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Nachbarn Nr. 1 / 2012 Zürich Arme Kinder in der Schweiz Auch im Kanton Zürich sind 20 000 Kinder von Armut betroffen. Zwei Familien erzählen, was das für sie bedeutet.

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Magazin zu Kinderarmut in der Schweiz, soziale Integration, Caritas

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Page 1: Nachbarn 1/12 Zürich

NachbarnNr. 1 / 2012Zürich

Arme Kinder in der SchweizAuch im Kanton Zürich sind 20 000 Kinder von Armut betroffen. Zwei Familien erzählen, was das für sie bedeutet.

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Inhalt

Schwerpunkt

Arme Kinder in der Schweiz

Armut grenzt Kinder aus, ein Leben lang. Denn Armut wird vererbt, die soziale Mobi-lität in der Schweiz ist gering. Wer arm ist, wird hier selten reich. Für Kinder hat dies weitreichende Konsequenzen: Sie können nicht mit ihren Kameradinnen und Kamera-den mithalten und stehen im Abseits.Auch im Kanton Zürich sind geschätzte 20 000 Kinder betroffen. Zwei Familien er-zählen, was das für sie bedeutet. Zudem stellt Caritas Zahlen, Fakten und Lösungs-ansätze vor. ab Seite 6

Zum Schutz der betroffenen Kinder haben wir Bilder von Models verwendet.

Inhalt

Wahre Freundschaft ist keine Frage des Geldes, sollte man meinen …

2 Nachbarn 1 / 12

Editorial

3 von Max ElmigerDirektor Caritas Zürich

Kurz & bündig

4 News aus dem Caritas-Netz

1963

12 In der Schweiz angekommen Wenn die Kinder von Saisonarbeitern zu ihren Vätern kommen.

Persönlich

13 «Was hat Ihnen als Kind am meisten gefehlt?»

Sechs verschiedene Antworten.

Caritas Zürich

14 Einblick in andere Verhältnisse Zwei Fachleute über ihre Erfahrungen mit armen Familien im Kanton Zürich.

15 5 Jahre Wachstum Der Caritas-Markt in Winterthur feiert den fünften Geburtstag. Eine Erfolgsgeschichte.

17 Neu eingekleidet Brida von Castelberg in unserem Second-hand-Laden im Viadukt in Zürich.

18 News von Caritas Zürich

21 Anschluss finden dank dem CompiFreiwillige lehren Armutsbetroffenen den Umgang mit dem Computer.

Kiosk

16 Ihre Frage an uns

Gedankenstrich

19 Kolumne von Tanja Kummer

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Editorial

3

«Nachbarn», das Magazin der regionalen Caritas-Stellen, erscheint zweimal jährlich. Gesamtauflage: 38 500 Ex.

Auflage ZH: 12 780 Ex.

Redaktion: Ariel Leuenberger

Gestaltung und Produktion: Daniela Mathis, Urs Odermatt

Druck: Stämpfli Publikationen AG, Bern

Caritas ZürichBeckenhofstrasse 168021 ZürichTel. 044 366 68 68www.caritas-zuerich.chPC 80-12569-0

An einem Podium meinte ein Politiker: «Wir müssen besorgt sein, dass die richtigen Eltern Kinder kriegen; nur solche, die sich Kinder leisten können.» Mit Recht ging ein Raunen durch den Saal. Eine ungeheuerliche Aussage! In der Schweiz leiden wir an zwei Problemen: Es grassiert die Armut an Kindern und die Armut von Kindern. Beides hat auch wirtschaftliche Grün-de. Aber Kinder nur für Vermögende, das ist sicher die falsche Lösung.Ein Kind kostet rund eine halbe Million Franken bis zur Selb-

ständigkeit. Kein Wunder, scheuen sich viele Paare, Kinder zu haben. Kin-der bedeuten zwar eine grosse Freu-de, aber ebenso viel Belastung. Kein Wunder, geraten Familien schnell in finanzielle Engpässe, wenn das zwei-te oder dritte Kind da ist. Häufig fällt spätestens dann ein zweiter Verdienst weg, oder er wird wegen der Teilzeit-

arbeit mindestens geschmälert. Die Kosten steigen zudem mit der grösseren Wohnung, dem geräumigeren Auto, den Versi-cherungskosten. Wenn ich meine Kinder betrachte, dann sträubt es sich in mir, von Kosten zu reden. Wenn schon, sind sie eine Investition in ein zukünftiges Leben, sie bedeuten Herausforderung und Freude. Eine Investition, die sich auszahlt durch Zuneigung und Heimat. – Aber nicht alle können es so privilegiert betrach-ten. Für eine wachsende Gruppe bedeuten Kinder Einschrän-kungen, Sparübungen, Isolation. In diesem Magazin erfahren Sie hautnah, wie es solchen Familien ergeht. Und wie Sie uns helfen können, dass Kinder zu einem Reichtum werden dürfen.

Herzlich,

Liebe Leserin, lieber Leser

Max Elmiger Direktor Caritas Zürich

«Ein Kind kostet rund eine halbe Million Franken bis zur Selbstän-digkeit.»

Nachbarn 1 / 12

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Kurz & bündig

4 Nachbarn 1 / 12

Caritas-Markt

LichtblickeIn den Caritas-Märkten können Armutsbetroffene zu Tiefstpreisen einkaufen.

Mit dem Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs können Ar-mutsbetroffene rund 30 Prozent sparen gegenüber dem Einkauf im Supermarkt. Zum Einkauf berechtigt sind Menschen, die am oder unter dem Existenzminimum leben. Nach einer Budget-überprüfung erhalten sie eine Einkaufskarte, die ein Jahr lang gültig ist, und kõnnen sich dafür etwas leisten, was ihnen sonst verwehrt wäre: einen Kinobesuch, einen Ausflug oder ein neues Paar Schuhe. Kleine Lichtblicke in einem sorgenreichen Alltag.Möglich ist dies dank der Solidarität, welche die Märkte täglich von vielen Seiten erfahren. Seit 20 Jahren unterstützen Freiwil-lige die Verantwortlichen in den Filialen, Unternehmen belie-fern die Zentrale mit Produkten, die sie nicht mehr verkaufen kõnnen, und Spenderinnen und Spender helfen die Kosten zu tragen. Ohne diese Hilfe kõnnten die Caritas-Märkte nicht exis-tieren, denn sie erwirtschaften keine Gewinne.Im Jubiläumsjahr 2012 wird es in allen Caritas-Märkten speziel-le Rabatttage geben, denn auch unsere Kundinnen und Kunden sollen ein Geschenk erhalten. www.caritas-markt.ch

Caritas-Markt

Erfolgs- geschichteVor 20 Jahren wurde der erste Caritas-Markt eröff-net, seither wächst das Netz ständig.

Der erste Caritas-Markt õffne-te 1992 in Basel seine Tore, bald darauf folgten weitere Märkte in Luzern und Bern. Schweizweit be-treibt Caritas heute 23 Märkte, und das Netz wächst: Im letzten Jahr sind neue Märkte in Baar, Baden und Biel erõffnet worden.

Eine Zentrale in Rothenburg (LU) ist für die Akquisition und die Verteilung der Waren zuständig – jährlich rund 13 000 Paletten. Hier kommen Lieferungen aller Gross-verteiler der Schweiz an. Waren aus Überproduktionen, schadhaf-ten Serien, Falschlieferungen oder Liquidationen sowie gespendete Lebensmittel. Die Qualität der Le-bensmittel ist einwandfrei und un-terliegt den strengen Bestimmun-gen des Lebensmittelgesetzes.

