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2. Numerische Verfahren für AWPe 2.1 Das Euler-Verfahren Wir betrachten das AWP y 0 = f (t, y ), y (t 0 )= y 0 . (AWP) Unter den Voraussetzungen von Satz 1.1 besitzt es eine eindeutige Lösung, sagen wir über dem Intervall I . Wir wollen diese Lösung y (t) für t [t 0 ,t end ] I durch das Euler-Verfahren (Leonhard Euler, 1707–1783), auch Euler-Cauchy-Verfahren (Augustin Louis Cauchy, 1789–1857) oder Polygonzug-Verfahren, den Prototyp eines numerischen Verfahrens zur Lösung von AWPen, approximieren. Wie alle numerischen Methoden, die hier besprochen werden, basiert das Euler-Verfahren auf der Idee der Diskretisierung: Statt (AWP) über [t 0 ,t end ] zu lösen, geben wir uns damit zufrieden, Näherungswerte für die Lösung auf einer diskreten Teilmenge {t n : n =0, 1,...,N } zu bestimmen. Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 68

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

Wir betrachten das AWP

y ′ = f (t,y), y(t0) = y0. (AWP)

Unter den Voraussetzungen von Satz 1.1 besitzt es eine eindeutige Lösung,sagen wir über dem Intervall I.Wir wollen diese Lösung y(t) für t ∈ [t0, tend] ⊆ I durch das Euler-Verfahren(Leonhard Euler, 1707–1783), auch Euler-Cauchy-Verfahren (Augustin LouisCauchy, 1789–1857) oder Polygonzug-Verfahren, den Prototyp einesnumerischen Verfahrens zur Lösung von AWPen, approximieren.Wie alle numerischen Methoden, die hier besprochen werden, basiert dasEuler-Verfahren auf der Idee der Diskretisierung: Statt (AWP) über [t0, tend] zulösen, geben wir uns damit zufrieden, Näherungswerte für die Lösung auf einerdiskreten Teilmenge {tn : n = 0, 1, . . . , N} zu bestimmen.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 68

2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

Wähle N ∈ N, h = (tend − t0)/N und definiere tn := t0 + nh, n = 0, 1, . . . , N ,d.h. t0 < t1 · · · < tn−1 < tN = tend. Die Zahl h > 0 heißt Schrittweite (außerBequemlichkeit gibt es vorerst keinen Grund, eine konstante Schrittweite h zuwählen).Bezeichnet nun yn einen Näherungswert für y(tn), n = 0, 1, . . . , N − 1, dannist (falls y ∈ C2[t0, tend])

y(tn+1) = y(tn + h) = y(tn) + hy ′(tn) +1

2h2y ′′(ξ)

≈ y(tn) + hy ′(tn) = y(tn) + hf (tn,y(tn)) ≈ yn + hf (tn,yn).

Euler-Verfahren:

y0 gegeben,yn+1 := yn + hf (tn,yn) (n = 0, 1, . . . , N − 1).

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

−3 −2 −1 0 1 2 30

1

2

3

4Richtungsfeld von y’=t(y−2)

und Loesungen mit Anfangswerten y(0) = 1:0.5:3

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 70

2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

Zur Veranschaulichung einer GDG 1. Ordnung y′ = f(t, y) wird oft dasassoziierte Richtungsfeld herangezogen: In jedem Punkt von (t, y) wird ein Pfeilgezeichnet, der in die Richtung y′ = f(t, y) weist.Der Graph der Lösung des AWPs y′ = f(t, y), y(t0) = y0, muss einerseits dasRichtungsfeld respektieren (d.h. die Tangenten an den Graphen sind Elementedes Richtungsfelds), andererseits den Punkt (t0, y0) enthalten.Die nächste Abbildung zeigt, wie das Euler-Verfahren die logistische Gleichungy′ = y(1− y) mit AB y(0) = 1/10 löst. Statt der exakten Trajektorie zu folgen(was natürlich unmöglich ist), produziert das Euler-Verfahren eine „stückweiselineare Lösung“ (einen Polygonzug). An der Stelle t0 = 0 arbeitet dasEuler-Verfahren mit der richtigen Steigung f(t0, y0) = 9/100, bereits an derStelle t = 1 ist die Steigung „falsch“. In späteren Schritten entfernt man sich(potentiell) immer weiter von der exakten Lösung.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 40

