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Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung 447 AKIDA 2006 - Institut für Bergwerks- und Hüttenmaschinenkunde, RWTH Aachen Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung Prof. D.Sc.Tech. Sulo Lahdelma Universität Oulu, Finnland Abteilung für Maschinenbau, Laboratorium für Mechatronik und Maschinendiagnostik, Lehrstuhl für Maschinendiagnostik Senior Assistant M.Sc.Tech. Esko Juuso Universität Oulu, Finnland Abteilung für Verfahrens- und Umwelttechnik, Laboratorium für Regelungstechnik Prof. Dr.-Ing. habil. Jens Strackeljan Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Institut für Mechanik, Lehrstuhl für Technische Dynamik 1 Einleitung Wälzlager stehen als hochbeanspruchte Bauteile von Maschinen seit Beginn der Einführung neuerer Methoden der Maschinenüberwachung im Mittelpunkt einer Vielzahl von Forschungsarbeiten und technischen Geräteentwicklungen.

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Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung 447

AKIDA 2006 - Institut für Bergwerks- und Hüttenmaschinenkunde, RWTH Aachen

Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Prof. D.Sc.Tech. Sulo Lahdelma

Universität Oulu, Finnland Abteilung für Maschinenbau, Laboratorium fürMechatronik und Maschinendiagnostik, Lehrstuhl für Maschinendiagnostik

Senior Assistant M.Sc.Tech. Esko Juuso

Universität Oulu, Finnland Abteilung für Verfahrens- und Umwelttechnik,Laboratorium für Regelungstechnik

Prof. Dr.-Ing. habil. Jens Strackeljan

Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Institut für Mechanik, Lehrstuhl für Technische Dynamik

1 Einleitung

Wälzlager stehen als hochbeanspruchte Bauteile von Maschinen seit Beginn

der Einführung neuerer Methoden der Maschinenüberwachung im Mittelpunkt

einer Vielzahl von Forschungsarbeiten und technischen Geräteentwicklungen.

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448 Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Dabei hat die Nutzung der Maschinenschwingung als geeigneter Schadens-

indikator immer eine zentrale Rolle gespielt. Während der letzten 40 Jahre hat

es hierbei erhebliche Verbesserungen der zur Wälzlagerdiagnose notwendigen

Messtechnik und eine Vertiefung der Kenntnisse über das Schwingungs-

verhalten geschädigter Wälzlager gegeben. Auf der Basis dieses Wissens

konnten eine Reihe von Diagnoseverfahren entwickelt werden, die in ihren jün-

geren Entwicklungen auch zunehmend ohne eine expertenabhängige Interpre-

tation der ermittelten Beurteilungsgrößen auskommen [STR98].

Der Durchbruch im Hinblick auf die vollständig automatisiert ablaufende Zu-

standsbeurteilung ist allerdings erst in den letzten Jahren erfolgt, als die Fuzzy-

Logik, die Neuronalen Netze und andere Methoden des Softcomputing eine

zunehmende Akzeptanz in technischen Anwendungen fanden. Heute wird das

große Leistungspotential derartiger Ansätze gegenüber scharf klassifizierenden

Mustererkennungsansätzen von keinem Experten ernsthaft in Frage gestellt.

Hierzu haben auch einige im industriellen Umfeld realisierte Lösungen beige-

tragen, die sich vor allem bei der Diagnose unter erschwerten Bedingungen wie

z.B. bei stark schwankenden Betriebsparametern, verrauschten Messsignalen

und variablen Drehzahlen bewährt haben. Ein ideales Wälzlagerdiagnosesys-

tem sollte in der Lage sein, aufgrund einer einmaligen Messung an einem Lager

zu einer hinreichend sicheren Aussage über den Lagerzustand zu gelangen.

Die Ausprägung des Schadens, Einbaubedingungen des Lagers und Signal-

übertragungsstrecken zwischen Lager und Sensor und die Kenntnis der Dreh-

zahl oder des exakten Lagertyps sollten für die Diagnose ohne nennenswerte

Bedeutung sein [STR05,STR05b].