Caritas-Märkte gibt es in der ganzen

Schweiz.

2011 gab es neue Märkte in

Baar, Baden und Biel.

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Kurz & bündig

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Migration

Flüchtlingstag in labyrinthischer FormFlüchtlinge und vorläufig Aufgenommene leisten einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Berufswelt und Gesellschaft.

Im Rahmen des UNHCR-Weltflüchtlingstags veranstalten am Samstag, 16. Juni 2012, verschiedene Schweizer Städte und Ge-meinden einen nationalen Flüchtlingstag. Auf dem Berner Bun-desplatz und auf dem Zentralplatz in Biel wird ein Labyrinth interaktiv und spielerisch den Weg zur Integration von Flücht-lingen aufzeigen. Integration ist ein Gewinn für beide Seiten, und Flüchtlinge haben der Schweiz viel zu geben: Talent, Be-rufserfahrung, Motivation und die Begeisterung über ihre neu-en beruflichen und sozialen Möglichkeiten. Organisiert wird der Anlass von mehreren Hilfswerken, darunter die Caritas Bern. Vorgängig wird ein «Flashmob» auf den Flüchtlingstag auf-merksam machen. Vielerorts organisiert die Caritas, gemein-sam mit anderen Organisationen, die Flüchtlingstage. So in Aarau, Arbon, Bern, Basel, Luzern, St. Gallen, Sarnen, Zofingen und Zürich.

NEWS Sport hebt die Stimmung

Ein gesunder Körper stärkt den Geist, wussten schon die Römer. Dass diese Weisheit auch für Arbeitslose gilt, zeigt ein Pilotprojekt der Suva bei Caritas Lu-zern: Im Caritas Bauteilmarkt turnen die Teilnehmenden jeden Morgen ein paar Minuten. Das Programm ist fest in den Tagesablauf integriert, rund 70 Arbeits-lose machen mit.

Frauen reden die gleiche Sprache

Rapperswil-Jona, Gossau, Wil, Flawil und Uzwil starteten zusammen mit Cari-tas St. Gallen-Appenzell das Projekt «FemmesTISCHE». Das ist ein Elternbil-dungsprogramm mit Migrantinnen: Frau-en tauschen sich in einer Gesprächs- runde mit einer Moderatorin in ihrer Mut-tersprache aus. Sie reden über Erzie-hung, Familie oder Ernährung, behan-deln Integrationsthemen und erhalten Informationen über das Schulsystem.

KulturLegi vergünstigt Ferien

Caritas und Reka arbeiten bei der Kultur-Legi zusammen: Armutsbetroffene kön-nen neu bei der Reka ohne administrati-ven Aufwand Ferien buchen, praktisch gratis. Zu einem Solidaritätspreis von 100 Franken können sie eines der reser-vierten 100 Arrangements für Ferien in der Schweiz beantragen. Das Anmelde-formular kann hier heruntergeladen wer-den:www.kulturlegi.ch, www.reka.ch

Pfarreien sammelten für Caritas

Die Opfer der Gottesdienste Ende Janu-ar und Anfang Februar 2012 spendeten zahlreiche Pfarreien der Deutschschweiz erneut zu Gunsten von regionalen Cari-tas-Projekten. Dieses Jahr wurden ar-mutsbetroffene Kinder in der Schweiz un-terstützt. Durch die Sammlung kamen über 130 000 Franken zusammen. Wir danken den Pfarreien für die vielen Spenden. Dass es viel zu tun gibt, zeigt das Hauptthema dieses Magazins.

An über 200 Orten in der Schweiz gibt es Veranstaltungen zum Flüchtlingstag.

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Rubrik

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Freundschaften machen Kinder stark und zuversichtlich – das Leben macht mehr Spass, wenn man schöne und schwierige Momente mit anderen teilen kann.

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Schwerpunkt

ichel (14), schwärmt vom Bugatti, den er kürzlich in einem Automobilmuseum gesehen hat. Sven

(12) spielt gerne Fussball und hat sich gerade einen blauen Schal ge-strickt. Bryan (11) hat in der Schule lieber Englisch als Mathe und spielt am freien Nachmittag gerne mit Kollegen im Freien. Natalie (11) hat Freude am Velofahren und will spä-ter einmal Physiotherapeutin oder Topmodel werden. Michel, Sven, Bryan und Natalie – vier Kinder mit unterschiedlichen Neigungen und Wünschen, die eine Erfahrung ge-meinsam haben: Sie wissen, was es heisst, von der Sozialhilfe zu leben.

Michel und seine FamilieDie Mutter von Michel lebt seit der Trennung von ihrem Partner vor bald elf Jahren alleine mit ihm und seinem jüngeren Bruder Yves. Bis vor vier Jahren war auch noch

«Unsere Mutter kann zaubern»In der Schweiz sind viele Kinder von Armut betroffen. Wie erleben sie ihre Situation? Wo spüren sie am meisten, dass bei ihnen daheim weniger Geld da ist als bei ihren Kolleginnen und Kollegen? Wie gehen sie damit um? Begegnungen mit Kindern aus Sozialhilfe beziehenden Familien.

Text: Ursula Binggeli Bilder: Zoe Tempest

M te Mal vor acht Jahren begegnet, obwohl er gar nicht so weit weg wohnt. Nun ist Michel der Mann im Haus, er nimmt den Gästen beim Eintreten die Mäntel ab und bringt ihnen ein Glas Mineralwasser. Im Gespräch erzählt er dann, dass es ihm im Moment in der Schule nicht gut laufe. Dem Vierzehnjährigen ist das Lernen verleidet, er steht auf Kriegsfuss mit den Hausaufgaben, seine Leistungen werden immer schlechter. Seine Mutter hat ihm das Fussballspielen so lange un-tersagt, bis er wieder bessere Noten heimbringt. Nun hofft sie, dass der bevorstehende Umzug der Familie in eine andere Gemeinde die Wende bringt: Ein neues Schulhaus, neue Kollegen, eine neue Lehrperson – vielleicht packt es Michel dann! In der Freizeit zeigt Michel bereits jetzt, was er kann. Im Freizeittreff für Behinderte, den sein Bruder ein Mal im Monat besucht, ist er neu-erdings Leiter. Er freut sich über

Michels Schwester dabei, aber sie ist unterdessen 20 und wohnt nun bei ihrem Freund. Michels Mutter hat früher als Coiffeuse gearbeitet und dann verschiedene Teilzeitjobs gehabt. Seit sie mit den Kindern alleine ist, arbeitet sie jedoch nicht mehr ausser Haus. Eine Tagesmut-ter sei zu teuer, sagt sie. Und: «Ich wollte und konnte mich nicht von den Kindern trennen.» Vor allem Yves braucht viel Aufmerksamkeit. Er hat eine leichte geistige Behin-derung und besucht eine heilpäda-gogische Schule. Die Familie lebt schon lange von der Sozialhilfe. Michels Mutter hat sich in den letzten zehn Jahren sehr zurückgezogen. Zum Ausge-hen habe sie weder Zeit noch Geld gehabt, sagt sie dazu. Ihre Kontakt-freude lebt sie heute am Computer aus: Im Internet hat sie Kollegen gefunden, mit denen sie sich regel-mässig online austauscht. Seinem Vater ist Michel das letz-

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Rubrik

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die neue Aufgabe, doch er ist kei-ner, der Zukunftspläne schmieden mag – auch beruflich: Er weiss noch nicht, was er werden möchte. Seit kurzem hat Michel vom Projekt «mit mir» der Caritas einen Götti und eine Gotte vermittelt erhalten. Das Ehepaar unternimmt mit ihm regelmässig Ausflüge – zum Bei-spiel ins Automobilmuseum oder in den Europapark. Lässig sei das, sagt er, und lächelt.

