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Ein neuer, effektiver Weg zu anschaulichen Molekülmodellen Beitrag zum Jahr der Chemie 2011 Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger Moletomics

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  • Ein neuer, effektiver Weg zu anschaulichen Molekülmodellen

    Beitrag zum Jahr der Chemie 2011

    Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger

    Moletomics™

  • T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

    154 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 154 – 157

    Gutes räumliches Vorstellungsver-mögen ist eine Gabe, die nur wenigebesitzen. Deshalb lässt sich nachvoll-ziehen, dass über den Bau von Mo-dellen nachgedacht wurde. Insbeson-dere verfeinerten sich die Vorstellun-gen von den Molekülen, so dass diealten Modelle nicht mehr ausreich-ten. 1934 stellte der deutsche Physi-ker Herbert A. Stuart seine heutenoch beliebten Kalotten-Modelle vor,die zunächst aus Holzkugeln undDruckknöpfen bestanden. Diesewurden 1950 von G. Briegleb verbes-sert. R. B. Corey, L. Pauling und W. L.Koltun passten die Modelle ihrengehobenen Ansprüchen weiter an(CPK-Modelle und -Farben). MitKunststoffen und deren Verarbeitungdurch Spritzguss wurden die Modelleerschwinglich und fanden auch inder Didaktik weite Verbreitung. 1958entwickelte schließlich der Schwei-zer Chemiker André Dreiding dienach ihm benannten Modelle. DieAtome werden mit ihren Bindungenwinkel- und abstandsgenau ausdünnen Stahlstangen hergestellt.Über Hülsen können dann die Mole-küle zusammengesteckt werden.Dabei wird auf die Raumerfüllungverzichtet, dafür wird das Skelett desMoleküls sichtbar.

    In den sechziger und siebzigerJahren liefen dann zwei Entwicklun-gen parallel. Die fortgeschritteneTechnologie des Spritzgusses vonKunststoffen erlaubte es, beliebigeFormen kostengünstig herzustellen.So entstand eine Reihe von Modell-sätzen aus Kügelchen und Stäbchen,

    die sich entsprechend zusammenfü-gen lassen. Einige solcher Molekül-Baukästen sind immer noch auf demMarkt. Bei allen Bausätzen ist dieAnzahl der Atome begrenzt, undeinen weiteren Nachteil bilden diefixierten Bindungswinkel.

    Die andere Entwicklungslinieentstand aus Fragestellungen derNMR-Spektroskopie. Diese lieferteStrukturinformationen von vorherunvorstellbarer Präzision. Das Glei-che galt für die Röntgenstrukturana-lyse, die durch den Computer immerleistungsfähiger wurde. So lag es fürdie Chemiker nahe, den Computerauch zu nutzen, um dreidimensionaleAbbildungen von Molekülen zuerstellen. Die Chemie wurde zumImpulsgeber für das, was man heute3D-Animation nennt. Inzwischen hatdie Unterhaltungsindustrie längst dieFührungsrolle übernommen, und dieChemie profitiert ihrerseits von denentwickelten Programmen. Das hatdazu geführt, dass der Bau vonMolekül-Modellen in den Hinter-grund rückte. Der Computer liefertunübertroffene Bilder und Simulatio-nen.Allerdings bleiben die Molekülevirtuell.

    Um Interesse bei jungen Men-schen zu wecken, ist der Bau vonrealen Modellen jedoch nicht zuunterschätzen. Eigenhändig einEmantiomeren-Paar, die Aminosäurenoder gar ein DNA-Modell zu gestal-ten, kann zu einem besonderenErlebnis werden. Jedoch sollten zweiwichtige Randbedingungen eingehal-ten werden:1. Die Modelle müssen erschwinglich

    bleiben.2. Der Bau darf nicht zu kompliziert

    und zeitaufwändig sein.

    Quadratische Drahtgitter – ein ideales MaterialBei den Versuchen des Autors, einkostengünstiges DNA-Modell zuentwickeln, wurde neben vielenanderen Materialien zunächst auchmit Draht experimentiert. Das erwiessich als sehr aufwendig, weshalbzunächst auf andere Materialienzurückgegriffen wurde [4]. J.Watson

    M O L E TO M I C S ®- M O D E L L E [ 1 ]

    Ein neuartiges Konzept zum Bau von Molekül-Modellen

    Die räumliche Struktur von Molekülen war und ist zunehmend wieder – insbesonderedurch die Molekularbiologie [2] – eine große Herausforderung für die chemische For-schung. Im 19. Jahrhundert fehlten den Chemikern schlicht die Methoden, um direkteEinblicke in die Formenvielfalt der molekularen Strukturen zu gewinnen. Die berühmteGeschichte vom Tagtraum Kekulés, in dem er sechs im Kreise tanzende Affen die Struktureines Benzolkernes bilden sah, belegt: man war auf Phantasie und Intuition angewiesen.Heute besteht die Herausforderung darin, für bekannte Strukturen adäquate Modelle zu erstellen.

    1874 führte van’t Hoff [3] das Tetra-eder-Modell ein. Es bestand zunächstnur aus Pappe, war aber für dieKonfiguration der Kohlenstoffverbin-dungen sehr anschaulich. So konntedas Phänomen der optischen Aktivi-tät mancher Substanzen überzeugenderklärt werden. 1894 wies EmilFischer mit seiner berühmten Schlüs-sel-Schloss-Metapher auf die großeBedeutung der räumlichen molekula-ren Passgenauigkeit in den Lebens-prozessen hin. Seine Hypothese fandeine überwältigende Bestätigung.Noch heute nutzt die Wirkstoff-Forschung diese bildhafte Vorstel-lung.

    Abb. 1 Watson und Crick verwendeten Lüsterklemmen, um die Atome aus Draht zu verbinden (s. rote Markierungen).

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    Warum Moletomics™? Die bestehen-den Molekülbaukästen lassen doch keine Wünsche offen, oder?

    Eine Suche im Internet zeigt, dass diese Unterrichtshilfen recht teuer sind. Der Preis wäre vielleicht hinnehmbar, wenn der Inhalt üppi-ger ausfiele. Für größere Moleküle erweist sich der Inhalt eines Kastens in der Regel als unzureichend. Nicht selten sind mehrere Kästen notwen-dig, um ein größeres Geschehen darzustellen. Sollen kompliziertere Moleküle oder Reaktionsabläufe nachgebildet werden, muss in der Regel zunächst auf- und anschlie-ßend abgebaut werden. Es sei nur an die Polymere erinnert. Außerdem können eindrucksvolle Beispiele oder „Lieblingsmoleküle“ nicht aufbewahrt werden, denn solche Verluste plündern den Bausatz bis zur Unbrauchbarkeit.

    So machte sich ein ehemaliger Präsident der Gesellschaft Deutscher Chemiker, früher auch Forschungs-vorstand der BASF, nun aber im Ruhestand, auf die Suche nach Alter-nativen. Er fand ein neues Konzept, das von dem der Modell-Bausätze abweicht, die Elemente zu den ge-wünschten Verbindungen zusammen-zustecken oder zusammenzudrücken. Bei seinem neuen Konzept verläuft der Weg genau umgekehrt. Aus dem Drahtgitter wird zunächst das Mole-kül-Skelett hergestellt. Anschließend werden die Atome hinzugefügt. Das Verfahren hat Professor Hans-Jürgen

    Quadbeck-Seeger aus diesem Grund „Moletomics™“ genannt.

    Die vorliegende Broschüre ist eine Art Bauanleitung, die wir aus den Beiträgen zusammengestellt haben, die Professor Quadbeck-Seeger 2010 und 2011 in der GDCh-Zeitschrift Chemie in unserer Zeit sowie in der ebenfalls im Verlag Wiley-VCH erscheinenden Physik in unsrer Zeit publiziert hat. Das Internationa-le Jahr der Chemie 2011 ist Anlass für uns, eine solche Broschüre zu publizieren, vorgestellt erstmals auf dem Wissenschaftsforum Chemie im September in Bremen mit der integ-rierten Fortbildungs- und Vortragsta-gung „Chemieunterricht – innovativ, kreativ und effektiv“ der GDCh-Fach-gruppe Chemieunterricht. Lehrer und Schüler sind es, die wir in erster Linie auf dieses neue Konzept aufmerksam machen wollen. Geplant ist auch ein Wettbewerb an Schulen um das schönste Moletomics™-Molekül.

    Viel Spaß beim Basteln!

    G ruSSwo rt

    ran an die Moleküle!

    Professor Dr. Wolfram KochGDCh-Geschäftsführer

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    Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 154 – 157 www.chiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 155

    und F. Crick hatten 1953 [5] ihrberühmtes Modell, das ihnen sechsJahre später den Nobelpreis ein-brachte, ebenfalls aus Draht gebaut.Die Drahtstücke wurden, wie manauf dem Bild deutlich erkennt, mitLüsterklemmen zusammengehalten(Abbildung 1).Watson beschreibteindrucksvoll, wie schwierig die„Bastelei“ war [6].Vielleicht habendie beiden deswegen nicht weiterüber das Konzept des Modellbausnachgedacht, sondern ihr Interesseauf die Funktionen des eigenartigenMoleküls konzentriert.

    Auf der Suche nach weiteren Ver-einfachungen für DNA-Modelle wurdeauch Draht nochmals überprüft. Über-raschenderweise stellten sich quadra-tische Drahtgitter als geradezu idealeAusgangsmaterialien heraus. Diesegibt es preiswert und in großer Aus-wahl vom sogenannten Hasendraht(Kantenlänge k = 1 cm) bis zum Ar-mierungsgitter für Estrich (k = 5 cm)[7]. Für das Biegen von Modellen istdie Festigkeit der Kreuzungspunktevon entscheidender Bedeutung. Daes wowohl bei der Verzinkung alsauch bei der Punktschweißung großeFortschritte gegeben hat, machen dieVerbindungen zwischen den Drähtenpraktisch keine Probleme. Die qua-dratischen Drahtgitter bieten somiteinen neuartigen und vielseitigen Zu-gang zu Molekülstrukturen.

    Mit den Augen eines Chemikerslassen sich quadratische Drahtgitternunmehr ganz anders sehen.Vonjedem Kreuzungspunkt gehen vierStege gleicher Länge aus. Damit wirddas Gitter quasi von virtuellen vier-bindigen Kohlenstoffatomen gebil-det, die auf eine „Befreiung aus demGefängnis der Zweidimensionalität“

    warten. Schneidet man mit einerZange ein Kreuz heraus, lassen sichdie vier Drähte ohne Mühe so bie-gen, dass die Endpunkte eine Pyrami-de mit dreieckiger Grundflächebilden. Der Winkel vom senkrechtenDraht zu den drei übrigen Drähtenbeträgt 109,5°, die ihrerseits mit 120°voneinander getrennt sind. Karton-schablonen mit diesen Winkeln sindhilfreich. Ohne Mühe und Zeitauf-wand ist in kürzester Zeit ein Koh-lenstoffatom entstanden (Abbildung2).Wie bei den Dreiding-Modellenfehlt allerdings die Elektronenhülle,was für die Darstellung des Molekül-skeletts aber eher günstig ist.

    Nun stellt sich die Frage, wie dieAtome miteinander verbundenwerden sollen: Mit Steckhülsen, wieDreiding es tat, oder mit Lüsterklem-men, wie Watson und Crick vorgin-gen? Es gibt einen überraschendendritten Weg, der das Modell-System soattraktiv macht.Warum sollen dieAtome herausgeschnitten werden,um sie anschließend wieder zusam-menzufügen? Das neue Konzeptbesteht darin, zuerst das gesamteSkelett des Moleküls aus dem Draht-gitter herauszuschneiden und dannzurechtzubiegen. Das klingt zunächstverwegen, funktioniert jedoch ausge-zeichnet. Man beginne mit Methan,Harnstoff, Essigsäure (Abbildung 3)und wage sich schließlich an immerkompliziertere Moleküle. Das Gefühlfür die Winkel stellt sich bald ein,sodass die Modelle „freihändig“gebogen werden können. Es istüberraschend, wie problemlos sichz. B. das Molekülgerüst von Vitamin C„biegen“ lässt.

    Zur besseren Anschaulichkeitlassen sich dann – im Gegensatz zu

    den bisherigen Modellen – die Atomenachträglich hinzufügen. Dazu sindKugeln notwendig. EndständigeWasserstoffe können Bastelkugelnoder Kugeln aus Styropor bilden.Auch zweibindige Sauerstoffatomekönnen aus Kugeln gefertigt werden.Eine Herausforderung stellen dieKohlenstoffatome dar. Hier zeigt sichder große Vorteil des Konzeptes.Während bei bisherigen Modellendie Atome die tragende Rolle über-nehmen, sind sie bei Moletomicssozusagen ergänzendes Beiwerk,denn der Draht bildet das tragendeGerüst. Die Kohlenstoffatome lassensich somit aus Knete,Ton (lufttrock-nend) oder FIMO [9] bilden. Es istnur darauf zu achten, dass die Kugelnin etwa die gleiche Größe haben. Fürwissenschaftliche Zwecke lassen sichGröße und Winkel natürlich an diegemessenen realen Werte anpassen.