Im folgenden Beitrag soll gezeigt werden, worin die Schwierigkeiten bei der Er-

stellung eines derartig universellen Systems liegen und zumindest wesentliche

Gründe liegen, warum ein solches System derzeit noch nicht existiert. Es wird

aber deutlich, dass durch die Kopplung einer geeigneten Signalvorverarbeitung,

einer sinnvollen Bestimmung von schadensbeschreibenden Kennzahlen und

einem leistungsfähigen Merkmalsauswahl- und Klassifikationsalgorithmus zu-

mindest Annäherungen an dieses Idealsystem möglich sind.

2 Aktuelle Problemstellungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Auch wenn die folgende Auflistung von noch zu lösenden Fragestellungen im

Bereich der Wälzlagerdiagnostik durch persönliche Erfahrungen und die spe-

ziellen Arbeitsgebiete der Autoren geprägt ist, sind die folgenden Problem-

klassen doch von allgemeiner Bedeutung:

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Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung 449

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1. Überwachung sehr langsam drehender Wälzlager

An der Universität Oulu werden schon seit ca. 15 Jahren Untersuchungen

zur Schadensfrüherkennung an Wälzlagern durchgeführt. Hierbei standen,

bedingt durch die Schwerpunkte der finnischen Industrie in der Metallverar-

beitung und im Papierbereich, vor allem Untersuchungen an langsam lau-

fenden Wälzlagern im Vordergrund. Diese Problematik wird daher von den

Autoren seit vielen Jahren bearbeitet und die zugehörigen Methoden und

Ergebnisse wurden wiederholt publiziert u.a. [LAH99, STR00, LAH05,

STR98]. Als sehr geeignete Technik zur Datenvorverarbeitung für diese

Fragstellungen hat sich die Nutzung von höheren zeitlichen Ableitungen

herausgestellt, bei der nicht die Geschwindigkeits- oder Beschleunigungs-

signale, sondern ganzahlige, reellwertige oder auch komplexe Ableitungen

des gemessenen Zeitsignals zur Merkmalsgewinnung verwendet werden.

Auch in diesem Beitrag soll das Thema der langsamen drehenden Wälzla-

ger in einem Bespiel behandelt werden.

2. Überwachung sehr schnell drehender Lager

Auf die bei sehr schnellen Rotoren mit Drehzahlen von mehr als 20.000

U/min auftretenden Probleme, die mit den klassische Methoden der Wälzla-

gerüberwachung z.B. der Hüllkurvenbildung nur unzureichend gelöst werden

können, wird in diesem Beitrag im Detail gegangen werden.

3. Erkennung von großflächigen Schäden

Die typische Signalstruktur eines Wälzlagerschadens verschwindet, wenn

der Schaden eine Ausprägungsgröße erreicht, die zu einem ständigen Kon-

takt zwischen Wälzkörper und geschädigter Oberfläche führt (Abb. 1). Es

ergibt sich dann nicht mehr die für Wälzlagerschäden typischen Strukturan-

regungen im „Takt“ der Überrollung, sondern eine permanente stochastische

Anregung. Diese ist zwar durch einen erheblich steigenden Signalpegel ge-

genüber dem intakten Signal messbar (Abb. 2), aber die prinzipielle Signal-

struktur im Zeitbereich unterscheidet sich vom intakten Lager nur geringfü-

gig [STR00].

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450 Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Abb. 1: Natürlicher Schaden im Außenring eines Rollenlagers einer Papierma-

schine mit einer Ausdehnung, bei der sich ständig ein Wälzkörper im Bereich

des Pittings befindet.

Abb. 2: Beschleunigungssignal des Schadens in Abb. 1 und des Normalsignal des ungeschädigten Lagers im Frequenzbereich bis 20 kHz [STR00].

Dieser dritte Punkt ist gerade für die Entwicklung von Diagnosesystemen, die ohne Referenzmessung auskommen sollen, ein ganz entscheidendes Beurtei-lungskriterium, denn der Signalpegel kann nicht mit in die Beurteilung eingezo-gen werden, weil eine Vermessung des intakten Lagers nicht vorliegt. Diese Problematik ist allerdings nicht Gegenstand dieses Beitrages [STR04].

