neue alkyl- und benzylverbindungen der lanthanoide · und journal of organometallic chemistry 2 aus...
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Neue Alkyl- und Benzylverbindungen der Lanthanoide
vorgelegt von
Diplom-Chemikerin
Dominique M. M. Freckmann
aus Köln
von der Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften,
Institut für Chemie,
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der Naturwissenschaften
– Dr. rer. nat. –
genehmigte Dissertation
Promotionsausschuss:
Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Dieter Ziessow
1. Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Herbert Schumann
2. Berichter: Prof. Dr.-Ing. Joachim Pickardt
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 29. April 2003
Berlin 2003
D 83
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Abstract Freckmann, Dominique: Neue Alkyl- und Benzylverbindungen der Lanthanoide Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Synthese und Charakterisierung von neuen Alkyl- und Benzylverbindungen der Lanthanoide. Unter Salzeliminierung reagieren Lanthanoidtrichloride LnCl3 (Ln = Sm, Er, Yb, Lu) mit drei Äquivalenten LiCH2SiMe3 in THF/Pentan/Diethylether zu den homoleptischen Komplexen Ln(CH2SiMe3)3(THF)x (Ln = Sm (1), x = 3; Ln = Er (2), Yb (3), Lu (4), x = 2). Einkristall-Röntgenstrukturanalysen zeigen das Lanthanoid-Atom in 1 fac-oktaedrisch und in 2, 3 und 4 trigonal-bipyramidal koordiniert mit den Alkylliganden in äquatorialer Position. Versuche zur Darstellung von lösemittelfreien zwei- oder dreiwertigen Lanthanoidalkylen mit dem sterisch anspruchsvolleren Diphenylmethylkalium (9) scheitern. Die sukzessive Reaktion zweier Äquivalente LiCH2SiMe3 und einem Äquivalent KCHPh2 mit LuCl3 liefert dafür den ersten neutralen heteroleptischen Lanthanoidalkylkomplex Lu(CH2SiMe3)2(CHPh2)(THF)2 (10). Die röntgenographische Untersuchung zeigt, daß die CHPh2-Einheit in 9 planar vorliegt, während in 10 die Phenylringe gegeneinander verdrillt sind. Durch äquimolare Umsetzung von 2 bzw. 4 mit 1,3-Di-iso-propyl-4,5-dimethylimidazol-2-yliden (iPr,Me-Carb; 11) erhält man die ersten Alkyllanthanoid-Carben-Addukte Ln(CH2SiMe3)3(THF)x(
iPr,Me-Carb)y (Ln = Er (12), Lu (13), x = 1, y = 1), von denen ausgehend sich THF-freie Lanthanoidalkylverbindungen (Ln = Er (14), Lu (15), x = 0, y = 2) synthetisieren lassen. Der Ersatz eines THF-Liganden in 4 gelingt ebenfalls durch Reaktion mit den Sauerstoffbasen DME bzw. DIGLYM unter Bildung von Lu(CH2SiMe3)3(THF)(L) (L = DME (16), L = DIGLYM (17)). Zur Verdrängung der Lösemittelmoleküle aus der Koordinationssphäre des Lanthanoid-Atoms werden in weiteren Reaktionen sterisch anspruchsvolle Benzylliganden eingesetzt. In Anlehnung an das kommerziell erhältliche Benzyltrimethylsilan werden Benzylsilane 3,5-R’2-C6H3CH2SiMe2R’’ (R’/R’’ = H/t-C4H9 (19), H/C6H5 (20), CH3/CH3 (21), CH3/t-C4H9 (22)) synthetisiert, und durch Metallierung mittels nBuLi/TMEDA in α-SiR3-substituierte Benzyllithium-Komplexe (TMEDA)Li(3,5-R’2-C6H3CHSiMe2R’’) (R’/R’’ = H/CH3 (24), H/t-C4H9 (25), H/C6H5 (26), CH3/CH3 (27), CH3/t-C4H9 (28)) überführt. Röntgenstruktur-untersuchungen an 25, 26 und 27 zeigen das Lithium-Atom verzerrt tetraedrisch koordiniert durch das Methylen-C-Atom, das ipso-C-Atom des Phenylringes sowie den zwei Stickstoff-Atomen vom TMEDA-Molekül. Während die Umsetzung von LnCl3 mit drei Äquivalenten Lithiumsalz zur Bildung von Ionen-separierten Komplexen [Li(TMEDA)2][Ln(3,5-R’2-C6H3CHSiMe2R’’)3Cl] (Ln/R’/R’’ = Pr/H/CH3 (30), Pr/H/t-C4H9 (31), Pr/H/C6H5 (32), Nd/H/CH3 (33), Nd/H/t-C4H9 (34), Sm/H/CH3 (35), Sm/H/t-C4H9 (36), Er/CH3/t-C4H9 (37), Lu/H/t-C4H9 (38), Lu/CH3/t-C4H9 (39)) führt, erhält man bei der Transmetallierung mit zwei Äquivalenten Lithiumsalz neutrale Bis(benzyl)lanthanoid-Verbindungen [Ln(C6H5CH-SiMe2R’’)2(µ-Cl)3(Li-TMEDA)2] (Ln/R’’ = Er/t-C4H9 (41), Lu/t-C4H9 (42)). Einkristall-Röntgenstrukturanalysen liegen von 34, 35, 37, 39, 41 und 42 vor. Ferner werden zwei dimere Mono(benzyl)neodym-Verbindungen [Nd(C6H5CHSiMe3)Cl2(ClLi-TMEDA)w(THF)x] (w= 2, x = 0 (43), w = 1, x = 1 (44)) röntgenographisch charakterisiert, die nebeneinander bei einer Umsetzung von NdCl3 mit drei Äquivalenten (TMEDA)Li(C6H5CHSiMe3) gebildet werden. Durch Salzeliminierungsreaktion werden so ausgehend von LnCl3 die ersten Benzyl-lanthanoid-Verbindungen dargestellt, die keine weiteren stabilisierenden π- oder Heteroatom-substituierten Liganden aufweisen.
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Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit von Februar 2000 bis Dezember 2002 im Institut für
Chemie der Technischen Universität Berlin angefertigt.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Herbert Schumann für seine freundliche
Unterstützung bei der Durchführung dieser Arbeit.
Herrn Prof. Dr. Joachim Pickardt danke ich für seine Hilfe bei kristallographischen
Problemen und die Übernahme der zweiten Berichterstattung.
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Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
ORTEP-Plots der Molekülstrukturen der kristallographisch charakterisierten Verbindungen
befinden sich im Anhang. Die Schwingungsellipsoide sind auf 30 % skaliert. Bis auf die
benzylischen Wasserstoffatome wurden alle anderen der Übersichtlichkeit halber nicht
dargestellt.
Å Ångström
Abb. Abbildung
Ar Aryl
ber. berechnet
bzw. beziehungsweise
ca. zirka
COSY Correlated Spectroscopy
Cp Cyclopentadienyl
Cp* Pentamethylcyclopentadienyl
δ chemische Verschiebung
d Tag(e)
DIGLYM Diethylenglycoldimethylether (MeOC2H4OC2H4OMe)
DME Dimethoxyethan (MeOC2H4OMe)
EA. Elementaranalyse
EI Elektronenstoßionisation
Et Ethyl
Et2O Diethylether
evt. eventuell
GC Gaschromatographie
gef. gefunden
MA. Metallanalyse
Me Methyl
MS Massenspektrometrie
Ind Indenyl
i ipso iPr iso-Propyl iPr,Me-Carb 1,3-Di-iso-propyl-4,5-dimethylimidazol-2-yliden
Ln Lanthanoid
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Abkürzungsverzeichnis
HMPA Hexamethylphosphoramid
m meta
m/z Verhältnis von Masse zu Ladung nBu normal-Butyl
NMR Nuclear Magnetic Resonance
o ortho
p para
Ph Phenyl
PMDTA N,N,N’,N’’,N’’-pentamethyl-diethylentriamin
ppm parts per million
R (R’, R’’) H, Alkyl- oder Arylgruppe
RT Raumtemperatur
Schmp. Schmelzpunkt
Sdp. Siedepunkt
Tab. Tabelle tBu tertiär-Butyl
THF Tetrahydrofuran
TMEDA N,N,N’,N’-tetramethylethylendiamin
Tol Toluol
TT Tieftemperatur
w Woche(n)
Zers. Zersetzung
z. T. zum Teil
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Aufgabenstellung 1
2 Trimethylsilyl-substituierte Lanthanoidalkyl-Verbindungen 5
2.1 Homoleptische Trimethylsilylmethyl-Verbindungen der Lanthanoide 10
2.1.1 Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(THF)x 12
2.1.2 Kristallstrukturuntersuchungen an Ln(CH2SiMe3)3(THF)x 15
2.1.3 Versuche mit LnI2(THF)2 19
2.2 Heteroleptische Trimethylsilylmethyl-Verbindungen der Lanthanoide 22
2.2.1 Der Benzhydrylligand -CHPh2 22
2.2.2 Versuche zur Darstellung homoleptischer CHPh2-Komplexe 24
2.2.3 Synthese eines heteroleptischen Lu-CHPh2-Komplexes 26
2.2.4 Kristallstrukturuntersuchungen an KCHPh2 und Lu(CH2SiMe3)2(CHPh2)(THF)2 28
2.3 Carben-Addukte von dreiwertigen Lanthanoidalkyl-Verbindungen 33
2.3.1 Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(THF)(iPr,Me-Carb) 34
2.3.2 Kristallstrukturuntersuchungen an Ln(CH2SiMe3)3(THF)(iPr,Me-Carb) 35
2.3.3 Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(iPr,Me-Carb)2 38
2.3.4 Weitere Austauschreaktionen von Lu(CH2SiMe3)3(THF)2 40
2.4 Fazit und Ausblick 42
3 αααα-Tri(alky/aryl)silyl-substituierte Lanthanoidbenzyl-Verbindungen 44 3.1 Tri(alkyl/aryl)silyl-Benzylliganden 51
3.1.1 Synthese und Charakterisierung der Benzylsilane ArCH2SiR3 51
3.1.2 Lithiumbenzyl-Verbindungen (TMEDA)Li(ArCHSiR3) 54
3.1.2.1 Synthese der Lithiumbenzyl-Verbindungen (TMEDA)Li(ArCHSiR3) 55
3.1.2.2 Kristallstrukturuntersuchungen an (TMEDA)Li(ArCHSiR3) 57
3.1.2.3 Strukturuntersuchungen an (TMEDA)Li(ArCHSiR3) in Lösung 61
3.2 Tris-tri(alkyl/aryl)silyl-Benzylverbindungen der Lanthanoide 63
3.2.1 Heteroleptische Benzylatverbindungen der Lanthanoide 63
3.2.2 Kristallstrukturuntersuchungen an [Li(TMEDA)2][Ln(ArCHSiR3)3Cl] 65
3.2.3 NMR-spektroskopische Untersuchungen an [Li(TMEDA)2][Ln(ArCHSiR3)3Cl] 78
3.3 Heteroleptische neutrale Benzylverbindungen der Lanthanoide 85
3.3.1 Bis(benzyl)-Verbindungen vom Erbium und Lutetium 85
3.3.2 Mono(benzyl)-Verbindungen vom Neodym 91
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Inhaltsverzeichnis
3.4 Fazit und Ausblick 94
4 Experimenteller Teil 98
4.1 Allgemeines und Analytik 98
4.2 Arbeitsvorschriften 100
4.2.1 Ligandensynthesen 100
4.2.2 Synthesen der (Trimethylsilylmethyl)lanthanoid-Verbindungen 106
4.2.3 Synthesen der Benzyllanthanoid-Verbindungen 113
5 Zusammenfassung 121
6 Literaturverzeichnis 127
7 Anhang 136
7.1 Weitere Daten zu den Kristallstrukturen 136
7.2 Unvollständige Daten von Kristallstrukturbestimmungen 237
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Einleitung
1
1 Einleitung und Aufgabenstellung
Die Lanthanoide muss man sowohl Laien als auch vielen Chemikern als Elemente
beschreiben, die eine dieser Extrareihen „ganz unten“ im Periodensystem bilden. Zusammen
mit den Metallen der Gruppe 3 gehören sie zur der Familie der „Seltenen Erden“.
Diese Unkenntnis selbst unter Fachleuten könnte man damit erklären, daß die Chemie der
Lanthanoiden vergleichsweise jung ist. Zu ihrem Beginn hieß es die Schwierigkeiten der
Trennung der natürlich vorkommenden – und keinesfalls seltenen – Lanthanoidverbindungen
(meist als oxidische Erze) zu bewältigen, um die einzelnen Elemente in ausreichender
Qualität und vor allem Quantität darzustellen. In der Metallorganik stellten sich die nächsten
Probleme bei einer eindeutigen Charakterisierung der synthetisierten Verbindungen, da die
damals dominierende nuklearmagnetische Kernresonanz-Spektroskopie bei den in der
vorherrschenden Oxidationsstufe +3 zum Teil stark paramagnetischen Lanthanoiden nur
bedingt Informationen über den räumlichen Aufbau von Verbindungen lieferte. Heute ist die
weit verbreitete Röntgenstrukturanalyse die wohl wichtigste analytische Methode in der
Organolanthanoidchemie.