    Die Auswahl von quadratischenDrahtgittern im Baustoffhandel istgroß. Für das jeweilige Vorhabenfindet sich rasch das passende Mate-rial. Der Autor hat aus einem Zaungit-ter mit einer Maschenweite von 1 cmjeweils zwei Reihen aus 18 Knoten-punkten geschnitten. Daraus ließensich einfach und schnell die cis- undtrans-Ölsäuren biegen (Abbildung 4).Selbst wenn man schon entsprechen-de Formelbilder gesehen hat, über-rascht doch die Unterschiedlichkeitder beiden Moleküle, wenn sie alsModelle nebeneinander liegen. Dannwird es im wahrsten Sinne desWortes augenscheinlich und „begreif-bar“, dass sich die Moleküle biolo-gisch anders verhalten müssen.

    Ein solcher direkter Vergleich vongrößeren Molekülen wäre mit denhandelsüblichen Baukästen nicht

    Die Abbildungenzeigen das neuePrinzip: Zuerstwird die Strukturdes Moleküls er-stellt, und dannwerden die Atomehinzugefügt.

    Abb. 2 Aus ei-nem Kreuzungs-punkt mit vierStegen lässt sichleicht ein Kohlen-stoffatom biegen.Die Atome kön-nen nachträglichhinzugefügtwerden.

    Abb. 3 Für ersteÜbungen eignensich gut kleineMoleküle wieEssigsäure.

    Abb. 4 cis- undtrans-Ölsäure imdirektenVergleich. [alle Fotos: Dr. Claudia Quad-beck-Seeger]

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    Vo rwo rt

    Im 19. Jahrhundert konnten die Chemiker die Hypothese von Demo-krit bestätigen: die Welt besteht aus Atomen. Diese kann man sich recht gut als Kugeln vorstellen. Die Atome verbinden sich nach festen Regeln zu Molekülen. Wie aber sehen diese aus? Sind es einfache Klumpen oder haben sie eine definierte Struktur? Was uns heute so plausibel erscheint, war als „Strukturaufklärung“ eine mü-hevolle Arbeit. Dabei spielten Modelle eine wesentliche Rolle. Forscher wie van´t Hoff, Stuart, Briegleb und Drei-ding haben mit ihren Vorschlägen wesentliche Beiträge geliefert.

    In den letzten Jahrzehnten ist die Entwicklung zweigleisig gelaufen. Molekülbaukästen aus Kunststoff sind verfügbar geworden. Zugleich wurden Programme entwickelt, die die Moleküle auf den Computer-bildschirm zaubern, wo sie nach Belieben bewegt werden können. Damit scheint das Problem gelöst zu sein, oder? Es gibt ein paar Aspekte und Wünsche, die noch offen sind. Zunächst die didaktische Seite. Es ist ein großer Unterschied, ob ich ein Modell mit Phantasie selbst baue oder nur vorgefertigt zusammenste-cke. Darüber hinaus bleibt jedem sein Modell erhalten. Diese zwei wichti-gen Aspekte mögen hier genügen.

    Weiterhin kommt ein wissen-schaftlicher Gesichtspunkt hinzu. Stärkstes Interesse finden zunehmend die Phänomene der Selbstorganisa-tion. Die Fähigkeit von Molekülen, sich durch Wechselwirkungen zu Strukturen mit besonderen Eigen-schaften zu ordnen, stellt eine große Herausforderung an die Chemie dar. Dem liegt ein Paradigmenwechsel mit tiefgreifenden Folgen zu Grunde. Bisher stand die Frage im Mittelpunkt: Wie reagieren Moleküle miteinan-der? Heute interessiert mindestens genauso: Wie kooperieren Moleküle

    miteinander und welche neuartigen Eigenschaften zeigen dann die durch Selbstorganisation entstandenen mo-lekularen Anordnungen? Die Struk-turen in lebenden Systemen zeigen eindrucksvoll, zu welch ungewöhnli-chen Eigenschaften und Fähigkeiten dieses Konzept führt. Vor allem die Schnelligkeit solcher Umordnungen ist eine Grundvoraussetzung für alles Leben. Komplexität und Präzision kommen hinzu, so dass größere Mo-delle unverzichtbar werden, um diese Phänomene „begreifbar“ zu machen.

    Freiheit für den KohlenstoffIm Bemühen, einfachere und kosten- günstige Alternativen für den Modell-bau zu suchen, wurde ein einfaches Konzept erarbeitet. Zunächst galt es Abschied zu nehmen von einem Pa- radigma, das sich über die Jahrzehnte festgesetzt hatte. Die Moleküle wer-den bisher Atom für Atom aufgebaut. Wird die Reihenfolge umgekehrt und zuerst das Skelett des Moleküls erstellt, um dann die Atome hinzuzu-fügen, ergeben sich dadurch völlig neue Optionen. Diese neue Metho-de wurde „Moletomics“ genannt. Überraschenderweise zeigten sich quadratische Gitterdrähte als bisher nicht beachtete Quelle von Varia-tionsmöglichkeiten. In den Augen des Chemikers stellt das Gitter ein zweidimensionales Gefängnis für Kohlenstoff-Atome dar, die auf ihre Befreiung warten. Geeignetes Durch- trennen und Biegen der Stege ma-chen jeden Knotenpunkt zu einem C-Atom, das mit beliebig vielen anderen Artgenossen in Verbindung steht. Ein besonderer Trick lässt sogar reguläre Sechsecke für Aromaten und Heterocyclen entstehen. Auf diese Weise können selbst die anspruchs-vollen Formen des elementaren Kohlenstoffs nachgebildet werden:

    C60

    , Diamant und Graphen. Das wird in den Veröffentlichungen beschrie-ben. Alle Kohlenstoff-Moleküle lassen sich auf diese Weise bauen, wobei die Vielzahl der verwendbaren Materiali-en (Kugeln und Perlen aller Art) und somit auch die Variation der Modelle beeindruckend sind.1) Die Kosten spielen praktisch keine Rolle, viel-mehr ist Phantasie gefragt. Da auf Pa-tentierung verzichtet wurde (nur der Name ist geschützt), bestehen auch in dieser Hinsicht keine Grenzen.

    Für den Chemieunterricht ergibt sich die besondere Schwierigkeit, dass zwischen dem Geschehen auf dem Experimentier-Tisch und dem Erlernen nur die Formeln auf Tafel und Papier stehen. Den Schülern bleibt in der Regel nur das Zuschau-en. Der Bau von Modellen bildet dagegen eine Brücke, die diese Lücke schließen kann. Das moleku-lare Geschehen lässt sich von jedem Lernenden modellhaft konkretisieren und prägt sich effektiver ein.

    2011 ist von der UNO zum Jahr der Chemie ausgerufen worden. Das soll darauf verweisen, wie wichtig und unverzichtbar dieses Wissensge-biet ist, um die großen Probleme der wachsenden Menschheit zu lösen, und zwar durch neues Wissen und tiefere Erkenntnisse. Es genügt nicht, die Umwelt schützen zu wollen und die Natur zu lieben. Die Menschheit kann nicht darauf verzichten, die Natur zu nutzen. Um ihr nicht zu schaden oder sie gar zu zerstören, sind wir darauf angewiesen, ihre Komplexität noch viel besser zu verstehen. Die wichtigste Vorsorge in diesem Sinne besteht darin, in jungen, talentierten Menschen das Interesse an den Naturwissenschaf-ten zu wecken und zu stärken. Die Entscheidung für den späteren Beruf fällt nicht selten in jungen Jahren, in denen Experimentier- und Bastelfreu-de ausgeprägt sind. Der anregende und phantasievolle Bau von eigenen Molekül-Modellen soll also nicht nur Spaß machen, sondern auch motivie-ren und Herzen gewinnen.

    H.-J. Quadbeck-Seeger September 2011

    M o le to M i c S tM

    ein neuer, effektiver weg zu anschaulichen Molekül-Modellen

    [1] Eine Vielzahl

    von Bildern und

    Beispielen unter

    www.quadbeck-

    seeger.de

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    Gutes räumliches Vorstellungsver-mögen ist eine Gabe, die nur wenigebesitzen. Deshalb lässt sich nachvoll-ziehen, dass über den Bau von Mo-dellen nachgedacht wurde. Insbeson-dere verfeinerten sich die Vorstellun-gen von den Molekülen, so dass diealten Modelle nicht mehr ausreich-ten. 1934 stellte der deutsche Physi-ker Herbert A. Stuart seine heutenoch beliebten Kalotten-Modelle vor,die zunächst aus Holzkugeln undDruckknöpfen bestanden. Diesewurden 1950 von G. Briegleb verbes-sert. R. B. Corey, L. Pauling und W. L.Koltun passten die Modelle ihrengehobenen Ansprüchen weiter an(CPK-Modelle und -Farben). MitKunststoffen und deren Verarbeitungdurch Spritzguss wurden die Modelleerschwinglich und fanden auch inder Didaktik weite Verbreitung. 1958entwickelte schließlich der Schwei-zer Chemiker André Dreiding dienach ihm benannten Modelle. DieAtome werden mit ihren Bindungenwinkel- und abstandsgenau ausdünnen Stahlstangen hergestellt.Über Hülsen können dann die Mole-küle zusammengesteckt werden.Dabei wird auf die Raumerfüllungverzichtet, dafür wird das Skelett desMoleküls sichtbar.

    In den sechziger und siebzigerJahren liefen dann zwei Entwicklun-gen parallel. Die fortgeschritteneTechnologie des Spritzgusses vonKunststoffen erlaubte es, beliebigeFormen kostengünstig herzustellen.So entstand eine Reihe von Modell-sätzen aus Kügelchen und Stäbchen,

    die sich entsprechend zusammenfü-gen lassen. Einige solcher Molekül-Baukästen sind immer noch auf demMarkt. Bei allen Bausätzen ist dieAnzahl der Atome begrenzt, undeinen weiteren Nachteil bilden diefixierten Bindungswinkel.

    Die andere Entwicklungslinieentstand aus Fragestellungen derNMR-Spektroskopie. Diese lieferteStrukturinformationen von vorherunvorstellbarer Präzision. Das Glei-che galt für die Röntgenstrukturana-lyse, die durch den Computer immerleistungsfähiger wurde. So lag es fürdie Chemiker nahe, den Computerauch zu nutzen, um dreidimensionaleAbbildungen von Molekülen zuerstellen. Die Chemie wurde zumImpulsgeber für das, was man heute3D-Animation nennt. Inzwischen hatdie Unterhaltungsindustrie längst dieFührungsrolle übernommen, und dieChemie profitiert ihrerseits von denentwickelten Programmen. Das hatdazu geführt, dass der Bau vonMolekül-Modellen in den Hinter-grund rückte. Der Computer liefertunübertroffene Bilder und Simulatio-nen.Allerdings bleiben die Molekülevirtuell.

    Um Interesse bei jungen Men-schen zu wecken, ist der Bau vonrealen Modellen jedoch nicht zuunterschätzen. Eigenhändig einEmantiomeren-Paar, die Aminosäurenoder gar ein DNA-Modell zu gestal-ten, kann zu einem besonderenErlebnis werden. Jedoch sollten zweiwichtige Randbedingungen eingehal-ten werden:1. Die Modelle müssen erschwinglich

    bleiben.2. Der Bau darf nicht zu kompliziert

    und zeitaufwändig sein.

    Quadratische Drahtgitter – ein ideales MaterialBei den Versuchen des Autors, einkostengünstiges DNA-Modell zuentwickeln, wurde neben vielenanderen Materialien zunächst auchmit Draht experimentiert. Das erwiessich als sehr aufwendig, weshalbzunächst auf andere Materialienzurückgegriffen wurde [4]. J.Watson

    M O L E TO M I C S ®- M O D E L L E [ 1 ]

    Ein neuartiges Konzept zum Bau von Molekül-Modellen

    Die räumliche Struktur von Molekülen war und ist zunehmend wieder – insbesonderedurch die Molekularbiologie [2] – eine große Herausforderung für die chemische For-schung. Im 19. Jahrhundert fehlten den Chemikern schlicht die Methoden, um direkteEinblicke in die Formenvielfalt der molekularen Strukturen zu gewinnen. Die berühmteGeschichte vom Tagtraum Kekulés, in dem er sechs im Kreise tanzende Affen die Struktureines Benzolkernes bilden sah, belegt: man war auf Phantasie und Intuition angewiesen.Heute besteht die Herausforderung darin, für bekannte Strukturen adäquate Modelle zu erstellen.