3 Schnell drehende Rotoren

3.1 Signalmuster

Typische Vertreter dieser Gruppe, die über schnelldrehende wälzgelagerte Ro-

toren verfügen, sind Laborzentrifugen, die in Abhängigkeit des Einsatzbereiches

und der verwendeten Rotoren Drehzahlen von etwa 5.000 U/min bis zu 30.000

U/min erreichen. Hochgeschwindigkeitszentrifugen, sogenannte Ultrazentrifu-

gen, arbeiten sogar in Drehzahlbereichen bis 80.000 U/min. Der heute schon

erkennbare Trend zu „intelligenten“ Geräten mit Überwachungsfunktionen wird

sich in den nächsten Jahren verstärken. Als Beispiel sei hier die Ablösung des

mechanisch arbeitenden Unwuchtdetektors genannt, der bis vor wenigen Jah-

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ren als Schwingungs- und Unwuchtüberwachungselement in Laborzentrifugen

eingebaut wurde und heute immer häufiger durch fest installierte Beschleuni-

gungssensoren ersetzt worden ist. Fortschrittliche Überwachungskonzepte

können daher sowohl im Fertigungsprozess einer Zentrifuge durch die Integra-

tion in die Qualitätskontrolle und auch während des Betriebes durch eine in das

Gerät integrierte kontinuierlich arbeitende Maschinenüberwachung realisiert

werden.

Untersucht wurde ein Rotor im Normalzustand, mit verschiedenen Schäden im

Hochlauf und bei konstanter Maximaldrehzahl von ca. 30.000 U/min. Abb. 3

zeigt zunächst das Beschleunigungssignal eines intaktes Wälzlagers und die

Situation bei einer leicht erhöhten Unwucht bei 30000 U/min. Alle Messsignale

in den Abb. 3 bis Abb. 5 wurden direkt an der Lagerschale mit einer Abtastfre-

quenz von 100 kHz digitalisiert und nicht gefiltert. Die messbaren Schwingun-

gen liegen auch bei maximaler Drehzahl für den Normalzustand unter 1 m/s².

-1

-0.5

0

0.5

1

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

-10

-5

0

5

10

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

Abb. 3: Beschleunigungssignals für ein intaktes Rotorsystem (links) und für einen Rotor mit erhöhter Unwucht (rechts).

Abb. 4 zeigt die gemessenen Beschleunigungen bei vier unterschiedlichen

Drehzahlen. Während bei niedrigeren Drehfrequenzen die typischen Scha-

densmuster eines Innenringschadens noch deutlich sichtbar sind, kommt es bei

höheren Drehzahlen zu einer so schnellen Anregungsfolge, dass ein Abklingen

der angeregten Strukturschwingung immer schwerer erkennbar wird. Deutlich

wird dies auch in dem Detailausschnitt in Abb. 5. Mit dem Hüllkurvensignal

könnte man die Drehfrequenz noch eindeutig identifizieren, die Schadensfre-

quenz des Innenrings aber wird man nur mit einer noch aufwendigeren Analyse

des Zeitsignals erkennen. Für den hier zu entwickelnden automatischen Klassi-

fikator ist dies allerdings keine Lösung. Man erkennt aus diesen Bildern auch

deutlich, dass klassische Techniken auf der Basis einer Pegelhöhenbeurteilung

mit einer automatischen Diagnose keine Probleme hätten.

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-4

-2

0

2

4

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

eine Wellen- umdrehung

eine Wellen- umdrehung

-20

-15

-10

-5

0

5

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15

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0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Be

sc

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²

Zeit ms

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

Abb. 4: Beschleunigungssignal eines Pittingschadens im Innenring eines Wälzlagers bei 4 unterschiedlichen Drehfrequenzen. Oben links: 65 Hz, o-ben rechts 200 Hz; unten li.: 350 Hz; unten re.: 525 Hz.

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

10 12 14 16 18 20

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

10 12 14 16 18 20

Be

sc

hle

un

igu

ng

m/s

²

Zeit ms

eine Wellen- umdrehung

eine Wellen- umdrehung

Abb. 5: Ausschnitt des Beschleunigungssignals für 350 Hz und 525 Hz.

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Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung 453

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Aus den Fourierspektren (Abb. 6) wird ersichtlich, dass sich bei steigender Drehzahl auch die Frequenzverteilung signifikant ändern, und es zu einer stär-keren Anregung von höhern Frequenzanteile kommt. Dies erschwert bei der Detektion von Lagerschäden die Einstellung von Filterparametern z.B. für die Hüllkurvenbildung erheblich.

Abb. 6: Frequenzspektrum des Inneringpittings bei unterschiedlichen Dreh-frequenzen.