Neben Festkörperverbindungen stellen Komplexverbindungen der Lanthanoide mit ihren
Synthesen und vielfältigen Anwendungen in der Katalyse und Analytik ein attraktives
Forschungsgebiet dar. Das in letzter Zeit stark gestiegene Interesse der
Wissenschaftsgemeinde an Verbindungen dieser Metalle spiegelt sich in zwei
Sonderausgaben der Zeitschriften Chemical Reviews („Frontiers in Lanthanide Chemistry“) 1
und Journal of Organometallic Chemistry 2 aus dem Jahr 2002 wider. Sie enthalten sowohl
ausführliche Rück- wie auch Überblicke über verschiedenste Arbeitsgebiete mit dem jeweils
aktuellen Stand der Forschung.
Überraschenderweise fehlen in diesen ansonsten sehr umfangreichen und breit gefächerten
Zusammenstellungen detaillierte Beiträge zur Anwendung von Lanthanoidkomplexen in
Polymerisationsprozessen. Zhou & Zu berichten zwar über die verschiedenen möglichen
Insertionen von kleinen Molekülen in die Ln-E Bindung (E = H, C, N, Si/Ge, P/As), aber sie
behandeln dabei nur ungesättigte unpolare Kohlenwasserstoffe bzw. die Einfachinsertion von
CN und CO-Fragmenten.3 Arndt & Okuda widmen nur wenige Seiten ihres Übersichtsartikels
der Polymerisation.4 Dabei beschäftigt sich wohl der Hauptteil der Metallorganiker mit der
Synthese von neuen Polymerisationskatalysatoren, da es ein dringendes Anliegen der
Industrie ist, neue und bereits etablierte „Kunststoffe“ mit unterschiedlichen
Materialeigenschaften billig und in großen Mengen kontrolliert und selektiv herzustellen.
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Einleitung 2
Vor über 20 Jahren erschienen erste Berichte von Ballard et al. 5 mit anschließenden
ausführlichen mechanistischen Untersuchungen von Watson et al. 6 über die katalytische
Aktivität von Alkyllanthanoidverbindungen bei der Olefinpolymerisation. Durch sukzessive
Insertion des unpolaren Monomers in die Ln-C bzw. Ln-H σ-Bindung wächst dabei die
Polymerkette. Enorm gesteigert wurden die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der
Lanthanoidocene aber erst wenige Jahre später nach den Publikationen der Ergebnisse, die
von Schumann/Marks et al. bei der Polymerisation von unpolaren Substraten erzielt worden
waren.7 Dabei wurden Verbindungen des Typs (C5Me5)2LnCl bzw. (C5Me4SiMe3)2LnCl
zuerst mittels LiCH(SiMe3)2 alkyliert und anschließend durch Reaktion mit H2 in die
katalytisch aktiven Spezies (C5Me5)2LnH bzw. (C5Me4SiMe3)2LnH überführt.
Der überaus erfolgreiche Einsatz von Alkyllanthanoidocenen bei der lebenden Polymerisation
polarer Monomere durch Yasuda et al. vor ca. zehn Jahren stellt einen weiteren Meilenstein in
der Lanthanoid-induzierten Polymerisationschemie dar.8 Die Verwendung von Organo-
lanthanoidverbindungen erlaubt dabei die Synthese von Polymeren mit hohen molaren
Massen (Mn > 100 000) bei einer sehr engen Molmassenverteilung (Mw/Mn < 1.05). Mit Hilfe
von Lanthanoid(III)-Katalysatoren lassen sich ebenfalls Block-Copolymere aus polaren und
unpolaren Monomeren herstellen, die sich durch interessante Materialeigenschaften
auszeichnen.9 Marks et al. demonstrierten wenig später die Effizienz von chiralen
Alkyllanthanoidocenen in der stereospezifischen Polymerisation von Methylmethacrylaten.10
Mehrere aktuelle Review-Artikel geben hierzu ausführliche Übersichten.11, 12, 13
Den ersten Schritt im Polymerisationsprozess polarer Monomere stellt die Koordination der
Carbonylgruppe an das elektrophile Metallzentrum dar. Bei der anschließenden 1,4-Addition
wird die Gruppe R (R = Alkylgruppe, H) auf das Monomer übertragen.8, 10 Für die Insertion
des Monomers muss also eine Ln-C(H) σ-Bindung vorliegen, die somit die katalytisch aktive
Stelle darstellt. Einen anderen bimetallischen Bisinitiator-Mechanismus ausgehend von
Sm(II) diskutierten Boffa & Novak.14 Sind THF-Moleküle im System vorhanden, kann es zu
einer bimodalen Molmassenverteilung kommen.15 Dies lässt sich durch Austausch des
koordinierenden Lösemittels durch einen stärkeren neutralen Donor, z. B. ein N-
heterocyclisches Carben, vermeiden. Einmal koordiniertes Imidazol-2-Yliden blockiert
effektiv die Koordinationsstelle am Metallzentrum und wird nicht durch das Monomer
verdrängt.16
Die bisher untersuchten Katalysatorsysteme weisen pro Molekül meist genau eine
Lanthanoidalkyl-Einheit auf, die das Wachstum einer Polymerkette ermöglicht. Was aber
geschieht, wenn in einem Komplex mehrere Ln-C σ-Bindungen vorliegen? Wirkt sich das auf
-
Einleitung
3
die Katalysatoraktivität aus und wenn ja, in welchem Maße? Im günstigsten Fall wäre eine
Vervielfachung denkbar, wenn jede Ln-C σ-Bindung zum Aufbau von einem Polymerstrang
führt.
Auf der Suche nach verbesserten Ligandensystemen sind zahlreiche Synthesen von
verschiedenen Cyclopentadienylverbindungen publiziert worden, die das aromatische
Cyclopentadienylgrundgerüst C5R5- in den unterschiedlichsten Varianten (teilweise oder ganz
substituiert, kurz oder lang durch meist C- oder Si-Atome verbrückt, zusätzlich koordinierend
durch „Henkel“ mit Donoratomen wie O, N, S oder eingebettet in Indenyl- oder
Fluorenylliganden) aufweisen. Das Cyclopentadienylanion ist heute der am häufigsten
verwendete und am besten untersuchte Ligand in der Metallorganik 17; bei den 4f-Metallen
stellen Lanthanoidocene ungefähr 90 % der veröffentlichen Verbindungen dar.18 In den
letzten Jahren lässt sich jedoch ein gewisser Trend weg von dem Cp-Liganden beobachten.
Ein Beweggrund mag zum einen sein, daß man das mit Patenten zugepflasterte Feld der
Cyclopentadienyl-Systeme der Gruppe 4 verlassen wollte. Zum anderen könnten neuartige –
möglicherweise selektivere und gegenüber funktionellen Gruppen tolerantere Katalysatoren –
in der Lage sein, die Produktpalette an unterschiedlichen Monomerkombinationen mit
anderen Materialeigenschaften zu vergrößern. Nach den erfolgreichen Polymerisationen
unpolarer Monomere, bei denen Brookhart et al. Diimin-Katalysatoren von späten
Übergangsmetallen verwendeten 19, starteten intensive Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet
von Nicht-Metallocenen zur Verwendung in Olefinpolymerisationsprozessen. Die darauf
folgende in kurzer Zeit auftretende Masse an Publikationen veranlasste Gibson innerhalb von
nur wenigen Jahren, gleich zwei Übersichtsartikel zu dem „Leben jenseits der Metallocene“
zu verfassen.20, 21 In beiden Publikationen sind die Kapitel, die den Einsatz von Selten-Erd-
bzw. Lanthanoid-Katalysatorsystemen bei der Polymerisation von Olefinen beschreiben, sehr
kurz, obwohl auch bei Organolanthanoidkomplexen neue Verbindungsklassen auf der Suche
nach alternativen Katalysatoren synthetisiert worden sind. Ebenfalls findet man in der
Literatur nur wenige Beispiele von Polymerisationsversuchen mit polaren Monomeren, in
denen Cyclopentadienyl-freie Systeme verwendet worden sind.13
Bisher liegen keine Berichte über die katalytischen Eigenschaften von homoleptischen
dreiwertigen Lanthanoidalkylen LnR3 in Polymerisationsreaktionen vor. Untersucht wurde
dagegen das divalente Ytterbiumalkyl Yb(CH(SiMe3)2), das bei der isotaktischen
Polymerisation von Methylmethacrylat sehr gute Ergebnisse zeigte.12 Wie bei dem von Boffa
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Einleitung 4
& Novak vorgestellten Mechanismus für zweiwertige Metallocene besteht nach Yasuda der
erste Schritt wohl in der Koordination der Carbonylgruppe des Monomers an das
Metallzentrum. Bei dreiwertigen Alkylkomplexen wäre die Insertion von Monomeren mit
anschließenden Kettenwachstum in allen drei Ln-C σ-Bindungen denkbar.
Sowohl unsolvatisierte homoleptische Alkyl- als auch Aryllanthanoidverbindungen stellen
jedoch eine synthetische Herausforderung dar, da in Verbindungen der Form LnR3 die
Koordinationssphäre der großen Ln3+-Ionen durch die Koordination von nur drei Liganden
sterisch meist nicht abgesättigt wird.18 Sicherlich wirken Lanthanoidalkyle als Katalysatoren
wegen ihrer größeren Empfindlichkeit auf den ersten Blick unvorteilhaft. Im Gegensatz zu
Cyclopentadienyl-Verbindungen beinhaltet aber ihre Synthese meist billigere Edukte und oft
weniger Stufen. Im Allgemeinen sind Forschungsaktivitäten auf dem Bereich der
homoleptischen Alkyle seit ihrem Beginn vor gut 30 Jahren relativ bescheiden geblieben.22
Die Zielsetzung zu Beginn dieser Arbeit war nun sowohl die Synthese und Charakterisierung
von sowohl teilweise bekannten als auch neuen Lanthanoidalkylen LnR3 im Hinblick auf eine
mögliche Anwendung bei der Polymerisation polarer Monomere. Die Verwendung
zusätzlicher π-stabilisierender oder chelatisierender Liganden sowie koordinierende
Heteroatome (O, N, S, P) soll dabei vermieden werden, um eine maximale Zahl von Ln-C σ-
Bindungen aufbauen zu können und dabei gleichzeitig ein koordinativ ungesättigtes
Metallzentrum zu erhalten.
Ein kurzer Überblick zu den bisherigen Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet von Alkyl- und
Benzylverbindungen der Lanthanoide wird vor den jeweiligen Kapiteln gegeben.
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Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
5
La
SiC
MCl3 + 3 LiCH(SiMe3)2
M = Sc, Y Y(CH(SiMe3)2)3
M(CH(SiMe3)2)3(THF)2
- 3 LiCl
THF/Et2O
Tol/Et2O
Ln(2,4,6-tBu3C6H2O)3 + 3 LiCH(SiMe3)2Pentan
- 3 (2,4,6-tBu3C6H2O)LiLn = La, Sm
2 Trimethylsilyl-substituierte Alkylverbindungen der Lanthanoide
Gängige Alkylierungsreagenzien für Cp2LnCl-Precursoren sind die leicht zugänglichen
Lithiumalkyle LiCH(SiMe3)2 und LiCH2SiMe3. Sie enthalten die häufig verwendete
Trimethylsilyl-Gruppe, die – neben einem leicht identifizierbaren Signal im NMR – oft für
thermodynamische Stabilität, hohe Löslichkeit und gutes Kristallisationsverhalten sorgt.
Dementsprechend zahlreich sind Veröffentlichungen über heteroleptische Lanthanoid-
alkylkomplexe, die zusätzlich stabilisierende π- oder Heteroatom-substituierte (Amide, Aryl-
und Alkoxide) sowie chelatisierende Liganden aufweisen.18, 22, 23 Dagegen sind
überraschenderweise sehr wenige Reaktionen ausschließlich mit Alkylliganden durchgeführt
worden. Vergleichsweise spät gelang die röntgenographische Charakterisierung der ersten
neutralen homoleptischen Lanthanoidalkyle LnR2 bzw. LnR3, die mit Hilfe der sterisch
besonders anspruchsvollen Trimethylsilyl-Liganden -CH(SiMe3)2 und -C(SiMe3)3 dargestellt
worden sind.24, 25
Bereits vor knapp 30 Jahren erschien der erste Bericht über homoleptische Selten-Erd-
Verbindungen mit dem Bis(trimethylsilylmethyl)-Liganden. Je nachdem in welchem
Lösemittelgemisch die Reaktionen durchgeführt werden (THF/Et2O oder Toluol/Et2O), bilden
sich solvatisierte oder solvensfreie Komplexe.26
Erste strukturelle Untersuchungen folgten jedoch erst gut ein Jahrzehnt später an den
Lanthanoid-Derivaten Ln(CH(SiMe3)2)3 (Ln = La, Sm). Bei ihren Synthesen spielen zwei
Faktoren eine wichtige Rolle, die den oft beobachteten Einbau von Halogenid- und
Alkalimetall-Ionen ausschließen. Statt der häufig verwendeten Halogenide wurden niedrig-
koordinierte Lanthanoidaryloxide eingesetzt, durch die bei den Reaktionen schwerlösliche
Lithiumaryloxide gebildet werden, die sich bequem von den sehr gut löslichen Produkten
abtrennen lassen. In diesen sind die Metallzentren verzerrt trigonal-pyramidal von den
Alkylliganden umgeben.24
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Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 6
γ
La
CαC
Si
H
β
Schaverien & Orpen berichteten wenig später über die entsprechenden Trialkyllutetium- und -
yttrium-Komplexe, die sie ebenfalls ausgehend von den jeweiligen Aryloxiden erhielten 27;
Westerhausen et. al veröffentlichten schließlich die Festkörperstruktur von
Y(CH(SiMe3)2)3 .28 Die Koordinationssphäre des Zentralatoms ist wiederum verzerrt trigonal-
pyramidal.
