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Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit in KMU Bachelorthesis zur Erlangung des Hochschulgrades Bachelor of Arts an der Hochschule Furtwangen University Fakultät Wirtschaft vorgelegt von: Sophie Erdmann Matr.-Nr. 233443 Studienfach: Internationale Betriebswirtschaft am: 26.08.2013 Erstbetreuerin: Prof. Dr. Eva Kirner Zweitbetreuer: Prof. Ulrich Hoffrage

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Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur

Verbesserung der Innovationsfähigkeit in KMU

Bachelorthesis zur Erlangung des Hochschulgrades Bachelor of Arts

an der

Hochschule Furtwangen University

Fakultät Wirtschaft

vorgelegt von: Sophie Erdmann

Matr.-Nr. 233443

Studienfach: Internationale Betriebswirtschaft

am: 26.08.2013

Erstbetreuerin: Prof. Dr. Eva Kirner

Zweitbetreuer: Prof. Ulrich Hoffrage

Kurzzusammenfassung

I

Kurzzusammenfassung

Thema der Bachelorarbeit: Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur

Verbesserung der Innovationsfähigkeit in KMU

Verfasserin: Sophie Erdmann

Hochschule Furtwangen University

-Fakultät Wirtschaft-

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem alternativen Wirtschaftskonzept der

Gemeinwohl-Ökonomie. Es wird untersucht, ob die Gemeinwohl-Ökonomie Potential

zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen

besitzt. Ziel ist es, herauszufinden inwiefern ein Wirtschaftssystem, das auf anderen

Werten wie die der freien Marktwirtschaft aufgebaut ist, ebenfalls die Fähigkeit besitzt

die Entwicklung und Umsetzung von Neuerungen voranzutreiben. Dies wird mithilfe

von aktueller Fachliteratur und explorativen Interviews mit Vertretern und

Vertreterinnen von Unternehmen, die bereits die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen,

erforscht.

Es wurde ersichtlich, dass die Gemeinwohl-Ökonomie weiterhin einen Anreizrahmen

schafft, der die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen fördert. Dabei werden

viele der erfolgversprechenden Faktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit

positiv beeinflusst. Die Befragung der Experten und Expertinnen machte deutlich, dass

durch den Prozess der Bilanzierung nach den Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie,

Potential für Verbesserungen im Unternehmen aufgedeckt wird. Insgesamt wurde

ersichtlich, dass in der praktischen Umsetzung der Ideen und des Konzeptes der

Gemeinwohl-Ökonomie besonders die intrinsischen Motivationsfaktoren der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und die darauf aufbauende Innovationskultur zu

Gunsten der Innovationsfähigkeit verbessert werden.

Abstract

II

Abstract

Titel of Bachelorthesis: Potential of the Economy for the Common Good to

improve the innovative capability of small and

medium-sized businesses

Author: Sophie Erdmann

Hochschule Furtwangen University

-Business Faculty-

The thesis on hand concentrates on the alternative economic concept of the Economy

for the Common Good. The study investigates if the Economy for the Common Good

offers potential to improve the innovative capability of small and medium-sized

businesses. The objective is to discover to what extent an economic system based on

different values than the economic liberalism has as well the ability to promote the

development and implementation of innovations. It will be discovered by using up-to-

date economics literature and explorative interviews held with representatives of

companies that support the Economy for the Common Good.

It appears that the Economy for the Common Good continues to create a framework to

encourage the development and implementation of innovations. At the same time many

of the promising factors for improving innovative capability are positively influenced.

By interviewing the experts it became clear that the process of reporting according to

the criteria of the Economy for the Common Good, potential for improvement within

the firm was exposed. Taking everything into consideration it became obvious that in

particular intrinsic factors of motivation and the thereupon based innovative culture

were improved by the implementation of ideas and concepts of the Economy for the

Common Good.

Inhaltsverzeichnis

III

Kurzzusammenfassung I

Abstract II

Abbildungsverzeichnis V

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung .................................................................................................................. 1

1.1. Problemstellung ................................................................................................. 3

1.2. Eingrenzung der Untersuchung.......................................................................... 4

1.3. Aufbau der Untersuchung .................................................................................. 5

2. Grundlagen ................................................................................................................ 6

2.1. Innovation .......................................................................................................... 6

2.1.1. Definition .................................................................................................... 6

2.1.2. Arten von Innovation .................................................................................. 7

2.2. Innovationsfähigkeit .......................................................................................... 9

2.2.1. Definition .................................................................................................. 10

2.2.2. Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit ........................ 11

2.3. Gemeinwohl-Ökonomie ................................................................................... 18

2.3.1. Idee und Vision ......................................................................................... 18

2.3.2. Umsetzung der Gemeinwohl-Ökonomie .................................................. 19

2.3.3. Messung des Unternehmerischen Erfolgs ................................................ 21

2.3.4. Wertewandel in der Wirtschaft ................................................................. 23

2.3.5. Anreize für Gemeinwohl-Streben ............................................................. 27

2.3.6. Anreize für Innovationen in der Gemeinwohl-Ökonomie ........................ 29

3. Empirische Untersuchung ....................................................................................... 37

3.1. Methodik .......................................................................................................... 37

3.1.1. Zielsetzung ............................................................................................... 37

Inhaltsverzeichnis

IV

3.1.2. Erhebungsmethode ................................................................................... 37

3.1.3. Festlegung der Stichprobe ........................................................................ 39

3.1.4. Gestaltung des Interviewleitfadens ........................................................... 41

3.1.5. Durchführung der Interviews ................................................................... 45

3.2. Ergebnisse ........................................................................................................ 46

3.3. Diskussion der Ergebnisse ............................................................................... 66

4. Schlussfolgerung ..................................................................................................... 68

5. Ausblick .................................................................................................................. 72

Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 73

Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................ 78

Anhang ........................................................................................................................... 79

Anhang 1: Operationalisierungs-Tabelle (InnoKMU) ................................................ 79

Anhang 2: Gemeinwohl-Matrix 4.1 ............................................................................ 81

Anhang 3: Interviewleitfaden ..................................................................................... 82

Anhang 4: Darstellung der Interviews ........................................................................ 84

Abbildungsverzeichnis

V

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Phasen des Innovationsprozesses, Quelle: modifizierte Abbildung aus

Sommerlatte, Tom; Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.)

Innovationskultur und Ideenmanagement. Strategien und praktische Ansätze für mehr

Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf: Symposion 2006. S. 67. ................................................ 7

Abbildung 2: Operationalisierung eines kritischen Erfolgsfaktors anhand eines

Beispiels. Quelle: Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Hg. v. Fraunhofer-

Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 12. .................. 13

Abbildung 3: Befragte Pionier-Unternehmen, Eigene Darstellung .............................. 41

Einleitung

1

1. EINLEITUNG

In den letzten Jahren gewann die Anti-Kapitalismus-Bewegung weltweit jedes Jahr

mehr Anhänger. Dies drückte sich in zahlreichen Demonstrationen, wie während des

sogenannten Arabischen Frühlings, der unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit und die

Korruption in Wirtschaft und Politik kritisierte, aus. Davon inspiriert, begann die

Bürgerbewegung in Spanien am 15. Mai 2011, bei der viele Themen öffentlich

aufgegriffen wurden und gegen die Missstände in der Wirtschaft demonstriert wurde.

Einige der Argumente gegen das existierende Wirtschaftssystem waren die aktuell sehr

hohe Jugendarbeitslosigkeit, der Zusammenbruch des Finanzsektors und die ungleiche

Einkommensverteilung innerhalb der spanischen Bevölkerung. Kurz nach Beginn der

Bewegung in Spanien kam es in den Vereinigten Staaten aus ähnlichen Gründen zu

Protestaktionen. Die Occupy-Wall-Street-Bewegung greift die starke Zentralisierung

des Reichtums und die Spekulationsgeschäfte der Banken an. Diese vielen

Protestaktionen von verschiedenen Menschen auf der ganzen Welt zeigen, dass der

Wunsch nach einem neuen bzw. veränderten Wirtschaftsystem existiert. Obwohl der

Protest so zahlreich und lautstark ist, beharrt die Mehrheit der Politiker/-innen und

Wirtschaftler/-innen weiterhin auf der Meinung, dass es keine Alternative bzw. kein

besseres System gibt. Der wohl bekannteste Ausspruch für die freie Marktwirtschaft, als

einzig wahres Wirtschaftssystem, kam von der ehemaligen britischen Premierministerin

Margaret Thatcher: „Es gibt keine Alternative!“1. Nach Thatcher ist der

Wirtschaftsliberalismus, das einzig wahre System, welches in Zukunft vorherrschend

sein wird und den größten Fortschritt für die Menschheit ermöglicht. Oft wird

argumentiert, dass diese Wirtschaftform der Weltbevölkerung mehr Lebensqualität,

Gleichheit, Gerechtigkeit und Wohlstand gebracht haben.

1 Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Eine demokratische Alternative wächst. Wien: Deuticke

2012. S. 9.

Einleitung

2

Zum Teil hat diese Argumentation sehr viel Wahrheitsgehalt, wenn man zum Beispiel

bedenkt wie viele technische Neuerungen entwickelt wurden, die uns das alltägliche

Leben und die Produktion vieler Güter wesentlich erleichtern. Auf der anderen Seite hat

uns der Produktivitäts- und Innovationsdrang, mit dem Ziel den Unternehmensgewinn

zu steigern, zu einem Punkt gebracht an dem wir unzählige Neuheiten auf den Markt

bringen und dies teilweise ohne Rücksicht auf die Konsequenzen dieses einseitigen

Handelns. Laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinigten Staaten (UNDP) hat sich

das Gesundheits- und Bildungsniveau in den Entwicklungsländern zwischen 1990 und

2010 durch eine stetig wachsende Wirtschaft und höheren Informationsaustausch, etwas

verbessert. Währenddessen steigt jedoch die Einkommensungleichheit in vielen

Entwicklungsländern.2

Wenn man diesen Gegensatz betrachtet, kann man sehen, dass uns die freie

Marktwirtschaft zum Teil mehr Wohlstand und Lebensqualität gebracht hat, aber nicht

mehr Gleichheit und Gerechtigkeit. Neben den sozialen und wirtschaftlichen

Konsequenzen darf man nicht vergessen, dass unser natürlicher Lebensraum durch die

rücksichtslose Art zu Wirtschaften stark verändert und zerstört wird. Über die Folgen

wie Klimawandel, Wasser-, Boden- und Luftverschmutzung, Waldsterben, Erosion,

usw. ist mittlerweile jeder und jede in irgendeiner Art und Weise informiert.

Von Verfechtern der aktuellen Wirtschaftsform wird jedoch weiterhin argumentiert,

dass es keine Alternative zum jetzigen System gibt und dass nur das Ziel der

Gewinnmaximierung Unternehmen anspornt produktiv und innovativ zu bleiben. Nur so

ist es den Unternehmen möglich im globalen Konkurrenzkampf Fuß zu fassen. Für

kleine und mittelgroße Unternehmen ist die Innovationsfähigkeit, also die Fähigkeit

Neuerungen aller Art erfolgreich auf den Markt zu bringen, auch eine der wichtigsten

Qualitäten um erfolgreich zu sein und langfristige Wettbewerbsvorteile zu erlangen.3

2 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (Hg.): Bericht über die menschliche Entwicklung

2013 (Kurzfassung). Berlin: UNO-Verlag 2013. S. 5. 3 Sammerl, Nadine; Wirtz, Bernd W.; Schilke, Oliver: Innovationsfähigkeit von Unternehmen. In: DBW -

Die Betriebswirtschaft 68, 27.03.2008 (2/2008). S. 132 f.

Einleitung

3

Wenn von kleinen und mittelgroßen Unternehmen oder auch mittelständischen

Unternehmen die Rede ist, spricht man von Unternehmen, „die weniger als 250

Personen beschäftigen und die .. einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR

erzielen“.4 Nach Aussage des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2010 99,3

Prozent aller Unternehmen kleine und mittelgroße Betriebe.5 Als Großteil der

Unternehmen in Deutschland spielen somit kleine und mittlere Unternehmen eine

wichtige Rolle in der Volkswirtschaft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und um

Arbeitsplätze zu schaffen, müssen sie innovativ und erfolgreich sein. Nun stellt sich die

Frage, ob dies nur durch Gewinnstreben und Konkurrenzdenken gewährleistet wird oder

ob Unternehmen auch unter anderen Rahmenbedingungen innovationsfähig und somit

wirtschaftlich und erfolgreich sein können.

1.1. PROBLEMSTELLUNG

In dieser Forschungsarbeit soll demnach betrachtet werden, ob ein zur freien

Marktwirtschaft anders konzeptioniertes Wirtschaftsystem weiterhin die

Innovationsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen am Leben hält

und fördert. Weiterhin soll erkundet werden, inwiefern sich der Anreizrahmen für

Innovationen in einer anderen Wirtschaftsform verändert und mit welcher Zielsetzung

Neuerungen aller Art entwickelt werden.

4 Europäische Kommission (Hg.): Die neue KMU-Definition. Benutzerhandbuch und Mustererklärung.

2006. S. 5. 5 Statistisches Bundesamt. Zahlen & Fakten. Kleine & mittlere Unternehmen. Online verfügbar unter

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/Kleine

MittlereUnternehmenMittelstand/KleineMittlereUnternehmenMittelstand.html, zuletzt geprüft am

14.08.2013.

Einleitung

4

1.2. EINGRENZUNG DER UNTERSUCHUNG

Die Untersuchung konzentriert sich auf das alternative Wirtschaftskonzept der

Gemeinwohl-Ökonomie, da diese momentan viel Zuspruch bekommt und stark

unterstützt wird. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine Alternative zur freien

Marktwirtschaft und schlägt vor, die jetzigen Prinzipien des Wirtschaftens wie

Gewinnmaximierung und Wettbewerbsfähigkeit durch menschlichere wie

Gemeinwohlmaximierung, Kooperation und Solidarität zu ersetzen. Das Konzept wird

bereits von vielen Unternehmen umgesetzt und unterstützt.6 Außerdem wurden bereits

genaue Ideen und Konzepte zur Entwicklung und Umsetzung erstellt und erprobt. Fast

alle Unternehmen, die sich dazu entschlossen haben, die Gedanken der Gemeinwohl-

Ökonomie im Unternehmen durchzusetzen, gehören dem gewerblichen Mittelstand an.

Deshalb und weil wie bereits erwähnt ein Großteil der Wirtschaftsleistung in

Deutschland von mittelständischen Unternehmen vollbracht wird, konzentriert sich

diese Forschungsarbeit nur auf Betriebe dieser Größenordnung.

Um die theoretischen Themen der Gemeinwohl-Ökonomie genauer zu beleuchten und

zu diskutieren, hat sich vor Kurzem der Wissenschaftskreis der Gemeinwohl-Ökonomie

gebildet. Auf der Internetplattform der Organisation kann man die Themen einsehen,

die bereits behandelt werden und auch Forschungsthemen finden, die noch zur

Diskussion und Ausarbeitung offen stehen. Ein vorgeschlagenes Thema lautet:

Gemeinwohl-Ökonomie als Teil einer Organisationsentwicklung. Da der Umfang einer

Bachelorthesis die vollständige Diskussion dieses Forschungsthemas nicht zulässt, wird

in dieser Arbeit ein Teilbereich bzw. eine Zielsetzung der Organisationsentwicklung

betrachtet. Es soll beobachtet werden ob und/oder wie die Innovationsfähigkeit in

kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch die Einführung der Gemeinwohl-

Ökonomie beeinflusst wird.

Obwohl die Ausarbeitung des Konzeptes der Gemeinwohl-Ökonomie von Christian

Felber mehrere Bereiche unter anderem Bildung und Politik umfasst, werden nur die

wirtschaftlichen Änderungen in Betracht gezogen, die einen Bezug auf das

unternehmerische Handeln aufweisen, da diese Bachelorarbeit im Rahmen eines

betriebswirtschaftlichen Studiengangs verfasst wurde.

6 Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 16 ff.

Einleitung

5

1.3. AUFBAU DER UNTERSUCHUNG

Anschließend an die einleitenden Worte werden alle relevanten Begriffe und Konzepte,

die zum Verständnis der Untersuchung wichtig sind, definiert und erläutert. Zuerst wird

der Begriff Innovation und dessen verschiedene Arten erklärt. Daran anknüpfend wird

auf das Konzept der Innovationsfähigkeit eingegangen und versucht es zu

operationalisieren. Des Weiteren wird die Gemeinwohl-Ökonomie ausführlich

beschrieben. Außerdem wird erläutert was die Anreize zum Gemeinwohl-Streben und

zur Entwicklung von Innovationen sind. Darauf aufbauend wird der praktische Teil der

Untersuchung vorgestellt. Dabei wird näher auf die Methodik der Untersuchung

eingegangen, indem die Forschungsmethode und die Auswahl der Stichprobe erklärt

werden. Weiterhin werden die Art und Weise der Durchführung der Interviews

vorgestellt und der Interviewleitfaden näher erläutert. Die daraus hervorgegangenen

Forschungsergebnisse werden in diesem Kapitel ebenfalls dargestellt und diskutiert.

Abschließend wird eine Schlussfolgerung gezogen und darauf aufbauend folgt ein

Ausblick zur Weiterentwicklung der Thematik.

Grundlagen

6

2. GRUNDLAGEN

2.1. INNOVATION

Diese Ausführung zum Thema Innovation dient dazu, die Forschungsergebnisse bei der

Auswertung besser einordnen zu können. Es soll geklärt werden in welcher Art

Innovationen hervorgebracht werden können. So ist es möglich genau zu bestimmen, ob

und wenn ja, in welchen Bereichen im Unternehmen das Konzept der Gemeinwohl-

Ökonomie zu Neuerungen animiert.

2.1.1. DEFINITION

Da Innovationen eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen darstellen, ist

der Begriff vielfach definiert und diskutiert wurden. Jürgen Hauschildt und Sören

Salomo schaffen einen Überblick über die Vielzahl an Definitionen und schlussfolgern,

dass man eine Innovation grundsätzlich als „etwas „Neuartiges“ [bezeichnet]: Neuartig

ist mehr als neu, es bedeutet eine Änderung der Art, nicht nur dem Grade nach.“7 Sie

stellen folgende Definition auf: „Innovationen sind qualitativ neuartige Produkte oder

Verfahren, die sich gegenüber einem Vergleichszustand „merklich“ … unterscheiden.“8

Je nach Verständnis des Begriffes Innovation wird vorrangig das Ergebnis betrachtet

oder der gesamte Prozess. Grundsätzlich muss aber immer beachtet werden, dass jeder

Innovation ein komplexer Prozess zugrundeliegt. Eine Innovation entsteht erst, wenn

die Grundidee, also die eigentliche Erfindung (Invention) erfolgreich umgesetzt und

kommerzialisiert wurde.9 Denn Neuerungen sind nur dann erfolgreich umgesetzt, wenn

sie auch wirklich einen Nutzwert für die Gesellschaft darstellen.10

7 Hauschildt, Jürgen; Salomo, Sören: Innovationsmanagement. 4. Aufl. München: Vahlen (Vahlens

Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) 2007. S. 3f. 8 Ebd. S. 4.

9 Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. Die 6 Phasen von der

Idee zur Umsetzung. Offenbach: Gabal Verlag 2009. S. 7. 10

Brandl, Karl H.; Cox, Peter M.; Rundnagel, Regine: Innovationskennzahlen zur

Beschäftigungsförderung. Hg. v. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf 2005. S. 8.

Grundlagen

7

Dieser Innovationsprozess wird von Cornelius Herstatt anhand von fünf Phasen

dargestellt:

Abbildung 1: Phasen des Innovationsprozesses, Quelle: modifizierte Abbildung aus Sommerlatte, Tom;

Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.) Innovationskultur und Ideenmanagement.

Strategien und praktische Ansätze für mehr Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf: Symposion 2006. S. 67.

Besonders in der ersten Phase ist es für das Gelingen des gesamten Prozesses wichtig,

dass eine sogenannte Innovationskultur im Unternehmen, sprich eine

„innovationsfördernde Unternehmenskultur“11

, geschaffen wird. Welche Faktoren

entscheidend für eine optimale Innovationskultur sind, wird in Punkt 2.2.2. beschrieben.

2.1.2. ARTEN VON INNOVATION

Um die Komplexität des Innovationsbegriffes besser zu verstehen, soll im Folgenden

eine Einteilung der verschiedenen Arten von Innovationen vorgenommen werden.

Dabei wird sich auf die Variante von Michael Hartschen, Jiri Scherer und Chris Brügger

konzentriert, welche die verschiedenen Arten nach Gegenstandsbereich und

Neuigkeitsgrad einteilen.12

Diese Arbeit fokussiert sich auf die Arten nach

Gegenstandsbereich und verzichtet deshalb auf eine ausführliche Definition der Arten

nach der zweiten Einteilungsvariante.

11

Sommerlatte, Tom; Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.) Innovationskultur und

Ideenmanagement. Strategien und praktische Ansätze für mehr Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf:

Symposion 2006. S. 62. 12

Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. Die 6 Phasen von der

Idee zur Umsetzung. Offenbach: Gabal Verlag 2009. S. 8 f.

Phase I:

Ideenge-nerierung und -

bewertung

Phase II:

Konzepter-arbeitung,

Produktplan-ung

Phase III:

Entwicklung

Phase IV:

Prototypenbau, Pilotanwend-ung/ Testing

Phase V:

Produktion, Markteinführ-

ung und -durchdringung

Grundlagen

8

Einteilung nach Gegenstandsbereich

Grundlegend wird zwischen Produkt- und Dienstleistungsinnovationen und

Prozessinnovation unterschieden. Weitere Arten von Innovationen im Rahmen dieser

Einteilung sind organisatorische und soziale Innovationen.13

Bei einer Produktinnovation handelt es sich um die „Aufnahme neuartiger Produkte

als Ergebnis eigener oder fremder Forschung und Entwicklung in das

Absatzprogramm.“14

Die Dienstleistungsinnovation ist die „immaterielle Dimension

der Produktebene“15

, da sie durch die Entwicklung und Implementierung neuer Formen

von Beratung, Service und Betreuung der Kunden und Kundinnen16

, ergänzend zum

Produkt wirkt. „Prozessinnovationen hingegen umfassen neue oder merklich

verbesserte Fertigungs- und Verfahrenstechniken, die zu einem effizienteren

Leistungserstellungsprozess führen und in der Regel nur innerbetrieblich eingeführt

werden.“17

Im Gegensatz zu den bereits erläuterten Innovationsarten handelt es sich bei sozialen

und organisatorischen Innovationen nicht um technische Innovationen. Diese legen

jedoch meist den „Grundstein für technologische Innovationen“18

(siehe 2.2.2.

Definition Technologie). Bei sozialen Innovationen werden durch zum Beispiel

„Veränderungen der Ablauforganisation, Verhaltensänderung bei den

Organisationsmitgliedern mittels Organisationsentwicklung, Verhaltensänderungen bei

Lieferanten und Kunden“19

ein sozialer Wandel hervorgerufen, der eine Neuerung für

diese Bereiche im Unternehmen bedeutet. Soziale Innovationen sind zum Beispiel die

13

Vgl. Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Messung,

Determinanten, Wirkungen. 1. Aufl. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2006. S. 25. 14

Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Produktinnovation, Online

verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/57695/produktinnovation-v8.html, zuletzt

geprüft am 14.08.2013. 15

Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Messung, Bewertung, und Steigerung der

Innovationsfähigkeit durch www.innoscore.de. Hg. v. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und

Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 23. 16

Vgl. Feldmann, Sebastian et al.: Serviceinnovation. Potenziale industrieller Dienstleistungen erkennen

und erfolgreich implementieren. Berlin [u.a.]: Springer 2012. S. V ff. 17

Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 25 f. 18

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Projekte. Patterns of Organisational

Change in European Industry (PORCH). Online verfügbar unter http://www.isi.fraunhofer.de/isi-

de/i/projekte/porch.php, zuletzt geprüft am 14.08.2013. 19

Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Innovation, Online verfügbar

unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54588/innovation-v8.html, zuletzt geprüft am

14.08.2013.

Grundlagen

9

Jobrotation und das Arbeitslosengeld.20

Während sich soziale Innovationen auf

Einzelpersonen und die Beziehungen zwischen diesen fokussiert, konzentriert sich die

Veränderung durch eine organisatorische Innovation auf die „strukturelle

Ausgestaltung der Aufbau- oder Ablauforganisation des Unternehmens“21

, wie zum

Beispiel der Einsatz von einem virtuellen Netzwerk für effizienteren Wissensaustausch

zwischen firmeninternen Personen.22

Durch solche und ähnliche organisatorische

Innovationen wird wesentlich zur Entwicklung der Kompetenzen und des Wissens der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beigetragen.

Einteilung nach Neuigkeitsgrad

Innovationen kann man auch bezüglich ihres Neuigkeitsgrades einteilen. „Der

Neuheitsgrad wird von dem Ausmaß der Novität und damit von dem Umfang der

Veränderungen gegenüber dem bisherigen Zustand („wie viel ist neu?") und der

subjektiven Betrachtungsperspektive („für wen ist es neu?") determiniert.“23

Zum einen

gibt es Innovationen, die nicht vollständig neu sind: Routine- oder

Verbesserungsinnovationen und zum anderen gibt es komplett neuartige Innovationen:

Radikalinnovation.24

Bei beiden Einteilungen der Innovationsarten handelt es sich um eine theoretische

Klassifizierung und somit kann es in der Praxis bei der Bestimmung von Innovationen

oft zu Überschneidungen kommen.

2.2. INNOVATIONSFÄHIGKEIT

Da es in dieser Arbeit darum geht, herauszufinden ob die Übernahme von Ideen und

Werten der Gemeinwohl-Ökonomie in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu

einer Beeinflussung der Innovationsfähigkeit führt, wird in diesem Abschnitt vorerst

diskutiert, was man unter Innovationsfähigkeit versteht und was ein innovationsfähiges

Unternehmen charakterisiert.

20

Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. a.a.O. S. 9. 21

Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 23. 22

Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. a.a.O. S. 9. 23

Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 33. 24

Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. a.a.O. S. 9.

Grundlagen

10

2.2.1. DEFINITION

Der Begriff Innovation ist in der einschlägigen Literatur vielseitig diskutiert, aber eine

mehrwertstiftende Definition des darauf aufbauenden Begriffes Innovationsfähigkeit ist

kaum vorhanden.25

Im Gabler Wirtschaftslexikon beispielsweise wird

Innovationsfähigkeit wie folgt versucht zu definieren: „Leistungsfähigkeit einer

Institution, bezogen auf das Hervorbringen von Neuerungen.“26

Die

Wirtschaftsprofessoren Geert Duysters und John Hagedoorn von der Universität in

Maastricht haben folgende Definition aufgestellt: “Innovative capability concerns the

specific expertise and competence related to the development and introduction of new

processes and products.”27

Demnach handelt es sich bei der Innovationsfähigkeit um

zielgerichtetes Wissen und spezifische Kompetenz in Hinblick auf die Entwicklung und

Einführung von neuen Prozessen und Produkten.

Da das Wort Innovationsfähigkeit aus den Worten Innovation und Fähigkeit

zusammengesetzt ist, liegt es nahe den Begriff mithilfe der Definitionen der beiden

Einzelbegriffe zu beschreiben. Doch während der Begriff Innovation bereits von vielen

Autoren genau definiert wurde, erweist sich die Definierung des Begriffes Fähigkeit als

etwas schwieriger. Duysters und Hagedoorn kommen der Definierung der „Fähigkeit“

etwas näher. Sie beschreiben es als Prozess, bei dem mit dem relevanten Wissen und der

adäquaten Kompetenz, die Zielerreichung so optimal wie möglich gestaltet wird.28

Die Innovationsfähigkeit als Konstrukt ist demnach zum einen ein wichtiges

Organisationsziel, welches „die Fähigkeit zur Problemerkenntnis, zur Ideengenerierung,

zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie die

Produktionseinführungs- und Markteinführungstätigkeit“29

beinhaltet und zum anderen

die Fähigkeit Innovationen, „die aus Sicht des innovierenden Unternehmens und des

Marktes bedeutsame neue Merkmale aufweisen, zu entwickeln und am Markt

25

Vgl. Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 38. 26

Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Innovationsfähigkeit, Online

verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/82551/innovationsfaehigkeit-v6.html, zuletzt

geprüft am 14.08.2013. 27

Hagedoorn, John; Duysters, Geert: External Sources of Innovative Capabilities. The Preference for

Strategic Alliances or Mergers and Acquisitions. In: Journal of Management Studies, 27.09.2007

(03/2002), S. 167–188. S. 168. 28

Ebd. 29

Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 36.

Grundlagen

11

einzuführen“30

Somit könnte man schlussfolgern, dass die Innovationsfähigkeit im

Unternehmen Ausschluss darüber gibt, wie zielführend ein Unternehmen die einzelnen

Schritte im Innovationsprozess bewältigt, um letztendlich eine nützliche und

marktfähige Neuerung vorweisen zu können.

Da es in dieser Forschungsarbeit darum geht herauszufinden, ob sich die Fähigkeit

Neuerungen zu entwickeln und einzuführen von den untersuchten Unternehmen

verbessert, ist es notwendig diese Fähigkeit messbar zu machen, um die Unterschiede

zwischen „nicht fähig sein“, „fähig sein“ und „sehr fähig sein“ deuten zu können. Zu

diesem Zweck wird im folgenden Punkt ein Verfahren vorgestellt, dass mithilfe von

verschiedenen Erfolgsfaktoren zur Bewertung und Verbesserung der

Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen genutzt werden kann.

2.2.2. ERFOLGSFAKTOREN ZUR STEIGERUNG DER INNOVATIONSFÄHIGKEIT

Viele Forschungsgruppen haben sich bereits mit der Operationalisierung des Konstrukts

Innovationsfähigkeit auseinandergesetzt. Dabei sind theoretisch-konzeptionelle und

empirische Untersuchungen entstanden. Meist wurde bei den Untersuchungen eine

Anzahl von Indikatoren aufgestellt, mit dem Ziel Innovationsfähigkeit messbar zu

machen. Diese Indikatoren beschreiben Kompetenzen, Ressourcen, Fähigkeiten,

Wissen, usw., die Unternehmen besitzen müssen um innovationsfähig zu sein.31

Aufgrund der Tatsache, dass in dieser Arbeit konkret beobachtet werden soll, ob sich

die Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch den Einfluss

der Gemeinwohl-Ökonomie verbessert, muss eine Konzeptionalisierung des Konstrukts

als Grundlage verwendet werden, die Aufschluss darüber gibt, welche Faktoren die

Innovationsfähigkeit des unternehmerischen Mittelstandes beeinflussen und das

Potential besitzen diese zu verbessern. Anhand dessen kann beobachtet werden, ob

diese Bereiche beeinflusst werden und wenn ja, in welchem Ausmaß. Es ist nicht Ziel

dieser Arbeit die Innovationsfähigkeit der untersuchten Unternehmen genau zu erfassen

durch Methoden wie Benchmarking (Stärke der Innovationsfähigkeit eines

30

Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 36. 31

Vgl. Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 74-102.

Grundlagen

12

Unternehmens im Vergleich zum Branchenführer)32

oder Scoringmodelle (Bewertung

der einzelnen Einflussfaktoren mithilfe von Werteskalen)33

. Es soll eine Methode

angewendet werden, die es ermöglicht die aktuelle und zukünftige Entwicklung der

Innovationsfähigkeit durch den Einfluss der Gemeinwohl-Ökonomie zu erkennen.

Als Basis sollen die Ergebnisse des Verbundprojekts "Verfahren zur Bewertung und

Steigerung der Innovationsfähigkeit produzierender KMU" (InnoKMU) verwendet

werden. Beteiligt an diesem Projekt waren Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für

Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, des Fraunhofer-Instituts für

Arbeitswirtschaft und Organisation und der Universität Stuttgart; sowie innovative

Unternehmen, Verbände und Vertreter aus Finanzorganisationen.34

Mithilfe von

Fallstudien mit den sechs Industriepartnern und Telefoninterviews mit 151 sehr

innovativen Unternehmen stellte das Forscherteam eine Anzahl von Erfolgsfaktoren auf,

die Bedingungen beschreiben, die ein Unternehmen erfüllen muss um innovationsfähig

zu sein. Um diese Faktoren messbar zu machen, wurden für jeden Erfolgsfaktor

spezifische Indikatoren formuliert.35

Im folgenden Schema wird verdeutlicht, wie die

einzelnen Indikatoren zustande gekommen sind.

32

Vgl. Brandl, Karl H.; Cox, Peter M.; Rundnagel, Regine: Innovationskennzahlen zur

Beschäftigungsförderung. Hg. v. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf 2005. S. 29. 33

Vgl. ebd. S. 33. 34

Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. Hg. v.

Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und

Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 4. 35

Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 8.

Grundlagen

13

Abbildung 2: Operationalisierung eines kritischen Erfolgsfaktors anhand

eines Beispiels. Quelle: Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Hg. v.

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart

2007. S. 12.

Da „es sich bei manchen Kritischen Erfolgsfaktoren zur Bestimmung der

Innovationsfähigkeit um eher diffuse, empirisch nicht direkt fassbare .. Größen“36

handelt, wurden dafür Indikatoren gefunden, die konkret abfragbar sind. Um nun die

Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu erfassen und die Veränderung sichtbar zu

machen, bedarf es einer Abfrage der Ausprägung der einzelnen Indikatoren. Mehr zum

Ablauf der empirischen Untersuchung wird in Punkt 3.1. erläutert.

Die einzelnen kritischen Erfolgsfaktoren sind neun verschiedenen Gestaltungsfeldern

(Innovationskultur, Strategie, Kompetenz & Wissen, Technologie, Produkt &

Dienstleistung, Prozess, Struktur & Netzwerk, Markt, Projektmanagement) zugeordnet,

welche in Vorstudien der Fraunhofer Institute elaboriert wurden. Diese

Gestaltungsfelder beschreiben Bereiche innerhalb und außerhalb des Unternehmens,

welche während des Innovationsprozesses eine Rolle spielen.37

Im Folgenden werden die einzelnen Gestaltungsfelder näher erläutert und einige

Erfolgsfaktoren mit dazugehörigen Indikatoren vorgestellt. Die komplette

36

Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 11. 37

Vgl. Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. 9 Gestaltungsfelder für Innovation. Hg. v.

Universität Stuttgart Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 7-

8.

Grundlagen

14

Operationalisierungs-Tabelle38

, erarbeitet von den beteiligten Fraunhofer Instituten

befindet sich im Anhang 1.

Die Innovationskultur im Unternehmen ist entscheidend für ein positives

Betriebsklima, da sie die Gesamtheit, der „Werte, Normen und Verhaltensweisen“39

ist,

die im Unternehmen gepflegt werden. „Die Innovationskultur eines Unternehmens prägt

entscheidend die Fähigkeit und Bereitschaft der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, neue

Ideen zu entwickeln und umzusetzen.“40

Beeinflusst wird die Innovationskultur vor

allem durch den vorherrschenden Führungs- und Managementstil, die Kommunikation

im Unternehmen, die Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem

Unternehmen, das Vertrauen zueinander und die Motivation der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen.41

Letzeres spielt in der Innovationskultur eine zentrale Rolle. Denn

Motivation ist der „Zustand einer Person, der sie dazu veranlasst, eine bestimmte

Handlungsalternative auszuwählen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen und der

dafür sorgt, dass diese Person ihr Verhalten hinsichtlich Richtung und Intensität

beibehält.“42

Diesem Gestaltungsfeld wurden unter anderem folgende kritische

Erfolgsfaktoren zugeordnet: „Mut für Neues“, „Wertschätzung der Mitarbeiter“, „Hohes

Vertrauen in die Mitarbeiter“, „Freiräume schaffen“, „Schaffung eines ‚Wir-sind-die-

Firma‘-Gefühls“, „Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen bei der Umsetzung“, „Motivation der Mitarbeiter und des gesamten

Projektteams“ und „Offener Umgang mit wichtigen Informationen“.43

Damit zum

Beispiel der Erfolgsfaktor „Wertschätzung der Mitarbeiter“ messbar gemacht werden

kann, wurde diesem der Indikator „Wir gestalten die Arbeitsbedingungen unserer

Mitarbeiter bei Bedarf sehr individuell“44

untergeordnet.

Die klare strategische Ausrichtung des Unternehmens ist ein weiterer wichtiger Bereich,

der zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit mit betrachtet werden muss. Dabei ist

38

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f. 39

Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 17. 40

Ebd. 41

Vgl. Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. a.a.O. S. 7. 42

Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Motivation, Online verfügbar

unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/55007/motivation-v6.html, zuletzt geprüft am

14.08.2013. 43

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f. 44

Ebd.