3.2 Merkmalsgewinnung und Klassifikation

Insgesamt wurden 4 unterschiedliche Zustandsklassen (1-Normalzustand, 2-

Unwucht, 3- Schaden im Außenring, 4-Pitting im Innenring) mit den Signalen:

x(1) Geschwindigkeit (berechnet durch Integration aus dem gemessenen Be-

schleunigungssignal), x(2) Beschleunigung, x(3) 1. Ableitung der Be-

schleunigung, x(4) 2. Ableitung der Beschleunigung untersucht. Da die absolute

Signalhöhe nicht bewertet werden sollte und die charakteristischen Schadens-

frequenzen aus den zuvor genannten Gründen ebenfalls als Merkmale aus-

schieden, wurde für die Merkmalsgewinnung auf eine Methode zurückgegriffen,

mit der schon in vielen anderen Anwendungen auch bei langsam drehenden

Lagern erfolgreiche Überwachungssysteme erstellt wurden. Hierzu werden für

die Signale x(1) bis x(4) die Standardabweichung in drei unterschiedlichen Fre-

quenzbändern berechnet und dann die Histogrammverteilungen (k=1...4 Klas-

sen) der Signalamplituden als Basismerkmal für eine nachfolgende Klassifikati-

on verwendet (Abb. 7). Insgesamt standen 391 Datensätze für die 4 Zustands-

klassen zur Verfügung, von denen 40 (10 je Zustand) als Lernmenge verwendet

wurden. Details der Berechnung der Zugehörigkeitsfunktion des Klassifikators

sollen hier nicht behandelt werden. Sie sind z.B. in [LAH06, JUU04, JUU04b]

beschrieben bzw. der dort angegeben Literatur zu entnehmen. Das Prinzip be-

ruht auf der Nutzung sogenannter „Linguistic Equations“.

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454 Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Abb. 7: Zustandsklassen für Signale x(1), x(2), x(3) and x(4) mit den Histogramm-

verteilungen der Standardabweichung für vier Klassen k, (k=1)

(k=2)

,32 ii

i x

ii

i x 43 , (k=3) ii

i x 54 und (k=4) iix 5 .

Hierzu werden die als Merkmale verwenden Streuungsverteilungen in den drei Frequenzbändern durch Skalierungsfunktionen in den Wertebereich –2 bis 2 transformiert. Die entsprechenden Funktionen sind als Polynom 2. Ordnung in Abb. 8 dargestellt und wurden auf Basis der 40 Trainingsdaten so festgelegt, dass der Wertebereich zwischen –2 und 2 optimal genutzt wird. Die hohen Ab-szissenwerte für die Streuungen in Abb. 8 folgen aus den Amplituden nach Bil-dung der 4. Ableitung. Der mittels dieser Funktionen ermittelte Zahlenwert (Klassifikationsindex) ist in Ab. 9 dargestellt, wobei sich im Idealfall für alle Schadensklassen möglichst unterschiedliche Werte ergeben sollten. Man er-kennt aber, dass basierend auf nur einem einzigen Index (z.B. im Frequenzbe-reich 1 in Abb. 9, links) nur teilweise eine eindeutige Trennung gelingt. So ist ein sehr hoher Wert für f41

-1( 41) z.B. ein sicherer Indikator für eine Unwucht. Es werden daher weitere Frequenzbereiche mit anderen Merkmalen benutzt, die

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ebenfalls einen Klassifikationsindex erzeugen (Abb. 9, Mitte und rechts) und die dann zu einem resultierenden Klassifikationsindex Ind aufsummiert werden:

)()()( 43

1

4342

1

4241

1

41 fffInd

mit Skalierungsfunktionen: f4i-1

Standardabweichung: 41 :10 –1000 Hz, 42 :10 –10000 Hz,

43 :10 – 50000 Hz.

Abb. 8: Skalierungsfunktion für das Signal x(4) in drei verschiedenen Frequenz-

bereichen 41 :10 -1000 Hz, 42 :10 -10000 Hz, 43 :10 - 50000 Hz.

Abb. 9: Darstellung der skalierten Merkmale in den drei definierten Frequenz-

bereichen für 391 Datensätze.