Als Ursache dieser ungewöhnlichen Struktur vermutete man anfangs sterische Gründe sowie
γ-agostische Wechselwirkungen des Metallzentrums mit den Methylgruppen. In den
Komplexen befindet sich jeweils eine Methylgruppe einer SiMe3-Einheit in der Nähe des
Lanthanoid-Ions, die anderen beiden Methylgruppen sowie die zweite SiMe3-Einheit sind
vom Metallzentrum abgewandt. Um Zusammenhänge zwischen möglichen
Wechselwirkungen Ln-CH-Si-CH3 in diesen Alkylkomplexen zu erstellen, führten vor zehn
Jahren Schaverien & Nesbitt an verwandten Komplexen (C5Me5)La(CH(SiMe3)2)2,
(C5Me5)2Ln(CH(SiMe3)2) (Ln = La, Lu), M(CH(SiMe3)2)3 (M = La, Lu, Al) und
[Lu(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)K] sowohl in Lösung als auch im Festkörper umfangreiche NMR-
spektroskopische Hoch- und Tieftemperatur-Untersuchungen mittels hochauflösender CP
MAS (13C cross-polarization magic-angle-spinning) sowie Protonen-Breitband-Entkopplung
mit hoher Leistung durch.29 Die Autoren vermuten aufgrund ihrer Messergebnisse eine höhere
Stabilisierung des elektrophilen Metallzentrums durch Wechselwirkungen Ln···Siβ–Cγ(Me)
als Ln···Cγ(Me)–H.
Kürzlich wurden nun Ln-CH(SiMe3)2 Systeme mit ab-initio Methoden berechnet, um die
Natur der Wechselwirkungen zwischen Metallzentrum und Ligand genauer aufzuklären.
Sowohl DFT-Berechnungen an Ln(CH(SiR2R’)2)3 (Ln = La, Sm; R, R’ = Me, H) 30 als auch
am elektronenreicheren Cyclopentadienyl-Komplex (C5Me5)La(CH(SiMe3)2)2 31 kommen zu
dem Ergebnis, daß hauptsächlich Wechselwirkungen des Metalls mit der Siβ–Cγ Bindung
bestehen, die sich nahe am Metallatom befindet. Neben einem längeren Siβ–Cγ Abstand findet
man kurze Ln···Siβ und Ln···Cγ Distanzen, die kleiner sind als die Summe der van-der-Waals-
Radii. Dagegen liegen keine Anzeichen für agostische Cα–Siβ oder Cγ–H Wechselwirkungen
vor, sondern es scheint hier eher eine Ln···(C–H) Abstoßung zu bestehen.
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Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
7
Sm
COSi
LnI2 + 2 KC(SiMe3)3Benzol
- 2 KILn = Eu, Yb
SmI2(THF)2 + 2 KC(SiMe3)2(SiMe2OMe) - 2 KI
THF
Yb
CSi
Mitte der 90er Jahre gelang Eaborn et al. mit dem Tris(trimethylsilylmethyl)-Liganden die
Darstellung und Strukturuntersuchung des ersten lösemittelfreien Ln(II)-Alkylkomplexes
Yb(C(SiMe3)3)2 .25 Auffallend ist die gewinkelte Struktur mit einem C-Yb-C Winkel von
137°. Das isostrukturelle Eu(C(SiMe3)3)2 wurde analog synthetisiert (C-Eu-C: 136°).32
Beinahe zeitgleich berichteten Lappert et al. über die Synthese von ebenfalls zweiwertigem
aber solvatisiertem Yb(CH(SiMe3)2)2(Et2O)2, das aufgrund schlechter Kristallqualität
röntgenographisch nicht untersucht werden konnte. Überraschenderweise kommt es bei einer
analogen Reaktion mit KC(SiMe3)3 in Diethylether zur Etherspaltung unter Bildung eines
Ethoxy-verbrückten Dimers, das strukturell charakterisiert worden ist.33, 34
YbI2 + 2 NaCH(SiMe3)2 - 2 NaIYb(CH(SiMe3)2)2(OEt2)2
Et2O
YbI2 + 2 KC(SiMe3)3- 2 KI
Yb(C(SiMe3)3)2 0.5 [Yb(C(SiMe3)3)(µ-OEt)(OEt2)]2- CH(SiMe3)3- CH2CH2
Et2O
Durch Salzmetathese gelang es ebenfalls, den ersten divalenten Samariumalkylkomplex
Sm(C(SiMe3)2(SiMe2OMe))2(THF) zu erhalten. Dabei wurde ein leicht veränderter
Tris(trimethylsilylmethyl)-Ligand eingesetzt, bei dem eine Methylgruppe von einer SiMe3-
Einheit durch eine Methoxygruppe ausgetauscht worden ist. Dadurch kommt es zu einer
zusätzlichen stabilisierenden Koordination des Methoxy-O-Atoms am Samarium-Atom. Ein
THF-Molekül vervollständigt die Koordinationssphäre.35
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Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 8
LaCl
Li
CNSi
Yb
Cl
CSi
LaCl3 + 3 LiCH(SiMe3)2- 2 LiCl
PMDTA
LnCl3 + 3 LiCH(SiMe3)2- 2 LiCl
Ln = Er, Yb
[Li(THF)4]THF
Neben diesen erfolgreichen Synthesen und Strukturuntersuchungen an homoleptischen
Alkylkomplexen, die zum Teil auch Lösemittelmoleküle enthalten, findet man viele weitere
Versuche, in denen es zum unbeabsichtigtem und meist unerwünschtem Einbau zusätzlicher
Chlor- und Lithium-Ionen kommt.
Die Umsetzung von LnCl3 (Ln = Er, Yb) mit drei Äquivalenten LiCH(SiMe3)2 in THF führt
zur Bildung von Trialkylchlorometallat-Komplexen [Li(THF)4][Ln(CH(SiMe3)2)3Cl]. Wie in
den entsprechenden homoleptischen neutralen Verbindungen Ln(CH(SiMe3)2)3 umgeben die
drei Alkylliganden das Metallzentrum verzerrt trigonal-pyramidal.36
Durch Erhitzen einer Lösung von [Li(THF)4][Er(CH(SiMe3)2)3Cl] in Hexan erhält man das
strukturell nicht charakterisierte chloridfreie [Li(THF)4][Er(CH(SiMe3)2)4], das nicht
ausgehend vom Trialkylchloro-Komplex durch Chlorid-Alkyl Austausch mit LiCH(SiMe3)2
dargestellt werden konnte.
Die entsprechende Reaktion von LaCl3 mit drei Äquivalenten LiCH(SiMe3)2 in der
Gegenwart von PMDTA führt zu ebenfalls zu einem chloridhaltigen Produkt
[La(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)Li(PMDTA)]. In diesem Fall ist das Li(PMDTA)-Kation über das
Chlor-Atom mit dem Metallzentrum verbrückt.37
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
9
Lu
K
Cl
SiC
YCl3 + 3 LiCH(SiMe3)2- 2 LiCl
Et2O[Y(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)Li(OEt2)3]
LuCl3 + KCH(SiMe3)2
Lu(CH(SiMe3)2)3 + KCl
[Lu(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)K(OEt2)]
Et2O
Et2O- 2 KCl Vakuum
- Et2O
[Lu(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)K]
Et2O
Tol
Während Lappert et al. bei Umsetzungen von YCl3 mit LiCH(SiMe3)2 in
Lösemittelgemischen THF/Et2O bzw. Toluol/Et2O LiCl-freie Yttrium-Komplexe erhielten,
isolierten Westerhausen et al. bei der analogen Reaktion in Diethylether die entsprechende
Et2O-enthaltende Yttrat-Verbindung [Y(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)Li(OEt2)3], deren räumlicher
Aufbau der oben beschriebenen Lanthan-Verbindung ähnelt.38 Interessanterweise ist die Li-Cl
Bindung mit 0.2 Å im Yttrium-Komplex deutlich länger als im Lanthan-Komplex. Dagegen
ist das Ln-Cl-Li Fragment mit einem Bindungswinkel von Y-Cl-Li = 175° fast linear,
während es im Fall von La mit La-Cl-Li = 165° leicht gewinkelt ist. Die Autoren
klassifizieren daher ihr Yttrat als lockeres Kontaktionenpaar.
Genauere Untersuchungen zur Alkalimetallhalogenid-Addition an den Halogenid-freien
Lutetiumalkylkomplex lagen schon vorher von Schaverien & van Mechelen vor.39
Homoleptisches Lu(CH(SiMe3)2)3 reagiert mit KCl (und auch KBr) in Diethylether unter
Adduktbildung zu [Lu(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)K(OEt2)], das unabhängig davon durch Umsetzung
von LuCl3 mit drei Äquivalenten KCH(SiMe3)2 in Et2O erhalten wird. Das koordinierte Ether-
Molekül lässt sich im Vakuum entfernen und der so entstandene solvensfreie Komplex
reagiert mit Toluol zu [Lu(CH(SiMe3)2)3(µ-Cl)K(Tol)2]. Dieses Beispiel zeigt, wie stark die
Affinität von Lanthanoiden zu Halogeniden ist: sie übersteigt sogar die Gitterenergie von KCl
(bzw. KBr) und ist so zu Auflösung des Kristallgitters von festen Kaliumhalogeniden fähig.
In der Lanthanoidchemie ist besonders der sterisch anspruchsvolle CH(SiMe3)2-Ligand häufig
verwendet und intensiv untersucht worden.31 Deutlich weniger ist über das „kleinere“
CH2SiMe3 berichtet worden.40, 41
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 10
LnCl3 + 3 LiCH2SiMe3
Ln = Tb - Lu, Y, Sc
Hexan oder Pentan/Et2O/THF
- 3 LiClLn(CH2SiMe3)3(THF)2
Sm(O-2,6-iPr2C6H3)3 + 3 LiCH2SiMe3 [Li(THF)]2[Sm(O-2,6-iPr2C6H3)3(CH2SiMe3)2]
- LiCH2SiMe3
THF
2.1 Homoleptische Trimethylsilylmethyl-Verbindungen der Lanthanoide
Obwohl die ersten Tris(trimethylsilylmethyl)-Komplexe von Metallen der Gruppe 3 schon vor
fast 30 Jahren beschrieben worden sind, lagen zu Beginn dieser Arbeit keine
Strukturuntersuchungen an ihnen vor.
Erste Experimente wurden von Lappert & Pearce mit den leichten Selten-Erd-Elementen
Scandium und Yttrium durchgeführt.42 Nachdem Müller das System LnCl3/CH2SiMe3
ausführlich unter verschiedenen Reaktionsbedingungen (Lösemittel, Lösemittelgemische,
Alkylierungsreagenzien und Reaktionsdauer sowie -temperaturen) in seiner Dissertation
untersucht hat 43, erschienen wenig später sowohl Berichte von Schumann & Müller 44, 45 als
auch von Lappert et al. 36 über die entsprechenden Verbindungen der kleinen Lanthanoide
von Terbium bis Lutetium. Aufgrund der geringen räumlichen Ausdehnung des CH2SiMe3-
Liganden lassen sich nur basenstabilisierte Lösemittel-Addukte isolieren.18 Dabei
koordinieren meistens zwei Moleküle THF an das Lanthanoid-Zentrum. Bei tiefen
Temperaturen findet man dreifach solvatisiertes Er(CH2SiMe3)3(THF)3, wobei ein THF-
Molekül schon bei -25 °C abgespalten wird.43
Auf diese Weise gelang es nicht, die entsprechenden Derivate von größeren Lanthanoiden zu
synthetisieren. Unter gleichen Reaktionsbedingungen beobachtete man mit LaCl3 und NdCl3
keine Reaktion; mit SmCl3 entstanden nur vermutlich via α-Eliminierungsprozesse gebildete
Zersetzungsprodukte.44 Russische Arbeitsgruppen erhielten bei äquimolaren Umsetzungen
von NdCl3 mit LiCH2SiMe3 zwar metallorganische Produkte, die jedoch nur sehr dürftig
charakterisiert wurden.46
Ebenfalls scheiterte der Versuch von Clark et al., Sm(CH2SiMe3)3(THF)3 analog der
Bis(trimethylsilylmethyl)-Verbindung Sm(CH(SiMe3)2)3 über die Aryloxid-Route
darzustellen. Lässt man Sm(O-2,6-iPr2C6H3)3(THF)2 mit drei Äquivalenten LiCH2SiMe3
reagieren, wird ein THF-freier Alkylaryloxidkomplex gebildet, der formal das
Additionsprodukt von zwei Äquivalenten des Lithium-Liganden an das Samariumaryloxid
darstellt.47
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
11
Si
YTHF THF
Me3Si SiMe3
SiHC
CHY
DME
CH
SiCH
CHY
DME
CH
DME
- 4 SiMe42
2 Y(CH2SiMe3)3(THF)2 + 2 (C5HMe4Si(Me)2CH2CH=CH2)
- 2 SiMe4
Die Reaktion von vier Äquivalenten des Liganden mit Lanthanoidchloriden führt zur Bildung
von Tetra(alkyl)-Komplexen [Li(L)x][Ln(CH2SiMe3)4] (L = THF oder Et2O: x = 4, L =
TMEDA: x = 2; Ln = Er, Yb, Lu, Y).36, 45 Ausgehend von der Lutetium-Verbindung versuchte
Müller, die Zersetzungsprodukte dieser Lanthanoidalkyle zu charakterisieren. Unter
Abspaltung von SiMe4 wird die Bildung Carben-artiger Lutetium-Spezies
Li[Lu(CH2SiMe3)2(CHSiMe3)] bzw. TMEDA-solvatisiert [Li(TMEDA)][Lu(CH2SiMe3)2
(CHSiMe3)] postuliert. Bisher existieren jedoch keine Strukturuntersuchungen an diesen sehr
interessanten Lutetiumalkylverbindungen.
