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Patientensicherheitbei der Anwendung von Elektrochirurgie-Geräten

www.martin-med.com

Martin – Ihr kompetenter Partner im OP-Feld

Gebrüder Martin GmbH & Co. KG . Telefon (0 74 61) 706-331 . E-mail: [email protected]

Ludwigstaler Straße 132 . D-78532 Tuttlingen . Fax (0 74 61) 70 61 93 . Internet: www.martin-med.com

Liebe Leserin, lieber Leser,die Berichte über Unfälle in Verbindung mit der Elektrochirurgie sind so alt wie die Elektrochirurgie selbst. Soist in dem Standardwerk von Hans von Seemen: „Allgemeine und spezielle Chirurgie“, Springer Verlag 1932,bereits ein Kapitel den Störungs- und Unfallmöglichkeiten gewidmet. Allgemein gilt sicherlich die ungewollteHF-Verbrennung als das schwerwiegendste Risiko dieser Methode. Unter dem Begriff „Ungewollte HF-Verbrennung“ versteht der Fachkundige das Erzeugen eines thermischen Effektes an einer Berührungsstelledes Patienten mit z. B. geerdeten Teilen.

Aus meiner mehr als 30-jährigen Berufserfahrung mit der Elektrochirurgie habe ich die Erkenntnis, dass es sichnicht bei jeder Patientenverletzung, die als HF-Verbrennung bezeichnet wird, auch tatsächlich um eine solchehandelt. Vielmehr sind andere Faktoren Ursachen ähnlicher Patientenschäden. Als Beispiele seien genannt: a)Drucknekrosen b) im zunehmenden Maße allergische Reaktionen auf Desinfektionsmittel c) durch Entzündungvon brennbaren Flüssigkeiten oder Gasen etc. Dennoch steht es außer Zweifel, dass der Schadenseintritt durchHF-Strom der Realität im OP-Saal entspricht. Derartige Unglücksfälle sind bei der Gesamtzahl aller operativenEingriffe äußerst selten, aber seit Jahrzehnten bis heute existent.

Die Firma Martin Medizin-Technik hat sich als erster Hersteller von Elektro-Chirurgiegeräten diesem „Tabu-Thema“ umfassend angenommen. So sind auf der Seite unserer Produktentwicklung technische Einrichtungengegen HF-Leckströme entstanden wie z. B. die Funktion einer Virtuellen Neutralelektrode. Maßnahmen im Sinnevon Öffentlichkeitsarbeit, wie z. B. eine ganze Reihe von Vortragsveranstaltungen zu diesem Thema in Klinikensowie das Einberufen eines Expertenkolloquiums am 01.10.1999 in unsere Firma in Tuttlingen tragen zurAufklärung bei. Die in dieser Expertenrunde vorgetragenen Referate sind in dieser Broschüre dargestellt. Es istnoch kein endgültiges Fazit der Ursachen gezogen worden. Dazu ist es sicher notwendig, dass sich die inter-disziplinäre Gruppe zu weiteren Diskussionsrunden zusammensetzt. Die sehr offene Gesprächsatmosphäre beider Suche nach Ursachen und Lösungen bilden die Grundlage den Dialog in einer weiteren Veranstaltung fort-zusetzen.

An dieser Stelle meinen besonderen Dank an alle Referenten, aber auch an die tatkräftig Mitwirkenden aus demHause Martin, an die Martin Gesellschafterbetriebe sowie an externe Berater.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Hagen Bereichsleiter Elektromedizin bei Martin Medizin-Technik, Tuttlingen

Vorwort

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Inhalt

Vorwort 1Uwe HagenMartin Medizin-Technik, Tuttlingen

Pathologische Anatomie elektrischer Läsionen 3A. FayyaziZentrum Pathologie, Abteilung Pathologie, Universitätsklinikum Göttingen

Verbrennungen mit HF-Chirurgiegeräten 7– Ein Fallbeispiel –U. KammerhoffSachverständiger für Geräte der Elektro- und elektrophysikalischen Medizin,Neumünster

Iatrogene Elektroverbrennung 9M. Wanner, I. Huracek, H. Missfelder, R. de Roche, N. Lüscher, G. PiererKlinik für Wiederherstellungschirurgie, Kantonsspital Basel

Hochfrequenzchirurgie bei der Laparoskopie 14V. LangeChirurgische Abteilung, Schlosspark-Klinik, Berlin

Die intraoperative Alteration „Verbrennung“ – 17Oft Gegenstand eines medizinischenHaftpflichtverfahrens“K.-F. Lindenau, R. W. HackerHerz- und Gefäßchirurgie, Rhön Klinikum AG, Bad Neustadt

Patientensicherheit bei Anwendung von 19Elektrochirurgie-GerätenU. PohlOP-Pfleger an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Patientensicherheit bei Anwendung von 22Elektrochirurgie-GerätenI. Wiedner-HeilDBfK-Verband

Patientensicherheit bei Anwendung von 25Elektrochirurgie-GerätenW. VogtSchweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) – Ärzteteam Unfallmedizin

Der Einsatz von Elektrochirurgie-Geräten – 28haftungsrechtliche AspekteY. v. HarderRechtsanwältin, München

Konstruktive Möglichkeiten für eine höhere 32Patientensicherheit bei Elektrochirurgiegeräten und ZubehörM. MartinEntwicklungsleiter für Elektrochirurgie-Geräte in der Unternehmensgruppe Martin Medizin-Technik

Impressum 33

Patientensicherheitbei Anwendungvon Elektro-chirurgie-Geräten Zusammenfassung der Referateeines Expertenkolloquium derFirma Martin Medizin-Technik

Pathologische Anatomie elektrischer LäsionenA. FayyaziZentrum Pathologie, Abteilung Pathologie, Universitätsklinikum Göttingen (Direktor: Prof. Dr. med. H.J. Radzun)

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Elektrische Läsionen Jährlich sind ca. 1 % aller tödlich verlaufenden UnfälleFolge einer Stromeinwirkung.Dabei gefährdet der elek-trische Strom den Organismus durch Verbrennung,Myo-lyse oder gar Herzstillstand. Die häufigsten Ursachenvon Stromunfällen sind Materialfehler, unsachgemäßeHandhabung oder menschliches Versagen.Dabei spie-len die elektrischen Läsionen bei Verwendung vonHochfrequenzgeräten eher eine untergeordnete Rolle.Nichtsdestotrotz bringt der vermehrte Einsatz der Elek-trochirurgie unter Anwendung von hochfrequentem,hochgespanntem Wechselstrom vermehrt Gefahren mitsich, die sowohl im Anwendungsbereich hochfrequen-ter Felder als auch fernab davon Schaden anrichten kön-nen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß bei Verwen-dung chirurgischer Hochfrequenzgeräte der Wechsel-strom nicht nur direkt in den Operationssitus sondernauch bei gleichzeitigem Einsatz elektrischer Überwa-chungsgeräte (z. B. EKG-Gerät) in andere Stromkreisefehlgeleitet werden kann.[1-5] In beiden Fällen stellt dieHaut dasjenige Organ dar, durch das der elektrischeStrom in den Organismus ein- bzw. aus dem Organis-mus austritt. Beim Durchströmen des Organismus kön-nen alle Organe geschädigt werden, die sich zwischenden Stromein- und -austrittsstellen befinden.Dabei kön-nen „elektrische Läsionen“ hervorgerufen werden, de-ren Pathomechanismus nicht vollständig geklärt ist. Ur-sprünglich wurde vermutet, daß die Wärme, die beimDurchströmen des Organismus entsteht, die alleinigeUrsache der für die elektrischen Läsionen typischenmorphologischen und funktionellen Veränderungendarstellt.Dies beruhte darauf,daß eine Stromwärme vonmehr als 5 °C über der normalen Körpertemperaturzu einer hyperthermischen Zellschädigungen (Com-bustio) führen kann, deren Ausmaß von der Intensitätund Dauer der Hyperthermie beeinflußt wird. In denletzten Jahren summierten sich jedoch viele Argumen-te, die dafür sprechen, daß der elektrische Strom zu-sätzlich zu einer hyperthermischen Zellschädigung di-rekt zur Poration der zytoplasmatischen Membranenepithelialer und nicht-epithelialer Zellen der betroffenenOrgane führen kann. Ausgehend von diesen Befundenvermutet man, daß progressive Gewebszerstörungenoder fortdauernde Herzrhythmusstörungen, die mitun-ter einige Tage nach dem Unfall ihren Höhepunkt er-reichen, auf Elektroporationen der Gefäßendothelienbzw. des Herzleitungssystems zurückzuführen sind.[1-

5] Im Zusammenhang mit dem Ausmaß der elektrischenLäsion ist jedoch klar, daß dies in erster Linie von derStromstärke abhängt.[6-7] So läßt sich das Ausmaß derelektrischen Läsion entsprechend der Stromstärke invier Bereiche einteilen:

Stromstärkebereich I: 9 - 25 mA verursachen Verkrampfungen der Ske-lett-, Atem- und Herzmuskulatur. Während die Ge-fahr eines Atemstillstandes bei Fortdauer desStromkontaktes durchaus gegeben ist, sind im all-gemeinen histologische Veränderungen oder Herz-schäden nicht zu beobachten.

Stromstärkebereich II: 25 - 80 mA rufen neben Muskelverkrampfungenauch Herzreizbildungs- und -leitungsstörungenhervor, die meist vorübergehend sind und keineSpätschäden hinterlassen. An Stromein- und/oder-austrittsstellen finden sich Strommarken, die ma-kroskopisch als grau-weiße, metallisch glänzen-de Areale mit zentraler Eindellung imponieren. ImDefektzentrum findet sich mikroskopisch eine Ko-agulationsnekrose. In der Randregion sehen die Ke-ratinozyten elongiert aus, wobei ihre büschelförmigausgezogenen Kerne fischzugartig auf das Koa-gulationszentrum gerichtet sind. Ferner kommt eshäufig zu einer intraepidermalen Blasenbildungund/oder zu einer inkompletten bis komplettenSpaltbildung zwischen der Epidermis und dem Co-rium (Abb. 1a,b,c).

Stromstärkebereich III: Stromstärken über 80 mA führen zu schwerenKrämpfen der quergestreiften Skelett- und Herz-muskulatur, so daß die Patienten in der Regel Herz-kammerflimmern entwickeln. Die makroskopi-schen und mikroskopischen Veränderungen ähnelndenen, die bei Stromstärken von 25 bis 80 mA be-obachtet werden.

Abb. 1a: Das Zentrum einer Strommarke ist durch eine Koagula-tionsnekrose gekennzeichnet.

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Stromstärkebereich IV: Stromstärken über 3 - 8 A und Spannungen über 1000V (= Hochspannung) führen außer den beschriebenenKomplikationen und morphologischen Veränderungenzu schwersten Verbrennungen mit konsekutiver Karbo-nisation der Strommarken (Abb. 1a,b,c). Ferner findetman häufig Myolysen,die zusammen mit dem meist kar-dialbedingten Kreislaufschock ein akutes Nierenversa-gen hervorrufen und dadurch den Krankheitsverlauf dra-matisieren.

Regeneration elektrischer LäsionenBei Unfällen mit elektrischen Strömungen von wenigerals 25 mA entsteht kein Gewebsverlust.[6] Im Gegensatzdazu ist bei Unfällen mit Stromstärken von mehr als 25mA in der Regel mit Zellverlusten zu rechnen.[6] Der Er-satz verlorengegangener Gewebsstrukturen basiert aufEntdifferenzierungs-, Proliferations- und Dedifferenzie-rungsprozessen. Eine restitutio ad integrum ist hierbeinur dann möglich, wenn (a) lediglich die organspezifischen Zellen eines Mau-sergewebes (z. B. Keratinozyten der Epidermis) zu-grunde gegangen sind, und (b) das gefäßtragende Bindegewebsgerüst des Organs(z. B. Corium der Haut) noch intakt ist. Die vollständigeRegeneration erfolgt hierbei durch eine gesteigerte Pro-liferation in erhaltenen Teilen des Mausergewebes (z. B.in Stratum germinativum der Haut).

Meistens kommt es jedoch zu einer unvollständigen Re-generation des geschädigten Gewebes, weil zusätzlichzu den regenerationsfähigen Epithelien auch die Grund-architektur des Bindegewebsgerüstes in Mitleidenschaftgezogen ist.[6-8] In solchen Fällen kommt es zur sog.Hei-lung per secundam intentionem (Defektheilung). DerDefektheilung liegen verschiedene pathobiologischeVorgänge zugrunde: [6-13]

In der ersten Phase wird der Gewebsdefekt mit Wund-sekret gefüllt.Das Wundsekret besteht aus Blut und Lym-phe, die aus den verletzten Gefäßen austreten. Das Fi-brinogen des Wundsekretes gerinnt im thrombokina-sereichen Milieu zum Brandschorf. Auf molekularerEbene ist die Koagulationsnekrose durch intrazelluläreAzidose,Membranschädigung mit Verlust der zellulärenKompartimentierung sowie Zellyse mit konsekutiver Frei-setzung des Zellinhaltes gekennzeichnet.[6] Die freige-setzten Zellbestandteile können zur Komplementaktivie-rung und somit zur Entstehung biologisch aktiver Kom-plementfragmente (sog. Anaphylatoxine) führen.[9] Daspotenteste Anaphylatoxin C5a ist ein kationisches Gly-kopeptid, welches aus der Alpha-Kette des Komple-mentproteins C5 durch C5-Konvertasen freigesetzt wird

und für den weiteren Verlauf der Reparation von ent-scheidender Bedeutung ist. C5a vermittelt seine biolo-gischen Wirkungen durch affine Bindungen an einenmembranständigen Rezeptor (C5aR).[5] Neutrophile Gra-nulozyten und Monozyten besitzen C5aR. Kommt es zurKomplementaktivierung bzw. zur Freisetzung von C5a,ist eine gesteigerte Transmigration zirkulierender neu-trophiler Granulozyten und Monozyten die Folge.[5] Bei-de Zellpopulationen tragen einerseits zur lokalen Abwehrund andererseits zur Resorption nekrotischer Gewebs-reste bei. Zusätzlich exprimieren und sezernieren Gra-nulozyten und Makrophagen biologisch aktive Faktoren(Zytokine), die pleiotrope Wirkungen ausüben. MancheZytokine wie Interleukin 8 (IL-8) fungieren als Chemo-kine und führen zur Rekrutierung weiterer Entzün-dungszellen sowie zur Aktivierung von Bindegewebs-zellen (Fibroblasten und Myofibroblasten) und Endo-thelien.[10-12] Andere Zytokine wie Tissue GrowthFactor-alpha (TGF-a) und Tissue Growth Factor-beta(TGF-b) fungieren als Wachstumsfaktoren und führen zurProliferation eingewanderter Zellen und somit zur Aus-bildung eines Granulationsgewebes. Das Granulations-gewebe besteht aus einem Kapillarnetz, welches in ei-nem zellreichen Bindegewebsstroma eingebettet ist.So-bald der Bindegewebsdefekt nach Resorption vonNekrose durch Granulationsgewebe vollständig ersetztist, kommt es zur erhöhten Fasersynthese und Bindege-websneubildung. Die zellulären Bestandteile des Gra-nulationsgewebes synthetisieren unter Einfluß desConnective Tissue Growth Factor (CTGF) und anderenZytokinen unterschiedlicher Komponenten der extra-zellulären Matrix (Kollagene, Fibrillin, Elastin, Proteogly-kane, etc.).[13] An der Haut wird im Bereich des Defekt-

Abb.1b: In der Randregion einer Strommarke sehen die Keratinozytenelongiert aus, wobei ihre büschelförmig ausgezogenen Kerne fisch-zugartig auf das Koagulationszentrum gerichtet sind.