Zu Besuch bei Sven, Bryan und Natalie In Svens Klasse ist im Klassenrat einmal das Sackgeld thematisiert worden. Seither weiss der Zwölfjäh-rige, dass eine seiner Kolleginnen regelmässig 50 Franken bekommt, wenn sie eine gute Prüfung ge-schrieben hat. Er erzählt das ganz

Diese bezahlt Frau S. nun einen Sprachkurs, ihr Deutsch wird von Monat zu Monat besser und sie hofft, in absehbarer Zeit Arbeit zu finden. Sven, Bryan und Natalie be-wegen sich bereits ziemlich selbst-verständlich in der neuen Sprache. Dass Familie S. eisern sparen muss, wird nicht nur beim Sack-geld deutlich. Im Winter kann je-weils nur eines der Kinder mit der Klasse ins Skilager reisen. Wenn Sven und Natalie in den Sommer-ferien die regionale Fussballwo-che für daheimgebliebene Kinder besuchen, übernimmt das Sozial-amt zwar den Kurs, aber nicht die Busbillette hin und zurück. Die elf-jährige Natalie erzählt, dass diese Zusatzkosten das Familienbudget jeweils sehr belasten, «weil dort alles schon ganz genau eingeteilt

Zusammenhalten, auch wenn es manchmal schwierig ist: Wahre Freunde sind immer füreinander da.

sachlich. Seine jüngere Schwester Natalie berichtet, sie kenne Mäd-chen, die sich vom Sackgeld sogar neue Kleider kaufen können. Ihr Zwillingsbruder Bryan übersetzt daraufhin, was die Mutter der drei Geschwister gerade auf Portugie-sisch gesagt hat: «Unsere Mutter hat manchmal Schuldgefühle, weil sie uns kein Taschengeld geben kann.» Und dann fügt er spitzbü-bisch an: «Aber sie gebe uns dafür ganz viele liebe Küsse, sagt sie.» Alle lachen. Frau S. ist vor dreieinhalb Jahren mit ihren Kindern von Brasilien in die Schweiz gekommen, in die Heimat des Ex-Mannes, in der Hoffnung, als Alleinerziehende ih-ren Kindern hier bessere Chancen bieten zu können. Seit die Familie da ist, lebt sie von der Sozialhilfe.

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Schwerpunkt

ist». Mit dem Sparen kennt sich je-des der Kinder bestens aus. Letztes Jahr konnte Familie S. eine Ferienwoche im Tessin verbrin-gen. Das Wetter war schön, es war warm, es hatte so viele Ameisen wie in Brasilien, aber weil das Sozi-alamt den Bungalow bezahlte, aber halt nichts an die Extras, die auch zum Ferienglück gehören, gab es für die Familie keine kleinen Freu-den wie hie und da eine Glace oder Besuche im Schwimmbad. Natalie sagt zwar: «Mami kann zaubern!», wenn sie davon erzählt, wie ihre beiden Brüder und sie von der Mutter zum Geburtstag stets Geschenke erhalten. Aber sie weiss, dass ihr grosser Wunsch für den nächsten Geburtstag – mit ihren Freundinnen eine Bowlingbahn in einem Restaurant besuchen, so wie es andere Mädchen in ihrer Klasse auch machen – möglicherweise ein Wunsch bleiben wird. «Es kostet halt», sagt sie nüchtern. «Mami sagt, dass sie es probiert, aber viel-leicht geht es nicht.»

Haustiere liegen nicht drinSven weiss, dass sein Wunsch nach einem Hund unerfüllbar ist. Haus-tiere sind im Budget nicht vorge-sehen. Die Meerschweinchen und Hamster, die sie vor einiger Zeit von einem wegziehenden Nachbarn übernommen hatten, mussten sie aus demselben Grund weiterver-schenken. «Das Futter war zu teu-er», erklärt Sven.Aber daneben gibt es viele Dinge, die Spass machen und wenig bis nichts kosten. Gemeinsam Kuchen backen! Gemeinsam brasiliani-sche Gerichte kochen! Gemeinsam Spiele spielen! «Ich liebe meine Kinder und ich liebe es, mit ihnen Zeit zu verbringen», sagt Frau S. Und Sven fügt an: «Es kommt gar nicht so fest drauf an, was wir ma-chen – Hauptsache, wir machen es gemeinsam.»

Michael Marugg, Mitglied der Eidg. Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ)

KommENtAr Wie beeinträchtigt Armut die Entwicklung von Kindern?

Materielle Armut bedeutet nicht nur weniger Geld, sie zieht Nach-teile für die Kinder und die ganze Familie in vielen Lebensbereichen nach sich. Weniger soziale Kontakte, schlechtere Lernmöglichkei-ten, mangelhafte Gesundheitsvorsorge müssen aufgeholt werden, bevor eine chancengleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich wird. Materielle Armut kann Eltern derart beanspruchen, dass sie ihre Verantwortung gegenüber den Kindern nicht mehr wahrnehmen können, und der Stress kann sogar das Risiko von Misshandlungen erhöhen.

Fallen arme Kinder auf?Armut versteckt sich und will sich suchenden Blicken entziehen. Arme Kinder sind als Persönlichkeiten nicht auffälliger oder unauf-

fälliger als andere. Trotz-dem weiss man, in welchen Quartieren sicher keine rei-chen Leute wohnen. Gleich-altrige haben einen schar-fen Blick dafür, wem die Minimalausstattung an ma-teriellen Dingen fehlt. Die Statistik zeigt, dass armuts-betroffene Kinder schlech-

teren Zugang zu höherer Bildung haben. Ein einzelnes armes Kind fällt vielleicht nicht auf, die Armut von Kindern dagegen schon, wenn man nicht wegschaut.

Welche Perspektiven haben Kinder aus armen Familien?Vom-Tellerwäscher-zum-Milliardär-Karrieren sind möglich, werden aber die Ausnahme zur Regel eines hohen Risikos sein, dass sich Armut vererbt. Das muss nicht tatenlos hingenommen werden. Die Startlinie für armutsbetroffene Kinder kann verbessert werden, bei-spielsweise mit einer adäquaten Existenzsicherung, Mentoring-Pro-jekten oder situationsgerechter Unterstützung der Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe. Haben Kinder eine gute Gegenwart, haben sie auch bessere Zukunftschancen. Dafür hat sich die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) im Bericht «Jung und arm: das Tabu brechen» engagiert.

«Armutsbetroffene Kinder haben schlechteren Zugang zu höherer Bildung.»

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Schwerpunkt

er Begriff der Armut ist stark mit Bildern aus anderen Weltgegenden verbunden. Traurige Kinder mit Hungerbäuchen, Kin-dersoldaten, Bauern, die ihre kargen Äcker von Hand bestellen. Armut in einer rei-

chen Gesellschaft wird als «Luxusproblem» verstan-den, soziale Auffangnetze verhindern zum Glück das Schlimmste. Aber hier sind Armutsbetroffene ausge-schlossen, während in ärmeren Gesellschaften die Ge-meinschaft mitträgt und das Verständnis viel grösser ist. In der Schweiz sind rund 260 000 Kinder von Armut betroffen – das sind ungefähr 13 000 Schulklassen. Sie leben in Haushalten, die auf Sozialhilfe angewiesen sind oder zu den «Working Poor» gehören. Kinder, die von Armut betroffen sind, leiden nicht nur daran, dass

ihre Familien zu wenig Geld haben. Auch weniger ge-sundes Essen, prekäres Wohnen, unmodische Kleider belasten sie. Dadurch verlieren sie an Selbstwertge-fühl; oft entwickeln sie Schulschwächen und verwen-den ihre Energie hauptsächlich dazu, den familiären Zusammenhalt zu sichern und von ihren Freunden nicht ausgeschlossen zu werden.