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456 Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Man erkennt in Abb. 10 sehr deutlich, dass dieser Klassifikationsindex für die

vier Zustandsklassen unterschiedliche Werte aufweist. Eine automatische Klas-

sifikation unbekannter Signal dürfte entsprechend der folgenden Vorgehens-

weise gelingen, wobei die einzelnen Indexwerte noch gewichtet werden kön-

nen:

(1) Berechnung der Indexwerte, (2) Zustand ist „Normal“ wenn Ind sehr klein ist (< -5…-4), (3) Zustand ist „Schaden im Aussenring“, wenn Ind < 0, (4) Zustand ist „Unwucht“, wenn f41

-1( 41) sehr hoch ist, (5) sonst Zustand „Pitting im Innenring“.

Abb. 10: Klassifikationsergebnisse für den Gesamtdatensatz.

4 Langsam drehende Rotoren

Bei der Überwachung von langsam rotierenden Wälzlagern wurde in der Ver-gangenheit sehr häufig die Hüllkurventechnik eingesetzt, weil die darin notwen-dige Tiefpassfilterung die Nutzung einer niedrigen Abtastfrequenz erlaubt und sich dadurch auch bei beschränkter Speicherkapazität dennoch ausreichend lange Signale digitalisieren lassen. Die Wahl dieser Methode basierte primär auf heute nicht mehr vorhandenen Einschränkungen der Rechnertechnik und nicht auf der prinzipiellen Überlegenheit gegenüber anderen Methoden [ALG06, GEL01, JAM02, MEC92]. In vielen kommerziellen Systemen wird gerade bei diesen Lagern die als PeakVue bekannte Signalverarbeitung propagiert. Hierbei

wird in einem einstellbaren Zeitfenster t der jeweils maximal auftretende Sig-nalwert registriert und gespeichert. Es ergibt sich eine Datenkompression, bei der sichergestellt ist, dass die maximal auftretenden Signalpegel auch erfasst werden. Dies ist bei der Hüllkurvenbildung nicht in jedem Fall gewährleistet. Das Ergebnis dieser „Unterabtastung“ ist zunächst wieder ein Zeitsignal, dass dann z.B. durch eine Fouriertransformation weiter verarbeitet werden kann. Die

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Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung 457

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dabei maximal erreichbaren Frequenzen sind an das Zeitfenster t gekoppelt. Wenn keine „periodischen“ Signalstrukturen gesucht werden, können die PEAKVue–Werte gemittelt oder im einfachsten Fall der maximale Wert aller Werte als Diagnosekennzahl benutzt werden. Eine Beschränkung hinsichtlich der Signallänge ist nicht vorhanden.

Beide Verfahren lassen sich natürlich auch sehr gut mit der Methode der höhe-ren Ableitung als Vorverarbeitung kombinieren, denn es wird dann die Hüllkur-ven bzw. das PeakVue-Signal auf der Basis der differenzierten Signale vorge-nommen, wobei dann entweder der komplette Frequenzbereich oder einzelne Frequenzbänder betrachtet werden können. Ein soll nachfolgend das Beispiel eines extrem langsam drehenden Rotors gezeigt werden, bei dem in zwei ver-schiedenen Frequenzbereichen (FB1 10-2000 Hz, FB2 10-3000 Hz ) die klassi-schen Wälzlagerfaktoren zur Unterscheidung zwischen geschädigtem Lager und intaktem Zustand benutzt wurden (Tab. 1). Beispiele für einen Signalverlauf beider Zustandsklassen sind in Abb. 11 dargestellt.

Abb. 11: Messsignal der 4. Ableitung des Wäschers mit intaktem (unten) und

defektem Kugellager (oben) im Frequenzbereich 10 – 3000 Hz.

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458 Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

