perlen aus meinem schachtagebuch - novkovic

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Milan Novkovic Perlen aus meinem Schachtagebuch 1. Auflage 2014, 272 Seiten, gebunden, Leseband, CD-ROM 28,80 € (A) – 27,95 € (D) – 36,70 sFr. In seinen „Perlen“ nimmt der Internationale Schachmeister Milan Novkovic seine Leserinnen und Leser mit auf eine spannende und amüsante Reise durch Schach- klubs und Turniersäle in Ex-Jugoslawien, Österreich, Deutschland und der Schweiz. Mit scharfem Blick, kurz und pointiert, berichtet er von ganz persönlichen Erfahrun- gen und Erlebnissen, als Akteur und Beobachter: Von Triumphen und Tragödien, vom kometenhaften Aufstieg und Untergang von Klubmannschaften, vom bittersü- ßen Leben als Schachprofi, von Begegnungen mit Weltklassespielern. Mit im Reisegepäck sind 128 Partien. In faszinierender Leichtigkeit lädt der diplomierte A-Trainer ein, hinter die Kulissen von Zügen und Manövern zu blicken. Voller Emotion und nüchterner Logik. Unter- haltsam und lehrreich. Eine Fundgrube für aufstrebende Vereinsspieler, Trainer und Schachfans. Joachim Beyer Verlag Zur Wallfahrtskirche 5 – 97483 Eltmann - Deutschland Telefon: 0049-09522-304580 – Fax: 0049-09522-304590 www.beyerverlag.de – Mail: [email protected]

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Page 1: Perlen aus meinem Schachtagebuch - Novkovic

Milan NovkovicPerlen ausmeinem Schachtagebuch1. Au�age 2014, 272 Seiten, gebunden, Leseband, CD-ROM

28,80 € (A) – 27,95 € (D) – 36,70 sFr.

In seinen „Perlen“ nimmt der Internationale Schachmeister Milan Novkovic seine Leserinnen und Leser mit auf eine spannende und amüsante Reise durch Schach-klubs und Turniersäle in Ex-Jugoslawien, Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Mit scharfem Blick, kurz und pointiert, berichtet er von ganz persönlichen Erfahrun-gen und Erlebnissen, als Akteur und Beobachter: Von Triumphen und Tragödien, vom kometenhaften Aufstieg und Untergang von Klubmannschaften, vom bittersü-ßen Leben als Schachprofi, von Begegnungen mit Weltklassespielern. Mit im Reisegepäck sind 128 Partien.

In faszinierender Leichtigkeit lädt der diplomierte A-Trainer ein, hinter die Kulissen von Zügen und Manövern zu blicken. Voller Emotion und nüchterner Logik. Unter-haltsam und lehrreich. Eine Fundgrube für aufstrebende Vereinsspieler, Trainer und Schachfans.

Joachim Beyer Verlag Zur Wallfahrtskirche 5 – 97483 Eltmann - Deutschland

Telefon: 0049-09522-304580 – Fax: 0049-09522-304590www.beyerverlag.de – Mail: [email protected]

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Joachim Beyer Verlag

Milan Novkovic

Perlen aus meinemSchachtagebuch

Page 3: Perlen aus meinem Schachtagebuch - Novkovic

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ISBN 978-3-940417-60-2

1. Auflage 2014

© 2014 by Joachim Beyer VerlagEin Imprint des Schachverlag Ullrich, Zur Wallfahrtskirche 5, 97483 Eltmann

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, jegliche Vervielfältigung oder Fotokopie,sowie Übertragung in elektronische Medien, nur mit schriftlicher Zustimmungdes Verlags.

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Inhaltsverzeichnis

Einführung ................................................................................................... 9

Schachleben in Banja Luka ....................................................................... 11

Einstieg in das Mannschaftsschach .......................................................... 14

Vereinsmeisterschaften bei „Nikica Pavlic“ ................................................ 15

Bosnische Juniorenmeisterschaften .......................................................... 16

Positionelle Sicherheit ................................................................................ 19

Der stärkste Schachspieler unter den Frisören .......................................... 20

Big Points .................................................................................................. 22

Spielen gegen die Trainer – Vule ................................................................. 23

Am Demobrett beim GM-Turnier ................................................................. 27

It´s aint over, till it´s over ........................................................................... 29

Kroatisches Cup-Finale .............................................................................. 30

Familientragödie und Zerfall Jugoslawiens ................................................. 31