Armut wird vererbtDie soziale Herkunft hat auf die Entwicklung und die Chancen der Kinder einen überdurchschnittlich grossen Einfluss, gerade in der Schweiz. Kurzum: Reichtum und Armut sowie damit verbundene Mög-lichkeiten und Einschränkungen werden vererbt. So kann von Chancengleichheit keine Rede sein. Das hat weitreichende Folgen: Wenn die Nachteile der sozialen

Arme Kinder in der SchweizArmut grenzt Kinder aus, ein Leben lang. Denn Armut wird vererbt, die soziale Mobilität in der Schweiz ist gering. Die Betroffenen können nicht mit ihren Kameradinnen und Kameraden mithalten und stehen im Abseits.

Text: Ariel Leuenberger Illustration: Christoph Fischer

D

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Schwerpunkt

Herkunft nicht ausgeglichen werden, bleiben sie über das ganze Leben erhalten. Wer keinen guten Schulab-schluss erreicht, hat Schwierigkeiten, eine adäquate Berufsausbildung zu absolvieren und einen guten Ar-beitsplatz zu finden. Das ist später selbst bei der Höhe der Rente noch erkennbar.

Bildung und FreizeitSchon beim Schuleintritt weisen die Kinder in der Schweiz sehr unterschiedliche Kompetenzen auf – Bil-dungsdefizite nehmen bereits in der Vorschulphase Form an. Die ersten Lebensjahre stellen eine kritische Phase für die intellektuelle, kognitive und emotiona-le Entwicklung eines Kindes dar. Denn Kinder lernen in dieser Zeit besonders leicht, und allfällige Defizite lassen sich leichter ausgleichen als später. In der früh-kindlichen Bildung besteht daher ein grosses Potenzial für die Verhinderung von Armut.Erziehung findet nicht nur in der Schule oder im El-ternhaus statt. Vereine, Freunde und Familienausflü-ge tragen wesentlich zur Bildung des sozialen Netzes, zur Integration und auch zur Entwicklung und Vertie-fung der Interessen und Fähigkeiten bei. Arme Kinder können aber oft nicht mithalten, weil die Kosten für diese Aktivitäten das Budget ihrer Eltern sprengen. Einmal mehr sind sie benachteiligt und stehen abseits.

Gleiche Chancen für alleDie Stärke einer Gesellschaft misst sich bekanntlich am Wohl der Schwachen. Caritas setzt sich dafür ein, dass in der Schweiz alle Kinder gleiche Chancen haben. Wir helfen armutsbetroffenen Familien direkt mit per-sönlicher Beratung und verschiedenen Projekten. Zu-dem setzen wir uns anwaltschaftlich für Betroffene ein, indem wir die Rahmenbedingungen, welche zu Armut führen, mit Forderungen an die Politik zu ver-bessern versuchen.

Links und Publikationen

Kampagne für arme KinderMit der Kampagne «Abseits» machen die regionalen Caritas-Organisationen in der Deutschschweiz auf Pro-bleme und Lösungsansätze aufmerksam. Details auf www.kinderarmut.ch

Sozialalmanach 2012Das Caritas-Jahrbuch zur sozialen Lage in der Schweiz mit dem Schwerpunktthema «Arme Kinder». Unter ande-rem mit Beiträgen von Ueli Mäder, Ludwig Gärtner, Mi-chael Marugg, Carlo Knöpfel, Margrit Stamm. Zu bestellen unter www.kinderarmut.ch/publikationen

Caritas fordert MassnahmenDie bestehenden Rahmenbedin-gungen genügen nicht, um die Kinderarmut in der Schweiz zu verringern.

Arme Kinder haben nicht die gleichen Chan-cen wie ihre besser gestellten Freundinnen und Freunde. Armutsbekämpfung und Ar-mutsprävention müssen den Ausschluss-mechanismen entgegenwirken. Caritas for-dert Massnahmen zur Existenzsicherung einerseits und solche zur Chancengleichheit andererseits. Beide sind notwendig, um die Vererbung von Armut zu durchbrechen. Die Erwerbsarbeit von Eltern muss erleichtert, günstiger Wohnraum für Familien gefördert werden. Es braucht Ergänzungsleistungen für Familien sowie den Ausbau von Betreu-ungs- und Bildungsangeboten. In Quartieren verankerte Familienunterstützungszentren können dazu beitragen, armutsbetroffenen Familien früher, besser und umfassender zur Seite zu stehen. Nur so haben ihre Kin-der die Chance, aus dem Abseits zu treten und mit ihren Freunden wieder mithalten zu können. Verschiedene Caritas-Projekte wie die KulturLegi, der Caritas-Markt oder das Patenschaftsprojekt «mit mir» helfen ihnen schon heute.

Die Schweiz liegt unter dem Durchschnitt: Ausgaben für Familien in OECD-Staaten, in Prozent des BIP (2007).

0.5%

1%

1.5%

2%

2.5%

3%

3.5%

4%

Steuererleichterungen für Familien

Dienstleistungen für Familien

Beiträge für Familien

USAJpPorItCanCHSpPol

Ø O

EC

D

CzAtGerNeNorSwDenUKFr

Öffentliche Ausgaben für Familien in % des BIP, 2007

Steuererleichterungen für Familien

Beiträge für Familien

Dienstleistungen für Familien

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In der Schweiz angekommen Seit den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts lebten viele Italiener als Saisonarbeiter in Bara-ckensiedlungen. Als sie später ihre Familie nach-ziehen konnten, arbeiteten meist auch die Mütter, und die Kinder waren sich selbst überlassen. Noch in den Siebzigerjahren gab es mehr als 10 000 ille-gal in der Schweiz lebende Kinder von Saisonarbei-tern.

Bild: Rob Gnant – Barackensiedlung an der Luggwegstrasse in Zürich © Fotostiftung Schweiz / 2012, ProLitteris, Zürich

1963

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Persönlich

Hans Trampitsch, Fleisch-fachverkäufer:Am meisten gefehlt hat mir, dass der Vater nicht mehr Zeit gehabt hat, mit uns Kindern etwas zu unternehmen, zu spielen. Aber

das war natürlich auch schwierig. Ich bin mit sieben Geschwistern aufgewachsen. Auch die Mutter hatte zu wenig Zeit. Sie musste ja damals zum Beispiel die Windeln noch von Hand auswaschen.

Angela Falk, Studentin:Ich wurde mit sechs Wochen ad-optiert, meine Wurzeln haben mir aber nie gefehlt. Da ich eine Nach-züglerin bin – meine Geschwister sind 12 und 14 Jahre älter als ich

–, haben mir gleichaltrige Geschwister gefehlt, mit denen ich mich hätte austauschen und zusammen rebellisch sein können. Ich ging dafür zu Freunden nach Hause, bei mir zuhause war alles ein bisschen zu leer und zu steril.