    1874 führte van’t Hoff [3] das Tetra-eder-Modell ein. Es bestand zunächstnur aus Pappe, war aber für dieKonfiguration der Kohlenstoffverbin-dungen sehr anschaulich. So konntedas Phänomen der optischen Aktivi-tät mancher Substanzen überzeugenderklärt werden. 1894 wies EmilFischer mit seiner berühmten Schlüs-sel-Schloss-Metapher auf die großeBedeutung der räumlichen molekula-ren Passgenauigkeit in den Lebens-prozessen hin. Seine Hypothese fandeine überwältigende Bestätigung.Noch heute nutzt die Wirkstoff-Forschung diese bildhafte Vorstel-lung.

    Abb. 1 Watson und Crick verwendeten Lüsterklemmen, um die Atome aus Draht zu verbinden (s. rote Markierungen).

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    cheM i e i n u n Se rer Zeit

    4 © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 154 – 157

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    Gutes räumliches Vorstellungsver-mögen ist eine Gabe, die nur wenigebesitzen. Deshalb lässt sich nachvoll-ziehen, dass über den Bau von Mo-dellen nachgedacht wurde. Insbeson-dere verfeinerten sich die Vorstellun-gen von den Molekülen, so dass diealten Modelle nicht mehr ausreich-ten. 1934 stellte der deutsche Physi-ker Herbert A. Stuart seine heutenoch beliebten Kalotten-Modelle vor,die zunächst aus Holzkugeln undDruckknöpfen bestanden. Diesewurden 1950 von G. Briegleb verbes-sert. R. B. Corey, L. Pauling und W. L.Koltun passten die Modelle ihrengehobenen Ansprüchen weiter an(CPK-Modelle und -Farben). MitKunststoffen und deren Verarbeitungdurch Spritzguss wurden die Modelleerschwinglich und fanden auch inder Didaktik weite Verbreitung. 1958entwickelte schließlich der Schwei-zer Chemiker André Dreiding dienach ihm benannten Modelle. DieAtome werden mit ihren Bindungenwinkel- und abstandsgenau ausdünnen Stahlstangen hergestellt.Über Hülsen können dann die Mole-küle zusammengesteckt werden.Dabei wird auf die Raumerfüllungverzichtet, dafür wird das Skelett desMoleküls sichtbar.

    In den sechziger und siebzigerJahren liefen dann zwei Entwicklun-gen parallel. Die fortgeschritteneTechnologie des Spritzgusses vonKunststoffen erlaubte es, beliebigeFormen kostengünstig herzustellen.So entstand eine Reihe von Modell-sätzen aus Kügelchen und Stäbchen,

    die sich entsprechend zusammenfü-gen lassen. Einige solcher Molekül-Baukästen sind immer noch auf demMarkt. Bei allen Bausätzen ist dieAnzahl der Atome begrenzt, undeinen weiteren Nachteil bilden diefixierten Bindungswinkel.

    Die andere Entwicklungslinieentstand aus Fragestellungen derNMR-Spektroskopie. Diese lieferteStrukturinformationen von vorherunvorstellbarer Präzision. Das Glei-che galt für die Röntgenstrukturana-lyse, die durch den Computer immerleistungsfähiger wurde. So lag es fürdie Chemiker nahe, den Computerauch zu nutzen, um dreidimensionaleAbbildungen von Molekülen zuerstellen. Die Chemie wurde zumImpulsgeber für das, was man heute3D-Animation nennt. Inzwischen hatdie Unterhaltungsindustrie längst dieFührungsrolle übernommen, und dieChemie profitiert ihrerseits von denentwickelten Programmen. Das hatdazu geführt, dass der Bau vonMolekül-Modellen in den Hinter-grund rückte. Der Computer liefertunübertroffene Bilder und Simulatio-nen.Allerdings bleiben die Molekülevirtuell.

    Um Interesse bei jungen Men-schen zu wecken, ist der Bau vonrealen Modellen jedoch nicht zuunterschätzen. Eigenhändig einEmantiomeren-Paar, die Aminosäurenoder gar ein DNA-Modell zu gestal-ten, kann zu einem besonderenErlebnis werden. Jedoch sollten zweiwichtige Randbedingungen eingehal-ten werden:1. Die Modelle müssen erschwinglich

    bleiben.2. Der Bau darf nicht zu kompliziert

    und zeitaufwändig sein.

    Quadratische Drahtgitter – ein ideales MaterialBei den Versuchen des Autors, einkostengünstiges DNA-Modell zuentwickeln, wurde neben vielenanderen Materialien zunächst auchmit Draht experimentiert. Das erwiessich als sehr aufwendig, weshalbzunächst auf andere Materialienzurückgegriffen wurde [4]. J.Watson

    M O L E TO M I C S ®- M O D E L L E [ 1 ]

    Ein neuartiges Konzept zum Bau von Molekül-Modellen

    Die räumliche Struktur von Molekülen war und ist zunehmend wieder – insbesonderedurch die Molekularbiologie [2] – eine große Herausforderung für die chemische For-schung. Im 19. Jahrhundert fehlten den Chemikern schlicht die Methoden, um direkteEinblicke in die Formenvielfalt der molekularen Strukturen zu gewinnen. Die berühmteGeschichte vom Tagtraum Kekulés, in dem er sechs im Kreise tanzende Affen die Struktureines Benzolkernes bilden sah, belegt: man war auf Phantasie und Intuition angewiesen.Heute besteht die Herausforderung darin, für bekannte Strukturen adäquate Modelle zu erstellen.

    1874 führte van’t Hoff [3] das Tetra-eder-Modell ein. Es bestand zunächstnur aus Pappe, war aber für dieKonfiguration der Kohlenstoffverbin-dungen sehr anschaulich. So konntedas Phänomen der optischen Aktivi-tät mancher Substanzen überzeugenderklärt werden. 1894 wies EmilFischer mit seiner berühmten Schlüs-sel-Schloss-Metapher auf die großeBedeutung der räumlichen molekula-ren Passgenauigkeit in den Lebens-prozessen hin. Seine Hypothese fandeine überwältigende Bestätigung.Noch heute nutzt die Wirkstoff-Forschung diese bildhafte Vorstel-lung.

    Abb. 1 Watson und Crick verwendeten Lüsterklemmen, um die Atome aus Draht zu verbinden (s. rote Markierungen).

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    M o le to M i c S™-M o d elle [1]

  • | T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

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    und F. Crick hatten 1953 [5] ihrberühmtes Modell, das ihnen sechsJahre später den Nobelpreis ein-brachte, ebenfalls aus Draht gebaut.Die Drahtstücke wurden, wie manauf dem Bild deutlich erkennt, mitLüsterklemmen zusammengehalten(Abbildung 1).Watson beschreibteindrucksvoll, wie schwierig die„Bastelei“ war [6].Vielleicht habendie beiden deswegen nicht weiterüber das Konzept des Modellbausnachgedacht, sondern ihr Interesseauf die Funktionen des eigenartigenMoleküls konzentriert.

    Auf der Suche nach weiteren Ver-einfachungen für DNA-Modelle wurdeauch Draht nochmals überprüft. Über-raschenderweise stellten sich quadra-tische Drahtgitter als geradezu idealeAusgangsmaterialien heraus. Diesegibt es preiswert und in großer Aus-wahl vom sogenannten Hasendraht(Kantenlänge k = 1 cm) bis zum Ar-mierungsgitter für Estrich (k = 5 cm)[7]. Für das Biegen von Modellen istdie Festigkeit der Kreuzungspunktevon entscheidender Bedeutung. Daes wowohl bei der Verzinkung alsauch bei der Punktschweißung großeFortschritte gegeben hat, machen dieVerbindungen zwischen den Drähtenpraktisch keine Probleme. Die qua-dratischen Drahtgitter bieten somiteinen neuartigen und vielseitigen Zu-gang zu Molekülstrukturen.

    Mit den Augen eines Chemikerslassen sich quadratische Drahtgitternunmehr ganz anders sehen.Vonjedem Kreuzungspunkt gehen vierStege gleicher Länge aus. Damit wirddas Gitter quasi von virtuellen vier-bindigen Kohlenstoffatomen gebil-det, die auf eine „Befreiung aus demGefängnis der Zweidimensionalität“

    warten. Schneidet man mit einerZange ein Kreuz heraus, lassen sichdie vier Drähte ohne Mühe so bie-gen, dass die Endpunkte eine Pyrami-de mit dreieckiger Grundflächebilden. Der Winkel vom senkrechtenDraht zu den drei übrigen Drähtenbeträgt 109,5°, die ihrerseits mit 120°voneinander getrennt sind. Karton-schablonen mit diesen Winkeln sindhilfreich. Ohne Mühe und Zeitauf-wand ist in kürzester Zeit ein Koh-lenstoffatom entstanden (Abbildung2).Wie bei den Dreiding-Modellenfehlt allerdings die Elektronenhülle,was für die Darstellung des Molekül-skeletts aber eher günstig ist.

    Nun stellt sich die Frage, wie dieAtome miteinander verbundenwerden sollen: Mit Steckhülsen, wieDreiding es tat, oder mit Lüsterklem-men, wie Watson und Crick vorgin-gen? Es gibt einen überraschendendritten Weg, der das Modell-System soattraktiv macht.Warum sollen dieAtome herausgeschnitten werden,um sie anschließend wieder zusam-menzufügen? Das neue Konzeptbesteht darin, zuerst das gesamteSkelett des Moleküls aus dem Draht-gitter herauszuschneiden und dannzurechtzubiegen. Das klingt zunächstverwegen, funktioniert jedoch ausge-zeichnet. Man beginne mit Methan,Harnstoff, Essigsäure (Abbildung 3)und wage sich schließlich an immerkompliziertere Moleküle. Das Gefühlfür die Winkel stellt sich bald ein,sodass die Modelle „freihändig“gebogen werden können. Es istüberraschend, wie problemlos sichz. B. das Molekülgerüst von Vitamin C„biegen“ lässt.

    Zur besseren Anschaulichkeitlassen sich dann – im Gegensatz zu

    den bisherigen Modellen – die Atomenachträglich hinzufügen. Dazu sindKugeln notwendig. EndständigeWasserstoffe können Bastelkugelnoder Kugeln aus Styropor bilden.Auch zweibindige Sauerstoffatomekönnen aus Kugeln gefertigt werden.Eine Herausforderung stellen dieKohlenstoffatome dar. Hier zeigt sichder große Vorteil des Konzeptes.Während bei bisherigen Modellendie Atome die tragende Rolle über-nehmen, sind sie bei Moletomicssozusagen ergänzendes Beiwerk,denn der Draht bildet das tragendeGerüst. Die Kohlenstoffatome lassensich somit aus Knete,Ton (lufttrock-nend) oder FIMO [9] bilden. Es istnur darauf zu achten, dass die Kugelnin etwa die gleiche Größe haben. Fürwissenschaftliche Zwecke lassen sichGröße und Winkel natürlich an diegemessenen realen Werte anpassen.

    Die Auswahl von quadratischenDrahtgittern im Baustoffhandel istgroß. Für das jeweilige Vorhabenfindet sich rasch das passende Mate-rial. Der Autor hat aus einem Zaungit-ter mit einer Maschenweite von 1 cmjeweils zwei Reihen aus 18 Knoten-punkten geschnitten. Daraus ließensich einfach und schnell die cis- undtrans-Ölsäuren biegen (Abbildung 4).Selbst wenn man schon entsprechen-de Formelbilder gesehen hat, über-rascht doch die Unterschiedlichkeitder beiden Moleküle, wenn sie alsModelle nebeneinander liegen. Dannwird es im wahrsten Sinne desWortes augenscheinlich und „begreif-bar“, dass sich die Moleküle biolo-gisch anders verhalten müssen.

    Ein solcher direkter Vergleich vongrößeren Molekülen wäre mit denhandelsüblichen Baukästen nicht

    Die Abbildungenzeigen das neuePrinzip: Zuerstwird die Strukturdes Moleküls er-stellt, und dannwerden die Atomehinzugefügt.

    Abb. 2 Aus ei-nem Kreuzungs-punkt mit vierStegen lässt sichleicht ein Kohlen-stoffatom biegen.Die Atome kön-nen nachträglichhinzugefügtwerden.

    Abb. 3 Für ersteÜbungen eignensich gut kleineMoleküle wieEssigsäure.