Grundlagen

15

entscheidend auf welche Art und Weise Ziele festgelegt, erreicht und umgesetzt

werden.45

Wichtige kritische Erfolgsfaktoren für das Gestaltungsfeld Strategie sind:

„Vorhandensein einer langfristigen Innovationsstrategie“, „Gezielter Aufbau von

Kompetenzen“, „Klare Definition der Ziele“, usw.46

Demnach wird ein Unternehmen

umso innovationsfähiger je gewillter die Unternehmensführung für die Umsetzung

neuer Entwicklungen und Verbesserungen ist, je klarer die Ziele definiert sind, je größer

der gemeinschaftliche Wille zur Erreichung der Ziele ist und je angepasster die

Qualifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Umsetzung der Ziele ist.

Kompetenz und Wissen ist ausschlaggebend für die Realisierung von

Innovationsprojekten. Wissen ist „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die

Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Wissen basiert auf Daten und

Informationen, ist im Gegensatz zu diesen aber immer an eine Person gebunden.“47

Die

Kompetenz ist die Vorgehensweise wie dieses Wissen angewendet wird.48

Ohne das

notwendige Know-how können Innovationen nicht oder nur schleppend entwickelt

werden. Demnach muss sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen ihre Fähigkeiten optimal entfalten können und dass diese an der

richtigen Stelle eingebunden werden. Des Weiteren sollten die notwendigen

Qualifikationen und Kompetenzen vorhanden sein und diese dem permanenten Wandel

angepasst werden. Um sicherzustellen, dass die vorhandenen Kompetenzen und das

vorhandene Wissen bestmöglich genutzt und ausgetauscht werden, lohnt es sich eine

Art internes Wissensmanagement zu betreiben, bei dem eine Plattform zu diesem

Zweck aufgebaut und betreut wird. Des Weiteren ist es essenziell das Feedback der

Kunden und Kundinnen mit einzubeziehen, da dies eine Quelle für relevante

Informationen sein könnte.49

45

Vgl. Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. a.a.O. S. 7. 46

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f. 47

Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Wissen, Online verfügbar unter

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75634/wissen-v4.html, zuletzt geprüft am 14.08.2013. 48

Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 17. 49

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f.

Grundlagen

16

Neben dem Bereich Wissen und Kompetenz ist es auch elementar über die notwendige

Technologie zu verfügen und entsprechend zu verwenden.50

Technologie wird nach

Günther Schuh wie folgt definiert: „Technologie beinhaltet Wissen, Kenntnisse und

Fertigungen zur Lösung technischer Probleme sowie Anlagen und Verfahren zur

praktischen Umsetzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.“51

Für die Entwicklung

erfolgversprechender und nutzvoller Innovationen ist es hilfreich den Technologiemarkt

ständig zu verfolgen und zu entscheiden, welche Technologien am besten zu diesem

Zweck im Unternehmen eingesetzt werden können.52

Bei dieser Entscheidung ist es

auch von Vorteil mit zu bedenken, ob die ausgewählten Technologien zukunftsfähig

sind in Anbetracht des schnellen technologischen Wandels und der Veränderung des

Energiekonzeptes. Ebenfalls ein erfolgversprechender Faktor ist der Aufbau von

Technologienetzwerken mit dem Ziel in Kooperation mit anderen Unternehmen die

Stärken des jeweiligen Unternehmens optimal auszunutzen.53

Die Kooperation mit anderen Unternehmen und Zulieferern ist gleichzeitig ein

Erfolgsfaktor für das Gestaltungsfeld Struktur und Netzwerk. Dieses umfasst

allerdings nicht nur die externe Organisation sondern auch die Organisation im

Unternehmen. So ist etwa die passende Zusammenstellung der Projektteams im

Unternehmen genauso wichtig wie die passende Auswahl der externen Projektpartner.

Dadurch kann gewährleistet werden, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den

notwendigen und geeigneten Qualifikationen und innovative und kompetente Partner

und Partnerinnen eingesetzt werden, um den größtmöglichen Erfolg des Projekts zu

erzielen.54

Für das Gelingen eines Innovationsprojekts benötigt es außerdem ein gutes

Projektmanagement. Ziel des Projektmanagement, also der Leitung eines Projekts, ist

es, dass „die einzelnen Teilaufgaben und der Personen- bzw. Ressourceneinsatz

50

Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 51

Schuh, Günther: Technologiemanagement. Handbuch Produktion und Management. 2. Aufl. Berlin:

Springer 2011. S. 33. 52

Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 53

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f. 54

Vgl. ebd. S. 7 f., 51 f.

Grundlagen

17

organisiert, geplant, gesteuert und kontrolliert werden.“55

Erfolgversprechend für diesen

Bereich wirken unter anderem die „Einigkeit über Projektziele“, „klare Zielstellung[en]/

-vorgaben“, „Routinen zur Risikobeherrschung“, „Entscheidungsfreude/ -mut“, und

„Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen der Mitarbeiter“.56

Des Weiteren stellt sich bei „der Steuerung der Innovationsfähigkeit einer Organisation

… die Frage, inwiefern die implementierten Prozesse geeignet sind, Innovationen

hervorzubringen.“57

Nach Jörg Becker und Dieter Kahn ist ein Prozess „die inhaltlich

abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung

eines betriebswirtschaftlichen relevanten Objektes notwendig sind.“58

Demnach steht im

Innovationsprozess das Objekt der Innovation im Vordergrund. Damit die Prozesse im

Unternehmen optimal für das Innovationsprojekt ablaufen bedarf es eines guten

Innovations- und Projektmanagement und Methoden zur Risikobeherrschung.59

Da das Innovationsobjekt die wichtigste Rolle im Innovationsprozess spielt, existiert

das Gestaltungsfeld Produkt und Dienstleistung. Dabei unterscheidet man zwischen

vier verschiedenen Produktarten. Zum einen wird die Dienstleistung an sich als Produkt

gezählt, ist aber meist immateriell. Des Weiteren unterscheidet man zwischen Software,

Hardware und verfahrenstechnischen Produkten.60

Für die Verbesserung der

Innovationsfähigkeit ist in diesem Bereich wichtig, dass das Produkt „die

Kundenwünsche erfüllt bzw. Problemlösungen für den Kunden oder die Kundin

gegeben sind. Zudem muss das Produkt bzw. die Dienstleistung eine Mindestdauer am

Markt aufweisen, um die benötigten Amortisationszeiten aufzuweisen.“61

Zuallerletzt muss der Markt mit in den Innovationsprozess einbezogen werden, wenn

es darum geht die Innovationsfähigkeit im Unternehmen zu erhöhen. Wie bereits

erwähnt, ist es besonders wichtig die Kunden und Kundinnen in den

Entwicklungsprozess mit einzubeziehen um einen Nutzen der Innovation zu

55

Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael: Prozessmanagement. Ein Leitfaden zur

prozessorientierten Organisationsgestaltung. 7. Aufl. Berlin: Springer Gabler 2012. S. 17. 56

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f. 57

Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 58

Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael: Prozessmanagement. a.a.O. S. 6. 59

Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51

f. 60

Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 61

Ebd.

Grundlagen

18

gewährleisten. Die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen müssen, über die direkte

Einbeziehung hinaus, permanent beobachtet und ausgewertet werden, um potentielle

Lücken zu entdecken. Außerdem muss das Unternehmen Wissen über andere

Marktteilnehmer besitzen, um schnell reagieren zu können, falls neue Ideen von

anderen Unternehmen verfolgt werden. Dieses Wissen kann aber auch dazu dienen,

mögliche Entwicklungspartner und -partnerinnen zu entdecken und zu gewinnen.62

Es wird ersichtlich, dass es viele Faktoren zu bedenken gibt, wenn es darum geht die

Innovationsfähigkeit im Unternehmen zu erhöhen. Klar ist allerdings auch, dass nicht

alle Erfolgsfaktoren verbessert werden müssen, um eine Steigerung der

Innovationsfähigkeit zu erreichen. Je nach Unternehmensart, Innovationsprojekt,

Organisationsform, usw., können sich Verbesserungen einzelner Faktoren

unterschiedlich stark auf die Innovationsfähigkeit auswirken.

2.3. GEMEINWOHL-ÖKONOMIE

2.3.1. IDEE UND VISION

Der Grundgedanke der Gemeinwohl-Ökonomie spiegelt sich gut in einem Ausspruch

von dem Schriftsteller Stéphane Hessel aus seinem Essay „Empört euch!“ wieder: „Das

Gemeinwohl sollte über dem Interesse des Einzelnen stehen, die gerechte Verteilung

des in der Arbeitswelt geschaffenen Wohlstandes über der Macht des Geldes.“63

Die Gemeinwohl-Ökonomie ist der Versuch eine neue und alternative

Wirtschaftsordnung zu konzeptionieren, anzustoßen und umzusetzen. Die Basis dieser

neuen Wirtschaftsform bildet ein verändertes oder besser gesagt wiedererwecktes

Wertesystem. Um einen ganzheitlichen Wandel erreichen zu können, ist angedacht, dass

dieses Umdenken sowohl auf gesellschaftlicher, als auch wirtschaftlicher und

politischer Ebene stattfindet. Um den Wertewandel in der Wirtschaft anzustoßen,

wurden ein neues Unternehmensziel und ein neuer Anreizrahmen formuliert. Die

62

Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 19. 63

Hessel, Stéphane: Empört euch! 2. Aufl. Berlin: Ullstein 2011. S. 8.

Grundlagen

19

Gemeinwohl-Ökonomie sieht vor, die Steigerung des Gemeinwohls, des Wohles aller,

als neues Ziel des Wirtschaftens zu etablieren.64

Die Gemeinwohl-Ökonomie versteht sich nicht als einzig wahres Konzept für ein neues

Wirtschaftssystem, sondern „als [ein] ergebnisoffener, partizipativer, lokal wachsender

Prozess mit globaler Ausstrahlung.“65

Es ist ein Alternativmodell, bei dem versucht

wurde wichtige Themen auszuarbeiten und weiterzudenken, aber Raum offen gelassen

wurde, um verbessert und vervollständigt zu werden.66

2.3.2. UMSETZUNG DER GEMEINWOHL-ÖKONOMIE

Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein alternatives Wirtschaftsmodell, dessen Grundidee

von dem österreichischen Mitbegründer von Attac und Dozent der

Wirtschaftsuniversität Wien Christian Felber in Zusammenarbeit mit einigen Attac-

Unternehmern und -unternehmerinnen, beschrieben und ausgearbeitet wurde.67

Der

Grundstein für die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie wurde am 6. Oktober 2010,

mit der Gründung des ersten Energiefeldes, in Wien gelegt. Energiefelder „sind

regionale Unterstützungsgruppen, die den Prozess lokal vorantreiben und befördern.“68

Diesen Tag beschreibt Christian Felber ausschlaggebend für den Sprung „von einer Idee

zu einer Bewegung.“69

Das Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ erschien ungefähr zur

gleichen Zeit und wurde innerhalb von einem Jahr rund 10.000 Mal verkauft.

„In derselben Woche im August 2010, in der die Erstversion erschien, publizierte die

Bertelsmann-Stiftung eine Umfrage“70

, bei der deutsche und österreichische Bürger

vom Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid zu verschiedenen Aspekten der aktuellen

Wirtschaftsordnung befragt wurden. 2012 wurde diese Umfrage ein weiteres Mal

durchgeführt und bei beiden Durchläufen kam zu Tage, dass sich in Deutschland sowie

in Österreich 8 von 10 Befragten „die Einführung einer neuen Wirtschaftsordnung,

welche den Schutz der Umwelt, einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen sowie einen

64

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Eine demokratische Alternative wächst. Wien:

Deuticke 2012. S. 21 ff. 65

Gemeinwohl-Ökonomie. Vision und Mission. Online verfügbar unter http://www.gemeinwohl-

oekonomie.org/de/content/vision-und-mission, zuletzt geprüft am 13.06.2013. 66

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 12. 67

Vgl. ebd.. 68

Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 165. 69

Ebd. S. 9. 70

Ebd.

Grundlagen

20

sozialen Ausgleich in der Gesellschaft fördert“71

, unterstützen würden. Diese und

weitere Umstände bewirkten den Durchbruch und die erfolgreiche Umsetzung des

Konzeptes der Gemeinwohl-Ökonomie.

Um die Bewegung am Leben zu halten und weitervoranzutreiben, wurde eine Art

Struktur entwickelt. Ein wichtiger Schritt für diese Entwicklung war die Bildung von

verschiedenen Arbeitsgruppen:

Unterstützer und Unterstützerinnen

Pioniere und Pionierinnen

Berater und Beraterinnen

Auditoren und Auditorinnen

Redakteure und Redakteurinnen

Referenten und Referentinnen

Botschafter und Botschafterinnen

Energiefelder

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen72

Momentan unterstützen 1260 Unternehmen, 57 Politiker und Politikerinnen, 3644

Personen und 156 Vereine die Gemeinwohl-Ökonomie.73

Die Pionier-Unternehmen

erarbeiten freiwillig eine Gemeinwohl-Bilanz, welche im folgenden Abschnitt näher

erklärt wird. Es sind bereits über 300 Unternehmen, die eine Gemeinwohl-Bilanz

erstellen.74

Die Erstellung und Weiterentwicklung der Gemeinwohl-Bilanz ist der

zentrale Punkt der Bewegung, denn auf der Bilanz bauen weitere Prozesse auf. Berater

und Beraterinnen und Auditoren und Auditorinnen begleiten den Prozess der

Bilanzerstellung. Die Berater und Beraterinnen unterstützen die Unternehmen nach

Wunsch beim gesamten Prozess der Erstellung der Bilanz und daraus resultierenden

strategischen, organisatorischen und prozessorientierten Fragen. Um die fertige

71

Guzy, Arthur: Kein Wachstum um jeden Preis. Kurzbericht. Hg. v. TNS Emid. Bertelsmann Stiftung

2012. 72

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 159 ff. 73

Gemeinwohl-Ökonomie. Online verfügbar unter http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/de, zuletzt

geprüft am 13.06.2013. 74

Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Der Weg zur Gemeinwohl-Bilanz. Informationen zu Bilanz, Beratung,

Audit & Mitgliedschaft für Interessierte und Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie.

(Infobroschüre) S. 2.

Grundlagen

21

Gemeinwohl-Bilanz auf ihre Richtigkeit zu prüfen, werden die Auditoren und

Auditorinnen eingesetzt. Bei externen Audits wird überprüft, ob die Angaben in der

Bilanz mit der tatsächlichen Situation im Unternehmen übereinstimmen und notfalls

werden Abweichungen korrigiert. Um den theoretischen Rahmen der Gemeinwohl-

Bilanz fortlaufend zu optimieren wurde ein Redaktionsteam aufgestellt. Die Redakteure

und Redakteurinnen versuchen nach bestem Gewissen die einzelnen Punkte der Bilanz

zu definieren. Dabei wird versucht die Verbesserungsvorschläge und Anmerkungen der

Pionier-Unternehmen und anderen Unterstützern und Unterstützerinnen zu integrieren.75

Die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie wird durch geschulte Referenten und

Referentinnen und prominente Botschafter und Botschafterinnen weltweit vorgestellt

und verbreitet. Weiterhin wird die Bewegung durch lokale Energiefelder unterstützt, die

sich aus Personen, Organisationen und Unternehmen, den bereits erläuterten Akteuren

und Akteurinnen und anderen Unterstützern und Unterstützerinnen zusammensetzen.

Ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verschiedener

Fachbereiche soll dafür sorgen, dass das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie durch

wissenschaftliche Forschung gestützt und empirisch belegt ist.76

Weitere wichtige Mechanismen des Gesamtprozesses sind zum einen die Unterstützung

von Gemeinden, die unter anderem lokale Unternehmen über die Gemeinwohl-

Ökonomie informieren und Pionier-Unternehmen fördern. Zum anderen können die

Konsumenten und Konsumentinnen wesentlich zum Prozess beitragen indem sie

Unternehmen auf das Thema hinweisen und womöglich animieren an der Bewegung

teilzunehmen. Zu guter Letzt gilt die Umstrukturierung der Banken als wichtiger Schritt

des Gesamtprozesses.77

2.3.3. MESSUNG DES UNTERNEHMERISCHEN ERFOLGS

Heute ist derjenige unternehmerisch am erfolgreichsten, der den meisten Gewinn

vorweisen kann. Erfolg im wirtschaftlichen Sinne ist demnach an einen monetären Wert

geknüpft. Dieser Wert macht allerdings keinen realen Nutzen für die Wirtschaftakteure

und -akteurinnen erkenntlich. Da dieser Indikator keinen Nutzwert darstellt, ist es

75

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 160 ff. 76

Vgl. ebd. S. 165 ff. 77

Vgl. ebd. S. 166 ff.

Grundlagen

22

fälschlich zu behaupten, dass diese Messungsmethode uns Auskunft gibt, ob alle

Bedürfnisse befriedigt wurden oder das Wohl aller gestärkt wurde.78

Die Gemeinwohl-Ökonomie schlägt vor den monetären Wert als Mittel zum Zweck zu

betrachten, aber nicht als Ziel. Das Ziel des Wirtschaftens sollte die Maximierung des

Gemeinwohls sein und nicht die Gewinnmaximierung. Selbstverständlich kommt damit

die Frage auf, wie man das Gemeinwohl misst, da es sich um ein sehr schwer zu

operationalisierendes Konstrukt handelt. Man könnte es als Befriedigung aller

wichtigen Bedürfnisse der Gesellschaft definieren. Wenn diese Bedürfnisse optimal

befriedigt werden, hat man das Wohl aller erreicht. Doch sobald Teile der Gesellschaft

unter unwürdigen Bedingungen leben, ist nur das Wohl eines Teils der Bevölkerung zu

Gunsten anderer befriedigt.

Viele Firmen haben bereits zusätzliche Methoden zur Messung ihres unternehmerischen

Erfolgs eingeführt wie zum Beispiel Qualitätsmanagementsysteme,

Nachhaltigkeitsberichte oder CSR-Maßnahmen. Diese Methoden kommen der Idee den

unternehmerischen Erfolg auf der Basis der Gemeinwohlmaximierung zu messen etwas

näher. Doch all diese Systeme sind freiwillig und werden nicht durch eine weitere

Instanz überprüft. So kann es schnell dazu benutzt werden das Image aufzubessern, aber

wirklich wirksame Maßnahmen werden nicht hervorgebracht.79

So stellt sich zum

Beispiel die Frage, ob es bei einem weltweit produzierenden Konzern wie Coca Cola an

dem Ausmaß ihrer Eingriffe in Umwelt und Mensch viel verändert, wenn sie einen

jährlichen Nachhaltigkeitsbericht erstellen oder ob es nicht nur dazu dient weiterhin

Kunden und Kundinnen zu binden und zu gewinnen, um den Gewinn weiterhin zu

steigern.

Um die gezielte Beeinflussung solcher Mechanismen zu verhindern, hat die

Gemeinwohl-Ökonomie die Gemeinwohl-Bilanz entwickelt. Sie soll die jetzige zentrale

Stelle der Finanzbilanz übernehmen und ebenso verbindlich werden. Sie wird durch

externe Audits geprüft. Die Finanzbilanz „wird zur Neben- und Mittelbilanz“80

und

wird weiterhin dazu benutzt werden alle finanziellen Gegebenheiten genau zu

78

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 35 f. 79

Vgl. ebd. S. 38 f. 80

Ebd. S. 39.

Grundlagen

23

beobachten, um keine Verluste zu verzeichnen. 81

Die Gemeinwohl-Bilanz ist das

Instrument, welches „misst, wie die zentralen Verfassungswerte, die das Gemeinwohl

komponieren, von den Unternehmern gelebt werden.“82

Die zentralen Verfassungswerte

sind „Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und

Demokratie“83

. Dies sind Werte, die sich so „in den meisten Verfassungen wie auch im

Grundgesetz“ befinden.84

Bei der Gemeinwohl-Bilanz „handelt [es] sich um eine Tabellenkalkulation, die mit

Hilfe eines Rechenprogramms die Erstellung erleichtert und Gewichtungen automatisch

vornimmt.“85

Um die Gemeinwohl-Bilanz transparent und universal zu gestalten, ist sie

mit einem Punktesystem versehen, bei dem maximal tausend Gemeinwohl-Punkte

erreicht werden können. Um die erzielten Punktzahlen und Zusammenhänge zwischen

den einzelnen Werten und Berührungsgruppen sichtbar zu machen, wurde eine

Gemeinwohl-Matrix entwickelt. Die Matrix ist so aufgebaut, dass die fünf essentiellen

menschlichen Werte auf der x-Achse der Grafik aufgelistet sind. Auf der y-Achse

befinden sich die Berührungsgruppen, an die eine Zeile für Negativkriterien anknüpft.

Die Schnittstellen werden mithilfe von achtzehn verschiedenen Indikatoren

ausgedrückt. Zu den achtzehn Indikatoren gehören unter anderem Arbeitsplatzqualität,

innerbetriebliche Transparenz und Mitbestimmung, Solidarität mit Mitunternehmen und

gesellschaftliche Wirkung/ Bedeutung der Produkte und Dienstleistungen.86

Eine

genaue Darstellung der aktuellsten Ausarbeitung der Gemeinwohl-Matrix87

befindet

sich in Anhang 2.

2.3.4. WERTEWANDEL IN DER WIRTSCHAFT

Die in der Gemeinwohl-Bilanz verankerten Werte zeigen bereits an in welche Richtung

die neu ausgerichtete Wertvorstellung gehen soll, denn um die aktuelle Art und Weise

des Wirtschaftens umzudenken, bedarf es eines grundsätzlichen Wertewandels. Im

81

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 39. 82

Ebd. 83

Ebd. 84

Ebd. 85

Bachinger, Eva M.: Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz 2012. S. 3. 86

Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 40 ff. 87

Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Gemeinwohl-Matrix 4.1. 2013. Online verfügbar unter

http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/sites/default/files/GWOe-Matrix-4.1..pdf, zuletzt geprüft am

19.08.2013.

Grundlagen

24

Moment ist die Wirtschaft von Egoismus und Konkurrenz geprägt. Die Theorie der

Gemeinwohl-Ökonomie schlägt vor, dass die Wirtschaft durch menschlichere Werte

angetrieben wird. Werte, die unserem alltäglichen Miteinander entspringen und unseren

positiven Charaktereigenschaften ähneln.88

„Die Gemeinwohl-Ökonomie fördert und

belohnt dieselben Verhaltensqualitäten und Werte, die unsere menschlichen und

ökologischen Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Wertschätzung,

Kooperation, Solidarität und Teilen.“89

Die erste große Veränderung im Wertesystem wäre die Beendigung des eigennützigen

Verhaltens der Wirtschaftsakteure hin zu gemeinnützigem Verhalten.90

Also das

Verhalten, dass dazu beiträgt, das größtmögliche „kollektive Glück der betroffenen

Personen zu realisieren“ 91

, wie es bereits von dem Philosophen John Stuart Mill in

seinem Nützlichkeitsprinzip erläutert wurde. Dieses Prinzip sieht Mills als den

„„Maßstab für Recht und Unrecht“ im moralischen Sinne“ 92

, welcher uns seit klein auf

beigebracht wird. Dieser Maßstab, der uns im alltäglichen Leben begleitet,

unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem Handeln in der Wirtschaft. Die

Gemeinwohl-Ökonomie schlägt somit vor den Eigennutz durch ein „wohlverstandene[s]

Eigeninteresse“ 93

mit Bedacht auf das „gemeinsame Wohl“94

zu ersetzen.

Die Unternehmen werden aus lauter Eigennutz maßlos, denn solange es das Ziel ist

Gewinn zu maximieren, wird kaum ein Wirtschaftsakteur versuchen einen mäßigen

Gewinn zu erzielen. Diese Maßlosigkeit wird durch die vorherrschende Konkurrenz auf

dem Markt angetrieben.95

Christian Felber begründet dieses Phänomen damit, dass es

„in der Natur eines Wettbewerbs [liegt], dass sich alle in Richtung des Ziels des

Wettbewerbs entwickeln. In der kapitalistischen Marktwirtschaft ist das Ziel der

Konkurrenz der größte Gewinn.“96

Dabei ist die soziale Verantwortung der

Unternehmen nebensächlich und es bleibt jedem Unternehmen größtenteils selbst

88

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 18. 89

Ebd. 90

Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus und

Kapitalismus. Wien: Deuticke 2008. S. 55 ff. 91

v. Wulff, D. Rehfus (Hg.): Handwörterbuch Philosophie. Stichwort: John Stuart Mill. 1. Aufl.

Göttingen, Oakville: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. 92

Ebd. 93

Ebd. 94

Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 59. 95

Vgl. ebd. S. 61 ff. 96

Ebd. S. 62.

Grundlagen

25

überlassen wie sozial und ökologisch korrekt es agiert.97

Das Wohl und die Bedürfnisse

aller wird durch diese Art zu Handeln nie, auch nur annähert erreicht werden, da jeder

einzelne Wirtschaftsakteur nur sein eigenes Wohl verfolgt. Die Europäische

Kommission beschreibt die soziale Verantwortung von Unternehmen „als ein Konzept,

das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und

Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den

Stakeholdern zu integrieren.“98

Wie man anhand der Definition erkennen kann, sind

Maßnahmen zur Minimierung der negativen Auswirkungen auf Gesellschaft und

Umwelt freiwillig und Unternehmen müssen weiterhin nur einige gesetzlich

vorgeschriebene Mindestrichtlinien einhalten. Um dies zu verändern schlägt die

Gemeinwohl-Ökonomie vor, dass Unternehmen miteinander kooperieren und

gemeinnützig handeln. Nur dieses Handeln wird belohnt und derjenige, der am

gemeinnützigsten agiert, kann sich als führendes Unternehmen der Branche betiteln.

Die Konkurrenz in der Wirtschaft wurde zum Teil stark durch die Sozialdarwinisten

geprägt indem sie Begriffe wie Krieg und Überlebenskampf aus den Theorien Darwins

nahmen und sie in einem verfälschten Bild auf die Gesellschaft bezogen. Doch spielen

gerade die Kooperation, Solidarität und der Gemeinschaftssinn in der Tierwelt eine viel

wichtigere Rolle und sind Grundprinzipien zum Überleben in der Wildnis.99

Damit die

Wirtschaft nicht mehr vorherrschend nach den Prinzipien Wettbewerb und Konkurrenz

organisiert wird, werden in der Gemeinwohl-Ökonomie kooperatives und solidarisches

Verhalten systematisch gestärkt. Wie genau diese Anreizsysteme verändert werden,

wird im folgenden Punkt dargestellt. Des Weiteren wird durch das stark konkurrierende

Verhalten eine Vertrauensbasis meist gestört oder komplett abgeschafft. Dabei ist das

Vertrauen eines der wichtigsten „soziale[n] und kulturelle[n] [Güter]“100

der

Gesellschaft. Da sich die Unternehmen untereinander nicht mehr vertrauen können und

nur noch damit rechnen müssen, dass ein Konkurrent davonzieht, wird der

Wettbewerbsgedanke noch mehr geschürt. Eine Vertrauensbasis könnte durch ein

friedliches und solidarisches Miteinander wieder hergestellt werden.

97

Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 62 ff. 98

Europäische Kommission (Hg.): Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der

Unternehmen (CSR). 2011. S. 4. 99

Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 120 ff. 100

Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 26.

Grundlagen

26

Außerdem ist die Würde des einzelnen Menschen nicht mehr komplett gewährleistet

und somit auch nicht seine Freiheit. Diese Werte sind in den ersten zwei Artikeln des

Grundgesetzes zu finden, spielen aber derzeit nicht die Hauptrolle in unserer

Gesellschaft.101

Da laut Felber in der Wirtschaft Eigenschaften wie Egoismus,

materielle Erfolgsorientierung und Konkurrenzverhalten selbstverständlich sind, bleibt

es meist nicht aus, dass Personen, die in hierarchisch höheren und machtvolleren

Positionen sitzen andere Personen zu ihren Gunsten einsetzen und ausnutzen.102

Solange

dieses Verhältnis in der Arbeitswelt existiert, ist die Menschenwürde aller nicht

bewahrt.103

Um dies zu ändern, ist die Gemeinwohl-Ökonomie bestrebt

ungerechtfertigte und verhältnismäßig ungleiche Macht- und Eigentumsverhältnisse

nicht entstehen zu lassen. Dies soll unter anderem durch konkrete Maßnahmen zur

Begrenzung der Einkommensungleichheiten geschehen, wie zum Beispiel, dass die

„Spitzeneinkommen .. maximal das Zwanzigfache der Mindestlöhne betragen“104

dürfen. Des Weiteren ist angedacht Leistungen nach Einsatz und ihrem tatsächlichen

Wert zu bezahlen, also das Kriterium für unterschiedliche Entlohnung soll sein, dass

derjenige, der „über persönlichen Einsatz, indem [er] besonders hart oder länger arbeitet

als andere, eine schwierigere Ausbildung in Kauf oder mehr Verantwortung

übernimmt“105

höher entlohnt wird. Diese und andere Maßnahmen, die die

Gemeinwohl-Ökonomie vorschlägt, werden höchstwahrscheinlich viele Gegner und

Kritiker zu widerlegen versuchen, aber Christian Felber hat in seiner ausformulierten

Version der Theorie der Gemeinwohl-Ökonomie für das Gelingen aller Maßnahmen,

sinnvolle und logische Erklärungen, vorgelegt. Eines der häufigsten Einwände ist, dass

Menschen nur dann „Gutes tun, wenn sie sich damit selbst materiell nützen“106

, doch

dies würde sich in einem neuen Anreizrahmen schon alleine dadurch verändern, da

nicht mehr der meist verdienende hoch angesehen ist, sondern derjenige der

„gesellschaftlich wertvolle Leistungen erbringt und keine Zerstörung anrichtet.“107

101

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. S. 23 ff. 102

Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 39. 103

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 24 f. 104

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 285. 105

Ebd. S. 291. 106

Ebd. S. 287. 107

Ebd.

Grundlagen

27

Durch die wieder hergestellte Gleichheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft wird

jeder und jede einzelne im gleichen Maße anerkannt und wertgeschätzt. Das soziale,

ökologische und ökonomische Gleichgewicht könnte so oder so ähnlich

wiederhergestellt werden.

2.3.5. ANREIZE FÜR GEMEINWOHL-STREBEN

Mit diesem veränderten Wertekonzept in der Wirtschaft ändert sich dementsprechend

auch der Anreizrahmen zum Wirtschaften. Um den Unternehmen weiterhin einen

Anreiz zur Zielerreichung zu geben, schlägt Felber vor, verschiedene Instrumente zu

integrieren. Da jedes Unternehmen eine andere Leistung zur Maximierung des

Gemeinwohls abliefert, sollen bessere Leistungen belohnt werden, damit diese auch

weiterhin angestrebt werden.

Anfänglich soll es so aussehen, dass die Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-

Ökonomie einen dritten Wirtschaftssektor bilden, „neben dem privat-orientierten und

dem öffentlichen.“108

Diese Unternehmen werden als erstes von den Vorteilen

profitieren. Laut Felber könnten folgende Maßnahmen nach Gemeinwohl strebende

Unternehmen schützen und fördern:

“Steuererleichterungen,

Vorrang bei öffentlichen Aufträgen,

günstige Kredite durch öffentliche Banken,

Abschreibungsmöglichkeiten für Kooperationskosten,

Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen,

Vorrang bei der Ansiedlungspolitik von Kommunen und Städten,

Wettbewerbe für humanes Management und soziale Innovationen,

Koordinationszentren für die Kooperation“109

Durch dieses Anreizsystem werden nur noch die Unternehmen finanziell und rechtlich

unterstützt, die daran bedacht sind gemeinnützig zu handeln. Unternehmen, die sich

diesem neuen Wirtschaftssektor nicht anschließen, müssen damit rechnen, dass sie unter

108

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 318. 109

Ebd. S. 318 f.

Grundlagen

28

sozialen Druck geraten werden. Außerdem werden wahrscheinlich Kunden und

Kundinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Zulieferer und Zulieferinnen, usw. zu

gemeinwohlorientierten Unternehmen wechseln, da dort angenehmere Bedingungen

herrschen.

Denn ganz im Sinne: „Wer mehr für die Gemeinschaft tut, soll dafür von der

Gesellschaft belohnt werden“110

, würden die Unternehmen, die weiterhin

gewinnorientierend handeln keine finanziellen Erleichterungen genießen. Somit erhöhen

sich die Preise der Produkte oder Dienstleistungen dieser Firmen und weniger Kunden

und Kundinnen wären bereit sich für dieses Produkt oder diese Dienstleistung zu

entscheiden. Schlussendlich wäre das „ethische, fair erzeugte und gehandelte,

nachhaltige und regionale Produkt“111

billiger.

Um diese positive Auswirkung zu fördern und die Leistung eines Unternehmens für

jeden Kunden und jede Kundin sichtbar zu machen, schlägt die Gemeinwohl-Ökonomie

ein Farbsystem für Produkte und Dienstleistungen vor. So könnten die Konsumenten

die genaue „Gemeinwohl-Performance“112

einsehen und anhand dieser Information den

Hersteller oder die Herstellerin auswählen.

Durch diese Maßnahmen und Anreize werden gemeinnützige Unternehmen mit

steigenden Verkaufszahlen belohnt und in ihrem Handeln bestärkt. Gleichzeitig werden

Unternehmen mit schwächerer Leistung angespornt ihre Arbeitsweise zu überdenken

und zu verbessern. Demnach sind diejenigen Unternehmen in der Gemeinwohl-

Ökonomie erfolgreich, die Werte wie Mitbestimmung, soziale Sicherheit, Gerechtigkeit

usw. verkörpern. Diese Unternehmen bekommen Unterstützung vom Staat und werden

von den Konsumenten und Konsumentinnen für ihr verantwortungsvolles Handeln

honoriert.

110

Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 47. 111

Ebd. 112

Ebd. S. 46.

Grundlagen

29

2.3.6. ANREIZE FÜR INNOVATIONEN IN DER GEMEINWOHL-ÖKONOMIE

Im Rahmen der folgenden Ausführungen soll aufgedeckt werden, inwieweit der

theoretische Anreizrahmen für die Entwicklung von Innovationen in der Gemeinwohl-

Ökonomie beeinflusst wird.

Bereits in der EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen

wird angenommen, dass im „Sinne einer optimierten Schaffung gemeinsamer Werte ..

die Unternehmen ermutigt [werden], ein langfristiges CSR-Konzept einzuführen und

Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Produkte, Dienstleistungen und

Geschäftsmodelle auszuloten, die zum Wohlergehen der Gesellschaft und zur Schaffung

hochwertigerer und produktiverer Arbeitsplätze beitragen.“113

Wenn nun bereits die

Einführung verschiedener Maßnahmen im Rahmen der sozialen Verantwortung, welche

größtenteils noch freiwillig sind, als Anreiz für Innovationen dienen, lässt sich

vermuten, dass ein allgemeiner Wertewandel in der Wirtschaft, wie es die Gemeinwohl-

Ökonomie vorsieht, Anreiz für sinnvolle und gemeinnützige Innovationen sein wird.

Da der Grundgedanke der Wirtschaft verändert wird, bekommen Neuerungen aller Art

einen anderen Nutzen und Wichtigkeit zugeschrieben. Innovation, Qualität, Effizienz

und weitere Faktoren spielen schon immer eine große Rolle für den Erfolg eines

Unternehmens, aber der wirtschaftliche Erfolg wird letztendlich immer am

Finanzgewinn gemessen. Wenn die Wirtschaft nun so umgestaltet wird, dass der

finanzielle Gewinn nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium für den

unternehmerischen Erfolg ist, wäre es möglich, dass die Unternehmen sich nur noch auf

die Entwicklung sinnvoller und nutzenbringender Innovationen konzentrieren. Da der

Zwang zum Wachstum und zur Gewinnmaximierung entfällt, wäre es überflüssig

Neuerungen auf den Markt zu bringen, die alleinig zu diesem Zweck entwickelt

wurden.114

Bislang werden Neuartigkeiten als Mittel zur Erlangung von

Wettbewerbsvorteile gesehen. Laut Felber ist „Innovation .. ebenso wenig ein

Selbstzweck wie einseitige Kosteneffizienz; sie sollte einem menschen-, nicht einem

marktgerechten Rhythmus folgen und – zweitens – würdigen Zielen dienen: der

113

Europäische Kommission (Hg.): Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der

Unternehmen (CSR). 2011. S. 8. 114

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 60.

Grundlagen

30

Lebensqualität, dem Gemeinwohl, dem menschlichen Maß.“115

So würde es nicht mehr

vorkommen, dass Produkte auf den Markt gebracht werden, die „noch nicht ausgereift

oder fehlerhaft sind“116

, nur um einem Konkurrenten auszuspielen. Innovationskraft und

soziale Verantwortung bekommen einen neuen Stellenwert.