Ruth Becker, kfm. Ange- stellte, Familienfrau:Ich hatte eine sehr schöne Kind-heit und hab gar nicht das Gefühl, dass mir etwas gefehlt hätte. Nur etwas kommt mir in den Sinn. Ich

hätte wahnsinnig gerne einen Hund gehabt. Da wa-ren meine Eltern aber strikt dagegen, weil das doch viel Aufwand bedeutet hätte.

Letina Okbamichael, Eritrea:Als ich zehn Jahre alt war, starb mein Vater. Für mich und mei-nen sechsjährigen Bruder war das eine schlimme Erfahrung. Die Mutter musste arbeiten gehen

und ich hatte viel auf meinen Bruder aufzupassen. Der Vater fehlte mir sehr.

Pascal Tschudin, Auszu- bildender:Bis zum 16. Lebensjahr lebte ich in Ecuador. Ich hatte eine gute Kindheit, mir hat nichts gefehlt. Ich schätzte vor allem den Zu-

sammenhalt in unserer Grossfamilie und hatte viele gute Freunde. Vor gut zwei Jahren kamen wir in die Schweiz. Hier herrscht eine andere Mentalität: Ich habe nur wenige Bekannte und mir fehlt der Kontakt zur Grossfamilie, vor allem zu meinen Grosseltern.

«Was hat Ihnen als Kind am meisten gefehlt?»Diese Frage haben wir unterschiedlichen Menschen auf der Strasse gestellt. An verschiedenen Orten in der Deutschschweiz.

Anina Jost, Studentin:Ich würde meine Kindheit eins zu eins wieder so erleben wollen, wie ich sie erlebt habe. Ich hatte alles, was ein Kind überhaupt ha-ben kann. Ich hatte Liebe, Zeit mit

meinen Eltern, Freunde, Spass und eine gute Erzie-hung genossen. Mir wurden aber auch Grenzen auf-gezeigt und ich machte auch schlechte Erfahrungen. Genau diese haben sich als sehr wichtige Momente herausgestellt.

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Einblick in andere VerhältnisseSie wissen, was Armut im Kanton Zürich bedeutet: Katja Niemeyer, Leiterin des Fachbereichs Familienarmut, und Bea Schönbächler, Leiterin des Patenschaftsprojekts «mit mir». Ihre Arbeit bei Caritas Zürich bringt sie täglich mit Betroffenen in Kontakt.

Text und Bild: Ariel Leuenberger

ie erleben Sie die Armut hier bei uns?Bea Schönbächler: Armut

heisst für mich, dass das, was man einnimmt, nicht bis zum Monats-ende ausreicht. Jede Rechnung, alle unvorhergesehenen Ausgaben sind eine zusätzliche Belastung. Heute ist vieles so selbstverständ-lich, zum Beispiel in der Schule. Eine Mutter erzählte mir, dass es für sie ein Horror sei, wenn wieder Klassenfotos gemacht werden. Sie habe drei Kinder und könne das einfach nicht bezahlen. Der Lehrer habe dann die Fotos an einer Leine aufgehängt, bis die Kinder das Geld

zahlten. Die Bilder ihrer Kinder hingen bis zum Schluss da.Katja Niemeyer: In Afrika in den Townships sind alle arm und es ist normal. Hier fühlen sich die Leute selbst verantwortlich für ihre Situ-ation, sie schämen sich dafür.

Wie können Sie den Kindern helfen?KN: Wir können Freizeitbeschäf-tigungen ermöglichen, Sport oder Musik zum Beispiel. Das finanzie-ren wir punktuell. Es geht darum, dass die Talente der Kinder geför-dert werden und dass sie Gleich-altrige kennen lernen. Gleichzeitig

beraten wir die Eltern bei der Opti-mierung ihres Budgets. Denn wenn sie weniger Stress haben, wirkt sich das positiv auf die Kinder aus. BS: Das Projekt «mit mir» bietet den Kindern eine weitere Bezugs-person ausserhalb der Familie und Einblick in andere Verhältnisse, wo sie wahrgenommen werden, durch-atmen können und nicht sich selbst oder dem Fernseher überlassen werden.

Wie sieht es denn bei armen Leuten zuhause aus?BS: So wie ich es wahrnehme, fehlt es nicht primär an Materiellem. Ich

20 000 armutsbetroffene Kinder im Kanton Zürich: Darüber berichten die Medien. Katja Niemeyer und Bea Schönbächler kennen die Zahlen.

W

Caritas Zürich

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5 Jahre WachstumSeit fünf Jahren verkaufen wir im Caritas-Markt in Winterthur Nahrungsmittel und Alltagsprodukte zu Tiefstpreisen – aber nur an Armutsbetroffene mit einer entsprechenden Einkaufskarte.

Text: Hildegard Bahnsen, Bild: Andreas Schwaiger

mache pro Jahr etwa 40 Abklärun-gen bei Familien zuhause. In den Kinderzimmern gibt's genügend Spielzeug, Fernseher und Compu-ter sind meist auch vorhanden.

Gibt es einen Ausweg oder ist Armut ein Teufelskreis?KN: Wir haben Kinder aus armuts-betroffenen Familien, die ins Gym-nasium gehen und danach studie-ren. Aber auch Kinder, die extrem belastet sind durch die Probleme ihrer Eltern und infolgedessen kei-ne guten Schulleistungen bringen. Es hängt halt davon ab, ob die El-tern trotz Armut die Ressourcen haben, ihre Kinder zu fördern und eine gute Lernatmosphäre zu er-möglichen. Man kann in einem schwierigen Umfeld aufwachsen und es trotzdem schaffen.BS: Das Umfeld spielt sicher eine Rolle. Ich kenne eine Familie, die wohnt zu fünft in einer kleinen Dachwohnung im Langstrassen-quartier in der Stadt Zürich. Die Tochter ist 12 Jahre alt und muss jeden Tag durchs Drogen- und Prostitutionsmilieu zur Schule ge-hen, es gibt keinen Spielplatz und keine Ausweichmöglichkeiten. Da sind Konflikte vorprogrammiert. Eine solche Wohnsituation hat si-cher einen Einfluss auf die gesun-de Entwicklung der Kinder. Das ist für mich Armut, und das bedrückt mich. Nur schon der Blick in eine neue Richtung, was «mit mir» er-möglicht, kann hier einen positiven Anstoss geben.

Nur für Armutsbetroffene: Früchte und Gemüse zu günstigen Preisen.

Weitere Informationen

Mehr zum Patenschaftsprojekt «mit mir» erfahren Sie auf: www.caritas-zuerich.ch/mitmir

Mehr zum Fachbereich Familien-armut erfahren Sie auf: caritas-zuerich.ch/sozialberatung

rfolgreich hat sich der Caritas-Markt in Töss etabliert. Wir konnten die Bekanntheit in den letzten fünf Jahren beacht-lich steigern, was sich dadurch zeigt, dass wir immer mehr

Kundinnen und Kunden begrüssen dürfen. Hauptsächlich kom-men sie aus Winterthur-Töss und der Innenstadt, jedoch sind wir auch im erweiterten Umkreis wie Wülflingen, Oberwinter-thur und Seen bekannt. Die wachsende Kundenfrequenz zeigt auf, dass unser Angebot für Armutsbetroffene eine wichtige Hilfe ist, was auch die posi-tiv wachsenden Umsatzzahlen zeigen.Im September 2010 ist zeitgleich mit dem 3-jährigen Jubiläum das Projekt «Caritas-Markt – gesund» gestartet, wodurch wir das Angebot von Früchten und Gemüse massiv erweitern konnten. Mit verschiedenen Aktionen wurden die Kunden zu gesunder Ernährung und Bewegung animiert, was in der Wertschätzung der Kundschaft einen hohen Stellenwert geniesst. Denn Früchte und Gemüse sind sonst eher teuer und liegen nicht drin.Im Jahr 2012 feiert der Caritas-Markt in Töss bereits sein 5-jäh-riges Jubiläum, beflügelt durch die Freude über die positive Ent-wicklung. Wir danken unseren Mitarbeitenden, unseren Kun-dinnen und Kunden und nicht zuletzt auch den Spenderinnen und Spendern, welche dieses Angebot möglich machen.www.caritas-zuerich.ch/markt

E

Caritas Zürich

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Kinder helfenKinder sammelten für Kinder und unterstützten damit unser Patenschafts-projekt «mit mir». Herzlichen Dank!