Spielen gegen die Trainer – Enver .............................................................. 32

Qualifikation mit Hindernissen ................................................................... 37

Spielen gegen die Freunde ......................................................................... 39

Verkorkste Chance .................................................................................... 41

Der ultimative Tiefpunkt ............................................................................. 43

Je tiefer der Fall, desto höher der Aufstieg ................................................ 45

Ein Glücksfall kommt selten allein ............................................................. 52

Schwanengesang in Pula ........................................................................... 57

Vorarlberger Landesmeister ....................................................................... 59

Abenteuer im Fürstentum .......................................................................... 60

Letzter Sommer in Banja Luka .................................................................. 61

Der kleine Vesko ........................................................................................ 63

Züge, die „nicht gehen“ .............................................................................. 65

Freunde aus Minsk .................................................................................... 67

Zwei remisliche Endspiele ......................................................................... 69

Chancenverwertung und Zähigkeit ............................................................. 73

Erste Partie für St. Gallen .......................................................................... 77

Schach und Poker ..................................................................................... 78

Studie am Brett ......................................................................................... 80

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Szeged 1994 – Anbruch einer neuen Ära ................................................... 81

Öl ins Feuer ............................................................................................... 85

Das Wunder von Zell am Harmersbach ...................................................... 88

Viktor der Schreckliche .............................................................................. 90

Untergang im Blitztempo............................................................................ 97

Wie man eine Variante lernt ....................................................................... 99

Talente und Gefahren ............................................................................... 102

Begegnung mit Altmeistern und Legenden I ............................................ 105

Begegnung mit Altmeistern und Legenden II ........................................... 106

Gesetze der letzten Runde I .................................................................... 108

„Allein“ auf der Bühne .............................................................................. 110

Zum ersten Mal im Europacup – SK Hohenems ...................................... 112

Verfrühte Aufgabe .................................................................................... 115

GM Turnier ............................................................................................... 118

Bundesliga-Debüt ..................................................................................... 122

Cappelle la Grande und das Gefühl der Schachgemeinschaft ................. 123

Gesetze der letzten Runde II ................................................................... 125

Spassky am Boden ................................................................................. 128

Qualifikation für den Europacup ............................................................... 130

Mit dem Handtuch kurz vor der Partie ..................................................... 131

Der jüngste Großmeister aller Zeiten ....................................................... 136

Fernschach-Genie ................................................................................... 143

Partie des Lebens .................................................................................... 145

Der verzweifelte Coach ............................................................................ 149

Das blinde Huhn ...................................................................................... 151

Opfer aus Verzweiflung ............................................................................ 154

Österreichischer Mannschaftsmeister ..................................................... 155

Ruine statt Festung ................................................................................. 167

Schachspieler als Schlossherren ............................................................. 170

Scharfer Aufschlag 1.e4 .......................................................................... 171

Baramidze ............................................................................................... 174

Angstgegner ............................................................................................ 176

Legendäre Pulvermühle ........................................................................... 179

Land of chess amateurs .......................................................................... 182

Page 6: Perlen aus meinem Schachtagebuch - Novkovic

7

Ohne Fleiß kein Preis .............................................................................. 184

Der letzte Zug im Europacup ................................................................... 186

Skandinavische Kaltblütigkeit .................................................................. 190

Eduardas ................................................................................................. 192

Valeris Rekord ......................................................................................... 194

Auf dem Weg zur Weltspitze .................................................................... 195

Arik .......................................................................................................... 198

Huseks Testament und Gustis Bluff ......................................................... 200

Bezold ..................................................................................................... 203

Simultan auf 1000 Brettern ...................................................................... 205

Schach am Bahnhof ................................................................................ 207

Variantenberechnung ............................................................................... 211

Ausbildung zum Sporttrainer ................................................................... 212

Klassische Vorbilder ................................................................................. 214

Unsichtbare Züge..................................................................................... 218

Neue Motivation – Trainingsplanung und Umsetzung ............................... 221

Schach und Politik ................................................................................... 229

Die Macht der Dynamik ........................................................................... 231

Die Brücken hinter sich verbrennen ......................................................... 232

Einberufung ins Nationalteam für die Olympiade in Istanbul 2012 ........... 236

Normenjäger ............................................................................................ 239

Perfektion im Endspiel ............................................................................. 241

„Der Lauf“ ................................................................................................. 243

„Training“ für die Klimaanlage ................................................................... 246

Olympisches Wunder ............................................................................... 247