Wenn der Wachstumszwang wegfällt, können viel mehr Energie und Mittel in sinnvolle

Innovationen zum Nutzen aller gesteckt werden.117

Um dies zu fördern sieht die

Gemeinwohl-Ökonomie vor, dass es die Möglichkeit gibt, Spareinlagen als

„ökosoziales Risikokapital“118

zur Finanzierung von „Innovationen mit sozialem und

ökologischem Mehrwert“119

zu erstellen. Des Weiteren schlägt die Gemeinwohl-

Ökonomie vor Techologieagenturen zu gründen, die die Entwicklung von

gesellschaftlich wertvollen Produkten unterstützen. „Sie würden die privaten Erfinder

und Erfinderinnen für die Entwicklungsarbeit entschädigen und die Produktion an

öffentliche Betriebe zuweisen.“120

So könnten Produkte, die auf dem kapitalistischen

Markt teilweise unrentabel sind, wie erneuerbare Energien oder Medizin zur Behebung

verbreiteter Krankheiten wie Malaria, ohne Unterbrechungen und Einschränkungen

erforscht und entwickelt werden. Unternehmen, die diese Produkte letztendlich

vertreiben, wären viel erfolgreicher und angesehener als Unternehmen, die Produkte

verkaufen, die allein wegen Wettbewerbsgründen entwickelt wurden.121

Durch den Wertewandel in der Wirtschaft werden in vielen Firmen auch soziale und

organisatorische Innovationen umgesetzt, da die Gemeinwohl-Ökonomie vorsieht mehr

Demokratie, Mitsprache und Kooperation im Unternehmen voranzutreiben.

Diese Umorientierung verstärkt die soziale Sicherheit, da es zum einen aufgrund der

veränderten Zielsetzung kaum noch nötig sein wird viele Arbeitsplätze auf einmal

abzubauen, um Personalkosten zu senken, um wiederum den Gewinn zu maximieren.

Dadurch ist eine höhere Sicherheit des Arbeitsplatzes gewährleistet.122 Zum anderen

115

Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.o.O. S. 110. 116

Ebd. S. 91. 117

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 61. 118

Ebd. S. 76. 119

Ebd. 120

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.o.O. S. 294. 121

Vgl. ebd. 122

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 106.

Grundlagen

31

erhöht sich die Arbeitsplatzqualität und –sicherheit durch die Einführung der

Möglichkeit, vier Freijahre in Anspruch zu nehmen. Felber schlägt vor, dass sich „alle

Menschen pro Dekade ihres Berufslebens ein Jahr Auszeit nehmen und anderweitig

verwirklichen dürfen.“123

Nach einer Befragung der „Fortune’s 100 Best Companies to

Work for in America”, besteht in etwa der Hälfte der Firmen in den Vereinigten Staaten

von Amerika die Möglichkeit ein Freijahr oder Sabbatjahr zu beantragen. Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen, die nach der Vollendung ihres Sabbatjahres befragt wurden,

berichten, dass sie nach dem Jahr Auszeit stärkere Verbundenheit zum Unternehmen

fühlen und in der Arbeit und Unterstützung des Unternehmens mehr Sinn sehen, als

zuvor. Carr und Tang haben herausgefunden, dass rund 75 Prozent aller

Büroangestellten aus großen US-amerikanischen Betrieben das Gefühl haben, die Arbeit

nimmt zu viel von ihrem privaten Leben ein. So entstehen für Firmen schnell ungeahnte

Kosten durch eine hohe Krankheitsrate, geringe Motivation und Produktivität und hoher

Fluktuationsrate.124

Durch diese, von Felber vorgeschlagene Maßnahme, könnte eine

Win-Win-Situation erreicht werden. Angestellte bekommen die Möglichkeit eine

Auszeit zu nehmen, neue Kraft zu tanken, neue Ideen zu sammeln und kommen

motiviert und ausgeruht zurück ins Arbeitsleben. Für den Arbeitgeber oder die

Arbeitgeberin ist es von Vorteil, da zum einen viele durch Krankheit, Stress oder

ähnliches, verursachten Kosten fast komplett wegfallen und zum anderen mehr

Motivation und Kreativität unter den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen herrscht. Es

bedarf natürlich einigen Einschränkungen zum Thema Freijahr, damit es auch den

gewünschten Erfolg trägt, wie zum Beispiel, dass ein Freijahr auf zehn Arbeitsjahre im

gleichen Unternehmen kommt. Durch diese Art Verhältnis zwischen Arbeitgeber/-in

und Arbeitnehmer/-in wird eine Basis für Wertschätzung und Vertrauen aufgebaut.

Laut Christian Julmi und Ewald Scherm schafft Vertrauen Kreativität und somit die

wohl wichtigste Quelle für neuartige Produkte und Dienstleistungen. „Ein

Unternehmen, das Innovationen schaffen und verbreiten will, ist in hohem Maße auf

den Ideenreichtum seiner Mitarbeiter angewiesen.“125

Da Kreativität aber schwer steuer-

123

Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 66. 124

Carr, Andrew E.; Li-Ping Tang, Thomas: Sabbaticals and Employee Motivation: Benefits, Concerns,

and Implications 2005. S. 2. 125

Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. Wie ein kreativer Spielraum entsteht.

In: Zeitschrift Führung + Organisation 82, 26.02.2013 (02/2013), S. 103–109. S. 103.

Grundlagen

32

und vorhersehbar ist, muss ein adäquater Spielraum geschaffen werden, damit kreative

Gedanken und Ideen entstehen und sich gegebenenfalls multiplizieren lassen können. In

diesem Spielraum für Kreativität ist es wichtig, dass „sich Menschen offen und

vertrauensvoll begegnen können, ohne Angst vor negativen Sanktionen haben zu

müssen.“126

Wenn „Kreativität nicht blockiert wird, findet [laut Christian Felber]

menschliche Entwicklung statt“127

. Inwiefern ist nun aber die Gemeinwohl-Ökonomie

vergleichsweise besser dazu imstande diesen Raum zu schaffen, als die aktuelle

Wirtschaftsform?

Laut dem Autor des Konzeptes ist im Kapitalismus nicht unbedingt die frei fließende

Kreativität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gefragt, sondern eine Art

instrumentalisierte Kreativität, da sie in eine konkrete Richtung geleitet wird, in

Richtung Gewinnmaximierung.128

Dadurch bekommt der kreative Spielraum, klare

Einschränkungen. Somit wird es dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin erschwert,

Erfahrungen zu sammeln und aus Fehlern zu lernen, da dies durch das ausgeprägte

Effizienzdenken und aus Kostensenkungsgründen nur minimal zugelassen wird. Die

Gemeinwohl-Ökonomie sieht vor diesen engen Spielraum zu erweitern und

auszudehnen um die angeborene Kreativität eines jeden Mitarbeiters und einer jeden

Mitarbeiterin nutzen zu können. Da die menschliche Kreativität die wichtigste

Eigenschaft ist, um Innovationen zu kreieren und zu entwickeln, wäre es doch nur von

Vorteil diese zu stärken und Raum zur freien Gestaltung zu schaffen. Es entsteht

demnach ein Raum für die freie Entfaltung der Kreativität aller mit dem Ziel sinnvolle

und gemeinwohlnützige Neuerungen hervorzubringen. Klingt dieses Bild nicht viel

mehr nach der Natur des Menschen, nach optimalen Arbeitsbedingungen und nach

Produktivität und Innovationsfähigkeit?

Solch ein Arbeitsverhältnis würde den Schwerpunkt auf die Stärkung der intrinsischen

Motivation legen und extrinsische Motivationsfaktoren wie Bezahlung und

Arbeitsplatzeinrichtung werden zur Nebensache.129

Wenn man das Zweifaktorenmodell

von Herzberg als valide Methode zur Unterscheidung von intrinsischen und

126

Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. a.a.O. S. 104. 127

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 260. 128

Vgl. ebd. S. 260 f. 129

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 110 f.

Grundlagen

33

extrinsischen Motivationsfaktoren heranzieht, wird deutlich, dass die extrinsischen

Faktoren (Hygienefaktoren) bei positiver Gestaltung zur Nicht-Unzufriedenheit führen,

aber erst zielführende intrinsische Faktoren (Motivatoren) können das Gefühl von

Zufriedenheit auslösen.130

Somit lässt sich vermuten, dass die Gemeinwohl-Ökonomie

einen optimalen Rahmen für die Entwicklung der Innovationsfähigkeit im Unternehmen

schafft. Zum einen werden die wichtigsten Hygienefaktoren erfüllt, da annähernd

gleiche Einkommensverhältnisse geschaffen werden sollen und es soll ein

Mindesteinkommen geben, welches ein Leben in Würde ermöglicht.131

Für die

Gestaltung weiterer Hygienefaktoren, zu Gunsten eines angenehmeren Arbeitsumfeldes,

können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dank mehr Mitbestimmungsrechte,

Verbesserungsvorschläge einreichen und durchsetzen. Zum anderen werden intrinsische

Faktoren in der Theorie der Gemeinwohl-Ökonomie in vielerlei Hinsicht erfüllt, da wie

vorangegangen beschrieben, mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen genommen wird, um ein optimales Arbeitsklima entstehen zu lassen.

Die Betriebswirtschaftler Julmi und Scherm sind überzeugt, dass durch „Vertrauen auf

der einen und Verantwortung auf der anderen Seite .. ein Spielraum für Kreativität

eröffnet“132

wird. Mehr Verantwortung entsteht, da mehr Freiräume für Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen, mehr Eigenkontrolle und Selbstbestimmung mit sich bringen. Jeder

einzelne und jede einzelne ist zum großen Teil verantwortlich für seine oder ihre Fehler

und selbst dafür zuständig, aus diesen zu lernen. Das dadurch erlangte Selbstvertrauen

bewirkt, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen überzeugter von ihrer eigenen

Kompetenz und Wichtigkeit für das Unternehmen werden und somit gewillter sind gute

Leistungen für Unternehmen und Gesellschaft abzuliefern. Mehr Selbstkontrolle der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bedarf allerdings einer Art und Weise der

Selbstbeobachtung und -bewertung, um die Erreichung der gemeinschaftlichen Ziele

sicher zu stellen. Um dies zu ermöglichen, „sollten Vorgaben stärker als vom

Mitarbeiter selbst gesetzte Standards wahrgenommen werden [und diese] möglichst von

identitätsstiftenden Ingroup-Mitgliedern (z.B. befreundete Kollegen) kommuniziert

130

Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Zweifaktorentheorie, Online

verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/77704/zweifaktorentheorie-v6.html, zuletzt

geprüft am 14.08.2013. 131

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 105. 132

Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. a.a.O., S. 105.

Grundlagen

34

werden.“133

Wenn man die Ausrichtung der Gemeinwohl-Ökonomie mit dem Fokus auf

die zwischenmenschlichen Werte und dem Ziel, das Wohl aller zu stärken bedenkt,

scheint es offensichtlich, dass der Großteil der Angestellten von gemeinnützigen

Unternehmen sich mit den vereinbarten Zielen identifizieren kann, weil sie in seinem

oder ihrem Sinne mit entworfen wurden.

Eigenverantwortung und Identifikation mit dem Unternehmen eines jeden Mitarbeiters

und einer jeden Mitarbeiterin, werden zusätzlich durch verschiedene Maßnahmen in der

Gemeinwohl-Ökonomie gestärkt. Zum einen soll eingeführt werden, dass Menschen,

nach dem Maß der Betroffenheit mitbestimmen dürfen. So ist Christian Felber der

Meinung, dass je „größer ein Unternehmen und je mehr Menschen betroffen sind, desto

mehr Menschen müssen mitbestimmen dürfen.“134

So müssen mit steigender

Beschäftigtenzahl, die Vertreter und Vertreterinnen der Beschäftigten und der

Gesellschaft auch anteilmäßig mehr werden. „Auf diese Weise werden die Rechte eines

Unternehmens und seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft in der Balance

gehalten.“135

Weiterhin schlägt Felber vor, dass private Unternehmen eine gewisse

Größe nicht überschreiten dürfen, um nicht zu viel politische Macht zu erlangen, damit

die Demokratie gewahrt wird.136

Weiterhin ist durch einen „wachsenden Anteil genossenschaftlicher und partizipativ

geführter Unternehmen die Möglichkeit für kreative Menschen, ihre Ideen innerhalb

bestehender Unternehmen umzusetzen sehr viel größer .. als heute, wo die

Kapitalbesitzer an eine unsichtbare Erbfolge gebunden sind und Hierarchie das

vorherrschende Organisationsprinzip ist.“137

Dabei soll auch versucht werden durch

gesetzliche Vorteile die Unternehmen anzuregen, partizipative Modelle umzusetzen und

weiter zu verfolgen und somit das „gemeinschaftliche[s] Privateigentum an

Produktionsmitteln“138

zu begünstigen. Weitere Mechanismen für eine demokratischere

Gestaltung von privaten Unternehmen sind zum einen, dass die Mitarbeiter und

133

Becker, Wolfgang; Holzmann, Robert: Selbstkontrolle von Mitarbeitern fördern. Wie aus Vorgaben

selbst gesetzte Ziele werden. In: Zeitschrift Führung + Organisation, 26.02.2013 (02/2013), S. 96–102.

S. 100. 134

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 310. 135

Ebd. S. 311. 136

Vgl. ebd. 137

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 315. 138

Ebd. S. 303.

Grundlagen

35

Mitarbeiterinnen bei mehr Mitsprache, auch mehr Verantwortung und Risiko tragen

müssen. Kein Angestellter und keine Angestellte soll dazu verpflichtet werden, aber es

wird immer einen Teil geben, der gerne Miteigentümer oder Miteigentümerin sein

möchte, um unter anderem mit verantwortlich für die Verwendung der finanziellen

Mittel zu sein.139

Zum anderen sollen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die am

Gewinn mitbeteiligt sind, in erfolgreichen Jahren anteilig Gewinn ausgeschüttet

bekommen. Dabei müssen jedoch die Höhengrenzen für Löhne in der Gemeinwohl-

Ökonomie beachtet werden.140

Wie bereits im Punkt 2.2.2. erwähnt, steigert die Kooperation und Netzwerkbildung die

Innovationsfähigkeit, wohingegen Wettbewerb keine Verbesserung hervorruft. Diese

Art der Motivation ist eher intrinsisch, da sie von einer gemeinsamen Vision und

erfolgreicher Zusammenarbeit geleitet wird. Daraus resultierend entsteht ein kreativer

Arbeitsraum durch die Absenz von äußerlichem Druck und Stress und die Präsenz von

Inspiration und Freiheit. Da auch die Kooperation mit anderen Unternehmen, mit

Produzenten und Produzentinnen, mit Lieferanten und Lieferantinnen, Konsumenten

und Konsumentinnen, usw. in der Gemeinwohl-Ökonomie belohnt wird, ist davon

auszugehen, dass mehr Unternehmen versuchen werden mit anderen zu kooperieren, da

es von Gesellschaft und Staat die anerkanntere Handlungsweise sein wird. Somit würde

theoretisch auch diese Änderung am Wirtschaftssystem eine Steigerung der Motivation

und Kreativität und daran anschließend der Innovationsfähigkeit bedeuten.141

Durch das Stärken der Kooperation und der Solidarität unter Unternehmen wird viel

Wert darauf gelegt, dass Unternehmen sich untereinander mit Erfahrungen, Wissen,

Technologie, usw. austauschen. Die Kooperation mit anderen Unternehmen spiegelt

sich in der Gemeinwohl-Bilanz positiv wieder und wird somit von Unternehmen

angestrebt um ein besseres Bilanzergebnis zu erreichen. Wenn es nun normal und

wichtig wird Wissen und Technologie mit anderen Unternehmen zu teilen oder Projekte

zusammen zu planen und mit gemeinsamen Kompetenzen auszuführen, wäre die

logische Konsequenz daraus, dass Innovationen schneller und besser vorangetrieben

139

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 89. 140

Vgl. ebd. S. 53, 89 ff. 141

Jungheim, Gregor: Kooperation motiviert Menschen stärker als Wettbewerb. In: Die Stiftung Special,

25.12.2012 (Sonderausgabe Sozial Entrepreneurship/2012), S. 44–46. S. 45.

Grundlagen

36

werden können. Denn oftmals haben Unternehmen gute Ideen, aber für die Umsetzung

fehlt es an Arbeitskraft, Wissen, finanziellen oder technischen Mitteln.

Um sicherzustellen, dass das bereits vorhandene Wissen bestmöglich genutzt werden

kann um Neuerungen aller Art zu finden und zu entwickeln, braucht es laut Felber die

Abschaffung von Patenten, denn sie „begründen ein zwanzigjähriges Monopol,

wodurch die kommerzielle Nutzung des Wissens für alle anderen verschlossen bleibt

und die Anschlussforschung blockiert wird. Je großzügiger geistiges Eigentum

geschützt wird, desto stärker wirken Patente als ››Innovationsbremse‹‹.“142

Wenn

geistiges Eigentum nicht mehr geschützt werden darf, lässt sich schlussfolgern, dass es

vielen Unternehmen und Erfinder und Erfinderinnen möglich wäre bestehende Ansätze

weiterzuentwickeln und zum Wohle aller zu verbessern. Weiterhin können diese Ideen,

laut Felber, zusätzlich belohnt werden, zum Beispiel durch öffentliche Prämien für

gelungene Forschungsprojekte.143

Außerdem bleibt der Anreiz zur Entwicklung von Innovation auch deshalb bestehen, da

es immer noch die Möglichkeit gibt Konkurs zu gehen und es somit notwendig ist, sich

als Unternehmen zu bewähren. Dies gelingt auch in der Gemeinwohl-Ökonomie, am

besten durch die Entwicklung von Neuheiten. Denn durch die Entwicklung sinnvoller

Produkte und Dienstleistungen können gemeinwohlorientierte Unternehmen mehr

Kunden und Kundinnen gewinnen und rechtliche Vorteile erlangen.144

Sieger im

Streben nach Gemeinwohl sind demnach die Unternehmen mit den raffiniertesten

sozialen, ökologischen und humanen Innovationen.

Schlussfolgernd werden viele Faktoren, die die Innovationsfähigkeit verbessern, wie

Identifikation, Verantwortung, Vertrauen, Autonomie, Wertschätzung, Mitbestimmung,

Kooperation, usw., durch die genannten Maßnahmen positiv begünstigt.

142

Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.o.O. S. 86. 143

Vgl. ebd. 144

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 64.

Empirische Untersuchung

37

3. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

3.1. METHODIK

3.1.1. ZIELSETZUNG

Um ein alternatives Wirtschaftssystem, wie die Gemeinwohl-Ökonomie großflächig

umsetzen zu können, bedarf es der Klärung einiger Aspekte, die noch nicht empirisch

oder wissenschaftlich untersucht worden sind. Wie bereits erwähnt, ist ein Kritikpunkt

der Verfechter der aktuellen Wirtschaftsform, dass womöglich kein anderes

Wirtschaftsystem imstande sein wird, menschlichen und technischen Fortschritt so

schnell voranzutreiben, wie die freie Marktwirtschaft. Dieser Fortschritt wird momentan

durch einen permanenten Innovationsdrang gefördert, der wiederum seinen Ursprung im

wirtschaftlichen Wettbewerb und der Konkurrenz hat.

Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits theoretisch erläutert, dass das Konzept der

Gemeinwohl-Ökonomie Anreize zur Entwicklung von Innovationen gibt. Zusätzlich zu

diesem theoretischen Konzept, soll nun empirisch untersucht werden, ob sich der

Einfluss der Gemeinwohl-Ökonomie positiv auf die Innovationsfähigkeit im

Unternehmen auswirkt. Es sollen Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie, zu

den einzelnen Erfolgsfaktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit befragt

werden. Dabei soll herausgefunden werden, ob sich diese seit der Einführung und

Beschäftigung mit der Gemeinwohl-Ökonomie, verbessert haben.

3.1.2. ERHEBUNGSMETHODE

Da es bei der Befragung der Pionier-Unternehmen, darum geht Aussagen über

Erfahrungen, Ansichten, Tendenzen und Veränderungen zu sammeln, um in Hinblick

auf das Potential zur Verbesserung der Innovationfähigkeit, eine Aussage treffen zu

können, wird sich einer Methode der qualitativen Forschung bedient. Denn qualitative

Ansätze „zielen .. auf die Entdeckung (Generierung) von Theorieaussagen anhand

empirischer Daten.“145

Eine quantitative Erhebungsmethode kommt bei dieser

145

Brüsemeister, Thomas: Qualitative Forschung. Ein Überblick. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für

Sozialwissenschaften (Lehrbuch) 2008. S. 19.

Empirische Untersuchung

38

empirischen Untersuchung nicht in Frage, da sich quantitative Methoden eher damit

beschäftigen, einen existierenden theoretischen Sachverhalt mithilfe von Variablen

anhand einer großen Menge an Daten zu überprüfen.146

Des Weiteren sind für diese Untersuchung keine spezifischen Theorien vorhanden, die

bereits Aufschluss über die Untersuchungsfrage geben könnten, wie es meistens bei der

quantitativen Forschung der Fall ist.147

Deshalb werden für diese Zwecke qualitative

Forschungsmethoden benutzt, da diese das Ziel haben, Theorien anhand von Fragen zu

generieren und zu diesem Zweck „Wissensbestände und Deutungsmuster bestimmter

Akteurgruppen … zu rekonstruieren.“148

Qualitative Methoden lassen es zu offen und

sensibel während der Untersuchung vorzugehen, um gezielt so viel wie möglich an

Wissen und Informationen erfragen zu können. Dies kommt der Befragung zu gute, da

die Befragten aufgrund der teilweise kurzlebigen und schnell ablaufenden Prozesse im

Unternehmen, einige Punkte selbst noch nicht überdacht haben und womöglich während

der Befragung erstmalig Zeit zum Reflektieren haben.149

Als qualitative Erhebungsmethode wurde das explorative Interview gewählt. Das

explorative Interview verfolgt das Ziel innerhalb der, den Forscher oder die Forscherin

„interessierenden Thematik, möglichst weite, ,unbekannte‘, auch latente Wissensgebiete

der Befragten zu erschließen [und] eignet sich aufgrund seiner Komplexität eher als

Instrument zur Erfassung subjektiv-typischer als zur Erzeugung objektiv-repräsentativer

Daten und mithin eher zum Theorie-Aufbau als zur Hypothesen-Prüfung.“150

Diese

Variante ist meist in drei verschiedene Phasen unterteilt. Diese werden im Punkt 3.1.4.,

in der Gestaltung des Interviewleitfadens aufgezeigt und beschrieben.

Die Art des Interviews lässt sich jedoch, aufgrund der Fülle von Verfahrensformen,

nicht ganz abgrenzen. Das durchgeführte Interview besitzt zum Teil auch Merkmale

eines problemzentrierten Interviews, da es „keinen festen Ablauf [hat und] die

Interviewenden können schon sehr früh strukturierend und nachfragend in das Gespräch

eingreifen, Themen einführen, Kommentare und Bewertungen erbitten oder … bereits

146

Brüsemeister, Thomas: Qualitative Forschung. a.a.O. S. 19. 147

Vgl. ebd. S. 23. 148

Ebd. 149

Vgl. ebd. S. 24. 150

Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. Erkundungen in Lebenswelten. Wissen, Kommunikation und

Gesellschaft. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage 2011. S. 41.

Empirische Untersuchung

39

im Interview selbst beginnen, die eigenen Interpretationen kommunikativ zu

validieren“.151

Es ist auch ein halbstrukturiertes Interview, da es sich um einen Mix aus

offenen, theoriegeleiteten und konfrontierenden Fragen handelt.152

Die meisten

Charakteristiken der Untersuchung finden sich allerdings im explorativen Interview

wieder.

3.1.3. FESTLEGUNG DER STICHPROBE

Allgemein benötigt man in der qualitativen Forschung eher geringe Datensätze, da die

empirischen Daten qualitativ hochwertiger sind. Da die Bewegung der Gemeinwohl-

Ökonomie noch im Anfangsstadium ist und die Anzahl der Pionier-Unternehmen, im

Vergleich zu allen existierenden Unternehmen, noch klein ist, kommt diese Methode

sehr gelegen. Um jedoch möglichst viele empirische Daten sammeln zu können, war es

wichtig gezielt Unternehmen auszuwählen, die sich bereits intensiv mit dem Thema

beschäftigt haben und somit viele Informationen beisteuern können. Demnach handelt

es sich um eine „absichtsvolle Stichprobenziehung“.153

Doch welche Unternehmen

erfüllen dieses Kriterium? Zum einen war klar, dass für die Befragung nur Pionier-

Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie in Frage kommen. Pionier-Unternehmen,

sind diejenigen die „die Gemeinwohl-Bilanz freiwillig erstellen, bevor sie gesetzlich

verbindlich ist“154

. Im Jahr 2012 gab es insgesamt 300 Pionier-Unternehmen in sechs

Ländern.155

Es wurden nur Pionier-Unternehmen aus Deutschland und Österreich

ausgewählt, da es für einen optimalen und zielführenden Interviewablauf von Vorteil

ist, deutschsprachige Unternehmen zu befragen. Weiterhin wurde berücksichtigt, dass

die Unternehmen mindestens zwei von drei Sämchen besitzen. Diese eigens entwickelte

Skala der Gemeinwohl-Ökonomie gibt Auskunft über das Stadium in dem sich das

Unternehmen befindet. (1 Sämchen: „Unterstützer-Unternehmen der Gemeinwohl-

Ökonomie“, 2 Sämchen: „Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie mit

151

Mey, Günter; Mruck, Katja: Qualitative Interviews. In: Eva Balzer und Gabriele Naderer (Hg.):

Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2. Aufl.

Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011. S. 262. 152

Vgl. Mey, Günter; Mruck, Katja: Qualitative Interviews. a.a.O. S. 263 ff. 153

Schreier, Margrit: Qualitative Stichprobenkonzepte. In: Eva Balzer und Gabriele Naderer (Hg.):

Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2. Aufl.

Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien 2011. S. 246 154

Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 160. 155

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 190.

Empirische Untersuchung

40

Gemeinwohl-Bilanz“, 3 Sämchen: „Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie

mit auditierter Gemeinwohl-Bilanz.“)156

In den beiden letzten Stufen wird eine

Gemeinwohl-Bilanz erstellt, der Unterschied ist nur, dass in Stufe zwei die Bilanz in

einer Peer-Gruppe mit anderen Unternehmen zusammen erstellt wird und nicht

veröffentlicht werden muss, während in Stufe drei, die Bilanz veröffentlicht und extern

von einem Auditor geprüft wird. Weiterhin wurde bei der Auswahl der Unternehmen

darauf geachtet, dass sie möglichst heterogen sind. So wird umgangen, dass es sich bei

den Ergebnissen um ein Phänomen einer Branche handelt. Durch die Heterogenität ist

die Wahrscheinlichkeit höher, dass allgemeingültige Aussagen aufgestellt werden

können.

Des Weiteren musste bei der Stichprobenziehung mit bedacht werden, dass nur kleine

und mittelgroße Unternehmen in Frage kommen, da diese untersucht werden sollen.

Laut KMU-Definition der Europäischen Kommission sind es Unternehmen, „die

weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von

höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43

Mio. EUR beläuft.“157

Letztendlich wurden zwölf Unternehmen befragt. Davon vier aus Österreich und acht

aus Deutschland. Die folgende Tabelle stellt die Unternehmen kurz vor:

Unternehmen Kurzbeschreibung Anzahl

Mitarbeiter/-

innen

Umsatz

(2012)

in €

Anzahl

Sämchen

1 Bodan GmbH Großhandel für Naturkostwaren 170 ca. 50 Mio. 3

2 em-faktor - Die

Social Profit

Agentur GmbH

Fundraising, CSR, Campaigning,

Branding

10 830.000 3

3 Ettl-Software

GmbH (AT)

Software-Entwicklung,

Unternehmensberatung

8 o. A. 3

4 Göttin des Glücks

GmbH (AT)

Textil- und Bekleidungsindustrie,

Fairer Handel

9 660.000 3

5 Gugler GmbH Kommunikation, Campaigning, 96 6,8 3

156

Gemeinwohl-Ökonomie. Gemeinwohl-Bilanz. Erste Schritte. Online verfügbar unter

http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/de/content/erste-schritte, zuletzt geprüft am 14.08.2013. 157

Europäische Kommission (Hg.): Die neue KMU-Definition. a.a.O. S. 5.

Empirische Untersuchung

41

(AT) Branding, Publishing, Druck Mio.(2010)

6 Heckel GmbH &

Co. KG

Forstwirtschaftliche Anlagen und

Maschinen

9 o. A. 2

7 Kirchner

Konstruktion

GmbH

Energiemanagement,

Konstruktion, Programmierung,

Komponentenentwicklung im

Bereich Automotive

123 ca. 14 Mio. 3

8 Märkisches

Landbrot

Lieferbäckerei 47 6,2 Mio.

(2011)

3

9 Ökofrost GmbH Großhandel für Bio-

Tiefkühlwaren

17 9,1 Mio. 3

10 Ökoring Handels

GmbH

Großhandel für Naturkostwaren 140 o. A. 3

11 Sonnendruck

GmbH

Druck, Gestaltung, Reproduktion,

Buchbinderei, Direkt Marketing

12 1,4 Mio. 3

12 Sonnentor

Kräuterhandels

GmbH (AT)

Lebensmittelverarbeitung 184 24,7 Mio. 3

Abbildung 3: Befragte Pionier-Unternehmen, Eigene Darstellung

Für die Untersuchung ist ausschlaggebend, dass Personen befragt werden, die bei der

Erarbeitung der Bilanz mit eingebunden waren und in einer führenden Position,

möglichst viel vom Geschehen im Unternehmen überblicken. Deshalb wurden diese

Personen direkt angeschrieben oder es wurde direkt nach ihnen gefragt. Letztendlich

wurden von allen Unternehmen meist der oder die Geschäftsführer/ -in oder der oder die

Verantwortliche für den Bereich Nachhaltigkeit im Unternehmen befragt. Somit waren

die Informationen zur Person bereits bekannt und mussten meistens während des

Interviews nicht hinterfragt werden. Die befragten Personen werden im Abschnitt 3.2.

vorgestellt.

3.1.4. GESTALTUNG DES INTERVIEWLEITFADENS

Der Interviewleitfaden dient als grobe Richtlinie für das Interview. Der komplette

Interviewleitfaden befindet sich im Anhang 3.

Der Leitfaden ist in drei Phasen unterteilt. Die erste Phase ist laut der

Sozialwissenschaftlerin Anne Honer das quasi-normale Gespräch, bei dem „zunächst

Empirische Untersuchung

42

der gemeinsame thematische Gesprächsrahmen grob umrissen“158

wird. Zuallererst wird

noch einmal auf das Thema eingegangen und die Zielsetzung der Arbeit kurz erläutert.

Da die Informationen zur Person größtenteils bereits schon im Vorfeld gesammelt

wurden, um die geeignete Ansprechperson im Unternehmen zu finden, wird am Anfang

meist nur danach gefragt, wie er oder sie in den Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie

integriert ist. Darauf folgen einleitende Fragen zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie, um

zu erfahren seit wann das Unternehmen die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt und ob

das Konzept an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kommuniziert wurde und wenn ja,

in welcher Form. Für die Transparenz im Unternehmen ist es entscheidend, dass das

Konzept kommuniziert wurde. Die Beteiligung und Integration der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen ist ein wichtiger Aspekt für die Verbesserung der Innovationskultur. In

dieser Phase und am Anfang der nächsten Phase soll durch „Fragen, …, Anmerkungen,

deutliche Zustimmung … [oder] sogar gelegentlich einmal verhaltenen Widerspruch …

sachliches Engagement bekundet“159

werden, so dass der oder die Befragte zum

lockeren Gespräch ohne Struktur angeregt wird.

Die zweite Phase des Interviews berührt in diesem Fall auf den Grundlagen des

Experteninterviews, da es besondere und exklusive Wissensbestände in Erfahrung

bringen möchte.160

In diesem Teil geht es darum zu hinterfragen, ob und wie sich

vereinzelte Erfolgsfaktoren, welche in Punkt 2.2.2. vorgestellt wurden, mit der

Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie verändert haben. Im Folgenden werden die

Leitfragen des Hauptteils den Gestaltungsfeldern aus Punkt 2.2.2. zugeordnet, um sie

besser erläutern zu können. Die theoretische Reihenfolge der Fragen ist im Leitfaden

anders, um einen logischeren Ablauf des Gesprächs zu gewährleisten, der allerdings im

Gespräch selbst, aufgrund der offenen Gestaltung, wiederum verschieden sein kann.

Der Großteil der Fragen wurde anhand der Erfolgsfaktoren der Gestaltungfelder

Innovationskultur, Strategie und Projektmanagement entwickelt, da diesen Bereichen

die Mehrheit der kritischen Erfolgsfaktoren untergeordnet wurde.

Die erste Frage beschäftigt sich damit, ob die Werte („Menschenwürde; Solidarität;

Ökologische Nachhaltigkeit; Soziale Gerechtigkeit; Demokratie, Mitbestimmung und

158

Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. a.a.O. S. 47. 159

Ebd. S. 48. 160

Vgl. ebd. S. 51 f.

Empirische Untersuchung

43

Transparenz“161

) der Gemeinwohl-Bilanz in irgendeiner Art und Weise in die

Unternehmensstrategie verankert werden. Darauf aufbauend sieht der Leitfaden vor,

dass von dem oder der Befragten reflektiert wird, inwiefern die Mitarbeiter sich, mit

dem Unternehmen als Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie und den damit

verbundenen Werten, stärker identifizieren können als ohne dieses Engagement. Diese

zwei Fragen zielen darauf ab zu erfahren, ob sich Erfolgsfaktoren wie „Wir-Gefühl“

und „Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen“ verbessern.

Die Fragen 4 A und B erkunden, ob Projekte und Maßnahmen speziell zur

Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz entwickelt werden. Wenn ja, ob es dafür

Beispiele gibt und ob speziell zu diesem Zweck mehr Freiräume für

Vorentwicklungsprozesse geschaffen werden und wenn ja, welche Art von Freiräumen.

Dieser Teil ist zum einen interessant, weil man erfährt, ob die Gemeinwohl-Ökonomie

direkt zur Entwicklung von Neuerungen animiert. Zum anderen ist es für eine

zielführende Innovationskultur und ein geeignetes Projektmanagement essentiell für

eigenverantwortliches Arbeiten der Mitarbeiter/-innen und Freiräume zu sorgen.

Um zu erfahren, ob die Mitarbeiter, mehr Mitsprache, Wertschätzung und Vertrauen

erleben, dient die Frage 5 A: Versuchen Sie innovative Ideen der Mitarbeiter durch

finanzielle oder nicht-finanzielle Anreize aktiv zu fördern? Die anschließende Frage 5

B, stellt wieder einen direkten Bezug zur Gemeinwohl-Ökonomie her, indem gefragt

wird, ob die Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz ein Anreiz für die Einbringung

neuer Ideen der Mitarbeiter ist. Dadurch soll ersichtlich werden, ob dieser direkte

Anreiz existiert und die Mitarbeiter zu neuen Ideen motiviert werden.

Die letzte Frage, die sowohl den drei genannten Gestaltungsfeldern als auch dem

Gestaltungsfeld Prozess untergeordnet werden kann, ist die Frage 6. Diese soll

untersuchen, ob seit der ersten Bilanzierung nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standard

mehr darauf geachtet wird, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in die

Entscheidungsprozesse einbringen können. Dieser Punkt sagt viel über den

Führungsstil, die Mitbestimmung, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter, das

Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern und die Entscheidungsfreude im Unternehmen

aus.

161

Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 42 f.

Empirische Untersuchung

44

Stellvertretend für das Gestaltungsfeld Kompetenz und Wissen sind die Fragen 3 A und

B. Mithilfe dieser zwei Fragen wird konkret hinterfragt, ob sichergestellt wird, dass die

Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dem Wandel durch die

Gemeinwohl-Ökonomie angepasst werden und wenn ja, wie. Außerdem wird geklärt,

ob versucht wird, die speziellen Kompetenzen des Einzelnen bzw. der Einzelnen,

optimal für die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen. Diese Fragen sollen

Aufschluss darüber geben, ob die erfolgversprechenden Faktoren für diesen Bereich

durch die Gemeinwohl-Ökonomie in irgendeiner Art und Weise verbessert werden.

Die siebte Frage versucht zu herauszufinden, ob die Kunden und Kundinnen in den

Entwicklungsprozess von Neuerungen mit einbezogen werden, um den größtmöglichen

Nutzen & Sinn des Produktes/ Dienstleistung zu gewährleisten. Dieser Aspekt ist

besonders für die Gestaltungsfelder Markt und Produkt/ Dienstleistung von Bedeutung.