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9Euler−Verfahren

y’=y(1−y), y(0)=1/10

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

Konvergiert das Euler-Verfahren, d.h. strebt die Näherungslösung für h→ 0gegen die exakte Lösung y(t)?Formal: Zu jedem Wert von h > 0 gehört eine Folge von Näherungenyn = yn(h), n = 0, 1, . . . , N(h) := floor((tend − t0)/h). Das Verfahren heißtkonvergent (in [t0, tend]), wenn gilt

limh→0+

max0≤n≤N(h)

‖yn(h)− y(tn)‖ = 0. (Konv)

Theorem 2.1 (Konvergenz des Euler-Verfahrens)Unter den Voraussetzungen von Satz 1.1 konvergiert das Euler-Verfahren.Genauer:

max0≤n≤N(h)

‖yn(h)− y(tn)‖ = O(h) für h→ 0.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

t_0 t

exakte LoesungSchrittweite h

0Schrittweite h

1Schrittweite h

2

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 74

2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

Modifiziertes Euler-Verfahren:

y0 gegeben,yn+1 := yn + hf

(tn + 1

2h,yn + 12hf (tn,yn)

)(n = 0, 1, . . . , N − 1).

Verbessertes Euler-Verfahren:

y0 gegeben,yn+1 := yn + 1

2h[f (tn,yn) + f (tn + h,yn + hf (tn,yn))]

(n = 0, 1, . . . , N − 1).

Die Idee dieser beiden Verfahren macht man sich leicht im Richtungsfeld klar.Auch das modifizierte und das verbesserte Euler-Verfahren konvergieren: Einetriviale Modifikation des Beweises von Satz 2.1 zeigt, dass für diese Verfahrensogar max0≤n≤N(h) ‖yn(h)− y(tn)‖ = O(h2) gilt.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 75

2. Numerische Verfahren für AWPe2.1 Das Euler-Verfahren

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 40

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9exakte Loesung Euler−Verfahren modifiziertes Euler−Verf.verbessertes Euler−Verf.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 76

2. Numerische Verfahren für AWPe2.2 Eine Sammlung von Beispielverfahren

Wir werden nun eine Reihe numerischer Verfahren zur Lösung eines AWPsangeben (nicht alle davon sind für einen praktischen Einsatz geeignet), umspäter auf eine gewisse Anzahl von Beispielen zurückgreifen zu können.

yn+1 − yn = 14h(k1 + 3k3)

mit k1 = f (tn,yn), k2 = f (tn + 13h,yn + 1

3hk1),

k3 = f (tn + 23h,yn + 2

3hk2)

(Beispiel 1)

Dieses Verfahren ist ein Einschrittverfahren (zur Berechnung von yn+1 ist nurdie Kenntnis von yn erforderlich). Es ist explizit, d.h. nach yn+1 aufgelöst. Esgehört zur Klasse der Runge-Kutta-Verfahren (vgl. Kapitel 3, Carle DavidTolmé Runge, 1856–1927, Martin Wilhelm Kutta, 1867–1944).

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.2 Eine Sammlung von Beispielverfahren

yn+1 − yn = 12h(k1 + k2)

mit k1 = f (tn,yn), k2 = f (tn + h,yn + 12hk1 + 1

2hk2)(Beispiel 2)

ist ebenfalls ein Einschrittverfahren der Runge-Kutta-Klasse. Im Gegensatz zuBeispiel 1 ist es aber implizit, d.h. um yn+1 zu bestimmen, muss ein i.A.nichtlineares Gleichungssystem gelöst werden.

yn+2 − yn+1 = 13h [3f (tn+1,yn+1)− 2f (tn,yn)] (Beispiel 3)

ist ein explizites Zweischrittverfahren: Man benötigt yn und yn+1, um yn+2 zubestimmen. Es gehört zur Familie der linearen Mehrschrittverfahren(vgl. Kapitel 4). Neben y0 ist hier zusätzlich y1 (ein sog. Anlaufstück)erforderlich, was man sich üblicherweise mit Hilfe eines Einschrittverfahrensbeschafft.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.2 Eine Sammlung von Beispielverfahren