Einen Betrag von 500 Franken konnten Kinder aus Bonstetten, Stallikon und Wettswil dem Cari-tas-Projekt «mit mir» zukommen lassen. Vor Heiligabend 2011 fan-den sich 35 junge Bäckerinnen und Bäcker aus den 5. und 6. Klassen in Pfarreizentrum St. Mauritius ein und verwandelten das Zentrum in eine Backstube. Über 100 Säckli, gefüllt mit allerfeinsten Guetzli, konnten die Kinder am darauffol-genden Tag den Besucherinnen und Besuchern des Familiengot-tesdienstes anbieten und fanden reissenden Absatz. Unterstützt wurden die Kinder von ihrer Ka-techetin, dem Pfarrer und der Kir-chenpflege.Bereits seit November hatten sich die Kinder in vier Unterrichtsgrup-pen mit dem Thema «Armut in der Welt und Armut in der Schweiz» auseinandergesetzt. Die Kateche-tin erarbeitete mit den Kindern den Unterschied von absoluter Armut und relativer Armut, diskutierte mit ihnen sinnvolle Möglichkei-ten der Armutsbekämpfung und betonte, wie wichtig es sei, christ-lichen Glauben mit Handeln zu-gunsten von Menschen in Not oder in schwierigen Situationen zu ver-binden. Die Entscheidung, mit ihrem Guetzliverkauf das Projekt «mir mir» zu unterstützen, begründe-ten die Bäckerinnen und Bäcker mit dem Hinweis, dass mit diesem Projekt besonders Kinder aus ar-mutsbetroffen Familien gefördert werden. www.caritas-zuerich.ch/diakonie

FamilienwochenNeue Impulse für den Alltag bieten unsere Erleb-niswochen für Familien mit knappem Budget.

Zwei Familienwochen führt Caritas Zürich jedes Jahr durch. Armutsbetroffene Familien erhalten im Tessin die Gelegenheit, mit einem Erlebnispädagogen Vertrauen und Zusammenhalt zu erfahren. Zum Beispiel beim gemeinsamen Klettern oder beim Lama-Trekking. In der Spielwoche im Berner Oberland hingegen wird drinnen und draussen gespielt. Ob mit Karten oder Jong-liergeräten: Ziel ist, dass die Familien Neues entdecken, das sie mit nach Hause nehmen können. Die Fachleute versuchen nieder-schwellige Impulse mitzugeben, um den häufig sehr belasteten Alltag dieser Familien angenehmer zu gestalten und ihnen zu zeigen, dass man auch mit einfachen Mitteln Spass haben kann.Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen treffen sich – Familien aus der Schweiz, der Türkei oder Somalia. Das erfor-dert gegenseitigen Respekt, der mit neuen Freunden und einma-ligen Erfahrungen belohnt wird. Jeweils rund 35 bis 45 Personen nehmen pro Erlebniswoche teil. Geleitet werden sie von zwei Fachleuten und zwei freiwilligen Helfern. Auch das Küchenteam arbeitet unentgeltlich.

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Auf Entdeckungsreise an einem Bergsee: Teilnehmende der Familienwoche.

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Neu eingekleidet

Brida von Castelberg, Co-Chefärztin der Frauenklinik Triemli. Neu eingekleidet in unserem Secondhand-Laden im Via-dukt in Zürich. www.caritas-zuerich.ch/secondhand

Bild: Roth und Schmid Fotografie, Zürich

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er Ausflug unter dem Mot-to «Make a Difference Day» war ein grosses Ereignis, das

Programm rundum vielseitig: Car-fahrt nach Bern, Mittagessen auf dem Gurten, Besichtigung des Bä-rengrabens und eine Stadtführung. Organisiert und ermöglicht wurde der Tag durch die KPMG. Für die meisten der 34 Teilnehmenden von URAT war es der erste Besuch über-haupt in der Hauptstadt. Sie besu-chen sonst einen Deutschkurs, nä-hen in der Flickstube oder tauschen sich beim Frauentreff über Alltags- und Erziehungsthemen aus.

Ein Gefühl von AkzeptanzMitarbeitende der KPMG engagierten sich im Rahmen eines «Corporate-Volunteering»-Einsatzes freiwillig für Migrantinnen. Gemeinsam mit URAT ging es auf einen Ausflug nach Bern.

Text: Sima Mangtshang, Bild: Urs Siegenthaler

Bräuche und die Parallelen und Unterschiede zur Schweiz, über die Schulsysteme, aber auch über Per-sönliches wie die Freizeitgestal-tung.

Beide Seiten profitieren Ein solcher Begegnungstag bietet allen Beteiligten neue Impulse. Hier kommen Menschen zusam-men, die sonst kaum Berührungs-möglichkeiten haben. Der direkte Kontakt fördert den Dialog und ist wichtig für das Zusammenle-ben verschiedener Kulturen in der Schweiz. Die Migrantinnen und Migranten haben an diesem Tag viel Neues gelernt und erfahren: ein Stück Schweizer Geschichte und Kultur und neue freundschaftliche Begegnungen mit Schweizerinnen. Die Dankbarkeit ist gross. Michè-le Deubelbeiss, Leiterin URAT, ist überzeugt: «Die Migrantinnen und Migranten erhalten ein Gefühl von Akzeptiertsein und Sicherheit. Die-ser Tag wird positiv in Erinnerung bleiben und sie auf ihrem Integra-tionsweg ermutigen.» Beide Seiten profitieren: Für die KPMG-Mitar-beitenden war der Tag ebenfalls in verschiedenen Aspekten ein Ge-winn. Sie haben einen Einblick in das Leben von Migrantinnen und Migranten in der Schweiz erhalten, gleichzeitig den Austausch unterei-nander pflegen können und aktive Teambildung betrieben.

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Freuten sich über den Ausflug nach Bern: Näherinnen der URAT-Flickstube in Wetzikon.

Reger AustauschBeim Carparkplatz in Zürich trifft die multikulturelle Gruppe zum ersten Mal auf die Mitarbeiterinnen der KPMG. Etwas Nervosität ist auf beiden Seiten zu spüren – und Neugier auf das, was einen erwar-tet. Das Eis ist jedoch schnell ge-brochen, die Stimmung von Beginn weg sehr locker und herzlich. Mit viel Offenheit ergreifen die KPMG-Frauen die Initiative, mischen sich im Car gleich unter die URAT-Teil-nehmenden und lancieren die Ge-spräche. Es wird rege ausgetauscht über die eigene Heimat, kulturelle

«Corporate Volunteering»

Möchten Sie sich als Firma für ein Caritas-Projekt engagieren? Caty Kopp, Leiterin Fundraising, freut sich darauf: Tel. 044 366 68 63, [email protected].