Die Ernüchterung ..................................................................................... 250

Im Rhythmus ........................................................................................... 255

„Majestät, es gibt keinen Zweiten“ ........................................................... 256

Die talentiertesten Schüler – Georg und Luca ......................................... 259

Delikatesse am Schluss .......................................................................... 265

Auflösung der Partie 96 ........................................................................... 268

Spielerverzeichnis ................................................................................... 271

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Einführung

Die „Wegzeichen“ von Ivo Andric beginnen in der Originalfassung mit eineruralten Geschichte über einen jungen Mann. Der Jüngling, in der Welt herumirrend, steht plötzlich vor einem gefährlichen Weg, von dem der Suchendenicht weiß, wohin er führt. Um sich nicht komplett zu verlieren und um vielleichtauch einmal den Rückweg zu finden, hinterlässt er mit seiner kleinen Axt dieZeichen in den Bäumen am Wegrand.

Daraus folgert Andric, der bosnische Literatur-Nobelpreisträger von 1961, dassdiese Geschichte der Inbegriff des allgemeinen und ewigen menschlichenSchicksals ist – auf der einen Seite der gefährliche und ungewisse Weg, undauf der anderen Seite das große menschliche Bedürfnis, sich nicht zu verirrenund auch Spuren zu hinterlassen. Weiterhin sagt Andric, dass diese Spuren –wie alles andere menschliche – vergänglich sind und bald vergessen werden.Oder sogar unbemerkt bleiben. Und doch sind diese Zeichen und Spuren not-wendig und natürlich, genau wie das menschliche Bedürfnis, sich einandermitzuteilen.

Auch die folgende Sammlung ist ein Versuch, Zeichen und Spuren im Schach-leben zu hinterlassen – die Erlebnisse am und um das Schachbrett zu notie-ren und weiter zu geben. Die Partiefragmente auf den folgenden Seiten sindchronologisch geordnet. Um den Ganzen eine gewisse Kontinuität zu geben,habe ich auch Ereignisse abseits des Schachbrettes beschrieben. Jede ein-zelne Geschichte, jede Perle, kann aber auch gerne alleine für sich gelesenwerden.

Bei der Partienauswahl ließ ich mich vor allem von zwei Kriterien leiten. Erstens:Ich sollte direkt in die Partie involviert sein – als Spieler, Trainer oder Zu-schauer. Zweitens: Die Intensität der Ereignisse, sowohl auf dem Brett alsauch im Umfeld. Deshalb habe ich mich großteils auf die Schlüsselmomente

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in den Partien konzentriert. Und, wie so oft im Leben, ist es ein Kompromiss:Einerseits möchte ich möglichst viele unvergessliche Momente darstellen,andererseits möchte ich den Leser nicht mit allen Details belasten.

Das Buch bietet zudem Einblicke in die Denkweise und die (Irr)Wege derEntscheidungsfindung von Schachmeistern. Es erzählt teils sehr persönlicheGeschichten aus dem Vereinsleben in vier Ländern: aus dem ehemaligen Ju-goslawien, Österreich, Deutschland und der Schweiz. Hinzu kommen Erleb-nisse aus der Turnierszene aus meiner Jugend in den 1980er Jahren bis hinzur Jugend-WM, Europacups und der Olympiade 2012 in Istanbul.

Die Schachtrainer, als ewige Jäger nach gutem Schachmaterial, werden wohldie eine oder andere lehrreiche Stellung in ihr Trainingsrepertoire aufnehmen.

Die Spielerliste beinhaltet 150 Namen – darunter sind Amateure, aber auchüber 80 Großmeister.

Ein Drittel der Partien stammt aus meiner privaten Sammlung und ist in gän-gigen Datenbanken nicht auffindbar.

Bei der Schreibweise der Namen habe ich mich an die ChessBase-Standardsgehalten.

Milan Novkovic

Dornbirn, Februar 2014

Page 9: Perlen aus meinem Schachtagebuch - Novkovic

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Ohne Fleiß kein Preis

„Erfolg hat immer das gleiche Prin-zip: Fleiß, Ausdauer, Begabung undGlück“, besagt ein Sprichwort. Wasnun folgt, liebe Leserinnen und Leser,ist die einzige Hausaufgabe in diesemBuch – die hat es aber in sich. Esgeht um das Endspiel zwischen demösterreichischen IM Walter Wittmannund dem englischen GM AnthonyKosten, gespielt in der Bundesliga-Saison 2007/2008.