Auch

yn+2 + yn+1 − 2yn = 14h [f (tn+2,yn+2) + 8f (tn+1,yn+1) + 3f(tn,yn)]

(Beispiel 4)ist ein lineares Mehr- (genauer: Zwei-) Schrittverfahren. Es ist implizit.

yn+3+ 14yn+2− 1

2yn+1− 34yn = 1

8h[19f (tn+2,yn+2)+5f (tn,yn)] (Beispiel 5)

stellt ein explizites lineares Dreischrittverfahren dar.

yn+2 − yn = h[f (tn+2,y∗n+2) + f (tn,yn)] mit

y∗n+2 − 3yn+1 + 2yn = 12h[f (tn+1,yn+1)− 3f (tn,yn)]

(Beispiel 6)

ist ein Prädiktor-Korrektor-Verfahren, bei dem ein implizitesZweischrittverfahren (der Korrektor) mit einem expliziten Zweischrittverfahren(dem Prädiktor) kombiniert wird. Das zusammengesetzte Verfahren ist explizit.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.2 Eine Sammlung von Beispielverfahren

Alle Verfahrensbeispiele haben die Strukturk∑j=0

αjyn+j = hΦf (yn+k,yn+k−1, . . . ,yn, tn;h) (V)

(wir normieren im Folgenden durch αk := 1) mit

Φf≡0(yn+k,yn+k−1, . . . ,yn, tn;h) ≡ 0 (V1)

und

‖Φf (yn+k, . . . ,yn, tn;h)− Φf (y∗n+k, . . . ,y∗n, tn;h)‖ ≤M

k∑j=0

‖yn+j − y∗n+j‖.

(V2)Die Eigenschaft (V2) ist eine Folge der Lipschitz-Stetigkeit von f (vgl.Satz 1.1), die immer vorausgesetzt wird.Wir werden ausschließlich numerische Verfahren untersuchen, die die Struktur(V) besitzen und dabei die Bedingungen (V1) und (V2) erfüllen.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Definition 2.2 (Konvergenz)Das Verfahren (V) heißt konvergent, wenn

limh→0+

t=t0+nh

yn = limh→0+

t=t0+nh

yn(h) = y(t)

giltfür alle AWPe, die den Voraussetzungen von Satz 1.1 genügen(y(t) bezeichnet die Lösung eines solchen AWPs),gleichmäßig für alle t ∈ [t0, tend],für alle Lösungen {yn(h)} = {yn} von (V) mit Anfangswerteny0(h), . . . ,yk−1(h), die limh→0 yj(h) = y0, j = 0, . . . , k − 1, erfüllen.

Äquivalent: limh→0+ max0≤n≤N ‖y(tn)− yn(h)‖ = 0.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Setzt man die exakte Lösung in (V) ein, so werden linke und rechte Seite nichtübereinstimmen. Es ergibt sich ein Residuum

Rn+k :=

k∑j=0

αjy(tn+j)− hΦf (y(tn+k),y(tn+k−1), . . . ,y(tn), tn;h).

Rn+k ist eng verknüpft mit dem lokalen Diskretisierungsfehler Tn+k. Giltyn+j = y(tn+j) für j = 0, 1, . . . , k − 1 (Lokalisierungsannahme), so liefert (V)in Schritt n+ k:

yn+k +

k−1∑j=0

αjy(tn+j) = hΦf (yn+k,y(tn+k−1), . . . ,y(tn), tn;h).

Für die exakte Lösung gilt

y(tn+k) +

k−1∑j=0

αjy(tn+j) = hΦf (y(tn+k), . . . ,y(tn), tn;h) + Rn+k.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

yn+1

z(tn+1

)

yn

y(tn)

y(tn+1

)

lokaler DF

globaler DF

tn

tn+1

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Definiert man Tn+k := y(tn+k)− yn+k (Vorsicht: die Definition ist nichteinheitlich in der Literatur), so folgt

Tn+k = h [Φf (y(tn+k), . . . ,y(tn), tn;h)

− Φf (yn+k,y(tn+k−1), . . . ,y(tn), tn;h] + Rn+k.