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grundes das Granulationsgewebe durch ein Narben-gewebe ersetzt, während es im Bereich der Defekträn-der infolge einer erhöhten Epithelproliferation zur Hy-perplasie der Epidermis kommt. Germinative Epider-

miszellen wandern amöboid entlang der Defektränderauf einem Fibronektin-Fibrinfilz unter den erhaltenenSchorf der Oberfläche und bedecken („epidermisie-ren“) das entstandene Narbengewebe. Schließlich wirddie Synthese der extrazellulären Matrix minimiert, unddie Narbe erfährt durch Kontraktion eine Volumenre-duktion. Histologisch erkennt man ein zellarmes, straf-fes Bindegewebe mit zur Epidermis parallel angeord-neten, strangförmigen Kollagenfaserbündeln.[8]

Komplikationen der Regeneration elektrischer Läsionen

WundinfektionInfolge eines größeren Gewebedefektes ist dieSchutzfunktion der Haut eingeschränkt. Bei großflä-chigen Ulzera sind somit Wundinfektionen eine häu-fige Folge, die zu einer gesteigerten exsudativenEntzündung mit verzögerter Ausbildung eines Gra-nulationsgewebes und Beeinträchtigung der Wund-heilung führen.[6-7]

Hypertrophe Narbe/KeloidDie Regeneration der verbrannten Haut unterliegt Zell-Matrix-Kommunikationsmechanismen, deren Störungzur Überproduktion extrazellulärer Matrix und somit zurAusbildung überschießenden Narbengewebes führenkann. Aufgrund von Zell-Matrix-Kommunikationsme-chanismen stellen aktivierte Fibroblasten infolge zu-

nehmenden Kontaktes mit der umgebenden Bindege-websmatrix ihre Proteinsynthese ein. Dies setzt voraus,daß intakte Rezeptoren an der Membranoberfläche vonFibroblasten exprimiert werden, die die Zusammenset-zung der extrazellulären Matrix wahrnehmen können.Hierfür existieren mindestens drei Rezeptorfamilien (An-korine, Syndekane sowie Integrine), deren extrazellulä-re Domäne bestimmte molekulare Bestandteile der um-gebenden Matrix erkennen und nach Konformations-änderungen mit konsekutiver Signalübermittlung zumEinstellen der Matrixproduktion in Fibroblasten führenkann.[14-15] Kommt es zur Zell-Matrix-Kommunikations-störung, kann eine kontinuierliche Expression von z. B.CTGF stattfinden, welche die Synthese eines über-schießenden Narbengewebes zur Folge hat.[13] Bleibtdas überschießende Narbengewebe auf das Wundge-biet beschränkt, wird der Prozess als hypertrophe Nar-be bezeichnet.[16] Überschreitet es die Grenzen desWundgebietes, kommt es zur Keloidbildung. Über-schießendes Narbengewebe besteht aus strangförmi-gen Kollagenfaserbündeln, die teils parallel zur Epider-mis teils in Knoten angeordnet sind. Bei der Keloidbil-dung ist zusätzlich eine Hyalinisierung derKollagenfaserbündel charakteristisch. [16]

Differential diagnostische Überlegungen bei der histologischen Be-gutachtung elektrischer Läsionen

Die histologischen Veränderungen, die im akuten Sta-dium einer elektrischen Läsionen beobachtet werdenkönnen, sind typisch für eine pathologische Stromein-wirkung auf das Gewebe, jedoch keinesfalls pathogno-monisch. So können z. B. im Bereich thermischer undaktinischer Läsionen Koagulationsnekrosen, elongier-te Keratinozyten, intraepidermale Blasenbildungen,Spaltbildungen zwischen der Epidermis und Coriumund/oder eine Karbonisation beobachtet werden. Im Zu-sammenhang mit iatrogen-bedingten Verletzungen sollhier auf photothermische Läsionen hingewiesen wer-den, die bei Laseroperationen auftreten und morpho-logisch kaum von elektrischen Läsionen zu unterschei-den sind.Trotz dieser differentialdiagnostischen Schwie-rigkeiten lassen sich elektrische Läsionen im akutenStadium gut von ischämischen/gangräneszierendenbzw.kompressiv-ischämischen Läsionen unterscheiden,weil bei diesen Läsionen zwar Koagulationsnekrosen,intraepidermale Blasenbildungen oder sogar Spaltbil-dungen zwischen der Epidermis und dem Corium vor-kommen können,aber keineswegs karbonisierte Area-le im Defektzentrum oder elongierte Keratinozyten mitausgezogenen Kernen oder Myolysen im Bereich der

Abb. 1c: In der Randregion einer Strommarke kommt es oft zu ei-ner intraepidermalen Blasenbildung sowie zu einer Spaltbildung zwi-schen der Epidermis und dem Corium.

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Defektperipherie.[6-7] Zu betonen ist jedoch, daß dieseUnterschiede mit der Ausbildung des Granulationsge-webes aufgehoben werden, so daß vier bis fünf Tagenach einem elektrischen Unfall keine typischen Merk-male einer elektrischen Läsion mehr nachweisbar sind.

Literatur1. Jantsch H, Krenn J, Radi M

Schwere Hautverbrennungen im Bereich der Anlegestellen von EKG-Überwachungs-elektroden bei Verwendung chirurgischer Hochfrequenzgeräte. Anaethesist 1972:21: 482-484

2. Hussman J, Kucan JO, Russel RC et al.Electrical injuries-morbidity, outcome and treatment ratinale.Burns 1995:21:530-535

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4. Cample DC, Nano T, Pegg SPPattern of burn injury in hang-glider pilots. Burns 1996: 22: 328-330

5. Chi L, Ning YD, Jun QF et al.Electrical injuries from graphite fishing rods. Burns 1996: 22: 638-640

6. Riede UN, Schaefer HE Störungen der Reizbeantwortung, in: Allgemeine und spezielle Pathologie, 1. Auflage;Hrsg. v. Riede UN, Shaefer HE, Wehner H · Georg Thieme, Stuttgart-New York 1989, 129-168

7. Vakilzadeh F Physikalisch bedingte Hautreaktionen, in: Spezielle pathologische Anatomie (Band7), 1. Auflage; Hrsg. v. Doerr W, Seifert G, Uehlinger ESpringer, Berlin-Heidelberg-New York 1973, 155-165.

8. Jennings RW, Hunt TK Overview of postnatal wound healing, in: Fetal wound healing; Hrsg. v. Adzick NS,Longacker MT · Elsevier, New York 1992, 25-52.

9. Gerard C, Gerard NPC5a anaphylatoxin and its seven transmembrane-segment receptor.Annu Rev Immunol 1994: 12: 775-808

10. Clark RAF Cutaneous tissue repair: basic biologic considerations.J Am Acad Dermatol 1985: 13: 701-725

11. Clark RAFWound repair. Curr Opin Cell Biol 1989: 1: 1000-1008

12. Wahl SM, Wang H, McCartney-Francis N Role of growth factors in inflammation and repair.J Cell Biochem 1989: 40: 193-199

13. Igarashi A, Nashiro K, Kikuchi K et al.Connective tissue growth factor gene expression in tissue sections from localizedscleroderma, keloid, and other fibrotic skin disorders.J Invest Dermatol 1996: 106: 729-733

14. Elenius K, Vainio S, Laato M et al.Induced expression of syndecan in healing wounds. · J Cell Biol 1991: 114: 585-595

15. Grinnel F Wound repair, keratinocyte activation and integrin modulation. · J Cell Sci 1992:101: 1-5

16. Bradford Rockwell W, Kelman Cohen I, Paul Ehrlich HKeloids and hypertrophic scars: a comprehensive review.Plast Reconstr Surg 1989: 84: 827-837

Verfasser

Dr. med. Afshin Fayyazi Universitätsklinikum Göttingen , Abteilung Pathologie Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen

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Vor einigen Jahren hat es in einer großen HamburgerFrauenklinik “Verbrennungen” während der Operationmit HF-Chirurgiegeräten gegeben. Betroffen waren im-mer sehr dünne oder sehr dicke Patientinnen mit etwafünfmarkstückgroßen Verbrennungen an beiden Teilendes Gesäßes.Da der Träger der Klinik bereits einige Male Schmer-zensgeld gezahlt hatte, ordnete das Amt für Arbeitssi-cherheit eine Unterweisung aller Mitarbeiterinnen undMitarbeiter über die Vermeidung von Verbrennungenmit HF-Chirurgiegeräten an.Diese Unterweisungen wur-den mir im Honorarverhältnis übertragen.

Ich konzentrierte mich hauptsächlich auf die Lagerungder Patientinnen mittels

- einer ca. 3 cm starken isolierenden Gel-Matte direktauf den OP-Tisch-Unterlagen

- sorgfältiger Abdeckung mit saugfähigen Lei-nentüchern

- Vermeidung jeder Berührung der Patientinnen mit ge-erdeten Teilen,wie OP-Tisch und leitfähigem Zubehör,Infusionsständern, medizinischen Geräten etc.

Die Teilnehmer versicherten mir ausdrücklich, daß sieso auf Empfehlungen ihres Medizintechnikers schon han-delten.Ich wurde zum nächsten OP-Tag eingeladen und auf mei-nen Wunsch hin wurden eine sehr schwergewichtige undeine sehr dünne Patientin, beide in voller Rückenlage,operiert.

Es zeigten sich zwar keine Verbrennungen, aber deut-liche Rötungen an beiden Gesäßteilen.Diese hätten nachAussage des OP-Personals bei länger andauernderOperation mit hoher Wahrscheinlichkeit zur “Verbren-nung” geführt.Verbrennungen konnte es hier aber nichtgeben, denn ich habe die Patientinnen während derOperation mit Hilfe eines Meßgerätes überwacht undfestgestellt, daß sie auch während der erforderlichenSpülungen einige MΩ über dem Potential des PE (pro-tective earth) lagen. Ein Stromfluß gegen Erde war nichtmöglich.

Wo also liegt die Ursache für diese Ver-brennungen oder Nekrosen?Nach meiner beruflichen Erfahrung sind dies:

1. Die Wahl des “richtigen” Kaltdesinfektionsmittels.An Druckstellen gegen OP-Unterlage oder Haut ge-gen Haut (z.B.Oberschenkel,Hautfalten) sollte auf einKaltdesinfektionsmittel mit geringem Alkoholgehaltzurückgegriffen werden (Cutasept® z. B. enthält63 mg alc auf 1g, Octenisept® nur 20 mg auf 1g). Al-kohol entfettet die Haut und macht anfälliger gegenSchädigungen durch elektrische Ströme. Hochfre-quente Ströme fließen, wenn es ermöglicht wird,über die Oberfläche von Körpern. Dieser Weg wirdauch zwischen aktiver und neutraler Elektrode “be-vorzugt”.

2. Die Vermeidung von Hautfalten an den “Auflage-punkten” des Skelettes bei der Lagerung adipöserPatientinnen. In diesen Hautfalten kann das Kaltdes-infektionsmittel nicht verdunsten und es stellt zu-sammen mit dem Schweiß einen idealen Leiter dar.Entgegen der landläufigen Meinung entsteht eineVerbrennung nicht durch die Größe des Stromes,sondern durch eine zu hohe Stromdichte. Man mußsich das etwa so vorstellen: Der durch den flüssigenLeiter fließende Strom erwärmt diesen, ein Teil derFlüssigkeit verdampft,der Querschnitt wird geringer,die Stromdichte steigt. Dadurch wird eine Verbren-nung dritten Grades der durch Desinfektionsmittelund schlechte Durchblutung vorbelasteten Haut erstmöglich.

3. Bei sehr dünnen Patientinnen drücken z. B. dieBeckenknochen so stark auf das untere Hautgewebe,daß der statische Druck den arteriellen übersteigt,bis die Durchblutung zum Stillstand kommt.Schweißund Kaltdesinfektionsmittel können nicht mehr ver-dampfen, und es tritt der gleiche Effekt wie unterPunkt 2 beschrieben auf. Hier bleibt nur eine mög-lichst schonende, das heißt auf gleichmäßige Ge-wichtsverteilung der Patientin zielende Lagerung.

4. Moderne HF-Chirurgiegeräte zeigen durch Alarman,wenn mehr als 150 mA hochfrequenter Leckstromfließen, d. h. auf dem Wege von der aktiven zur neu-tralen Elektrode verloren gingen. Diese können nurüber Flüssigkeitsbrücken zum OP-Tisch fließen, essei denn,die Patientin berührt plötzlich elektrisch ge-gen Erde leitendes OP-Zubehör. Beide Punkte müs-sen rasch abgeklärt und beseitigt werden.

Verbrennungen mit HF-Chirurgiegeräten – Ein Fallbeispiel –U. KammerhoffSachverständiger für Geräte der Elektro- und elektrophysikalischen Medizin

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5. In elektrotechnischem Sinn ist jeder Mensch eineKapazität, d. h. er hat die Fähigkeit, Ladungsträgerzu speichern. Das hat bei längerer Einwirkung desHF-Stromes zur Folge, daß das Potential der isoliertgelagerten Patientinnen gegenüber Erde steigt. DieWahrscheinlichkeit, daß ein parasitärer Strompfadentsteht, längs dessen Weges Verbrennungen mög-lich werden, nimmt zu. Der Operateur sollte also lie-ber häufiger mit kurzen Zeitspannen schneiden, alseinmal über einen langen Zeitraum.Auch gegen die-se Gefährdung gibt es Überwachungseinrichtungenin den HF-Chirurgiegeräten.

Dank der Berücksichtigung o.a. Punkte hat es seit mehrals 5 Jahren im genannten Krankenhaus keine “Ver-brennung”oder Nekrose mehr gegeben. (Gestatten Siemir als Ingenieur die Freiheit,zwischen Verbrennung undNekrose nicht zu unterscheiden)Ich traf im letzten Jahr vollkommen identische Zuständein einer großen Berliner Frauenklinik an.Auch dort konn-te dank der Einweisung des Personals jeder Zwischen-fall beim Umgang mit HF-Chirurgiegeräten verhindertwerden.

Verfasser

Ulrich KammerhoffÖffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Geräte der Elektro- und elektrophysikalischen Medizin, Schalltherapie- und Diagnosegeräte, bildgebende SystemePostfach 18 31, 24508 Neumünster

Aufgeschreckt durch einen Fall von Neutralelektroden-verbrennung nach einem Eingriff sind wir der Proble-matik der iatrogenen Schäden durch HF-Chirurgie nach-gegangen.

Grundlagen

Grundsätzlich kommt es zu einer Erwärmung,wenn dieeinem Körper zugeführte Energie größer ist als dieMenge, die wieder abgegeben wird (Abb. 1).

Überschreitet die dadurch entstandene Erwärmung ei-nen bestimmten Wert, führt dies zu einer thermischenSchädigung. Die Dauer der Erwärmung spielt dabeieine wesentliche Rolle, ob sich eine Schädigung ergibt.Thermische Schäden der Haut können auftreten beikurzdauernder hoher Temperatureinwirkung oder län-gerdauernder geringer Erwärmung (Abb. 2).