Die achte Frage ist ebenfalls ausschlaggebend für das zuletzt genannte Feld, da der oder

die überlegen soll, wie sich das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit

eines Produktes/ Dienstleistung im Unternehmen, mit der Einführung der Gemeinwohl-

Bilanz, verändert hat. Diese Überlegung soll Auskunft darüber geben, ob die

Gemeinwohl-Ökonomie zur Optimierung der Produkte/ Dienstleistungen anregt.

Ebenfalls ein Bereich, der zur Optimierung Raum nach oben offen lässt, ist die

Technologie. Deshalb wird laut Leitfaden auch darüber gesprochen, wie sehr man seit

der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie bei der Anschaffung neuer Technologien

darauf bedacht ist, dass sie energie- und ressourcenschonend sind und wie dies

überprüft wird.

Um den Hauptteil des Interviews abzuschließen, wurde gefragt, ob das Unternehmen

anstrebt vorhandene Technologien und Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen.

Diese Art von Kooperation wird als erfolgversprechender Faktor im Gestaltungsfeld

Struktur und Netzwerk genannt.

Die dritte Phase ist gleichzeitig die reflexive Phase. Dabei wurde zuerst der

Interviewverlauf noch einmal kurz reflektiert und eventuell fehlende oder unklare

Informationen hinterfragt.162

Danach soll der oder die Befragte aufgefordert werden zu

162

Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. a.a.O. S. 52.

Empirische Untersuchung

45

entscheiden, ob er oder sie der Meinung ist, dass das Unternehmen innovationsfähiger

geworden ist und wenn ja, in welchem Bereich (Produkt-, Dienstleistungs-,

Prozessinnovation, soziale oder organisatorische Innovation). Abschließend wird der

oder die Befragte planmäßig gefragt, ob sie oder er zusammenfassend sagen würde, dass

das Wir-Gefühl im Unternehmen und die Motivation der Beschäftigten gestiegen sind.

In allen durchgeführten Interviews verliefen Ablauf und Auswahl der Fragen

abweichend von dem aufgestellten Interviewleitfaden. Da die Erhebungsmethode

Spielraum für die offene Gestaltung des Interviews lässt, wurde dies auch immer

genutzt. Meist luden unterschiedliche Fragen die Befragten zu ausführlicheren

Aussagen ein. Dies hing auch ganz von der Art und Größe des Unternehmens ab. Einige

Aussagen wurden zeitgleich konkret hinterfragt.

3.1.5. DURCHFÜHRUNG DER INTERVIEWS

Die Interviews wurden telefonisch gehalten. Die durchschnittliche Dauer der Interviews

beträgt 35 Minuten. Mit den befragten Personen wurde im Voraus ein genauer Termin

vereinbart, um sicher zu stellen, dass mindestens 30 Minuten Zeit von dem oder der

Befragten freigehalten werden konnte, um sich ganz auf das Interview zu konzentrieren.

Des Weiteren wurden per E-Mail- oder Telefonkontakt schon einmal grob die Bereiche

des Interviews genannt, damit der oder die Befragte sich schon in Gedanken etwas auf

das Thema einstellen konnte und vielleicht im Voraus schon interessante Aussagen

generiert, die in der Kürze des Interviews nicht zu Stande gekommen wären. Diesen

Vorteil sieht auch Anne Honer darin und rät zu dieser kurzen Kommunikation im

Voraus.163

Da bei der qualitativen Forschung ein ausgeprägtes Wissen über die Thematik

notwendig ist, wurde sich im Voraus ausführlich mit den Grundlagen auseinander

gesetzt. Außerdem wurden alle wesentlichen Informationen über das, zu untersuchende

Unternehmen, eingeholt. Weiterhin entscheidend für die Interviewvorbereitung, war die

Durcharbeitung der existierenden Gemeinwohl-Berichte der Unternehmen. Wenn ein

Bericht vorlag, wurde ein Überblick über den aktuellen Stand des Unternehmens

verschafft, um an gewissen Stellen gezielter nachfragen zu können. Für den Fall, dass

163

Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. a.a.O. S. 47.

Empirische Untersuchung

46

ein Unternehmen schon seit zwei Jahren den Bericht verfasst, war es bereits vor dem

Interview möglich, Tendenzen und Einflüsse der Gemeinwohl-Ökonomie zu erkennen.

Dies konnte dann konkret hinterfragt werden, wie es aus Sicht des Experten oder der

Expertin zu bewerten ist.

3.2. ERGEBNISSE

Es wurden insgesamt zwölf Interviews durchgeführt verteilt über einen Zeitraum von

anderthalb Monaten. Es wurde mit vier österreichischen und acht deutsche kleinen und

mittelgroßen Unternehmen, die die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen, gesprochen.

Im Folgenden werden die Unternehmen und die dazugehörigen Experten bzw.

Expertinnen kurz vorgestellt. Die ausführlichen Fassungen der Interviews, auf denen die

Aussagen in diesem Abschnitt basieren, mit weiteren Informationen zu den

Unternehmen und Befragten befinden sich im Anhang 4 A-L.

Die Pionier-Unternehmen aus Österreich waren: Ettl-Software. Göttin des Glücks,

Gugler und Sonnentor.

Ettl-Software GmbH entwickelt Software und bietet Dienstleistungen im Bereich

Informationstechnologie an. Im Gespräch wurde der Inhaber und Geschäftsführer Paul

Ettl befragt. Das Modelabel Göttin des Glücks designt Kleidung und organisiert eine

komplett transparente, ökologische, faire und soziale Produktionskette. Die Expertin im

Gespräch ist Lisa Muhr, Geschäftsführerin von Göttin des Glücks und zuständig für die

Bereiche Public Relations, Marketing und Nachhaltigkeit. Die Mediengestalter Gugler

GmbH sind in den vier Unternehmensbereichen Beratung, Kreation von Text und Bild,

Neue Medien und Informationstechnologie, sowie Printmedien tätig. Teresa

Distelberger wurde von Gugler befragt. Sie ist Mitglied im Nachhaltigkeitsteam und mit

zuständig für die Leitung des aktuellen Cradle 2 Cradle-Projekts und dem Gugler

Seminarzentrum. Als letztes Unternehmen Österreichs wurde der Bio-Pionier Sonnentor

näher beleuchtet. Die Sonnentor Kräuterhandelsgesellschaft stellt faire und ökologische

Kräuter- und Kaffeespezialitäten her. Die Marketingleiterin Sonja Aigner sprach über

die Gemeinwohlleistungen und den Prozess der Gemeinwohl-Bilanzierung im

Unternehmen.

Empirische Untersuchung

47

Aus dem deutschen unternehmerischen Mittelstand wurden folgende Unternehmen

interviewt: Bodan, <em>faktor, Heckel, Kirchner Konstruktionen, Märkisches

Landbrot, Ökofrost, Ökoring und Sonnendruck.

Die Bodan Großhandels GmbH ist ein Großhändler von Naturkostprodukten für den

Naturkost-Facheinzelhandel im Süden Deutschlands. Zum Forschungsthema wurde mit

Dieter Hallerbach, dem Leiter der Logistik, gesprochen. Die Social Profit Agentur

<em>faktor ist in den Bereichen Markenentwicklung, Fundraising, Sponsoring,

Sozialkampagnen und Corporate Social Responsibility tätig. Der Geschäftsführer und

CSR-Experte Dr. Oliver Viest sprach über die Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie

im Unternehmen. Das Maschinenbauunternehmen Heckel GmbH & Co. KG entwickelt

Anlagen, vorrangig für die Holzindustrie, sowie Photovoltaikanlagen. Der Inhaber und

Geschäftsführer Wolfgang Heckel erläutert im Interview seine Sichtweise der

Gemeinwohl-Ökonomie. Als weiteres Maschinenbauunternehmen wurde Kirchner

Konstruktionen GmbH befragt, die als Dienstleister für die Automobilbranche tätig

sind. Es wurde mit dem Geschäftsführer Markus Elbs besonders über das Wohl der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesprochen. Die Berliner Lieferbäckerei Märkisches

Landbrot stellt Brote in Demeter-Qualität her und setzt auf ein konsequentes Umwelt-

und Energiemanagement. Im Interview wurde mit dem Geschäftsführer und

Nachhaltigkeitsbeauftragten Christoph Deinert gesprochen. Ebenfalls aus Berlin kommt

der Großhändler für Bio-Tiefkühlwaren Ökofrost. Der Geschäftsführer Florian Gerull

sprach über die Wichtigkeit menschlicher Werte im Unternehmen. Der bayrische

Großhändler für Bio-Produkte Ökoring beliefert neben dem Einzelhandel auch Hotels,

Kantinen, Schulen und Kindergärten. Interviewt wurde die Projektleiterin der

Gemeinwohl-Ökonomie, Sonja Goldbrunner. Zu guter Letzt wurde ein Interview mit

dem Geschäftsführer der Druckerei Sonnendruck, die unter anderem klimaneutrales

Drucken anbietet, Uwe Treiber geführt.

Am Anfang wurde einleitend besprochen, wie es dazu kam, dass das Unternehmen, die

Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt und sich entschieden hat, eine Gemeinwohl-Bilanz

zu erstellen. Im Gespräch mit den Experten und Expertinnen wurde ersichtlich, dass für

viele Unternehmen der Beitritt zur Bewegung, eine logische Konsequenz ihres

bisherigen Handelns, war. Dies war besonders bei den österreichischen Unternehmern

Empirische Untersuchung

48

und Unternehmerinnen der Fall. Teresa Distelberger berichtet, dass der Geschäftsführer

Ernst Gugler, seit langem, zusammen mit Christian Felber, Teil einer Attac-

Unternehmer/-innen-Gruppe ist. Aus diesem Grund, war das Unternehmen bereits

während der gesamten Gründungsphase des alternativen Wirtschaftskonzeptes mit

dabei. Außerdem veröffentlicht das Medienunternehmen seit langem schon

Nachhaltigkeitsberichte, somit verlief der Beitritt fließend. Ähnliches geschah auch im

Unternehmen Sonnentor. Da der Geschäftsführer Johannes Gutmann in Österreich als

Bio-Pionier gilt und sehr vernetzt in der Branche ist, war die Unterstützung der

Gemeinwohl-Ökonomie selbstverständlich. Lisa Muhr traf Christian Felber bei der

Verleihung eines CSR-Preises für Göttin des Glücks. Sie kannte bereits die Bücher und

empfand, dass das Konzept passend für ihr Unternehmen sei. Für Paul Ettl gab es einen

speziellen Vorfall, der für ihn der Auslöser war der Bewegung beizutreten. Er

berichtete, dass er 2006 die komplette Hardware des Unternehmens neu anschaffte, was

ihm in der Finanzbilanz positiv angerechnet wurde und den Gewinn kaum verringerte.

Als er ein Jahr später, Angestellte auf seine Kosten, zu Schulungen schickte,

verzeichnete er einen wesentlich geringeren Gewinn. Er fragte sich, wie es sein kann,

dass gut geschulte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, in der Finanzbilanz nicht vermerkt

werden, obwohl es mit das Wichtigste im Unternehmen ist. Als er von der Gemeinwohl-

Ökonomie hörte, entschloss er sich, genau dieses Konzept zu unterstützen.

Die Geschäftsführer Florian Gerull und Oliver Viest waren, ähnlich wie Paul Ettl, auf

der Suche nach einem passenderen Messinstrument für ihr Unternehmen. Florian Gerull

berichtete, dass mit dem ersten Gewinn im Jahr 2010, sich das Unternehmen zum ersten

Mal mit dem Thema Werte beschäftigt hat. In diesem Prozess kam es zur Äußerung der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dass sie unzufrieden mit der bisherigen

Gehaltsstruktur sind. Aus diesem Grund wurde ein Workshop initiiert, der zur

gemeinsamen Entwicklung eines Gehaltsmodelles diente. Kurz darauf wurde das

Leitbild neu gestaltet und man fragte sich, wie man diese neuen Ideen am besten in die

Tat umsetzen kann. Die Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie war bei Ökofrost,

die Antwort auf diese Frage. Ähnlich beschrieb es Oliver Viest, der auch auf der Suche

nach einer Art Anleitung für die Umsetzung und Reflektion von ökologischen und

sozialen Maßnahmen war. Ihn motivierte, dass man sich transparenter, als guter

Empirische Untersuchung

49

Arbeitgeber positionieren und somit Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen binden und

gewinnen kann. Die Gemeinwohl-Matrix erschien ihm als ein gutes operables Raster.

Markus Elbs von Kirchner Konstruktionen und Christoph Deinert von Märkisches

Landbrot teilen diese Meinung mit Oliver Viest, dass die Bilanz ein besonderes

Instrument ist, das Unternehmen in Hinblick auf seine Gemeinwohlleistungen misst.

Christoph Deinert findet, dass dieses Konzept es das erste Mal möglich macht,

Nachhaltigkeit in Zahlen zu messen und branchenübergreifend vergleichbar zu

gestalten. Zu diesem Thema erzählte Markus Elbs, dass Kirchner Konstruktionen immer

viele Verbesserungen im Sinne der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umsetzt und

menschliche Werte im Unternehmen eine große Rolle spielen. Die Gemeinwohl-Bilanz

erschien ihm perfekt, um diese Maßnahmen einmal genau aufzuzeichnen, zu

strukturieren und zu beobachten.

Dieser Meinung waren auch Uwe Treiber, Wolfgang Heckel und Robert Dax, der

ehemalige Geschäftsführer von Ökoring, als sie bei einem Vortrag Felbers, die

Gemeinwohl-Ökonomie kennenlernten. Sonja Goldbrunner von Ökoring berichtet, dass

Robert Dax 2010, begeistert von dem Vortrag, beschloss der Regionalgruppe Bayern

beizutreten. Daraufhin entschied man sich den Bericht zu erstellen, um den aktuellen

Stand des Unternehmens und Potential zur Verbesserung zu erkennen. Der

Geschäftsführer von Sonnendruck war ähnlich angetan von der Präsentation des

Konzeptes und entschloss, die Bewegung zu unterstützen, da sie im Einklang mit seiner

Firmen- und Lebensphilosophie ist. Ebenfalls wünscht er sich Verbesserungspotential

im Unternehmen zu erkennen und Kunden und Kundinnen zu gewinnen, die ähnlich

denken wie er. Wolfgang Heckel war im Februar 2011 bei der Vorstellung des Buches

von Christian Felber und war überzeugt davon, dass dies der richtige Ansatz für die

Zukunft ist. Da bereits ein Regelwerk mit der Beschreibung der Indikatoren vorlag,

erschien es ihm geeignet zur Umsetzung im Unternehmen und zur Gewährleistung der

eigenen Weiterentwicklung. Abschließend sprach auch Dieter Hallerbach von Bodan

davon, dass man dieses Instrument hervorragend nutzen kann, um potentielle neue

Ideen und Verbesserungen zu entdecken und umzusetzen.

Anschließend sprachen die Experten und Expertinnen darüber, wie der Prozess der

Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz ablief und wer mit eingebunden war. In allen Fällen,

Empirische Untersuchung

50

waren die Befragten mitbeteiligt gewesen. Es gab jedoch Unterschiede in der Art der

Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Die Mehrheit der Pionier-Unternehmen erarbeitete die Bilanz in einer Gruppe,

bestehend aus Geschäftsleitung und stellvertretenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Im Unternehmen Ökofrost mit 17 Angestellten, arbeitete Florian Gerull immer

zusammen mit drei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die untereinander rotierend mit

in der Runde saßen, so dass alle in den gesamten Prozess mit einbezogen waren. Im

ähnlich großen Unternehmen Göttin des Glücks wurde der erste und der zweite Bericht

von Lisa Muhr verfasst, wobei der erste noch völlig alleine erarbeitet wurde. Beim

zweiten Mal wurden der Gemeinwohl-Bericht sowie die Bilanz in Zusammenarbeit mit

der gesamten Belegschaft zusammengestellt. Sie erzählte, dass durch die geringe Größe

der Firma, das alternative Konzept schnell kommuniziert und von allen unterstützt

wurde.

Beim Großhandel Bodan wurde anfangs zu einer Gesamtbesprechung eingeladen, bei

der Matrix und Bilanz vorgestellt wurden. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die

Interesse hatten mitzuwirken, konnten sich selbst in eine der Gruppen von A-E, die

anhand der Schwerpunkte der Gemeinwohl-Matrix (siehe Anhang 2) erstellt wurden,

nach ihren eigenen Kompetenzen, einteilen. Dieter Hallerbach ist Teil der Gruppe E. Er

geht davon aus, dass je mehr diese Gruppen zusammen arbeiten und Veränderungen

einleiten, je mehr Interesse wird auch von weiteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

kommen, die noch nicht freiwillig am Prozess beteiligt sind. Diese Gruppen bestehen

demnach weiter und sollen die Ziele, die im Bericht festgelegt wurden (siehe Anhang 4

A), weiter verfolgen und den Prozess beobachten. Bei dem Großhändler Ökoring

beschäftigt sich das Nachhaltigkeitsteam zusammen mit einem Stellvertreter bzw. einer

Stellvertreterin aus allen Bereichen, mit der Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz. Die

Gruppenmitglieder wiederum sind beauftragt, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus

ihren Abteilungen vom Prozess zu informieren. Sonja Goldbrunner fügte hinzu, dass es

außerdem ein firmeninternes Intranet gibt, auf dem alle Informationen zum Thema

veröffentlich wurden.

Sonja Aigner von Sonnentor (184 Mitarbeiter/-innen) berichtete, dass sie und drei

weitere Personen in Teamarbeit, die Gemeinwohl-Bilanz und den Bericht erstellen.

Empirische Untersuchung

51

Sonnentor erarbeitet bereits zum dritten Mal die Bilanz und in Hinblick auf die

Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich im Vergleich zum ersten

Durchlauf, laut der Marketingleiterin, viel verändert. Während 2011 gezielte

Befragungen mit Angestellten zu einzelnen Indikatoren durchgeführt wurden, wurde

2012 und 2013 darauf geachtet, dass ein Großteil der Mitarbeiterschaft mit einbezogen

wird. Ebenfalls in Teamarbeit wurde die Bilanz und der Bericht von dem

Kommunikationshaus Gugler erarbeitet, berichtete Teresa Distelberger, die in der

Projektgruppe mitarbeitete. In kleineren Gruppen mit anderen Mitarbeitern und

Mitarbeiterinnen wurde über die Kriterien diskutiert, aber erst im Rahmen der

halbjährlichen Informationsveranstaltung gugler* dialog, wurde die Bilanz allen

Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorgestellt.

Der Geschäftsführer Markus Elbs berichtet, dass die Gemeinwohl-Bilanz von dem

firmeninternen Martin Ströhle und dem externen Berater Armin Hipper erstellt wurde.

Markus Elbs und die Abteilungsleiter und –leiterinnen lieferten die notwendigen

Informationen und präsentierten das Ergebnis den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, in

der halbjährigen Betriebssitzung. Im Maschinenbauunternehmen Heckel entschied man

sich ebenfalls dazu, die Bilanz in einer kleinen Gruppe zu erarbeiten. Wolfgang Heckel,

seine Frau, der Konstrukteur und der stellvertretende Fertigungsleiter beschäftigten sich

2011 intensiv mit dem Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie. Beim zweiten Durchlauf

im darauffolgenden Jahr wurden Befragungen in der Wertschöpfungskette

(Lieferanten/-innen, usw.) durchgeführt. Bei beiden Vorgängen diente die im

Unternehmen festgelegte Freitagsbrotzeit, bei denen alle neun

Unternehmensangehörigen einmal im Monat zusammenkommen, als

Kommunikationsplattform um Neuigkeiten und Anregungen zum Verlauf der

Erstellung auszutauschen und die endgültigen Versionen vorzustellen.

In die Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz und des Berichtes waren im Unternehmen

Märkisches Landbrot 2011 und 2012, jeweils drei Personen involviert. Der

Nachhaltigkeitsbeauftragte und Geschäftsführer Christoph Deinert war der

Hauptverantwortliche im Prozess, da er bereits verantwortlich für die Ökobilanzierung

ist und sich mit dem Thema bestens auskennt. Bisher wurden die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen nur informiert, aber langfristig möchte das Unternehmen die

Angestellten mehr einbinden.

Empirische Untersuchung

52

Die Geschäftsführer von <em>faktor, Ettl-Software und Sonnendruck entschieden sich

die erste Gemeinwohl-Bilanz fast gänzlich allein zu erarbeiten. Oliver Viest schilderte,

dass die erste Phase für ihn eine reine Datenerhebung war. Diese Daten hinterfragte er

zusammen mit einer externen Beraterin. Da <em>faktor nur zehn Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen beschäftigt, wussten alle sehr schnell über den Prozess Bescheid. Er

bat eine Angestellte darum, die fertige Bilanz auf grobe Fehleinschätzungen von seiner

Seite aus, zu überprüfen. Uwe Treiber erstellte die Bilanz für Sonnendruck anfänglich

zusammen mit anderen Unternehmern und Unternehmerinnen, der mitbegründeten

Gemeinwohlinitiative Rhein-Neckar, in einer sogenannten Peer-Gruppe. Doch da dies

nur sehr langsam ablief, entschloss er sich die Bilanz und den Bericht mit einer weiteren

Person aus der Druckerei, zu verfassen. Zur Information der Angestellten gab es ein

spezielles Meeting zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie. Paul Ettl von Ettl-Software

durchlief den Prozess der Erstellung alleine, informierte aber stets die acht Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen in den alle sechs Wochen stattfindenden Meetings im

Unternehmen. Außerdem führte er zum ersten Mal, eine Mitarbeiterbefragung durch,

die ihm dabei half, die entsprechenden Indikatoren, wahrheitsgetreu beschreiben zu

können.

Nach einem kurzen Gespräch über den Prozess der Bilanzerstellung im Unternehmen,

äußerten die Experten und Expertinnen ihre Erfahrungen und Meinungen zu den

einzelnen Erfolgsfaktoren für Innovationsfähigkeit.

Hinsichtlich des Bereichs Strategie waren sich die Vertreter und Vertreterinnen der

Pionier-Unternehmen einig, dass die Verankerung der Werte der Gemeinwohl-

Ökonomie in der Unternehmensstrategie, bereits vor Beitritt der Bewegung vollzogen

wurde. Meist wurde sich aus diesem Grund, bewusst für die Unterstützung der

Bewegung entschieden, da sie genau, die im Unternehmen gelebten Werte, verkörpert.

Viele Unternehmen erkannten durch die neuartige Bilanzierungsweise jedoch, dass

diese Werte und die strategische Positionierung noch nicht ausreichend kommuniziert

und umgesetzt werden. Dies war bei allen vor allem bei dem Faktor ‚Innerbetriebliche

Demokratie und Transparenz‘ der Fall. Diesbezüglich berichtete Sonja Goldbrunner von

Ökoring, dass die Werte bereits in fast allen Aspekten des Unternehmens gelebt und

gefördert werden. Nur beim Thema Mitarbeitereinbindung ist dies noch nicht ganz der

Fall, aber das Unternehmen ist seit einer Weile dabei, Maßnahmen zur Verbesserung

Empirische Untersuchung

53

einzuleiten, wie zum Beispiel die Mitbestimmung bei der Ernennung neuer

Abteilungsleiter. Der Geschäftsführer der Social Profit Agentur <em>faktor bemerkte

im Gespräch mit der Auditorin, dass viele Prozesse im Unternehmen teilweise ohne

strategische Verankerung ablaufen. Dies fördert seiner Meinung nach, nicht die

Transparenz und Klarheit der strategischen Ausrichtung. Demnach wird die Agentur

daran arbeiten, die Werte und Ziele fest in der Unternehmensstrategie zu verankern,

sodass zum Beispiel bei der nächsten Suche nach einer Druckerei, alle genau wissen,

auf welche Aspekte geachtet werden muss, um die Druckerei zu engagieren. Der

Maschinenbauer Wolfgang Heckel meinte dazu, dass das Wertesystem im Unternehmen

gleich geblieben ist, da man wegen der gleichen Wertvorstellung, die Gemeinwohl-

Ökonomie unterstützt. Der Inhaber von Ettl-Software erläuterte, dass von Anfang an,

die menschlichen Werte im Unternehmen, mitentscheidend für den Unternehmenserfolg

waren. Er wünscht sich, dass mithilfe der Gemeinwohl-Bilanz diese Denk- und

Verhaltensweisen von den Stakeholdern honoriert werden. Auch Christoph Deinert

(Märkisches Landbrot) und Lisa Muhr (Göttin des Glücks) sind sich einig, dass Werte

wie Solidarität, Wertschätzung, Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit und

soziale Gerechtigkeit, seit der Gründung fester Bestandteil der Unternehmensstrategie

sind. Der Geschäftsführer von Märkisches Landbrot bemerkte aber auch, während der

Erarbeitung der Bilanz, Spielraum für Verbesserungen im Bereich ‚Innerbetriebliche

Demokratie und Transparenz‘. Somit wurde deutlich, dass dieser Bereich in Zukunft

optimiert werden muss. Florian Gerull von Ökofrost ist sich sicher, dass für ihn, sowie

für die meisten Pionier-Unternehmen der Beitritt zur Gemeinwohl-Ökonomie, eine

logische Konsequenz ihres bisherigen Handelns war. Er meinte, dass die Werte und

Kultur eines Unternehmens eher in diese Richtung gehen müssen, damit die Idee

entsteht die Bewegung in ihren Anfängen, zu unterstützen. Ähnlich äußerte sich auch

Teresa Distelberger von Gugler zu diesem Thema. Sie schilderte, dass diese

Wertentwicklung schon weit vor der ersten Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz

begonnen hatte und sich nun parallel dazu weiterentwickelt. Sie ist auch der Meinung,

dass das Leben und Verkörpern dieser Werte aus der Eigeninitiative heraus entstanden

sein muss, um die Gemeinwohl-Ökonomie als zukunftsfähiges Konzept ansehen zu

können. Weiterhin glaubt sie, dass transparent gelebte Werte dazu führen, dass sich die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr mit dem Unternehmen identifizieren. Zum

Empirische Untersuchung

54

Thema Identifikation mit dem Unternehmen, hat die Mehrheit der Experten und

Expertinnen eine ähnliche Meinung, wie Frau Distelberger. Sonja Goldbrunner

(Ökoring) vermutet, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich, mit einem

Unternehmen, welches die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt, stärker identifizieren

können, als ohne dieses Engagement. Sie kann es von sich selbst bestätigen, da es für

sie sehr motivierend ist in solch einem positiven Unternehmen zu arbeiten. Sonja

Aigner von Sonnentor ist sich sicher, dass besonders die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen, die den Prozess mitgestaltet haben und mitbekommen haben, wie sehr

das Unternehmen im Sinne der Belegschaft und der Gesellschaft arbeitet, sich mehr als

Teil der Sonnentorfamilie identifizieren können. Die Modedesignerin Lisa Muhr hat die

Zufriedenheit und Begeisterung der Angestellten für das Unternehmen, besonders in

den Geschäften erlebt, da mehr Wissen über das Unternehmen vorhanden ist. Diese

positive Einstellung soll sich auch sehr auf die Kunden und Kundinnen widergespiegelt

haben. Uwe Treiber (Sonnendruck) und Markus Elbs (Kirchner Konstruktionen)

glauben aus einem anderen Grund heraus daran, dass sich die Identifikation der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit der Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie

gesteigert hat. Uwe Treiber meint, dass der Belegschaft womöglich zum ersten Mal

bewusst wird, dass durch den hohen Wettbewerbsdruck in der Druckbranche, viele

Druckereien schließen oder Lohnkürzungen vornehmen müssen, was bei ihm nicht der

Fall ist. Somit glaubt er, dass die Mehrheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stolz

und froh darüber ist, dass sie in einem Unternehmen arbeiten, das andere Ziele und

Ideale verfolgt. Markus Elbs ist ebenfalls der Meinung, dass durch den Gemeinwohl-

Bericht, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, zum ersten Mal bewusst geworden ist,

dass viele Maßnahmen (wie zum Beispiel täglich gemeinsames kostenfreies Frühstück)

in ihrem Sinne unternommen werden, die weder vertraglich geregelt, noch in anderen

Unternehmen die Regel sind. Dadurch wird es wahrscheinlich schon Personen geben,

die glücklicher mit der Arbeit bei Kirchner Konstruktionen sind. Eine etwas andere

Sicht haben die Unternehmer Paul Ettl und Wolfgang Heckel. Beide Unternehmen

haben rund zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und sind deshalb der Meinung, dass

man sich in einem Unternehmen solcher Größe von Anfang an sehr nahe steht und sich

als Team mit gleichem Ziel identifiziert. Somit bezweifelt Paul Ettl, dass sich die

Identifikation seiner Angestellten gesteigert hat, da sich diese bereits bewusst für sein

Empirische Untersuchung

55

Unternehmen entschieden haben, weil sie wissen, dass menschliche Werte im Betrieb

gelebt werden. Für Wolfgang Heckel steht fest, dass die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen sich umso stärker mit dem Unternehmen identifizieren, je wohler sie

sich darin fühlen. Das ist immer schon ein wichtiges Kriterium für ihn gewesen. Er

weiß von seinem Team, dass es neugierige und abwechslungsfreudige Personen sind.

Somit werden immer wieder innovative Ansätze eingebracht und auch umgesetzt, damit

sie sich wohl fühlen und ihre eigenen Stärken ausleben können. Deshalb weiß er, dass

die Angestellten, sich schon immer sehr mit dem Unternehmen identifizieren.

Da es in allen zwölf Firmen mit der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie nicht zu

einem kompletten Wertewandel kam, ist die Weiterentwicklung und Sensibilisierung

der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Richtung nachhaltige Entwicklung, auch kein

neues Thema. Die meisten Unternehmen bieten bereits Weiterbildungen zu betreffenden

Themen an. Das österreichische Unternehmen Gugler stellt, laut Teresa Distelberger,

Workshops zum Thema Nachhaltigkeit, Persönlichkeit, Gesundheit, usw. im einem

Qualifizierungsverbund, namens ‚Momentum‘, mit anderen Unternehmen, zur

Verfügung. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Ökofrost haben ebenfalls die

Möglichkeit kostenfreie Workshops über Holakratie164

, Selbstcoaching, usw. zu

besuchen. Auch Sonja Goldbrunner von Ökoring berichtete, dass schon lange

Produktschulungen und Maßnahmen zur Sensibilisierung, von ökologischen und

sozialen Themen durchgeführt werden. Die Tatsache, dass das Unternehmen nach

Gemeinwohlstandard bilanziert, bewirkt laut Frau Goldbrunner eine Verstärkung dieses

Bestrebens. Im Unternehmen Sonnentor werden ebenfalls kostenlose

Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Sonja Aigner berichtete jedoch, dass während

der Bilanzierung, im Gespräch mit dem Auditor, sichtbar wurde, dass nur etwa zwei

Drittel der Belegschaft diese Angebote nutzt. Um herauszufinden, wie dies zustande

kommt, werden demnächst die einzelnen Abteilungen zum Thema befragt. Markus Elbs

von Kirchner Konstruktionen entscheidet situativ, ob eine Weiterbildung der

Qualifikation eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin notwendig ist, indem er

gezielte Einzelgespräche führt, bei denen über die vereinbarten Ziele gesprochen wird.

164

Definition: „Führungsmodell, das den Anspruch hat, den Antagonismus zwischen den

Führungsprinzipien Autokratie und Demokratie auf einer neuen Ebene dialektisch zu überschreiten.“

(Weller, Dirk; Hunschock, Regina: Holakratie. In: Wirtschaftspsychologie, 12.11.2012 (3/2012), S. 89.)

Empirische Untersuchung

56

Jede Art von Weiterbildung wird vom Unternehmen finanziert, die Angestellten müssen

lediglich die Arbeitszeit selbst stellen. Markus Elbs hat jedoch entschieden die

Schulungen zum Thema Energiemanagement komplett zu bezahlen, um mehr

Motivation für dieses Thema zu generieren. Für den Inhaber von Ettl-Software ist die

Gemeinwohl-Bilanz ein Ansporn weiterhin die Kompetenzen der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen zu fördern, da diese Art der Investition erstmals honoriert wird. Lisa

Muhr von Göttin des Glücks berichtet, dass seit langem der Wunsch besteht, Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen Schulungsmöglichkeiten anzubieten, aber leider fehlen dem

Unternehmen noch die finanziellen Mittel. Abschließend erzählte der Logistikleiter von

Bodan, dass bei der Erstellung des ersten Berichtes in 2011, die Mitwirkenden den

Wunsch nach einer Erweiterung der Personalentwicklung geäußert haben. Aus diesem

Grund gibt es seit neuestem, die Veranstaltung von zweitägigen Seminaren, bei denen

alle Neuzugänge eines Halbjahres aus allen Bereichen, Wissen über die Firma, Branche,

Ziele, Struktur, usw. vermittelt bekommen.

Während des Prozesses der Bilanzierung und dem Verfassen des Berichtes kamen in

vielen der befragten Unternehmen potentielle Angriffspunkte für Verbesserungen zum

Vorschein. Alle Unternehmen waren der Meinung, dass die Beschäftigung mit den

Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie und die Zusammenarbeit mit dem Auditor, es

ermöglichen, gezielt alle Bereiche des Unternehmens zu beleuchten und kritisch zu

hinterfragen. Somit sind zum Teil ganz neue Beobachtungen zustande gekommen, die

neue Ideen und Verbesserungen mit sich gebracht haben. Markus Elbs von Kirchner

Konstruktionen erzählte, dass bezüglich der Gesundheitsvorsorge der Angestellten

durch die Bilanz ersichtlich wurde, dass man an diesem Punkt noch etwas unternehmen

könnte. Zum einen hat man diesbezüglich zwei Gesundheitswochen eingeführt, in

denen demnächst eine Physiotherapeutin in die Firma kommt, die vom Unternehmen

bezahlt wird. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können sich eine dreiviertel Stunde

behandeln lassen, die lediglich von der Arbeitszeit abgezogen wird. Zum anderen ist ein

Belohnungssystem für Personen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf Arbeit kommen,

in Planung. Um dies fair zu gestalten, ist in Überlegung, dass die fünf Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen, die am meisten Strecke zu Fuß oder per Fahrrad zurücklegen, an einer

Verlosung teilnehmen dürfen. Frau Aigner von Sonnentor berichtete, dass zur

Verbesserung der Arbeitsqualität und physischen Gesundheit in Produktion und

Empirische Untersuchung

57

Verpackung, Gymnastikbälle angeschafft wurden. Außerdem wechselte man, im Zuge

der Gemeinwohl-Bilanzierung, von einer konventionellen Mitarbeitervorsorgekasse auf

die ‚fair-finance‘, die neben ihrem Kerngeschäft, sinnvolle Projekte unterstützt. Bei

Bodan wurde aufgrund des Berichtes von 2011 ein neuer Angestellten-Arbeitsvertrag

entworfen, der die Verhältnisse neu regelt und mehr im Sinne der Gemeinwohl-

Ökonomie ist. Außerdem wurde die Vergabe von Genussrechten und

Mitarbeiterbeteiligungen in Höhe von je bis zu 100.000 Euro in 2012 vorbereitet und

wird 2013 umgesetzt. Bei Gugler wurde ebenfalls beim Thema Gehalt durch den ersten

Bericht etwas verändert. Zu Gunsten zweier Angestellter wurden die Gehälter

angehoben, um den Kriterien der Gemeinwohl-Bilanz zu entsprechen. Uwe Treiber von

Sonnendruck berichtete, dass er auf einige Aspekte gestoßen ist, die verbessert werden

können. Besonders fiel ihm auf, dass beim Einkauf des Papiers mehr darauf geachtet

werden sollte, dass der Lieferant oder die Lieferantin eine ähnliche

Unternehmensphilosophie vertritt. Demnach ist man momentan auf der Suche nach

einem passenderen Papierhändler oder –händlerin. Ebenfalls im Bereich Einkauf achtete

der Großhändler Ökoring beim aktuellen Neubau des Gebäudes speziell darauf, dass

nachhaltig hergestellte Möbel beschafft wurden. Für Florian Gerull und Paul Ettl war

die Erstellung der Bilanz momentan erst einmal eine Möglichkeit die bisherigen und

aktuellen Maßnahmen zusammenzufassen und nach außen zu kommunizieren. Paul Ettl

erzählte, dass er bei einigen Themen erkannt hat, dass man sich noch einmal genauer

damit beschäftigen sollte wie zum Beispiel mit der Energieeinsparung oder

Abfallreduktion, aber diese Themen werden seit langem diskutiert. In einigen der

befragten Unternehmen sind während des Prozesses der Bilanzierung Themen wieder

zur Sprache gekommen, die in Vergessenheit geraten waren. So wird sich zum Beispiel

bei Gugler seit kurzem wieder mit dem Thema Betriebsrat auseinandergesetzt. Im

Unternehmen Bodan wird versucht, die vor sechs Jahren angeschaffte Fahrradflotte

wieder für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zugänglich zu gestalten und zu

kommunizieren, dass die Möglichkeit der Fahrradnutzung besteht. Im Unternehmen von

Wolfgang Heckel war man sich seit einer Weile bewusst, dass man die Auslastung der

Kapazitäten besser planen muss, um einen Teil der Überstunden zu vermeiden. Deshalb

wurde im Zuge der Bilanzierung von 2011 auf 2012, eine Optimierung diesbezüglich

umgesetzt.