In speziellen Fällen (lineare Mehrschrittverfahren) kann man die rechte Seitemit dem Mittelwertsatz weiter bearbeiten. Immer folgt aus (V2)

‖Tn+k‖ ≤ hM‖Tn+k‖+ ‖Rn+k‖

und damit(1− hM)‖Tn+k‖ ≤ ‖Rn+k‖.

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Definition 2.3 (Konsistenz)Das Verfahren (V) heißt konsistent [mit (AWP)], wenn

limh→0

t=t0+nh

1

hRn+k = 0

für alle AWPe gilt, die den Voraussetzungen von Satz 1.1 genügen.

Theorem 2.4 (Konsistenzbedingung)Das Verfahren (V) ist genau dann konsistent, wenn

k∑j=0

αj = 0 und (K1)

[ k∑j=0

jαj

]f (tn,y(tn)) = Φf (y(tn), . . . ,y(tn), tn; 0). (K2)

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Das erste charakteristische Polynom des Verfahrens (V) ist durch

ρ(ζ) = αkζk + αk−1ζ

k−1 + · · ·+ α1ζ + α0

definiert. Mit seiner Hilfe läßt sich Theorem 2.4 kompakter formulieren:

Theorem 2.5 (Konsistenzbedingung’)Das Verfahren (V) ist genau dann konsistent, wenn gilt

ρ(1) = 0 (K ′1)

und f (tn,y(tn)) =Φf (y(tn), . . . ,y(tn), tn; 0)

ρ′(1). (K ′2)

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Beispiel. y′ = −y, y(0) = 1 [Lösung: y(t) = exp(−t)].Das implizite Zweischrittverfahren

yn+2 − (1 + α)yn+1 + αyn =12h[f(tn+2, yn+2) + (1− α)f(tn+1, yn+1)− αf(tn, yn)]

ist konsistent (für jedes α ∈ R):

ρ(1) = 1− (1 + α) + α = 0,

Φf (y(tn), y(tn), y(tn), tn; 0)/ρ′(1) = 12 (2− 2α)f(tn, y(tn))/(2− (1 + α))

= f(tn, y(tn)).

Löse mit Anfangswerten y0 = y1 = 1:

(1 + 12h)yn+2 − [1 + α− 1

2 (1− α)h]yn+1 + α(1− 12h)yn = 0 (∗)

(Differenzengleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten).Allgemeine Lösung: yn = c1ξ

n1 + c2ξ

n2 , ξ1 = α und ξ2 = (1− 1

2h)/(1 + 12h).

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Störe nun (∗) (Rundungsfehler, δ > 0):

(1 + 12h)zn+2 − [1 + α− 1

2 (1− α)h]zn+1 + α(1− 12h)zn = hδ

z0 = 1 + δ, z1 = 1 + δ.(∗′)

Allgemeine Lösung:

zn = c1ξn1 + c2ξ

n2 +

{δ/(1− α), falls α 6= 1,

nδ, falls α = 1.

Fall 1: α 6= 1

zn =1

γ[µ(δ)ξn1 + ν(δ)ξn2 ] +

δ

1− αmit γ = 1− α− h(1 + α)/2, µ(δ) = h[αδ/(1− α)− 1] undν(δ) = [1− α(1 + δ)](1 + h/2).

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2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Ersetze δ durch δ∗, ergibt Lösung {z∗n} statt {zn}.Fall 1a: −1 ≤ α < 1,

|zn − z∗n| ≤[h/(1− α) + 1 + h/2

|1− α− h(1 + α)/2|+

1

1− α

]|δ − δ∗|

für alle h ≤ h0 = 2(1− α)/(1 + α).Fall 1b: |α| > 1 {zn − z∗n} ist unbeschränkt für h→ 0.Fall 2: α = 1

zn = 1 +h− 2

2hδ +

h+ 2

2hδ

(1− h/21 + h/2

)n+ nδ

und {zn − z∗n} ist unbeschränkt für h→ 0.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 89