Bei der elektrisch induzierten Verbrennung ist wesent-lich, daß der Temperaturanstieg des Gewebes propor-tional mit dem Widerstand und im Quadrat mit demStrom ansteigt (Abb. 3).

Wenn sich eine Neutralelektrode teilweise vom Patien-ten löst,so steigt die Stromflussdichte im verbleibenden,haftenden Elektrodenteil an (Abb. 4, 5).

Iatrogene ElektroverbrennungM. Wanner, I. Huracek, H. Missfelder, R. de Roche, N. Lüscher, G. PiererKlinik für Wiederherstellungschirurgie, Kantonsspital Basel

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Abb. 5: Wärmebild einer teilweise abgelösten Elektrode. Die Er-wärmung erreicht weit über 16 °C (die Kreise gehen weit über dasGitter hinaus), es besteht Verbrennungsgefahr.

TemperaturI2

R

Zeit und Temperatur

Stromflußdichte

Die Stromflußdichte unter der NE ist inhomogen. Diesführt zu unterschiedlicher Erwärmung, speziell an denKanten der NE. Diesen sogenannten Kanteneffekt se-hen wir hier bei einem Patienten. (Abb.6, 7, 8). Siehenächste Seite.

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Wird die Elektrode über ein Gebiet plaziert, daßwährend der OP druckbelastet ist, so führt die Druck-belastung zu einer reduzierten Hautperfusion,z.B.überdem Sacrum (Abb. 9).

Dadurch kann die sich entwickelnde Wärme nur nochreduziert abgeführt werden, so daß sich das Risiko ei-ner Verbrennung erhöht. Auch erhöht wird die Gefahreiner Druckstellenbildung (Dekubitus) da durch die Er-wärmung der O2- und Energiebedarf an dieser Stellesteigt.

Arten von Elektroverbrennungen

Verbrennungen können entstehen durch die Aktivelek-trode bei Hautkontakt oder Kontakt mit Flüssigkeiten,diedie Ableitung des Stroms über den Patienten ermögli-chen.Eine unachtsam weggelegte bipolare Elektrode kann zuVerbrennungen der Haut zwischen den Branchenführen.

Bei der endoskopischen Chirurgie bestehen einige Ri-siken der Elektroverbrennung (Isolationsfehler, alter-nativer Stromfluß, eingeschränktes Gesichtsfeld desOperateurs etc.).An dieser Stelle soll jedoch nicht näherdarauf eingegangen werden.

Schließlich kann es im Bereich der Neutralelektrode zuVerbrennungen kommen. Über 70 % der Elektrover-brennungen im Rahmen von chirurgischen Eingriffensind durch die Neutralelektrode verursacht oder mit-verursacht.

Abb. 7: Temperaturbild an einer Neutralelektrode, gemessen mit dem GP-Test.Die höheren Temperaturwerte am Rand zeigen die höhere Stromdichte.

Abb. 9: Druckstellengefährdete Areale im Beckenbereich

KanteneffektSwaroplate 1201 GP-Test IIVolunteer experiment Uni Innsbruck@ 700 mA, 60 sec.

Abb. 9: Wärmebild einer guten Elektrode, gemessen mit dem GP-Test. Die Er-wärmung bleibt mit maximal 3 °C weit unter dem zulässigen Höchstwert.

WärmeverteilungSwaroplate 1201 GP-Test IIVolunteer experiment Uni Innsbruck@ 700 mA, 60 sec.

Abb. 6: Schwarz eingez. die ehem. Elektrodenlage (Zust. n. Nekrosenabtragung)

Viel Beachtung findet der Strom, der nicht dort abfließtwohin er sollte: Kontakt des Patienten mit der geerde-ten Unterlage, einem Infusionsständer etc. kann zu Ver-brennungen führen. Viel rascher aber wird der alter-native Stromfluß bemerkt, wenn dieser beim monopo-laren Koagulieren unvermittelt den Weg über denChirurgen sucht (Abb. 10, 11).

Eigene UntersuchungenWir haben deshalb die Fälle von Elektroverbrennun-gen retrospektiv untersucht.31 Kliniken im Raume Nord-West-Schweiz wurden angeschrieben mit der Bitte,unsdie Inzidenz der Elektroverbrennungen anzugeben.Vondiesen 31 Kiniken haben 20 geantwortet.Zwischen 1994und 1995 wurden in diesen 20 Kliniken rund 70.000 chir-urgische Eingriffe durchgeführt. Die Eingriffe deckendie ganze Palette der Chirurgie ab (Allg. Chirurgie, Or-thopädie,Urologie,Neurochirurgie,Herzchirurgie,Plast.Chirurgie). Nach Angaben kam es dabei zu 6 Diather-mieverbrennungen, das heißt, ca. 1 Verbrennung auf10.000 Eingriffe. Zum Vergleich wurden während 5 Jah-ren im Universitätsspital Basel ca.75.000 Eingriffe durch-

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Abb. 10, 11:Bei der monopolarenKoagulation wird einBlutgefäß mit der Pin-zette erfaßt. Durch dieHitzewirkung kommt eszur Koagulation. Wirddie Koagulation fortge-setzt, breitet sich diethermische Gewebe-schädigung aus. Da-durch steigt der Wider-stand, was dazu führenkann, daß sich derStrom einen alternati-ven Abflußweg sucht

Abb. 12: Maßnahmen zur Vermeidung von HF-Verbrennungen

geführt,wobei es zu 13 Diathermieverbrennungen kam,rund doppelt so viele.

Diese doppelt so hohe Zahl führen wir auf 2 Faktorenzurück:

1. Die Erhebung am Universitätsspital wurde durch ei-ne neutrale Instanz durchgeführt. Der Anaesthesistkontrolliert jeden Patienten am 1. oder 2. postope-rativen Tag um das Operationsergebnis bezüglichKomplikationen und Anästhesieologie zu erfassen.

2. dürfte unsere Frage nach der Häufigkeit von Dia-thermieverbrennungen doch eher schwierig zu be-antworten sein, da diese retrospektiv gestellt wur-de. Unangenehme Komplikationen werden ja in derRegel eher verdrängt.

Wir müssen deshalb davon ausgehen, daß die Dunkel-ziffer mindestens doppelt so hoch ist.

ZusammenfassungWie lassen sich Elektroverbrennungen verhindern?

/EKG-Kabel

- Stromstärke so niedrig wie möglich wählen- Apparatealarm nicht ausschalten- Regelmäßige Wartung- Schwebende Erdung- Kabelkontrolle- Isolation endoskopischer Geräte prüfen- Reinigen der Aktivelektrodenspitze- Vermehrter Einsatz bipolarer Koagulation- Gebrauch von Einmal-Neutralelektroden- Entfernung von Haaren im Elektrodenklebebereich- Plazierung der NE möglichst über Muskulatur, nicht

über druckbelasteten Körperstellen- Cave: Flüssigkeit

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Abb. 2: Frische flächige Verbrennung unter einer Neu-tralelektrode

Fallbeispiele:Abb. 1a: Frische IIb-gradige Verbrennung unter einerNeutralelektrode am Oberschenkel

Abb. 1b: Sauberes Granulationsgewebe nach 3 Wochen

Abb. 1c: Zustand nach einem Jahr, es bleiben hypertro-phe Narben

Abb. 3: Frische Verbrennung des Fußes durch alterna-tiven Stromabfluß, klinisch zweitgradig

Abb.4:Erythem nach Entfernung einer Neutralelektrode,DD: Druckstelle

Abb. 6b: Zustand nach Korrektur durch Nekrosenent-fernung und Direktverschluß

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Abb. 5: An dieser Neutralelektrode kleben noch Haa-re, welche bei der Entfernung ausgerissen wurden! DieAuflagefläche der NE muß immer rasiert werden, umbesseren Kontakt zu ermöglichen

Abb. 6a: Zustand nach Verbrennung II. Grades

Verfasser

Dr. med. Marcus B. WannerKantonsspital Basel, Klinik f. Plastisch-Rekonstruktive Chirurgie

Spitalstraße 21, 4031 Basel, Schweiz

Merke:NE-Verbrennungen ziehen in der Regel Haft-pflichtprozesse nach sich. Verbrennung undProzess sind vermeidbar. Der Patient ist nieschuld!

Hochfrequenzchirurgie bei der LaparoskopieV. LangeChirurgische Abteilung, Schlosspark-Klinik, Berlin

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Für laparoskopische Eingriffe ist es essentiell, daß diePräparation blutungsfrei oder blutungsarm erfolgt, umbestmögliche Übersicht zu behalten. Daher wurden vonAnbeginn Instrumente verwendet, die beim Schneidenvon Gewebe gleichzeitig koagulieren können.Als Ener-gieform kamen dabei hochfrequenter Strom oder La-ser zur Anwendung. Seit einigen Jahren gewinnt hoch-frequenter Ultraschall an Bedeutung.

Die in den USA bei laparoskopischen Operationen an-fangs bevorzugt benutzten Laser hatten in Europa nieeine wesentliche Bedeutung erlangt. Inzwischen wirdnicht nur in den USA sondern weltweit überwiegendhochfrequenter Strom zur Präparation verwendet. Trotzder Dominanz dieser Energieform in der laparoskopi-schen Chirurgie ist der hochfrequente Strom nicht oh-ne Nachteile und Risiken. Bei monopolarer Elektroden-anordnung sind geringe Kosten und inzwischen denpräparatorischen Bedürfnissen sehr gut angepasste In-strumente ein Vorteil. Relativ starke Rauchentwicklung,nicht unerhebliche Risiken von intraabdominellen Hit-zeschäden an Nachbarorganen (über Gewebebrücken,sich verjüngende Gewebestrukturen, durch defekte In-strumentenisolation und kapazitive Ströme) oder Ver-brennungen an der Körperoberfläche bedeuten jedochernst zu nehmende Nachteile. Die bipolare Elektroden-anordnung auf der Instrumentenspitze ist physikalischbezüglich der vorgenannten Risiken deutlich ungefähr-licher, ebenfalls billig und geht insgesamt mit wenigerRauchentwicklung einher. Ein gravierender Nachteil fürdiese Instrumente besteht allerdings in dem physikalischbegründeten Gerätedesign. Bisher sind keine Instru-mente auf dem Markt, die die Ansprüche einer subti-len chirurgischen Präparation befriedigen.

Auch nach mehreren Jahren laparoskopischer Chirurgielagen in Deutschland keine Erkenntnisse vor, welchePräparationstechniken bei welchen minimalinvasivenOperationen zur Anwendung kommen.Wir haben daherEnde 1996 eine Umfrage bei deutschen Chirurgendurchgeführt, um genauere Informationen über Präpa-rationstechniken und strombedingte Komplikationen zuermitteln.

Es haben auf diese Umfrage insgesamt 138 Institutio-nen geantwortet. Es handelte sich um 19 Universitäts-Kliniken, 32 Akademische Lehrkrankenhäuser, 81 Kreis-krankenhäuser und 6 niedergelassene Chirurgen. Die-se berichteten über 137.654 Operationen,von denen dieHälfte exakt gezählt, die übrigen geschätzt waren (Ta-belle 1).

Tabelle 1:Anzahl der für die Erhebung herangezogenen Operationen unter-schieden nach der Art der Institution

Anzahl d. Op. Exakt ge- durchschnitt-(min.-max) zählte Op. (%) liche Op.-Zahl

Uni (n =19) 32854 44,9 1729(550-3750)

ALKhs (n = 32) 51967 52,3 1624(162-6000)

KKhs (n = 81) 52062 49,9 643(15-2150)

NCh (n = 6) 771 83,1 129(10-251)

Gesamt 137654 50 –

Uni = Universitätsklinik, ALKhs = Akademisches Lehrkrankenhaus,KKhs = Kommunales Krankenhaus,NCh = Niedergelassene Chirurgen

Hochfrequenzchirurgiegeräte waren zu 100 % in den ge-fragten Abteilungen vorhanden.Ein Laser stand in 10 Ein-richtungen (7 %), ein Ultraschalldissektor in 11 %, einInfrarotkoagulator in 12 % und ein Argonbeam in 16 %der Einrichtungen zur Verfügung (Tabelle 2).

Tabelle 2:Ausstattung der Einrichtungen mit Geräten zur Präparation und Koa-gulation

HF- Laser US- Infrarot- Argon-Chirurgie Dissektor koagulator beam

Uni 19 3 8 2 6ALKhs 32 5 5 3 10KKhs 81 2 2 11 7NCh 6 – – – –Gesamt 138 (100 %) 10 (7 %) 15 (11 %) 16 (12 %) 23 (16 %)

Bei laparoskopischen Operationen verwenden 8 % derbefragten Chirurgen nie elektrischen Strom.41 % präpa-rieren mit dem elektrischen Haken, 27 % mit der Sche-re und die restlichen Operateure benutzen Schere undHaken bei den verschiedenen Eingriffen.Der elektrischePräparierhaken hat damit einen sehr hohen Stellenwertund wird offensichtlich von der Mehrzahl der Chirur-gen bevorzugt. Die elektrischen Präparierhaken wer-den mit monopolarer Elektrodenanordnung betrieben.Elektrophysikalisch wird allgemein die bipolare Tech-nik als risikoärmer eingestuft,denn thermische Schädenkönnen nur bei zu langer Stromapplikation lokal uner-wünscht ausgedehnte Hitzenekrosen hervorrufen. Dereinzige, der monopolaren Präparationstechnik ver-gleichbare Elektrohaken mit bipolarer Elektrodenan-ordnung, ist inzwischen wieder vom Markt genommenworden,so daß z.Zt.kein Instrument vorliegt,welches ei-ne Hakenpräparation mit möglichst sicherer Technik er-laubt.

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Tabelle 3:Verteilung der zur Präparation mit Strom verwendeten Instrumente

Haken- Schere Haken + Nie mit elektrode Schere Strom

Uni 4 8 5 2ALKhs 12 9 6 5KKhs 37 19 21 4NCh 4 2 – –Gesamt 57 (41,3 %) 38 (27,5%) 32 (23,5 %) 11 (7,9 %)

Die einzige unumstrittene etablierte laparoskopischeOperation ist auch heute noch die laparoskopische Cho-lezystektomie. 80 % der Chirurgen benutzen bei dieserOperation ausschließlich monopolare HF-Chirurgie zurPräparation, 22 % verwenden bipolare Instrumente aus-schließlich oder zusätzlich bei der Operation.Bei der Ap-pendektomie, die im Gegensatz zur Cholesystektomienicht von allen Kliniken und Praxen durchgeführt wird,kommt in 70 % bipolarer Strom zur Anwendung. Me-chanisch präparieren 33 % der Befragten bei diesem Ein-griff.Mehrfach-Angaben waren bei diesen Antworten zu-gelassen, so daß die Summe der Prozentzahlen über100 % ergeben kann. Die Bevorzugung der monopola-ren Koagulation bei der Appendektomie geht sicherlichauf die Arbeit von Götz zurück, der die Koagulation derMesoappendix und der Appendix selbst mit bipolaremStrom empfahl.Es gibt inzwischen mehrere Arbeiten,diegenau diese Technik als risikoreichstes Verfahren er-scheinen lassen.

