt-Rojahn, Berlin; Karin Asboe, Düsseldorf ; Herbert Becher, Bonn; Dominik Bender, Frankfurt/Main; Thomas Berthold, München; Maria Bethke, Gießen;Berenice Böhlo, Berlin; Günter Burkhardt, Frankfurt/M.; Carlotta Conrad, Dresden;Fanny Dethloff, Hamburg; Nevroz Duman, Hanau; Sigrid Ebritsch, Hannover; Anuscheh Farahat, Frankfurt/M.; Janina Gieseking, Gießen;Wolfgang Grenz, Berlin;Hubert Heinhold, München; Jost Hess, Weiden; Volker M. Hügel, Münster; Heiko Kauffmann, Düsseldorf; Stefan Keßler, Brüssel; Sandra Langenbach, Bonn; ThorstenLeißer, Hannover; Herbert Leuninger, Limburg; Andreas Lipsch, Frankfurt/M.; HaraldLöhlein, Berlin; Jürgen Mattis, Frankfurt/Main; Dr. Jürgen Micksch, Darmstadt; Sieg-fried Müller, Büdingen; Victor Pfaff, Frankfurt/M; Pater Frido SJ Pflüger, Berlin; Albert Riedelsheimer, Donauwörth; Dirk Sabrowski, Bonn; Joachim Schäfer, Wetzlar;Andreas Schwantner, Neu-Isenburg; Uli Sextro, Ingelheim; Michael Stenger, Mün-chen; Katharina Vogt; Hans-Dieter Walker, Berlin;

Behrouz Asadi (Arbeitskreis Asyl Rheinland-Pfalz); Antje-Christin Büchner (Flücht-lingsrat Thüringen); Bernhard Dahm (Saarländischer Flüchtlingsrat); Cornelia Gun-ßer (Flüchtlingsrat Hamburg); Doreen Klamann-Senz (Flüchtlingsrat Mecklenburg- Vorpommern); Dr. Christoph Kunz (Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt); Martin Link(Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein); Angelika von Loeper (Flüchtlingsrat Baden-Würt-temberg); Martina Mauer (Flüchtlingsrat Berlin); Ali Moradi (Sächsischer Flüchtlings-rat); Birgit Naujoks (Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen); Britta Ratsch-Menke (Flüchtlingsrat Bermen, Zuflucht – Ökumenische Ausländerarbeit Bremen); TimmoScherenberg (Hessischer Flüchtlingsrat); Beate Selder (Flüchtlingsrat Brandenburg);Kai Weber (Flüchtlingsrat Niedersachsen); Matthias Weinzierl (Bayerischer Flücht-lingsrat)

Berater: Michael Lindenbauer, Berlin

Redaktion: Günter Burkhardt, Andrea Kothen, Alena Thiem

Redaktionsschluss: April 2013

Layout: Wolfgang Scheffler, Mainz; Herstellung: alpha print medien AG, Kleyerstraße 3,64295 Darmstadt; Titelgestaltung: Dieter Klöckner/Imke Thiele, Frankfurt/M.; Titelfoto: © PRODEIN

Förderverein PRO ASYL e. V.Postfach 160624, 60069 Frankfurt/M.Telefon: 069/23 06 88, Telefax: 069/23 06 50

[email protected]

Spendenkonto-Nr. 8047300Bank für Sozialwirtschaft Köln, BLZ 370 205 00IBAN: DE62 3702 0500 0008 0473 00BIC: BFSWD33XXX

Menschenrechte jetzt zum Thema machen

PRO ASYL setzt zur Bundestagswahl das Thema Menschenrechte auf die

politische Agenda. Zusammen mit dem Interkulturellen Rat in Deutschland

und dem Deutschen Gewerkschaftsbund stellen wir Positionen und Forde-

rungen für viele Politikbereiche auf – angefangen bei der Gefahrensituation

für Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen bis hin zur Gleichbehandlung

von Flüchtlingen im Inland.

■ Informieren Sie sich über unsere Positio-

nen in dem Faltblatt „Menschenrechte

jetzt zum Thema machen“. Bitte verteilen

Sie dieses Faltblatt an Freundinnen,

Freunde und Bekannte sowie auf politi-

schen Veranstaltungen. Fordern Sie

unter www.proasyl.de kostenlos die

gewünschte Anzahl von Exemplaren an.

■ Bringen Sie unsere Forderungen in die

Debatte ein. Erfragen Sie bei Veranstal-

tungen zur Bundestagswahl die Positio-

nen der politischen Parteien zu unseren

Themen. Initiieren Sie Diskussionen in

sozialen Netzwerken.

■ Beteiligen Sie sich an der Interkulturellen

Woche und führen Sie Veranstaltungen

durch. Laden Sie die Bundestagskandi-

daten dazu ein. Organisieren Sie Begeg-

nungen von Flüchtlingen und Verant-

wortlichen aus der Politik.

Bundes-tagswahl2013

Informieren Sie sich über Aktuelles

rund um die Bundestagswahl auf:

www.proasyl.de

■ Beteiligen Sie sich an der Interkulturellen

Woche und führen Sie Veranstaltungen

durch Laden Sie die Bundestagskandi-

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