2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

0 0.5 1

0.4

0.6

0.8

1α = 0.5

h=0.1 h=0.05h=0.02h=0.01exakt

0 0.5 1

0.5

1

1.5

2α = 1.1

0 0.5 1

0.4

0.6

0.8

1α = −1

0 0.5 1

0.4

0.6

0.8

1α = −1.05

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 90

2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Definition 2.6 (Stabilität)Seien {δ(`)n }n=0,1,...,N , ` = 1, 2, zwei beliebige Störungen derDifferenzengleichung (V) und seien {z (`)

n }, ` = 1, 2, die Lösungen von

k∑j=0

αjyn+j = h[Φf (yn+k,yn+k−1, . . . ,yn, tn;h) + δ(`)n+k],

y(`)j = yj(h) + δ

(`)j (j = 0, 1, . . . , k − 1).

(Vδ)

Die Methode (V) heißt stabil, wenn es positive Konstanten S und h0 gibt mit

max0≤n≤N

‖z (1)n − z (2)

n ‖ ≤ S max0≤n≤N

‖δ(1)n − δ(2)n ‖

für alle h ∈ (0, h0] und alle zulässigen f .

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 91

2. Numerische Verfahren für AWPe2.3 Konvergenz, Konsistenz und Stabilität

Bemerkungen.1. Stabilität bedeutet, dass die Differenzengleichung sachgemäß gestellt ist

(vgl. Satz 1.1 und 1.2, wo gezeigt wird, dass die Bedingung (Lip)garantiert, dass das (AWP) sachgemäß gestellt ist).

2. Stabilität ist ein Muss für Rechnungen in Gleitpunktarithmetik.

Das Verfahren (V) erfüllt die Wurzelbedingung, wenn sämtliche Nullstellen ξseines ersten charakteristischen Polynoms betragsmäßig kleiner oder gleich 1sind, und zusätzlich aus |ξ| = 1 stets folgt, dass ξ eine einfache Nullstelle ist.

Theorem 2.7 (Stabilität ⇔ Wurzelbedingung)Das Verfahren (V) ist genau dann stabil, wenn es die Wurzelbedingung erfüllt.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 92

2. Numerische Verfahren für AWPe2.4 Der Hauptsatz

Theorem 2.8 (Germund Dahlquist, 1925-2005)Das Verfahren (V) ist genau dann konvergent, wenn es konsistentund stabil ist. Oder kürzer:

Konsistenz + Stabilität = Konvergenz.

Bemerkungen.1. Der Beweis zeigt, dass der globale Diskretisierungsfehler

max0≤n≤N ‖y(tn)− yn(h)‖ bei stabilen Verfahren von der Ordnung p ist,wenn max0≤n≤N−k Rn+k/h = O(hp) (Konsistenzordnung p) undmax0≤n≤k−1 ‖y(tn)− yn(h)‖ = O(hp) (Anfangswerte) gelten.

2. Ob ein Verfahren konvergent ist, kann jetzt rein algebraisch nachgeprüftwerden (im Wesentlichen über die Nullstellen des ersten charakteristischenPolynoms).

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 93

2. Numerische Verfahren für AWPe2.5 Einschrittverfahren

Ein Einschrittverfahren hat die Form

yn+1 = yn + hΦf (yn+1,yn, tn;h). (Ein-S)

Es ist immer stabil, also genau dann konvergent, wenn es konsistent ist. Ist

1

hRn+1 =

y(tn+1)− y(tn)

h− Φf (y(tn+1),y(tn), tn;h) = O(hp) (h→ 0),

so besitzt es (mindestens) die Konsistenzordnung p. Das Euler-Verfahren besitztdie Konsistenzordnung 1, denn:

y(tn+1)− y(tn)

h− f (tn,y(tn)) =

hy ′(tn) + 12h

2y ′′(ξn)

h−y ′(tn) = 1

2hy′′(ξn).