    Abb. 4 cis- undtrans-Ölsäure imdirektenVergleich. [alle Fotos: Dr. Claudia Quad-beck-Seeger]

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    Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 154 – 157 www.chiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 155

    und F. Crick hatten 1953 [5] ihrberühmtes Modell, das ihnen sechsJahre später den Nobelpreis ein-brachte, ebenfalls aus Draht gebaut.Die Drahtstücke wurden, wie manauf dem Bild deutlich erkennt, mitLüsterklemmen zusammengehalten(Abbildung 1).Watson beschreibteindrucksvoll, wie schwierig die„Bastelei“ war [6].Vielleicht habendie beiden deswegen nicht weiterüber das Konzept des Modellbausnachgedacht, sondern ihr Interesseauf die Funktionen des eigenartigenMoleküls konzentriert.

    Auf der Suche nach weiteren Ver-einfachungen für DNA-Modelle wurdeauch Draht nochmals überprüft. Über-raschenderweise stellten sich quadra-tische Drahtgitter als geradezu idealeAusgangsmaterialien heraus. Diesegibt es preiswert und in großer Aus-wahl vom sogenannten Hasendraht(Kantenlänge k = 1 cm) bis zum Ar-mierungsgitter für Estrich (k = 5 cm)[7]. Für das Biegen von Modellen istdie Festigkeit der Kreuzungspunktevon entscheidender Bedeutung. Daes wowohl bei der Verzinkung alsauch bei der Punktschweißung großeFortschritte gegeben hat, machen dieVerbindungen zwischen den Drähtenpraktisch keine Probleme. Die qua-dratischen Drahtgitter bieten somiteinen neuartigen und vielseitigen Zu-gang zu Molekülstrukturen.

    Mit den Augen eines Chemikerslassen sich quadratische Drahtgitternunmehr ganz anders sehen.Vonjedem Kreuzungspunkt gehen vierStege gleicher Länge aus. Damit wirddas Gitter quasi von virtuellen vier-bindigen Kohlenstoffatomen gebil-det, die auf eine „Befreiung aus demGefängnis der Zweidimensionalität“

    warten. Schneidet man mit einerZange ein Kreuz heraus, lassen sichdie vier Drähte ohne Mühe so bie-gen, dass die Endpunkte eine Pyrami-de mit dreieckiger Grundflächebilden. Der Winkel vom senkrechtenDraht zu den drei übrigen Drähtenbeträgt 109,5°, die ihrerseits mit 120°voneinander getrennt sind. Karton-schablonen mit diesen Winkeln sindhilfreich. Ohne Mühe und Zeitauf-wand ist in kürzester Zeit ein Koh-lenstoffatom entstanden (Abbildung2).Wie bei den Dreiding-Modellenfehlt allerdings die Elektronenhülle,was für die Darstellung des Molekül-skeletts aber eher günstig ist.

    Nun stellt sich die Frage, wie dieAtome miteinander verbundenwerden sollen: Mit Steckhülsen, wieDreiding es tat, oder mit Lüsterklem-men, wie Watson und Crick vorgin-gen? Es gibt einen überraschendendritten Weg, der das Modell-System soattraktiv macht.Warum sollen dieAtome herausgeschnitten werden,um sie anschließend wieder zusam-menzufügen? Das neue Konzeptbesteht darin, zuerst das gesamteSkelett des Moleküls aus dem Draht-gitter herauszuschneiden und dannzurechtzubiegen. Das klingt zunächstverwegen, funktioniert jedoch ausge-zeichnet. Man beginne mit Methan,Harnstoff, Essigsäure (Abbildung 3)und wage sich schließlich an immerkompliziertere Moleküle. Das Gefühlfür die Winkel stellt sich bald ein,sodass die Modelle „freihändig“gebogen werden können. Es istüberraschend, wie problemlos sichz. B. das Molekülgerüst von Vitamin C„biegen“ lässt.

    Zur besseren Anschaulichkeitlassen sich dann – im Gegensatz zu

    den bisherigen Modellen – die Atomenachträglich hinzufügen. Dazu sindKugeln notwendig. EndständigeWasserstoffe können Bastelkugelnoder Kugeln aus Styropor bilden.Auch zweibindige Sauerstoffatomekönnen aus Kugeln gefertigt werden.Eine Herausforderung stellen dieKohlenstoffatome dar. Hier zeigt sichder große Vorteil des Konzeptes.Während bei bisherigen Modellendie Atome die tragende Rolle über-nehmen, sind sie bei Moletomicssozusagen ergänzendes Beiwerk,denn der Draht bildet das tragendeGerüst. Die Kohlenstoffatome lassensich somit aus Knete,Ton (lufttrock-nend) oder FIMO [9] bilden. Es istnur darauf zu achten, dass die Kugelnin etwa die gleiche Größe haben. Fürwissenschaftliche Zwecke lassen sichGröße und Winkel natürlich an diegemessenen realen Werte anpassen.

    Die Auswahl von quadratischenDrahtgittern im Baustoffhandel istgroß. Für das jeweilige Vorhabenfindet sich rasch das passende Mate-rial. Der Autor hat aus einem Zaungit-ter mit einer Maschenweite von 1 cmjeweils zwei Reihen aus 18 Knoten-punkten geschnitten. Daraus ließensich einfach und schnell die cis- undtrans-Ölsäuren biegen (Abbildung 4).Selbst wenn man schon entsprechen-de Formelbilder gesehen hat, über-rascht doch die Unterschiedlichkeitder beiden Moleküle, wenn sie alsModelle nebeneinander liegen. Dannwird es im wahrsten Sinne desWortes augenscheinlich und „begreif-bar“, dass sich die Moleküle biolo-gisch anders verhalten müssen.

    Ein solcher direkter Vergleich vongrößeren Molekülen wäre mit denhandelsüblichen Baukästen nicht

    Die Abbildungenzeigen das neuePrinzip: Zuerstwird die Strukturdes Moleküls er-stellt, und dannwerden die Atomehinzugefügt.

    Abb. 2 Aus ei-nem Kreuzungs-punkt mit vierStegen lässt sichleicht ein Kohlen-stoffatom biegen.Die Atome kön-nen nachträglichhinzugefügtwerden.

    Abb. 3 Für ersteÜbungen eignensich gut kleineMoleküle wieEssigsäure.

    Abb. 4 cis- undtrans-Ölsäure imdirektenVergleich. [alle Fotos: Dr. Claudia Quad-beck-Seeger]

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    Gutes räumliches Vorstellungsver-mögen ist eine Gabe, die nur wenigebesitzen. Deshalb lässt sich nachvoll-ziehen, dass über den Bau von Mo-dellen nachgedacht wurde. Insbeson-dere verfeinerten sich die Vorstellun-gen von den Molekülen, so dass diealten Modelle nicht mehr ausreich-ten. 1934 stellte der deutsche Physi-ker Herbert A. Stuart seine heutenoch beliebten Kalotten-Modelle vor,die zunächst aus Holzkugeln undDruckknöpfen bestanden. Diesewurden 1950 von G. Briegleb verbes-sert. R. B. Corey, L. Pauling und W. L.Koltun passten die Modelle ihrengehobenen Ansprüchen weiter an(CPK-Modelle und -Farben). MitKunststoffen und deren Verarbeitungdurch Spritzguss wurden die Modelleerschwinglich und fanden auch inder Didaktik weite Verbreitung. 1958entwickelte schließlich der Schwei-zer Chemiker André Dreiding dienach ihm benannten Modelle. DieAtome werden mit ihren Bindungenwinkel- und abstandsgenau ausdünnen Stahlstangen hergestellt.Über Hülsen können dann die Mole-küle zusammengesteckt werden.Dabei wird auf die Raumerfüllungverzichtet, dafür wird das Skelett desMoleküls sichtbar.

    In den sechziger und siebzigerJahren liefen dann zwei Entwicklun-gen parallel. Die fortgeschritteneTechnologie des Spritzgusses vonKunststoffen erlaubte es, beliebigeFormen kostengünstig herzustellen.So entstand eine Reihe von Modell-sätzen aus Kügelchen und Stäbchen,

    die sich entsprechend zusammenfü-gen lassen. Einige solcher Molekül-Baukästen sind immer noch auf demMarkt. Bei allen Bausätzen ist dieAnzahl der Atome begrenzt, undeinen weiteren Nachteil bilden diefixierten Bindungswinkel.

    Die andere Entwicklungslinieentstand aus Fragestellungen derNMR-Spektroskopie. Diese lieferteStrukturinformationen von vorherunvorstellbarer Präzision. Das Glei-che galt für die Röntgenstrukturana-lyse, die durch den Computer immerleistungsfähiger wurde. So lag es fürdie Chemiker nahe, den Computerauch zu nutzen, um dreidimensionaleAbbildungen von Molekülen zuerstellen. Die Chemie wurde zumImpulsgeber für das, was man heute3D-Animation nennt. Inzwischen hatdie Unterhaltungsindustrie längst dieFührungsrolle übernommen, und dieChemie profitiert ihrerseits von denentwickelten Programmen. Das hatdazu geführt, dass der Bau vonMolekül-Modellen in den Hinter-grund rückte. Der Computer liefertunübertroffene Bilder und Simulatio-nen.Allerdings bleiben die Molekülevirtuell.

    Um Interesse bei jungen Men-schen zu wecken, ist der Bau vonrealen Modellen jedoch nicht zuunterschätzen. Eigenhändig einEmantiomeren-Paar, die Aminosäurenoder gar ein DNA-Modell zu gestal-ten, kann zu einem besonderenErlebnis werden. Jedoch sollten zweiwichtige Randbedingungen eingehal-ten werden:1. Die Modelle müssen erschwinglich

    bleiben.2. Der Bau darf nicht zu kompliziert

    und zeitaufwändig sein.

    Quadratische Drahtgitter – ein ideales MaterialBei den Versuchen des Autors, einkostengünstiges DNA-Modell zuentwickeln, wurde neben vielenanderen Materialien zunächst auchmit Draht experimentiert. Das erwiessich als sehr aufwendig, weshalbzunächst auf andere Materialienzurückgegriffen wurde [4]. J.Watson

    M O L E TO M I C S ®- M O D E L L E [ 1 ]

    Ein neuartiges Konzept zum Bau von Molekül-Modellen

    Die räumliche Struktur von Molekülen war und ist zunehmend wieder – insbesonderedurch die Molekularbiologie [2] – eine große Herausforderung für die chemische For-schung. Im 19. Jahrhundert fehlten den Chemikern schlicht die Methoden, um direkteEinblicke in die Formenvielfalt der molekularen Strukturen zu gewinnen. Die berühmteGeschichte vom Tagtraum Kekulés, in dem er sechs im Kreise tanzende Affen die Struktureines Benzolkernes bilden sah, belegt: man war auf Phantasie und Intuition angewiesen.Heute besteht die Herausforderung darin, für bekannte Strukturen adäquate Modelle zu erstellen.

    1874 führte van’t Hoff [3] das Tetra-eder-Modell ein. Es bestand zunächstnur aus Pappe, war aber für dieKonfiguration der Kohlenstoffverbin-dungen sehr anschaulich. So konntedas Phänomen der optischen Aktivi-tät mancher Substanzen überzeugenderklärt werden. 1894 wies EmilFischer mit seiner berühmten Schlüs-sel-Schloss-Metapher auf die großeBedeutung der räumlichen molekula-ren Passgenauigkeit in den Lebens-prozessen hin. Seine Hypothese fandeine überwältigende Bestätigung.Noch heute nutzt die Wirkstoff-Forschung diese bildhafte Vorstel-lung.

    Abb. 1 Watson und Crick verwendeten Lüsterklemmen, um die Atome aus Draht zu verbinden (s. rote Markierungen).

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    cheM i e i n u n Se rer Zeit

    6 © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 154 – 156

    Der 72jährige Chemiker, gebürtig in Insterburg (Ostpreußen), studierte in München Chemie, mit den Neben-fächern Physik und Anthropologie. Nach seiner Promotion in organi-scher Chemie begann er 1967 seine Industriekarriere im Farbenlaborato-rium der BASF. Über zahlreiche Sta-tionen in diesem Unternehmen - als Assistent des Forschungsleiters und des Vorstandsvorsitzenden, als Leiter des Zentralbereichs Hauptlaboratori-

    um sowie als Vorstandsvorsitzender der Knoll AG und damit Leiter des Unternehmensbereichs Pharma der BASF AG - wurde er 1989 Mitglied des Vorstands der BASF AG und war bis 1997 verantwortlich für die For-schung des Unternehmens.