Ich verlor an diesem Tag sehr schnellmit Weiß gegen den slowakischen GMIgor Stohl und schlenderte frustriertdurch den Spielsaal. In der Partie Witt-mann-Kosten fiel mir auf, dass derÖsterreicher mit vielen Abtauschenein Remis anstrebt, damit aber, wieso oft, genau das Gegenteil erwirkt,und dass der schwarze Vorteil imEndspiel ständig steigt.

Die Kontrahenten nahmen sich aberfür ihre Entscheidungen reichlich Zeitund rutschten immer tiefer in Zeitnot– in den letzten paar Zügen „lebten“sie praktisch nur noch vom Fischer-Increment von 30 Sekunden.

Zunächst glaubte ich an einen leich-ten Sieg für Schwarz: besserer Kö-nig, bessere Leichtfigur und nichtzuletzt der stärkere Spieler. Da aberdie Spannung durch Zeitnot und Ner-vosität enorm anstieg, verharrte ichbis Ende der Zeitnotphase neben demBrett und versuchte mitzudenken undmitzurechnen.

Partie 96Wittmann Walter (2279) –Kosten Anthony (2511)

1. Bundesliga, Österreich 2008 !!!!!!!!"#$%$%$%$%&'%$()$%$())&*$()$%$%$%&+()$%$%$%,&-$%./0$%,%&1%,%$%,%$&2,%$%$/3$%&4%$56$%$%$&789:;<=>?@

31...¥a6 32.¤e2+ ¥xe2 33.¢xe2 h634.a4 ¢c3 35.f4 ¢d4 36.¢f3 c6 37.g5¢d5 38.¢g4 ¢e6 39.f5+ ¢f7 40.f6gxf6

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Nach dem 40. Zug kam eine halbeStunde Bedenkzeit dazu. Und auchin der Stellung hat sich eine mächti-ge Veränderung vollzogen. Derschwarze Monarch wurde von d4 nachf7 zurückgedrängt und die weiße Ma-jorität setzte sich, im Gegensatz zurschwarzen, bereits in Bewegung.

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41.gxh6 b5 42.¢f5 bxa4 43.bxa4 c544.¢e4 ¢g8 45.¢d5 ¢h7 46.¢xc5¢xh6 47.¢d4 ¢xh5 48.¢e3 ¢g449.¢e4 f5+ 50.¢e3 ¢g3 51.¢e2 f452.¢f1 ¢f3 0–1

Am Ende stellte ich fest, dass meineursprüngliche Prognose sich bewahr-heitet hatte. Das machte mich aberkeinesfalls zuversichtlich.

Haben die Spieler in Zeitnot etwasversäumt?

Und, wenn ja, wie oft und wie viel?

Mir war gar nichts klar.

Heutzutage gibt es zwei Wege dieWahrheit herauszufinden. Der moder-ne Weg führt zum Computer, man gibtdie Stellung ein und lässt die Maschi-ne binnen Minuten die Varianten aus-spucken. Das Problem dabei ist, dassman dabei spielerisch kaum profitiert– man bekommt die Lösung auf demSilbertablett serviert, kann sie even-tuell sogar nachvollziehen. Was dabeiaber verloren geht, sind all die not-wendigen Irrwege, die man durchwan-dern muss, um dann die Differenzenin der Denkweise festzustellen unddamit im Lauf der Zeit die eigenenDenkblockaden aufzulösen.

Wenn man aber den zweiten, steinig-analytischen Weg wählt, und die Stel-lung in mühevoller stundenlang-inten-siver Denkarbeit zu lösen versucht,dann besteht die berechtigte Hoff-nung, dass dieses harte Training sicheines Tages in einen spielerischenLeistungssprung verwandelt.

Weil ich aber damals, im Jänner 2008,weder die Motivation noch die Ener-gie (oder als Standardausrede „keine

Zeit“) hatte, gab ich die Stellung nachdem 31. Zug und den Partieverlaufmeinen Schachschülern im Vorarl-berger Jugendkader zur selbständigenAnalyse – Computer war logischer-weise verboten. Und die Jungs nah-men die Arbeit mit Begeisterung auf:Sie fanden immer wieder neue Idee,kritisierten gespielte Züge, widerleg-ten die eigenen Vorschläge von letz-ter Woche.

So ging es drei, vier Wochen undirgendwann kamen wir zum Schluss,dass wir die Stellung wohl geknackthätten und alle gespielten Züge mitentsprechenden Kommentaren undmöglichen Verbesserungen versehenhaben.