Ist f p-mal stetig differenzierbar, so kann man sich Einschrittverfahren derKonsistenzordnung p mit der Methode des Taylor-Abgleichs konstruieren:

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 94

2. Numerische Verfahren für AWPe2.5 Einschrittverfahren

Man entwickelt die (unbekannte) Lösung y(tn + h) formal nach Potenzen vonh,

y(tn + h) = y(tn) + hy ′(tn) +1

2h2y ′′(tn) + · · · ,

und nutzt aus, dass y ′(t) = f (t,y(t)) gilt, z.B.

y ′(tn) = f (tn,y(tn)),

y ′′(tn) = ft(t,y(t))|t=tn + fy (t,y(t))y ′(t)|t=tn= ft(tn,y(tn)) + fy (tn,y(tn))f (tn,y(tn)).

Bricht man etwa nach dem zweiten Term ab, so ergibt sich mit

yn+1 = yn + h[f (tn,yn) + 1

2h (ft(tn,yn) + fy (tn,yn)f (tn,yn))]

ein Verfahren zweiter Ordnung.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 95

2. Numerische Verfahren für AWPe2.5 Einschrittverfahren

Es ist klar, dass man dieses Verfahren (oder gar die analogen Verfahren fürp > 2) nur dann verwenden kann, wenn f einfach zu differenzieren ist(automatische Differentiation).Für die skalare GDG y′(t) = ty(t) ergibt sich z.B.

yn+1 = yn[1 + 1

2h2 + htn + 1

2h2t2n]

im Fall von p = 2 und

yn+1 = yn[1 + 1

2h2 + htn + 1

2h2t2n + 1

2h3tn + 1

6h3t3n]

im Fall von p = 3.Für p = 1 erhält man stets das Euler-Verfahren.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 96

2. Numerische Verfahren für AWPe2.5 Einschrittverfahren

In diesem Beispiel [mit AB y(0) = 1, d.h. mit exakter Lösungy(t) = exp(0.5t2)] ergibt sich als (normalisierter) globaler Diskretisierungsfehler

h−p max0≤n≤N

|y(tn)− yn|

für die Taylor-Verfahren der Ordnung p ∈ {1, 2, 3}:

N h p = 1 p = 2 p = 310 1.e-1 1.016e+0 4.301e-1 3.267e-1100 1.e-2 1.090e+0 4.757e-1 3.541e-1

1000 1.e-3 1.098e+0 4.804e-1 3.569e-110000 1.e-4 1.099e+0 4.808e-1 3.548e-1

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 97

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

Wir werden jetzt die Verfahren aus Abschnitt 2.2 (ab Seite 78) an folgendemAWP testen:

y′1 = y2

y′2 = y2(y2 − 1)/y1,

mit den Anfangsbedingungen y1(0) = 1/2, y2(0) = −3. Die Lösung ist fürt ∈ [0, 1] gesucht.Die exakte Lösung dieses Problems ist

y1(t) = [1 + 3 exp(−8t)]/8,

y2(t) = −3 exp(−8t).

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 98

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1−3

−2.5

−2

−1.5

−1

−0.5

0

0.5Numerische Experimente: Exakte Loesung

y1(t)=(1+3exp(−8t))/8

y2(t)=−3exp(−8t)

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 99

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

zu Beispiel 4.Für ρ(ζ) = ζ2 + ζ − 2 = (ζ − 1)(ζ + 2) gelten

ρ(1) = 0 und φf (y(tn),y(tn),y(tn), tn; 0)

ρ′(1)=

3f (tn,y(tn))

3= f (tn,y(tn)).

Die Methode ist also konsistent, aber instabil.

t h = 0.1 h = 0.05 h = 0.025 h = 0.01250.2 2.6e–02 8.2e–03 9.0e–03 1.5e–010.4 1.4e–01 2.1e–01 4.1e+00 1.8e+040.6 9.0e–01 5.9e+00 1.9e+03 2.2e+110.8 6.2e+00 1.7e+02 8.6e+05 Inf1.0 4.2e+01 4.7e+03 4.0e+10

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 100

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

zu Beispiel 3.Für ρ(ζ) = ζ2 − ζ = (ζ − 1)ζ gelten

ρ(1) = 0 und φf (y(tn),y(tn),y(tn), tn; 0)

ρ′(1)=

f (tn,y(tn))/3

1=

f (tn,y(tn))

3.