Empirische Untersuchung

58

Mit einem Viertel der Unternehmen wurde darüber gesprochen, ob speziell für die

Entwicklung und Umsetzung der Verbesserungen im Unternehmen, Freiräume für die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geschaffen werden. Wolfgang Heckel schilderte, dass

er die Freiheit und den kreativen Spielraum seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

unterstützt, da er den Ideenreichtum und die Neugier seines Teams schätzt. Dies und die

Toleranz gegenüber Fehlern, führen immer wieder dazu, dass bei den vorwiegend

kundenspezifischen Einzellösungen des Maschinenbauunternehmens, neue und

innovative Ansätze hervorgebracht werden. Oliver Viest würde sich wünschen, dass

solche Art der Freiräume geschaffen werden können, aber da die Agentur nur aus zwölf

Angestellten besteht, ist die Arbeitszeit bereits mit den aktuellen Aufträgen ausgefüllt.

Somit stellt er sich eher vor, dass gute Lösungen schnell und mit möglichst geringem

Aufwand gefunden werden. Bei Ökoring werden ebenfalls keine direkten Freiräume für

Vorentwicklungsprozesse geschaffen, aber diese Vorentwicklungsarbeiten für

Verbesserungen übernimmt das Nachhaltigkeitsteam. Sonja Goldbrunner erzählte, dass

innovative Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jedoch immer gerne gesehen sind

und auch meistens umgesetzt werden. Direkte finanzielle oder nicht finanzielle Anreize

werden nicht geschaffen, aber sie glaubt, dass das Wissen darüber, dass neue Ideen

mehr als willkommen sind und gerne umgesetzt werden, ein Anreiz sein könnte.

Letztens erst hätte ein Mitarbeiter vorgeschlagen, dass man ergonomische Stühle in den

Büros einführen könnte, da er Rückenbeschwerden hat. Daraufhin wurden diese Art

Stühle für die Büros besorgt.

Einige der Befragten haben auch mitbekommen, dass durch den Prozess der

Bilanzerstellung im Unternehmen, einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen neue Ideen

und Verbesserungsvorschlage geäußert haben. In fast der Hälfte der Unternehmen war

das der Fall. Dabei handelte es sich um die Unternehmen, bei denen früher oder später

ein Großteil der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, in den gesamten Prozess integriert

waren. Die Experten und Expertinnen der Unternehmen Bodan, <em>faktor, Göttin des

Glücks, Heckel und Ökofrost erfuhren, dass bei erhöhter Einbindung der Belegschaft in

den Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie, neue Ideen und Verbesserungsvorschläge

bereits geäußert wurden bzw. der Raum dafür geschaffen wurde. Oliver Viest

berichtete, dass er nach der Erstellung des Berichtes, eine Liste mit Punkten gesammelt

hatte, die nun in Gruppen diskutiert und erweitert wird. Auf diesem Wege können alle

Empirische Untersuchung

59

ihre Anmerkungen und Vorschläge mit einbringen. Wolfgang Heckel meinte, dass

während der ersten Erstellung der Bilanz, in den Freitagsbrotzeiten, viele Fragen und

Anregungen, aufkamen. Bei Göttin des Glücks waren beim zweiten Durchlauf der

Bilanzierung 80 Prozent aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingebunden.

Diesbezüglich berichtete Lisa Muhr, dass sie beobachten konnte, wie die Angestellten

in den Geschäften neue Ideen einbrachten, wie zum Beispiel die Organisation von

Vorträgen in den Göttin des Glücks-Boutiquen.

In einigen befragten Unternehmen ist es der Fall, dass der Geschäftsführer oder der

Inhaber, derjenige ist, der die neuen Ideen im Unternehmen hat und die

Unternehmensvision voranbringt und entwickelt. Teresa Distelberger von Gugler

erzählt zum Beispiel, dass der Geschäftsführer Ernst Gugler ein sehr starker Visionär ist

und das Unternehmen meist an seinen neuen Ideen arbeitet, die wiederum dem ganzen

Betrieb dienen wie zum Beispiel ein firmeneigener Gemüsegarten für die Kantine.

Es wurde in den Interviews ersichtlich, dass 58 Prozent der befragten Pionier-

Unternehmen, seit der ersten Bilanzierung nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standard mehr

darauf achten, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in die

Entscheidungsprozesse einbringen können. Bei Sonnentor war dies der Fall. Sonja

Aigner berichtete, dass in der Geschäftsleitung, besonders durch die Erarbeitung des

zweiten und dritten Berichtes, der Wunsch besteht, die Belegschaft mehr mit

einzubeziehen. Um eine Mitsprachemöglichkeit für alle zu gewährleisten, wurde bei

einer Mitarbeiterinformationsrunde in Erfahrung gebracht, ob alle das Handbuch und

die Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie verstehen. Zusätzlich fanden sich in der

Informationsrunde, pro Kriterium etwa zwei Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen

zusammen, die das ausgewählte Kriterium kritisch betrachteten und Ideen und

Verbesserungsvorschläge zum Thema sammelten. Im Unternehmen Märkisches

Landbrot werden mithilfe eines Trainers und der gesamten Belegschaft die

Entscheidungsprozesse überdacht. Christoph Deinert stellte in diesem Punkt, durch die

Bilanz Potential für Verbesserungen fest. Das Gleiche fiel auch Sonja Goldbrunner und

dem Projektteam auf, so dass sie beschlossen haben, beim anstehenden Neubau der

Büro- und Lagerflächen, die Angestellten mitentscheiden zu lassen. Dieter Hallerbach

von Bodan berichtete, dass die, vor einiger Zeit gewählten Mitarbeitervertretungen,

geprüft werden sollen, inwiefern sie das notwendige Know-how besitzen, um die

Empirische Untersuchung

60

Belegschaft angemessen vertreten zu können. Wenn dies nicht der Fall wäre, würde es

im Rahmen von Schulungen verbessert werden. 25 Prozent der Unternehmen arbeiten

an diesem Thema schon lange. In den Pionier-Unternehmen Ökofrost und Gugler wird

sich seit einer Weile mit den Organisationsmodellen Holakratie und Soziokratie165

beschäftigt. In diesem Sinne wurde bereits bei dem Tiefkühl-Großhändler das

sogenannte Kreismodell eingeführt. Dabei wissen alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

über ihren Verantwortungsbereich Bescheid, welcher anhand ihrer Kompetenzen

entworfen wurde, so dass immer der-, diejenige oder das Team mit der größten

Qualifikation, entscheidet. Bei Gugler ist das Thema präsent, braucht aber aufgrund der

größeren Belegschaft mehr Zeit zur Realisierung. Das Maschinenbauunternehmen

Heckel nutzt die monatlichen Freitagsbrotzeiten, um sich zu versammeln und über die

Bereiche Administration, Fertigung, Lebens- und Arbeitsqualität und seit Neuestem

Gemeinwohl-Ökonomie, auszutauschen und gemeinsam Entscheidungen über

Verbesserungen zu treffen. In den restlichen 17 Prozent der befragten Unternehmen

bewirkte der Prozess keine signifikanten Veränderungen bezüglich der

Entscheidungsprozesse im Unternehmen.

Mit zehn der zwölf Pionier-Unternehmen wurde darüber gesprochen, ob die Kunden

und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von Neuerungen mit einbezogen werden.

Die Hälfte der Unternehmensvertreter und -vertreterinnen erzählte, dass sie zum Teil

durch die Gemeinwohl-Ökonomie Anregungen bekommen haben, wie sie das

Verhältnis zu den Geldgebern, verbessern könnten. Oliver Viest berichtete, dass

während der Erarbeitung der Bilanz, diesbezüglich interessante Impulse aufkamen. Zum

Beispiel der Vorschlag, dass man einmal überdenkt, ob die Kunden und Kundinnen am

Unternehmen mitbeteiligt sein wollen. Eine weitere Idee, war der „Sozialpreis“. Dies

bedeutet, dass bei der Gestaltung der Preise, die Kaufkraft des Kunden oder der Kundin,

mit einbezogen wird. Bei Ökoring werden die Abnehmer und Abnehmerinnen seit einer

Weile, mit in den Prozess der Neulistungen der Produkte einbezogen, indem man

Probeprodukte vergibt und abstimmen lässt. Lisa Muhr plant seit einer Weile die

Einführung eines Kundenbindungssystems bei dem unter Anderem, die Stammkunden

165

Definition: „Form kreativer Mitbestimmung, Entscheidungsfindung, organisatorischer Selbststeuerung

und .. innovativer .. Organisationspraxis“ (Weller, Dirk; Hunschock, Regina: Holakratie. In:

Wirtschaftspsychologie, 12.11.2012 (3/2012), S. 89.)

Empirische Untersuchung

61

und –kundinnen mit in den Designprozess eingebunden werden sollen. Des Weiteren ist

eine Reise nach Mauritius zum Produzenten mit den Kunden und Kundinnen geplant.

30 Prozent der Unternehmen berichtete, dass es sich bei ihren Produkten bzw.

Dienstleistungen um kundenspezifische Einzellösungen handelt und somit immer mit

dem Kunde oder der Kundin zusammengearbeitet wird, um die optimalste Lösung zu

schaffen. Die restlichen 20 Prozent der Unternehmen arbeiten bereits eng mit den

Verbraucher und der Verbraucherin zusammen, um deren Wünsche weitestgehend zu

erfüllen. Dies ist bei Märkisches Landbrot und Sonnentor der Fall. Sonja Aigner

erzählte, dass die Kunden und Kundinnen gerne mitsprechen und Vorschläge

einbringen. Dies geschieht mithilfe des Reklamationswesens von Sonnentor und dem

Botschafter-Meeting, in dem Kundenwünsche ausgetauscht und diskutiert werden um

diese eventuell in die Entwicklung mit einzubeziehen. Bei Märkisches Landbrot werden

die 40 größten Einzelhandelskunden und –kundinnen monatlich besucht und zum Teil

finden gemeinsame Jahresgespräche statt.

Das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit eines Produktes oder einer

Dienstleistung hat sich, mit der Einführung der Gemeinwohl-Bilanz, bei allen

Unternehmen kaum verändert, da dies bereits einen hohen Stellenwert hatte. Speziell

die Pionier-Unternehmen, die ökologische und/oder fair gehandelte und/oder regionale

Produkte vertreiben, besitzen diesbezüglich kaum noch Spielraum. Bodan, Göttin des

Glücks, Märkisches Landbrot, Ökofrost, Ökoring, sowie Sonnentor berichten, dass

konstant versucht wird, den Anteil der regional gehandelten Produkte, immer weiter zu

steigern. Diesbezüglich berichtete Christoph Deinert von Märkisches Landbrot, dass das

Unternehmen bereit ist, den Bauern und Bäuerinnen bis zu dem Zehnfachen des

Marktpreises zu bezahlen, um regionale Rohstoffe einkaufen zu können. Des Weiteren

berichtete Sonja Aigner von Sonnentor, dass überdacht wird, wie man die

Barrierefreiheit der Produkte gewährleisten kann, so dass zum Beispiel auch

sehbehinderte Personen Zugang zum Produkt bekommen. Für den zweiten Teil der

befragten Unternehmen ist die weitere Optimierung der Produkte und Dienstleistungen

in Hinblick auf Umweltfreundlichkeit schwieriger, da es sich um Maschinenbau-,

Druck-, und Informationstechnikunternehmen handelt und somit ein aufwändigerer und

wenig energiesparender Herstellungsprozess damit verbunden ist. Trotz alledem

Empirische Untersuchung

62

versuchen zum Beispiel die Druckereien Gugler und Sonnendruck den

Herstellungsprozess umweltfreundlicher zu gestalten, indem nachhaltige Druckprodukte

beschafft werden und klimaneutrales Drucken angeboten wird. Gugler ist diesbezüglich

seit langem Branchenführer und eröffnet immer wieder neue Qualitätsstandards. Vor

über drei Jahren startete das Kommunikationshaus das wohl größte Innovationsprojekt

in ihrer Unternehmensgeschichte. Gugler entwickelt Cradle 2 Cradle-Druckprodukte,

die komplett schadstofffrei sein werden und „in den biologischen Ressourcenkreislauf

zurückgeführt werden können.“166

Hinsichtlich der Optimierung der Technologie im

Unternehmen sind auch besonders die Maschinenbauunternehmen daran bedacht etwas

zu verändern. Das bayrische Unternehmen Heckel hat 2012 an einem Forschungsprojekt

der Hochschule Rosenheim teilgenommen, mit dem Ziel eine neue Methode zu finden,

mit der noch mehr Material aus einem Holzstamm entnommen werden kann, um den

kostbaren Rohstoff möglichst effizient zu nutzen. Markus Elbs berichtete, dass man

während der Arbeit an der Gemeinwohl-Bilanz darauf gestoßen ist, dass das Heizsystem

in der Firma veraltet ist. Daraufhin hat man es moderner und effizienter gestaltet, indem

jetzt die Abwärme der vielen Rechner, zum Heizen des Gebäudes, durch ein spezielles

Rückkopplungsverfahren, genutzt wird. Im technologischen Bereich sind auch die drei

befragten Großhandelsunternehmen darauf bedacht, dass die Transportwege verkürzt

und optimiert werden und die Fahrzeuge ressourcenschonend funktionieren. Dazu

berichtete Sonja Goldbrunner von Ökoring, dass auch durch die Gemeinwohl-

Berichterstellung eine Optimierung der Fahrstrecken angeregt wurde. Um dies zu

erreichen, sollen die Kunden und Kundinnen befragt werden, ob es möglich wäre eine

Tour, die an einem Tag fern ab der eigentlichen Strecke liegt, ausfallen zu lassen. Der

Großhandel Bodan am Bodensee hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 eine

dekarbonisierte Logistik zu besitzen. Diesbezüglich wurde im letzten Gemeinwohl-

Bericht der Richtwert von 140g CO2 pro km für Fahrzeuge, die neu angeschafft werden,

festgelegt. Außerdem überlegen die Unternehmen Sonnendruck und Göttin des Glücks

auf Ökostrom umzustellen. Viele der befragten Unternehmen wie zum Beispiel Ettl-

Software beziehen schon Ökostrom. Des Weiteren ist ein Teil der Unternehmen, wie

Märkisches Landbrot und Gugler, bereits nach EMAS-Richtlinien

(Umweltmanagementsystem) zertifiziert.

166

Gugler (Hg.): Gemeinwohl-Bilanz. Melk, Österreich 2011. S. 4

Empirische Untersuchung

63

Abschließend wurde mit elf der Pionier-Unternehmen darüber gesprochen, ob sie

anstreben vorhandene Technologien und Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen.

Fast alle der Unternehmen pflegen bereits eine oder mehrere Formen der Kooperation

mit Marktteilnehmern und -teilnehmerinnen. Sonja Aigner von Sonnentor berichtete,

dass mit Unternehmen wie Hessnatur (Naturmode), BioPlanète (Bio-Öle), Rapunzel

(Naturkostprodukte) bereits viel Wissen ausgetauscht wird. Man trifft sich auch mit

anderen Unternehmern und Unternehmerinnen wie Joseph Zotter

(Schokoladenmanufaktur), um verschiedene Initiativen und Projekte

weiterzuentwickeln. Göttin des Glücks kooperiert auch mit Sonnentor, indem sie

Wissen und Erfahrungen in Bezug auf neue Geschäftsflächen und Lagen austauschen.

Des Weiteren bekamen sie eine besondere finanzielle Unterstützung, bei der Sonnentor,

vertraglich geregelt, in den nächsten Jahren GDG-Gutscheine für Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen, sowie Kunden und Kundinnen abnehmen wird. Außerdem wird in

Zusammenarbeit mit der Firma Gugler das neue EDV Projekt für das Modelabel

gestaltet. Teresa Distelberger von Gugler erzählte, dass der Mediengestalter Wissen und

Material der entwickelten Cradle 2 Cradle-Produkte in einer Art Lizenzmodell für

andere Betriebe zugänglich machen möchte. Die drei Naturkost-Großhändler und -

händlerinnen berichteten, dass bereits mit anderen Großhandelsunternehmen und

Transporteuren zusammengearbeitet wird, um vor allem Transportwege zu optimieren

und Gebietsvorteile auszunutzen. Zum Beispiel hatte sich Ökofrost, mit der

Entwicklung der Marke ‚Biopolar‘ entschieden, diese auch anderen zur Verfügung zu

stellen. So können auch kleinere Kunden und Kundinnen in ganz Deutschland beliefert

werden.

Außerdem schilderte Oliver Viest von <em>faktor, dass mit der Erstellung der Bilanz

deutlich wurde, dass es hilfreich wäre, mehr darauf zu achten, welcher der

Marktteilnehmer oder Marktteilnehmerinnen der Branche, in welchen Bereichen die

meiste Erfahrung und Kompetenz hat, um diese optimal zu nutzen. Aus diesem Grund

trifft sich die Agentur jetzt immer regelmäßig zum Austausch, mit seinen Mitbewerbern

und Mitbewerberinnen. So kam es schon zu einer ersten Kooperation ganz in diesem

Sinne, bei der Aufträge untereinander ausgetauscht wurden. Märkisches Landbrot pflegt

eine andere Art der Kooperation. Für die Lieferbäckerei ist die Qualität der Produkte

von hoher Wichtigkeit und somit wird eng mit den Produzenten und Produzentinnen

Empirische Untersuchung

64

zusammengearbeitet, um optimale Arbeitsbedingungen und Bezahlung zu

gewährleisten. Christoph Deinert berichtete von dem sogenannten runden Tisch (seit

1981), bei dem sich im Sommer mit den Bauern und Bäuerinnen zusammengesetzt und

darüber gesprochen wird, welche Mengen gebraucht werden und wie viel geliefert

werden kann. Dann wird konsensual abgestimmt, wer wann wie viel liefern soll, wobei

eventuelle Lagerschwierigkeiten mit einbezogen werden und zum Schluss wird geklärt,

welchen Preis die Produzenten und Produzentinnen brauchen. In Bezug auf die

Zusammenarbeit mit Lieferanten und Lieferantinnen fiel Markus Elbs im Laufe der

Gemeinwohl-Bilanzierung auf, dass er nichts über die Arbeitsbedingungen des

indischen Lieferanten von Kirchner Konstruktionen weiß. Deshalb ist man jetzt dabei

Informationen zu den Arbeitsumständen einzuholen und bei notwendigen,

nachweisbaren Änderungen, ist Markus Elbs bereit, höhere Stundensätze zu zahlen.

Außerdem erzählten die Unternehmer Paul Ettl und Uwe Treiber, dass die

Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie generell neue Netzwerke eröffnet, um mit

Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und Erfahrungen auszutauschen. Dieser Meinung

waren auch viele, der anderen befragten Pionier-Unternehmen.

Im Verlauf der Interviews und auch in der reflektiven Phase wurde sichtbar, dass die

Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz und dazugehörige Prozess, den befragten

Unternehmen dabei helfen, alle bisherigen und geplanten Maßnahmen zu betrachten

und zu dokumentieren. Alle befragten Unternehmen sind bestrebt sich permanent

weiterzuentwickeln und im Sinne der Gesellschaft zu Handeln Dieses Instrument gibt

ihnen das erste Mal die Möglichkeit, alle Handlungen im Sinne des Gemeinwohls

zusammenzufassen, vergleichbar zu gestalten, zu messen und kritisch zu hinterfragen.

Einige Experten und Expertinnen haben erzählt, dass dies bisher nur zum Teil durch die

Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte der Fall war, denn diese Art Bericht stellt nur die

positiven Aspekte im Unternehmen dar, aber beleuchtet nicht Bereiche, die vielleicht

noch verbesserungsfähig sind. Wolfgang Heckel äußerte, dass es vor allem eine Art

Regelmäßigkeit in den Betrieb bringt, da man kontinuierlich alle Bereiche im

Unternehmen beleuchtet und hinterfragt.

Außerdem teilten sich alle die Auffassung, dass der Bericht dem Unternehmen dient,

ihre Arbeit und ihr Handeln nach innen und nach außen hin zu kommunizieren. Denn

Empirische Untersuchung

65

sowohl die Kommunikation mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, als auch die

transparente Offenlegung der Fakten für die Belegschaft und die Stakeholder, hat sich

verbessert. Dadurch kamen in den meisten Pionier-Unternehmen mehr Fragen und

Anregungen von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, weil sie sich als Teil des

Prozesses sahen. Dies kommt auch dadurch zustande, weil viele der befragten

Unternehmen durch die Bilanz erkannt haben, dass sie besonders in Bezug auf die

vorherrschenden Organisationstrukturen und Entscheidungsprozesse, noch Potential zur

Verbesserung besitzen. Somit befand sich die Mehrheit der entstandenen

Verbesserungen im organisatorischen Bereich. Oliver Viest sagte abschließend, dass die

Gemeinwohl-Bilanz, ein wunderbares Organisationsentwicklungsinstrument sei. Alle

Pionier-Unternehmen schilderten, dass der Prozess der Bilanzierung neue Impulse und

Anregungen gegeben hat. Bei einigen war dies mehr und bei anderen weniger der Fall.

Der Großteil der befragten Personen berichtete, dass das Wir-Gefühl im Unternehmen

seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz gestiegen ist. Sie vermuten, dass durch mehr

Kommunikation untereinander und die Diskussion über menschliche Werte, das

Unternehmen mehr als großes Team angesehen wird. Lisa Muhr von Göttin des Glücks

glaubt, dass durch die Diskussion über die Werte der Gemeinwohl-Ökonomie, das

Bewusstsein über die Wichtigkeit und Präsenz der gleichen Werte innerhalb des

Unternehmens gestärkt wurde und damit auch das Wir-Gefühl. Bezüglich der

Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen findet sie, dass man in den Geschäften

stark deren Zufriedenheit und Begeisterung für das Unternehmen spürt. Dies überträgt

sich vor allem auf die Kunden und Kundinnen. Reflektierend fiel Lisa Muhr speziell

auf, dass dieser Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie besonders für die Transparenz des

Unternehmens von Vorteil ist, da er hilft Maßnahmen, die das Unternehmen unternimmt

besser darzustellen und zu verbreiten. Dieter Hallerbach von Bodan glaubt auch, dass

mehr Motivation bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu spüren ist, da insgesamt

mehr Wissen bei mehr Personen vorhanden ist. Dadurch kommt mehr Mitdenken und

Entscheidungsfreude zustande.

Zum Thema Motivation schilderte Florian Gerull, dass die Gemeinwohl-Ökonomie

bewirkt, dass der Mensch als Person im Unternehmen anerkennt und wertgeschätzt

wird. Dabei werden wesentliche innere Motivationsfaktoren wieder gestärkt und somit

Empirische Untersuchung

66

auch das kreative Potential. Er ist der Meinung, wenn sich jemand im Unternehmen

widergespiegelt, wohl und verstanden fühlt, dann mobilisiert er oder sie ganz andere

Kräfte, als wenn er oder sie nur eine Aufgabe verordnet bekommt. Dieser neue Ansatz

wäre sowohl positiv für die Geschäftsführer, da die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

kreativ und produktiv sind, als auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, da sie mit

der Arbeit ihre persönlichen Ziele verfolgen können. So kommt eine Win-Win-Situation

zustande.

Alle Unternehmen sind sich jedoch einig, dass die Motivation etwas zu verändern,

menschlichere Werte zu unterstützen und anders zu wirtschaften, erst von der

Geschäftsleitung selbst kommen muss. Aber die meisten könnten sich auch vorstellen,

wenn die Gemeinwohl-Ökonomie stark vertreten ist, das Konzept aufgeht und die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wesentlich zufriedener (zum Beispiel: weniger

Krankheitsfälle) und die Kunden und Kundinnen begeisterter sind, dass andere

Unternehmen, ihre bisherige Wirtschaftsweise kontinuierlich umstellen.

3.3. DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Besonders bedacht werden muss bei dieser Art der Datenerhebung, dass keine

hundertprozentige Objektivität gewährleistet werden kann, da bei qualitativen

Forschungsprozesses, die Interviewer bzw. -innen „bereits durch die Entscheidung,

welche Inhalte sie aufgreifen und vertiefender hinterfragen oder mit welchen

Widersprüchen sie die befragten Personen konfrontieren, die Analyse

prädeterminieren.“167

Außerdem muss berücksichtigt werden, dass aus jedem Unternehmen, nur ein Vertreter

oder eine Vertreterin befragt und somit nur eine Sichtweise zur Thematik aufgenommen

wurde. Aufgrund des begrenzten Umfangs einer Bachelorthesis wurde darauf verzichtet

eine Art Kontrollgruppe zu befragen, um absichtliche Verzerrungen der Realität durch

die Befragten, mithilfe von Meinungen der außenstehenden Personen, in diesem Fall

zum Beispiel die Auditoren und Auditorinnen, abzuschwächen.

167

Naderer, Gabriele: Auswertung & Analyse qualitativer Daten. In: Eva Balzer und Gabriele Naderer

(Hg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2.

Aufl. Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien 2011. S. 413.

Empirische Untersuchung

67

Weiterhin wurde bei einigen Interviews nicht der gesamte Themenbereich abgedeckt.

Die geschah aufgrund einer Vielzahl von interessanten und wichtigen Aussagen zu

einem Aspekt und dem daraus entstandenen Zeitmangel.

Des Weiteren wurde ersichtlich, dass die Innovationsprozesse und die Arten von

Innovationen in jedem Unternehmen unterschiedlich sind. Außerdem variieren die

finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen und die Anzahl der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen. Somit wird die Innovationsfähigkeit in jedem Unternehmen

unterschiedlich stark beeinflusst. Zum anderen basieren die Annahmen zum Thema

Innovationsfähigkeit auf einer Forschungsstudie, mit deren Hilfe die grundlegenden

Erfolgsfaktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit des unternehmerischen

Mittelstandes erläutert wurden. Somit gibt es durchaus noch weitere Faktoren, die mit

einbezogen werden könnten.

Abschließend darf nicht vergessen werden, dass die Gemeinwohl-Ökonomie momentan

noch ein Vorschlag und eine theoretische Ausarbeitung für eine neue Wirtschaftsform

ist, die bislang nur von einigen Unternehmen übernommen und umgesetzt wurde. Somit

existiert noch kein einheitlicher politischer und wirtschaftlicher Rahmen für dieses

Konzept. Das in der Theorie vorgeschlagene Vergünstigungs- und Belohnungssystem

für Firmen, die im Sinne, der Gemeinwohl-Ökonomie wirtschaften, besteht auch noch

nicht. Die Befragten konnten demnach nur über die Auswirkungen und Erfahrungen in

dieser Anfangsphase berichten.

Schlussfolgerung

68

4. SCHLUSSFOLGERUNG

Diese Arbeit wurde mit dem Ziel erstellt, zu erkunden, inwieweit das alternative

Wirtschaftskonzept der Gemeinwohl-Ökonomie die Innovationsfähigkeit von kleinen

und mittelgroßen Unternehmen verbessert. Es sollte erforscht werden, ob ein anders

konzeptioniertes Wirtschaftsystem weiterhin die Innovationsfähigkeit von

mittelständischen Unternehmen am Leben hält und fördert.

Grundlegend wurde zu Beginn betrachtet, welche Faktoren entscheidend für die

Verbesserung der Innovationsfähigkeit sind. Dabei wurde ersichtlich, dass die

Innovationsfähigkeit von Unternehmen ganz stark von der Innovationskultur im

Unternehmen abhängig ist. Besonders intrinsische Motivationsfaktoren wie Vertrauen,

Identifikation, Eigenverantwortung und Wertschätzung, müssen gepflegt werden, damit

ein geeigneter Spielraum für die Entfaltung der Kreativität entsteht um neuartige Ideen

zu generieren. Außerdem erfolgversprechend sind Faktoren wie eine klare strategische

Zielsetzung, der gezielte Aufbau von Kompetenzen, Schaffung von Freiräumen für

Vorentwicklungsprozesse, der optimale Einsatz von Technologie, Netzwerke und

Kooperationen zum Wissens-, Informations-, Qualifikationsaustausch, Einbeziehung

und Erfüllung der Kundenwünsche.

Weiterhin wurde zu Beginn betrachtet, wie sich der Anreizrahmen für Innovationen in

der Gemeinwohl-Ökonomie verändert, da das alternative Wirtschaftssystem, im

Gegensatz zur freien Marktwirtschaft, anders konzeptioniert ist. Somit wird der

Innovationsdrang nicht mehr vorrangig durch die Zielsetzung der Gewinnmaximierung

und dem Überleben des Konkurrenzkampfes gefördert. Der vorrangige Zweck ist die

Entwicklung von sinnvollen und gemeinnützigen Innovationen mit dem Ziel der

Gemeinwohlmaximierung. Denn es werden diejenigen Firmen durch finanzielle

Erleichterungen gefördert, die am verantwortungsvollsten Wirtschaften. Durch die

Betrachtung der Rahmenbedingungen und vorherrschenden Werte in der Gemeinwohl-

Ökonomie wurde offensichtlich, dass weiterhin viele Anreize zur Umsetzung von

erfolgversprechenden Innovationen bestehen.

Schlussfolgerung

69

Aufbauend auf dieser theoretischen Grundlage wurden explorative Interviews mit

Vertretern und Vertreterinnen von zwölf Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-

Ökonomie aus Deutschland und Österreich durchgeführt. Diese wurden anhand einiger

Kriterien gezielt ausgewählt, so dass Unternehmen und Vertreter/-innen möglichst viel

Erfahrung mit dem neuen Konzept mitbrachten. Hauptsächlich wurde mit den Experten

und Expertinnen darüber gesprochen, wie sich verschiedene Erfolgsfaktoren für

Innovationsfähigkeit im Unternehmen mit der Unterstützung der Gemeinwohl-

Ökonomie und der dazugehörigen Gemeinwohl-Bilanzierung, sowie der

Berichterstellung verändert haben.

Anhand der gewonnenen Aussagen zeigte sich, dass die befragten Unternehmen die

Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen, weil sie bereits seit langem die gleichen Werte

(Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit,

Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz) vertreten und nach einem geeigneten

Instrument, parallel zur Finanzbilanz, gesucht hatten, um Maßnahmen im Sinne des

Gemeinwohls zusammenzufassen, zu beobachten und nach außen zu kommunizieren.

Während der Erarbeitung der Gemeinwohl-Bilanz stellte sich in fast allen Firmen

heraus, dass nicht alle Werte ausreichend umgesetzt und innerhalb des Unternehmens

ausreichend kommuniziert werden. Da alle Unternehmen inhabergeführt und meist noch

hierarchisch strukturiert sind, fehlte es vor allem an Maßnahmen zur Gewährleistung

der Demokratie und Mitbestimmung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im

Unternehmen. Viele Unternehmen leiten bereits Verbesserungen ein oder suchen noch

nach geeigneten Organisationsmodellen. Des Weiteren verbesserte sich die

innerbetriebliche Transparenz in allen Betrieben, durch die Erarbeitung und

Veröffentlichung der Gemeinwohl-Bilanzen, da viele Informationen erstmals für alle

einsehbar gestaltet wurden. Durch die Offenlegung der gelebten Werte und Maßnahmen

zum Wohl der Stakeholder, wird von den Befragten vermutet, dass die Zufriedenheit

und somit die Identifikation der Angestellten mit dem Unternehmen sich erhöht.

Außerdem erkannten einige Firmen durch den Prozess der Gemeinwohl-Bilanzierung

Potential zur Verbesserung zum Thema Aufbau und Anpassung der Kompetenzen der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und versuchten diese auch zu nutzen. Weitere soziale

und organisatorische Verbesserungen wurden in einigen Firmen in den Bereichen

Gesundheitsvorsorge und Beschaffungswesen vorgenommen. Hinsichtlich der

Schlussfolgerung

70

Schaffung von Freiräumen für Vorentwicklungsprozesse von Neuerungen wurde

deutlich, dass aufgrund der kleinen Unternehmensgröße, in den meisten Firmen keine

Freiräume geschaffen werden können und Vorentwicklungsarbeiten meist von der

Geschäftsleitung übernommen werden. Außerdem wurde ersichtlich, dass neuartige

Ideen auch vorrangig von der Geschäftsleitung kommen. Dies verbesserte sich durch die

Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den gesamten Prozess der

Bilanzerstellung. In diesem Prozess kamen auch neue Ideen und

Verbesserungsvorschläge von den Angestellten. In Bezug auf die Verbesserung der

Produkte und Dienstleistungen der befragten Firmen gibt es kaum Spielraum, da diese

in den befragten Unternehmen bereits qualitativ hochwertig, sinnvoll und nutzbringend

sind. Bezüglich der Optimierung der Energienutzung und der Fahrstrecken kam es

durch die Gemeinwohl-Bilanz zu Anregungen und Verbesserungen. Zum Thema

Kooperation berichteten viele der Befragten, dass das Unternehmen bereits eine oder

mehrere Formen der Kooperation mit Marktteilnehmern und -teilnehmerinnen pflegt.

Mit der Erstellung der Bilanz wurde vielen allerdings bewusster, dass unterschiedliche

Erfahrung und Kompetenz der Marktteilnehmer oder Marktteilnehmerinnen der

Branche bei Aufträgen optimal ausgenutzt werden sollten. Außerdem eröffnet die

Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie neue Netzwerke, um Erfahrungen

auszutauschen.

Insgesamt wird ersichtlich, dass die Beschäftigung mit den Kriterien der Gemeinwohl-

Ökonomie und die Zusammenarbeit mit dem externen Auditor bzw. mit der externen

Auditorin während der Erarbeitung der Gemeinwohl-Bilanz, es ermöglichen, gezielt alle

Bereiche des Unternehmens zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen. Somit sind zum

Teil ganz neue Beobachtungen zustande gekommen, die neue Ideen und

Verbesserungen mit sich gebracht haben. Vor allem im Bereich der Innovationskultur

wurde erkannt, dass man die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr einbinden und

mitentschieden lassen muss. Es wird deutlich, dass der Prozess der Gemeinwohl-

Bilanzierung viele der Erfolgsfaktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit

positiv beeinflusst. Demnach findet eine Art der Organisationentwicklung statt. Dabei

muss allerdings bedacht werden, dass für alle der befragten Unternehmen der Beitritt

zur Bewegung eine logische Konsequenz ihres bisherigen Handelns war. Die

Gemeinwohl-Bilanz dient als Gegenstück zur Finanzbilanz, um ökologische und soziale

Schlussfolgerung

71

Maßnahmen aufzuzeichnen, vergleichbar zu gestalten und nach außen zu

kommunizieren. Es wurde in keiner der befragten Firmen ein kompletter Wertewandel

durch die Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie hervorgerufen. Deshalb basiert die

beobachtete Verbesserung der Innovationsfähigkeit nicht nur auf der Gemeinwohl-

Ökonomie. Dieser positiven Entwicklung liegt ebenfalls ein Prozess des Umdenkens

zugrunde.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Gemeinwohl-Ökonomie die Verbesserung

der Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen ermöglicht und vor

allem Potential für soziale und organisatorische Innovationen aufzeigt.

Ausblick

72

5. AUSBLICK

Alle Unternehmen waren sich einig, dass die Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie

keinen signifikanten Wertewandel im Betrieb ausgelöst hat. Dieses Umdenken ist meist

schon mit der Gründung der Firma präsent gewesen oder entwickelte sich im Laufe der

Jahre. Viele der Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen der befragten Unternehmen

besitzen bereits selbst die Motivation an der bestehenden Wirtschaftsform etwas zu

ändern und ein verantwortungsvolleres Unternehmen zu gestalten. Dieses Verhalten

wird auch immer mehr von den Kunden und Kundinnen honoriert, weil auch diese

umdenken. Es wurde ersichtlich, dass momentan die Gemeinwohl-Ökonomie von

Unternehmen mit gleichen Werten unterstützt wird. Die Mehrheit der Pionier-

Unternehmen gehört dem unternehmerischen Mittelstand an, da die Beschäftigtenanzahl

und die Unternehmensform wahrscheinlich eher ein Umdenken und Umstrukturieren

zulassen, als in großen Aktiengesellschaften. Diese Unternehmen und die weiteren

Unterstützer und Unterstützerinnen leisten Pionierarbeit und optimieren und verbessern

das Konzept, damit es vollständig umsetzbar wird. Es ist zu vermuten, dass bei einem

zukünftigen Zuwachs des gemeinwohlorientierten Sektors gegenüber dem

privatorientierten Sektor, der rechtliche Rahmen dementsprechend umgestellt wird. Dies

würde bedeuten, dass das Gemeinwohl-Streben mit steuerlichen Begünstigungen,

günstigeren Kredite, usw. gefördert wird. Dadurch werden womöglich mehr

Unternehmen umdenken und sich dieser Bewegung anschließen. Mehr Unternehmen

werden so auch den Anreiz haben gemeinnützige und sinnvolle Innovationen zu

entwickeln und auf den Markt zu bringen.