Fre-quenz-bereich

10-2000Hz

Defektes Lager

10-2000Hz

Neues Lager

Ver-hältnis

10-3000Hz

Defektes Lager

10-3000Hz

Neues Lager

Ver-hältnis

x(1)2.57 4.51 0.57 2.57 4.50 0.57

x(2)21.28 4.71 4.52 34.60 4.73 7.32

x(3)96.59 4.85 19.92 157.69 5.00 31.54

Cre

st-

Fa

kto

r

x(4)121.42 4.40 27.60 188.26 4.61 40.84

x(1)0.32 mm/s 0.25 mm/s 1.28 0.32 mm/s 0.25 mm/s 1.28

x(2) 0.11 m/s

20.21 m/s

20.52 0.11 m/s

20.21 m/s

20.52

x(3)0.19 km/s

30.51 km/s

30.37 0.27 km/s

30.52 km/s

30.52

RM

S

x(4)1.51 Mm/s

42.90 Mm/s

40.52 3.65 Mm/s

43.28 Mm/s

41.11

x(1)0.81 mm/s 1.14 mm/s 0.71 0.81 mm/s 1.14 mm/s 0.71

x(2) 2.32 m/s

20.99 m/s

22.34 3.80 m/s

20.99 m/s

23.84

x(3)18.34 km/s

32.47 km/s

37.43 43.22 km/s

32.61 km/s

316.56Pe

ak

x(4)183.4

Mm/s4

12.78

Mm/s4

14.35 687.3 Mm/s4

15.13

Mm/s4

45.43

Tab. 1: Kennzahlen zur Lagerdiagnose bei einem langsam drehenden Kugella-

ger eines Wäschers. Der Wellendurchmesser beträgt 725 mm und eine Umdre-

hung dauert 39.36 Sekunden. Kennzahlen unten links: 10-2000 Hz, rechts: 10-

3000 Hz.

Man erkennt aus Tab. 1, dass sich auf der Basis der höheren Ableitung –speziell der 4. Ableitung- sehr große Unterschiede zwischen dem intaktem und

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Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung 459

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dem geschädigtem Signal ergeben. Das Geschwindigkeitssignal kann unab-hängig vom benutzen Kennwert nicht verwendet werden und auch der Effektiv-wert bietet keine ausreichende Unterscheidung. Mit dem Peak-Werten ist die Unterscheidung besser als mit den Crest-Faktoren, wenn der richtige Fre-quenzbereich ausgewählt wird.Schon diesem Beispiel kann man entnehmen, dass die optimale Lösung in je-dem Fall stark problemabhängig ist. Entsprechend sollten auch Hinweise aus der Literatur bewertet werden, die gelegentlich die Überlegenheit einzelner Sig-nalverarbeitungstechniken gegenüber anderen herausstellen.

5 Zusammenfassung In diesem Beitrag wurde aufgezeigt, dass für die Erkennung von Wälzlager-schäden für die Sonderfälle der sehr langsam und sehr schnell drehenden La-ger keine Standardlösung existiert, die unter allen Umständen eine sichere Schadenserkennung gewährleistet. Bei den hier präsentierten Beispielen konn-ten mit einer angepassten Nutzung von Filtereinstellungen, Frequenzbändern und einer problemspezifischen Merkmalserzeugung Klassifikationsraten von fast 100 % erreicht werden. Ohne diese teilweise manuelle Einstellung aber wären diese Ergebnisse nicht erreichbar. Die Übertragbarkeit auf ähnliche La-ger unter anderen Einbaubedingungen ist damit eingeschränkt. Für die hier präsentierten Problemstellungen muss also weiterhin der menschliche Experte mit seinem Wissen oder durch zusätzlich Analysen des Schwingungsverhaltens Informationen bereitstellen, die derzeit von einem komplett automatischen Di-agnosesystem nicht verfügbar gemacht werden können.

6 Literatur [ALG06] Al-Ghamd, A. M. and Mba, D.: A comparative experimental study on the use of

acoustic emission and vibration analysis for bearing defect identification and es-timation of defect size, Mechanical Systems and Signal Processing, Vol. 20, No. 7, pp. 1537-1571, October 2006.

[GEL01] Gelle, G., Colas, M. and Serviere C.: Blind Source Separation: A Tool For Rotat-ing Machine Monitoring By Vibration Analysis, Journal of Sound and Vibration, Vol. 248, No. 5, pp. 865-885, December 2001.

[JAM02] Jamaludin, N. and Mba, D.: Monitoring extremely slow rolling element bearings: part I,II , Journal of NDT & E International, Vol. 35, No. 6, pp. 349-358 (Part I), 359-366 (Part II), September 2002.

[JUU04] Juuso, E. K.: Integration of Intelligent Systems in Development of Smart Adaptive Systems, International Journal of Approximate Reasoning, Vol. 35, No. 3, pp. 307-337, 2004.

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460 Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Wälzlagerüberwachung

[JUU04b] Juuso, E. K., Kivistö, M. and Lahdelma, S.: Intelligent Condition Monitoring Using

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AKIDA 2006 - Institut für Bergwerks- und Hüttenmaschinenkunde, RWTH Aachen