    Trotz seines großen beruflichen Engagements brachte sich Quadbeck-Seeger mit vielen neuen Ideen und großer Tatkraft auch in die Arbeit der GDCh ein. Seit 1961 Mitglied dieser wissenschaftlichen Gesellschaft, war er im Vorstand der GDCh von 1992 bis 1996 tätig, davon drei Jahre als stellvertretender Präsident und 1994/95 zwei Jahre als Präsident, die er unter das Motto „Chemie im Auf-bruch“ stellte und in denen der Ver-haltenskodex der GDCh verabschie-det wurde. Wegen seiner Verdienste um die Chemie und das Ansehen der Chemie in der Öffentlichkeit wurde Quadbeck-Seeger 2007 mit der Ehrenmitgliedschaft der Gesell- schaft Deutscher Chemiker ausge- zeichnet.

    Besonders bemerkenswert waren und sind seine herausragenden Er- folge als „Öffentlichkeitsarbeiter“ für die Chemie nach Beendigung seiner beruflichen Laufbahn. So erschienen im Verlag Wiley-VCH zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher von Quadbeck-Seeger. In all diesen Büchern kommen sein enorm breites Wissen und seine vielfältigen Interessen, die weit über die Chemie hinausgehen, zum Tragen.

    Quadbeck-Seeger, der 1985 von der Universität Heidelberg zum Ho-norarprofessor berufen worden war, erhielt 1998 das Bundesverdienst-kreuz Erster Klasse unter anderem für seine Mitwirkung in zwei Kom-missionen zur Studienreform und in der Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ des Deutschen Bundestages. Von 1991 bis 1994 war er Mitglied des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von 1996 bis 2000 Mitglied des Senats und Verwaltungsrats der Max-Planck-Gesellschaft.

    Renate Hoer, GDCh-Öffentlichkeitsarbeit,

    Frankfurt am Main

    Üb e r d en Au to r

    M AG A Z I N |

    294 | © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2008, 42, 292 – 294

    Damit liegt ein Modell im Maß-stab von 1:10 Millionen vor uns(107). Nun kann jeder nach seinemGeschmack Veränderungen vorneh-men. Besonders die Art der Perlenkann weit variiert werden. Als Außen-führung bewähren sich Kupfer-, Mes-sing- oder Silberdraht.

    Die Löt-Ösen bilden die Ebenenab, die in der Natur von jeweils ei-nem Basenpaar strukturiert werden.Bekanntlich gibt es vier Gruppierun-gen, nämlich AT und TA sowie GCund CG. Diese lassen sich schema-tisch nachstellen, indem die Löt-Ösenhälftig lackiert werden, z.B. grün undrot sowie blau und gelb. Auch durch

    Überziehen mit farbigen Isolierhüllenlassen sich die Codierungen nachah-men. Der Phantasie sind keine Gren-zen gesetzt!

    Zu guter Letzt: Nach der Vor-schrift liegen die Lüsterklemmen imfertigen Modell parallel übereinan-der.Wird der obere Lüsterklemmen-block mit Geschick etwas weiter umdie Mittelachse verdreht, bilden sichwie von Geisterhand die großen undkleinen Furchen.

    H.-J. Quadbeck-Seeger,Bad Dürkheim

    B E Z U G SQ U E L L E N |Zweifahnige oder zweipolige Löt-Ösen sind beispielsweise viaInternet bei www.conrad.de oder Vogt-Verbindungstechnik(www.vogtshop.ch) erhältlich. 100 Stück kosten circa 3,– R.

    Auch zwei einpolige Löt-Ösen lassen sich zusammenfügen(kleben, löten). Der Aufwand und die Maßhaltung (eventuellmit Abstandshaltern) sind jedoch deutlich höher.

    Prof. Dr. Quadbeck-Seeger ist Chemiker. Er war Forschungsleiterbei der BASF AG und unter anderem auch Präsident der GDCh (Gesellschaft DeutscherChemiker). In seinem Ruhestand betätigt ersich literarisch und befasst sich gern mit didaktischen Fragen.

    Z U M W E I T E R L E S E N|Eine kleine Auswahl von ChiuZ-Artikeln zum Thema DNA, die einen breitenEinstieg ins Thema und vielleicht Inspiration fürs Bauen liefern können:– Der genetische Code, Heft 6/2007, 448–458– DNA-Chiptechnologie, Heft 3/2005, 188–194– Ladungstransfer durch die DNA, Heft 5/2002, 318–330– PCR-Methode im Unterricht, Heft 3/1998, 143–149– DNA-Analytik, Heft 5/1992, 235–240

    [1] H.-J. Quadbeck-Seeger et al.; Chemie-Rekorde, 2. Auflage 1999, WILEY-VCH,Weinheim.

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    möglich, da nicht genügend Kohlen-stoffatome zur Verfügung stünden.Wiebreit sich Drahtgitter einsetzen lassen,zeigt ein Artikel in der Ausgabe 1/2010von „Biologie in unserer Zeit“, in demder Bau von DNA-Modellen beschrie-ben wird.Auch die Herstellung vonModellen wichtiger biochemischerVerbindungen wird erläutert.

    Als erste „Fingerübungen“ wer-den hier alle Molekülstrukturenabgebildet und zum Nachbau emp-fohlen, die aus zwei Kohlenstoffato-men bestehen. Die Reihe beginntbeim Ethan und seinen Derivatenund reicht über die Essigsäure biszum Dicyan.

    Fazit: Moletomics ist ein neuesKonzept, auf kostengünstige undeinfache Weise Molekülmodelle zubauen. Die notwendigen Gitterdrähtesind in unterschiedlichen Größenkostengünstig erhältlich. Die Modellekönnen sowohl wissenschaftlichenAnforderungen genügen als auch für didaktische Zwecke eingesetztwerden. Ihre Vielseitigkeit macht siezum idealen Lehrmittel, da jederInteressierte seine eigenen Modellebauen und aufbewahren kann. DerBau von Molekülmodellen wird zueinem intellektuellen Spiel, daswenig Aufwand erfordert, das sichjeder leisten kann und das zugleichvon hohem didaktischen Wert ist.

    Der Name Moletomics® wurdeabgeleitet aus „models by molecularstructure and adding atoms“.

    [1] Der Name wurde aus den Worten molecu-lar and atomic structures abgeleitet.

    [2] Der Nobelpreis für Chemie 2009 wurde anV. Ramakrishnan, T. Seitz und E. A. Yonathvergeben. Den Laureaten war die Struktur-Aufklärung der Ribosomen gelungen. Diesebilden wohl das größte molekulare Ensem-ble, bei dem tausende von Atomen einengenau definierten Platz einnehmen.

    [3] Der Holländer Jacobus Henricus van’t Hofferhielt den ersten Nobelpreis für Chemie inWürdigung seiner Arbeiten über chemischeDynamik und die Osmose. Die Idee des Te-traeder-Modells, die auch J. A. Le Bel ge-kommen war, wurde durch die praktischeNutzung gewürdigt.

    [4] H.-J. Quadbeck-Seeger, Biol. Unserer Zeit2008, 3, 150 sowie 2008, 6, 365 und 2009,2, 79; als auch Chem. Unserer Zeit 2008, 4,292; und 2008, 2, 433.

    [5] Watson, J. D. and Crick, F. H.; Nature 1953,171, Nr. 4356, S. 737 – 738.

    [6] J. D. Watson, Die Doppel – Helix, Rohwohlt,1969.

    [7] Beim Kauf der sehr kostengünstigen Armie-rungsgitter für Estrich ist auf gute Qualitätzu achten. Es muss rostfrei sein, und dieKreuzungspunkte müssen gut verschweißtsein. Beim Biegen sind u. U. die Kreuzungs-punkte mit zwei Flachzangen zu fixieren.

    [8] Auf der Homepage des Autors www.quad-beck-seeger.de finden sich eine Reihe vonBeispielen und einige Tricks zur Anregung.

    [9] FIMO ist ein Knetmaterial, das bei 130 °Cfest wird.

    H. – J. Quadbeck-Seeger,Bad Dürkheim

    d. h. die Verbindung löst sich schonvor Zugabe des verwendeten Lö-sungsmittels.

    In der bisher ausführlichstenSerie von Löslichkeitsmessungen anThiotimolin mittels Endochronome-trie kam Asimov zu folgenden Resul-taten [1]: 1. Für ein gegebenes Lö-sungsmittel nähert sich mit zuneh-mendem Lösungsmittelvolumen dernegative Lösungszeitpunkt vonThiotimolin einem Plateauwert(Plateauhöhe), der bei einem für dasLösungsmittel charakteristischenVolumen (Plateauvolumen) erreichtwird. 2. In reinem Wasser ergibt sichfür Thiotimolin bei einem Thiotimo-lin-Wasser-Verhältnis von 1 g mL–1

    eine Plateauhöhe von –1,13 sec beieinem Plateauvolumen von 1,25 mL[8]. 3. Die Plateauhöhe ist charak-teristisch für die Art der in einemLösungsmittel anwesenden Ionen,variiert mit der Ionenstärke derLösung und nicht mit der Zugabeanderer Ionen. 4. Das Plateauvolumenist charakteristisch für die Konzentra-tion der in einem Lösungsmittelanwesenden Ionen und konstant fürunterschiedliche Ionen in Lösungengleicher Ionenstärke, variiert aber mitder Zugabe weiterer Ionenarten.

    Aufgrund fehlender Syntheseme-thoden kann Thiotimolin nur aus der

    ZU M A PR I L

    Thiotimolin – Ein Nanoreview

    Mit seinen drei berühmten Beiträgen über Thiotimolin, die er zwischen1948 und 1960 veröffentlichte, gilt Isaac Asimov [6] als Begründer derChronochemie. Dieser Review gibt einen Überblick über die wichtigstenEigenschaften und die bisher bekannten Verwendungsmöglichkeitender ungewöhnlichen Substanz.

    Eigenschaften von ThiotimolinDie organische Verbindung Thiotimo-lin [1] enthält mindestens 14 Hydro-xy-Gruppen, zwei Amino-Gruppenund eine Sulfonsäure-Gruppe, dieAnwesenheit einer Nitro-Gruppe

    wird vermutet. Unklar ist die Art desKohlenwasserstoffgerüsts, obwohleine aromatische Teilstruktur gesi-chert scheint. Durch wiederholteSublimation gereinigtes Thiotimolinzeigt endochrones Lösungsverhalten,

    Abb. Endochrones Filter zur Gewin-nung von reinem Thiotimolin aus einemRohkristallisat (aus [2]).

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    und F. Crick hatten 1953 [5] ihrberühmtes Modell, das ihnen sechsJahre später den Nobelpreis ein-brachte, ebenfalls aus Draht gebaut.Die Drahtstücke wurden, wie manauf dem Bild deutlich erkennt, mitLüsterklemmen zusammengehalten(Abbildung 1).Watson beschreibteindrucksvoll, wie schwierig die„Bastelei“ war [6].Vielleicht habendie beiden deswegen nicht weiterüber das Konzept des Modellbausnachgedacht, sondern ihr Interesseauf die Funktionen des eigenartigenMoleküls konzentriert.

    Auf der Suche nach weiteren Ver-einfachungen für DNA-Modelle wurdeauch Draht nochmals überprüft. Über-raschenderweise stellten sich quadra-tische Drahtgitter als geradezu idealeAusgangsmaterialien heraus. Diesegibt es preiswert und in großer Aus-wahl vom sogenannten Hasendraht(Kantenlänge k = 1 cm) bis zum Ar-mierungsgitter für Estrich (k = 5 cm)[7]. Für das Biegen von Modellen istdie Festigkeit der Kreuzungspunktevon entscheidender Bedeutung. Daes wowohl bei der Verzinkung alsauch bei der Punktschweißung großeFortschritte gegeben hat, machen dieVerbindungen zwischen den Drähtenpraktisch keine Probleme. Die qua-dratischen Drahtgitter bieten somiteinen neuartigen und vielseitigen Zu-gang zu Molekülstrukturen.

    Mit den Augen eines Chemikerslassen sich quadratische Drahtgitternunmehr ganz anders sehen.Vonjedem Kreuzungspunkt gehen vierStege gleicher Länge aus. Damit wirddas Gitter quasi von virtuellen vier-bindigen Kohlenstoffatomen gebil-det, die auf eine „Befreiung aus demGefängnis der Zweidimensionalität“

    warten. Schneidet man mit einerZange ein Kreuz heraus, lassen sichdie vier Drähte ohne Mühe so bie-gen, dass die Endpunkte eine Pyrami-de mit dreieckiger Grundflächebilden. Der Winkel vom senkrechtenDraht zu den drei übrigen Drähtenbeträgt 109,5°, die ihrerseits mit 120°voneinander getrennt sind. Karton-schablonen mit diesen Winkeln sindhilfreich. Ohne Mühe und Zeitauf-wand ist in kürzester Zeit ein Koh-lenstoffatom entstanden (Abbildung2).Wie bei den Dreiding-Modellenfehlt allerdings die Elektronenhülle,was für die Darstellung des Molekül-skeletts aber eher günstig ist.