Tabelle 4:Präparations- und Koagulationstechnik bei der Cholecystektomie(Mehrfachangaben gestattet)

Uni ALKhs KKhs NCh Gesamt

Monopolar 14 25 69 3 111 HF-Chirurgie (74 %) (28 %) (85 %) (50 %) (80 %)

Bipolar HF 4 8 16 3 31 (21 %) (25 %) (20 %) (50 %) (22 %)

Laser – 2 – – 2 (6 %) (1 %)

US-Dissektor 2 1 – – 3 (11 %) (3 %) (2 %)

Mechanisch 5 8 45 3 61 (26 %) (25 %) (56 %) (50 %) (44 %)

Sonstiges – 2 5 – 7

(6 %) (6 %) (5 %)

Tabelle 5:Präparationstechniken bei der Appendektomie (Mehrfachangaben ge-stattet)

Uni ALKhs KKhs NCh Gesamt

Keine App. 3/19 4/32 21/81 3/6 31/138 (23%)Monopolar 6 (38 %) 10 (36 %) 15 (25 %) 1 32 (30 %)Bipolar 8 (50 %) 18 (64 %) 45 (75 %) 3 74 (69 %)Mechanisch 5 (31 %) 4 (14 %) 25 ( 42 %) 1 35 (33 %)Sonstiges – 1 (4 %) 2 (3 %) – 3 (3 %)

App. = Appendektomie

Die Hernienoperation, die ebenfalls nicht von allen Kli-niken laparoskopisch durchgeführt wird, zeigt die Be-vorzugung monopolarer Instrumente zur Blutstillung undPräparation deutlich vor bipolaren Instrumenten, die le-diglich bei 20 % der Fälle angewendet werden.

Tabelle 6:Präparationstechniken bei der Herniotomie (Mehrfachangaben ge-stattet)

Uni ALKhs KKhs NCh Gesamt

Keine Hernie 1/19 10/32 40/81 5/6 56/138 (41 %)Monopolar 11 (61 %) 13 (59 %) 28 (68 %) – 52 (63 %)Bipolar 2 (11 %) 5 (23 %) 8 (20 %) 1 16 (20 %)Mechanisch 8 ( 44 %) 11 (50 %) 19 (46 %) 1 39 /48 %)Sonstiges – 1 (5 %) 4 (10 %) – 5 (6 %)

Neben der routinemäßig durchgeführten Cholezystek-tomie und den schon von weniger Kliniken durchge-führten Eingriffen wie Appendektomie und Hernioto-mie besteht für Eingriffe am Colon noch eine erhebli-che Zurückhaltung. Lediglich 22 % der an sichlaparoskopisch aktiven Kliniken führten Colonoperatio-nen laparoskopisch zum Zeitpunkt der Erhebung durch.Hierbei wurden bevorzugt monopolarer Strom und diemechanische Präparation angewendet, bipolare Koagu-lationstechniken kamen bei etwa einem Drittel der Kli-niken zum Einsatz.

Tabelle 7:Präparationstechniken bei Coloneingriffen (Mehrfachangaben ge-stattet)

Uni ALKhs KKhs NCh Gesamt

Kein Colon 5/19 23/32 73/81 – 107/138 (78 %)Monopolar 8 (57 %) 4 (44 %) 6 (75 %) – 18 (58 %)Bipolar 4 (29 %) 3 (33 %) 3 (38 %) – 10 (32 %)US-Diss. 3 (21 %) 1 (7 %) – – 4 (13 %)Mechanisch 3 (21 %) 7 (50 %) 5 (63 %) – 15 (48 %)Sonstiges – 1 (3 %) – – 1 (3 %)

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Es konnte also geklärt werden, welche Präparations-techniken und Energieformen bevorzugt in Deutschlandpraktiziert werden. Intraoperative und postoperativeKomplikationen,die auf den Strom selbst zurückzuführenwaren, wurden abgefragt. 24 Kliniken (17 %) gaben in-traoperative Komplikationen an, die z. T. auch benanntwurden als Darmkoagulation, oberflächliche Coecum-nekrose und Defekt der Instrumentenisolierung. 26 Kli-niken (19 %) beobachteten postoperative Komplikatio-nen, die dem Strom angelastet wurden. Hier handeltees sich um Hautverbrennungen, Dünn- und Dickdarm-nekrosen, Abszesse, Gallelecks und Choledochusste-nosen.Diese Angaben sind nicht repräsentativ,da die Artder Verletzung nicht abgefragt wurde und diese Anga-ben zusätzlich freiwillig erfolgten. Festzuhalten bleibt,daß 0,1 % aller laparoskopischer Operationen mit Kom-plikationen, die dem Strom angelastet wurden, behaftetwaren. Speziell die Rate der postoperativen strombe-dingten Komplikationen mit 0,05 % liegt am unteren Ran-de der Literaturangaben. Intraoperative Stromverletzun-gen werden in der Literatur nur vereinzelt in Kasuisti-ken ohne prozentuale Angaben mitgeteilt. Obwohllaparoskopische Operationen in der Regel so präzise do-kumentiert werden, wie dies in der offenen Chirurgiekaum geschah, bleiben Zweifel bestehen, ob die mit-geteilten Daten der Wirklichkeit entsprechen. Eine Rei-he uns persönlich bekannter strombedingter Verletzun-gen sind bei Abfrage der entsprechenden Klinik nichtin dieser Analyse aufgetaucht.Auf Befragen erhielten wirdie Antwort, daß die strombedingte Ursache der Schä-digung nicht zweifelsfrei erwiesen sei. Dies stellt in derTat das wesentliche Problem bei einer strombedingtenLäsion dar, denn diese wird sich in der Regel erst zwi-schen 3 – 7 Tagen nach der Verbrennung eines Hohlor-gans bemerkbar machen, dann häufig mit einer Perito-nitis oder einem Abszeß. Der Pathologe kann zu die-sem Zeitpunkt nur die Schädigung aber nicht mehr dieUrsache erkennen. Trotz dieser Unsicherheiten und ei-ner vielleicht willkürlich anzunehmenden doppelt so ho-hen Rate von Stromverletzungen bleibt festzuhalten,daßder Strom nur im Promillebereich tatsächlich zu Kom-plikationen führt.

Das zwischenzeitlich in Deutschland in einer sehr ho-hen Anzahl verbreitete Ultraschallskalpell dürfte an die-sen Aussagen wenig ändern. Zum Zeitpunkt der vorge-stellten Erhebung waren in Deutschland nur 10 Ultra-schallskalpell-Einheiten verkauft, so daß diese in derUmfrage keine Berücksichtigung fanden. Mittlerweilesind über 150 Geräte in Deutschland im Einsatz. Nachunserer ursprünglichen Erfahrung werden diese Instru-mente jedoch ganz überwiegend nur für komplexe Ope-rationen wie Coloneingriffe oder die Fundoplicatioangewendet.Die meisten Kliniken setzen das Ultraschall-skalpell nicht für die hier analysierten einfachen Ope-rationen wie die Cholezystektomie,die Appendektomieund die Herniotomie ein. Damit haben die mitgeteiltenZahlen weiterhin Bestand und auch die Forderung bleibtunverändert, potente bipolare Instrumente zu ent-wickeln, die vergleichsweise ungefährlicher als mono-polarer Strom und billiger in der Anwendung als das Ul-traschallskalpell sind.

Verfasser

Prof. Dr. med. V. LangeSchlosspark-Klinik, Chirurgische AbteilungHeubnerweg 2, 14059 Berlin

Die intraoperative Alteration „Verbrennung“Oft Gegenstand eines medizinischen Haftpflicht-verfahrensK.-F. Lindenau, R. W. HackerHerz- und Gefäßchirurgische Abteilung, Rhön-Klinikum Bad Neustadt

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Ausgelöst durch einen intraoperativen HF-Verbren-nungsschaden haben wir uns intensiv mit der intraope-rativen Hautalteration beschäftigt und folgende Zahlen zuHaftpflichtschäden in Deutschland bei Herz- und Ge-fäßchirurgischen Operationen zusammengetragen, diewir im folgenden kurz präsentieren möchten.

Aufwendige und schwierige Operationen, die zudemnoch eine lange Operationszeit beinhalten können abernoch andere Komplikationen nach sich ziehen:

Intraoperative Hautalterationen

• Druckstelle – Dekubitus• Scheuerstelle• toxische Schädigung• Verbrennung

Zusammenfassung

Die intraoperative Alteration „Verbrennung“ wird immerwieder Gegenstand eines medizinischen Haftpflicht-schadens bleiben, wenn es nicht gelingt, alle mit derHF-Chirurgie umgehenden Mitarbeiter so zu sensibili-sieren, daß alle Vorsichtsmaßnahmen strikt eingehaltenwerden. Es obliegt insbesondere den leitenden ärztli-chen und pflegerischen Mitarbeitern in OP-Abteilungenhierfür Sorge zu tragen und unausgebildetes Personalvon der Überwachung und dem Einsatz der HF-Chir-urgie freizustellen oder sorgfältig zu überwachen.

Aus den Zahlen der Haftpflichtversicherer läßt sich er-kennen, daß das Risiko eines Verbrennungsschadenszwar klein, aber dennoch vorhanden ist und alle Mitar-beiter in OP-Bereichen regelmäßig über den Umgangmit HF-Chirurgiegeräten geschult werden müssen. Wirmüssen insgesamt wohl davon ausgehen, daß es nocheine „Dunkelziffer“ gerade in Bezug auf HF-Verbren-nungsschäden gibt, da vermutlich nicht alle intraopera-tiven Verbrennungen als solche erkannt und auch zur An-zeige gebracht werden.Eine statistische Erfassung ist so-mit nicht möglich.

Haftpflichtfälle 8/1995 bis 7/1999

Operationen mit Herz-Lungen-Maschine14099 (100 %)

Haftpflichtschäden28 (1,98 %)

Tausende

„Medizinische“ Haftpflichtschäden8/1995 bis 7/1999

Operationen mit Herz-Lungen-Maschine14099 (100 %)

Haftpflichtschäden22 (1,56 %)

Tausende

Verfasser

Prof. Dr. K.-F. Lindenau, Prof. Dr. R. W. HackerHerz- und Gefäßchirurgische Abteilung

Rhön-Klinikum Bad Neustadt

Die Hochfrequenzchirurgie ist prinzipiell mit verschie-denen Risiken für Patienten, das Personal und das Um-feld verbunden. Um diese Risiken in der Praxis zu ver-meiden, müssen der Chirurg und seine Assistenten die-se Risiken kennen und die entsprechenden Regeln zurVermeidung von Schäden beachten. Im folgenden wer-den diese Risiken und Regeln zur Vermeidung von Schä-den dargestellt.

Gefahren der thermischen Gewebs-schädigung infolge von HF-Leckströmen

Während der Hochfrequenzchirurgie führt der Patientunvermeidlich hochfrequente elektrische Spannung ge-gen Erdpotential.Berührt der Patient während der Hoch-frequenzchirurgie elektrisch leitfähige Gegenstände,sokann an der Kontaktstelle zwischen Patient und diesemGegenstand ein hochfrequenter elektrischer Strom ent-stehen, der wiederum thermische Nekrosen verursa-chen kann. Elektrisch leitfähige Gegenstände sind nichtnur Gegenstände aus Metall,sondern auch feuchte odernasse Tücher.

Vorbereitung der Geräte vor jedem Einsatz

Vor jedem Einsatz des HF-Chirurgiegerätes muß dasGerät mit seinem Zubehör kontrolliert werden. Folgen-de Prüfungen sind dabei empfehlenswert:

- Zusammengehörigkeit der Zubehörteile und desGerätes (es dürfen nur die zum Gerät gehörenden Lei-tungen, Elektroden usw. benutzt werden)

- Vollständigkeit des Zubehörs- Stecker und Leitungen auf äußerlich erkennbare Schä-

den prüfen- Endoskopische Instrumente zur Anwendung des HF-

Stromes vor dem Einsatz auf schadhaft gewordene Iso-lierung prüfen. Fehlerhafte Instrumente dürfen nichtverwendet werden.

- Kontrolle der ordnungsgemäßen Funktion der Über-wachungsschaltung für die Neuralelektrode (durchZiehen des Steckers muß optischer und akustischerAlarm ausgelöst werden können)

- Kontrolle der Funktion der optischen und akustischenAnzeige während der HF-Leistungsabgabe, durch z.B. Fußschalterbetätigung

- Kontrollieren, ob das Gerät vor dem Ausschalten aufkleinstmögliche HF-Leistung zurückgestellt wurde(Leistungssteller auf „0“ bzw. „1“ zurückgedreht), da-mit nach dem Wiedereinschalten nicht unbeabsich-tigt und unbeachtet mit zu hoher Leistung gearbeitetwird.

Bei der Verlegung von Leitungen (HF-Chirurgiegerät,Überwachungselektroden usw.) sollten folgende Hin-weise beachtet werden:

Die Zuleitungen zu den HF-Elektroden (Aktivelektrode,Neutralelektrode) sollen:- so kurz wie möglich sein- ohne Schleifen geführt sein- so geführt werden, daß sie weder der Patient noch

andere Leitungen berühren (Gefahr von kapazitivenÜbergängen oder Induktion)

- nicht parallel zu EKG-Leitungen geführt werden (Ge-fahr von kapazitiven Stromübergängen oder Indukti-on)

Die verlegten Leitungen dürfen für das OP-Personal kei-ne Sturzgefahr oder Behinderung darstellen.

Anwendung des HF-Gerätes

Bei der Anwendung des HF-Gerätes sollten folgendeHinweise beachtet werden:

- Brennbare Hautreinigungs-, Entfettungs- und Desin-fektionsmittel müssen vor der Anwendung des Gerä-tes restlos verdunstet sein (min. 10 Sek.Wartezeit), daansonsten evtl. entstehende Funken Zündquellen fürbrennbare Gasgemische sein können.

- Es besteht die Gefahr der Ansammlung brennbarerFlüssigkeiten unter dem Patienten oder in Körperver-tiefungen (z. B. Nabel). Diese Flüssigkeiten sollten ab-getupft werden, bevor das HF-Gerät eingesetzt wird.

- Die ganzflächige Auflage der Neutralelektrode undder feste Sitz der Neutralelektrode sollte öfters kon-trolliert werden, insbesondere nach Lageveränderungdes Patienten.

- Nach Lageveränderung des Patienten müssen alleElektroden und Leitungen überprüft werden.

- Sollte plötzlich während einer OP eine höhere Lei-stungseinstellung notwendig werden, dann kann dieUrsache dafür sein:- schlechte Anlage der Neutralelektrode- schlechter Kontakt in den Steckverbindungen- gebrochene Leitungen

Dies ist zu überprüfen, bevor eine höhere Leistungeingestellt wird!

- Der Handgriff mit der Aktivelektrode muß immer freisichtbar und so abgelegt werden, daß die Aktivelek-trode keine geerdeten Metallteile oder den Patientenberühren kann. Eine unbeabsichtigte Betätigung desHandschalters muß durch eine entsprechende Ablageverhindert sein.

- Die Aktivelektroden müssen sauber und blank gehal-ten werden, um eine gute Anwendungstechnik zu er-möglichen.

Patientensicherheit bei Anwendung von Elektrochirurgie-GerätenU. PohlOP-Pfleger an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

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Anbringen der Elektroden am PatientenDie Neutralelektrode des HF-Chirurgiegerätes mußsorgfältig und sicher angebracht werden. Dabei ist fol-gendes zu beachten:- Die Neutralelektrode muß so nahe wie möglich am

Operationsfeld angelegt werden.Die Abbildung 2 zeigtoptimale Anlagebereiche der Neutralelektrode für dasentsprechende Operationsgebiet, in dem sie ent-sprechend den anatomischen und operativen Bedin-gungen anzulegen ist.