Vor kurzem gelang es Evans et al., das Zerfallsprodukt eines Cyclopentadienyl-stabilisierten
Bis(trimethylsilylmethyl)-Komplexes röntgenographisch zu untersuchen. Die zweifache
Eliminierung von SiMe4 aus (C5Me4Si(Me)2CH2CH=CH2)Y(CH2SiMe3)2(THF)2 resultiert in
einem Dimer, das trianionische Cyclopentadienylallyl-Ligandensysteme aufweist.48
Ebenso wie das Alkylyttrium-Edukt, dessen Kristalldaten in derselben Publikation angegeben
wurden, spielen auch die Derivate der schweren Lanthanoide Ln(CH2SiMe3)3(THF)2 (Ln =
Lu, Yb) inzwischen eine wichtige Rolle als Chlorid-freie Ausgangsverbindungen.49, 50, 51
Nachdem Teile der vorliegenden Arbeit auf einem Workshop vorgetragen wurden 52,
veröffentlichte Niemeyer eine kurze Mitteilung über die Festkörperstruktur von
Yb(CH2SiMe3)3(THF)2 .53
Alle Trimethylsilylmethyl-Ligandensysteme erfüllen die wichtige Vorraussetzung, keine β-
Wasserstoffatome zu besitzen, durch die es sonst zu Zersetzungsreaktionen via β-Hydrid-
Eliminierung kommt. Die Bildung von Halogenid- bzw. Alkalimetall-haltigen Produkten lässt
sich teilweise durch eine geeignete Kombination der Art des Alkalimetalls sowie des
Lanthanoid-Eduktes, der Lösemittel bzw. -gemische sowie der Stöchiometrie der Reaktanden
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 12
LnCl3 + 3 LiCH2SiMe3 + x THF Ln(CH2SiMe3)3(THF)x- 3 LiCl
THF/Pentan/Et2O
beeinflussen. Dennoch ist immer die Gefahr vorhanden, daß man die meist unerwünschten
ionischen „at“-Komplexe erhält.18
2.1.1 Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(THF)x
Die Umsetzung von drei Äquivalenten LiCH2SiMe3 mit den THF-Addukten von SmCl3,
ErCl3, YbCl3, und LuCl3 führt zur Bildung homoleptischer Verbindungen des Typs
Ln(CH2SiMe3)3. Diese weisen zusätzlich koordinierte THF-Moleküle auf, im Falle der
kleineren Lanthanoide Erbium, Ytterbium und Lutetium sind es zwei, beim größeren
Samarium drei (Abbildung 2.1).
Ln = Sm, x = 3 (1) Ln = Er, x = 2 (2) Ln = Yb, x = 2 (3) Ln = Lu, x = 2 (4)
Abb. 2.1: Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(THF)x
Die Erbium-, Ytterbium- und Lutetium-Verbindungen wurden nach Literaturvorschriften
hergestellt.43, 44 Durch intensive Untersuchungen des Systems LnCl3/CH2SiMe3 ergab sich,
daß man höchste Ausbeuten erzielt, wenn man bei Raumtemperatur eine konzentrierte
Pentanlösung von LiCH2SiMe3 zu einer Suspension des jeweiligen Lanthanoidchlorides in
einer Mischung aus Pentan/Diethylether (1:1) und einem leichten stöchiometrischen
Überschuss THF tropft. Nach ca. 2 Stunden Reaktionszeit, Filtration und Entfernen des
Lösemittelgemisches im Vakuum erhält man meist ölige Rückstände, die mit Pentan
extrahiert werden. Die Produkt enthaltenden Pentanlösungen (rosa für 2, orange für 3 und
farblos für 4) lassen sich leicht von dunkler gefärbten pentan-unlöslichen
Zersetzungsprodukten abdekantieren. Die Menge der gebildeten öligen Nebenprodukte ist
geringer, wenn man die Filtration bei tiefen Temperaturen durchführt und kaltes Pentan für
die Extraktion verwendet.
Durch einfache Metathesereaktion von SmCl3 mit drei Äquivalenten LiCH2SiMe3 in
THF/Pentan/Diethylether lässt sich ebenso bequem die entsprechende Samarium-Verbindung
darstellen. Während die Reaktion am besten bei Raumtemperatur durchgeführt wird, werden
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
13
alle weiteren Arbeiten vorzugsweise in der Kälte vorgenommen, um die Bildung von öligen
Nebenprodukten möglichst zu unterdrücken. Das Entfernen des Lösemittelgemisches bei
-50 °C ermöglicht sogar die Isolierung von festem gelben 1.
Bei all diesen Reaktionen ist die Reinheit der Startmaterialien von extremer Wichtigkeit.
Verwendet man auch nur leicht verunreinigtes LnCl3, erhält man kein oder nur sehr geringe
Mengen an Reaktionsprodukt. Die anfangs auftretende Verfärbung des Reaktionsgemisches
(im Fall von Sm, Er und Yb) tritt zwar ein, aber nach längerem Rühren oder bei weiterer
Hinzugabe des Liganden entfärbt sich die Lösung wieder. Man erhält farbige voluminöse
Niederschläge, die sich manchmal nach einiger Zeit zu Ölen verdichten. In diesen
Nebenprodukten müssen immer noch Metall-Kohlenstoff-Bindungen vorhanden sein, denn
die Niederschläge bzw. Öle verfärben sich an Luft und reagieren heftigst mit ungetrockneten
Lösemitteln.
Alle Verbindungen Ln(CH2SiMe3)3(THF)x sind gut löslich in aliphatischen und aromatischen
Kohlenwasserstoffen und daher ist eine Reinigung der Alkylverbindungen nur durch
Kristallisation möglich, die problemlos bei -36 °C aus Pentanlösungen erfolgt. Die Aufnahme
des NMR-Spektrums von 1 erfolgte in C6D6. Das Singulett der Wasserstoffatome der an das
paramagnetische Samarium-Atom bindende Methylengruppe tritt stark tieffeldverschoben bei
6.10 ppm auf (vgl. LiCH2SiMe3: δ = -2.07 ppm und 4: δ = -0.93 ppm 50). Trotz mehrerer
Messversuche an verschiedenen Proben konnte das Signal des Methylen-C-Atoms von der
CH2SiMe3-Gruppe im 13C-Spektrum nicht gefunden werden. Eine massenspektrometrische
Untersuchung der Alkylkomplexe war aufgrund der hohen Luftempfindlichkeit nicht möglich.
Die auftretenden Peaks resultieren nicht aus der Existenz von Lanthanoid-Metall, sondern
werden vielmehr von Silan- und Silanol-Zersetzungsprodukten verursacht (m/z: 147 =
[Me3Si-O-SiMe2]+, 75 = [Me2(OH)Si]
+, 73 = [Me3Si]+).
Bemerkenswert ist die Temperaturempfindlichkeit von 1. Bei Raumtemperatur verfärbt sich
gelbes 1 innerhalb weniger Stunden nach orange. Unter Schutzgasatmosphäre im Vakuum
abgeschmolzene Proben zerfließen nach wenigen Tagen in ein rotes Öl und hellgelbe
Pentanlösungen entfärben sich im Laufe einiger Tage unter Bildung eines rostroten THF-
unlöslichen Niederschlages. Dieser unterscheidet sich interessanterweise von dem roten Öl,
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 14
das sich in unterschiedlichem Maße während der Synthese bildet. Nachdem man das
ursprüngliche Reaktionsgemisch abfiltriert, die Lösemittel entfernt, den Rückstand extrahiert
und die gelbe Pentanlösung abdekantiert hat, verbleibt ein orange-rotes Öl. Dieses lässt sich
nach gründlichem Trocknen und Waschen mit Toluol oder Pentan in ein feines dunkelrotes
Pulver überführen, welches nur THF-löslich und sehr luftempfindlich ist. Bei seiner
Aufbewahrung sollte man darauf achten, daß bei dem länger andauernden Zersetzungsprozess
weiterhin gasförmige Produkte entstehen. Gleichzeitig wurde für eine Probe der zersetzten
Alkylverbindung mit 37.33 % Sm ein deutlich höherer Metallgehalt als der berechnete von
unzersetztem 1 (23.93 % Sm) bestimmt. Das in [D8]-THF aufgenommene 1H-NMR-Spektrum
(Abbildung 2.2) zeigt neben den THF-Peaks ein scharfes und ein verbreitertes Signal bei
hohem Feld, die genau wie die breiten schwachen Signale zwischen 0 und 1.5 ppm nicht
eindeutig zugeordnet werden können.
Abb. 2.2: zersetzte Probe (rot) von 1 in [D8]-THF (200 MHz, Raumtemperatur)
Leider gelang es nicht, Einkristalle dieses roten Pulvers zu erhalten. Kühlt man THF-
Lösungen ab, fällt nur ein amorpher Niederschlag aus. Beim Überschichten mit Toluol, Ether
oder Pentan bilden sich gelb bis rot gefärbte Öle.
Die analoge Erbium-Verbindung ist thermisch deutlich stabiler und zersetzt sich erst im Laufe
von ein bis zwei Tagen. Ihre Farbe ändert sich dabei von rosa nach hellbeige. Alle
-1.0-1.0-0.5-0.50.00.00.50.51.01.01.51.52.02.02.52.53.03.03.53.54.04.0 -1.0-1.0-0.5-0.50.00.00.50.51.01.01.51.52.02.02.52.53.03.03.53.54.04.0
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
15
THF/Pentan/Et2O/TTNdCl3 + 3 LiCH2SiMe3 + x THF
- 3 LiClNd(CH2SiMe3)3(THF)x ?
Lanthanoidalkylkomplexe, sowohl die Feststoffe als auch deren Lösungen, wurden deshalb
ausschließlich bei -36 °C gelagert.
Aufgrund der zunehmenden Temperaturempfindlichkeit bei größeren Lanthanoiden war es
nicht möglich, das Tris(trimethylsilylmethyl)-Derivat des Neodyms zu isolieren.
Tropft man bei Raumtemperatur die LiCH2SiMe3-Pentanlösung zu der milchigen hellblauen
NdCl3-Suspension, intensiviert sich der blaue Farbton deutlich. Aber schon während der
Reaktion und besonders nach der Filtration entsteht ein blaues Öl, dessen Menge schnell
anwächst und das sich über türkis und grün nach braun verfärbt. Bei Raumtemperatur lässt
sich diese Zersetzung innerhalb weniger Minuten deutlich beobachten. Arbeitet man konstant
bei -60 °C, ist es möglich, bei -78 °C aus der hellblauen Pentanlösung einen amorphen
Niederschlag zu erhalten. Bei dem Versuch diesen umzukristallisieren, bildete er jedoch das
pentan-unlösliche türkisfarbene Öl, das nicht weiter charakterisiert werden konnte.
2.1.2 Kristallstrukturuntersuchungen an Ln(CH2SiMe3)3(THF)x
Für die Röntgenstrukturanalyse geeignete Einkristalle von 1, 2, 3 und 4 erhält man aus
Pentanlösungen bei -36 °C. 1 kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21 mit zwei, die
isotypen Verbindungen 2, 3 und 4 ebenfalls monoklin aber in P21/n mit vier Molekülen in der
Elementarzelle (Abbildung 2.3). Ausgewählte Bindungsabstände und -winkel sind in den
Tabellen 2.1 und 2.2 zusammengefasst.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 16
Si1
C1
O1
C9
Er
O2
Si3
C5Si2
Si1
C1 O1
O3
Sm
O2Si3
C9
C5
Si2
Abb. 2.3: Molekülstruktur von 1 (links) und 2 (rechts)
Tab. 2.1: Ausgewählte Bindungsabstände (in Å) für 1, 2, 3 und 4
Ln-C1 Ln-C5 Ln-C9 Ln-O
1 2.49 2.48 2.49 2.55 - 2.59
2 2.40 2.42 2.39 2.35, 2.36
3 2.37 2.34 2.36 2.34, 2.36
4 2.36 2.38 2.35 2.30, 2.31
Tab. 2.2: Ausgewählte Bindungswinkel (in °) für 1, 2, 3 und 4
C1-Ln-C5 C5-Ln-C9 C1-Ln-C9 O-Ln-O O-Ln-C
1 107.7 101.1 105.4 73.8 - 80.6 85.4 - 162.8
2 133.8 116.3 109.9 177.7 87.4 - 91.9
3 134.9 115.4 109.5 177.7 87.8 - 92.5
4 133.7 116.2 110.0 177.7 87.5 - 91.8
In 1 weist das Samarium-Atom eine verzerrt fac-oktahedrale Koordination auf, die der der
Zentralatome in den Triphenyllanthanoid-Komplexen LnPh3(THF)3 (Ln = Er, Tm) 54 und den
Triphenylsiloxy-Verbindungen Ln(OSiPh3)3(THF)3 (Ln = Y 55, Ce 56) ähnelt. In allen
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
17
Verbindungen sind die Ligand-Ln-Ligand Winkel deutlich größer als die O(THF)-Ln-O(THF)
Winkel; in 1 ist dieser Unterschied am stärksten ausgeprägt (siehe Tabelle 2.3).