Die Methode ist also stabil, aber inkonsistent.

t h = e–01 h = e–02 h = e–03 h = e–040.2 1.3e+00 1.1e+00 1.2e+00 1.2e+000.4 1.1e+00 9.1e+00 9.2e+00 9.2e+000.6 8.0e–01 5.9e–01 5.9e–01 5.9e–010.8 5.5e–01 3.7e–01 3.5e–01 3.5e–011.0 3.8e–01 2.2e–01 2.1e–01 2.1e–01

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 101

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

Die Methode ist aber konsistent mit dem AWP

y ′ = f (t,y)/3, y(0) = y0.

Für den Abstand zu dessen exakter Lösung

y(t) = [(1 + 3 exp(−8t/3))/8, −3 exp(−8t/3)]>

ergibt sich:

t h = e–01 h = e–02 h = e–03 h = e–040.2 3.0e–01 3.6e–02 3.8e–03 3.8e–040.4 4.0e–01 4.4e–02 4.4e–03 4.4e–040.6 3.9e–01 3.9e–02 3.9e–03 3.9e–040.8 3.4e–01 3.1e–02 3.1e–03 3.1e–041.0 2.8e–01 2.3e–02 2.3e–03 2.2e–04

.

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 102

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

zu Beispiel 5.Fürρ(ζ) = ζ3 + ζ2/4− ζ/2− 3/4 = (ζ − 1)(ζ + 5/8−

√23i/8)(ζ + 5/8 +

√23i/8)

gelten

ρ(1) = 0 und φf (y(tn),y(tn),y(tn), tn; 0)

ρ′(1)=

3f (tn,y(tn))

3= f (tn,y(tn)).

Die Methode ist also konsistent und stabil, damit konvergent.

t h = 0.1 ↑ h = 0.05 ↑ h = 0.025 ↓ h = 0.0125 ↓0.2 8.4e–03 9.3e–04 1.1e–040.4 2.6e–01 4.1e–02 2.4e–04 4.5e–050.6 1.5e+00 1.2e–01 1.6e–04 1.4e–050.8 8.1e+00 3.3e–01 2.1e–05 3.8e–061.0 4.4e+01 9.1e–01 6.8e–06 9.6e–07

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 103

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

zu Beispiel 6.Die Methode ist konsistent und stabil, also konvergent.

t h = e–01 h = e–02 h = e–03 h = e–040.2 9.0e–01 6.7e–03 2.7e–05 1.7e–070.4 4.0e+00 8.9e–02 1.5e–04 4.7e–060.6 2.3e+01 1.7e+00 3.4e–03 1.2e–040.8 1.4e+02 3.3e+01 8.2e–02 2.9e–031.0 7.9e+03 6.6e+02 2.0e+00 7.1e–021.2 1.7e+001.4 4.3e+01

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 104

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

zu Beispiel 1.Die Methode ist konsistent und stabil, also konvergent.

t h = 0.4 ↑ h = 0.2 ↓ h = 0.1 ↓ h = 0.05 ↓0.2 6.2e–01 3.9e–02 3.6e–030.4 7.8e+00 1.2e–01 1.5e–02 1.4e–030.6 2.5e–02 4.5e–03 4.4e–040.8 2.0e+01 5.0e–03 1.2e–03 1.2e–041.0 1.0e–03 2.9e–04 3.0e–051.2 5.0e+01

Michael Eiermann (TU Freiberg) Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen Wintersemester 2013/14 105

2. Numerische Verfahren für AWPe2.6 Numerische Experimente

zu Beispiel 2.Die Methode ist konsistent und stabil, also konvergent.

t h = 0.8 ↓ h = 0.4 ↓ h = 0.2 ↓ h = 0.1 ↓0.2 2.7e–01 5.5e–020.4 8.2e–01 8.6e–02 2.1e–020.6 2.1e–02 6.2e–030.8 1.6e+00 1.6e–01 4.6e–03 1.6e–031.0 9.6e–04 3.8e–041.6 8.3e–01 8.6e–032.4 4.3e–01 4.6e–04

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