- Die Neutralelektrode muß ganzflächig am Körper desPatienten angebracht werden um einen ungleich-mäßigen Kontakt und damit Verbrennungen zu ver-meiden. Ein Aufliegen auf Knochenvorsprüngen ist zuvermeiden.

- Die Anlagestelle für die Neutralelektrode ist vorherzu reinigen und zu entfetten und im Bedarfsfall von star-kem Haarwuchs zu befreien, damit ein kleiner Über-gangswiderstand erreicht wird.

- Alkohol sollte zur Hautreinigung nicht verwendet wer-den, da er die Haut und im Auflagebereich der Neu-tralelektrode zu einem erhöhten Hautübergangswid-erstand führen kann.

Lagerung des Patienten

Bei der Anwendung von HF-Chirurgiegeräten ist jedergewollte oder zufällige Kontakt des Patienten mit geer-deten Metallteilen sorgfältig zu vermeiden. Um dies zugewährleisten,müssen folgende Hinweise beachtet wer-den:

- Der Patient darf keine Metallteile (z. B. OP-Tisch, Hal-terungen) berühren.

- Ableitfähige Atemschläuche dürfen nicht am Patientenaufliegen.

- Auf dem geerdeten OP-Tisch müssen sich elektrischableitfähige Auflagen befinden,um elektrostatische La-dungen abzuleiten. Diese Auflagen reichen für eineIsolierung des Patienten vom geerdeten OP-Tisch beiHF-Chirurgieanwendung nicht aus. Deshalb muß ei-ne dicke, isolierende Unterlage unter den Patienten ge-legt werden, auf die ausreichende Zwischenlagen vonAbdecktüchern gegeben werden. Darauf wird dannder Patient gelagert.

- Der Patient darf nicht auf feuchten Unterlagen gelagertwerden.

- Ausscheidungen des Körpers, wie Schweiß, Sekretio-nen, Blut usw.,als auch aufgetragene Flüssigkeiten zumReinigen oder applizierte Flüssigkeiten,wie Infusionenusw. dürfen die trockenen Unterlagen nicht durch-feuchten und müssen im Bedarfsfall schnell und rück-standsfrei aufgesogen werden, damit es nicht zu Flüs-sigkeitsansammlungen unter dem Patienten kommt.

- Urinausscheidungen müssen über Katheter abgelei-tet werden.

- Bereiche mit stärkerer Schweißabsonderung,am Kör-perstamm anliegende Extremitäten oder Haut-Haut-Kontaktstellen sollen durch Zwischenlegen von Ab-decktüchern trocken gehalten werden (Arm-Rumpf,Bein-Bein, Mammae, Hautfalten, usw.)

- Alle leit- und ableitfähigen Auflagen, z. B. Stützen undBügel für Arme, Beine, Schädel usw. müssen gut iso-liert vom Patienten gehalten werden.

- Narkose so einstellen, daß eine zu starke Schweiß-absonderung vermieden wird.

- Bei Anwendung von Flüssigkeiten aller Art muß dar-auf geachtet werden,daß diese Flüssigkeiten nicht ver-spritzt oder verschüttet oder zu reichlich verwendetwerden, damit nichts unter den Patienten läuft.

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saugfähige Patientenunterlage

isolierende OP-Tisch Auflage

ableitfähige OP-Tisch Auflage

Notwendige OP-Tischauflagen bei HF-Chirurgie Anwendung

Optimale Anlagebereiche der Neutralelektrode für das entspre-chende Operationsgebiet

- Ein evtl. bereitstehendes Ersatzgerät ist ebenfalls ent-sprechend den vorgenannten Punkten zu überprüfen.Bei einigen Eingriffen ist das Bereitstellen eines zwei-ten HF-Chirurgiegerätes sinnvoll und notwendig.Durch den plötzlichen Ausfall eines HF-Gerätes, z. B.während einer transurethralen Operation, Polypenab-tragung im Darm, Eingriffe an stark durchbluteten Or-ganen, etc., kann für den Patienten eine lebensbe-drohliche Situation entstehen.

- Bei der Anwendung von HF-Chirurgiegeräten mußder Chirurg auf alle Fälle isolierende OP-Handschu-he tragen, um Verbrennungen an der eigenen Hand,z. B. durch den feucht gewordenen Handschalter oderbei unipolarer Koagulation mit einer Metallklemme, zuvermeiden.

Zusammenfassung der wichtigstenSicherheitsmaßnahmen

1. Elektrische Isolierung des Patienten2. OP-feldnahe Applikation der Neutralelektroden3. Ganzflächige,flüssigkeitsdichte Applikation der Neu-

tralelektrode4. Kurze Kabel verwenden,Schleifenbildung vermeiden5. Ggf. Erdungsweiche benutzen6. Leistungseinstellungen des HF-Generators so niedrig

wie möglich7. Sichere Befestigung der Neutralelektrode am Patien-

ten nach Umlagerung kontrollieren.

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Verfasser

Ulrich Pohl, OP-PflegerWestfälische Wilhelms-Universität MünsterAlbert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster

Patientensicherheit bei Anwendung von Elektrochirurgie-GerätenI. Wiedner-HeilFachweiterbildung für den Operationsdienst DBfK Verband

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Im folgenden werden Erfahrungen im Umgang mit HF-Verbrennungen, aber auch Erkenntnisse über mögli-che Ursachen geschildert.Ebenso werden Ideen zur Ab-schaffung dieser Schädigung für den Patienten formu-liert.

Natürlich denkt man bei HF-Verbrennungen sofort an dieSchlagworte MPG (Medizin-Produkte-Gesetz) - Sicher-heit und Schadensersatz.Aber auch:Warum macht maneine Veranstaltung zu diesem Thema,ist dazu nicht schonlängst alles gesagt?

Da ich als Leitung einer Fachweiterbildung für den Ope-rationsdienst im Verbund mit derzeit neun Krankenhäu-sern tätig bin, hatte ich die Möglichkeit, bei den darauffolgenden praktischen Begleitungen das Arbeiten mit derHF-Chirurgie in den einzelnen Operationsabteilungenkritisch zu betrachten, wobei ich dann auch festgestellthabe: Es ist noch nicht alles gesagt – und wenn doch al-les gesagt worden ist kann ich dazu noch folgenden Bei-trag leisten:

Zunächst werden die Fehler, die mir im Umgang mit derHF-Chirurgie auffielen,exemplarisch dargestellt.Auf dieLösungsvorschläge zur Abschaffung dieser Fehler wer-de ich am Ende dieses Beitrages noch einmal konkreteingehen.

Nach MPG ist es gesetzlich geregelt, daß die Anwen-der (auch als Nutzer bezeichnet) in die Handhabung desGerätes eingewiesen sind, diese Einweisung im Medi-zinproduktebuch eingetragen,also dokumentiert ist undin den persönlichen Medizinproduktepaß eingetragenwurde. Hier beginnt schon die Problematik: Einige Mit-arbeiter sind ganz erstaunt über den Begriff MPG undfragen dann nach, was denn aus der MedGV (Medizin-Geräte-Verordnung) geworden ist und ob diese nichtmehr gültig sei. Außerdem sei für eine Einweisung injedes einzelne Gerät im OP auch gar keine Zeit vor-handen, und bis jetzt ist ja auch noch nie etwas passiert(zumindest nichts, was einen Schadensersatzanspruchnach sich gezogen hätte).Ein typischer Spruch,der nichtnur die HF-Chirurgie betrifft.Solange nichts passiert und„der Laden läuft“,wird sich sicherlich auch nichts ändern.Hier stellt sich die Frage,wie sieht es denn mit der Grup-pe von Mitarbeitern aus, die nur eine begrenzte Zeit im

OP verbringen, wie z. B. Schüler und Zivildienstleisten-de, denn auch diese Gruppe ist häufig nicht mit der Be-dienungsanleitung des Gerätes vertraut und eingewie-sen, arbeitet aber täglich damit.

Auch der zum Teil fehlerhafte Umgang mit der Neutral-elektrode ist mir aufgefallen: Hier werden Einwegelek-troden benutzt, von denen man zwar nicht weiß, ob die-se überhaupt kompatibel sind (Wieso – die passen dochan das Gerät/Kabel), aber sie sind auf jeden Fall sehrpreiswert. Ich würde hier sogar den Begriff billig wählen,denn eine Neutralelektrode, die wie Wellpappe anliegt,erfüllt sicherlich nicht ihren Zweck.

Einen Schritt weiter: In einigen Operationsabteilungenist es üblich, die Neutralelektrode prinzipiell am rech-ten Oberschenkel anzulegen, es sei denn, das rech-te Bein wird operiert, dann wird eben auf den linkenOberschenkel ausgewichen. Das wird deshalb so ge-macht, weil es einfacher ist, einen prinzipiellen Anla-geort zu haben, damit sich alle im OP Beschäftigtendiesen auch merken können, da dort außer demKrankenpflegepersonal beispielsweise auch dieschon erwähnten Zivildienstleistenden beschäftigtsind. Und Zivildienstleistende sind meiner Meinungnach auch schon die nächste Gefahrenquelle: ohnepflegerische Vorbildung und ohne jegliches Hinter-grundwissen aber patientennah, teilweise sogar als al-leiniger Springer im Operationssaal eingesetzt, wer-den sie mit der Vielfalt der pflegerischen Tätigkeitenbetraut. Stolz erklären mir sogar einige Kolleginnenund Kollegen: „Unser ‚Zivi‘ ist schon total fit – der kannallein ‚springen‘, die Geräte bedienen und sogarschon allein röntgen!“ Ganz abgesehen davon, daßsich diese Kolleginnen und Kollegen selber über-flüssig machen – es wird noch nicht einmal ein Ge-danke daran verschwendet, man könne vielleicht ge-gen Vorschriften verstoßen – warum auch, denn bis-her ist doch auch noch nichts passiert. Und da einigen‚Zivis‘ der schreckliche Signalton, der während derBetätigung der aktiven HF-Elektrode ertönt, doch sehrstört (und nicht nur ihn, sondern einigen anderen Per-sonen, die sich ebenfalls im Operationssaal befinden,sicherlich auch), wird dieser Signalton an der Rück-seite des Gerätes ausgeschaltet, denn wie das funk-tioniert, wurde ihm frühzeitig beigebracht. Das die Ak-tivelektrode dann unbeabsichtigt vom Assistenten aus-gelöst wurde, weil sich dieser bei dem anstrengendenHalten der Haken auf den Patienten abstützen muß-te, wird erst am Geruch der vor sich hin kokelndenEinwegabdeckung bemerkt, zum Glück hat der Pa-tient nur eine kleine Brandblase davongetragen, wasnicht so tragisch ist. Das sind typische Anwendungs-fehler, die mir auffielen.

Gesagt ist noch nicht gehört Gehört ist noch nicht verstandenVerstanden ist noch nicht einverstandenEinverstanden ist noch nicht angewendetAngewendet ist noch nicht beibehalten

Kommunikationskette nach Konrad Lorenz

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Abb. 3: Risiko einer Verbrennung durch kapazitive Kopplung zu Me-tal und einer leitfähigen Kunststoffhülse. Empfehlung: Metallhülsenverwenden

Kunststoff-Hülse

Aktive ElektrodeKapazitive Kopplung

DarmBlickfeld

Ebenso wie die Desinfektionsmittellachen, in denen diePatienten während einer Operation liegen,wobei von dendaraus resultierenden Hautdefekten gerne behauptetwird, daß es sich hierbei um „typische“ Verbrennun-gen durch die Anwendung von HF-Chirurgie handelt,ob-wohl diese eindeutig Verätzungen sind.Ein gravierendes Beispiel habe ich hier aus der Praxis:In die Ambulanz kommt eine Mutter mit ihrem Kleinkindzur Untersuchung – dieses Kind hatte einen Klinikauf-enthalt zwecks Implantation eines Ventils bei Hydroce-phalus hinter sich. Intraoperativ lag die gegenüberlie-gende Gesichtshälfte offensichtlich in einer Desinfekti-onsmittellache und führte zu schmerzhaften Verätzungendieser Gesichtshälfte. Hier stellt sich natürlich die Fra-ge: Muß so etwas tatsächlich sein? Warum werdenwährend des Desinfektionsvorganges keine saugfähigenMaterialien untergelegt und vor allem nach dem Desin-fizieren auch wieder entfernt? Denn auch vollgesoge-ne Materialien können zu Verätzungen führen, wenn derPatient während der Operation darauf liegt. Eine weite-re Gefahrenquelle liegt in der Verwendung von farblo-sem Desinfektionsmittel:Man sieht es nicht! Deshalb soll-te man unbedingt gefärbtes Desinfektionsmittel ver-wenden. Und wenn die Farbe stören sollte, so kann siepostoperativ schnell von der instrumentierenden Pfle-gekraft entfernt werden.

Vor kurzem nahm ich an einem Unterricht über HF-Chir-urgie teil, der Dozent sprach sehr anschaulich über An-wendungsfehler,die ich einige Tage später auch promptin der Praxis beobachten konnte.

Zwei Beispiele hierzu:

1. Kabel der Neutralelektrode werden schön aufgerolltund an den Narkosebügel,den Infusionsständer oderan den Operationstisch gehängt. Hier kann sich ei-ne enorme Wärme (Stichwort Induktion) entwickelndie zum Kurzschluß und somit zum Ausfall der Funk-tion der Neutralelektrode führen kann. Ist an demGerät keine Fehlermeldung vorhanden, wird ohnees zu merken mit einer nicht funktionierenden Neu-tralelektrode weiterhin mit HF-Strom gearbeitet.

2. In der Anaesthesieabteilung werden häufig Eherin-ge und Uhren getragen,obwohl dieses nach der UVV(Unfall-Versicherungsvorschrift) verboten ist.Was hatdas jetzt mit der HF-Chirurgie zu tun? Hier die Antwortdarauf: Bei der Auflösung der Aktivelektrode außer-halb der Operationswunde kann sich der Strom aufden Ring oder die Metallteile der Uhr übertragen –wird damit gleichzeitig und zufällig der Patientberührt, kann es dort zu Verbrennungen kommen.