Tab. 2.3: Winkel (in °) um das Zentralatom
C-Ln-C bzw. O(Si)-Ln-O(Si) O(THF)-Ln-O(THF) Ref.
1 101.1 - 107.7 73.8 - 80.6 -
Y(OSiPh3)3(THF)3 100.8 - 102.3 79.6 - 82.2 55
Ce(OSiPh3)3(THF)3 100.4 - 103.3 76.5 - 83.1 56
ErPh3(THF)3 99.2 - 103.5 77.7 - 80.6 54
TmPh3(THF)3 99.8 - 102.9 79.0 - 81.0 54
Mit 2.48 bis 2.49 Å liegen die gemessenen Sm-C Abstände in 1 zwischen denen, die für
terminale und verbrückte CH2SiMe3-Liganden in [Li(THF)]2[Sm(O-2,6-iPr2C6H3)3-
(CH2SiMe3)2] (2.45 bzw. 2.56 Å) ermittelt wurden.47 Sie sind damit leicht kürzer als Sm-
C(Benzyl) Abstände ((C5Me5)2Sm(CH2Ph)(THF): 2.53 Å 57; (C5Me5)2Sm-(CH2Ph)2K(THF)2:
2.55 und 2.56 Å 58), aber dennoch in guter Übereinstimmung mit bereits vermessenen Sm-
C(Alkyl) Bindungslängen ((C5Me5)2SmMe(THF): 2.48 Å 59; [Sm(CH(SiMe3)2)3(µ-Me)2-
Li(PMDTA)]: Sm-CH 2.49 - 2.53 Å und Sm-CH3 2.33 Å 60; Sm(CH(SiMe3)2)3: 2.33 Å
24).
Die Röntgenstrukturanalyse der isomorphen Verbindungen 2 (pink), 3 (orange) und 4
(farblos) bestätigt die schon vermutete trigonal-bipyramidal Koordinationssphäre des
Metallzentrums mit den drei Alkylliganden in den äquatorialen Positionen (Abbildung 2.3).42
Die Molekülstrukturen sind der von Yb(CH2tBu)3(THF)2
61 sehr ähnlich. Die Winkel O-Ln-O
und O-Ln-C (siehe Tabelle 2.2) sind annähernd ideal. Interessanterweise wird wie in
Yb(CH2tBu)3(THF)2 auch hier nicht die höchstmögliche lokale C3h-Symmetrie für die
Ln(CH2SiMe3)3-Ebene verwirklicht, die eine gleichmäßige propellerartige Anordnung der
Liganden voraussetzt. Stattdessen weisen die Silylgruppen zweier Liganden zueinander, so
daß es zur Aufweitung des C1-Ln-C5 Winkels bis zu ca. 134° kommt (siehe Abbildung 2.4).
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 18
C9
LnC1C5
Me3Si
SiMe3 Me3Si
H
H
HH
H
H134°
116° 110°
Si3
Si1C1
C9
C5
Si2
Die von Niemeyer gemachte Beobachtung, daß diejenige Alkylgruppe, die die größte sterisch
bedingte Abstoßung erfährt, den längsten Ln-C Abstand aufweist (Ln-C5) 61, trifft in 2 und 4
zu. Eine derart genaue Untersuchung der Bindungslängen lässt die Kristallqualität von 3
leider nicht zu.
Abb. 2.4: Blick entlang der O-Ln-O Achse auf die C3Ln-Ebene in 2 - 4
Man findet in der Literatur nur wenige Beispiele für Er-C Abstände, bei denen das
Kohlenstoffatom nicht Bestandteil eines Cyclopentadienyl- oder Carboran-Ligandensystems
ist. Es liegen keine Werte für terminale Liganden vor, da die veröffentlichten
Bindungsabstände immer zu verbrückenden C-Atomen gehören. So ist es zu erklären, daß die
Bindungslängen Er-C in 2 mit 2.39 bis 2.42 Å kürzer sind als jene, die man in der Literatur
findet (Er-C(sp): 2.42 und 2.47 Å in [(C5H5)2ErCCtBu]2
62, 2.51 und 2.56 Å in [(2,4-
C7H11)2ErCCPh]2 63; Er-C(sp2): 2.49 - 2.54 Å in [(C5H5)2Er(µ,η2-HC=NCMe3)2]2 64; Er-
C(sp3): 2.57 Å in [Li(TMEDA)]3[ErMe6] 65 und 2.46 Å in [(C5H4(C5H9))2ErMe]2
66).
Während terminale Alkylliganden im allgemeinen längere Yb-C Abstände als in 3 aufweisen
(3: 2.34 - 2.37 Å; Yb-CH3: 2.36 Å in Cp2YbMe(THF) 67; Yb-CH2R: 2.36 - 2.39 Å in
Yb(CH2tBu)3(THF)2
61; Yb-CHR2: 2.37 - 2.39 Å in [Li(THF)4][Yb{(CH(SiMe3)2}3Cl] 36),
lassen sich die in 4 mit 2.35 bis 2.38 Å beobachteten Abstände gut mit Literaturverbindungen,
die ebenfalls ein Lu-CH2SiMe3-Fragment enthalten, vergleichen (2.31 - 2.34 Å in
[Li(THF)3][(C5Me5)Lu(CH2SiMe3)(CH(SiMe3)2)Cl] 68; 2.34 - 2.37 Å in [Lu(CH2SiMe3)2
(Krone)(THF)x][B(CH2SiMe3)Ph3] (Krone = [12]-Krone-4, x = 1; Krone = [15]-Krone-5, x =
0; Krone = [18]-Krone-6, x = 0) 51; 2.38 Å in Cp2Lu(CH2SiMe3)(THF) 69 und 2.39 Å in
[LuCl(2,6-(Me2NCH2)2C6H3)(CH2SiMe3)]2 70).
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
19
YbI2(THF)2 + 2 LiCH2SiMe3THF/Pentan/Et2O/RT [{LiCH2SiMe3(THF)}3(LiCH2SiMe3)] + LiI
Li1
C1
C5
C9
Li2
Li4
Li3
C13
COSi
Die durchschnittliche Ln-C Bindungslänge ist mit 2.49 Å in 1 deutlich länger als in 2 (2.41
Å), was auf die unterschiedlichen effektiven Ionenradien von Samarium und Erbium
zurückzuführen ist.71 Da die Standardabweichungen der Ln-C Abstände in 3 im Vergleich zu
2 und 4 relativ groß sind, ist der Trend von kürzeren Ligandenabständen zu kleineren
Lanthanoiden in den isostrukturellen Verbindungen nicht sichtbar. Mit durchschnittlich 2.36
Å für Yb-C in 3 ist die mittlere Metall-Ligand-Distanz zwar geringer als im Erbium- (2, 2.41
Å) aber fast genauso groß wie im Lutetiumalkyl (4, 2.36 Å). Die „Lanthanoidenkontraktion“
macht sich dagegen gut in den abnehmenden Ln-O(THF) Abständen bemerkbar (Sm: 2.58 Å,
Er: 2.36 Å, Yb: 2.35 Å, Lu: 2.31 Å).
2.1.3 Versuche mit LnI2(THF)2
Setzt man bei Raumtemperatur YbI2(THF)2 mit zwei Äquivalenten LiCH2SiMe3 um, färbt
sich die Suspension orange und es kommt zu einer Ölbildung. Fährt man analog der oben
beschriebener Synthesemethode fort, bildet sich bei -36 °C in dem Pentan-Extrakt ein oranges
Öl, aus dem sich nur LiI(THF)3 (in zwei neuen Kristallmodifikationen) und
[{LiCH2SiMe3(THF)}3(LiCH2SiMe3)] (5, siehe Abbildung 2.5) isolieren lassen.
5
Abb. 2.5: Molekülstruktur von 5
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 20
{Yb(CH2SiMe3)y(THF)y}YbI2(THF)2 + 2 LiCH2SiMe3THF/Pentan/Et2O/TT
- y LiI
Während lösemittelfreies LiCH2SiMe3 als Hexamer kristallisiert 72, beobachtet man in
Gegenwart von THF die Bildung eines Li4-Tetraeders, in dem die CH2SiMe3-Gruppen auf
den Tetraederflächen sitzen. Jedoch koordiniert nur an drei von den vier Lithium-Atomen
(Li1, Li2 und Li3) zusätzlich ein Molekül THF.
Arbeitet man ausschließlich in der Kälte (Vorkühlen aller verwendeten Lösungen,
Suspensionen und Lösemittel auf ca. -20 °C), kristallisieren aus dem blutorangen Filtrat über
Nacht bei -36 °C dunkelrote dicke Kristallklumpen von 6 neben wenigen orangen Kristallen,
die von Oxidation des zweiwertigen Ytterbiums zeugen. Genau wie bei den Umsetzungen mit
LnCl3 ist auch hier eine sehr gute Qualität des YbI2(THF)2 von großer Bedeutung. Leider
setzt sich die rote Kristallmasse immer aus dünnen Plättchen zusammen, die für die
Röntgenstrukturanalyse nicht geeignet sind.
6
Im 1H-NMR-Spektrum dieser sehr temperaturempfindlichen Substanz erkennt man breite
CH2SiMe3- und THF-Signale im Verhältnis 1:1. Die chemischen Verschiebungen der
Methylenprotonen (δ = -1.99 ppm) ähneln denen von LiCH2SiMe3 (δ = -2.07 ppm), es liegt
also ein zweiwertiger diamagnetischer Ytterbium-Komplex vor, der jedoch bei Raum-
temperatur nicht lange stabil ist. 6 zersetzt sich schon merklich innerhalb einer halben Stunde
unter Freisetzung von SiMe4 (NMR) und der Bildung von dunkelroten C6D6-unlöslichen
Ölen. Wie bei 1 war es nicht möglich, das Methylen-C-Atom vom CH2SiMe3-Liganden im 13C-NMR zu detektieren. Eine Summenformel der Form Yb(CH2SiMe3)2(THF)2 für 6 ist eher
unwahrscheinlich, da die vier „kleinen“ Liganden nicht in der Lage sein sollten, das große
Yb(II)-Atom koordinativ abzusättigen bzw. durch ihren sterischen Anspruch abzuschirmen.
Außerdem erhält man durch Metallanalyse einen Metallgehalt von 24.3 % Ytterbium, was
weit unter dem berechneten Wert von 35.2 % für Yb(CH2SiMe3)2(THF)2 liegt. Ein ebenfalls
höherer Metallgehalt wäre auch für dreiwertiges Yb(CH2SiMe3)3(THF)2 notwendig (29.9 %),
das aber aufgrund des NMR-Spektrums ausscheidet, da es eine paramagnetische Verbindung
ist und man außerdem ein 3:2 Verhältnis von CH2SiMe3- und THF-Signalen beobachten
sollte. Eine mit dem NMR-Spektrum und der Metallanalyse eher vereinbare Summenformel
weist das Ytterbat Li(THF)3Yb(CH2SiMe3)3 (26.3 % Yb) auf; Iod-haltiges Li2(THF)3
[Yb(CH2SiMe3)3I] enthält zu wenig Metall (21.9 %). Bei beiden Verbindungen würde sich
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
21
{Yb(CH2SiMe3)y(THF)y} + BPh3 {Yb(CH2SiMe3)y-1(THF)y}+ {BPh3(CH2SiMe3)}
-[D8]-THF
SmI2(THF)2 + 2 LiCH2SiMe3THF/Pentan/Et2O/TT "Sm(II)-CH2SiMe3" ?
aber dann die Frage stellen, wie ihr räumlicher Aufbau aussähe; sowohl dreifach koordiniertes
Ytterbium wie auch Lithium erscheint ungewöhnlich.
Von diesem Yb-CH2SiMe3-THF Komplex lässt sich bei Zugabe von B(C6H5)3 eine
kationische Verbindung 7 erhalten, die eine CH2SiMe3-Gruppe weniger als 6 besitzt.
7
Im 1H- und 13C-NMR-Spektrum einer [D8]-THF-Probe von 7 (dunkelgrün) erkennt man
deutlich die Signale für das Borat [B(C6H5)3(CH2SiMe3)]- .50 Leider gelang es auch in diesem
Fall nicht, Einkristalle für die Röntgenstrukturanalyse zu erhalten.
Verwendet man zweiwertiges Samarium, kann man den Verlauf der Alkylierungsreaktion
wegen der dunkelblauen Farbe von SmI2(THF)2 nicht mehr so bequem an den
Farbänderungen verfolgen.
Lässt man Sm(II) mit LiCH2SiMe3 unter Eiskühlung miteinander reagieren, wird aus der
anfangs dunkelblauen Suspension eine dunkelgrüne Lösung mit einem öligen dunkelbraunen
Bodensatz. Nach Filtration und Abziehen des Lösemittelgemisches bleibt nur ein pentan-
unlösliches grünes Öl übrig. Führt man die gleiche Reaktion bei -60 °C durch, erhält man
ebenfalls die dunkelgrüne Lösung, jedoch tritt der Farbumschlag später und langsamer als im
obigen Versuch ein. Am besten hat sich das allmähliche Zutropfen einer Raumtemperatur
warmen Pentanlösung des Liganden zu der auf -60 °C gekühlten SmI2-Suspension erwiesen.
In keinem Fall gelang aber die Isolierung eines festen Produktes. Die grüne Lösung entfärbte
sich jedes Mal bei der Aufbewahrung über Nacht im Tiefkühlschrank, und man findet nur
noch ein braun-grünes Öl mit einer farblosen überstehenden Lösung vor. Eine weitere
Charakterisierung der Reaktionsprodukte gelang nicht.
