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Leben ist in seiner Entstehung und
Funktion zellulär organisiert.
Gene sind Teil eines komplexen
Systems von Regulation, der
Informationsspeicherung und
Kommunikation, die durch die
Zelle organisiert werden.
Unser biologisches Verständnis ist
zu sehr auf die Ebene der DNA
fokussiert.
Die Zelle als Grundlage der Züchtung
Grafik: http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/1999/press.html, Günter Blobel.
Züchtung: Nutzung des Systems der Zelle
Bei der Kreuzung werden vorhandene genetischen Veranlagungen
neu kombiniert, aber Grundlage ist eine geordnete Genomverteilung.
Mutationen oder horizontaler Gen-Transfer stellen die natürlichen
Regelmechanismen der Zellen und Organismen nicht grundsätzlich
infrage. Beispielsweise werden in vielen Fällen die genetischen
Veränderungen durch die Zelle inaktiviert.
Zwar können auch durch Züchtung von Fall zu Fall Pflanzen mit
zweifelhaften Eigenschaften entstehen. Dies liegt aber nicht an den
Verfahren, sondern viel eher an den Züchtungszielen.
Treten Zweifel an der Sicherheit auf, müssen bestimmte Produkte /
Pflanzen untersucht werden.
Gentechnik: Eingriff ins Erbgut
Die Gentechnik behandelt Pflanzen (deren Zellen) nicht als „selbst
regulierendes System“. Vielmehr wird direkt auf der Ebene des
Genoms eingegriffen und eine Veränderung der Struktur der DNA
mit technischen Mitteln erzwungen.
Alle Pflanzen, die mit diesen Verfahren hergestellt werden, müssen
eine Zulassungs- / Risikoprüfung durchlaufen.
Grundlagen der synthetischen Gentechnik
DNA-Analyse und DNA-Synthese gehen Hand in Hand. Quelle: US PRESIDENTIAL COMMISSION FOR THE STUDY OF BIOETHICAL ISSUES
Gen-Editing - Synthetische Gentechnik
> Synthese von DNA-und RNA-Sequenzen mit und ohne
natürliches Vorbild
> Veränderung der DNA duch Nukleasen, die bestimmte Zielorte im
Erbgut erkennen können. Dabei können natürliche Gene zerstört
(knockout) und / oder neue DNA Sequenzen eingefügt werden
(knockin). Dabei sind auch multiple Veränderungen des Erbguts
möglich (seriell, parallel).
> Veränderungen der Struktur des Genoms durch Oligonukleotide.
> Gene Silencing / Veränderung der Gen-Exprimierung.
> Veränderung der Vererbungshäufigkeit durch Gene Drives.
DNA-Scheren: CRISPR/Cas(Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats)
Adoption: Testbiotech
Oligonukleotide
Abbildung: Modell der Wirkungsweise von Oligonukleotiden: 1. Oligonukleotid wird in Zelle eingeschleust 2. Oligonukleotid setzt sich an entsprechende Stelle im Genom 3. Abweichung vom Genom löst zelleigenen Reparaturmechanismus aus. 4. Oligonukleotid löst sich auf. 5. Abweichung vom Genom im oberen Strang wird entsprechend ersetzt. 6. Gewünschte Punkt-Mutation wurde ins Genom eingebaut. Quelle: http://www.keine-gentechnik.de/dossiers/neue_technologien.html
Anwendungsbereiche
→ Nutzpflanzen
→ Wildpflanzen
→ Bäume
→ Versuchstiere
→ Tiere zur Lebensmittelgewinnung
→ Insekten
→ Wildtiere
→ Menschliche Embryonen
Umbau des menschlichen Erbguts
„The same technique would work for the Neanderthal, except that
you’d start with a stem cell genome from a human adult and
gradually reverse-engineer it into the Neanderthal genome or a
reasonable close equivalent.“
Church & Regis, 2012
Akteure & Patentanträge auf neue Gentechnikverfahren
Number of WO patent applications registered at the World Intellectual Property Organisation (WIPO) between 2010 and 2015
Patentanträge auf Nutztiere / Firma Recombinetics
Synthetic gene technologies used in plants and animals for food production, Testbiotech, 2016
US Firma Intrexon
Intrexon gehören u.a.:
Klonfirmen wie Viagene und TransOva;
Firma Aquabounty, transgener Lachs
Patente auf gentechnisch veränderte Tiere, vom Schaf bis zum
Schimpansen
Gentechnik-Äpfel: „Arctic Apple“
Entwicklung von Gentechnik-Bäumen in Kooperation mit FuturaGene
Group
Gentechnisch veränderte Insekten (Olivenfliegen, Mücken)
Zu den Vorständen von Intrexon gehört Robert B. Shapiro, der ehemalige
Geschäftsführer von Monsanto.
Wie präzise sind die neuen Verfahren?