Einen Aspekt möchte ich auf jeden Fall auch noch er-wähnen: Der Einsatz der HF-Chirurgie in der minimal-invasiven Chirurgie. Auch hier ist die Gefahr für drei ty-pische Fehler im Umgang mit der HF-Chirurgie gege-ben:

Abb.1: Risiko einer inneren Verbrennung durch hohe Stromdichte beibeschädigter Isolierung

Aktive Elektrode

Isolations-Fehler

DarmBlickfeld

Bauchdecke

Abb. 2: Risiko einer Verbrennung durch direkten Kontakt mit einemMetallinstrument

Aktive Elektrode

DirekteKopplung

Faßzange

Blickfeld

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Als letztes Beispiel eine echte Verbrennung auseiner anderen Operationsabteilung:

Mehrere Patientinnen wiesen nach kleinen laparoskopi-schen Eingriffen in Steinschnitt- und gleichzeitiger Kopf-Tieflage postoperativ eine Verbrennung in der Halsgru-be auf, intraoperativ wurde mit HF-Chirurgie gearbei-tet und alle Beteiligten waren sich einig: DieseVerbrennungen stammen von der HF-Chirurgie. Nachgenauer Untersuchung stellte sich schließlich heraus,daßregelmäßig zum Ende der Laparoskopien das nochheiße Kaltlichtkabel an dieser Stelle abgelegt wurde undes dadurch zu diesen Verbrennungen gekommen ist, al-so mit der HF-Chirurgie nichts zu tun hatte. In der heu-tigen Zeit, wo ständig von TQM, Qualitätssicherung undPatienten- besser: Kundenorientiertheit gesprochenwird, sollte man sich schon im klaren darüber sein, wasgetan werden kann,um alltägliche Fehler im Umgang mitder HF-Chirurgie zu vermeiden. Das könnte sein:

- Geräteeinweisung für alle Anwender

- Grundsätze für die Anlage einer Neutralelek-trode beachten: Plazierung auf gut durchblutetem Gewebe,

z. B. Muskel Plazierung in der Nähe des Eingriffes Während des Eingriffes auf einwandfreien Kontakt

achten Nach Patientenumlagerung Sitz der Neutralelektro-

de überprüfen Ansammlung von Flüssigkeiten unter der Neutral-

elektrode vermeiden Plazierung nie auf:

Vernarbtem Gewebe Metallimplantaten Schrittmachern oder ähnlichem Knochigen Strukturen Monitorelektroden Flächen von Flüssigkeitsansammlungen

- Saugfähige Materialien während der Haut-desinfektion unterlegen und nach Beendi-gung der Desinfektion entfernen

- Gefärbtes Desinfektionsmittel verwenden

- Im Operationsbereich keinen Schmuck tragen

- Besonderheiten beim endoskopischen Einsatzbeachten

- Sicherheitssysteme benutzen: Alarm bei nicht angeschlossener Neutral-

elektrode Alarm bei Kabelbruch Alarm bei nicht korrekt aufliegender Neutral-

elektrode Alarm bei Fehlerstrom mit Unterbrechung der

Stromzufuhr

All diese hier aufgeführten Fehler im Umgang mit der HF-Chirurgie kommen mir eigentlich lächerlich vor – und ichdenke,wie schon zu Beginn dieses Beitrages erwähnt, je-der weiß darüber Bescheid – aber:

– Warum werden bestehende Vorschriften dann immerwieder mutwillig mißachtet?

– Wie sieht es im Operationsbereich mit der Patienten-orientiertheit aus, wieweit ist dort die Qualitätssiche-rung fortgeschritten?

– Warum werden Schulungen von allen Beteiligten nur sowenig wahrgenommen?

– Warum wird das in den Schulungen Erlernte selten odergar nicht umgesetzt?

– Warum gibt es keine Normen, so daß das Zubehör fürdie HF-Chirurgiegeräte kompatibel ist, ohne die Si-cherheit einzubüßen?

– Warum wird der Umgang mit der HF-Chirurgie im-mer wieder auf die leichte Schulter genommen?

Ich bin sicher, daß sie auf diese und sicherlich noch ei-nige andere Fragen in dieser Broschüre kompetente Ant-worten erhalten werden.

Literatur1. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtpflege (1997)

Unfallverhütungsvorsdchrift BBG 103, Hamburg2. Hüfner K, Kalthoff M, Müthing M, Thönissen E, Wiedner-Heil I, (1999)

Lernzielkatalog für den praktischen Unterricht, Teil 4DBfK-Verlag, Eschborn

3. Kindler, Menke (1997)Medizinproduktegesetz – MPGEcomed-Verlagsgesellschaft, Landsberg

4. Auto Suture Deutschland GmbH (1998) Präsentationsunterlagen aus dem Unterricht in der Fachweiterbildung für den Opera-tionsdienst

Verfasser

Ina Wiedner-HeilDBfK Verband

Horster Weg 20, 46499 Hamminkeln

Der Suva wurden seit 1992 fünf Fälle von Verbrennun-gen im Zusammenhang mit der Anwendung von elek-trochirurgischen Geräten gemeldet. Zu dieser Zahl istkritisch zu bemerken, daß sie keinesfalls repräsenta-tiv ist für die tatsächliche und vermutlich viel höhere In-zidenz solcher Verbrennungen, werden dem Versiche-rer doch nur Fälle im Zusammenhang mit Haftpflicht-bzw. Regressanforderungen einerseits oder anderer-seits im Zusammenhang mit der Frage gemeldet,ob einUnfall im Rechtssinn vorliege, für den im positiven Fallder Versicherer aufzukommen hat.

Im folgenden werden nun diese fünf Fälle näher vor-gestellt. Bei der anschließenden Ursachenanalyse wer-de ich die den Juristen interessierende Frage, ob einBehandlungsfehler oder ein Unfall im Rechtssinn vor-liege, nur am Rande beantworten und mich auf die denMediziner und Anwender von Elektrochirurgiegeräteninteressierende Frage konzentrieren, wie man solcheVerbrennungen vermeiden kann. (Tab. 1)

Tabelle 15 Fälle von Hautverbrennungen infolge Elektrochirurgie

Fall Patient Eingriff Verbrennung Regress Unfall+ Behandlung

1 M 30 J. Valgisations- Rechte Fußsohle im Verzicht -osteotomie Fersenbereich wieder-rechte Tibia holte Hauttransplantatio-

nen u. Narbenkorrektur

2 M 20 J. Arthroskopie und Rechter Oberschenkel Verzicht -Kreuzbandplastik dorsal 15 x 12 cm rechtes Knie Reverdin-Plastik

3 M 33 J. Abtragung von Linke Gesäßbacke Ja Jaanalen Kondylomen 2 x 6 cm tangentiale (Rezidiv) Excision und Spalthaut

4 W 45 J. Neurolyse rechte Fußsohle + Fußrücken Ja JaLeiste und Warzen- rechts Behandlung?abtragung rechte Fußsohle

5 M 55 J. Entfernung Linke Fußsohle Ja -Verriegelungsmark- Excision Sekundär-nagel linke Tibia heilung

Im ersten Fall handelt es sich um einen 30jährigen Pa-tienten, bei dem nach einer Valgisationsosteotomie derrechten Tibia eine Stromnekrose der rechten Fußsoh-le im Fersenbereich entdeckt wird. Diese hat mehrereHauttransplantationen und eine Narbenkorrektur zurFolge.

Im zweiten Fall kommt es nach einer Arthroskopie desrechten Kniegelenkes mit anschließender Kreuzband-plastik zu einer zweitgradigen Verbrennung an der Dor-salseite des rechten Oberschenkels in einer Ausdeh-nung von 15 x 12 cm. Diese wird mit einer Reverdin-

Plastik behandelt. Der Operateur teilt später mit, un-glücklicherweise sei das Desinfektionsmittel unter dieproximal vom Kniegelenk angebrachte Manschette fürdie Blutsperre geflossen.

Im dritten Fall wird ein 33jähriger, HIV-positiver Patientzum drittenmal wegen rezidivierenden analen Kondy-lomen operiert. Nach Darstellung des Analkanals wer-den ca. 10 Kondylomherde von maximal 5 – 6 mmDurchmesser abgetragen.Anschließend wird der Anal-kanal ausgiebig mit 90 %igem Alkohol ausgespült.Nachträglich wird ein verbliebenes anales Kondylommit dem Elektrokauter abgetragen,worauf sich der aus-laufende Alkohol im Bereich der linken Gesäßbacke ent-zündet und dort zu einer 2 x 6 cm großen zweitgradi-gen Verbrennung führt. Diese wird sekundär tangenti-al abgetragen und mit Spalthaut gedeckt.

Etwas ähnliches ereignete sich im vierten Fall: Im An-schluß an eine Neurolyse im Bereich der rechten Lei-ste werden in derselben Narkose Warzen an der rech-ten Fußsohle entfernt.Als dazu das Diathermiegerät ein-geschaltet wird, fängt der Fuß explosionsartig Feuer.Es kommt zu einer zweitgradigen Verbrennung sowohlder Fußsohle als auch des Fußrückens. Der Operateurvermutet,daß die Zeit bis zur Abtrocknung der zur Des-infektion verwendeten alkoholhaltigen Polyvidon-Iodlö-sung zu kurz war und sich deshalb entzünden konnte.

Im letzten Fall schließlich wird bei einem 55jährigenPatienten ein Verriegelungsmarknagel nach stabilknöchern durchgebauter offener Tibiaschaftfraktur linksentfernt.Damit der Konus des Ausschlaginstrumentes indas Gewinde des Marknagels an der Tuberositas tibiaeeingedreht werden kann, wird das Knie gebeugt. In die-sem Moment wird versehentlich der „unter der Fuß-sohle versteckte“ – so die Beschreibung im Operati-onsbericht – Elektrokauter aktiviert. Aus dieser Formu-lierung muß geschlossen werden, daß die aktiveElektrode des Diathermiegerätes auf dem Operati-onstisch gelegen hatte und der Schalter am Handgriffdurch den nun auf dem Operationstisch abgestütztenFuß betätigt wurde. Es kommt zu einer Brandblase ander linken Fußsohle, welche umgehend exzidiert wird.Der entstandene Hautdefekt wird der Sekundärheilungüberlassen.

Patientensicherheit bei Anwendung von Elektrochirurgie-Geräten W. VogtSchweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) – Ärzteteam Unfallmedizin

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In allen Fällen:

- Monopolare Geräte

- Indifferente Elektrode: WO?

- Kein dokumentierter Gerätedefekt

Diese Fälle zeichnen sich durch folgende Gemeinsam-keiten aus:

1. Es wurden monopolare Geräte verwendet. Fälle vonVerbrennungen im Zusammenhang mit der Verwen-dung von bipolaren Elektrochirurgiegeräten sind derSuva aufgrund der mir zugänglichen Informationennicht bekannt.

2. In keinem Fall war aufgrund der einsehbaren Akteneindeutig dokumentiert, wo die indifferente Elektro-de angebracht worden war. Das Wissen um die ge-naue Plazierung der indifferenten Elektrode wärejedoch für eine medizinische Beurteilung und Ursa-chenanalyse entscheidend, treten doch Hautver-brennungen erfahrungsgemäß weitaus am häufig-sten an dieser Stelle auf.Lediglich im zweiten Fall mußwegen der genau begrenzten, rechteckigen Aus-dehnung der Verbrennung angenommen werden,daß das Desinfektionsmittel nicht nur unter die Man-schette für die Blutsperre,sondern auch unter die ver-mutlich an der Dorsalseite des Oberschenkels an-gebrachte indifferente Elektrode floß.

3. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Informatio-nen ist in keinem Fall ein Gerätedefekt als Ursacheder Verbrennungen dokumentiert worden.

In drei Fällen (Nr. 3, 4, und 5) gelangte die Suva mitRegressanforderungen an eine Haftpflichtversiche-rung, im ersten und zweiten Fall wurde auf einen Re-gress verzichtet. Im dritten und vierten Fall wurde ausrechtlicher Sicht gleichzeitig ein Unfall bejaht.

Wären diese Verbrennungen vermeidbar gewesen, und wenn ja: wie?

Dies ist es, was uns primär interessiert. Ich habe michhierzu in der medizinischen Literatur umgesehen, in dereine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verringerung derGefahr von Hautverbrennungen bei der Anwendung vorallem monopolarer Diathermiegeräte vorgeschlagenwerden. Sie lassen sich, beim systematischen Über-prüfen der einzelnen Komponenten des Systems, the-matisch geordnet in folgender „Checkliste“ zusam-menfassen:

1. Vorbereitung des Operationsfeldes mit Desinfektionsmittel

Brennbare alkoholhaltige Desinfektionsmittel solltenhierzu entweder nicht verwendet oder es muß genü-gend lang gewartet werden, bis diese vollständig ein-getrocknet sind.

2. Indifferente ElektrodeDie indifferente Elektrode muß an einer weichteilge-polsterten,minimal behaarten Hautstelle mit optimalemHautkontakt angebracht werden, wo sie nicht verrut-schen und sich unter ihr keine Hautfalte bilden kann.Da-bei sind gefährdete Hautbezirke über knöcherne Vor-sprünge (vor allem Sacrum) zu vermeiden.Es muß dar-auf geachtet werden, daß keinerlei Flüssigkeitenzwischen die Elektrodenplatte und die Haut gelangenkönnen.

Um den Stromweg durch den menschlichen Körpermöglichst kurz zu halten, sollte die indifferente Elektro-de möglichst nahe am Operationsgebiet angebrachtwerden. Je kürzer die Distanz,desto größer ist aber auchdie Gefahr des Auslaufens von Flüssigkeiten unter dieElektrodenplatte.

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Allgemeine Maßnahmen zur Vermeidung vonHautverbrennungen bei der Anwendungelektrochirurgischer Geräte:

1. Vorbereitung des Operationsfeldes:- cave: Brennbare alkoholhaltige Desinfekti-

onsmittel

2. Indifferente Elektrode:- optimaler Hautkontakt bei guter Weich-

teilpolsterung- keine Flüssigkeiten zwischen Haut und

Elektrode- möglichst nahe am Operationsgebiet- Prüfung des Elektrodenkontaktes bei un-

genügender Elektrokoagulation

3. Aktive Elektrode:- minimale nötige Stromstärke- genügend großer Abstand zu Schrittma-

chern- sicheres Aufbewahren bei Nichtgebrauch

4. Diathermiegerät:- akustische Warnsysteme gut hörbar akti-

viert

5. Korrekte Erdung bzw. Verwendung andererelektronischer Geräte:- korrekte Erdung des Operationstisches- gemeinsame Erdung bei mehreren Elek-

trogeräten- Elektroden für Monitorgeräte möglichst

weit weg vom Operationsgebiet

Wenn während der Operation die Elektrokoagulationplötzlich ungenügend ist, sollte der Strom nicht höhergestellt werden, bevor der korrekte Sitz der indifferen-ten Elektrode geprüft wurde.Der korrekte Anschluß derindifferenten Elektrode an das Diathermiegerät ist vordem Eingriff zu überprüfen. Ein Kontakt der indifferen-ten Elektrode mit geerdeten Objekten muß vermiedenwerden.Die Verwendung zweigeteilter Elektroden ist zubevorzugen.

3. Aktive ElektrodeEs soll die minimal nötige Stromstärke verwendet wer-den. Diese soll nicht erhöht werden, bevor die Elektro-de von Kohleresten gereinigt wurde.

Auf einen möglichst großen Abstand zwischen Hoch-frequenzstromfluß und Schrittmachern ist zu achten.DerKontakt leitfähiger Teile des Operationstisches mit deraktiven Elektrode muß vermieden werden.

Die aktive Elektrode ist bei Nichtgebrauch an einem Ortaufzubewahren, wo sie nicht versehentlich betätigt undmit dem Körper in Berührung kommen kann.

4. DiathermiegerätAlle im Gerät eingebrachten akustischen Warnsyste-me müssen stets gut hörbar aktiviert sein.

5. Korrekte Erdung bzw. Verwendung andererelektronischer Geräte

Der Operationstisch muß korrekt geerdet sein. Kör-perteile des Patienten dürfen nicht mit Metallteilen desOperationstisches in Berührung kommen. Alle am Kör-per getragenen metallenen Gegenstände wie Schmuck,Hörgeräte etc. müssen entfernt werden.Bei Verwendung mehrerer Elektrogeräte sollten diesegemeinsam geerdet werden. Die Kabel von anderenelektronischen Geräten dürfen die Kabel der aktivenElektrode nicht kreuzen.