Und, erst dann, haben wir die Maschi-ne – zur Überprüfung eigenen Ideen– eingeschaltet.

Na ja, teilweise haben wir die gespiel-ten Fehler entdeckt und mit Verbes-serungsvorschlägen versehen,andererseits blieben uns doch ein paarFeinheiten verborgen.

Trotzdem finde ich die investierteAnalysezeit wertvoll und unersetzlichfür aufstrebende, motivierte Spieler.

Unsere ausführliche computergeprüf-te Analyse befindet sich am Ende die-ses Buches.

Man kann sie auf dreierlei Art undWeise verwenden:

1. Mit eigenen Analysen vergleichen– nimmt enorm viel Zeit in Anspruchund bringt unter Umständen erschre-ckende Einsichten, bringt aber schach-lich weiter

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2. Nachspielen – ernsthaft gemacht,kann man sie in relativ kurzer Zeitnachvollziehen und bewundern, hataber keinen Trainingseffekt

3. Ignorieren – alles viel zu kompli-ziert und verworren.

Ich kann nur hinzufügen, dass ich denersten Weg empfehle. Vielleicht hater sogar einen noch höheren Wert alsdas Training mit Studien.

Durch die vorgegebenen – tatsächlichgespielten – Partiezüge, die ja zeit-notbedingt teilweise nicht perfekt sind,ist man gezwungen, auch den Partie-verlauf zu bewerten, und erst danndie eigenen Ideen zu entwickeln.

Der letzte Zug im Europacup

2008 spielte Hohenems wieder imKonzert der Großen mit – zum sechs-ten und vorläufig letzen Mal. BeimEuropacup, diesmal wieder auf dergriechischen Halbinsel Halkidiki, ris-sen wir keine Bäume aus, und auchmeine Ausbeute lag vor der letzenRunde bei mageren 50 Prozent. DieAuslosung bescherte uns in der letz-ten Runde die starke russische Mann-schaft FINEK Gazprombank und ichtraf am fünften Brett mit Schwarz aufGM Denis Yevseev. Der Russe spiel-te aber relativ flach und ohne jegli-ches Risiko. Somit konnte ich, mit nurleichten Schwierigkeiten, das Gleich-gewicht halten. Auf den anderen Bret-ter zeichnete sich ebenfalls der erwar-tete Verlauf ab: kaum Gewinnchancenfür uns und zwei, drei vorteilhafteStellungen für die Favoriten.

Partie 97Yevseev Denis (2534) –

Novkovic M. (2398)Europacup, Halkidiki 2008 !!!!!!!!"#$AB$%$%0%&'%$%$%)%$&*$()$CD$5E$()&+%$%$%F()$&-$%$(,$%$%&1%$%$%6(,$&2$%$%$(,,%&4%$AG$%$/3$&789:;<=>?@

Schwarz hat eine geschwächte Bau-ernstruktur am Königsflügel, aberdurch die hohe Materialreduktion hältsich die Gefahr in Grenzen. Nun sahich noch den letzen weißen Versuchmittels ¤e5 und anschließendem Ein-dringen des Turmes auf c6 oder c7kommen und traf entsprechende Vor-bereitungen.

30...¢g7 31.¤e5 £xd4 32.¦c7

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Die vorherige Zugsequenz geschah,obwohl wir beide noch gut 20 Minu-

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Neue Motivation– Trainingsplanung undUmsetzung

Solche Wochenenden, mit 1,5 Punk-ten aus 2 Partien gegen zwei Groß-meister, sind bei mir äußerst selten.Aber wenn es mal passiert, dannstärkt dies das Selbstvertrauen undunweigerlich tauchen tief aus demUnterbewusstsein Fragen auf, ob et-was mehr möglich wäre. Wenn mandann aber nüchtern über den erforder-lichen Zeit- und Energieeinsatz nach-denkt und sich die unsichere undmagere Belohnung vor Augen führt,ist die Motivation schnell wieder weg.

Mein letztes Einzelturnier (OpenLiechtenstein 2002) lag schon neunJahre zurück und die letzte ernsthaf-te längere Trainingsperiode (Frühjahr1989) über zwei Jahrzehnte. Natürlichblickte ich gerne auf die Erfolge imJahre 1989 zurück, sah aber keiner-lei Möglichkeiten, mich wieder täglichüber mehrere Monate hinweg mitSchach zu beschäftigen. Zu verpflich-tend waren meine berufliche Tätigkeitund familiäre Angelegenheiten.