    Nun stellt sich die Frage, wie dieAtome miteinander verbundenwerden sollen: Mit Steckhülsen, wieDreiding es tat, oder mit Lüsterklem-men, wie Watson und Crick vorgin-gen? Es gibt einen überraschendendritten Weg, der das Modell-System soattraktiv macht.Warum sollen dieAtome herausgeschnitten werden,um sie anschließend wieder zusam-menzufügen? Das neue Konzeptbesteht darin, zuerst das gesamteSkelett des Moleküls aus dem Draht-gitter herauszuschneiden und dannzurechtzubiegen. Das klingt zunächstverwegen, funktioniert jedoch ausge-zeichnet. Man beginne mit Methan,Harnstoff, Essigsäure (Abbildung 3)und wage sich schließlich an immerkompliziertere Moleküle. Das Gefühlfür die Winkel stellt sich bald ein,sodass die Modelle „freihändig“gebogen werden können. Es istüberraschend, wie problemlos sichz. B. das Molekülgerüst von Vitamin C„biegen“ lässt.

    Zur besseren Anschaulichkeitlassen sich dann – im Gegensatz zu

    den bisherigen Modellen – die Atomenachträglich hinzufügen. Dazu sindKugeln notwendig. EndständigeWasserstoffe können Bastelkugelnoder Kugeln aus Styropor bilden.Auch zweibindige Sauerstoffatomekönnen aus Kugeln gefertigt werden.Eine Herausforderung stellen dieKohlenstoffatome dar. Hier zeigt sichder große Vorteil des Konzeptes.Während bei bisherigen Modellendie Atome die tragende Rolle über-nehmen, sind sie bei Moletomicssozusagen ergänzendes Beiwerk,denn der Draht bildet das tragendeGerüst. Die Kohlenstoffatome lassensich somit aus Knete,Ton (lufttrock-nend) oder FIMO [9] bilden. Es istnur darauf zu achten, dass die Kugelnin etwa die gleiche Größe haben. Fürwissenschaftliche Zwecke lassen sichGröße und Winkel natürlich an diegemessenen realen Werte anpassen.

    Die Auswahl von quadratischenDrahtgittern im Baustoffhandel istgroß. Für das jeweilige Vorhabenfindet sich rasch das passende Mate-rial. Der Autor hat aus einem Zaungit-ter mit einer Maschenweite von 1 cmjeweils zwei Reihen aus 18 Knoten-punkten geschnitten. Daraus ließensich einfach und schnell die cis- undtrans-Ölsäuren biegen (Abbildung 4).Selbst wenn man schon entsprechen-de Formelbilder gesehen hat, über-rascht doch die Unterschiedlichkeitder beiden Moleküle, wenn sie alsModelle nebeneinander liegen. Dannwird es im wahrsten Sinne desWortes augenscheinlich und „begreif-bar“, dass sich die Moleküle biolo-gisch anders verhalten müssen.

    Ein solcher direkter Vergleich vongrößeren Molekülen wäre mit denhandelsüblichen Baukästen nicht

    Die Abbildungenzeigen das neuePrinzip: Zuerstwird die Strukturdes Moleküls er-stellt, und dannwerden die Atomehinzugefügt.

    Abb. 2 Aus ei-nem Kreuzungs-punkt mit vierStegen lässt sichleicht ein Kohlen-stoffatom biegen.Die Atome kön-nen nachträglichhinzugefügtwerden.

    Abb. 3 Für ersteÜbungen eignensich gut kleineMoleküle wieEssigsäure.

    Abb. 4 cis- undtrans-Ölsäure imdirektenVergleich. [alle Fotos: Dr. Claudia Quad-beck-Seeger]

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    der gebogenen Strukturen aus denSechsringen.

    Eine entscheidende Frage schienzu sein, wie man vom quadratischenDrahtgitter zu Sechsringen gelangt.Gerade dieses bereitet keinerleiProbleme. Bei zwei nebeneinanderliegenden Quadraten wird der ge-

    meinsame Mittelsteg miteiner Zange durchtrennt.Werden die gegenüberlie-genden Kreuzungspunkteauseinandergezogen,entsteht ein gleichseitigesSechseck (Abbildung 1).Nach gründlicher Über-legung lassen sich dannquasi Schnittmuster erstel-len (Abbildung 2).

    Für das C60-Fullerensind je nach Methode zweioder drei Teile getrennt zufertigen. Diese werdendann je nach Material zu-sammengeklebt oder gelö-tet. Das Löten erfolgt ein-fach durch kurzes Erhitzender Drahtstücke mit derFlamme eines Sturmfeuer-zeuges unter Berührungmit Lötdraht.

    Um zum kugelförmigenMolekül zu gelangen, wer-den bei der Strategie Azunächst zwei gleiche Hälf-ten (Abbildung 2) angefer-tigt, die dann zusammenge-fügt werden. Die StrategieB besteht darin, einen Mit-telring aus 10 Sechseckenzu bilden.Von oben undunten werden zwei gleich-artige „Deckel“ in Gestaltdes Coronens eingepasst.Diese „Deckel“ bestehenaus einem zentralen Fünf-eck und fünf anliegendenSechsecken (Abbildungen3 und 5). Diese beidenKonzepte sind ihrerseitssehr variabel.

    Da die quadratischenDrahtgitter in unterschied-lichen Größen erhältlichsind, fallen die Fullereneebenfalls mit unterschiedli-

    ZU R W M : M O L E K U L A R E F U ß B Ä L L E

    Modelle für C60-FullerenEine besondere Herausforderung für den Molekülbau stellt das prominente C60-Fulleren [4]dar. Dieses „Fußball-Molekül“, das wohl jeder schon als Abbildung gesehen hat, entsprichtgenau der Struktur des „runden Leders“, das die Menschen derzeit wieder weltweit sofasziniert.

    Es galt zu klären, ob sichdiese geometrische Strukturnach dem Moletomics-Kon-zept (s. Infokasten) bauenlässt. Der traditionelle Fuß-ball wird aus Lederstückenzusammengenäht. Nötigsind 12 Fünfecke und 20 Sechsecke mit gleicherKantenlänge. Es gibt eineReihe von Vorschlägen fürden Bau von Modellen ausPappe oder auch aus Kunst-stoffteilen.

    Für das Moletomics-Kon-zept auf Basis von quadrati-schen Drahtgittern führenüberraschenderweise sogarzwei Wege zum Ziel. DasMolekül lässt sich entwederaus zwei oder drei Teilen zu-sammenbauen. Beide Wegeberuhen darauf, dass die 20 Sechsringe zusammen-hängen. Die isoliert gelege-nen 12 Fünfringe ergebensich durch das Verbinden

    BAU VO N M O D E L L E N |Bei der Entwicklung von Modellen für die Doppel-helix der DNA [1,2] zeigten quadratische Drahtgit-ter besonders günstige Eigenschaften. Dieseswohlfeile Material (aus Baumärkten und Garten-centern) erwies sich auch beim Bau von einfachenMolekülen als überraschend vielseitig [3]. Demliegt allerdings ein Paradigmenwechsel zugrunde.Es wird nicht, wie üblich, von Atomen als Baustei-ne ausgegangen. Vielmehr werden zunächst dieStrukturen der Moleküle erstellt, die Atomewerden dann anschließend ergänzt. Diese Metho-de wurde Moletomics™ genannt. Diese Modellekönnen den Chemie-Unterricht anschaulich ge-stalten. Molekulare Ähnlichkeiten, Änderungenund Umwandlungen lassen sich eindrucksvolldemonstrieren. Jeder Student oder Schüler kannmit seinen eigenen Molekülen „experimentieren“.

    T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

    Abb. 1 Vom Quadratgitter zum Sechseck

    Abb. 2 Schnittmuster für 1/2 C 60

    Abb. 3 Schnittmuster das C20-Mittelstück

    Abb. 4 Zwei Schnittmuster für Kronen

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    der gebogenen Strukturen aus denSechsringen.

    Eine entscheidende Frage schienzu sein, wie man vom quadratischenDrahtgitter zu Sechsringen gelangt.Gerade dieses bereitet keinerleiProbleme. Bei zwei nebeneinanderliegenden Quadraten wird der ge-

    meinsame Mittelsteg miteiner Zange durchtrennt.Werden die gegenüberlie-genden Kreuzungspunkteauseinandergezogen,entsteht ein gleichseitigesSechseck (Abbildung 1).Nach gründlicher Über-legung lassen sich dannquasi Schnittmuster erstel-len (Abbildung 2).

    Für das C60-Fullerensind je nach Methode zweioder drei Teile getrennt zufertigen. Diese werdendann je nach Material zu-sammengeklebt oder gelö-tet. Das Löten erfolgt ein-fach durch kurzes Erhitzender Drahtstücke mit derFlamme eines Sturmfeuer-zeuges unter Berührungmit Lötdraht.

    Um zum kugelförmigenMolekül zu gelangen, wer-den bei der Strategie Azunächst zwei gleiche Hälf-ten (Abbildung 2) angefer-tigt, die dann zusammenge-fügt werden. Die StrategieB besteht darin, einen Mit-telring aus 10 Sechseckenzu bilden.Von oben undunten werden zwei gleich-artige „Deckel“ in Gestaltdes Coronens eingepasst.Diese „Deckel“ bestehenaus einem zentralen Fünf-eck und fünf anliegendenSechsecken (Abbildungen3 und 5). Diese beidenKonzepte sind ihrerseitssehr variabel.

    Da die quadratischenDrahtgitter in unterschied-lichen Größen erhältlichsind, fallen die Fullereneebenfalls mit unterschiedli-

    ZU R W M : M O L E K U L A R E F U ß B Ä L L E

    Modelle für C60-FullerenEine besondere Herausforderung für den Molekülbau stellt das prominente C60-Fulleren [4]dar. Dieses „Fußball-Molekül“, das wohl jeder schon als Abbildung gesehen hat, entsprichtgenau der Struktur des „runden Leders“, das die Menschen derzeit wieder weltweit sofasziniert.

    Es galt zu klären, ob sichdiese geometrische Strukturnach dem Moletomics-Kon-zept (s. Infokasten) bauenlässt. Der traditionelle Fuß-ball wird aus Lederstückenzusammengenäht. Nötigsind 12 Fünfecke und 20 Sechsecke mit gleicherKantenlänge. Es gibt eineReihe von Vorschlägen fürden Bau von Modellen ausPappe oder auch aus Kunst-stoffteilen.

    Für das Moletomics-Kon-zept auf Basis von quadrati-schen Drahtgittern führenüberraschenderweise sogarzwei Wege zum Ziel. DasMolekül lässt sich entwederaus zwei oder drei Teilen zu-sammenbauen. Beide Wegeberuhen darauf, dass die 20 Sechsringe zusammen-hängen. Die isoliert gelege-nen 12 Fünfringe ergebensich durch das Verbinden

    BAU VO N M O D E L L E N |Bei der Entwicklung von Modellen für die Doppel-helix der DNA [1,2] zeigten quadratische Drahtgit-ter besonders günstige Eigenschaften. Dieseswohlfeile Material (aus Baumärkten und Garten-centern) erwies sich auch beim Bau von einfachenMolekülen als überraschend vielseitig [3]. Demliegt allerdings ein Paradigmenwechsel zugrunde.Es wird nicht, wie üblich, von Atomen als Baustei-ne ausgegangen. Vielmehr werden zunächst dieStrukturen der Moleküle erstellt, die Atomewerden dann anschließend ergänzt. Diese Metho-de wurde Moletomics™ genannt. Diese Modellekönnen den Chemie-Unterricht anschaulich ge-stalten. Molekulare Ähnlichkeiten, Änderungenund Umwandlungen lassen sich eindrucksvolldemonstrieren. Jeder Student oder Schüler kannmit seinen eigenen Molekülen „experimentieren“.

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    Abb. 1 Vom Quadratgitter zum Sechseck

    Abb. 2 Schnittmuster für 1/2 C 60

    Abb. 3 Schnittmuster das C20-Mittelstück

    Abb. 4 Zwei Schnittmuster für Kronen

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    Es galt zu klären, ob sich diese geometrische Struktur nach dem Mole- tomics-Konzept (s. Info-kasten) bauen lässt. Der traditionelle Fußball wird aus Lederstücken zusam-mengenäht. Nötig sind 12 Fünfecke und 20 Sechsecke mit gleicher Kantenlänge. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen für den Bau von Modellen aus Pappe oder auch aus Kunststoff-teilen.