Elektroden für Monitorgeräte sind möglichst weit ent-fernt vom Operationsgebiet zu plazieren. EKG-Elektro-den müssen genügend großen Durchmesser aufweisen.Verbrennungen an den Kontaktstellen dieser Elektro-den sind mehrfach beschrieben worden.

Kommen wir nun abschließend auf unsere konkretenFälle zurück:Wenn wir wissen wollen, wie man hier dieVerbrennungen hätte verhindern können, müssen wirzuerst deren Ursache kennen. Eine diesbezügliche Ana-lyse kommt zu folgendem Ergebnis:

Im ersten Fall bleibt die Ursache wegen ungenügen-der Dokumentation,vor allem infolge fehlenden Wissensum die Plazierung der indifferenten Elektrode, unklar.Theoretisch denkbar wäre ein Fehlerstrom infolge di-rekten Kontaktes der rechten Ferse mit einem Metall-teil des Operationstisches.Es kann deshalb nicht schlüs-sig beurteilt werden,ob und wie die Verbrennung in die-sem Fall hätte verhindert werden können.

Im zweiten Fall ist die Ursache wahrscheinlich im Bereichder indifferenten Elektrode zu suchen, indem es zu ei-nem Auslaufen des Desinfektionsmittels unter die in-differente Elektrode und somit zu einer hohen Strom-dichte unter derselben kommen konnte. Auch wennes korrekt ist, die indifferente Elektrode möglichst na-he am Operationsgebiet zu plazieren (hier vermutlichan der Dorsalseite des rechten Oberschenkels) mußdennoch mit der Gefahr des Auslaufens des Desinfek-tionsmittels unter die Elektrodenplatte gerechnet wer-den,vor allem wenn die Extremität zur Desinfektion hochgelagert wird.Die Verbrennung hätte sich in diesem Fallwahrscheinlich vermeiden lassen, wenn die indifferen-te Elektrode weiter proximal (z. B. an der Gesäßbacke)oder sogar am kontralateralen Oberschenkel ange-bracht worden wäre.

Der dritte und vierte Fall stehen eindeutig im Zusam-menhang mit einem brennbaren Desinfektionsmittel.Siehätten sich verhindern lassen,wenn auf die Verwendungvon 90 %igem Alkohol verzichtet worden wäre (Fall 3)bzw.wenn die verwendete alkoholhaltige Polyvidon-Iod-lösung genügend lange hätte abtrocknen können (Fall4).

Im letzten Fall wäre die Verbrennung an der linken Fuß-sohle vermeidbar gewesen, wenn die aktive Elektrodewährend ihres Nichtgebrauchs an einem Ort aufbewahrtworden wäre (z. B. in einem am Instrumententisch an-gebrachten Stoffsack), wo sie nicht ungewollt mit einemaußerhalb des Operationsgebietes liegenden Körper-teil des Patienten in Berührung gekommen wäre.

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Ursache der Verbrennungen

Fall 1: ?

Fall 2: Auslaufen von Desinfektionsmittelunter die indifferente Elektrode

Fall 3+4: Entfachen eines brennbaren alkohol-haltigen Desinfektionsmittels

Fall 5: Ungewollter Kontakt mit aktiverElektrode außerhalb des Operations-gebietes

In vier der fünf vorgestellten Fälle konnte die Ursacheder Verbrennung erkannt werden.

Die beiden Fälle, in denen das Desinfektionsmittel inBrand geriet, hängen nur indirekt mit der Verwendungeines Elektrochirurgiegerätes zusammen.

Letztlich verbirgt sich hinter den Verbrennungen einebanale Ursache.Doch gerade das Banale ist es,welchesman vergißt oder übersieht.

Fazit

Verbrennungen im Zusammenhang mit der Anwendungder Elektrochirurgie sind durch einfache Maßnahmenvermeidbar.

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Verfasser

Dr. med. Walter Vogt, Facharzt FMH für ChirurgieSchweizerische Unfallversicherungsanstalt, Ärzteteam Unfallmedizin

Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, Schweiz

Zusammenfassung

Die Ursachen der Verbrennung sind- meistens erkennbar- oft nur in indirektem Zusammenhang mit dem

Elektrochirurgiegerät- banal

Der Einsatz von Elektrochirurgiegeräten kann zu un-gewollten Stromschäden beim Patienten führen. Die-se Verletzungen treten intracorporal als Gewebe-schäden, z. B. bei einer minimalinvasiven Operationoder als Hautverbrennung an der Körperoberflächeauf.

Intracorporale Gewebeverletzungen außerhalb dereigentlichen Koagulationsstelle kommen auch bei Be-achtung der erforderlichen Sorgfalt, also schicksal-haft vor. Derartige Schäden erlauben daher nicht denSchluß auf einen Behandlungsfehler. Allerdings muß,da es sich um eine typische Komplikation handelt,über dieses Risiko präoperativ aufgeklärt werden,sonst kann es zur Haftung wegen eines sogenanntenAufklärungsfehlers kommen.

Anders verhält es sich bei Hautverbrennungen alsunerwünschter Folge der Anwendung von Hochfre-quenzstrom. Nach einschlägigen Gerichtsentschei-dungen zu Schadensersatz- und Schmerzensgeld-klagen von Patienten werden Hautverbrennungennicht als unvermeidbare Komplikationen angesehen,sondern im Gegenteil, es wird prima facie ein Ver-schulden des Arztes angenommen.

Die haftungsrechtlichen Konsequenzen aus dieserEinordnung sind weitreichend und werden im fol-genden anhand von Beispielen aus der Rechtspre-chung dargestellt.

Der Bundesgerichtshof [1] entschied bereits 1955über einen Fall, dem folgender Sachverhalt zu Grun-de lag: Ein Patient erlitt bei einer 1949 durchgeführ-ten Operation durch elektrischen Strom eines Ther-mokauters an der linken Hand und am rechten ArmVerbrennungen. Als negative Elektrode hatte der Arzteine 14 x 19 cm große Platte mit Bandagen an derlinken Hand des Patienten befestigt. Die Verbren-nungen an dieser Stelle führte das Gericht, gestütztauf ein physikalisches und ein medizinisches Gut-achten, auf einen unzulänglichen Kontakt zwischender Hand und der Platte zurück. Die Handfläche bil-de zwischen den Fingern und an den HandballenHohlräume und sei deshalb nicht geeignet gewesen,um an ihr die Platte glatt und fest anzulegen. Der Wi-derstand im Stromkreis, der durch mangelhaften Kon-takt zwischen der Handfläche und der negativen Elek-trodenplatte herbeigeführt worden sei, habe zu einerstarken Wärmeentwicklung geführt und so die Ver-brennung bewirkt. Die Verbrennungen am rechtenArm des Klägers wurden durch den Übertritt vonHochfrequenzstrom aus dem Körper des Patientenin das Gestell des Operationstisches erklärt. Der

Sachverständige nahm an, daß der rechte Armwährend der Operation mit einem Metallteil des Ope-rationstisches in Berührung kam und an dieser Kon-taktstelle die Verbrennungen entstanden.

Der erste Leitsatz der Entscheidung lautet:

Zur Frage nach einem ärztlichen Sorgfaltspflicht-verstoß führte der Senat in den Entscheidungs-gründen aus:

Die vom Arzt eingelegte Revision zum Bundesge-richtshof hatte hiernach keinen Erfolg. Es blieb beidem Urteil des Oberlandesgerichtes Hamburg, wel-ches die Zahlungsansprüche des Patienten für ge-rechtfertigt erklärt hatte.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken[2] entschied1990 einen Fall, bei dem im Jahr 1984 die intra-operative Anwendung von Hochfrequenzstrom beieiner Patientin zu Verbrennungen im Bereich beiderGesäßhälften führte. Die vom Gericht beauftragtenGutachter erklärten den Schaden dadurch, daß dieNeutralelektrode nicht richtig saß und eine Ne-benelektrode durch Bildung einer Feuchtigkeits-brücke oder durch unbeabsichtigten Kontakt mit ei-nem leitfähigen Gegenstand auftrat. Die Leitsätzeder Entscheidung des Oberlandesgerichtes Saar-brücken knüpfen an die vorerwähnte Entscheidungdes Bundesgerichtshofes an:

Der Einsatz von Elektrochirurgie-Geräten – haftungsrechtliche AspekteY. v. Harder

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„Ein Arzt muß die Literatur über die von ihmangewandte Heilmethode einschließlich derAnwendungsvorschriften der von ihm benutz-ten Apparate kennen.“

„Wenn nach den beiden Obergutachten beivorschriftsmäßiger Bedienung des Thermo-kauters Verbrennungen nicht auftreten kön-nen und von einem dieses Gerät anwenden-den Arzt die erforderliche Sachkunde ver-langt werden muß, dann spricht dieErfahrung dafür, daß trotzdem entstandeneVerbrennungen auf einer schuldhaften Nicht-beachtung der Gebrauchsvorschriften beru-hen. Hierin liegt der allgemeine Erfahrungs-satz..., der es rechtfertigt, den Grundsatz desBeweises des ersten Anscheins hier anzuwen-den.“

Das OLG Saarbrücken sprach der Patientin wegen dergroßflächigen und tiefgehenden Verbrennungen,die auf-fällige und entstellende Narben verursachten, einSchmerzensgeld in Höhe von 7.500 DM zu.

Daß – wie in dem vom OLG Saarbrücken entschiedenenFall – an den Auflagestellen (Gesäß, Hinterkopf etc.)Feuchtigkeitsbrücken auf der Haut entstehen und dortbei Stromeinsatz Verbrennungen hervorrufen, stellt ei-ne häufige Schadenskonstellation dar. Einer nicht ver-öffentlichten Entscheidung des Landgerichtes Lüne-burg[3] von 1991 ist hierzu die gutachterliche Forderungzu entnehmen:

Die unterbliebene präoperative Kontrolle stelle, so dasLG Lüneburg, ein Verschulden des Pflegepersonals dar.Ob dies auch für die intraoperative Kontrolle zu geltenhat, scheint fraglich. Aus der Ärzteschaft kam hierzu derHinweis,daß die Kontrolle der Unterlage auf Feuchtigkeitunter Operationstüchern in unzugänglicher Lage und imDunkeln, z. B. bei einer fünfstündigen Radikaloperationnicht möglich sei.Hier gilt sicher die Einschränkung,daßeine solche Prüfung nicht zu jedem Zeitpunkt der Ope-ration vorgenommen werden kann,aber dann ratsam ist,wenn es zu einem unkontrollierten Flüssigkeitsabfluß,et-wa nach einer umfangreichen Spülung oder einer star-ken Blutung gekommen ist.

Rechtlich nicht entlastende Erklärungen,wie es zu einemVerbrennungsschaden gekommen ist,gibt es viele,z.B.,weder die Ärzte noch das Pflegepersonal im OP hättengewusst, daß der Funkenschlag des Elektrochirurgie-gerätes zur Verpuffung von noch nicht getrocknetemDesinfektionsmittel auf der Haut führt oder aufgrund derstarken Konzentration auf die Operation sei es dem Chir-urgen nicht anzulasten, daß er versehentlich mit einemstromleitenden Teil des Konisationsapparates die In-nenseite eines Oberschenkels berührte, wo eine mark-stückgroße Verbrennung entstand[4]. Dies vermag denersten Anschein,daß sich der Arzt vor Anwendung einesHochfrequenzchirurgiegerätes mit den damit verbun-denen Risiken unzureichend vertraut gemacht hat, nichtzu entkräften, sondern dient den Gerichten im Gegen-teil als Beleg dafür, daß der Schaden bei Einhaltung dergebotenen Sorgfalt hätte vermieden werden können.

Schadensersatzansprüche einer geschädigten Patien-tin bestätigte der Bundesgerichtshof [5] auch in einer ak-tuellen Entscheidung, der folgender Sachverhalt zu-grunde lag: Die am 14.10.1985 geborene Patientin wur-de wegen Schielens am 12.4.1988 am rechten Augeoperiert.Die Anästhesistin führte ihr über einen am Kinnbefestigten Schlauch reinen Sauerstoff in hoher Kon-zentration zu, während ihr Gesicht bis auf das Operati-onsfeld am rechten Auge mit sterilen Tüchern abgedecktwar. Als der Chirurg zum Stillen von Blutungen einenThermokauter einsetzte, kam es zu einer heftigen Flam-menentwicklung, bei der die Patientin schwere und ent-stellende Verletzungen im Gesicht erlitt. Der Senat stell-te ein Verschulden der bei der Operation zusammen-arbeitenden Fachärzte, des Ophtalmologen und derAnästhesistin, fest.

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„1. Kommt es bei Anwendung eines Hochfre-quenzchirurgiegerätes bei einem Patienten zuendogenen Verbrennungen, ist nach denGrundsätzen des Anscheinsbeweises davonauszugehen, daß dem Arzt ein schuldhafterBehandlungsfehler zur Last fällt.

2. Über die mit der Anwendung eines Hoch-frequenzchirurgiegerätes für den Patientenverbundenen Risiken muß sich der Chirurg alstechnisch und naturwissenschaftlich aufge-schlossener Mensch vertraut machen.“

„daß nach der Desinfektion die Unterlage ge-wechselt wird, um Kriechströme zu verhin-dern. Sobald die Tücher unter der Auflage-fläche des Patienten feucht sind, müssen sieentfernt werden.“

„Da auch hier das Wohl des Patienten ober-stes Gebot und Richtschnur ist, muß für dieseZusammenarbeit der Grundsatz gelten, daßdie beteiligten Ärzte den spezifischen Gefah-ren der Arbeitsteilung entgegenwirken müs-sen und es deshalb bei Beteiligung mehrererÄrzte einer Koordination der beabsichtigtenMaßnahmen bedarf, um zum Schutz des Pati-enten einer etwaigen Unverträglichkeit ver-schiedener von den Fachrichtungen eingesetz-ter Methoden oder Instrumente vorzubeu-gen.“

sowie weiter:

Der von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz,daß ein strombedingter Verbrennungsschaden denersten Anschein des Verschulden des Arztes be-gründet, kann im Einzelfall entkräftet werden. Dieeinschlägigen Urteile und eine Auswertung vonSchadensmeldungen bei der Haftpflichtversiche-rung [6] zeigen jedoch, daß nach gutachterlicher Be-urteilung kaum ein Schadenshergang als schicksal-haft anerkannt wird. Vielmehr hätten sich die Schä-den ausnahmslos vermeiden lassen und zwar durch

• Einhaltung der Gebrauchsanweisung für dasHochfrequenzchirurgiegerät (z. B. vollflächi-ge Anlage der Neutralelektrode),

• Beachtung der spezifischen Gefahrenquellen(z. B., daß Desinfektionsmittel bei Kontakt mitStrom verpufft) bzw.

• präoperative Absprache zu Risiken, welche sichaus der Zusammenarbeit des Operateurs mitÄrzten anderer Fachrichtungen, insbesonderedem Anästhesisten ergeben (z. B. erhöhteBrandgefahr bei zugeführtem Sauerstoff).

Es stellt sich die Frage, ob neben der Einhaltung die-ser Maßgaben weitere schadensvermeidendeStrategien – auch zur Verhinderung unverschulde-ter Schäden – in Betracht kommen.Seitens mancher Chirurgen wird kritisiert, daß dieOperationssäle ähnlich einem Faradayschen Käfigausgestattet werden müssen, d.h. der Boden, die OP-Tische und die Auflagen durch Kohlenstoffanteile aneine Allerde angeschlossen sind. Würde man dar-auf verzichten, könnte der Patient isoliert werden undFehlströme würden sich nicht in die Allerde entladen.Die auf diesem Weg verursachten Verbrennungenund Gewebeschäden, verschuldete und schicksal-hafte, könnten so generell vermieden werden. Mit derÄnderung dieser technischen Vorgabe ist allerdingsderzeit nicht zu rechnen.