Im März 2011 ging die 12. Einzel-Eu-ropameisterschaft in Aix les Bainsunweit von Genf über die Bühne. Wiejedes Jahr verfolgte ich dieses beson-dere Turnier mit über 150 Großmeis-tern die mit enormem Kampfgeist zurSache gingen. Die kämpferische Ein-stellung auch auf den mittleren oderhinteren Brettern ist leicht erklärbar:Dieses harte elfrundige Turnier dientals einer der wichtigsten Kriterien fürdie Bildung der jeweiligen National-mannschaft!

In Aix les Bains spielte Markus Rag-ger ein sensationelles Turnier. In derMitte des Turniers besiegte er JudithPolgar mit schwarz und marschierteungeschlagen in Richtung World CupQualifikation.

Ich warf einen Blick ins Internet undstellte erfreut fest, dass der französi-sche Kurort nur vier Autostunden ent-fernt liegt und ausreichend kurzfristigbuchbare Unterkunftsplätze hat. Ju-lia war schnell für ein langes Wochen-ende zu begeistern und so waren wirbei den letzten drei Runden live dabei.Markus spielte souverän – mitSchwarz zwei schnelle Remis, mitWeiß gegen den 2700-er Vallejo Ponslang anhaltende Gewinnversuche, diedoch Remis endeten. Somit war der8. Platz und die Qualifikation fix.

Mich zog aber etwas anderes in sei-nen Bann: Die tolle Schachatmosphä-re, hoher Kampfgeist auch an denBrettnummern weit über 100, ange-regte Partieanalysen mit tiefen Ein-blicken in die Gedankenwelt der Ko-ryphäen. Da hat mich der Schachvi-rus wieder voll gepackt – live dabeizu sein ist doch etwas anderes, alsdie Partien live übers Internet zu Hau-se anzuschauen.

Und schon bei der Rückfahrt amSonntagabend erklärte ich Julia, dassich bei diesem Turnier nächstes Jahrin Plovdiv (Bulgarien) dabei sein will.Und nicht nur das, ich möchte diesmalnicht nur als Schachtourist reisen, ichmöchte mich in den kommenden zwölfMonaten, im Rahmen meiner Möglich-keit, professionell vorbereiten.

Schon in der Folgewoche arbeitete ichden kompletten Trainingsplan aus, mit

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hochgesteckten 1000 Trainingsstun-den im Schach (im Schnitt also dreiStunden täglich) plus 500 Stunden fürdie körperliche Fitness.

Den Fitnessplan konnte ich leicht er-füllen: viel auf dem Fahrrad, Reakti-vierung im „Old Stars“-Basketball-team in der Vorarlberger Landesligaund regelmäßige Aufstiege auf denzweiten Dornbirner Hausberg Staufen(1456 Meter Höhe – Dornbirn liegt auf437 Meter). Bei den Staufen-Läufenfuhr ich immer zunächst mit der Seil-bahn auf den ersten Hausberg Kar-ren (976 Meter) und löste nochunterwegs ein paar Taktikaufgaben.

Beim Schachtraining kam ich durchdiverse Umstände doch „nur“ auf die800 Stunden – immerhin ein Mehrfa-ches als in Jahren davor, als sich meinganzes Schachtraining aus den Vor-bereitungen für die bevorstehendeMannschaftswettkämpfe und flottenNachbetrachtungen bestand.

Was macht aber ein 46-Jähriger in 800Trainingsstunden? Und wie und wann?Und warum überhaupt? Hier also die10 Schlüsselfragen und die Antwort-versuche.

1. Warum?

Die Motivation ist nur echt und nach-haltig, wenn sie aus dem tiefen Inne-ren kommt. Man spürt den starkenWunsch, die eigenen Limits auszulo-ten, und ist spontan bereit dafür eini-ges zu opfern.

2. Wo beginnen?

Eine möglichst exakte Standortbe-stimmung zu Beginn ist unerlässlich.Falls man seiner eigenen Objektivität

und dem Einsichtsvermögen nichtvertraut, muss man sich an einenguten Trainer wenden.

Entscheidend dabei ist es, die eige-nen Schwächen und Stärken sowieNeigungen und Gewohnheiten zu er-kennen.

3. Wohin soll die Reise gehen?

Die relativ hochgesteckten – aber beioptimalem Verlauf erreichbaren – Zie-le wirken motivierend.