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Eidesstattliche Erklärung

78

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich versichere hiermit, dass ich, Sophie Erdmann, die vorliegende Bachelorthesis mit

dem Titel „Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur Verbesserung der

Innovationsfähigkeit in KMU“ eigenständig und ohne unzulässige fremde Hilfe verfasst

habe. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt

sowie wörtliche und sinngemäße Zitate kenntlich gemacht. Die Arbeit hat in gleicher

oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.

Immenstadt, 23.08.13_______

Ort, Datum

Anhang

79

ANHANG

ANHANG 1: OPERATIONALISIERUNGS-TABELLE (INNOKMU)

Anhang

80

(Quelle: Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. Hg. v.

Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und

Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 51 f.)

Anhang

81

ANHANG 2: GEMEINWOHL-MATRIX 4.1

(Quelle: Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Gemeinwohl-Matrix 4.1. 2013.)

Anhang

82

ANHANG 3: INTERVIEWLEITFADEN

Erste Phase:

Einleitung zum Thema und zur Problemstellung

Fragen zur Person (falls notwendig)

a. Wie lange arbeiten Sie bereits für das Unternehmen?

b. Was sind Ihre Verantwortungsbereiche?

c. Haben Sie den Prozess der Bilanzierung nach dem Konzept der

Gemeinwohl-Ökonomie mit begleitet?

Warm-up Fragen zur Gemeinwohl-Ökonomie

a. Seit wann unterstützt das Unternehmen die Gemeinwohl-Ökonomie?

b. Wurde das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie an alle Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen kommuniziert? Wenn ja, wie, in welcher Form?

Zweite Phase:

1) Werden die Werte der Gemeinwohl-Bilanz in der allgemeinen

Unternehmensstrategie verankert?

2) Glauben Sie, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich, mit dem

Unternehmen als Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie und den

damit verbundenen Werten, stärker identifizieren können als ohne dieses

Engagement?

3) A. Wird sichergestellt, dass die Kompetenzen der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen diesem Wandel angepasst werden? Wenn ja, wie?

B. Wird versucht, die speziellen Kompetenzen des Einzelnen bzw. der

Einzelnen, optimal für die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen?

4) A. Werden Projekte und Maßnahmen speziell zur Verbesserung der

Gemeinwohl-Bilanz entwickelt? Könnten Sie mir dafür Beispiele nennen?

B. Werden speziell zu diesem Zweck mehr Freiräume für

Vorentwicklungsprozesse geschaffen? Worin genau bestehen diese Freiräume?

(zeitlich, räumlich, inhaltlich)

5) A. Versuchen Sie innovative Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch

finanzielle oder nicht-finanzielle Anreize aktiv zu fördern?

Anhang

83

B. Glauben Sie, dass die Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz ein Anreiz für

die Einbringung neuer Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist?

6) Wird seit der ersten Bilanzierung nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standard mehr

darauf geachtet, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in die

Entscheidungsprozesse einbringen können?

7) Werden die Kunden und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von

Neuerungen mit einbezogen um den größtmöglichen Nutzen und Sinn des

Produktes bzw. der Dienstleistung zu gewährleisten? Könnten Sie mir dafür

Beispiele nennen?

8) Wie hat sich das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit eines

Produktes bzw. einer Dienstleistung im Unternehmen, mit der Einführung der

Gemeinwohl-Bilanz, verändert?

9) Wie sehr ist man seit der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie bei der

Anschaffung neuer Technologien darauf bedacht, dass sie energie- und

ressourcenschonend sind? Wie wird das überprüft?

10) Streben Sie an, vorhandene Technologien und Wissen mit anderen Unternehmen

zu teilen? Wenn ja, wie? Was ist dabei die Zielsetzung aus ihrer Sicht?

Dritte Phase: reflexive Phase

Unklarheiten beseitigen

Grobe Tendenz herstellen

a. Würden Sie zusammenfassend sagen, dass ihr Unternehmen durch die

Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie innovationsfähiger geworden

ist? Wenn ja, in welchem Bereich? (Produktinnovation,

Serviceinnovation, Prozessinnovation, organisatorische Innovation,

soziale Innovation)

b. Ist das Wir-Gefühl im Unternehmen seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz

gestiegen?

c. Gab es aus ihrer Sicht eine Veränderung in der Motivation der

Beschäftigten? Inwiefern?

Anhang

84

ANHANG 4: DARSTELLUNG DER INTERVIEWS

Anhang 4 A: Interview mit Dieter Hallerbach von „Bodan Großhandels GmbH“

Dieter Hallerbach ist Leiter des Bereichs Logistik und arbeitet seit 2008 bei der „Bodan

Großhandels GmbH“. Das Unternehmen ist als Großhandel für Naturkost-

Facheinzelhändler und -händlerinnen tätig und hat seinen Sitz in Überlingen am

Bodensee.

Die „Bodan GmbH“ beschäftigt 170 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Bodan“ hat

unter allen Großhändlern in Deutschland den größten Anteil an Demeter-Produkten. Bei

den Produktauflistungen wird außerdem darauf geachtet, dass sie möglichst regional

bezogen werden. Es ist Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie mit drei

Sämchen.

Dieter Hallerbach war mit, am Prozess der Bilanzierung nach Gemeinwohl-Standards

und der Erstellung des Berichtes, beteiligt. Die Einbeziehung der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen in den Erstellungsprozess der Gemeinwohl-Bilanz und des Berichtes,

beschreibt Herr Hallerbach wie folgt: Am Anfang des Prozesses wurden die Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen zu einer Gesamtbesprechung eingeladen. Dabei wurde die Bilanz

und die Matrix vorgestellt. Diese Zusammenkunft sollte als Einladung an die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dienen, dass diejenigen, die interessiert sind gerne am

Bericht mitwirken können. Aus dieser Startrunde heraus, haben sich Gruppen gebildet,

die sich um die einzelnen Bereiche kümmern, jeder Einzelnen und jede Einzelne in dem

Bereich, wo er oder sie, der Meinung waren, dass sie am meisten mit dazu beitragen

können. So haben sich dann unterschiedlich starke Gruppen für die einzelnen

Schwerpunkte (Matrixfelder A-E, siehe Gemeinwohl-Matrix Anhang 2) gebildet. Der

Logistikleiter ist in der Gruppe E mitbeteiligt. Dieter Hallerbach geht davon aus, dass je

mehr diese Gruppen zusammen arbeiten und Veränderungen einleiten, desto mehr

Interesse wird auch von weiteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kommen, die noch

nicht freiwillig am Prozess beteiligt sind. Diese Gruppen bestehen demnach weiter und

sollen die Ziele, die im Bericht festgelegt wurden auch weiter verfolgen und den

Prozess beobachten:

Anhang

85

Kurzfristige Ziele

- „Naturnahe Gestaltung des BODAN Firmengeländes in Überlingen,

- ausschließlicher Einsatz umweltfreundlicher Kühlmittel im Neubau,

- Dekarbonisierung (Minimierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe) der

Kühllogistik“

Langfristige Ziele

„Die Inhalte der Gemeinwohl-Ökonomie werden wir in süddeutschen Raum mit

unseren Partnern vorantreiben und praktizieren. Das Motto heißt „Kooperation statt

Konkurrenz“.“

(entnommen aus dem Gemeinwohl-Bericht 2012)

Während dieses Prozesses kamen auch direkt neue Ideen von den beteiligten

Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Dieter Hallerbach berichtet, dass Ideen, die wieder

in Vergessenheit geraten waren, wieder neu entdeckt wurden. Zum Beispiel aus der

Gruppe C (Mitarbeiter, Transparenz, Arbeitsplatzqualität, usw.) kam wieder zur

Sprache, dass man das Dienstfahrradprojekt von vor sechs Jahren, wieder auf die

Agenda nimmt. Also, dass die Menschen, die ein Fahrrad nutzen möchten, eines der

damals gekauften Dienstfahrradflotte nutzen können. Des Weiteren kam heraus, dass

das Thema der Mitarbeitervertretungen noch einmal darauf geprüft werden muss,

inwiefern wirklich die Möglichkeit besteht mitzusprechen und ob es Raum zur

Verbesserung gibt. Falls dabei herauskommen sollte, dass die Personen, die damals

gewählt wurden, nicht ganz das notwendige Know-how besitzen, um die Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen entsprechend zu vertreten, soll geklärt werden, inwieweit dies

durch entsprechende Schulungen behoben werden kann. Der Wunsch, dass die

Mitarbeitervertretungen sich mehr in die Entscheidungsprozesse mit einbringen können,

entstand mit Erstellung des ersten Berichtes.

Bezüglich der Entwicklung und Verbesserung der Qualifikationen aller Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Erstellung des ersten

Berichtes von 2011 gesagt, dass sie die Personalentwicklung erweitern möchten. Mit

diesem Ziel besuchen nun alle Neuzugänge eines Halbjahres aus allen Bereichen ein

zweitägiges Seminar, um Wissen über die Firma, Branche, Ziele, Struktur, usw. zu

erlangen.

Anhang

86

Dieter Hallerbach berichtet, dass sich das Verständnis von Qualität und

Umweltfreundlichkeit eines Produktes mit der Einführung der Gemeinwohl-Bilanz

nicht verändert hat, da für „Bodan“ seit Anfang an der Leitspruch „Regional ist erste

Wahl“ ganz oben steht und nur Produkte in Bio-Qualität verkauft werden.

Im technologischen Bereich hat der Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie nur noch eine

Bestärkung der bisherigen Zielsetzungen gebracht, aber keine speziellen

Veränderungen. Dieter Hallerbach berichtet, dass das Ziel bis 2020 eine dekarbonisierte

Logistik zu besitzen seit langem im Unternehmen existiert. Der Prozess der energie-

effizienten Verteilung der Ware ist seit Firmengründung am Laufen. Die Festlegung des

Richtwertes von 140g CO2 pro Kilometer bei Fahrzeugen, die neu angeschafft werden,

schreibt er speziell der Erstellung des Gemeinwohl-Berichtes zu.

Weitere Maßnahmen, die speziell auf die Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie

zurückzuführen sind, wurden im Gemeinwohl-Bericht von 2012 des Unternehmens

gefunden und wurden im Gespräch aufgrund des zeitlichen Rahmens nicht

angesprochen. Zum einen wurde aufgrund des Berichtes von 2011 ein neuer

Angestellten-Arbeitsvertrag entworfen, der die Verhältnisse neu regelt und mehr im

Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie ist. Zum anderen ist die Vergabe von Genussrechten

und Mitarbeiterbeteiligungen in Höhe von je bis zu 100.000,-€ in 2012 vorbereitet

worden und wird 2013 umgesetzt.

Nach Herrn Hallerbach wurde der Austausch mit direkten Mitbewerbern und

Mitbewerberinnen am Markt bereits gepflegt. Teilweise wird auch mit konventionellen

Transporteuren zusammengearbeitet, weil es dafür im Moment noch keine ökologisch

bessere Lösung gibt. Wenn es ökologisch für einen gewissen Zeitraum noch keine

bessere Lösung gibt, möchten sie auch weiterhin auf diese Lösungen zurückgreifen.

Dies soll aber auch so kommuniziert werden, damit für den Fall, dass eine bessere

Variante existiert, der konventionelle Transporteur durch diese ersetzt werden kann.

Dabei wird auch in Kauf genommen, dass sich jeder die Ware anschauen kann. Der

Mitbewerber oder die Mitbewerberin kann ruhig wissen, wie die Fahrzeuge gebaut

werden, denn letztendlich sind die Menschen im Unternehmen, diejenigen die den

Unterschied gestalten. Dadurch könnte vielleicht auch erreicht werden, dass andere

Transporteure bessere und umweltschonendere Standards übernehmen.

Anhang

87

Dieter Hallerbach ist der Meinung, dass dieser Prozess, bei dem das erste Mal mehrere

Personen sich alle Handlungen des Unternehmens genau anschauen, viel Potential für

neue Ideen und Verbesserungen, besitzt. Er erläutert, dass der Prozess teilweise dabei

hilft vieles transparenter zu gestalten und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

zugänglich zu machen, aber dies funktioniert nicht bei allen Themen. Er beschreibt

dieses Phänomen anhand eines Malers, der ein Bild vor Augen hat und dieses auch

erklären kann, aber solange das Bild noch nicht vollständig zu sehen ist, wird der

Betrachter nie ganz verstehen, wie es endgültig sein wird. So etwa geschieht es bei

einigen Ideen und Visionen der Geschäftsleitung, die bis zu ihrer Umsetzung vielleicht

nicht das ganze Verständnis auf ihrer Seite haben.

Zusammenfassend glaubt er, dass mehr Motivation bei den Mitarbeitern und

Mitarbeiterinnen zu spüren ist, da insgesamt mehr Wissen bei mehr Personen vorhanden

ist. Dadurch ist auch mehr Mitdenken und Entscheidungsfreude vorhanden und es wird

mehr diskutiert und nachgefragt, was es früher nicht gab. Man schaut einmal mehr über

den Tellerrand hinaus.

Anhang

88

Anhang 4 B: Interview mit Oliver Viest von „<em>faktor – Die Social Profit

Agentur GmbH“

Dr. Oliver Viest ist Geschäftsführer der Agentur und Experte in Sachen Corporate

Social Responsibility und Fundraising.

Das Unternehmen wurde 2003 gegründet, beschäftigt zehn Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen und ist in den Bereichen Markenentwicklung, Fundraising,

Sponsoring, Sozialkampagnen und CSR tätig. Ihre Kunden und Kundinnen sind vor

allem Non-Profit-Organisationen. Die Agentur verfolgt das Ziel „Social-Profit“ zu

generieren, also einen Nutzen für die Gesellschaft und für das Gemeinwohl. Seit 2012

unterstützt das Unternehmen die Gemeinwohl-Ökonomie und vor Kurzem erst ist der

Gemeinwohl-Bericht 2012/13 erschienen. Die Bilanz wurde extern auditiert und

veröffentlicht.

Oliver Viest ist vor etwa anderthalb Jahren bei einem Vortrag auf das Thema gestoßen

und war überzeugt davon, dass das die Werte sind nach denen wir als Menschen zu

leben streben. Denn er selbst möchte etwas verändern und war schon seit langem der

Meinung, dass vieles ungerecht geregelt ist. Da er aber mitten im Geschäftsleben steht,

hat er momentan leider wenig Zeit für zusätzliches politisches und soziales

Engagement. Des Weiteren war ein ausschlaggebender Punkt, dass es bereits ein gut

operables Raster gibt, welches als eine Art Anleitung für den Unternehmer oder die

Unternehmerin dient. Die Gemeinwohl-Matrix erschien ihm so kompakt und so gut

zusammengefasst, dass er selbst als Unternehmer sich nicht noch einmal alle Kriterien

selbst erarbeiten musste, sondern es fast genauso übernehmen konnte. Weitere zwei

Punkte, die ihn zum Beitritt motiviert haben, waren zum einen die Möglichkeit der

Mitarbeiterbindung und -gewinnung, da man sich so transparenter als guter Arbeitgeber

positionieren kann und zum anderen auch das positive Image der Agentur nach außen

reflektieren kann.

Herr Viest berichtet, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anfangs nur darüber

informiert waren, dass das Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie beitritt und was

das bedeutet, aber sie waren nicht in den Prozess mit einbezogen. Für ihn selbst war die

erste Phase eine Erhebung aller Daten, welche er zusammen mit einer externen

Anhang

89

Beraterin noch einmal kritisch hinterfragt hat. Er ist der Meinung, dass bei einem solch

kleinen Unternehmen alles so transparent und übersichtlich gestaltet ist, dass man alles

relativ genau einschätzen kann. Um grobe Fehleinschätzungen von seiner Seite aus zu

vermeiden, überprüfte eine Mitarbeiterin die fertige Bilanz, bevor sie dem Auditor

übergeben wurde. Bei der zweiten Bilanzerstellung sollen die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen mehr eingebunden werden.

Momentan wird angefangen im gesamten Team die Bilanz durchzuarbeiten. Dazu hat

Herr Viest einzelne Punkte vermerkt, die womöglich verbessert werden können. Diese

und weitere Punkte sollen nun in der Gruppe diskutiert werden. In dieser Phase ist ihm

wichtig, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einbezogen werden, da sie

konkret davon betroffen sind. Als Beispiel nennt er den Bereich Einkauf. Da in diesem

Bereich eine nachhaltige und sozialgerechte Beschaffung von Leistungen gewährleistet

werden soll, braucht es die Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern und

Mitarbeiterinnen, da es von ihnen letztendlich umgesetzt wird.

Laut Oliver Viest gab es eine ganze Reihe von Anregungen während der Bearbeitung

der 17 Indikatoren, die von der Gemeinwohl-Ökonomie aufgestellt wurden. Dabei gab

es bereits schon Aspekte, die sofort umgesetzt wurden, zum Beispiel im Bereich

Strategie. Diesbezüglich wurde während der Gespräche mit der Auditorin ersichtlich,

dass viele Prozesse im Unternehmen teilweise ohne strategische Verankerung ablaufen.

So kann es sein, dass innerhalb von einem kurzen Zeitraum konkrete Aspekte auf eine

andere Art und Weise verlaufen als zuvor. Dies fördert natürlich nicht die Transparenz

und klare strategische Ausrichtung des Unternehmens. Herr Viest meint, dass daran

gearbeitet werden muss, damit alle Werte und Ziele in der Unternehmensstrategie

verankert sind und dementsprechend gelebt werden. So dass zum Beispiel bei dem

Engagieren einer Druckerei, von allen genau gewusst wird, auf welche Aspekte geachtet

werden muss, damit diese Zusammenarbeit in Kohärenz mit den Zielen des

Unternehmens abläuft.

Hinsichtlich der Schaffung von Freiräumen, um aufgekommene

Verbesserungsvorschläge umzusetzen, würde Herr Viest sich wünschen, dass Freiräume

geschaffen werden könnten. Da die Agentur aber nur aus zehn bis zwölf Mitarbeitern

und Mitarbeiterinnen besteht und die Arbeitszeit meistens ausschließlich für die

Anhang

90

Projekte und Aufträge genutzt wird, ist es schwierig zu realisieren. Somit stellt er sich

eher vor, dass gute Lösungen schnell und mit möglichst geringem Aufwand gefunden

werden.

Das Unternehmen ist mit einer sehr flachen Hierarchie aufgebaut und ein Großteil der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist in der Beratung und Betreuung von Kunden tätig.

Somit ist das Unternehmen nicht exakt in einzelne Verantwortungsbereiche unterteilt,

sondern ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin kann mehrere Bereiche abdecken. Somit

liegen die einzelnen Bereiche der Gemeinwohl-Ökonomie eher ganzheitlich in der

Verantwortung von allen und es ist schwer einen Bereich, entsprechend der Tätigkeit,

zuzuordnen.

Zum Thema Motivation und Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schildert

Oliver Viest, dass bereits viel zur Förderung der Transparenz umgesetzt wird. Zum

Beispiel liegen genaue Geschäftszahlen offen. Trotzdem ist noch längst nicht alles

transparent. Die Löhne sind zum Beispiel nicht transparent, aber dabei stellt sich die

Frage, ob das überhaupt gewollt wird. Weiterhin wurde auch noch nicht geklärt, ob und

wie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Unternehmenserfolg beteiligt werden sollen.

In Bezug auf die Einbeziehung der Kunden und Kundinnen in den

Entwicklungsprozess, erzählt Herr Viest, dass es bei einem Dienstleistungsunternehmen

wie bei „<em>faktor“, generell eine große Rolle spielt mit den Kunden und Kundinnen

zusammenzuarbeiten. Bei der Erarbeitung der Bilanz kamen ganz neue Fragen

diesbezüglich auf. Zum Beispiel die Idee, ob die Kunden und Kundinnen mit am

Unternehmen beteiligt sein wollen, also dass man zusätzlich zur Finanzierung durch

Banken, vielleicht auch direkt von den Kunden und Kundinnen unterstützt werden kann

und diese so am Unternehmen mitbeteiligt sind. Eine weitere Idee, die aufkam, war der

„Sozialpreis“. Das bedeutet, dass die Preise für die Dienstleistungen, je nach Kaufkraft

des Kunden oder der Kundin, aber immer kostendeckend, gestaltet werden. Herr Viest

meint, dass es ganz spannende Impulse sind und jetzt daran liegt, diese geeignet

umzusetzen.

Zum Thema Kooperation schildert Oliver Viest, dass mit der Erstellung der Bilanz

deutlich wurde, dass es hilfreich wäre mehr darauf zu achten, welcher der

Anhang

91

Marktteilnehmer oder Marktteilnehmerinnen dieser Branche in welchen Bereichen die

meiste Erfahrung und Kompetenz hat, um diese optimal auszunutzen. Aus diesem

Grund trifft sich die Agentur jetzt immer regelmäßig zum Austausch mit seinen

Mitbewerbern und Mitbewerberinnen. Es kam auch schon zu einer ersten Kooperation

ganz in diesem Sinne, bei der „<em>faktor“ einen Auftrag an einen „Konkurrenten“

abgegeben hat, der in diesem Bereich einfach erfahrener ist und dafür einen Auftrag

bekommt, der der Agentur mehr liegt.

Zusammenfassend meint Herr Viest, dass es ein wunderbares

Organisationsentwicklungsinstrument mit guten Impulsen ist, die Anregungen zu

Verbesserungen geben.

Anhang

92

Anhang 4 C: Interview mit Paul Ettl von „Ettl-Software GmbH“

Paul Ettl gründete 1983 die Firma „Ettl-Software“ in Salzburg. Seitdem ist er

Geschäftsführer der Firma. Das Unternehmen entwickelt Individualsoftware und

kaufmännische Software, bietet Internet-Dienstleistungen an und betreibt ein

Seminarzentrum in Linz.

Ettl-Software ist ein Pionier-Unternehmen der ersten Stunde. Für das Unternehmen war

es eine logische Konsequenz ihres bisherigen Handelns, der Gemeinwohl-Ökonomie

beizutreten, da man sich bereits viel mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt

hatte. Außerdem meint Paul Ettl, dass mithilfe des Berichtes eine gute

Momentaufnahme des Unternehmens erstellt wird und Lücken für Verbesserungen

ersichtlich werden.

Paul Ettl berichtet, dass er 2006 die komplette Hardware, (Server, Bildschirme, etc.)

ausgetauscht hat, was ca. 10 000 Euro kostete. Dieses Handeln wurde bilanztechnisch

positiv bewertet und schmälerte kaum den Gewinn. Ein Jahr später schickte er

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Schulungen. Dafür bezahlte er Fahrtkosten,

Unterkunft usw., aber diese sind in der Bilanz nicht aktivierbar und werden auch nicht

positiv widergespiegelt. In diesem Moment wurde ihm klar, wie absurd die Regelungen

der Finanzbilanz teilweise sind. Der Ertrag wird minimiert und keiner weiß, dass die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gut ausgebildet sind. Ab diesem Zeitpunkt war er

darauf bedacht eine Möglichkeit zu finden, bei der diese Art der Investition auch positiv

anerkennt wird. Er beschäftigte sich anfangs viel mit dem Thema Corporate Social

Responsibility. Als er von der Gemeinwohl-Ökonomie hörte, entschloss er sich der

Bewegung beizutreten.

Die Gemeinwohl-Bilanz und der Bericht von 2011 wurden von Paul Ettl allein erstellt.

Paul Ettl erzählt, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer Bescheid gewusst

haben, dass er daran arbeitet. Die Firma hat aller sechs Wochen ein Mitarbeiter/-innen-

Meeting bei dem er jedes Mal den Verlauf der Erstellung des Berichtes und der Bilanz

vorgestellt und erläutert hat. Außerdem wurde parallel zur Erstellung des Berichtes eine

Mitarbeiterbefragung durchgeführt, die ihm dabei half die entsprechenden Indikatoren

der Bilanz wahrheitsgetreu zu beschreiben.

Anhang

93

Auf die Frage, ob die Werte der Gemeinwohlbilanz in der allgemeinen

Unternehmensstrategie verankert sind oder werden, hatte Herr Ettl am Anfang des

Interviews schon erwähnt, dass er genau nach solch einem Konzept, wie der

Gemeinwohl-Ökonomie für sein Unternehmen gesucht hatte, weil genau diese Werte

wie Wertschätzung, Solidarität, usw. ihm wichtig sind und im Unternehmen bereits

gelebt, aber von außen noch nicht honoriert werden.

Eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Unternehmen

als Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie, als ohne dieses Engagement,

bezweifelt er. Er ist der Meinung, dass man sich mit einer Beschäftigtenzahl von zwölf

Personen von Anfang an sehr nahe steht und sich somit auch mit dem Unternehmen als

Ganzes stark identifiziert. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich entschieden

haben bei ihm im Unternehmen zu arbeiten, wissen, dass menschliche Werte im

Unternehmen gelebt werden.

Beim Gespräch mit Herrn Ettl wurde klar, dass der Gemeinwohl-Bericht ein Ansporn

ist, die Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern, da diese Art Investition erstmals

positiv aufgezeichnet wird.

Momentan werden Projekte und Maßnahmen nicht speziell zur Verbesserung der

Gemeinwohl-Bilanz entwickelt. Es war ihm schon immer wichtig, wertorientiert zu

handeln und da hat sich durch den Gemeinwohl-Bericht nichts geändert. Der

Gemeinwohl-Bericht gibt eine Möglichkeit diese Maßnahmen aufzuzeigen und nach

außen zu kommunizieren. Trotz alledem ist er durch die Erstellung der Bilanz und des

Berichtes und dem Lesen anderer Berichte von Pionier-Unternehmen, auf neue Ideen

und Anreize für Änderungen gestoßen. Die Befragung der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen war solch eine Idee, die durch den Prozess der Berichterstellung

zustande gekommen ist. Zuvor wurde noch keine Befragung durchgeführt. Diese

Befragung soll in den nächsten Jahren wiederholt werden. Außerdem ist ihm bewusst

geworden, dass man vielleicht am Verhältnis zu den Kunden und Kundinnen noch

einiges verbessern könnte. Des Weiteren war der Aspekt der Reduktion der

ökologischen Auswirkungen in der Gemeinwohl-Bilanz für Paul Ettl ein Hinweis einige

Sachen noch genauer zu beobachten, aber diese Themen (Energieeinsparung,

Abfallreduktion, usw.) spielten schon immer eine wichtige Rolle im Unternehmen.

Anhang

94

Zum Thema Kooperation berichtet der Geschäftsführer von Ettl-Software, dass die

Teilnahme an der Bewegung auf jeden Fall neue Netzwerke ergeben hat, aber in der

Softwarebranche ist es auch kostenbedingt teilweise nicht möglich mit anderen

Unternehmen zu kooperieren. Er ist der Meinung, dass dieser Punkt stark von der

Branche, in dem das Unternehmen tätig ist, abhängt.

Zusammenfassend ist der Beitritt der Gemeinwohl-Bewegung für Paul Ettl eine

Möglichkeit die positiven und menschlichen Werte, die im Unternehmen gelebt werden,

nach außen zu kommunizieren. Außerdem hilft es wieder in engeren Kontakt zu den

Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu treten und diese Werte noch einmal genau zu

besprechen und zu diskutieren. Laut Herrn Ettl wird die Gemeinwohl-Ökonomie

momentan von Unternehmen unterstützt, die seit langem einen Großteil der Werte

verkörpern. Somit sind es bereits Unternehmen, die für solche positiven Neuerungen

offen sind.

Anhang

95

Anhang 4 D: Interview mit Lisa Muhr von „Göttin des Glücks“

Lisa Muhr legte 2005 zusammen mit drei Kollegen und Kolleginnen den Grundstein für

das Unternehmen „Göttin des Glücks“. Sie und Igor Sapic leiten momentan das

Unternehmen. Lisa Muhr ist zuständig für die Bereiche PR, Marketing und

Nachhaltigkeit.

„Göttin des Glücks“ ist das erste Modelabel aus Österreich, das komplett transparent,

ökologisch, fair und sozial produziert. Es beschäftigt 16 Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen und einige Springer und Springerinnen. Das Unternehmen unterstützt

seit Ende des Jahres 2010 die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie. In diesem Jahr

wurde das Unternehmen für herausragende soziale Verantwortung mit einem CSR-

Award ausgezeichnet. Christian Felber gratulierte dem Unternehmen zu diesem Anlass

und dies war der Beginn der Zusammenarbeit mit der Gemeinwohl-Ökonomie. Lisa

Muhr kannte bereits die Bücher Felbers und empfand das Konzept als perfekt für das

Unternehmen. “Göttin des Glücks“ besitzt die volle Anzahl an Sämchen und lässt somit

ihre Gemeinwohl-Bilanz extern auditieren und nimmt an den Bilanz-Pressekonferenzen

teil.

Lisa Muhr schrieb den Bericht zur Gemeinwohl-Bilanz 2012/13 in Zusammenarbeit mit

Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens. Da

die Beschäftigtenzahl des Unternehmens sehr überschaubar ist, wurde die Unterstützung

des alternativen Konzeptes sehr schnell an alle kommuniziert und stieß bei allen auf

Begeisterung.

Die Werte der Gemeinwohl-Bilanz waren von an Anfang an im Unternehmen verankert.

Genau aus diesem Grund hatte sich das Unternehmen entschieden, der Bewegung

beizutreten, da diese genau die Werte verkörpert, die auch das Unternehmen vertritt.

Lisa Muhr ist der Meinung, dass sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf jeden

Fall noch einmal mehr mit dem Unternehmen, seit dem Engagement für die

Gemeinwohl-Bewegung, identifizieren können, da man seitdem im Unternehmen direkt

und offen darüber diskutiert und für dieses Engagement Anerkennung bekommt.

Zum Thema Anpassung und Weiterentwicklung der Kompetenzen der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen erzählte Lisa Muhr, dass dafür momentan leider noch keine

Anhang

96

finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, da bis 2012, durch die hohen Kosten der

ökologisch-fairen Produktion, noch kein Gewinn erwirtschaftet wurde. Auf die Frage

hin, ob speziell Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz

entwickelt werden, antwortete Frau Muhr, dass man auf jeden Fall mit der Erstellung

der Gemeinwohl-Bilanz viele Verbesserungsmöglichkeiten erkennt und auch durch die

Auditor und Auditorinnen direkt darauf hingewiesen wird. Laut Lisa Muhr lässt sich

auch beobachten, dass besonders die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Shops

ambitioniert sind neue Ideen bezüglich der Gemeinwohl-Ökonomie mit einzubeziehen.

Diesbezüglich kam zum Beispiel der Vorschlag Vorträge in den Geschäften zum Thema

zu halten, um noch mehr Bewusstsein für diese Angelegenheit zu schaffen.

Die Verbesserung der Einbeziehung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die

Entscheidungsprozesse machte sich am meisten bei der Erstellung des Gemeinwohl-

Berichtes bemerkbar. Während der erste Bericht fast gänzlich von der Geschäftsführerin

erstellt wurde, erzählte Frau Muhr, dass zur Erarbeitung des zweiten Berichtes alle

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auf freiwilliger Basis eingeladen wurden. Man

erklärte die Inhalte der Gemeinwohl-Matrix. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

waren willkommen daran mitzuarbeiten. Zusätzlich erstellte man eine Auflistung der

Indikatoren, mit dem Hinweis auf den jeweiligen Arbeitsbereich, der jeweils betroffen

ist. So konnten sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die gerne an einem oder mehr

Indikatoren mitschreiben wollten, schnell und unkompliziert, den oder die geeigneten

Indikatoren heraussuchen und eigenständig den dazugehörigen Abschnitt für den

Bericht erstellen. 80% der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben am Bericht

mitgeschrieben und die Texte für einzelne Indikatoren geschrieben. Die Texte wurden

vollständig und unzensiert in den endgültigen Bericht aufgenommen. Weiterhin meinte

Lisa Muhr zu diesem Prozess: „Das Schöne an dem Prozess war auch, dass unsere

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – obwohl sie ja schon vorher begeistert von der

Gemeinwohl-Ökonomie waren – mit diesem Arbeitsprozess erst richtig Einblick

bekommen haben in die Inhalte der Gemeinwohl-Ökonomie und damit auch jetzt im

Nachhinein täglich davon profitieren, weil sie die Werte und Inhalte – vor allem im

Verkauf – ganz anders herüberbringen können.“

Anhang

97

Die Kunden und Kundinnen sollen in Zukunft durch die Einführung eines

Kundenbindungssystem auch noch mehr mit einbezogen werden. Ziel dieser Maßnahme

ist es Stammkunden und -kundinnen zu binden und diesen eine ausführlichere

Betreuung zu bieten durch zum Beispiel After-Work-Shopping, Reise- und

Erfahrungsberichte in den Geschäften über die faire Produktionskette, die Möglichkeit

Kleidungsstücke vor der Auslieferung in die Läden zu erwerben und selbstverständlich

Rabattsysteme. Weiterhin ist laut Frau Muhr im nächsten Jahr eine Reise nach

Mauritius zum Produzenten mit den Kunden und Kundinnen geplant. Außerdem sollen

die Kunden und Kundinnen in Zukunft mehr in den Designprozess mit einbezogen

werden. So haben sie direkt die Möglichkeit ihre Vorlieben bei Modellen und

Farbkombination mit einzubringen. Abgesehen davon werden die Kundenwünsche

schon seit Anfang an stark mit in den Entwicklungsprozess einbezogen. Die

Verbesserungsvorschläge werden von den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den

Geschäften immer vermerkt und weitergegeben.

Da das Produkt im Unternehmen „Göttin des Glücks“ bereits ein absolut hohes Maß an

Qualität und Umweltfreundlichkeit hat, gibt es in diesem Bereich nur geringen

Spielraum zur Verbesserung, aber Lisa Muhr meinte, dass man versucht, ein neues

zusätzliches Projekt in einer lokalen Zusammenarbeit zu entwickeln. Dies ist aber in der

Textilbranche vor allem in Bezug auf transparente Materialbeschaffung sehr schwierig.

Trotz alledem wird nach Lösungen für dieses Problem gesucht. Außerdem ist die

Umstellung der Energieversorgung auf Ökostrom in allen Geschäften und in der

Zentrale in der Umsetzung.

„Göttin des Glücks“ kooperiert im Rahmen der Gemeinwohl-Bewegung viel mit den

Pionier-Unternehmen „Gugler“ und „Sonnentor“, die ebenfalls im Rahmen dieser

Arbeit befragt wurden. Im Gemeinwohl-Bericht von „Göttin des Glücks“ wird diese

Kooperation wie folgt beschrieben: Zum einen wird in Zusammenarbeit mit der Firma

„Gugler“ das neue EDV Projekt für „Göttin des Glücks“ gestaltet. Zum anderen steht

„Göttin des Glücks“ im permanenten „Wissens- und Erfahrungsaustausch in Bezug auf

neue Geschäftsflächen und Lagen mit der Firma Sonnentor“. Des Weiteren bekamen sie

eine besondere finanzielle Unterstützung von „Sonnentor“, in der Form einer

„vertraglich geregelte Kooperation“, bei der „Sonnentor“ in den nächsten Jahren

Anhang

98

„Göttin des Glücks“-Gutscheine für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sowie Kunden

und Kundinnen abnehmen wird.

Abschließend ist Lisa Muhr auf jeden Fall der Meinung, dass das Wir-Gefühl im

Unternehmen seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz gestiegen ist. Man merkt besonders,

dass sich das Bewusstsein verstärkt hat durch die Diskussion über die Werte der

Gemeinwohl-Ökonomie und gleichzeitig des Unternehmens. Bezüglich der Motivation

der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen findet sie, dass man in den Geschäften ihre

Zufriedenheit und Begeisterung für das Unternehmen spürt. Dies überträgt sich vor

allem auf die Kunden und Kundinnen. Reflektierend fiel Lisa Muhr speziell auf, dass

dieser Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie besonders für die Transparenz des

Unternehmens von Vorteil ist, da es hilft Maßnahmen, die das Unternehmen

unternimmt besser darzustellen und zu verbreiten. So kann man den Kunden und

Kundinnen auch besser das Zustandekommen des hohen Preises erklären und man stößt

dabei auf Verständnis und Begeisterung.