Zudem wären allein durch die Isolierung des Pati-enten nicht sämtliche Schadensrisiken beseitigt.Denn der Stromfluß durch den Körper des Patien-ten bei Einsatz monopolarer Elektrochirurgie be-deutet immer die Gefahr ungewollter Stromkonzen-trationen und hieraus resultierender Hautverbren-nungen und Gewebeschäden. Einen Vorteil bietetder Einsatz bipolarer Hochfrequenzelektroden, beidenen der Strom nicht über eine lange Strecke durchden Körper des Patienten, sondern von dem Ar-beitspunkt der Aktivelektrode auf kurzem Weg zu dergegenüberliegenden Neutralelektrode fließt. Be-kannt ist das Prinzip von der bipolaren Pinzette mitdem Stromfluß von einer Pinzettenspitze zur ande-ren. Eine Pflicht aus Rechtsgründen wegen des ver-ringerten Risikos – soweit möglich – nur noch bipo-lare Instrumente einzusetzen, haben die Gerichte al-lerdings, obwohl sie das geringere Risiko durchaussehen, bislang nicht bejaht. 1987 befasste sich derBundesgerichtshof [7] mit der Frage, ob der höhereSicherheitsstandard den Einsatz dieser Technik oderzumindest die Aufklärung über die Verwendung mo-nopolaren Stroms gebietet, wenn technisch auch bi-polarer Strom zum Einsatz kommen könnte. Es gingum eine 1980 durchgeführte laparoskopische Tu-bensterilisation mittels monopolarer Elektrokoagu-lation, die eine Darmverletzung zur Folge hatte. DerRüge der Patientin, über die risikoärmere Technik mitbipolarem Hochfrequenzstrom nicht aufgeklärt wor-den zu sein, folgte der Bundesgerichtshof nicht [8].Der Senat führt hierzu aus:

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„... das Brandrisikio [sei] beim Zusammentref-fen von Thermokauter und reinem Sauer-stoff... aufgrund physikalischer Grundkennt-nisse für die betreffenden Ärzte erkennbargewesen, auch wenn es bis zu diesem Vorfallin der medizinischen Literatur nicht beschrie-ben gewesen sei.“

„Anders als in den Fällen, in denen neue The-rapiemöglichkeiten entwickelt worden sind,die jeweils verschiedene Komplikationen undErfolgschancen gegenüber den bisherigenVerfahren aufweisen, ist im Streitfall die Be-handlungsmethode der Elektrokoagulationnicht geändert worden. Sie ist nur durch tech-nische Verbesserung unter Herabsetzunggleichgearteter Risiken fortentwickelt worden.Das gehört zu den Neuerungen und Verbesse-rungen, die im Medizinbetrieb an der Tages-ordnung sind und die nicht überall gleichzei-tig eingeführt und übernommen werden kön-nen. Die Verbesserung ist freilich durchausnicht von untergeordneter Bedeutung, denndie Herabsetzung des Risikos einer Darmver-letzung, die für die Patientin schwerwiegendeFolgen haben kann, hat sicher für ihre Ent-scheidung, ob sie sich den Gefahren einer Ste-rilisation mittels Elektrokoagulation aussetzenwill, Gewicht. Andererseits geht es aber nur

Diese Feststellungen lassen sich auf die Vermeidung vonHautverbrennungen durch bipolare Elektrochirurgieübertragen. Schon aus Kostengründen kann und mußnicht jede technische Neuerung, die den Behandlungs-standard verbessert, sofort angeschafft werden. Für ei-ne gewisse Übergangszeit ist es nach der Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofes[9] daher gestattet, nachälteren, bis dahin bewährten Methoden zu behandeln,sofern dies nicht geradezu als unverantwortlich erscheint.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß den Arztdie Pflicht trifft, sich mit der Technik des von ihm einge-setzten Hochfrequenzchirurgiegerätes so vertraut zu ma-chen, daß er die Risiken, auch solche die sich erst ausder Zusammenarbeit mit Ärzten anderer Fachrichtungenergeben, kennt und die vermeidbaren Schäden wegender Beherrschbarkeit des Risikos verhindert. Insoweitwerden an Ärzte keine höheren Anforderungen als an an-dere Berufsgruppen gestellt, die mit potentiell gefährli-chem Werkzeug arbeiten. Nach ständiger Rechtspre-chung ist bei einem Verbrennungsschaden an der Kör-peroberfläche im Zusammenhang mit der Anwendungvon Hochfrequenzstrom nicht etwa von einer unver-meidbaren schicksalhaften Komplikation auszugehen,sondern im Gegenteil, nach dem Beweis des ersten An-scheins wird ein Pflichtverstoß des Arztes angenommen.

Aus amerikanischen Operationssälen ist bekannt,daß aufdie Risiken der Anwendung von Hochfrequenzstrom vor-sorglich durch große Warntafeln aufmerksam gemachtwird. Darauf sind die wichtigsten bei Verwendung vonElektrochirurgiegeräten zu beachtenden Regeln,z.B.dieAbtrocknung des Patienten nach der Desinfektion, auf-gelistet.Die Erfahrungen aus den USA belegen,daß die-se einfachen Prophylaxemaßnahmen große Wirksamkeitentfalten können.

Literatur1. BGH VersR 1955, 573.2. OLG Saarbrücken VersR 1991, 1289.3. LG Lüneburg, Az. 4 S 287/89.4. Harder v Y, Juristische Hinweise für den frauenärztlichen Alltag – Verbrennungsschä-

den, Frauenarzt 1998, 66.5. BGH VersR 1999, 579.6. Harder v Y, Auswertung gynäkologischer Schadensmeldungen aus dem Jahr 1997 an-

hand von Datenmaterial der Haftpflicht-Gruppenversicherung des Bundesverbandesder Frauenärzte, Zentralblatt für Gynäkologie, 1998, 574.

7. BGH NJW 1988, 763.8. Kritisch zur Verneinung der Aufklärungspflicht bei Vorhandensein einer risikoärmeren

Methode, die lediglich in der Klinik (noch) nicht verfügbar ist: Damm, Medizintechnikund Arzthaftungsrecht, NJW 1989, 737, 742.

9. Siehe Literatur 7.

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um eine Verringerung der Komplikationsrate,die ohnehin im Promille-Bereich liegt. Jeden-falls unter solchen Umständen ist die Annah-me einer ärztlichen Aufklärungspflicht übereine andernorts verfügbare patientenfreundli-chere Operationstechnik mit Hilfe eines ver-besserten Gerätes nicht gerechtfertigt, weil ihrauch bei voller Berücksichtigung der Interes-sen der Patientin hier die praktischen Mög-lichkeiten der Krankenversorgung entgegen-stehen. Es versteht sich von selbst, daß es demPatienten stets unbenommen bleibt, den Arztüber etwaige neue und überlegene, nochnicht überall zur Verfügung stehende Behand-lungsmöglichkeiten zu befragen.“

Verfasser

Rechtsanwältin Yvonne v. Harder

Maximiliansplatz 12, 80333 München

Das Unternehmensziel der Firma Martin Medizintechnikund der zur Martin Gruppe gehörenden Gesellschaf-terbetriebe ist, in enger Zusammenarbeit mit den An-wendern, innovative Produkte und Methoden zum Nut-zen des Patienten zu entwickeln.Die Minimierung von Risiken für Patient und Anwendersteht dabei in allem Tun und Handeln im Vordergrund.Einige chirurgische Methoden sind mit der Applikationhoher Energiemengen in den Patienten verbunden.Die-se Energien können zu Risiken für Patient und Anwen-der führen.Auch der Einsatz von Elektrochirurgiegeräten ist miteinem Risikopotential verbunden. Diese stehen in un-mittelbarem Zusammenhang mit dem gewünschten Ef-fekt,der gezielten Manipulation oder Zerstörung von Ge-webe.Das Wirkprinzip der Elektrochirurgie beruht auf der se-lektiven Erwärmung von Gewebestrukturen durch ho-he Stromdichten.Der gewünschte Effekt entspricht damit dem wesent-lichsten Risikofaktor dieser Technik, ungewollte Ver-brennungen der Haut und innere Organe.Verbrennungen der Haut sind in den meisten Fällen auffalsch applizierte Neutralelektroden oder nicht ord-nungsgemäße Patientenlagerung zurück zu führen.Die Gründe für ungewollte Verbrennungen innerer Or-gane sind zu hohe Stromdosierung, fehlerhafte Anwen-dungstechnik oder besondere anatomische Gegeben-heiten.Weitere Risikofaktoren sind konstruktive Mängel, tech-nisches Versagen sowie fehlerhafte Bedienung.Hierbei sind die Risiken eines elektrischen Schlagesoder das einer gerätebedingten Fehldosierung die we-sentlichsten Punkte. Bei diesen Risiken handelt es sichnicht um methodenspezifische Risiken der Elektrochir-urgie, sondern um generelle Gefährdungspotentialeelektromedizinischer Geräte.Brände und Explosionen, Herzschrittmacherstörungensowie Störungen an Überwachungsgeräten sind weite-re Gefahrenquellen die der vollständigskeithalber auf-gezeigt werden, auf die aber im Rahmen dieses Beitra-ges nicht weiter eingegangen wird.

Was leistet die medizin-technische Industrie zurErhöhung der Patientensicherheit?

Innerhalb der letzten Jahre konnten die Risiken der Elek-trochirurgie für Patienten und Anwender deutlich ver-ringert werden.Meilensteine waren die Einführung von Monitoringsy-stemen zur Überwachung der Applikation von Neutral-elektroden und die Trennung des HF-Stromkreises ge-gen Erdpotential. Aufgrund des Monitorings der Neu-

tralelektrode können Hautverbrennungen, verursachtdurch falsch applizierte Neutralelektroden, weitgehendausgeschlossen werden.

Durch die Trennung des hochfrequenten Stromkreisesgegen Erdpotential und die Einführung von Grenzwer-ten für hochfrequente Ableitströme wurde das Risiko vonHautverbrennungen durch unkontrolliert gegen Erde ab-fließende Hochfrequenzströme minimiert.Die Ausstattung der Geräte mit einer Überwachungs-schaltung zum Schutz vor gerätebedingter Fehldosie-rung verhindert die unbemerkte Applikation zu hoherLeistungen und damit die Gefahr einer Verbrennung.Vor dem Hintergrund der Patientensicherheit ist die bi-polare Anwendung der Elektrochirurgie mit den ge-ringsten Risiken verbunden. Bei dieser Technik ist derEnergiepfad durch die Anordnung beider Elektroden amInstrument exakt definiert. Verbrennungen sowie Ver-letzungen aufgrund undefiniert fließender elektrischerStröme sind damit ausgeschlossen. Bedingt durch diezwingende Anordnung beider Elektroden am Instrumentbietet diese Technik jedoch nur begrenzte Einsatzmög-lichkeiten. Mit dem Ziel die Anwendungsmöglichkeitender bipolaren Technik zu erweitern, wurden bei der Fir-ma Martin in den letzten Jahren hohe Aufwendungen inForschung und Entwicklung investiert. Das Ergebnis isteine Reihe innovativer bipolarer Instrumente zum Schnei-den und Koagulieren spezieller anatomischer Struktu-ren.

Das Ziel eine interdisziplinär einsetzbare Alternative zurmonopolaren Hochfrequenzchirurgie zu schaffen wurdenur teilweise erreicht. Aufgrund der physikalischen Ge-setzmäßigkeiten bleibt die bipolare Hochfrequenzchir-urgie auch weiterhin nur indikationsbezogen einsetzbar.Ein weiterer Ansatz zur Erhöhung der Patientensicher-heit liegt in der Optimierung des elektrochirurgischenWirkprozesses. Mit der Entwicklung intraoperativ ein-setzbarer Monitoringsysteme können die Auswirkungendes hochfrequenten Stromes auf das Gewebe umfassendanalysiert, bewertet und optimiert werden. Die geziel-te Regelung der für die chirurgischen Eigenschaftenmaßgebenden Parameter des hochfrequenten Stromesermöglichen effektives patientenschonendes Arbeitenbei geringen elektrischen Leistungen und damit eine be-dienerfreundliche einfache und sichere Anwendung.Eine Beeinträchtigung der Patientensicherheit aufgrundvon technischem Versagen oder konstruktiver Mängelkann bei einem Aufbau von Gerät und Zubehör ent-sprechend den maßgebenden Normen nahezu ausge-schlossen werden. Diese Normen wurden federführendvon deutschen Herstellern erarbeitet und sind mittler-weile in Form von IEC-Standards nahezu weltweit ver-bindlich.

Konstruktive Möglichkeiten für eine höhere Patientensicherheit bei Elektrochirurgiegeräten und ZubehörM. MartinEntwicklungsleiter für Elektrochirurgie-Geräte in der Unternehmensgruppe Martin Medizin-Technik

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Im Geltungsbereich des Medizinproduktegesetzes istder Aufbau von Gerät und Zubehör entsprechend dieserNormen vom Gesetzgeber vorgeschrieben.

Wo sieht die Industrie wesentliche Lösungs-ansätze zur Erhöhung der Patientensicherheit inder Elektrochirurgie?

Die in der Elektrochirurgie eingesetzten Werkstoffe undTechnologien entsprechen,auf hohem Sicherheitsniveau,dem Stand der Technik.Aufgrund des starken Kostendrucks im Gesundheits-wesen, insbesondere im Investitionsgüterbereich, sindden Forschungsaktivitäten der Unternehmen ökonomi-sche Grenzen gesetzt.

Durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen „Si-cherheit muß bezahlbar sein“ ist deshalb mittelfristignicht mit Quantensprüngen zu rechnen.Das größte Potential zur Erhöhung der Patientensicher-heit liegt in der Integration von Elektrochirurgiegerät,Zu-behör, Patienten- und Prozeßmonitoring zu einem elek-trochirurgischen System.

Ein derartiges System, ausgerüstet mit intelligenten Re-gelalgorithmen, wäre in der Lage, den gesamten elek-trochirurgischen Prozeß weitgehend zu steuern und zuüberwachen. Risiken aufgrund fehlerhafter Patientenla-gerung, Fehldosierung, falsch applizierter Neutralelek-trode und schadhaftem Zubehör könnten damit mini-miert werden.

Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Substi-tution der klassischen Neutralelektrode durch neuarti-ge zum Beispiel direkt in den Operationstisch integrier-te Rückführungssysteme. Durch den Wegfall der„Schwachstelle“ Neutralelektrode könnte die Elektro-chirurgie hinsichtlich Patientensicherheit und Bediener-freundlichkeit eine neue Dimension erreichen.

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Verfasser

Michael MartinEntwicklungsleiter für Elektrochirurgie-Geräte in der Unternehmensgruppe Martin Medizin-Technik

Impressum

Die Broschur Patientensicherheit bei Anwendung von Elektrochirurgie-Geräten erscheint im Verlag für MEDIZINISCHE PUBLIKATIONEN, B. v. Hallern,Vogelsang 28, 21682 StadeTel. 0 41 41/80 11 99, Fax 0 41 41/80 11 97E-Mail:[email protected], Internetadresse: http://www.medizinundpraxis.de

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