Engagement bei URAT

Wir suchen Freiwillige für Flickstu-ben und Deutschkurse. Michèle Deubelbeiss, Leiterin URAT, gibt Ihnen gerne Auskunft: Tel. 044 366 68 90 [email protected]

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Sport integriertIn der reichen Schweiz haben nicht alle Men-schen gleiche Chancen auf eine sinnvolle Frei-zeitgestaltung. Unsere Patenschaften helfen.

Familie Muhamed aus Somalia hat drei Töchter. Sie leben am Existenzminimum, denn der Vater arbeitet als Küchenhilfe zum Minimallohn und die Mutter ist auf Stellensuche. So muss ein bescheidener Lohn den ganzen Haushalt mit fünf Personen ernähren. Seit alle drei Töchter das Karate-Training besuchen können, haben sie neue Freundinnen im Quartier gefunden. Für Familie Muhamed war der Jahresbeitrag stets zu teuer. Dank der Themenpatenschaften von Caritas Zürich können die drei Mädchen nun ein Jahr lang mit dabei sein. Das Karate-Training macht ihnen grossen Spass: «Wir nehmen schon bald an einem Wettkampf teil. Alle wollen gewinnen. Und alle werden gleich behandelt. Respekt ist ganz wichtig», erzählt die Älteste. Auch für die Entwicklung der Kinder ist der Sport förderlich. So kom-men sie mit Gleichaltrigen in Kontakt, sprechen besser Deutsch und werden selbständiger.Die Themenpatenschaften verhelfen armutsbetroffenen Kindern zu einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung. Von Musikunterricht über Sport bis zum Hort: Patinnen und Paten ermöglichen es den Kindern, aus dem Abseits zu treten, dabei zu sein.www.caritas-zuerich.ch/patenschaften

NEWSNeue Angebote für die KulturLegi

Seit 2011 vergünstigen über 60 neue Partner ihr Angebot – darunter die Reka-Ferien, das Zürcher Theaterspektakel, Kaufleuten Kultur, der Liedermacher An-drew Bond oder das Zurich Film Festival. Alle neuen Angebote finden Sie unter:www.kulturlegi.ch/zuerichwww.facebook.com/kulturlegizh

Erfolgreiche Deutschkurse

Zurzeit führt URAT 21 Deutsch-Einstei-gerkurse in sechs verschiedenen Ge-meinden im Kanton Zürich. 24 Kurslehre-rinnen und -lehrer engagieren sich freiwillig – und sie sind sich alle einig: «Es ist eine sinnvolle und wichtige Aufgabe, nicht zuletzt für das gute Zusammenle-ben zwischen Einheimischen und Migran-tenfamilien.» Weitere Informationen:www.caritas-zuerich.ch/urat

«incluso» sucht engagierte Berufsleute

Haben Sie Freude am Kontakt mit Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen? Bei «incluso» begleiten Sie eine Schüle-rin/einen Schüler ausländischer Herkunft beim Übergang zwischen Schule und Be-ruf. «incluso» bietet den Rahmen für Ihr Engagement und unterstützt die Teilneh-menden während der gesamten Laufzeit des Programms, von Juni 2012 bis zum Ende des Schuljahres. Kontakt: Tel. 044 366 68 68 oderwww.caritas-zuerich.ch/incluso

Caritas Zürich auf Facebook

Wir sind auch auf Facebook. Und beant-worten hier gerne Ihre Fragen zu unse-ren Tätigkeiten oder zu Armut im Kanton Zürich. Wenn Sie sich für unsere aktuel-len Hinweise, Angebote und Tipps inter-essieren, werden Sie Fan auf:www.facebook.com/caritaszuerich

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Alle werden gleich behandelt: Karateklasse nach erfolgreichem Wettkampf.

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Ohne Computerwissen kein Job.Schwierigkeiten lassen sich bewältigen. Dank den Compirat-Einsteigerkursen werden die Hürden für die Teilnehmenden jeden Tag kleiner. Helfen Sie mit einer Spende, und schenken Sie Armutsbetroffenen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt.

www. caritas-zuerich.ch/compirat

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ie Schwierigkeiten beginnen schon bei der Stel-lenbewerbung, die heute häufig per E-Mail oder als Antwort auf Online-Inserate erfolgt. Hier

hat Caritas Zürich eine Hürde ausgemacht, vor der viele Armutsbetroffene stehen: Sie wissen kaum, wie man einen Computer bedient und wofür man ihn ge-brauchen kann. Reguläre Computerkurse sind zu teuer und setzen Kenntnisse voraus, die unser Zielpublikum noch nicht hat. Die Compirat-Einsteigerkurse für Ar-mutsbetroffene vermitteln die Grundlagen der Compu-teranwendung von Grund auf: Bedienung des Geräts, Anwendung von Programmen, Nutzung des Internets, Umgang mit E-Mail.

Engagierte TeilnehmendeHalma Besic, eine Teilnehmerin, erzählt: «Compirat ermöglicht mir, Schritt für Schritt den Computer und seine Anwendungen kennen zu lernen. Ich kann jetzt mailen und Briefe schreiben. Das hilft mir enorm bei der Stellensuche. Nun bin ich viel schneller.» Die Kur-se sind jeweils im Handumdrehen ausgebucht. Der Bedarf ist gross und die Teilnehmenden sind mit ech-tem Engagement dabei, sich die elektronische Welt zu entschlüsseln. Andreas Rudin, verantwortlich für die Technik: «Es freut mich sehr, zu erleben, wie die Teil-nehmenden mit Freude und ‹Lernhunger› die Kurse und den Internettreff besuchen. Compirat leistet so ei-nen wichtigen Beitrag zur Überwindung des digitalen Grabens.» Im letzten Jahr konnten wir sechs Compu-ter-Einsteigerkurse und zwei Internetkurse in Zürich und Wetzikon anbieten. Rund 80 Personen haben vom Compirat-Angebot profitiert.

Freiwillige KursleitendeDie Kurse sind nur darum so günstig, weil alle Kurs-leitenden freiwillig arbeiten. Die fachlich, methodisch

Anschluss finden dank dem CompiComputer und Internet sind aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. Wer damit nicht umzugehen weiss, hat kaum mehr eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Darum lernen Armutsbetroffene bei Compirat den Computer von Grund auf kennen.

Text: Ariel Leuenberger, Bild: Urs Siegenthaler

und sozial kompetenten Freiwilligen sind eine wichti-ge Voraussetzung für den Erfolg von Compirat. Heinz Meister ist einer von ihnen. Er leitet den Einsteiger-kurs und weiss: «Menschen mit knappem Budget fehlt es oft an sozialen Kontakten. Der Internet-Treff ist auch ein Ort der Begegnung. Hier werden neue Kontak-te geknüpft und die Teilnehmenden helfen sich gegen-seitig im Umgang mit dem Computer.» Entsprechend gross ist auch die Nachfrage nach Aufbaukursen, die wir in diesem Jahr realisieren möchten.

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Helfen Sie mit!

Compirat wurde 2010 gestartet, finanziert von der ka-tholischen Kirche und Caritas Zürich. Die Pilotphase hat einen grossen Bedarf aufgezeigt, darum möchten wir das Projekt weiterführen. Dazu brauchen wir Ihre Hilfe: Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die wichtigen Compirat-Kurse. Bitte verwenden Sie den beiliegenden Einzah-lungsschein. Herzlichen Dank!

Der Compi hilft auch bei der Stellensuche – wenn man weiss, wie.