    Für das Moletomics-Konzept auf Basis von quadratischen Drahtgittern führen überraschenderwei-se sogar zwei Wege zum Ziel. Das Molekül lässt sich entweder aus zwei oder drei Teilen zusammenbau-en. Beide Wege beruhen darauf, dass die 20 Sechs-ringe zusammenhängen. Die isoliert gelegenen 12 Fünfringe ergeben sich durch das Verbinden der gebogenen Strukturen aus den Sechsringen.

    Eine entscheidende Frage schien zu sein, wie man vom quadratischen Drahtgitter zu Sechsringen gelangt. Gerade dieses bereitet keinerlei Probleme. Bei zwei nebeneinander liegenden Quadraten wird der gemeinsame Mittelsteg mit einer Zange durch-trennt. Werden die gegen- überliegenden Kreuzungs-punkte auseinandergezo-gen, entsteht ein gleichsei-tiges Sechseck (Abbildung 1). Nach gründlicher Überlegung lassen sich

    Zur wM: M o le KulAre FuSSbÄlle

    Modelle für c60-FullerenEine besondere Herausforderung für den Molekülbau stellt das prominente C60-Fulleren [4] dar. Dieses „Fußball-Molekül“, das wohl jeder schon als Abbildung gesehen hat, entspricht genau der Struktur des „runden Leders“, das die Menschen derzeit wieder weltweit so fasziniert.

    dann quasi Schnittmuster erstellen (Abbildung 2).

    Für das C60

    -Fulleren sind je nach Methode zwei oder drei Teile ge- trennt zu fertigen. Diese werden dann je nach Material zusammenge-klebt oder gelötet. Das Löten erfolgt einfach durch kurzes Erhitzen der Drahtstücke mit der Flamme eines

    Sturmfeuerzeuges unter Berührung mit Lötdraht.

    Um zum kugelförmigen Molekül zu gelangen, wer-den bei der Strategie A zu-nächst zwei gleiche Hälften (Abbildung 2) angefertigt, die dann zusammengefügt werden. Die Strategie B besteht darin, einen Mittel-ring aus 10 Sechsecken zu bilden.Von oben und unten werden zwei gleichartige „Deckel“ in Gestalt des Coronens eingepasst. Diese „Deckel“ bestehen aus einem zentralen Fünfeck und fünf anliegenden Sechsecken (Abbildungen 3 und 5). Diese beiden Kon-zepte sind ihrerseits sehr variabel.

    Da die quadratischen Drahtgitter in unterschied-lichen Größen erhältlich sind, fallen die Fullerene ebenfalls mit unterschiedli-

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    Gutes räumliches Vorstellungsver-mögen ist eine Gabe, die nur wenigebesitzen. Deshalb lässt sich nachvoll-ziehen, dass über den Bau von Mo-dellen nachgedacht wurde. Insbeson-dere verfeinerten sich die Vorstellun-gen von den Molekülen, so dass diealten Modelle nicht mehr ausreich-ten. 1934 stellte der deutsche Physi-ker Herbert A. Stuart seine heutenoch beliebten Kalotten-Modelle vor,die zunächst aus Holzkugeln undDruckknöpfen bestanden. Diesewurden 1950 von G. Briegleb verbes-sert. R. B. Corey, L. Pauling und W. L.Koltun passten die Modelle ihrengehobenen Ansprüchen weiter an(CPK-Modelle und -Farben). MitKunststoffen und deren Verarbeitungdurch Spritzguss wurden die Modelleerschwinglich und fanden auch inder Didaktik weite Verbreitung. 1958entwickelte schließlich der Schwei-zer Chemiker André Dreiding dienach ihm benannten Modelle. DieAtome werden mit ihren Bindungenwinkel- und abstandsgenau ausdünnen Stahlstangen hergestellt.Über Hülsen können dann die Mole-küle zusammengesteckt werden.Dabei wird auf die Raumerfüllungverzichtet, dafür wird das Skelett desMoleküls sichtbar.

    In den sechziger und siebzigerJahren liefen dann zwei Entwicklun-gen parallel. Die fortgeschritteneTechnologie des Spritzgusses vonKunststoffen erlaubte es, beliebigeFormen kostengünstig herzustellen.So entstand eine Reihe von Modell-sätzen aus Kügelchen und Stäbchen,

    die sich entsprechend zusammenfü-gen lassen. Einige solcher Molekül-Baukästen sind immer noch auf demMarkt. Bei allen Bausätzen ist dieAnzahl der Atome begrenzt, undeinen weiteren Nachteil bilden diefixierten Bindungswinkel.

    Die andere Entwicklungslinieentstand aus Fragestellungen derNMR-Spektroskopie. Diese lieferteStrukturinformationen von vorherunvorstellbarer Präzision. Das Glei-che galt für die Röntgenstrukturana-lyse, die durch den Computer immerleistungsfähiger wurde. So lag es fürdie Chemiker nahe, den Computerauch zu nutzen, um dreidimensionaleAbbildungen von Molekülen zuerstellen. Die Chemie wurde zumImpulsgeber für das, was man heute3D-Animation nennt. Inzwischen hatdie Unterhaltungsindustrie längst dieFührungsrolle übernommen, und dieChemie profitiert ihrerseits von denentwickelten Programmen. Das hatdazu geführt, dass der Bau vonMolekül-Modellen in den Hinter-grund rückte. Der Computer liefertunübertroffene Bilder und Simulatio-nen.Allerdings bleiben die Molekülevirtuell.

    Um Interesse bei jungen Men-schen zu wecken, ist der Bau vonrealen Modellen jedoch nicht zuunterschätzen. Eigenhändig einEmantiomeren-Paar, die Aminosäurenoder gar ein DNA-Modell zu gestal-ten, kann zu einem besonderenErlebnis werden. Jedoch sollten zweiwichtige Randbedingungen eingehal-ten werden:1. Die Modelle müssen erschwinglich

    bleiben.2. Der Bau darf nicht zu kompliziert

    und zeitaufwändig sein.

    Quadratische Drahtgitter – ein ideales MaterialBei den Versuchen des Autors, einkostengünstiges DNA-Modell zuentwickeln, wurde neben vielenanderen Materialien zunächst auchmit Draht experimentiert. Das erwiessich als sehr aufwendig, weshalbzunächst auf andere Materialienzurückgegriffen wurde [4]. J.Watson

    M O L E TO M I C S ®- M O D E L L E [ 1 ]

    Ein neuartiges Konzept zum Bau von Molekül-Modellen

    Die räumliche Struktur von Molekülen war und ist zunehmend wieder – insbesonderedurch die Molekularbiologie [2] – eine große Herausforderung für die chemische For-schung. Im 19. Jahrhundert fehlten den Chemikern schlicht die Methoden, um direkteEinblicke in die Formenvielfalt der molekularen Strukturen zu gewinnen. Die berühmteGeschichte vom Tagtraum Kekulés, in dem er sechs im Kreise tanzende Affen die Struktureines Benzolkernes bilden sah, belegt: man war auf Phantasie und Intuition angewiesen.Heute besteht die Herausforderung darin, für bekannte Strukturen adäquate Modelle zu erstellen.

    1874 führte van’t Hoff [3] das Tetra-eder-Modell ein. Es bestand zunächstnur aus Pappe, war aber für dieKonfiguration der Kohlenstoffverbin-dungen sehr anschaulich. So konntedas Phänomen der optischen Aktivi-tät mancher Substanzen überzeugenderklärt werden. 1894 wies EmilFischer mit seiner berühmten Schlüs-sel-Schloss-Metapher auf die großeBedeutung der räumlichen molekula-ren Passgenauigkeit in den Lebens-prozessen hin. Seine Hypothese fandeine überwältigende Bestätigung.Noch heute nutzt die Wirkstoff-Forschung diese bildhafte Vorstel-lung.

    Abb. 1 Watson und Crick verwendeten Lüsterklemmen, um die Atome aus Draht zu verbinden (s. rote Markierungen).

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    chem Durchmesser an. Solassen sich kleinere Kugelnin größeren unterbringen,was sehr verblüffend aus-sieht.Als Faustregel gilt: DerDurchmesser der Kugel ent-spricht etwa dem Fünffa-chen der Kantenlänge desQuadrates des Gitter-elementes.

    Eine ansprechende Vari-ante ergibt sich aus der Tat-sache, dass die 60 Kohlen-stoff-Atome im Fulleren inder sp2-Form vorliegen. Diequadratischen Gitter bietenjedoch den Kohlenstoff imsp3-Status an. Die überzähli-ge „Valenz“, die beim Her-ausschneiden erhalten wer-den muss, kann genutztwerden, um Kugeln oderPerlen zu befestigen. Das istchemisch nicht ganz kor-rekt, da die „C-Atome“ aufder Kugel befestigt sind. DieSchnittmuster sind zwar et-was komplizierter, dafür se-hen die Modelle aber an-sprechend aus.Außerdemhalten die Stege, die durchdie Perlen gehen, das Mo-lekül zusammen. Klebenoder Löten entfallen.

    Beim Bau der Modellewird ersichtlich, dass sichdie 12 Fünfringe aus der An-ordnung der 20 Sechsringeergeben. Sie müssen also garnicht konzipiert werden.Warum sollte dann nichtgleich vom Sechseck-Ge-flecht (sog. Hasendraht) aus-gegangen werden? Zunächstmuss der Draht in die richti-ge Form gebracht werden,denn in der Regel sind dieSechsringe verzerrt. Dann er-weist sich jedoch das Draht-gitter als besonders geeig-net. Nach beiden vorgestell-ten Varianten lassen sich mitverhältnismäßig geringemAufwand C60-Fullerene er-stellen.Allerdings fehlen dieStege zum Anbringen von

    Kugeln oder Perlen. DasErgebnis sind die „nackten“Molekülgerüste. Zum Bauaus einem Stück siehe [5].

    Erwähnt sei noch, dasssich aus dem quadratischenGitter problemlos ein Mo-dell für Graphit bilden lässt.Auf die überzähligen Stre-ben werden Styropor-Ku-geln oder Perlen gesteckt.Die hexagonale Wabenstruk-tur gibt die Strukturmerk-male von Graphit eindrucks-voll wieder.Aus dem Sechs-eck-Geflecht lassen sich re-lativ einfach Modelle für C36oder die Nanoröhren her-stellen [5].

    ZusammenfassungDie Herstellung von Model-len für C60-Fullerene warbisher keine triviale Aufga-be. Mit quadratischen Draht-gittern und Sechseckge-flechten lassen sich ein-drucksvolle Modelle mitgeringem finanziellen Auf-wand herstellen. Der didak-tische Wert besteht nebender Herausforderung an Auf-merksamkeit und Geduldvor allem in der Einübungräumlichen Vorstellungsver-mögens. Fußball-Freundekönnen sich ihre C60-Fulle-rene in beliebigen Größenanfertigen. Die Modelle ausDrahtgittern lassen sich mitFarblacken in den gewün-schten Farben gestalten.

    Literatur [1] Quadbeck-Seeger, H.-J., Biol.

    Unserer Zeit 2008, 3, 150 sowie2008, 6, 365 und 2009, 2, 79.

    [2] Quadbeck-Seeger, H.-J., Chem.Unserer Zeit 2008, 4, 292; und2008, 2, 433.

    [3] Quadbeck-Seeger, H.-J., Chem.Unserer Zeit 2010, 2, 154

    [4] C60-Fulleren wurde 1985 von R. Curl, H. Kroto und R. Smalleyentdeckt, die 1996 dafür denNobelpreis erhielten.

    [5] Informationen und Bilderwww.quadbeck-seeger.de

    Abb. 5 Mittelstück und eine Krone

    Abb. 6 „Buckyballs“ in schwarz, rot, gelb

    Abb. 7 C 60 aus zwei Teilen (rot/grün)

    Abb. 8 Graphit-Modell aus quadr. Gitterdraht

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    und F. Crick hatten 1953 [5] ihrberühmtes Modell, das ihnen sechsJahre später den Nobelpreis ein-brachte, ebenfalls aus Draht gebaut.Die Drahtstücke wurden, wie manauf dem Bild deutlich erkennt, mitLüsterklemmen zusammengehalten(Abbildung 1).Watson beschreibteindrucksvoll, wie schwierig die„Bastelei“ war [6].Vielleicht habendie beiden deswegen nicht weiterüber das Konzept des Modellbausnachgedacht, sondern ihr Interesseauf die Funktionen des eigenartigenMoleküls konzentriert.