Einen Teil würde ich in messbare Grö-ßen (etwa ELO-Zahl, ELO-Perfor-mance, Titel, Qualifikation…) legen.

Den zweiten, langfristig wichtigerenTeil, in spielerische Fähigkeiten (zumBeispiel Partien in wilden Komplikati-onen – wie der junge Tal – entschei-den; oder die Nachlässigkeit in Ge-winnstellungen abstellen etc.)

4. Was trainieren?

Bei den Trainingsinhalten sollte mansich zu zirka 80 Prozent mit den ei-genen Schwächen beschäftigen undeben nur zu 20 Prozent mit jenenSachen, in denen man eher gut ist.

5. Mit wem trainieren?

Grundsätzlich sollte man einenSchachtrainer oder zumindest Trai-ningspartner engagieren – das Gan-ze alleine durchzuziehen ist nicht je-dermanns Sache.

6. Womit trainieren?

Bei den Werkzeugen und Materialien(Bücher, Schachsoftware, Zeitschrif-ten, DVD´s) sollte man keineswegssparen – das Beste ist gerade gut

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genug. Natürlich, vom Trainer, der denEinblick in die Stärken/Schwächenhat, empfohlen.

7. Wie trainieren?

In den mir bekannten osteuropäi-schen Sprachen wird Schach nicht„trainiert“ sondern es wird „am Schachgearbeitet“. Das kommt dem wahrenGehalt deutlich näher: Fokussierung,ultimative Konzentration und volleHingabe sind unerlässlich.

8. Wann trainieren (im Laufe desTages)?

Dann, wenn man am leistungsfähigs-ten ist, bzw. zu der Tageszeit, wenndie Partien für das geplante Turnierstattfinden werden.

9. Wann trainieren (im Laufe desJahres)?

Zunächst sollte man sich im Klarensein, welches Turnier das persönliche„Highlight des Jahres“ ist, und welcheTurniere eher als Vorbereitungsturnie-re gewichtet werden. Wenn man dannden Zeitraum von zwölf Monaten alsBasis nimmt, dann sollte man die Trai-ningsintensität (Stunden pro Tag) inden ersten drei Monaten langsam stei-gern, damit man sich nicht von Be-ginn an überlastet. In den Monatenvier bis zehn trainier t man aufmöglichst hohem Niveau, um dann inden letzten zwei Monaten rasant her-unterzufahren und nur noch daraufschauen, dass man locker in Übungbleibt und ob sich etwas Neues imeigenen Eröffnungsrepertoire bei lau-fenden Turnieren (geht ja leicht, TWICsei Dank!) ergibt. In den letzten Wo-

chen vor dem Turnier tut man kaumnoch etwas und in den letzten Tagenvor dem Turnier gilt Schachverbot –ein bisschen Hunger tut immer gut.

10. Wie kontrollieren?

Es herrscht immer eine große Unsicher-heit, ob der ganze Aufwand wirklichlohnt und ob man es schafft, das eige-ne Spielniveau spürbar zu heben. Esist auch typisch, dass man in der in-tensiven Trainingsphase sogar schwä-cher als zuvor spielt – das eigene Spielist irgendwie trocken und ideenarm. Undda werfen viele die Flinte ins Korn, hö-ren komplett mit dem Training auf undverlassen sich lieber weiterhin auf diealten eigenen Vorurteile.

Es ist natürlich wichtig, dass manauch in der heißen TrainingsphaseKontrollpartien spielt, damit man denPraxisbezug nicht verliert. Dabei soll-te man aber die Erwartungen deutlichnach unten schrauben und sich dar-auf verlassen, dass das neu erwor-bene Können und Wissen noch einegewisse Zeit braucht, um sich zu set-zen und zu reifen.

Die spielerischen Sprünge nach obenkommen eben „über Nacht“ erst eini-ge Wochen oder Monaten nach demintensiven Training, und da wundertman sich nur noch über die eigenenLeistungen und Denkweise vor einpaar Monaten – alles sieht auf einmalso leicht aus!

Und, logisch, nach dem „Highlight desJahres“ schließt sich der Kreis, undman stellt sich alle Fragen neu: binich noch motiviert, wo stehe ich nun,wohin will ich gehen ...

Page 15: Perlen aus meinem Schachtagebuch - Novkovic

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Und hier, für die Interessierten, meinPraxisbericht aus der Vorbereitung fürdie EM in Plovdiv im März 2012.