Eine andere Möglichkeit divalente Samarium-Komplexe zu erhalten, besteht in der Reduktion
eines SmIIIR2Cl Precursors mit Alkalimetallen. Der Versuch dreiwertiges Samarium in einer
Pentan-Lösung von Sm(CH2SiMe3)2Cl mit Natrium zu reduzieren blieb jedoch erfolglos.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 22
- - -
Cp2MCl2 + 2 LiCHPh2- 2 LiCl
M = Zr, Hf
Zr
2.2 Heteroleptische Trimethylsilylmethyl-Verbindungen der Lanthanoide
Die Temperaturempfindlichkeit der Lanthanoidalkyle Ln(CH2SiMe3)3(THF)2 lässt sich durch
Verwendung eines alternativen Liganden mit einem größeren sterischen Anspruch
herabsetzen, da aus einer besseren räumlichen Abschirmung des Metallzentrums eine höhere
kinetische Stabilität der entsprechenden Lanthanoid-Komplexe resultieren sollte. Gleichzeitig
wird die Wahrscheinlichkeit herabgesetzt, daß Lösemittelmoleküle an das Lanthanoidion
koordinieren. Lösemittelfreie Komplexe wären in der Katalyse vorteilhafter, da
koordinierende Donormoleküle (Lewis-Basen) mögliche freie Koordinationsstellen des
Lewis-sauren Metallzentrums blockieren.
2.2.1 Der Benzhydrylligand -CHPh2
Auf der Suche nach einem solchen neuen Liganden erschien das voluminöse CHPh2-Anion
viel versprechend. Mit zwei Phenylgruppen in Nachbarschaft zum deprotonierten C-Atom
könnte es zur Delokalisierung der negativen Ladung kommen, was mehrere Bindungsarten
ermöglicht und so die Bildung von solvensfreien Komplexen begünstigen könnte.
ηηηη1 ηηηη3 ηηηη5 Abb. 2.6: mögliche Bindungsarten im CHPh2-Anion
Über den Benzhydrylliganden wurde schon früh in der Literatur berichtet.73 Erste Struktur-
untersuchungen wurden viele Jahre später an Cyclopentadienyl-Komplexen von Zirconium
und Hafnium durchgeführt (Cp2M(CHPh2)2 mit M = Zr, Hf).74 Zu ihrer Synthese setzte man
zwei Äquivalente von in situ hergestelltem LiCHPh2 als THF-Lösung mit den entsprechenden
Dichloriden Cp2MCl2 um.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
23
Li
CHLiO
Na2
Na1
Na1
Na2
CHNNa
Na2Na1
Beide CHPh2-Gruppen sind η1 zu den jeweiligen Metallzentren gebunden. Im Fall des
Zirconiums ist die M-C(CHPh2) σ-Bindung deutlich länger als der Abstand M-C(CH3) in der
Methylverbindung Ind2ZrMe2. Dies trifft allerdings nicht für Hafnium und dem analogen
Ind2HfMe2 zu. Der Verdrillungswinkel der Phenylringe zueinander ist für beide
Verbindungen annähernd gleich (57.8° für Zr und 56.8° für Hf).
Im freien Carbanion, das man durch Addition von 12-Krone-4 zu einer THF-Lösung von
LiCHPh2 erhält (8), liegt die Diphenylmethyl-Einheit planar vor (Abbildung 2.7).75 Das
Methyl-C-Atom weist eine annähernd trigonal-planare Umgebung auf. Weitere
Wechselwirkungen mit Atomen aus anderen Molekülen liegen nicht vor.
Abb. 2.7: [Li(12-Krone-4)2][CHPh2] (8)
Die Basenaddukte mit PMDTA und TMEDA des Natrium-Salzes sind ebenfalls strukturell
untersucht worden.76 Man erhält sie durch Deprotonierung von Diphenylmethan mit nBuNa in
Gegenwart eines leichten stöchiometrischen Unterschusses von PMDTA bzw. TMEDA. Das
PMDTA-Solvat liegt als Monomer vor, in dem das Anion wie im Lithium-Salz planar ist.
Dagegen kristallisiert TMEDA-solvatisiertes NaCHPh2 als cyclisches Tetramer, in dem die
Phenylringe nicht mehr koplanar sind (Verdrillung 22° und 24°). Dies wird mit ihrer
Koordination an die Natrium-Ionen begründet. Das Methyl-C-Atom ist wie im PMDTA-
Komplex und in 8 sp2-hybridisiert (Abbildung 2.8).
Abb. 2.8: NaCHPh2� PMDTA (links) und (NaCHPh2
� TMEDA)4 (rechts)
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 24
CH2Ph2 + nBuLi tBuOK KCHPh2
Hexan/RT
- tBuOLi, - BuH
LnCl3 + 3 KCHPh2THF/DME, 0°C/RT/reflux, 1d – 4w
Ln(CHPh2)3
Verschiedene Möglichkeiten zur Metallierung von CH2Ph2 sind bereits in der Literatur
beschrieben worden.73, 77 Bei den folgenden Versuchen wird hier das adduktfreie Kalium-Salz
des Diphenylmethan eingesetzt, daß man als leuchtend oranges KCHPh2 (9) in praktisch
quantitativer Ausbeute durch Umsetzung von kommerziell erhältlichem CH2Ph2 mit der
Schlosser-Base, einer 1:1 Mischung von nBuLi/tBuOK, in Hexan erhält.78, 79 Da sich 9 nur in
sehr polaren Lösemitteln löst, kann man es mit aromatischen und aliphatischen
Kohlenwasserstoffen waschen, um das tBuOLi zu entfernen.
9
Im [D5]-Pyridin 1H-NMR-Spektrum resonieren die ortho- und meta-Phenylprotonen als
Multiplett zwischen 7.0 - 7.4 ppm; das Signal der para-Phenylprotonen erscheint als Triplett
vom Triplett bei 6.24 ppm und das des CH-Protons als Singulett bei 5.23 ppm. Für die CH-
Gruppe findet man im gated decoupled 13C-NMR-Spektrum eine außergewöhnlich große 1J(13C,1H)-Kopplungskonstante von 146 Hz. Dies weist auf einen hohen Anteil an sp2-
Hybridisierung am C-Atom hin (zum Vergleich: trans-Diphenylethen 1J(13C,1H) = 151 Hz,
cis-Diphenylethen 1J(13C,1H) = 155 Hz 80). Eine massenspektrometrische Untersuchung sowie
die Bestimmung des Schmelz- bzw. Zersetzungspunktes des pyrophoren 9 waren aufgrund
der extremen Luftempfindlichkeit nicht möglich. Bewahrt man feste Proben von 9 in
Schnappdeckelgläsern in der Handschuhbox auf, beobachtet man nach einigen Wochen
Zersetzungserscheinungen, die sich in weißen Verfärbungen der obersten Pulverschicht
bemerkbar machen.
2.2.2 Versuche zur Darstellung homoleptischer CHPh2-Komplexe
Es gelang nicht, homoleptische Ln(II)- oder Ln(III)-CHPh2-Komplexe zu synthetisieren.
9
Leuchtend oranges 9 löst sich in THF oder DME mit dunkelroter Farbe. In den ähnlich dunkel
gefärbten Reaktionsansätzen konnte man daraufhin nicht eindeutig erkennen, ob und in
welchem Maße es zu einem Reaktionsumsatz gekommen ist. Die 1:2 (für YbI2(THF)2) bzw.
1:3 (für LuCl3 und YbCl3) Umsetzungen wurden bei unterschiedlichen Temperaturen in THF,
DME oder anderen Lösemittelgemischen mit Reaktionszeiten von bis zu 4 Wochen
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
25
Cp2VCl2 + 2 LiCHPh2 Cp2V + Ph2CH-CHPh2 + 2 LiCl
durchgeführt. Entfernt man nach Filtration das bzw. die Lösemittel, erhält man dunkel
gefärbte Öle. Beim Aufnehmen mit Toluol bleiben meist dunkle Niederschläge zurück.
Weder durch gründliches Trocknen noch durch Waschen mit Hexan bzw. Pentan lassen sich
die öligen Rückstände in ein Pulver überführen. Überschichtungsversuche von THF- oder
DME-Lösungen mit Toluol oder aliphatischen Kohlenwasserstoffen resultieren nur in der
Bildung von dunklen orangeroten Ölen. Auch die im Arbeitskreis Okuda durchgeführten
Umsetzungen von dreiwertigen Lanthanoidchloriden mit dem Diphenylmethylliganden
ergaben nur Öle, aus denen keine Produktabtrennung gelang.81
Interessanterweise färbt sich eine gelb-orange Suspension aus YbI2(THF)2 und zwei
Äquivalenten KCHPh2 in Toluol, in dem beide Edukte nicht löslich sind, innerhalb einer
Stunde deutlich dunkelrot. Filtriert man von dem dunklen, braunroten Rückstand, der sich an
Luft schnell nach gelb verfärbt, ab, erhält man zwar ein fest erscheinendes Produkt. Aufgrund
seiner nur minimalen Ausbeute konnte es jedoch nicht weiter charakterisiert werden.
Manchmal beobachtet man bei Reaktionen mit Yb(II) eine Entfärbung des
Reaktionsgemisches, entweder nachdem es mit einem Wasserbad erwärmt wurde oder
nachdem kalte (-78 °C) Proben auf Raumtemperatur auftauten. Aus den farblosen Lösungen
gelang schließlich die Isolierung eines weißen Pulvers, dessen 1H-NMR-Spektrum viele
Signale im tiefen Feld aufweist, die auf aromatische Protonen schließen lassen. Einer
Röntgenstrukturanalyse zufolge handelt es sich aber um Tetraphenylethan. Scheinbar liegt die
Diphenylmethyl-Einheit teilweise als Radikal vor, deren Dimerisierung dann Ph2HC-CHPh2
liefert.74
Bis auf die problemlose Synthese der CHPh2-Derivate von Cp-stabilisierten Zirconium- und
Hafnium-Verbindungen, werden auch bei einer ganzen Reihe von Übergangsmetallen von
synthetischen Schwierigkeiten mit diesem Liganden berichtet. Während z. B. reduktive
Alkylierungen bei Vanadium öfter vorkommen – die Umsetzung von vierwertigem Cp2VCl2
mit zwei Äquivalenten LiCH(SiMe3)2 liefert monoalkyliertes dreiwertiges Cp2V(CH(SiMe3)2)
– wurde bei Reaktionen von Cp2VCl2 mit zwei Äquivalenten LiCHPh2 quantitativ Cp2V und
das Kupplungsprodukt Ph2CH-CHPh2 erhalten.74
Gleichfalls scheiterten Versuche, ausgehend von verschiedenen Halogeniden homoleptische
CHPh2-Komplexe der Übergangsmetalle Ti, Zr, Hf, V, Cr, Mo, Mn, Fe und Y darzustellen,
man erhielt in allen Fällen Öle. Seidel et al. gelang nur die Synthese von CrCl2(CHPh2)(THF),
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 26
YCl3 + 2 LiCH2SiMe3 + 2 LiOCMe3 [(Me3SiCH2/Me3CO)Y(OCMe3)4{Li(THF)}4Cl]+[Y(CH2SiMe3)4]
-
LuCl3 + 2 LiCH2SiMe3 + 1 KCHPh2- 2 LiCl, - 1 KCl
THF/Pentan/Et2O Lu(CH2SiMe3)2(CHPh2)(THF)2
das durch LiPh zu CrPh2(CHPh2) weiter alkyliert werden konnte.82 In Folgereaktionen mit
weiteren Substraten erfolgt jedoch sofort Reduktion von Cr(III) zu Cr(II) unter Abspaltung
des Benzhydrylliganden. Offensichtlich ist die Metall-C(CHPh2) σ-Bindung sehr labil, was
die Schwierigkeiten bei der Synthese homoleptischer Verbindungen erklärt.74
2.2.3 Synthese eines heteroleptischen Lu-CHPh2-Komplexes
Die Synthese eines Diphenylmethyllanthanoid-Komplexes gelang schließlich durch
Alkylierung einer R2LnCl-Vorstufe. Aufgrund ihrer sehr guten Löslichkeit wurde für R die
Trimethylsilylmethyl-Gruppe CH2SiMe3 gewählt.
Der gezielten Synthese von neutralen rein σ-gebundenen Organolanthanoid(III)-Komplexen
wurde bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt.22 Während die Tetra(alkyl)-Sm(III)
Verbindung [Sm(CH(SiMe3)2)3(µ-Me)Li(PMDTA)] noch koordiniertes Li(PMDTA)
enthält 60, ist der alkalimetallfreie Cp-Komplex (C5Me5)Lu(CH2SiMe3)(CH(SiMe3)2)(THF)
strukturell nicht untersucht worden.68 Beim Versuch, eine gemischte Alkylalkoxidverbindung
direkt aus einfachen Ausgangsmaterialien darzustellen, erhielten Evans et al. einen ionischen
Komplex, wobei es zur Bildung eines komplizierten Ionenpaares kommt. Im
heterometallischen Li4Y-Kation sind neben einer fehlgeordneten CH2SiMe3/OCMe3-Gruppe
Alkoxid- und Chloridliganden vorhanden, das Anion besteht aus einem homoleptischen
Alkylyttrium-Komplex.40
Fügt man eine konzentrierte THF-Lösung von 9 zu einem Reaktionsgemisch aus einem
Äquivalent LuCl3 und zwei Äquivalenten LiCH2SiMe3, beobachtet man eine glatt ablaufende
Metathesereaktion, bei der man gelbes Lu(CH2SiMe3)2(CHPh2)(THF)2 (10) in mäßiger
Ausbeute erhält.