Anhang

99

Anhang 4 E: Interview mit Teresa Distelberger von “Gugler GmbH“

Teresa Distelberger arbeitet seit Juli 2010 bei „Gugler“. Sie ist Mitglied des

Nachhaltigkeitsteams, Projektleiterin für den Bereich Cradle 2 Cradle und in der

Projektleitung des Seminarzentrums von „Gugler“ in Melk, Österreich.

Das österreichische Unternehmen „Gugler“ ist in den Bereichen Marketing und Medien

tätig. Die rund 95 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen sich mit den vier

Bereichen Beratung, Kreation (Text und Konzept, Grafikdesign, Bildbearbeitung, usw.),

Neue Medien und Informationstechnologie und Printmedien. Das Unternehmen startete

2009 ein Cradle 2 Cradle- Forschungsprojekt, bei dem mit dem EPEA-Institut

(Internationale Umweltforschung GmbH) zusammengearbeitet wird, um alle Produkte,

die beim Drucken verwendet werden, wiederverwendbar zu gestalten, so dass keine

Abfälle entstehen. Außerdem führte das Unternehmen 2010 das

Umweltmanagementsystem EMAS ein.

Der Geschäftsführer Ernst Gugler ist seit langer Zeit Teil einer Attac-Unternehmer/-

innen-Gruppe, gemeinsam mit Christian Felber. Das Unternehmen war bereits während

der ganzen Gründungsphase der Gemeinwohl-Ökonomie mit dabei. Deshalb und weil

schon seit längerem mit der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten diese Ziele verfolgt

werden, war es eine logische Schlussfolgerung, die Bewegung zu unterstützen.

Teresa Distelberger war in den Prozess der Bilanzierung nach der Gemeinwohl-

Ökonomie mit einbezogen. Sie war Teil einer fünf-köpfigen Gruppe, die die Bilanz und

den Bericht erstellten. Da die Zeit für die Berichterstellung damals sehr knapp war,

erzählt Frau Distelberger, wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leider weniger

mit einbezogen, als wünschenswert gewesen wäre. Es hat in kleinen Gruppen Sitzungen

gegeben, bei denen man über gewisse Kriterien diskutiert hat, aber es gab keine

Zusammenschlüsse mit der gesamten Mitarbeiterschaft. Im Rahmen von gugler* dialog,

was halbjährliche Informationsveranstaltungen im Unternehmen sind, wurde der Bericht

nach der Veröffentlichung vor allen präsentiert. Ein Exemplar wurde auch an jeden

Mitarbeiter und an jede Mitarbeiterin ausgeteilt. Vorher wurden nur gezielt Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen mit dem entsprechenden Know-how mit einbezogen.

Anhang

100

Zum Thema Wertentwicklung im Unternehmen meint Teresa Distelberger, dass bei

„Gugler“ diese Entwicklung schon weit vor der Erstellung der ersten Gemeinwohl-

Bilanz begonnen hat und dass sie sich parallel dazu weiterentwickelt. Die Gemeinwohl-

Bilanz ist einfach ein Instrument, um diesen Prozess abzubilden. Außerdem ist es

ermutigend zu wissen, dass sich auch andere Unternehmen auf diesen Weg machen.

Man kann solche Entwicklungen, aber nicht mit dem Berichtzeitpunkt festmachen. Sie

sieht den Bericht mehr als eine Art Bestandsaufnahme von Maßnahmen, die das

Unternehmen so oder so unternimmt und als Inspiration genau so weiterzumachen und

sich weiter zu verbessern. Sie ist der Meinung, dass das Leben dieser Werte eine

Eigeninitiative ist, die vorher schon vorhanden sein muss. Weiterhin glaubt sie, wenn

solche Werte offensichtlich gelebt werden, können sich die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen auf jeden Fall mehr mit dem Unternehmen identifizieren.

Die Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden seit einigen Jahren im

Verbund mit anderen Unternehmen, dem Qualifizierungsverbund „Momentum“, durch

die Organisation von Weiterbildungen gestärkt. Es gibt viele Workshops zum Thema

Nachhaltigkeit, Persönlichkeit, Gesundheit, usw., die auch bereits vor der Erstellung des

ersten Berichtes angeboten wurden, um die Wertentwicklung voranzutreiben. Auch

davor, gab es schon Vorträge zum Thema Bewusstseinsbildung, bei denen Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen, sowie Kunden und Kundinnen eingeladen werden.

Als konkrete Maßnahmen, die durch die Erstellung des Berichtes zustande gekommen

sind, nannte Frau Distelberger zum einen die Thematik eines Betriebsrates. Bis jetzt

gibt es noch keinen Betriebsrat und durch die Beschäftigung mit der Gemeinwohl-

Ökonomie wurde dieses Thema wieder zum Leben erweckt. Es gibt Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen, die sich zurzeit mehr damit auseinander setzten. Es gab dazu auch

schon eine Gesprächsrunde bei dem die Geschäftsführung mit einem gewählten

Gremium der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sich mit verschiedenen Themen

diesbezüglich beschäftigt haben und geschaut haben, wie dies in anderen Unternehmen

gehandhabt wird. Aber es hängt ganz von der Energie und dem Willen der Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen ab, ob ein Betriebsrat gegründet wird oder nicht. Zum anderen

wurden mit der Erstellung der Bilanz zwei Gehälter direkt angehoben, um den Kriterien

Anhang

101

zu entsprechen. Dies wäre wahrscheinlich nicht ohne die Erstellung des Berichtes

geschehen.

Teresa Distelberger berichtet, dass innovative Ideen eher von der Geschäftsleitung

kommen, da der Geschäftsführer Ernst Gugler ein sehr starker Visionär ist. Das

Unternehmen ist immer sehr damit beschäftigt, seine Ideen umzusetzen. Er hat meistens

die neuen Ideen, wie kürzlich erst die Umsetzung eines firmeneigenen Gemüsegartens

für die Kantine. Es kann durchaus sein, dass aus den einzelnen Bereichen des

Unternehmens Ideen kommen, aber leider nicht immer durchdringen. Das möchte Sie

nicht ausschließen, kann es aber schwer nachvollziehen, da sie keinen kompletten

Überblick darüber hat.

Um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr in die Entscheidungsprozesse mit

einzubeziehen, wird seit mehreren Jahren mit Modellen wie Holakratie oder Soziokratie

geliebäugelt, also Modelle, die mehr Mitbestimmung vorsehen. Diese Überlegungen

befinden sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium. Es ist auch bereits Teil

vom Nachhaltigkeitsprogramm, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stärker mit

einzubinden. Das Thema ist präsent, aber es braucht viel Zeit, einen Wandel

diesbezüglich hervorzurufen.

Wenn es darum geht, Kunden und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von

Neuerungen mit einzubeziehen, wird diesbezüglich bei „Gugler“ viel unternommen, da

das Unternehmen sich oft mit kundenspezifischen Lösungen (besonders im Bereich

„Neue Medien“) beschäftigt. Dadurch werden die Kunden und Kundinnen generell viel

in den Entwicklungsprozess mit einbezogen. Teresa Distelberger meint: „Das liegt in

der Natur der Sache.“ Für das Unternehmen „Gugler“ sind das Aspekte, die bereits

normal sind und man nicht in Verbindung mit der Gemeinwohl-Ökonomie bringen

kann. Bei der Entwicklung des C2C-Produktes wurden die Kunden und Kundinnen

kaum mit einbezogen, da es sich dabei um eine Innovation handelt, bei der viele

technische Entscheidungen notwendig waren. Außerdem war von Anfang an klar, dass

dieses Produkt, so eingeführt werden wird. Dies war sicherlich bislang das größte

Innovationsprojekt der Firma.

Anhang

102

In Bezug auf das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit der Produkte und

Dienstleistungen, hat sich bei „Gugler“ durch die Einführung der Gemeinwohl-

Ökonomie laut Frau Distelberger nichts verändert, da die Firma diesbezüglich schon

seit langem Branchenführer ist. „Gugler“ produziert energiesparend, bietet seinen

Kunden und Kundinnen die Möglichkeit die CO2-Emissionen ihres Auftrages zu

kompensieren, entwickelt schadstofffreie Druckprodukte, usw.

Auch im Bereich der Technologie hat sich nicht signifikant etwas verändert. Die

Motivation diesen Bereich weiter zu optimieren, kommt aus eigenem Antrieb, da es

eine Strategie von „Gugler“ ist, neue Qualitätsstandards zu eröffnen und diesbezüglich

Marktinnovationsführer zu sein. Andere Unternehmen der Branche übernehmen dann

meist diese Standards.

Kooperation mit anderen Unternehmen der Branche wurde mit Beginn der Entwicklung

der C2C-Produkte im Jahr 2009 in Betracht gezogen. Während die Entwicklung noch

im Alleingang gemacht wurde, was auch sehr hohe Forschungs- und

Entwicklungskosten mit sich brachte, plant „Gugler“ eine Art Lizenzmodell

aufzubauen, um dieses Wissen und Material weiter zu verbreiten und nutzbar für andere

Firmen zu machen.

Zusammenfassend ist im Gespräch mit Frau Distelberger ersichtlich geworden, dass

„Gugler“ schon immer ein sehr innovatives Unternehmen ist und menschliche Werte

verkörpert. Es ist schwer abzustecken, ob der Bericht daran etwas geändert hat. Sie

meinte, dass die Bilanz und der Bericht einem die Möglichkeit geben, zu erkennen und

beobachten, wo das Unternehmen momentan steht. Des Weiteren verbindet es das

Unternehmen mit einer größeren Bewegung und bestärkt die Firma in seinem Handeln.

Das Unternehmen will so auch im Rahmen seiner Möglichkeiten, den gesellschaftlichen

Wandel mit vorantreiben. Sie erklärte, dass die Motivation im Sinne des Gemeinwohls

zu handeln, eine intrinsische Motivation ist, die von den Entscheidungsträgern und -

trägerinnen selbst kommen muss. Die Bilanz sieht sie als extrinsische Motivation, weil

man von außen einen Anreiz hat und von außen belohnt wird. Aber sie glaubt, dass es

viel motivierender wirkt, wenn es Menschen wie Ernst Gugler gibt, die diese

Motivation veranlagt haben und den Drang besitzen, im Sinne der Gesellschaft zu

agieren. Sie beschreibt die Gemeinwohl-Ökonomie als eine Art Sammelplatz, wo sich

Anhang

103

diese Menschen treffen können. Wenn dieses „Label“ demnächst stärker

wahrgenommen wird, könnte es sein, dass auch andere Unternehmen sich anschließen,

weil sie merken, dass vor allem die Kunden und Kundinnen diese Art Unternehmen

bevorzugen. Momentan jedoch glaubt sie, dass dies noch nicht der Fall ist, sondern dass

es die intrinsische Motivation vorerst noch braucht, um sich der Bewegung

anzuschließen.

Exkurs: Thematik Punktevergabe/ Gemeinwohl-Bilanz

Teresa Distelberger ist der Meinung, dass man die Punkteanzahl nicht so wichtig

nehmen kann, dazu haben sie zu wenig Nachvollziehbarkeit. Der Prozess der Vergabe

hat zum Teil auch willkürliche Momente. Es geht mehr um den Inhalt, den man im

Bericht zeigt. Die Punkte sind von Branche zu Branche schwer vergleichbar. Es ist

meistens mehr eine Einschätzungssache. Es fallen so viele verschiedene Aspekte unter

einen Bereich, die von jedem Unternehmen unterschiedlich stark gewichtet werden. Bei

dem Aspekt Arbeitsplatzqualität schaut „Gugler“ zum Beispiel sehr darauf, dass es ein

Gebäude besitzt, das nach ökologischen Richtlinien erbaut wurde und eine Cafeteria mit

gesunden Lebensmittel, wo andere Betriebe vielleicht wieder ganz andere

Gesichtspunkte positiv bewerten. Darüber hinaus kommt außerdem noch das Gespräch

mit dem Auditor, bei dem wieder gewisse Aspekte in Frage gestellt werden und auf ihre

Auswirkung untersucht werden. Laut Frau Distelberger reichen diese Punkte allein nicht

aus, um etwas zu verbessern.

Anhang

104

Anhang 4 F: Interview mit Wolfgang Heckel von „Heckel GmbH & Co. KG“

Wolfgang Heckel leitet zusammen mit seiner Frau Petra das Unternehmen „Heckel

GmbH & Co. KG“, das zwölf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Das

Unternehmen „projektiert, entwickelt, fertigt, vertreibt und betreut kundenspezifische

Anlagen und Sondermaschinen zur effizienten Ressourcennutzung (besonders in der

Holzindustrie) und Photovoltaikanlagen“. (Gemeinwohl-Bericht 2012)

Das Unternehmen setzt sich seit 2008 für die Entwicklung der erneuerbaren Energien

ein und fügte deshalb den Bereich der Photovoltaikanlagen zum Tätigkeitsfeld hinzu.

Das Unternehmen erstellte 2011 und 2012 eine Gemeinwohl-Bilanz und besitzt zwei

Sämchen. Im Gemeinwohl-Bericht 2012 steht, dass man im Februar 2011 mit der

Vorstellung des Buches von Christian Felber, sich das erste Mal mit dem Thema

auseinandergesetzt hat und der Beitritt der Bewegung eine logische Konsequenz des

bisherigen Handelns war. Herr Heckel ist überzeugt davon, dass das der richtige Ansatz

für die Zukunft ist. Zum einen war die Motivation des Unternehmens, ein Regelwerk

mit der Beschreibung der Indikatoren vorliegen zu haben, an dem man sich orientieren

kann, um die eigene Weiterentwicklung zu gestalten. Zum anderen möchte man diese

Bewegung unterstützen und sie voranbringen.

Herr Heckel, seine Frau, der Konstrukteur und der stellvertretende Fertigungsleiter

haben den Bericht gemeinsam entwickelt. Der Bericht von 2011 wurde aufgrund eines

kürzeren Zeitrahmens ohne Befragungen in der Wertschöpfungskette (Lieferanten/-

innen, usw.) erstellt, wohingegen diese im folgenden Jahr durch den Praktikanten der

Universität Halle durchgeführt wurden. Genauere Informationen von Lieferanten und

Lieferantinnen zum Herstellungsprozess der einzelnen Materialien waren jedoch schwer

zu bekommen. Die im Unternehmen festgelegten Freitagsbrotzeiten, bei denen alle

Unternehmensangehörigen einmal im Monat zusammenkommen um Neuigkeiten und

Anregungen auszutauschen, dienten dazu den Verlauf der Erstellung zu kommunizieren

und die endgültigen Versionen vorzustellen.

Wolfgang Heckel meint, dass sich an den Werten im Unternehmen, mit der Einführung

der Gemeinwohl-Ökonomie, nichts verändert hat. Einzelne Schwerpunkte wurden

wieder neu besprochen, wie zum Beispiel das Thema der Gleichberechtigung. Dazu ist

schon seit langer Zeit die Frage in der Luft, ob man nicht Frauen in der Fertigung mit

Anhang

105

beschäftigen kann, aber da sich an den Rahmenbedingungen in der Fertigung nichts

geändert hat, bleibt es nach wie vor schwierig in diesem Bereich Frauen mit

einzubeziehen. Er ist der Meinung, dass die Punkte der Gemeinwohl-Ökonomie bereits

mit der Überzeugung im Unternehmen übereinstimmen.

Da die Produkte und Dienstleistungen der Firma, alle kundenspezifische Lösungen sind,

werden generell die neuesten Materialien und Komponenten, die am Markt vorhanden

sind für die jeweilige Lösung verwendet. 2012 hat das Unternehmen an einem

Entwicklungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Rosenheim teilgenommen,

bei dem es darum ging nach einer Methode zu suchen, mit der noch mehr Material aus

einem Holzstamm entnommen werden kann, um diesen möglichst ganz auszunutzen.

Wolfgang Heckel empfindet diese Arbeit äußerst wichtig, da es sich bei Holz um einen

kostbaren Rohstoff handelt, der nur langsam nachwächst und man darauf bedacht sein

sollte wenig zu verschwenden.

Zum Thema Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, erklärt er, dass diese

sich umso stärker mit dem Unternehmen identifizieren, je wohler sie sich darin fühlen.

Das ist immer schon ein wichtiges Kriterium für ihn gewesen. Von seinem Team selbst

sagt er, dass es alles Menschen sind, die neugierig sind und denen es langweilig wird,

wenn sie mehrmals das Gleiche erledigen müssen. Dadurch werden immer wieder

innovative Ansätze eingebracht und auch umgesetzt. Dies unterstützt die Freiheit und

den Spielraum eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin und keiner muss Angst haben,

dass er oder sie etwas Falsches sagt oder Fehler macht. Er ist der Meinung, dass von

dieser Seite her schon immer ein innovatives Klima im Unternehmen herrscht.

Im Bereich Arbeitsqualität wurde von 2011 auf 2012 eine Besserung erzielt indem das

Arbeitsvolumen und die Auslastung der Kapazitäten besser geplant wurden, so dass

weniger Überstunden erzielt wurden. Dieses Vorhaben war allerdings schon vor der

Erstellung des ersten Berichtes geplant. Allgemein hat das Unternehmen laut Herrn

Heckel durch die hohe Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und den daraus

resultierenden geringen Krankheitsausfall eine hohe Produktivitätsrate, was dem

Unternehmen in der überfüllten Branche einen Wettbewerbsvorteil bietet. Außerdem

berichtet er, dass sie einzelne Bewerbungen bekommen, weil sie die Gemeinwohl-

Ökonomie unterstützen und somit authentischer sind.

Anhang

106

Des Weiteren beschreibt Herr Heckel, dass die Indikatoren der Gemeinwohl-Bilanz

konkret genutzt wurden, um an diesen Stellen die Realität im Unternehmen zu

hinterfragen. Dieser Prozess ist laut Herrn Heckel aber nichts Neues im Unternehmen.

Wolfgang Heckel erzählt, dass bei dem durchgeführten Peer-Audit mit anderen Pionier-

Unternehmen, die Geschäftsführer und –führerinnen in das Unternehmen gekommen

sind und Fragen gestellt haben, auf welche er und seine Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen selbst nicht so einfach gekommen wären. Das dient als Anreiz für die

nächste Periode, diese angesprochenen Themen immer wieder zu hinterfragen. Das

ganze Jahr über, betrachtet man anhand der Werte und Indikatoren, wo man steht und

wo man etwas verbessert kann. Das passiert über die Freitagsbrotzeiten, die in drei

Kategorien unterteilt sind. Der erste Bereich beschäftigt sich mit Verbesserungen

innerhalb des administrativen Bereichs, der zweite mit Verbesserungen in der Fertigung

und der dritte mit der Lebens- und Arbeitsqualität. Zusätzlich gibt es nun noch den

Bereich der Gemeinwohl-Ökonomie. Außerdem meint er, dass man durch die Auditoren

und Auditorinnen, die zu einem festen Zeitpunkt in das Unternehmen kommen, einen

stärkeren Anreiz hat, sich mit gewissen Verbesserungen auseinanderzusetzen. In den

zwölf Freitagsbrotzeiten im Jahr wird kontinuierlich an den einzelnen Themen

weitergearbeitet.

Die Gemeinwohl-Bilanz ist für Wolfgang Heckel ein Instrument, das einen zwingt die

einzelnen Punkte genau zu betrachten und zu dokumentieren. Außerdem hilft es auch

den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gegenüber, alles transparent zu gestalten. In den

ersten Monaten in 2011, als man sich mit dem Thema erstmalig beschäftigt hat, konnte

man feststellen, dass sehr viele Fragen und Anregungen von den Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen kamen. Bei der Erstellung des zweiten Berichtes war dies nicht mehr

der Fall, da man sich während des Jahres konstant mit dem Thema beschäftigt hatte.

Zusammenfassend beschreibt Wolfgang Heckel die Einbindung der Gemeinwohl-

Ökonomie in das Unternehmen als eine positive Maßnahme, die vor allem eine Art

Regelmäßigkeit in den Betrieb bringt. Das Unternehmen und seine Handlungen werden

dadurch permanent hinterfragt und verbessert.

Anhang

107

Anhang 4 G: Interview mit Markus Elbs von „Kirchner Konstruktionen GmbH“

Markus Elbs führt zusammen mit Gerhard Schwichtenberg seit 2003 das Unternehmen,

welches 1990 gegründet wurde. „Kirchner Konstruktionen“ ist ein

Dienstleistungsunternehmen für die Automobilindustrie und umfasst folgende Bereiche:

„Automatisierung; Planung; Konstruktion; Robotersimulation, Offline-

Programmierung; Roboter-Inbetriebnahme vor Ort; CAD/CAM Programmierung;

Komponentenentwicklung; Herstellung und Vertrieb; sowie Beratung im Bereich

Energiemanagement (im Aufbau seit Frühjahr 2012)“. (Gemeinwohl-Bericht 2012)

Das Unternehmen beschäftigt 123 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und wurde in

diesem Jahr (2013) mit dem „CSR Job Award“ zu einem Mitarbeiter der Zukunft

ausgezeichnet, bei dem die Maßnahmen zur Gemeinwohlorientierung besonders

gewürdigt wurden.

„Kirchner Konstruktionen“ wurde 2012 nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standards

bilanziert. Die Bilanz ist bereits auditiert und veröffentlicht. Da das Unternehmen schon

immer viele Verbesserungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umgesetzt hat und

die menschlichen Werte eine wichtige Rolle spielen, entschieden sie sich dazu die

Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen, um diese Maßnahmen einmal genau aufzuzeichnen, zu

strukturieren und zu beobachten. Den Bericht erstellten der firmeninterne Martin

Ströhle und der externe Berater Armin Hipper. Markus Elbs und die Abteilungsleiter

und –leiterinnen lieferten die notwendigen Informationen und präsentierten das

Ergebnis den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der halbjährigen Betriebssitzung.

Markus Elbs sieht die Bilanz so, dass wenn man bei null Punkten steht, man in etwa den

gesetzlichen Standard erreicht hat und alles was darüber hinausgeht, sind zusätzliche

freiwillige Leistungen, die dem Unternehmen positiv angerechnet werden.

Bezüglich einer Veränderung der Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

glaubt er, dass vielen durch diesen Bericht zum ersten Mal bewusst geworden ist, dass

im Unternehmen viele Maßnahmen in ihrem Sinne (zum Beispiel täglich kostenfrei

Frühstück, Obst, und Getränke für alle) vorgenommen werden, ohne dass diese

vertraglich geregelt sind, und dass das nicht in allen Unternehmen der Fall ist.

Schlussfolgernd wird es demnach wahrscheinlich schon Personen geben, die glücklicher

Anhang

108

mit der Arbeit bei „Kirchner Konstruktionen“ sind. Um diese Maßnahmen besser zu

kommunizieren, entstand ein Plakat mit einer Auflistung aller sozialen Leistungen im

Unternehmen.

Um die Anpassung der Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu

gewährleisten, werden mit allen immer Einzelgespräche geführt bei denen gemeinsame

Ziele vereinbart werden. In diesem Zusammenhang wird auch ein Schulungsbedarf

festgestellt. Jede Art von Weiterbildung wird von dem Unternehmen bezahlt, aber die

Arbeitszeit muss von dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin selbst erbracht werden.

Speziell zu dem Themenbereich Energiemanagement hat das Unternehmen beschlossen

die Weiterbildung und die Arbeitszeit zu bezahlen, um mehr Motivation für dieses

Thema zu generieren.

Markus Elbs berichtet, dass sich durch die Erstellung der Bilanz konkrete Maßnahmen

herauskristallisiert haben. Die Geschäftsleitung fokussiert sich dabei stark auf die

Berührungsgruppe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Zum einen hat man zum

Thema Gesundheitsvorsorge zwei Gesundheitswochen eingeführt, da ersichtlich wurde,

dass in diesem Bereich noch wenig unternommen wird. Zu diesem Anlass kommt

demnächst eine Physiotherapeutin in die Firma, die vom Unternehmen bezahlt wird. Die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können sich eine dreiviertel Stunde behandeln lassen,

welche lediglich von der Arbeitszeit abgezogen wird. Außerdem ist ein

Belohnungssystem für Personen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf Arbeit kommen,

in Planung. Dafür wird gerade ein faires System entwickelt, da die Streckenlänge und

die Beweggründe teilweise sehr unterschiedlich sind. Markus Elbs erzählt, dass es die

Überlegung gibt, die fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die am meisten Weg zu Fuß

oder per Fahrrad zurücklegen, an einer Verlosung teilnehmen dürfen.

Hinsichtlich der Einbringung von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen berichtet Herr

Elbs, dass von der gesamten Belegschaft noch keine Vorschläge mit eingebracht

wurden, da sie es erst mit Veröffentlichung des Berichtes erfahren hat. Von den sieben

Teamleitern, die mit in den Prozess integriert waren, kamen bereits Anregungen wie die

Gesundheitswoche. Außerdem gibt es bereits Vertrauensmitarbeiter und

Vertrauensmitarbeiterinnen, die die Belange der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

vertreten und bezüglich einer getroffenen Prämienvereinbarung mitbestimmen dürfen.

Anhang

109

Dabei wird bei einem Gewinn von mehr als zehn Prozent vom Umsatz, der

überschüssige Teil zwischen der Geschäftsleitung und den Angestellten aufgeteilt,

während die ersten zehn Prozent im Unternehmen bleiben. Es wird in Stunden

ausgezahlt oder als Urlaub vermerkt, sodass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin

gleich viel bekommt, aber seine unterschiedliche Ausbildung und Tätigkeit

berücksichtigt werden. Die Vertrauensmitarbeiter/-innen schauen sich am Ende vom

Jahr die Zahlen an und legen die Prämienstunden fest (2012: 160 Stunden pro

Mitarbeiter/-in).

In Bezug auf die Berührungsgruppe Kunden und Kundinnen hat sich nicht viel durch

die Erstellung des Berichtes geändert, da die meisten Aufträge Einzellösungen sind und

aus diesem Grund immer eng mit den Kunden zusammengearbeitet wird. Es wird aber

noch einmal genauer auf die Zusammenstellung und Arbeit der Projektteams geschaut

und auch direkt beim Team nachgefragt, ob zum bestmöglichen Auftragsergebnis noch

etwas fehlt. Aus diesem Prozess heraus, wurde zum Beispiel bei einem aktuellen

Projekt noch eine Person zusätzlich eingesetzt, weil es an Arbeitskraft gefehlt hatte.

Im Bereich Technologie berichtet Markus Elbs, dass man darauf gestoßen ist, dass das

Heizsystem in der Firma veraltet ist. Um es aktueller und effizienter zu gestalten, nutzt

man jetzt die Abwärme der vielen Rechner zum Heizen des Gebäudes, durch ein

spezielles Rückkopplungssystem.

Aufgrund der Branche und der Tätigkeitsbereiche wird bereits viel mit anderen

Unternehmen zusammengearbeitet und kooperiert. Im Zuge der Berichterstellung,

berichtet Herr Elbs, ist allerdings aufgefallen, dass man sich etwas näher mit den

Arbeitsbedingungen des einzigen Subunternehmers in Indien beschäftigen sollte. Zu

diesem Zweck sollen konkrete Informationen angefordert werden, um die Umstände

etwas näher kennenzulernen, denn Markus Elbs ist klar geworden, dass auch die

indischen Angestellten unter guten Verhältnissen arbeiten sollen. Dafür wäre er auch

bereit, für nachweisbare Änderungen in dem indischen Unternehmen, höherer

Stundensätze zu zahlen. Ihm ist auch bewusst, dass es wahrscheinlich schwer

nachvollziehbar sein wird, aber er glaubt, dass es ein erster Schritt ist, wenn sein

Unternehmen neue Standards setzt und dies auch von mitbeteiligten Unternehmen

verlangt und fördert.

Anhang

110

Rückblickend ist Markus Elbs der Meinung, dass dieser Prozess viel zur Motivation der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beitragen kann und es auch ermöglicht diese zu

erhalten, da man konstant die einzelnen Maßnahmen aufzeichnet und hinterfragt.

Anhang

111

Anhang 4 H: Interview mit Christoph Deinert von „Märkisches Landbrot GmbH“

„Märkisches Landbrot“ ist eine Lieferbäckerei aus dem Raum Berlin, die Brote in

Demeter-Qualität herstellt. Christoph Deinert, der seit 1993 im Unternehmen tätig ist,

leitet es seit kurzem zusammen mit dem Eigentümer Joachim Weckmann. Bei

„Märkisches Landbrot“ spielt der Ansatz des „Total Quality Environmental

Management“ eine große Rolle. Das Unternehmen glaubt daran, dass die Kunden- und

Mitarbeiterzufriedenheit, der gesellschaftliche Nutzen und der unternehmerische Erfolg

umso höher sind, je größer die Qualität und Umweltfreundlichkeit der Produkte ist.

„Märkisches Landbrot“ beschäftigt 47 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wobei 44

Prozent der geleisteten Arbeitsstunden in Teilzeit vollbracht werden. Das Unternehmen

hat für das Jahr 2011 die erste Gemeinwohl-Bilanz erstellt und besitzt drei Sämchen.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren bei der Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz

nur geringfügig integriert, da das Nachhaltigkeitsmanagement ganz oben in der

Geschäftsleitung angesiedelt ist. Christoph Deinert hat Versorgungs- und

Energietechnik studiert und kann dieses Thema gut bewerten, sodass er als

Nachhaltigkeitsbeauftragter der Brotbäckerei auch den kompletten Prozess der

Ökobilanzierung bearbeitet. Somit kamen die Idee und die Umsetzung von der

Geschäftsleitung und die Bilanz selbst wurde von Herrn Deinert und einem Mitarbeiter

und einer Mitarbeiterin der Gemeinwohl-Ökonomie durchgearbeitet. Damals war das

Unternehmen in Berlin noch das einzige Pionier-Unternehmen und somit kam es noch

nicht zur Zusammenarbeit mit anderen, in einer sogenannten Peer-Gruppe. Die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden darüber informiert und bekamen Unterlagen

zum Thema. Langfristig will die Geschäftsleitung die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

noch wesentlich mehr einbinden.

Aufgrund dieser genauen Aufstellung der Daten in den einzelnen Bereichen wurde

offensichtlich, dass es im Unternehmen speziell beim Thema innerbetriebliche

Demokratie und innerbetriebliche Transparenz von strategischen Themen einen

signifikanten Einbruch gibt, wie wahrscheinlich bei vielen inhabergeführten

Unternehmen, glaubt Herr Deinert. Dadurch wurde klar, dass dieses Thema im

Anhang

112

Gegensatz zur Ökologie, die bei „Märkisches Landbrot“ schon auf einem hohen Niveau

ist, in Zukunft mehr beachtet werden muss.

Zum Thema Mitbestimmung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird momentan

einiges überarbeitet. Zum einen wurde das Instrument der Mitarbeiterbefragung bereits

institutionalisiert (alle drei Jahre). Zum anderen werden seit 2013 bei der

Personalentwicklung durch einen externen Trainer nicht mehr ausschließlich der

Führungskreis und die Meisterrunde einbezogen, sondern alle Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen. Dabei muss aber auch bedacht werden, dass es nicht in Frage kommt

alles konsensual zu entscheiden, weil das, für viele andere Bereiche auf die Effizienz

bezogen, Nachteile bringen würde. Diesbezüglich erläutert Christoph Deinert, dass im

Unternehmen zwar bereits schon viele Gesprächsrunden und ähnliche demokratische

Formen gepflegt werden, aber da die Geschäftsführung ein Vetorecht besitzt, honoriert

die Gemeinwohl-Ökonomie das nicht. Aber letztendlich geht es dem Unternehmen auch

nicht unbedingt darum, auf 1000 Punkte zu kommen. Das bisherige Ziel liegt zwischen

600 und 700 Punkten und wurde bereits bei der ersten Bestandsaufnahme schon

erreicht.

Hinsichtlich des Themas Werte und dessen strategische Verankerung, beschreibt

Christoph Deinert, dass diese zum großen Teil in den veröffentlichten Firmenzielen

verankert sind. Vor allem geht es um das Streben nach einer ökologisch-sozialen

Wirtschaftsweise in der Region. Dementsprechend werden die Produkte nach Demeter-

Qualität hergestellt und Bauern/Bäuerinnen und Mitarbeiter/-innen fair bezahlt.

In Bezug auf Qualität und Sinn der Produkte, ist bei „Märkisches Landbrot“ kaum eine

Steigerung möglich, da bereits 93 Prozent der Rohstoffe in Demeter-Qualität und sechs

Prozent in anderer Bio-Qualität bezogen werden. Das restliche eine Prozent ist nicht in

einer hochwertigeren Qualität auf dem Markt erhältlich. Die Bauern werden beim

Anbau von alten und seltenen Getreidesorten unterstützt, um die Artenvielfalt zu

erhöhen. Außerdem ist man bereit den Bauern einen bis zu zehnmal höheren Marktpreis

zu bezahlen, um regionale Rohstoffe einkaufen zu können. Innerbetrieblich gibt es im

technologischen Bereich seit 1995 ein nach EMAS zertifiziertes

Umweltmanagementsystem mit dessen Hilfe man permanent bestrebt ist, den Betrieb

ressourcenschonender und energieeffizienter zu gestalten. Des Weiteren wird in der

Anhang

113

Produktion nur nach Demeter-Richtlinien gearbeitet, also unter minimalem Einsatz von

Zusatzstoffen.

Zum Thema Kooperation berichtet Christoph Deinert, dass seit Anfang an die

Kooperation mit den Bauern eine wichtige Rolle gespielt hat. Zum einen, um hohe

Qualität zu garantieren und zum anderen um den Produzenten und Produzentinnen

vernünftige Arbeitsbedingungen und Entlohnung zu bieten. Seit 1981 gibt es zu diesem

Zweck den sogenannten runden Tisch, bei dem sich im Sommer mit den Bauern,

Bäuerinnen und interessierten Bäckern und Bäckerinnen zusammengesetzt und darüber

gesprochen wird, welche Getreidemengen benötigt werden und wie viel davon die

Produzenten liefern können. Dann wird konsensual bestimmt, wer wann wie viel liefern

soll, wobei eventuelle Lagerschwierigkeiten mit einbezogen werden. Ein wesentliches

Element der Runde ist die Preisfindung. Die Getreidepreise werden dabei unter der

Prämisse einer guten Auskömmlichkeit für die Bauern und Bäuerinnen konsensual

festgelegt und gelten zeitlich unbegrenzt. Ist ein Mitglied der Runde nicht mehr mit den

Preisen einverstanden, wird neu verhandelt. Seit neuesten kommt zu dem noch die

„fair+regional“-Runde (Berlin-Brandenburg) hinzu, bei dem alle Bauern und

Bäuerinnen, jedes Jahr anonym abstimmen, ob der jeweilige Abnehmer oder die

jeweilige Abnehmerin, ihrer Meinung nach fair handelt. Falls ein Bauer oder eine

Bäuerin verneint, muss der Abnehmer oder die Abnehmerin sein „fair+regional“-Sigel

abgeben.

„Märkisches Landbrot“ hat etwa 270 Kunden und Kundinnen (Einzelhandel). Die 40

größten Kunden und Kundinnen werden monatlich besucht und zum Teil finden auch

gemeinsame Jahresgespräche statt. Außerdem ist man auch gemeinschaftlich organisiert

in verschiedenen Verbänden wie zum Beispiel der FÖL (Fördergemeinschaft

Ökologischer Landbau e.V.), bei denen man sich gelegentlich trifft.

Abschließend meint Christoph Deinert, dass die Gemeinwohl-Bilanz ein interessantes

Instrument ist, um sich an den Erwartungen der Gesellschaft an das Unternehmen zu

messen. So ist durch die Gemeinwohl-Ökonomie das erste Mal möglich, Nachhaltigkeit

in Zahlen zu messen und branchenübergreifend vergleichbar zu gestalten. Dieses

Instrument ermöglicht dem Unternehmen zu sehen, wo es im Vergleich zu anderen

gerade steht und wo es noch Raum für Verbesserungen gibt. Besonders aufgefallen ist

Anhang

114

dem Unternehmen, dass es an der Organisation und Entscheidungsstruktur noch etwas

verbessern kann.

Anhang

115

Anhang 4 I: Interview mit Florian Gerull von „Ökofrost GmbH“

„Ökofrost“ ist ein Großhändler für Bio-Tiefkühlkost und beschäftigt derzeit 17

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Florian Gerull ist der Geschäftsführer des

Unternehmens, welches er 1996 mit gegründet hat. In diesen Jahren hat „Ökofrost“ den

Bio-Tiefkühlmarkt wesentlich vorangetrieben, indem viele Produkte umgesetzt,

verbessert und neu entwickelt wurden.