Beispiel Dupont, Soja (Li et al., 2016):
In einem ersten Schritt wurde die DNA für die Nuklease CRISPR /
Cas per “Schrotschuss” ins Erbgut von isolierten Pflanzenzellen
eingeführt.
In der Folge zeigte das Erbgut der Zellen viele ungewollte
Veränderungen wie mehrfache und unvollständige Integration der
DNA Konstrukte.
www.testbiotech.org/node/1568
Wie präzise sind die neuen Verfahren?
Li et al., 2016:
In einem zweiten Schritt sollte das Enzyme Cas9 das Genom der
Soja an einer bestimmten Stelle “schneiden” und ein Markergen
einfügen.
Bei etwa der Hälfte der Zellen wurde dabei nur ein Strang der DNA
geöffnet.
Die verursachten Deletionen waren in ihrer Grösse unterschiedlich,
bei einigen kam es zu zufälliger Integration von zusätzlicher DNA.
Es wurden mehrere Kopien der gewünschten DNA eingebaut.
In den meisten Fällen wurde ungewollt auch die DNA für die
Nuklease eingebaut.
Wie präzise sind die neuen Verfahren?
Li et al., 2016:
Erstaunlicherweise wiesen nur wenige Pflanzen, die aus den
“erfolgreich” manipulierten Zellen gezogen wurden, die gewünschte
zusätzlich DNA auf.
Man erhielt schließlich eine kleine Anzahl von Pflanzen (“Events”).
Die meisten von ihnen wiesen ungewollte Veränderung am
beabsichtigten Ort der Insertion auf.
Alle diese Pflanzen hatten in ihrem Erbgut zusätzliche, ungewollte
DNA-Insertionen.
Durch weitere Züchtung (Segregation) versuchte man, Pflanzen zu
erhalten, die nur die gewünschten Veränderungen aufweisen.
Wie präzise sind die neuen Verfahren?
Präzision ist abhängig von
Nuklease
Methode (z.B. transient oder Integration ins Erbgut)
(Pflanzen-)Art
Zielregion
Zielsetzung
Labor
u.a. ...
Fallspezifische Risikobewertung
Gewollte / ungewollte Veränderungen
auf der Ebene der DNA (off und on target effects)
der Gen-Regulation / Epigenetik
der genetischen Stabilität unter Stresseinwirkung
der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe
biologisch aktiver Stoffe (wie small RNAs)
der Pflanzen-Kommunikation / Tier-Verhalten
des assoziierten Mikrobiom
Beispiele für Probleme bei fehlender Regulierung
Es gibt keine Verpflichtung Daten vorzulegen, es gibt keine
Möglichkeit die Angaben der Firmen zu überprüfen.
Produkte können im Markt nicht verfolgt werden.
Einzelne („ungefährliche“) Schritte können wiederholt
eingesetzt werden, verschiedene Methoden können kombiniert
werden.
Pflanzen und Tiere, die einfach oder mehrfach gentechnisch
verändert sind, können weiter gekreuzt werden (stacking).
Ausbreitung in natürliche Populationen kann nicht verhindert
werden.
Schutzgut “Urzelle”: Ausgangspunkt und Zukunft des Lebens
„Die Urzelle lebt noch immer. Wir alle sind die Urzelle... Sie lebt
noch immer, in jeder einzelnen aller der jetzt lebenden Zellen.“ Karl R. Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt, 1987
Die unkontrollierte Freisetzung gentechnisch veränderter
Organismen ist ein Eingriff in die “Keimbahn” der biologischen
Vielfalt / die Zukunft der „Urzelle“.
Transgene escape: global overview
Transparenz, Rückverfolgbarkeit, Schutz der gentechnikfreien
Produktion und der Schutz der natürlichen Populationen sind beim
Umgang mit den neuen Gentechnikverfahren unverzichtbar.
Vorsorgeprinzip!
Rechtliche Bewertung: Kraemer & Spranger
Es gibt grundsätzlich zwei Kategorien von Methoden, mit denen die
Genetik der Organismen verändert werden kann:
Diejenigen, die vor der Verabschiedung der EU Richtlinie
2001/18 als 'sicher' galten.
Andere, die neu dazu gekommen sind und reguliert werden
müssen.
Rechtliche Bewertung: Kraemer & Spranger
Bei der Einstufung der Verfahren ist es nicht entscheidend ob
Zusätzliche DNA in das Genom inseriert wird oder nicht
Mutationen auch natürlicherweise auftreten
Das Ergebnis ein transgener Organismus ist.
Rechtliche Bewertung: Kraemer & Spranger
Das Regelwerk der EU
Verlangt eine prozess-orientierten Ansatz.
Gibt dem Vorsorgeprinzip hohe Priorität
März 2017: Stellungnahme EU Scientific Advice Mechanism (SAM)
April / Juni: Diskussionsrunde BMEL
September: Konferenz der EU Kommission
Ende 2017: EuGH?
Zeitplan