9 10
10 stellt den ersten neutralen heteroleptischen Lanthanoidkomplex dar, der neben
koordinierenden Lösemittelmolekülen ausschließlich drei σ-gebundene Alkylliganden besitzt.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
27
Im Vakuum abgeschmolzene Proben sind bei Raumtemperatur mehrere Tage ohne Zersetzung
haltbar. Die 1H- und 13C-NMR-Spektren in C6D6 zeigen bei 25 °C einen doppelten Signalsatz
im hohen Feld. Offensichtlich führt die langsame Rotation des Benzhydrylliganden zu
diastereotopen CH2SiMe3-Gruppen. Bemerkenswert ist die im Gegensatz zum Kalium-
Liganden deutlich kleinere 1J(13C,1H)-Kopplungskonstante von 125 Hz für CHPh2, die auf
eine tetraedrische Koordination (sp3-Hybridisierung) des Methyl-C-Atom hinweist.
Gibt man zwei Äquivalente 9 zu einer Mischung aus einem Teil LuCl3 und einem Teil
LiCH2SiMe3 kommt es trotz intensiver Kühlung (Isopropanol/Trockeneis) der rotorangen
Suspension direkt zur Bildung eines dunkler gefärbten Öls. Aus der abfiltrierten und
konzentrierten leuchtend orangen Lösung lassen sich bei -78 °C in geringer Ausbeute orange
Nadeln isolieren, die sich jedoch beim Versuch sie umzukristallisieren in ein gelbes Öl mit
überstehender gelber Lösung auflösen.
Ölbildung verhinderte auch bei analogen Versuchen mit Samarium eine Produktabtrennung.
Zusätzlich erschwert wurden diese Reaktionen durch die Temperaturempfindlichkeit des Sm-
CH2SiMe3 Vorläufers.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 28
C1
O
K
C1
O
K
K
C1C1
C2
C8
K
C1
C1
C8C1
C1
C1C1
C1
C8
KOCH
2.2.4 Kristallstrukturuntersuchungen an KCHPh2 und Lu(CH2SiMe3)2(CHPh2)(THF)2
Einkristalle von 9 erhält man durch Überschichten einer THF-Lösung mit Pentan, im Fall von
10 durch Kühlen einer gesättigten Pentan-Lösung auf -36 °C.
Das THF-Addukt von 9, in dem das CHPh2-Anion wie in 8 planar ist, kristallisiert
hochsymmetrisch in der orthorhombischen Raumgruppe Fdd2 mit acht Molekülen in der
Elementarzelle. Röntgenographische Charakterisierungen von Phenylmethylkalium-
Verbindungen beschränkten sich bisher auf KCH2Ph und KCPh3, deren PMDTA-, DIGLYM-
oder THF-Solvate im Festkörper meist polymere Zickzack-Ketten bzw. Schichtstrukturen
bilden.83, 84
Die Strukturuntersuchung an orangem [KCHPh2.0.5THF] � enthüllt dessen komplexe
dreidimensionale Struktur, in der das Kalium-Atom tetraedrisch von zwei aliphatischen
Kohlenstoffatomen, einem Phenylring und einem THF-Molekül umgeben ist (Abbildung 2.9).
Abb. 2.9: Molekülstruktur von [KCHPh2.0.5THF] � ;
die Kohlenstoff-Atome der THF-Moleküle sind nicht dargestellt
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
29
K'
C9
C2'
C8
H1'
O
C1'
C1H1
C8'
C2
C9'
K
C8''
H1''
C1''
C11'
C2''K''
Das Sauerstoffatom des THF-Moleküls koordiniert dabei an die Kalium-Ionen zweier
benachbarter KCHPh2-Moleküle, die gegenseitig mit den Phenylgruppen des jeweils anderen
Moleküls wechselwirken (Abbildung 2.10). Mit 3.00 und 3.10 Å liegen die K-C1 bzw. K-
C1’’ Abstände in [KCHPh2.0.5THF] � im Bereich bisher gemessener K-C σ-Bindungen (2.91
- 3.10 Å 85).
Abb. 2.10: Molekülstruktur von [KCHPh2.0.5THF] � . Symmetrieoperation zur Erzeugung äquivalenter Atome:
(‘) 1.5-x, 1.5-y, z, (‘‘) 1.25-x, -0.25+y, -0.25+z, (‘‘‘) 1.25-x, 0.25+y, 0.25+z. Ausgewählte Bindungslängen (in Å)
und -winkel (in °) (Cg = Zentrum des sechsgliedrigen Ringes C8-C13): K-C1 3.00, K-C2 3.25, K-C8 3.57, K-
C8‘ 3.70, K-C9‘ 3.44, K-C10‘ 3.14, K-C11‘ 3.08, K-C12‘ 3.26, K-C13‘ 3.54, K-Cg‘ 3.07, K-C1‘‘ 3.10, K-C2‘‘
3.17, K-C8‘‘ 3.34, K-O 2.78, C1-C2 1.44, C1-C8 1.43, C1-K-Cg‘ 111.2, C1‘‘-K-Cg‘ 123.7, C1-K-C1‘‘ 122.5,
K-C1-K‘‘ 165.42, C1-K-O 101.3, C1‘‘-K-O 92.1, O-K-Cg‘ 93.4, O-K-C11‘ 111.6, K-O-K‘102.4, C2-C1-C8
132.1, C8-C1-H1 115.9, H1-C1-C2 111.9, C2-C1-K 86.4, C8-C1-K 101.1, C2‘‘-C1‘‘-K 79.3, C8‘‘-C1‘‘-K 86.5 .
Das Koordinationspolyeder von C1 ist eine verzerrte trigonale Bipyramide mit den Kalium-
Atomen in den axialen Positionen (K-C1-K: 165.4°). Die Winkel zwischen den äquatorialen
Liganden um C1 weichen etwas von dem idealen Wert von 120° ab, was auf den größeren
sterischen Anspruch der beiden Phenylringe zurückzuführen ist (C2-C1-C8 132.1°, C8-C1-H1
115.9°, H1-C1-C2 111.9°). Der Schnittwinkel zwischen den beiden Ebenen, die von den
Phenylringen gebildet werden, beträgt 3°. Neben der intensiven Farbe, der Planarität und der
beinah idealen trigonal-planaren Koordinationssphäre von C1 sind auch die kurzen
Einfachbindungen C1-C2 (1.44 Å) bzw. C1-C8 (1.43 Å) Anzeichen für einen erheblichen
Grad an Delokalisierung im CHPh2-Anion, wie sie auch in 8 vorliegt. Diese ist dagegen im
Trityl-Anion (-CPh3) geringer ausgeprägt, da eine optimale Überlappung der π-Systeme durch
die propellerartige Anordnung der Phenylringe verhindert wird.75 Berechnet man die
Überlappung der π-Systeme, die als cosθ2-Funktion vom Torsionswinkel θ der π-Ebenen
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 30
C2C9C10
C1C8η6η3C11
H1
C2
C13C12
C1
C8
KK
C11
H1 C13 C12
O
abhängig ist 83, sollte in [KCHPh2.0.5THF] � mit θ = 3° zu rund 100 % eine π-Delokalisierung
vorhanden sein. Die Planarität der CHPh2-Einheit liegt auch in Lösung vor, was sich in der im
NMR gemessenen großen CH-Kopplungskonstante, welche annähernd denen von Phenyl-
substituierten Ethen-Verbindungen entspricht, widerspiegelt.
Während kleine „harte“ Kationen wie Li+ normalerweise nur mit dem Zentrum der höchsten
Ladungsdichte wechselwirken, beobachtet man mit zunehmenden Ionenradius (Li → Cs)
zunehmend Multihapto-Wechselwirkungen. Das „weichere“ K+ bevorzugt dabei mehr
delokalisierte anionische Einheiten wie z. B. Phenylringe. Dabei kann sich die Position des
Kalium-Ions weg von dem eigentlichen Carbanion hin zu peripheren Phenylgruppen
verschieben, zu denen im Extremfall eine η6-Koordination erreicht wird. 83, 84
In [KCHPh2.0.5THF] � findet man das Kalium-Atom in einer leicht unsymmetrischen Position
zu dem Phenylring (siehe Abbildung 2.11). Die Abstände zu den para- und meta-C-Atomen
(C11: 3.08 Å, C10 und C12: 3.14 und 3.26 Å) sind kürzer als zu den ortho- und ipso-C-
Atomen (C9 und C13: 3.44 und 3.54 Å, C8: 3.70 Å). Mit 2.99 Å ist jedoch die η3-Bindung
(zu C10, C11 und C12) nur unwesentlich kürzer als die η6-Bindung zum Mittelpunkt des
gesamten Phenylringes Cg (3.07 Å).
Abb. 2.11: Lage der Kalium-Atome zu den Phenylringen in [KCHPh2.0.5THF] �
Nach Weiss et al. ist bei solchen alkalimetallorganischen Verbindungen eine exakte
Festlegung von Koordinationszahlen und Haptizitäten aufgrund stark variierender Abstände
nicht mehr sinnvoll.84 Mit 3.07 Å liegt der K-Cg Abstand nur knapp über der Summe von
1.33 Å für den Ionenradius von K+ und 1.70 Å für die halbe van-der-Waals-Ausdehnung eines
Benzolringes.39 Der mittlere Abstand des Kalium-Atoms zu den Phenyl-C-Atomen liegt wie
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
31
Si2
O2
C18
C8LuC1
H1
C14 C2
O1
Si1
die K-Cg Distanz im Bereich beobachteter ηn-Koordinationen (n = 3 - 6) von K+-Ionen an
Phenylringe (K···ηn-Ph: 2.96 - 3.30 Å 85).
Einer Röntgenstrukturanalyse von monoklinem 10 zufolge ist die Koordination des Lutetium-
Zentrums verzerrt trigonal-bipyramidal, wobei sich die Alkylliganden in den äquatorialen
Positionen befinden (Abbildung 2.12).
Abb. 2.12: Molekülstruktur von 10. Ausgewählte Bindungslängen (in Å) und -winkel (in °): Lu-C1 2.45, Lu-
C14 2.35, Lu-C18 2.34, Lu-O1 2.31, Lu-O2 2.30, C1-C2 1.46, C1-C8 1.46, C1-Lu-C14 132.8, C1-Lu-C18
114.1, C14-Lu-C18 113.0, O1-Lu-O2 176.5, O1-Lu-C1 83.6, O1-Lu-C14 93.0, O1-Lu-C18 90.0, O2-Lu-C1
93.5, O2-Lu-C14 90.4, O2-Lu-C18 89.4, C2-C1-C8 124.6, C2-C1-Lu 100.4, C8-C1-Lu 110.0.
Die Lu-C(CHPh2) Bindung ist mit 2.45 Å deutlich länger als zu den beiden
Methylenkohlenstoffatomen (Lu-C14 = 2.35 Å, Lu-C18 = 2.34 Å), was sich auf den größeren
sterischen Anspruch des Benzhydrylliganden zurückführen lässt. Die beiden Lu-
C(CH2SiMe3) Abstände sind leicht kürzer als der mittlere Lu-C Abstand im homoleptischen
Lu(CH2SiMe3)3(THF)2 (4, 2.36 Å), sie liegen aber im Bereich bisher untersuchter Lu-
C(CH2SiMe3) Bindungslängen von 2.35 - 2.39 Å (siehe Kapitel 2.1.2).
Wie in 4 ist die O-Lu-O Achse mit 176.5° fast linear und die C-Lu-O Winkel betragen im
Schnitt 90°. Blickt man von oben auf 10, sieht man diesmal die THF-Moleküle genau
übereinander (Abbildung 2.13), in 4 waren sie gestaffelt (Abbildung 2.4). Mit 132.8° ist der
C1-Lu-C14 Winkel deutlich größer als die anderen beiden Winkel C-Lu-C in der trigonal-
planaren Ebene.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 32
C8
C14
Lu
C18
C1
C2
H1
Abb. 2.13: Blick auf 10 von oben
C1 ist sowohl im Festkörper wie auch in Lösung tetraedrisch koordiniert, die CHPh2-
Kopplungskonstante von 126 Hz entspricht genau der von sp3 hybridisierten C-Atomen.80 Im
Gegensatz zu 8 und 9, in dem die CHPh2-Einheit planar vorliegt, sind bei 10 die Phenylringe
vom CHPh2 gegeneinander verdreht. Mit 40.3° ist der Verdrillungswinkel kleiner als in
Cp2Zr(CHPh2)2 oder Cp2Hf(CHPh2)2 .74 Daraus ergibt sich ein wesentlich höherer π-
Überlappungsanteil als in den Diphenylmethyl-Zirconium- oder -Hafniumkomplexen.
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
33
2.3 Carben-Addukte von dreiwertigen Lanthanoidalkyl-Verbindungen
Auf der Suche nach einer Stabilisierung der temperaturempfindlichen Lanthanoidalkyle
Ln(CH2SiMe3)3(THF)x bietet sich neben der Verwendung von sterisch anspruchsvollen
Liganden auch der Ersatz der Lösemittelmoleküle durch einen stärkeren neutralen Donor wie
z. B. einem N-heterocyclischen Carben an. Verschiedene Derivate des außergewöhnlich
stabilen Imidazol-2-ylidens haben sich schon bei Bindungsknüpfung zu elektronenarmen
Zentren wie GeI2, AlH3 und BH3 bewährt.86 Aufgrund ihres nucleophilen Charakters sollten
Imidazol-2-ylidene beim Austausch von THF-Molekülen in den ebenfalls sehr
elektronenarmen Lanthanoidalkylverbindungen einen stabilitätssteigernden Einfluss haben.