1. Warum?

Die Motivation war nach dem Besuchin Aix les Bains einfach da – ich woll-te nochmals tief in die Schachwelteintauchen.

2. Wo beginnen?

Bei der Standortbestimmung (undauch allen anderen Fragen) habe ichbeschlossen, keinen Trainer zu enga-gieren. Ich wollte mich auf folgendeElemente stützen:

die eigene Erfahrung aus den 80erJahren

Empfehlungen von meinem altenTrainer

Erfahrungen als Jugendtrainer

Erkenntnisse aus der Trainerausbil-dung – nicht nur aus Vorträgen,sondern vor allem durch den Aus-tausch mit anderen Sportarten,insbesondere die Trainingsplanungund -umsetzung der österreichi-schen Wintersportler

Also nahm ich alleine die Partien ausden letzten Jahren nochmals genau-er unter die Lupe und stellte die deut-lichsten Schwächen im Spiel fest:

Langsame, ungenaue Variantenbe-rechnung

Schwaches, veraltetes Repertoire

Schwäche in dynamischen Stellun-gen

Vermeiden von taktischen Verwick-lungen

Mangelhafte Ausdauer und Zähig-keit

3. Wohin soll die Reise gehen?

Na ja, geschult durch die Manage-mentkurse in der Firma, legte ichmehrere Teilziele für Plovdiv in Zah-len messbar fest:

mindestens ein Sieg gegen GMs

mindestens ein Remis gegen einenSpieler über 2600

möglichst wenig nominell schwä-chere Gegner (maximal 4)

ELO-Performance mindestens 50Punkte über der eigenen ELO-Zahl

Und da war noch das eigentlich wich-tigste Ziel des Turniers: Ich wollte inden Partien gegen stärkere Gegnermöglichst viele Akzente setzen, wolltesie unter Druck setzen und vor Pro-bleme stellen.

4. Was trainieren?

Der Fokus lag eindeutig an den fünfoben genannten Schwächen.

5. Mit wem trainieren?

Alleine stundenlang fokussiert zu trai-nieren habe ich in den 80er Jahrengelernt und, wie im Punkt 2 beschrie-ben, beschlossen, es alleine durch-zuziehen.

6. Womit trainieren?

Als Jugendtrainer habe ich einen re-lativ guten Überblick beim Trainings-material – die paar Sachen, die mirnoch fehlten, waren schnell organi-siert.

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7. Wie trainieren?

Auch hier kamen mir die Arbeitsge-wohnheiten aus der Jugend zugute.Wenn ich im Training doch noch merk-te, dass meine Gedanken abschwei-fen, ging ich raus aufs Fahrrad – Fit-nesstraining ist auch wichtig.

8. Wann trainieren (im Laufe desTages)?

Hier nutzte mir der Umstand, dass ichein Frühaufsteher bin. In der intensi-ven Trainingsphase stand ich monate-lang um fünf Uhr auf, trainierte bis 7Uhr und ging dann in die Firma. Obli-gatorisch waren auch die Stunden amNachmittag – also kam ich nach Mög-lichkeit um 16 Uhr aus der Firma undtrainierte, solange es Konzentrationund Alltagsverpflichtungen erlaubten.

9. Wann trainieren (im Laufe desJahres)?

Ich fing langsam mit nur ein bis ma-ximal zwei Stunden pro Tag im März/April an, steigerte mich langsam im

Mai/Juni, war komplett am Limit vonJuli bis September, fuhr allmählichrunter von Oktober bis Dezember. ImJänner/Februar beobachtete ich nurnoch die aktuellen TWIC-Partien, diefür mein Repertoire relevant waren. ImMärz (das Turnier fing am 20. Märzan) tat ich praktisch nichts mehr.

10. Wie kontrollieren?

Ich spielte ja während dieser zwölfMonate die Mannschaftsbewerbe inÖsterreich und in der Schweiz. Des-wegen legte ich die intensivste Trai-ningsphase in die Sommermonate,dann herrscht Spielpause in beidenLändern. In der Zwischenzeit klopfteich wieder bei Hohenems an, weil ichwieder in der 1. Bundesliga mitspie-len wollte – und Reinhard Kuntner öff-nete nochmals die Tür ...

Und jetzt, nach den vielen Worten,kommen wir zurück zu den Taten.Eine Kostprobe von, wie man im In-ternet-Zeitalter sagen würde, Novko-vic 2.0!