In der Unternehmensvision kann man lesen: „(...) Wir sind Mitgestalter einer neuen

Wirtschaftsethik, für deren Verbreitung in der Gesellschaft wir uns engagiert einsetzen.

Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Offenheit, Authentizität, gesunde Entwicklung,

permanentes Lernen und Sinnhaftigkeit für Mensch und Gesellschaft sind dabei die

Basiswerte, nach denen wir unser Handeln ausrichten. (...)“ (Auszug aus der

Unternehmensvision, entnommen aus der Gemeinwohl-Bilanz 2012)

Das Unternehmen erstellte 2012 das erste Mal die Gemeinwohl-Bilanz, veröffentlichte

den dazugehörigen Bericht und besitzt drei Sämchen.

Zu Anfang wurde darüber gesprochen, dass es momentan wahrscheinlich schon noch

eher so ist, dass für die meisten Pionier-Unternehmen der Beitritt zur Gemeinwohl-

Ökonomie eine logische Konsequenz ihres bisherigen Wirtschaftens ist und eine

Gelegenheit eine Momentaufnahme ihres bisherigen Handelns herzustellen. Florian

Gerull meinte dazu auch, dass Werte und Kultur des Unternehmens schon eher in diese

Richtung gehen müssen, damit man überhaupt auf die Idee kommt der Gemeinwohl-

Ökonomie beizutreten. Dementsprechend ist es momentan noch nicht der Fall, dass der

Beitritt zur Gemeinwohl-Bewegung einen sehr großen Bewusstseinswandel auslöst. Er

wird jedoch in Firmen, die bereits nachhaltiger wirtschaften, verstärkt. Er glaubt aber

trotzdem, dass die Gemeinwohl-Ökonomie bzw. die Beschäftigung damit, dazu in der

Lage wäre, einen Kulturwandel hervorzurufen.

Bei ihm in der Firma hat sich dieser Kulturwandel in Bereichen des Unternehmens

eröffnet, in denen er noch nicht gestartet war, wie zum Beispiel im Punkt Hierarchie.

Herr Gerull berichtet, dass es während dieses Prozesses zu einer Trennung in der

Geschäftsebene kam, weil die Zielrichtungen nicht mehr zusammenpassten. Ende des

Jahres 2011 ging sein Kollege aus der Geschäftsführung. Er erzählt, dass viele Jahre die

Anhang

116

erste Antwort auf die Frage „Warum machen wir das?“, um Geld zu verdienen, war. Mit

dem ersten brauchbaren Gewinn in 2010, also einer finanziellen Sicherheit, wurde

erstmals die Frage nach dem eigentlichen Sinn gestellt. Von diesem Zeitpunkt an,

wurde sich im Unternehmen das erste Mal mit Werten auseinandergesetzt. So kam es

auch, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen äußerten, dass sie nicht ganz mit der

Gehaltsstruktur zufrieden sind. Dadurch wurde ein Workshop initiiert, bei dem

herausgefunden werden sollte, was für eine Art Gehaltsmodell sich die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen wünschen. Aus diesem Grund haben sich alle zum ersten Mal mit

diesen Wert- und Sinnfragen auseinander gesetzt. Resultierend aus diesem Impuls,

wurde sich mit der Entwicklung eines neuen Leitbildes beschäftigt. Aus diesem Prozess

wiederum resultierte die Frage, wie diese neuen Ideen in die Praxis umgesetzt werden

sollen. So kamen weitere Fragen auf: Wie können wir das messen?, Wo stehen wir?,

usw. Etwa Zeitgelich, fiel ihm das Buch von Christian Felber in die Hand. Diese

Methode der Bilanzierung war für den Geschäftsführer eine passende Antwort auf seine

Fragen. Demnach war die Gemeinwohl-Bilanz für „Ökofrost“ weniger der Anstoß

etwas zu unternehmen, sondern mehr eine Möglichkeit die bisherigen Maßnahmen zu

messen.

Florian Gerull schildert, dass der Prozess der Erstellung der Bilanz dann relativ zeitnah

gestartet wurde und in diesem Prozess auch noch viele Punkte aufkamen, die man noch

verbessern könnte. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden abwechselnd in die

Erstellung der Bilanz mit einbezogen, sodass man immer in einer Runde von vier

Personen zusammensaß und an der Bilanz gemeinsam weitergearbeitete. Es kam aber

auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Kriterien der Bilanz. Herr Gerull

ist der Meinung, dass dieser Prozess die Bewusstseinsbildung im Unternehmen stärkt.

Alleine die Auseinandersetzung mit den Kriterien fördert sehr stark das eigene

Bewusstsein und die Kommunikation untereinander. Teilweise hat man auch

Widersprüche zur Bilanz erkannt und war sich einig, dass man nicht an allen Stellen die

volle Punktzahl erreichen möchte.

Ein Punkt, der durch die Bilanzerstellung wieder ins Leben gerufen wurde, war die

Transparenz im und außerhalb des Unternehmens. Herr Gerull sagt: „Wir haben sehr

viel schon intern gemacht, aber noch nicht alles davon nach außen kommuniziert.“ Er

glaubt, dass durch die erste Generation der Bilanzersteller und –erstellerinnen das

Anhang

117

Konzept automatisch weitergetragen wird. Man dient als Multiplikator, denn es wird

den Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Lieferantinnen, usw. kommuniziert. Auf

diese Art und Weise werden vielleicht auch Personen erreicht, bei denen dieser Wandel

noch nicht stattgefunden hat. Er glaubt, dass sie sich davon hingezogen fühlen, wenn

Sie von Verbesserungen hören, wie die Entwicklung eines neuen Gehaltsmodelles durch

das die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen total motiviert und zufrieden sind. Er berichtet,

dass ein Vertriebsmitarbeiter von „Ökofrost“ begeistert mit Einkaufsmitarbeitern eines

Kunden gesprochen hat. Solche Ereignisse könnten sehr inspirierend wirken.

Die Gemeinwohl-Ökonomie bewirkt, dass wieder erkannt wird, dass nicht jeder nur

eine Funktion trägt, sondern auch ein Mensch ist, der anerkannt und wertgeschätzt

werden möchte. Dadurch haben die Menschen umso mehr Begeisterung in den Augen

und sind authentischer. Florian Gerull erklärt, dass es in der Wirtschaft bisher so ist,

dass weiche Motivationsfaktoren ein Thema sind, aber die Umsetzung meist zu teuer

erscheint. Dabei sind es die wesentlichen Faktoren, die Motivation fördern. So werden

Kreativität und Potential systematisch abgeschnitten. Meistens ist es aber eigentlich so,

dass wenn jemand für etwas brennt, er oder sie ganz andere Kräfte mobilisiert, als wenn

er oder sie nur eine Aufgabe verordnet bekommt. Dieser neue Ansatz wäre sowohl

positiv für die Geschäftsführer, da die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kreativ und

produktiv sind, als auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, da sie mit der Arbeit

ihre persönlichen Ziele verfolgen können. So kommt eine Win-Win-Situation zustande.

Genaueres zum Thema Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen kann man im Gemeinwohl-Bericht 2012 finden. Die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen von „Ökofrost“ haben die Möglichkeit kostenfrei Workshops zu

besuchen zu Themen wie Holakratie, Selbstcoaching, usw.

Hinsichtlich der Entscheidungsprozesse im Unternehmen verfolgt Florian Gerull das

Ziel, dass zukünftig alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen genau über ihren

Verantwortungsbereich Bescheid wissen, welcher anhand ihrer Kompetenzen entworfen

wurde, sodass immer der-, diejenige oder das Team mit der größten Qualifikation

entscheidet (sogenanntes Kreismodell). So wird es ermöglicht, dass die betroffenen

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entscheiden können und für den Prozess und die

Anhang

118

Entscheidung selbst verantwortlich sind. So hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin

eine gewisse Macht im Unternehmen.

Zum Thema Kooperation berichtet Florian Gerull, dass „Ökofrost“ anfangs noch relativ

wenig Vernetzung in der Branche hatte. Mit der Entwicklung der Marke „Biopolar“ vor

einigen Jahren, haben sie sich entschieden, diese dem ganzen Markt zu Verfügung zu

stellen. Dadurch war es möglich mit anderen Großhändlern eine Art Netzwerk

aufzubauen. Auf diesem Weg ist es möglich die Regionalität einiger

Kooperationspartner und –partnerinnen zu nutzen. Da diese in ihrer Region besonders

gut vernetzt mit dem Einzelhandel sind. Während „Ökofrost“ deutschlandweit operiert

und kleine Abnehmer und Abnehmerinnen teilweise aufgrund zu kleiner Bestellzahlen

nicht beliefern kann, können regionale Großhändler und Großhändlerinnen diese

Mengen liefern. Auf dieser Ebene wurde bereits mit anderen Unternehmen kooperiert.

Durch die Gemeinwohl-Ökonomie unterhält man sich auch einmal über die Werte, die

in den verschiedenen Unternehmen vorherrschen, also nicht nur über Zahlen und harte

Fakten. Herr Gerull meint, der Gedanke allein, dient schon als Plattform.

Abschließend erläutert der Geschäftsführer, dass dieser Prozess motivierend für die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein kann, aber es kommt auch darauf an wie er

gestaltet wird. Wenn der Bericht zum Beispiel vom Geschäftsführer alleine erstellt wird,

hat dies natürlich eine ganz andere Wirkung auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,

als wenn sie selber daran beteiligt sind. Er ist der Meinung, dass es wahrscheinlich nur

funktioniert, wenn das Modell von oben initiiert wird, aber jeder muss mit entscheiden

können

Weitere Erkenntnisse aus dem Interview:

Florian Gerull sieht die Gefahr bei der Gemeinwohl-Ökonomie darin, dass sie

womöglich auch sehr wissenschaftlich und technisch wirkt. So dass man aufpassen

muss, dass es nicht nur ein weiteres technisches Instrument wird, mit dem etwas

messbar ist. Es sollte schon kritisch hinterfragt und überlegen werden, was wie im

eigenen Unternehmen sinnvoll ist.

Außerdem erzählt er, unterscheidet sich der Gemeinwohl-Bericht von anderen Berichten

ähnlicher Natur, wie zum Beispiel dem Nachhaltigkeitsbericht, da er nicht nur die

Anhang

119

positiven Dinge auflistet, sondern auch kritisch hinterfragt und negative, noch

verbesserungswürdige Aspekte aufzeigt.

Anhang

120

Anhang 4 J: Interview mit Sonja Goldbrunner von „Ökoring“

Sonja Goldbrunner ist bei der „Ökoring Handels GmbH“ im Verkauf und als

Projektleitung der Gemeinwohl-Ökonomie tätig. Sie hat den ersten Bericht (2011) mit

erstellt und auch den des Jahres 2012, der noch nicht veröffentlicht wurde, da er

demnächst erst vom Auditor geprüft wird.

Die „Ökoring Handels GmbH“ ist ein Naturkostgroßhandel von ökologisch

produzierten Produkten auf regionaler Ebene und beschäftigt derzeit 140 Mitarbeiter

und Mitarbeiterinnen. Die Kunden und Kundinnen der „Ökoring Handels GmbH“ sind

unter Anderem Naturkostfachgeschäfte, Hofläden, Außer-Haus-Verpflegung, wie

Hotels, sowie Kantinen und Kindergärten. Das Unternehmen berät die Kunden auch

zum Thema Sortiment- und Ladengestaltung.

Zu den Anfängen der Gemeinwohl-Ökonomie im Unternehmen erzählt Frau

Goldbrunner, dass das Unternehmen schon immer Nachhaltigkeitsberichte erstellt und

sich stark mit diesem Thema beschäftigt. Der ehemalige Geschäftsführer Robert Dax

besuchte 2010 einen Vortrag von Christian Felber und war sofort begeistert von der

Idee und beschloss der Regionalgruppe Bayern beizutreten, um am Prozess

teilzunehmen. Man entschied sich dazu, um den aktuellen Stand des Unternehmens und

Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Gemeinwohlleistungen, zu erkennen. Auf der

Unternehmenswebseite kann man folgenden Ausspruch finden: „Der Ökoring hat sich

einer Gemeinwohl Bilanz unterzogen. Der Gemeinwohl Bericht, sowie unsere Bilanz

2011 zeigen umfangreich auf, wo wir bereits viel erreicht haben. Gleichsam aber

bedeuten sie uns auch: weiter zu gehen, an unserer Firmenphilosophie festzuhalten und

uns konstant zu optimieren.“ (http://www.oekoring.com) Das Unternehmen besitzt drei

Sämchen. Die Gemeinwohl-Bilanz wurde durch einen autorisierten Auditor geprüft und

der Presse vorgestellt.

Um das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

zu kommunizieren, wurde eine Projektgruppe zum Thema Nachhaltigkeit mit einem

Stellvertreter oder einer Stellvertreterin aus allen Unternehmensbereichen (Einkauf,

Verkauf, Marketing, Qualitätsmanagement, Lager und Geschäftsführung) gebildet,

damit sie sich mit dem Thema beschäftigen können und es in ihren jeweiligen

Anhang

121

Bereichen kommunizieren. Außerdem gibt es ein firmeninternes Intranet auf dem alle

Informationen zum Thema veröffentlich wurden, aber es liegt letztendlich an dem oder

der Einzelnen in wieweit er oder sie sich damit beschäftigt. Da das Unternehmen mehr

oder weniger in Büro und Lager geteilt ist, kann man sagen, dass der Bürobereich

besser Bescheid weiß als die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Lager, aber die

Erstellung des Berichtes gibt auf jeden Fall Ansporn die Idee im Unternehmen mehr zu

verbreiten.

Auf die Frage, ob die Werte der Gemeinwohl-Bilanz in der allgemeinen

Unternehmensstrategie verankert werden, antwortet Sonja Goldbrunner mit teils, teils.

Im Bereich der Demokratie ist noch vieles ausbaufähig. Maßnahmen diesbezüglich sind

geplant, aber noch schwer durchsetzbar. Maßnahmen zu erhöhter Mitbestimmung der

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden eingeleitet, wie zum Beispiel die

Mitbestimmung bei der Ernennung neuer Abteilungsleiter und -leiterinnen.

Ob sie glaubt, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich mit dem Unternehmen als

Pionierunternehmen stärker identifizieren können als ohne dieses Engagement,

beantwortet sie mit einer Vermutung, da dieser Punkt kaum messbar ist. Sie vermutet

und kann es auch von sich selbst bestätigen, dass das Wissen darüber, dass man für so

eine Art Unternehmen arbeitet viel motivierender wirkt als bei Unternehmen, die nur

wirtschaftlich denken.

Um die Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an den allgemeinen Wandel

bezüglich nachhaltiger Entwicklung anzupassen, werden Produktschulungen und

Maßnahmen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchgeführt.

Die Tatsache, dass das Unternehmen einen Gemeinwohl-Bericht erstellt, bewirkt laut

Frau Goldbrunner eine Verstärkung dieses Bestrebens.

Es werden auch Projekte und Maßnahmen speziell zur Verbesserung der Gemeinwohl-

Bilanz entwickelt. Zum Beispiel wird beim Neubau des Gebäudes speziell darauf

geachtet, dass nur nachhaltig hergestellte Möbel gekauft werden. Außerdem sollen

zukünftig die Auslieferungstouren optimiert werden, um CO2 einzusparen.

Freiräume für Vorentwicklungsprozesse werden nicht direkt geschaffen. Diese

Vorentwicklungsarbeiten übernimmt das Nachhaltigkeitsteam. Sonja Goldbrunner

Anhang

122

erzählt, dass innovative Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jedoch immer gerne

gesehen sind und auch meistens umgesetzt werden. Direkte finanzielle oder nicht

finanzielle Anreize werden nicht geschaffen, aber sie glaubt, dass das Wissen darüber,

dass neue Ideen mehr als willkommen sind und gerne umgesetzt werden, ein Anreiz

sein könnte. Letztens erst hätte ein Mitarbeiter vorgeschlagen, dass man ergonomische

Stühle in den Büros einführen könnte, da er Rückenbeschwerden hat. Daraufhin wurden

diese Stühle für die Büros besorgt.

Des Weiteren wurde sowohl im Gespräch als auch im Gemeinwohl-Bericht deutlich,

dass die Optimierung der Demokratie im Unternehmen eines der wichtigsten Punkte ist,

die bei der Erstellung des Berichtes und der Bilanz deutlich wurden. So etwa wurden

die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Neubau der Büro- und Lagerflächen mit

einbezogen und die Baupläne wurden transparent offengelegt.

Zum Thema Einbeziehung der Kunden und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von

Neuerungen berichtet Frau Goldbrunner, dass seit zwei Jahren die Kunden und

Kundinnen bei Neulistungen von Produkten mit einbezogen werden, indem man

Probeprodukte vergibt und dann abstimmen lässt. So wird gewährleistet, dass die

Produkte, die neu übernommen werden auch wirklich gebraucht und verkauft werden.

Qualität und Umweltfreundlichkeit der Produkte hat sich nach Sonja Goldbrunner mit

der Einführung der Gemeinwohl-Bilanz nicht verändert, da dieser Aspekt seit Anfang

an einer der Hauptpunkte im Unternehmen ist, aber durch den Bericht kann genau

kontrolliert werden wie viele Produkte wirklich aus der Region kommen und wo

vielleicht noch Raum zur Optimierung wäre.

Um ressourcenschonender zu Wirtschaften wurde die Optimierung von Fahrtstrecken

bei der Auslieferung durch die Erstellung des Berichtes angeregt. Dazu sollen die

Kunden und Kundinnen befragt werden, ob es möglich wäre eine Tour, die an einem

Tag fern ab der eigentlichen Strecke liegt, ausfallen zu lassen. Die Befragung ist

wichtig, da man generell daran bedacht ist die Abnehmer und Abnehmerinnen so oft

wie möglich beliefern zu können.

Bezüglich des letzten Themenbereichs Kooperation erwähnt Sonja Goldbrunner, dass

das Unternehmen bereits versucht mit anderen Unternehmen zu kooperieren. Deshalb

Anhang

123

wird seit Kurzem eingeleitet mit vier anderen Großhandelsunternehmen in anderen

Regionen Deutschlands zusammenzuarbeiten um Zahlen und Wissen auszutauschen.

Außerdem hatten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit eines der anderen

Unternehmen in ihrem Tätigkeitsbereich zu besuchen und zu vergleichen.

Laut Sonja Goldbrunner kann das Unternehmen besonders bezüglich

Dienstleistungsinnovationen, was die Zusammenarbeit mit den Kunden und Kundinnen

angeht und sozialen und organisatorischen Innovationen, da die Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen mehr in Entscheidungen und Neuerungen mit einbezogen werden,

Fortschritte vorweisen.

Anhang

124

Anhang 4 K: Interview mit Uwe Treiber von „Sonnendruck GmbH“

Seit 2010 ist Uwe Treiber der Geschäftsführer des Unternehmens, welches neun

Vollzeit- und drei Teilzeitmitarbeiter und -mitarbeiterinnen beschäftigt. „Sonnendruck“

ist eine Offset-Printdruckerei, die Prospekte, Kataloge, Magazine, Verpackungen, usw.

herstellt. Uwe Treiber hat im Unternehmen einige Änderungen durchgeführt, in dem er

2010 die FSC-Zertifizierung vollzogen hat und seit 2011 klimaneutrales Drucken

anbietet.

Das Unternehmen ist seit 2012 Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie und besitzt drei

Sämchen. Im Gemeinwohl-Bericht kann man lesen, dass Herr Treiber durch einen

Vortrag von Christian Felber auf der Messe „Karma Konsum“ auf die Gemeinwohl-

Ökonomie aufmerksam geworden ist. Da dieses Konzept im Einklang mit seiner

Firmen- und Lebensphilosophie ist, entschloss er sich beizutreten und die Bewegung zu

unterstützen. Ihm fiel seit Jahren auf, dass in dem wirtschaftlichen Rahmen, wie er

momentan aufgestellt ist, Menschen leiden müssen und ausgebeutet werden, um

Gewinne zu maximieren. Dadurch nutzte er die Gelegenheit, um schauen zu können, wo

sein Unternehmen steht und wo Verbesserungspotential vorhanden ist. Außerdem

wünscht er sich in diesem Kreis neue Kunden und Kundinnen, die ähnlich denken wie

er.

Uwe Treiber berichtet, dass er Anfang 2012 die Gemeinwohlinitiative Rhein-Neckar

mit ins Leben gerufen hat und daran anschließend den ersten Bericht erstellte und

veröffentlichte. Am Anfang wurde der Bericht in einer Peer-Gruppe mit anderen

Unternehmern und Unternehmerinnen der Initiative erstellt. Dies lief allerdings sehr

schleppend und somit entschloss sich Herr Treiber zusammen mit einer weiteren Person

aus dem Unternehmen den Bericht fertigzustellen.

Um das Thema den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu kommunizieren, gab es eine

Besprechung speziell zu diesem Zweck. Außerdem meint er, dass zwischendurch jeder

und jede in den alltäglichen Gesprächen die Neuigkeiten mitbekommt, da es ein kleiner

Betrieb ist. Er hat seit Anfang an und noch bevor er das Unternehmen geleitet hat, mit

den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen darüber gesprochen in welche Richtung, sprich

nachhaltige Entwicklung, soziales Engagement, usw., er gehen möchte. Die

Anhang

125

Bilanzvorstellung vor der Presse ereignete sich im Unternehmen, bei der auch alle

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anwesend waren.

Auf die Frage, ob sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dieser Art von

Unternehmen mehr identifizieren können, war er der Meinung, dass das schon der Fall

ist, da die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitbekommen, dass in anderen Druckereien

eher Lohnkürzungen als -erhöhungen vorgenommen werden und momentan auch viele

Druckereien schließen müssen. Er glaubt, dass sie zum Teil stolz darauf sind in so

einem Unternehmen arbeiten zu dürfen. Er teilt auch alle Neuigkeiten immer

konsequent mit. Weiterhin berichtet er, dass zurzeit die Druckbranche sehr angespannt

ist, da jeder und jede versucht sich preislich zu unterbieten, aber ihm ist auch klar, dass

diese Differenz meist die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bezahlen müssen. Auch aus

diesem Grund ist er der Gemeinwohl-Ökonomie beigetreten, damit bei ihm im

Unternehmen diese Mentalität nicht zustande kommt. Ein weiterer Fakt, der für ihn

unbegreiflich ist, ist der, dass die Kommune Wiesloch, in der er tätig ist, Steuern

bezahlt und Arbeitsplätze schafft, die Druckaufträge grundsätzlich über

Ausschreibungen an die billigsten Druckereien vergibt und nicht an die Druckerei im

Ort. Deshalb ist er in Kontakt zu Politikern und Politikerinnen in Baden-Württemberg

und Berlin um diese Missstände zu kommunizieren, aber eine Veränderung von Seiten

der Politik wird wohl so schnell nicht eingeleitet werden.

Durch den Prozess der Erstellung und Auditierung der Bilanz ist er auf viele Aspekte

gestoßen, die noch verbessert werden können. Beim Thema Papiereinkauf könnte zum

Beispiel mehr hinterfragt werden, inwiefern dieser Lieferant oder Lieferantin die

gleichen Werten teilt und wenn nicht, ob man vielleicht einen passenderen

Papierhändler oder -händlerin finden könnte. Zu diesem Zweck führt er ständig

Einzelgespräche mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, um die Potentiale zur

Verbesserung zu besprechen und ihnen die Möglichkeit zu geben, diese in

Eigeninitiative umzusetzen.

Zum Thema Kundeneinbeziehung, erklärt Herr Treiber, dass er die Kunden und

Kundinnen über die Gemeinwohl-Ökonomie informiert, da er selbst sein Engagement,

als eine Form des Marketings, mit nach außen tragen möchte. Diesbezüglich kam sehr

Anhang

126

viel positives Feedback von den Kunden und Kundinnen. Er meint, dass man so mehr

mit den Interessenten und Interessentinnen ins Gespräch kommt.

Im technologischen Bereich würde er gerne noch Neuerungen einleiten, wie zum

Beispiel das Anbringen einer Photovoltaikanlage, aber da die Räume gemietet sind und

der Vermieter daran kein Interesse hat, ist es schwer umsetzbar. Bezüglich der Anlagen

ist es finanziell unmöglich immer die neuesten Druckmaschinen anzuschaffen. Durch

den Bericht wird das Bewusstsein dafür geschärft und man versucht aus dem, was man

hat, das Beste herauszuholen.

Bezüglich der Kooperation mit anderen Unternehmen ist Uwe Treiber bestrebt ein

Netzwerk aufzubauen, indem er in diversen Foren und der Gemeinwohl-Initiative Rhein

Neckar tätig ist. Er möchte den Gedanken weiterverbreiten. Die Kooperation mit

anderen Druckereien ist eher schwerfällig, da die Druckereien mittlerweile um jeden

Auftrag konkurrieren, aber er pflegt eine Kooperation mit einer Druckerei aus

Heidelberg. Dabei übernimmt die Heidelberger Druckerei größere Aufträge von

„Sonnendruck“ für die die Kapazitäten nicht vorhanden sind und „Sonnendruck“

bekommt im Austausch dafür kleinere Aufträge vermittelt.

Zusammenfassend beschreibt er, dass besonders in den Bereichen des

Beschaffungswesens und der Transparenz nach außen, Potential zur Verbesserung

existiert. Die Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich nach Uwe

Treiber noch nicht allzu sehr verändert, er würde sich aber mehr diesbezüglich

wünschen. Obwohl er im Großen und Ganzen das Gefühl hat, dass sie froh sind bei

„Sonnendruck“ zu arbeiten. Er meint, dass es nicht möglich ist, Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichem Interesse, einfach davon zu überzeugen. Er hat

zum Beispiel ein Fahrrad für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Verfügung

gestellt, damit auf diesem Wege das Mittagessen um die Ecke geholt werden kann, aber

der einzige, der mit diesem Fahrrad fährt, ist bislang er. Er ist aber weiterhin bestrebt

mehr Engagement von Seiten der Belegschaft zu gewinnen.

Anhang

127

Anhang 4 L: Interview mit Sonja Aigner von „Sonnentor Kräuterhandelsgesell-

schaft mbH“

Sonja Aigner ist Leiterin des Unternehmensbereiches Marketing bei der „Sonnentor

Kräuterhandelsgesellschaft mbH“ und seit sechs Jahren im Unternehmen tätig. Das

Unternehmen wurde 1988 von Johannes Gutmann mit der Idee, die Kräuterspezialitäten

der Region (Waldviertel, Österreich) in Bio-Qualität zu vermarkten, gegründet.

„Sonnentor“ ist bestrebt traditionelle bäuerliche Strukturen der Region zu unterstützen

und zu bewahren. Für diese besondere Arbeit bekam das Unternehmen bislang viele

Auszeichnungen wie den Innovationspreis der Niederösterreichischen

Wirtschaftskammer oder den österreichischen Klimaschutzpreis. Das Unternehmen

beschäftigt derzeit 170 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und besitzt drei Sämchen in

der Gemeinwohl-Ökonomie.

Der Beitritt zur Gemeinwohl-Ökonomie war eine logische Konsequenz des bisherigen

Handelns. Sonja Aigner ist im Kernteam, von vier Personen, zur Erstellung der

Gemeinwohl-Bilanz. Momentan wird an der Finalisierung der Gemeinwohl-Bilanz 2013

gearbeitet. Sonja Aigner berichtet, dass bei dieser Bilanz viel mehr versucht wurde die

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Prozess zu integrieren als im Vorjahr. Damit es

eine Bilanz wird, die wirklich alle Bereiche anschaut und jeden Mitarbeiter und jede

Mitarbeiterin diesen Prozess als Plattform nutzen kann, um Verbesserungen

anzubringen und voranzutreiben. Bei der Erstellung des ersten Berichtes 2011 wurden

die Abteilungen durchgegangen und befragt, wie der Stand der Bereiche in Bezug auf

die Gemeinwohlleistungen bereits ist. Aber dies verlief noch ausschließlich in dem

Rahmen von gezielten Interviews und Befragungen. So wurde der erste Bericht auch

relativ technisch. 2012 wurde versucht, den Bericht generell etwas anders zu schreiben,

damit dieser verständlicher für den Leser und die Leserin wird. Beim aktuellen Bericht

wird darauf geachtet, dass wirklich ein Großteil der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

einbezogen wird, um auch zu erkennen, ob es neue Ideen im Unternehmen gibt, die

umgesetzt werden können. Dies verlief so, dass bei einer Mitarbeiterinformationsrunde

das Konzept und die Kriterien der Gemeinwohl-Bilanz noch einmal genau vorgestellt

wurden und eingeleitet wurde, dass sich pro Kriterium etwa zwei Mitarbeiter oder

Mitarbeiterinnen finden, die sich bereit erklären diesen Bereich kritisch zu betrachten

Anhang

128

und Ideen bzw. Verbesserungsvorschläge zu sammeln. Dieser Fortschritt bezüglich der

Einbeziehung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen resultierte aus dem Wunsch die

Bewegung voranzutreiben und in Erfahrung zu bringen inwieweit das Konzept von der

Belegschaft bereits angenommen und verstanden wird. Dadurch sollte geprüft werden,

wo das Unternehmen nach den ersten zwei Berichten steht und ob wirklich alle

Formulierungen und Beschreibungen im Handbuch der Gemeinwohl-Ökonomie von

allen verstanden werden, denn nur so kann Mitbestimmung und Demokratie

gewährleistet werden.

Sie berichtet, dass durch diesen Prozess zum ersten Mal festgehalten wurde, was das

Unternehmen im Sinne des Gemeinwohls alles leistet. Frau Aigner hatte schon das

Gefühl, dass viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr beeindruckt von dieser

Zusammenfassung waren. So wurden alle Informationen zum Unternehmen für jeden

Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ersichtlich und zugänglich. Es gab aber auch

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nicht so gerne den Bericht ganz lesen und

durchgehen wollten, da sie dies eher als zusätzliche Arbeit ansehen. Sie ist sich aber

auch bewusst, dass man akzeptieren muss, dass dieses Thema nicht für jeden gleich

wichtig ist.

Durch die Erarbeitung der einzelnen Berichte und die anschließende Befragung durch

den Auditor haben sich viele Aspekte aufgezeigt, auf die man zuvor noch nicht geachtet

hat. Zum Thema Kommunikation gab es öfters kritische Nachfragen durch den Auditor,

da sich das Unternehmen „Sonnentor“ als sehr positiv empfindet und dies auch auf die

gleiche Art und Weise kommuniziert, wurde hinterfragt, ob dies auch wirklich genauso

im Unternehmen kommuniziert und gelebt wird. Denn durch die sehr positive Sprache

kann auch schnell Ungläubigkeit bei dem Leser oder der Leserin aufkommen. An

diesem Punkt soll in Zukunft gearbeitet werden. Ein weiterer Aspekt der aufkam, war

die Arbeitsqualität in der Produktion und Verpackung. Hinsichtlich der Verbesserung

der physischen Gesundheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden

Gymnastikbälle beschafft. Laut Frau Aigner ist dieser Prozess im Unternehmen sehr

spannend, da dadurch Kleinigkeiten ans Licht kommen, die oft sehr viel bewirken.

Bezüglich der Weiterentwicklung der Qualifikationen der Mitarbeiter und

Mitarbeiterinnen, werden bei „Sonnentor“ permanent kostenlose

Anhang

129

Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Durch die kritische Beobachtung des Auditors

wurde aber sichtbar, dass nur etwa zwei Drittel der Belegschaft dieses Angebot nutzt.

Somit stellte sich die Frage, aus welchem Grund nicht alle daran teilnehmen. Zukünftig

soll an diesem Punkt gearbeitet werden. Dazu sollen die einzelnen Abteilungen befragt

werden. Sonja Aigner schildert, dass eine weitere konkrete Maßnahme durch diesen

Prozess entstanden ist, nämlich die Umstellung von der konventionellen

Mitarbeitervorsorgekasse auf die „fair-finance“, die neben ihrem Kerngeschäft noch

einen „Beitrag zur Lösung von sozialen und ökologischen Problemen“ (http://www.fair-

finance.at/ueber-uns/) leistet.

Hinsichtlich der Arbeit mit den Auditoren beschreibt Frau Aigner, dass es teilweise

noch sehr kompliziert ist, da der Auditor sehr viel über das Unternehmen wissen muss

und einen genauen Einblick bekommen muss, um richtig urteilen zu können. So kam es

zum Beispiel dazu, dass bei einem Zusammentreffen mit dem Auditor in der Firma,

dieser das Thema der 60 zusätzlich beschäftigten freien Dienstnehmer und

Dienstnehmerinnen bemängelte. Aber die Verantwortlichen im Unternehmen wissen,

dass diese Personen, genau dieses Beschäftigungsverhältnis wertschätzen, da es optimal

für ihren Alltag ist, der gleichzeitig zur Betreuung von Kindern, pflegebedürftigen

Personen, usw. genutzt werden muss. Diese Personen stammen auch alle aus der

Region. Laut Frau Aigner wünscht nur eine der Personen eine Volleinstellung. Solche

und ähnliche Themen bedürfen immer einem extra Gespräch mit dem Auditor, um

Verständnis dafür aufbringen zu können und zu realisieren, dass an dieser Stelle kein

Veränderungsbedarf vorhanden ist. Das Problem dabei ist, dass der Auditor all diese

Themen schriftlich verlangt um sie bewerten zu können. Dafür besteht aber aus Sicht

des Unternehmens einfach nicht genug Zeit. An dieser Stelle müsste man an der

Handhabung vielleicht noch etwas optimieren.

Auf die Frage hin, ob sich in Bezug auf die Einbindung der Kunden und Kundinnen in

die Entwicklungsprozesse etwas verbessert hat, erzählte Sonja Aigner, dass man bei

„Sonnentor“ die Erfahrung gemacht hat, dass die Kunden und Kundinnen gerne

mitsprechen und Vorschläge einbringen. Dies geschieht bereits mithilfe des

Reklamationswesens und dem Botschafter-Meeting, in dem Kundenwünsche

ausgetauscht und diskutiert werden, um diese eventuell in die Entwicklung mit

Anhang

130

einzubeziehen, aber die eigentliche Entwicklung neuer Produkte wünschen sich die

Kunden und Kundinnen vom Unternehmen selbst, da sie gerne überrascht werden

möchten.

Sonja Aigner erklärte, dass an den Produkten selbst nicht mehr viel Spielraum zur

Optimierung vorhanden ist, da diese bereits ein hohes Niveau an Qualität und

Umweltfreundlichkeit besitzen. Es werden aber Bereiche überdacht, wie zum Beispiel

die Barrierefreiheit zum Produkt, also dass vielleicht auch sehbehinderte Personen den

Zugang zum Produkt bekommen. Dies ist momentan technisch leider noch nicht

umsetzbar. Außerdem wird die Ursprungsthematik noch einmal genau besprochen, so

dass hundertprozentig sicher gestellt wird, dass direkt mit den Bauern und Bäuerinnen

zusammengearbeitet. Denn nur so kann gewährleitet werden, dass „Sonnentor“ als

verlässlicher Partner der Bauern und Bäuerinnen agiert, damit diese wirklich faire Preise

bekommen und unter guten Bedingungen arbeiten können. Es wird auch versucht, die

vereinzelten Produkte, die bislang noch von einem Bio-Großhändler bezogen werden,

direkt in Zusammenarbeit mit kleinen Produzenten, zu beziehen.

Hinsichtlich der Kooperation mit anderen Unternehmen wird bereits bei „Sonnentor“

schon sehr viel unternommen. Frau Aigner berichtet, dass mit Unternehmen wie

Hessnatur (Naturmode), BioPlanète (Bio-Öle), Rapunzel (Naturkostprodukte) bereits

viel Wissen ausgetauscht wird. Für den Biofach-Handel existiert bereits ein Netzwerk

mit dem BNN, dem Bundesverband Naturkost Naturwaren, bei dem Daten und

Informationen zusammengefasst und zugänglich gemacht werden, um zu erkennen, wo

man steht. Man trifft sich auch mit anderen Unternehmern und Unternehmerinnen wie

Joseph Zotter (Zotter Schokoladen), um verschiedene Initiativen und Projekte

weiterzuentwickeln. Ganz im Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie wurde das Pionier-

Unternehmen „Göttin des Glücks“ auch finanziell unterstützt. (siehe Interview mit Lisa

Muhr)

Zusammenfassend meinte sie, existiert mehr Bewusstsein im Unternehmen für diese

Thematik und speziell die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt mitgearbeitet

haben, können sich mehr mit dem Unternehmen identifizieren.

Anhang

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