Darüber hinaus sind die mit dem Carben-C-Atom koordinierenden Donoren sterisch
anspruchsvoller als der cyclische Ether. Bei Polymerisationsprozessen wird zusätzlich die
Ausbildung einer bimodalen Molmassenverteilung vermieden.16 Besonders wichtig ist bei
Umsetzungen mit Lanthanoidalkylen schließlich die Tatsache, daß man im Gegensatz zum
THF mit N-heterocyclischen Carbenen bisher keine Zersetzungsreaktionen beobachtet hat.
Während Übergangsmetallkomplexe mit N-heterocyclischen Carbenen ob ihrer Masse schon
ausführliche Übersichtsartikel verlangen 87, ist das Gebiet der Lanthanoidcarbenkomplexe
erstaunlich übersichtlich geblieben. Synthesen von Organolanthanoid-Carben-Addukten
beschränkten sich neben wenigen Beispielen von dreiwertigen Lanthanoiden (zwei Triflate 88,
zwei Amide 89 und ein Cyclopentadienylkomplex 90) bisher meist auf zweiwertige
Verbindungen von Samarium und Ytterbium mit unterschiedlichen Cyclopentadienyl-
liganden.16, 88, 91 Von diesen hat sich der divalente Samariumcarbenkomplex
(C5Me5)2Sm(iPr,Me-Carb) bereits in der lebenden Polymerisation polarer Monomere bewährt,
bei der man in hohen Ausbeuten flüssigkristalline Homo- und Blockcopolymere erhält. Im
Gegensatz zu den THF-enthaltenden Katalysatorsystemen (C5Me5)2Sm(THF)2 und
(C5Me4Et)2Sm(THF)2 lässt sich bei Verwendung des Carben-Adduktes keine Schulter in der
Molmassenverteilung detektieren, die auf das Wachsen einer zweiten Polymerkette am
Metallzentrum hindeutet.16
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 34
Ln(CH2SiMe3)3(THF)2 +
N
:C
N
- THFLn(CH2SiMe3)3(THF)( )
N
:C
N
2.3.1 Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(THF)(iPr,Me-Carb)
Die äquimolare Umsetzung von Ln(CH2SiMe3)3(THF)2 (Ln = Er (2), Lu (4)) mit 1,3-Di-iso-
propyl-4,5-dimethylimidazol-2-yliden (iPr,Me-Carb; 11) 92 führt in guten Ausbeuten zur
Bildung der ersten Lanthanoidalkyl-Carben-Addukte 12 und 13.
Ln = Er (2), Lu (4) 11 Ln = Er (12), Lu (13)
Abb. 2.14: Synthese der Lanthanoidalkyl-Carben-Addukte 12 und 13
Tropft man eine konzentrierte Lösung von 11 zu einer konzentrierten Lösung des
Lanthanoidalkyls, bildet sich innerhalb weniger Minuten ein rosafarbener (Er) bzw. farbloser
(Lu) Niederschlag. Der Ersatz eines THF-Moleküls durch ein Carben führt zu einer
geringeren Löslichkeit von 12 und 13 in aliphatischen Kohlenwasserstoffen und erhöht deren
thermische Stabilität (Schmelz- bzw. Zersetzungspunkte um 100 °C). Während die
Empfindlichkeit amorpher Carben-Komplexe gegenüber Luft und Feuchtigkeit annähernd
bestehen bleibt, wirken kristalline Proben deutlich inerter. Rosa Kristalle von 12 verfärben
sich außerhalb der Schutzgasatmosphäre erst im Laufe von ca. einer Minute nach rosa-orange,
mikrokristallines farbloses 13 wird dagegen sofort dunkelbeige.
Die chemischen Verschiebungen in den 1H- und 13C-NMR-Spektren von 13 haben sich
gegenüber denen der Ausgangsverbindungen 4 und 11 nicht wesentlich verändert. Mit δ =
199.5 ppm für :C liegt das Signal im Bereich der bisher gemessenen Werte für koordinierende
Carben-C-Atomen in diamagnetischen Yb-Cp-Komplexen.91
Interessanterweise verbleibt trotz des hohen sterischen Anspruchs des Isopropyl-Carben-
Moleküls das zweite THF-Molekül am Lanthanoid, während die stöchiometrische Reaktion
von dem „kleineren“ Dimethyl-Carben mit dem Y-Silylamid Y[N(SiHMe2)]3(THF)2 zu einem
direkten Ersatz beider THF-Moleküle durch das Carben führt.89
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
35
Y(N(SiHMe2)2)3(THF)2 +
N
:C
N
- 2 THF( )Y(N(SiHMe2)2)3
N
:C
N
Si2C5
Si1
C1
N2Er C13
O
N1
C9
Si3
2.3.2 Kristallstrukturuntersuchungen an Ln(CH2SiMe3)3(THF)(iPr,Me-Carb)
Für die Röntgenstrukturanalyse geeignete Einkristalle erhält man aus gesättigten
Pentanlösungen bei -36 °C. 12 (Abbildung 2.15) und 13 kristallisieren isotyp in der
monoklinen Raumgruppe P21/c mit 4 Molekülen in der Elementarzelle. In Tabelle 2.4 sind
ausgewählte Bindungsabstände und -winkel zusammengefasst, in Tabelle 2.5 sind zum
Vergleich die entsprechenden Werte für die Bis(THF)-Addukte 2 und 4 mitaufgeführt.
Abb. 2.15: Molekülstruktur von 12
Tab. 2.4: Ausgewählte Bindungsabstände (in Å) und -winkel (in °) für 12 und 13.
Ln-C13 Ln-O Ln-C O-Ln-C1 N1-C13-N2 O-Ln-C13
12 2.52 2.49 2.39 - 2.40 166.4 104.2 75.8
13 2.49 2.46 2.36 - 2.38 167.1 104.6 76.2
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 36
C5
O1
Er
O2
C1C9C5
C1
C13
Er
O
C9
Tab. 2.5: Vergleich entsprechender Abstände (in Å) und Winkel (in °) in 2, 4, 12 und 13.
Ln-C(CH2) Ln-O ax1-Ln-ax2 eq-Ln-eq ax1-Ln-eq ax2-Ln-eq
2 2.39 - 2.40 2.35, 2.36 177.7
133.8, 116.3, 109.9
87.4, 89.2, 90.5
89.7, 91.9, 91.9
4 2.35 - 2.36 2.30, 2.31 177.7
133.7, 116.2, 110.0
87.5, 89.3, 90.4
89.7, 91.7, 91.9
12 2.39 - 2.40 2.49 166.4 119.1, 118.2, 116.3
75.8, 82.6, 86.2
90.7, 101.9, 102.6
13 2.36 - 2.38 2.46 167.1 119.1, 118.0, 116.5
76.2, 82.2, 86.2
91.0, 101.7, 102.5
ax1, ax2, eq: Liganden in axialen und äquatorialen Positionen
Die Koordinationssphäre vom Lanthanoid-Zentrum in 12 und 13 ist verzerrt trigonal-
bipyramidal, das THF-Molekül und ein Alkylligand befinden sich in den axialen Positionen,
aber die Winkel O-Ln-C1 weichen deutlich von dem Idealwert ab (12: 166.4°, 13: 167.1°).
Das Carben-Molekül und zwei Alkylliganden umgeben die Metallzentren mit C-Lu-C
Winkeln von ca. 116 - 119°. Auf den ersten Blick scheinen sich hier die drei Liganden
gleichmäßiger in der Ebene zu verteilen. Abbildung 2.16 zeigt jedoch deutlich das Abknicken
des THF-Moleküls hin zum Carben (O-Ln-C13: 75.8° in 12 und 76.2° in 13); zusätzlich sind
die Bindungen C5-Ln und C9-Ln Bindung aus der „Ebene“ ausgelenkt. Auffällig ist
außerdem die gleiche Fehlordnung des THF-Moleküls in 12 und 13. In beiden Verbindungen
ist C26 zwischen zwei Positionen mit einem Besetzungsverhältnis von 57 : 43 fehlgeordnet.
Abb. 2.16: Koordination von Erbium in 2 (links) und 12 (rechts)
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen
37
Während sich die Bindungslängen Ln-C(CH2SiMe3) fast gar nicht verändert haben, sind die
Ln-O Distanzen in 12 und 13 auffallend länger als in 2 und 4. Erwartungsgemäß weisen die
Bindungslängen Ln-C13 (2.52 Å für 12 und 2.49 Å für 13) auf gedehnte Einfachbindungen
hin. Im Fall des Lutetium-Komplexes 13 liegt damit der kürzeste gefundene Abstand für ein
an ein Lanthanoid koordinierendes Kohlenstoffatom vor, was im Einklang damit steht, daß
Lu(III) das kleinste Metallzentrum in der Reihe der gemessenen Lanthanoid-Carbenkomplexe
ist (Tabelle 2.6). Gleichzeitig erkennt man deutlich den Einfluss der Lanthanoiden-
kontraktion: alle Bindungen in 12 sind leicht länger, wobei die Differenz der Bindungslängen
(0.032 Å bei Ln-C13, 0.039 Å bei Ln-O(THF) und 0.025 Å bei Ln-C(CH2SiMe3)) dem
Unterschied der Ionenradien von Erbium und Lutetium entspricht.71
Die Winkel N1-C13-N2 sind mit 104.2° bzw. 104.6° nur wenig größer als im
unkoordinierenden 11 (101.9° 93). Das Yliden in 12 und 13 ist praktisch planar und mit den
Winkeln um C13 von nur wenig mehr als 120° (N1-C13-Ln: 125.8° in 12 und 125.7° in 13,
N2-C13-Ln: 129.5° in 12 und 129.3° in 13) liegt annähernd eine sp2-Hybridisierung des
Carben-C-Atoms vor.
Tab. 2.6: Vergleich ausgewählter Daten aller strukturell charakterisierten Lanthanoid- und Yttriumcarbenkomplexe (in Å, ° bzw. ppm)
Ln-C: N-C:-N δδδδ(C:) Ref.
iPr,Me-Carb (11) a) - 101.9 205.9 93
12 2.52 104.2 - b)
13 2.49 104.6 199.5
(C5Me4Et)2Yb(Me,Me-Carb) 2.67 103.2 205.0 91
(C5H3tBu2)2Yb(Me,Me-Carb) 2.60 102.5 201.8 91
(C5Me5)2Sm(Me,Me-Carb)2 2.84, 2.85 101.1, 101.9 - c) 88
[(Me2HSi)2N]3Y(Me,H-Carb) 2.55, 2.56 - d) 190.3 89
[(Me2HSi)2N]3Y(Me,H-Carb)2 2.65, 2.67 - d) 194.0 89
(C5H4tBu)2ClSm(iPr,Me-Carb) 2.62 101.9 - e) 90
(C5Me5)2Sm(iPr,Me-Carb) 2.78 103.5 - e) 16
a) R,R’-Carb = 1,3-di(R)-4,5-di(R’)imidazol-2-yliden; b) wurde aufgrund des Paramagnetismus nicht vermessen; c) konnte nicht detektiert werden; d) keine Angabe; e) Angabe nur des 1H-NMR-Spektrums
-
Trimethylsilyl-Alkylverbindungen 38
Ln(CH2SiMe3)3(THF)(iPr,Me-Carb) + (iPr,Me-Carb)
- THFLn(CH2SiMe3)3(
iPr,Me-Carb)2
2.3.3 Synthese von Ln(CH2SiMe3)3(iPr,Me-Carb)2
Setzt man die zweifach THF-solvatisierten Lanthanoidalkyle 2 und 4 direkt mit zwei
Äquivalenten Carben um, ist die Reaktion aufgrund der Schwerlöslichkeit der zuerst
gebildeten THF-Carben-Verbindungen nur unvollständig. Das NMR-Spektrum von
Versuchen mit Lutetium weist sowohl Signale von unreagierten Edukten als auch von
Produkten auf, deren genaue Zuordnung nicht möglich ist. Bei entsprechenden Versuchen mit
Erbium erkennt man wechselnde Mengen an rosafarbenen und farblosen Niederschlägen, die
sich nicht trennen lassen. Daher empfiehlt es sich, erst in konzentrierten Lösungen die
Mono(Carben)-Verbindungen 12 und 13 herzustellen und zu isolieren, und dann diese
wiederaufzulösen, bevor man sie mit dem zweiten Äquivalent Carben reagieren lässt.
Ln = Er (12), Lu (13) 11 Ln = Er (14), Lu (15)
Zum einen entfernt man durch das Abdekantieren der Reaktionslösung das nach der ersten
Umsetzung frei gewordene THF und entzieht es so dem Gleichgewicht, das wegen der
Schwerlöslichkeit von 12 bzw. 13 sowieso schon auf der Seite der Mono(Carben)-
Verbindungen liegt. Zum anderen kann man gut den Reaktionsverlauf der zweiten
Substitution verfolgen, die die Löslichkeit der Trimethylsilylmethyl-Lanthanoide in
aliphatischen Kohlenwasserstoffen weiter herabsetzt. Bei der Vereinigung der in Pentan
gelösten Edukte fallen die Produkte wiederum in Form von feinen blassrosa (14) bzw.
farblosen (15) Ni