    Auf der Suche nach weiteren Ver-einfachungen für DNA-Modelle wurdeauch Draht nochmals überprüft. Über-raschenderweise stellten sich quadra-tische Drahtgitter als geradezu idealeAusgangsmaterialien heraus. Diesegibt es preiswert und in großer Aus-wahl vom sogenannten Hasendraht(Kantenlänge k = 1 cm) bis zum Ar-mierungsgitter für Estrich (k = 5 cm)[7]. Für das Biegen von Modellen istdie Festigkeit der Kreuzungspunktevon entscheidender Bedeutung. Daes wowohl bei der Verzinkung alsauch bei der Punktschweißung großeFortschritte gegeben hat, machen dieVerbindungen zwischen den Drähtenpraktisch keine Probleme. Die qua-dratischen Drahtgitter bieten somiteinen neuartigen und vielseitigen Zu-gang zu Molekülstrukturen.

    Mit den Augen eines Chemikerslassen sich quadratische Drahtgitternunmehr ganz anders sehen.Vonjedem Kreuzungspunkt gehen vierStege gleicher Länge aus. Damit wirddas Gitter quasi von virtuellen vier-bindigen Kohlenstoffatomen gebil-det, die auf eine „Befreiung aus demGefängnis der Zweidimensionalität“

    warten. Schneidet man mit einerZange ein Kreuz heraus, lassen sichdie vier Drähte ohne Mühe so bie-gen, dass die Endpunkte eine Pyrami-de mit dreieckiger Grundflächebilden. Der Winkel vom senkrechtenDraht zu den drei übrigen Drähtenbeträgt 109,5°, die ihrerseits mit 120°voneinander getrennt sind. Karton-schablonen mit diesen Winkeln sindhilfreich. Ohne Mühe und Zeitauf-wand ist in kürzester Zeit ein Koh-lenstoffatom entstanden (Abbildung2).Wie bei den Dreiding-Modellenfehlt allerdings die Elektronenhülle,was für die Darstellung des Molekül-skeletts aber eher günstig ist.

    Nun stellt sich die Frage, wie dieAtome miteinander verbundenwerden sollen: Mit Steckhülsen, wieDreiding es tat, oder mit Lüsterklem-men, wie Watson und Crick vorgin-gen? Es gibt einen überraschendendritten Weg, der das Modell-System soattraktiv macht.Warum sollen dieAtome herausgeschnitten werden,um sie anschließend wieder zusam-menzufügen? Das neue Konzeptbesteht darin, zuerst das gesamteSkelett des Moleküls aus dem Draht-gitter herauszuschneiden und dannzurechtzubiegen. Das klingt zunächstverwegen, funktioniert jedoch ausge-zeichnet. Man beginne mit Methan,Harnstoff, Essigsäure (Abbildung 3)und wage sich schließlich an immerkompliziertere Moleküle. Das Gefühlfür die Winkel stellt sich bald ein,sodass die Modelle „freihändig“gebogen werden können. Es istüberraschend, wie problemlos sichz. B. das Molekülgerüst von Vitamin C„biegen“ lässt.

    Zur besseren Anschaulichkeitlassen sich dann – im Gegensatz zu

    den bisherigen Modellen – die Atomenachträglich hinzufügen. Dazu sindKugeln notwendig. EndständigeWasserstoffe können Bastelkugelnoder Kugeln aus Styropor bilden.Auch zweibindige Sauerstoffatomekönnen aus Kugeln gefertigt werden.Eine Herausforderung stellen dieKohlenstoffatome dar. Hier zeigt sichder große Vorteil des Konzeptes.Während bei bisherigen Modellendie Atome die tragende Rolle über-nehmen, sind sie bei Moletomicssozusagen ergänzendes Beiwerk,denn der Draht bildet das tragendeGerüst. Die Kohlenstoffatome lassensich somit aus Knete,Ton (lufttrock-nend) oder FIMO [9] bilden. Es istnur darauf zu achten, dass die Kugelnin etwa die gleiche Größe haben. Fürwissenschaftliche Zwecke lassen sichGröße und Winkel natürlich an diegemessenen realen Werte anpassen.

    Die Auswahl von quadratischenDrahtgittern im Baustoffhandel istgroß. Für das jeweilige Vorhabenfindet sich rasch das passende Mate-rial. Der Autor hat aus einem Zaungit-ter mit einer Maschenweite von 1 cmjeweils zwei Reihen aus 18 Knoten-punkten geschnitten. Daraus ließensich einfach und schnell die cis- undtrans-Ölsäuren biegen (Abbildung 4).Selbst wenn man schon entsprechen-de Formelbilder gesehen hat, über-rascht doch die Unterschiedlichkeitder beiden Moleküle, wenn sie alsModelle nebeneinander liegen. Dannwird es im wahrsten Sinne desWortes augenscheinlich und „begreif-bar“, dass sich die Moleküle biolo-gisch anders verhalten müssen.

    Ein solcher direkter Vergleich vongrößeren Molekülen wäre mit denhandelsüblichen Baukästen nicht

    Die Abbildungenzeigen das neuePrinzip: Zuerstwird die Strukturdes Moleküls er-stellt, und dannwerden die Atomehinzugefügt.

    Abb. 2 Aus ei-nem Kreuzungs-punkt mit vierStegen lässt sichleicht ein Kohlen-stoffatom biegen.Die Atome kön-nen nachträglichhinzugefügtwerden.

    Abb. 3 Für ersteÜbungen eignensich gut kleineMoleküle wieEssigsäure.

    Abb. 4 cis- undtrans-Ölsäure imdirektenVergleich. [alle Fotos: Dr. Claudia Quad-beck-Seeger]

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    gelötet werden. Als Zwischenhalte-rung hat sich ein Batzen Knetgummi für die ersten zwei bis drei Lötungen bewährt. Dann hält das Gitter fest genug für die weiteren Lötstellen. Der traditionelle Lötkolben erwies sich als zu umständlich.Komfortabler ist die kleine spitze Flamme von Sturmfeuer-zeugen oder von Flambier-Brennern.

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    vier Valenzen behalten. Die randstän-digen, überflüssigen Drahtstücke wer-den am Schluss abgeschnitten.

    Zunächst müssen die Sechseckegebildet werden. Das ist, wie beschrie-ben [2], recht einfach. Jetzt aber folgtein wichtiger Hinweis. Der Mittelstegzwischen den angrenzenden Quadra-ten muss nach einem durchgängigenMuster durchtrennt werde, also in derersten Reihe jeweils oben. Der loseSteg wird später senkrecht nach obengebogen. In der zweiten, versetztenReihe wieder oben schneiden undnach oben biegen.Auf diese Weiseentstehen die Ebenen aus Sechsecken,bei denen jeweils in meta-Position die Stege nach oben weisen. Diezweite, dritte und weitere Ebenenwerden auf die gleiche Weise her-gestellt.

    Bevor mit dem Löten begonnenwird, ist noch eine wichtige Frage zuklären.Wir wissen aus den Lehr-büchern, dass das Diamant-Gitter auslauter Cyclohexan-Ringen in der Ses-sel-Form besteht. Ehrlich gesagt, dasexakte Biegen in die Sesselform istsehr, sehr mühsam.Also wurde ver-sucht, auf dieses Detail weitgehendzu verzichten. Zur großen Überra-schung lässt sich das Gitter auch oh-ne diese Feinheit herstellen.Ansatz-weise ergeben sich beim Zusammen-löten angedeutete Strukturen in dieseRichtung (Abbildung 4). Die intellek-tuelle Redlichkeit verlangt jedoch,darauf hinzuweisen, dass es sich umein Modell und keine Nachbildunghandelt. Die eindrucksvolle Schön-heit, die vielfältigen Durchblicke unddie überraschende Festigkeit zeugendennoch von der Einmaligkeit dieserStruktur.

    Noch ein Wort zum Löten. Zu-nächst ein struktureller Hinweis: DieEbenen müssen versetzt zusammen-gelötet werden.Als Zwischenhalte-rung hat sich ein Batzen Knetgummifür die ersten zwei bis drei Lötungenbewährt. Dann hält das Gitter fest ge-nug für die weiteren Lötstellen. Dertraditionelle Lötkolben erwies sich alszu umständlich. Komfortabler ist diekleine spitze Flamme von Sturmfeuer-zeugen oder von Flambier-Brennern.

    M O D E L L E

    Das Diamant-Gitter, Kristallstrukturen undMolekül-ModelleDie Bemühungen, kostengünstige Molekül-Modellefür Schule und Studium zu entwerfen, haben zu un-gewöhnlichen Ergebnissen geführt [1]. Das Ziel isteinfach und klar: Junge Menschen sollen sich eigeneModelle bauen können, die das räumliche Vorstel-lungsvermögen fördern und fordern. Die Wege vonden anfänglichen DNA-Modellen zu einer Reihe voninteressanten, jedermann zugänglichen Konzeptenverliefen – und das ist charakteristisch für Inno-vationen – alles andere als geradlinig.

    In dem vorgängigen Artikel [2] wurdedas Moletomics-™-Konzept vorge-stellt. Dieses begann mit dem Para-digmenwechsel, den üblichen Auf-bauweg zum Molekül von Atom zuAtom zu verlassen. Stattdessen wurdezunächst das „Skelett“ des Molekülserstellt und die Atome nachträglichhinzugefügt. Dabei erwiesen sich qua-dratische Drahtgitter als günstige Aus-gangsmaterialien. In den Knotenpunk-ten sitzt quasi jeweils ein Kohlenstoff-atom gefangen in den zwei Ebenenund wartet auf die Befreiung in denRaum. Für Systeme mit Sechseckenerwies sich auch der sechseckige Git-terdraht (sog. Kaninchen-Draht) alshilfreich. Es konnte gezeigt werden,wie selbst das schwierige C60-Fulle-ren relativ einfach als Modell gebautwerden kann.Auch für die Strukturdes Graphits aus quadratischem Git-terdraht wurde ein Beispiel gezeigt.

    Das weckte den Wunsch, die „Kö-nigsstruktur“ des Diamanten aufzu-bauen (Abbildungen 1 und 2). Nach-dem der Weg von den quadratischenGittern zu Sechsecken schon be-schritten worden war, musste diesernur konsequent weiterverfolgt wer-den.Auch hier bestand der Trick dar-in, große Teilbereiche in einem Stückzu fertigen, nämlich die Ebenen inder gewünschten Größe. Damit dasModell nicht zu mickerig aussieht, be-ginne man mit einem nicht zu kleinen

    T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

    Abb. 1 Ein Brillant ist ein geschliffenerDiamant.

    Abb. 2 Das Diamant-Gitter.

    Abb. 3 Die erste Ebene des Diamant-Gitters.

    Abb. 4 Diamant-Gitter mit 6 Ebenen.

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    Drahtstück (z.B. 7 x 6 Reihen (Abbil-dung 3)). Dabei ist so zu schneiden,dass alle „Kohlenstoff-Atome“ ihre

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    vier Valenzen behalten. Die randstän-digen, überflüssigen Drahtstücke wer-den am Schluss abgeschnitten.

    Zunächst müssen die Sechseckegebildet werden. Das ist, wie beschrie-ben [2], recht einfach. Jetzt aber folgtein wichtiger Hinweis. Der Mittelstegzwischen den angrenzenden Quadra-ten muss nach einem durchgängigenMuster durchtrennt werde, also in derersten Reihe jeweils oben. Der loseSteg wird später senkrecht nach obengebogen. In der zweiten, versetztenReihe wieder oben schneiden undnach oben biegen.Auf diese Weiseentstehen die Ebenen aus Sechsecken,bei denen jeweils in meta-Position die Stege nach oben weisen. Diezweite, dritte und weitere Ebenenwerden auf die gleiche Weise her-gestellt.

    Bevor mit dem Löten begonnenwird, ist noch eine wichtige Frage zuklären.Wir wissen aus den Lehr-büchern, dass das Diamant-Gitter auslauter Cyclohexan-Ringen in der Ses-sel-Form besteht. Ehrlich gesagt, dasexakte Biegen in die Sesselform istsehr, sehr mühsam.Also wurde ver-sucht, auf dieses Detail weitgehendzu verzichten. Zur großen Überra-schung lässt sich das Gitter auch oh-ne diese Feinheit herstellen.Ansatz-weise ergeben sich beim Zusammen-löten angedeutete Strukturen in dieseRichtung (Abbildung 4). Die intellek-tuelle Redlichkeit verlangt jedoch,darauf hinzuweisen, dass es sich umein Modell und keine Nachbildunghandelt. Die eindrucksvolle Schön-heit, die vielfältigen Durchblicke unddie überraschende Festigkeit zeugendennoch von der Einmaligkeit dieserStruktur.

    Noch ein Wort zum Löten. Zu-nächst ein struktureller Hinweis: DieEbenen müssen versetzt zusammen-gelötet werden.Als Zwischenhalte-rung hat sich ein Batzen Knetgummifür die ersten zwei bis drei Lö