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AGENDAMitgliederversammlung 2012 der Caritas Zürich

Wie jedes Jahr laden wir alle Interessier-ten herzlich an unsere Mitgliederversamm-lung ein. Das genaue Programm folgt.Dienstag, 19. 6. 2012, 18 Uhr, Freie Ka-tholische Schule, Sumatrastr. 31, Zürich

Tag des Flüchtlings 2012

Zusammen mit anderen regionalen Hilfs-werken will Caritas Zürich am Tag des Flüchtlings darauf hinweisen, dass die Menschen, die bei uns Schutz suchen, viele Talente mitbringen und unser Land bereichern.Samstag, 16. 6. 2012, nationaler Flücht-lingstag. www.mein-talent.ch

Kurs «Schulden – was tun?»

Der Kurs bietet wichtige Grundlagen für den Umgang mit Menschen in Geldnot. Er erklärt die Grundsätze der Schulden-beratung und richtet sich an Sozialarbei-tende aus dem kirchlichen Umfeld. The-men sind unter anderem der Ablauf einer Schuldensanierung, Chancen und Gren-zen des Privatkonkurses oder verschie-dene Schuldenfallen.Dienstag, 30. 10. 2012, 9–17 UhrCaritas Zürich, Beckenhofstr. 16, Zürich

Grundkurs zur Sterbebegleitung

Das Angebot richtet sich an Frauen und Männer, die im Angehörigen- oder Be-kanntenkreis jemanden begleiten, die sich für die Tätigkeit in einer Begleitgrup-pe vorbereiten möchten, die im Pflege- und Sozialbereich beruflich tätig sind oder sich einfach für das Thema «Ster-ben und Trauern» interessieren.8 Tage, 4. 9. – 23. 10. 2012Caritas Zürich, Beckenhofstr. 16, Zürich

Aktuelle Informationen

Aktuelle Neuigkeiten, Kurse und Veran-staltungen von Caritas Zürich finden Sie auf unserer Website:www.caritas-zuerich.ch/aktuell

Hinterlassen Sie Hoffnung und Perspektiven

Ein Legat an Caritas Zürich sichert einen wichtigen Teil der Finan-zierung unserer Projekte. Es kann die Lebensperspektive einer von Armut betroffenen Familie grundlegend verändern und hilft so, über das Leben hinaus Gutes zu tun. Bestimmen Sie noch zu Lebzeiten selber, wem Ihr Vermächtnis zugutekommt. Beim Regeln des Nachlasses steht Ihnen der ehemalige Direktor der Caritas Zürich, Herr Guido Biberstein, gerne zur Verfügung. www.caritas-zuerich.ch/legate

Ihre Frage an uns

Sind Menschen, die mit dem Auto zum Caritas-Markt fahren, wirklich arm? Ein Auto kostet jeden Monat viel Geld, das man sicher sinnvoller einsetzen könnte. (Anna Schmid, Bern)

Liebe Frau SchmidEs stimmt: Ein Auto ist teuer. Unsere Sozialberaterinnen und -berater empfehlen bei der Budgetberatung stets, auf das Auto zu verzichten und die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Doch es gibt Situationen, in denen ein eigenes Auto unverzicht-bar ist. Wer zum Beispiel Schichtarbeit verrichtet, kommt kaum ohne Auto nach Hause. Und wer abgelegen auf dem Land wohnt, wo die Wohnungen besonders günstig sind, ist unter Umstän-den auch auf ein Auto angewiesen.Wir bei Caritas sind der Meinung, dass jeder Mensch sein Geld so einsetzen soll, wie er es für richtig empfindet. Wenn arme Men-schen auf Ferien oder auf eine grössere Wohnung verzichten und sich dafür das eigene Auto leisten, so ist das ihre Entscheidung, die es zu respektieren gilt – wenn sie Prioritäten setzen können. Aber wenn sich unsere Klientinnen und Klienten nicht an das gemeinsam erarbeitete Budget halten, stellen wir die Beratung

ein. Denn ohne Auto hat jede Familie am Ende des Mo-nats mehr Geld zur freien Verfügung. Schliesslich kann man sich auch ein Fahrzeug leihen, von Freunden oder bei Mobility.

Haben Sie auch eine Frage an uns? Gerne beantworten wir diese in der nächsten Ausgabe von «Nachbarn». Senden Sie Ihre Frage per E-Mail an [email protected] oder per Post an:

Redaktion Nachbarn Caritas ZürichBeckenhofstrasse 16Postfach8021 Zürich

Kiosk

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Gedankenstrich

Ich habe keine Ahnung

Tanja Kummer ist Schriftstellerin. Ihr Erzählband «Wäre doch gelacht» und andere Bücher sind im Zytglogge-Verlag erschienen. 2010 leitete die Autorin die Schreibwerkstatt «wir sind arm» der Caritas. Die so entstandenen Texte können Sie nachlesen auf www.wir-sind-arm.ch.

Illustration: Christoph Fischer

«Sie haben ja keine Ahnung!» Das hören wir oft. Wir, die Geld haben. Dass wir keine Ahnung hätten, was es heisst, arm zu sein. Und uns da-rum nicht einmischen sollen. Aber spenden sollen wir trotzdem, am besten viel. Kein Problem, das ma-che ich gerne. Nicht einmischen, meine ich.Aber einiges müsste mir wirklich erklärt werden. Warum man zum Beispiel Kinder in die Welt setzt, wenn man kein Geld hat. Ohne mein Vermögen hätte ich keine Familie gegründet. Die Ausbildung der vier Kinder ist teuer. Aber je-mand muss ja eines Tages die Fir-ma übernehmen. Lange dachte ich an unsern Jüngsten, Carl. Er ist zehn. Aber jetzt enttäuscht er mich. Er gibt sich mit dieser Angela ab. Ich weiss nicht, wo er die kennen-gelernt hat. Sicher nicht an der Pri-vatschule. Sie ist aus schlechtem Haus: zwei Geschwister, die Mutter alleinerziehend, arbeitslos, arm und offenbar dumm.

Auf sein Drängen hin habe ich Carl erlaubt, das Mädchen zum Lunch einzuladen. Beim Essen erzählte sie tatsächlich, dass sie ein Handy hat! So ein Mädchen vertelefoniert doch Unsummen! Und zuhause hätten sie sogar einen Computer. Als ich Carl auf diesen liederlichen Umgang mit Geld hinwies, erwider-te er: «Sie braucht ein Handy und einen Compi, um mit andern Men-schen in Kontakt zu sein, so wie wir alle, das gehört auch zur Chan-cengleichheit, das haben wir in der Schule durchgenommen!» Chan-cengleichheit! So ein Blödsinn.Ob es auch mit Chancengleichheit zu tun hat, dass sich Angela unan-ständig gierig auf alles gestürzt hat – egal, ob Fleisch, Gemüse oder Kar-toffeln –, was beim Lunch angebo-ten wurde? «Kein Wunder», sagte ich zu Carl, «die Mutter sitzt sicher den ganzen Tag vor dem Fernseher und kocht nie etwas Anständiges!» «Nein», entgegnete Carl, «sie sucht unter anderem gutes, billiges Ge-

müse. Du hast einfach keine Ah-nung!» Keine Ahnung, so so. Ich wette, dass er nichts dagegen hätte, wenn ich seiner Freundin Geld ge-ben würde. Doch ich habe ja keine Ahnung und darum halte ich mich da raus.

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Armut grenzt Kinder aus. Ein Leben lang. Ihre Spende hilft, die Armut in der Schweiz zu halbieren: www.kinderarmut.ch. Danke.

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