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Musik und Hörschäden Informationen für alle, die Musik spielen oder hören

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Page 1: Musik und Hörschäden. Informationen für alle, die …Musik und Hörschäden Informationen für alle, die Musik spielen oder hören Verfasser Beat W. Hohmann, Dr. sc. techn. ETH

Musik und HörschädenInformationen für alle, die Musik spielen oder hören

Page 2: Musik und Hörschäden. Informationen für alle, die …Musik und Hörschäden Informationen für alle, die Musik spielen oder hören Verfasser Beat W. Hohmann, Dr. sc. techn. ETH

Inhalt

IntroLautstärke und SchallpegelTonhöhe und FrequenzUnser Gehör: hoch entwickelt und verletzlich Hörverlust und OhrenpfeifenIst Ihr Gehör in Gefahr?MP3 im OhrLaute Lautsprecher. Tipps für Besucher von Konzerten und MusiklokalenLaute Lautsprecher. Tipps für ProfisMit Pauken und Trompeten. Tipps für OrchestermusikerIn der Band. TippsGehörschutz – weniger ist mehrZugaben

3478

101112141516171819

SuvaFreizeitsicherheitPostfach, 6002 Luzern

AuskünfteTel. 041 419 58 51

Bestellungenwww.suva.ch/waswoFax 041 419 59 17 Tel. 041 419 58 51

Musik und HörschädenInformationen für alle, die Musik spielen oder hören

VerfasserBeat W. Hohmann, Dr. sc. techn. ETHSuva, Bereich Physik

Abdruck, ausser für kommerzielle Nutzung, mit Quellenangabe gestattet.1. Auflage – September 1985Vollständige Überarbeitung – Dezember 200825. Auflage – Juni 2014 – 120 000 bis 132 000 Exemplare

Bestellnummer84001.d

Das Modell Suva Die vier Grundpfeiler der Suva

• Die Suva ist mehr als eine Versicherung; sie vereint

Prävention, Versicherung und Rehabilitation.

• Die Suva wird von den Sozialpartnern geführt. Die

ausgewogene Zusammensetzung im Verwaltungsrat

aus Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Bundesvertretern

ermöglicht breit abgestützte, tragfähige Lösungen.

• Gewinne gibt die Suva in Form von tieferen Prämien

an die Versicherten zurück.

• Die Suva ist selbsttragend; sie erhält keine

öffentlichen Gelder.

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Intro

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Musik ist etwas Wunderbares. Sie vermag Herzen zu rühren undKörper in Bewegung zu versetzen.Musik hat aber auch noch eine an-dere Seite. Oder um es mit einemleicht abgewandelten Reim desDichters Wilhelm Busch auszudrü-cken: «Musik wird störend dannempfunden, wenn sie mit allzu vielLärm verbunden.» Wenn Musik sehrlaut ist, stört sie nicht nur, sondernkann Hörstörungen oder gar Hörschäden verursachen – Wagnerim Orchestergraben genauso wieMadonna im Kopfhörer.

Ein Hörschaden beeinträchtigt so-wohl das Musikhören als auch dieFähigkeit zu musizieren. Damit Musikfür Sie weiterhin ein Genuss bleibt,und Ihr Ohr nicht eines Tages dieTöne nur noch als Störung wahr-nimmt, engagiert sich die Suva seitJahren gegen Lärm am Arbeitsplatzund in der Freizeit.

Die vorliegende Broschüre richtet sichan alle, die mit Musik zu tun haben undsich ihr gutes Gehör erhalten wollen.

Den Soundtrack zu dieser Broschüreliefert die CD Audio Demo 3 mit ihren99 Hördemonstrationen [ . . ].

C’est le son qui fait la musique

Musik ist Schall. Doch was istSchall? Schall besteht aus raschenDruckschwankungen in der Luft. Sie werden zum Beispiel von Musikinstrumenten hervorgerufenoder auch von der Membran einesLautsprechers.

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Lautstärke und Schallpegel

Gewehr

Pistole

Bolzensetzgerät

Jetprüfstand

Schmerzschwelle

Bohrjumbo

Motorkettensäge

Diskothek

Fräsmaschine

Strassenverkehr

Unterhaltung

Büro

Wohnzimmer

Leseraum

Schlafzimmer

Radiostudio

Hörschwelle

dB(A) Beispiele für Lautstärken

ppp

mf

fff

ppp

fff

mf

Wenn sich die Lautsprechermem-bran nur schwach bewegt, bewirktsie nur geringe Druckschwankungenin der Luft. Wenn sie aber grosseBewegungen ausführt, ergibt diesstärkere Druckschwankungen, also einen grösseren Schalldruck.Der Schalldruck, der bei einem normalen Gespräch ans Trommelfelldringt, beträgt weniger als ein Milli-onstel des normalen Luftdrucks.Auch an der Schmerzgrenze ist der Schalldruck noch kleiner als einTausendstel des Luftdrucks. Das zeigt, wie empfindlich das Ohrist und welch riesigen Schalldruck-bereich es verarbeiten kann.

Man verwendet für den Schalldruckein logarithmisches Mass, das auchbesser der Lautstärkeempfindungentspricht: den Schall(druck)pegel inDezibel, abgekürzt dB. Der leisestenoch hörbare Ton (Hörschwelle) hat einen Schallpegel von etwa 0 dB.Die Schmerzschwelle liegt bei un-gefähr 125 dB. Schon 3 dB mehrentsprechen einer Verdoppelung der Schallenergie; für doppelte Laut-stärke braucht es aber ca.10 dBmehr, das heisst eine Verzehn-fachung der Schallenergie [14].

Von Natur aus ist das Ohr auf tiefeTöne weniger empfindlich als aufhohe [4]. Bei gehörbezogenenSchallmessungen berücksichtigtman dies mit dem genormten A-Filter, das tiefe Frequenzen ab-schwächt (bei 50 Hz zum Beispielum 30 dB). Der Schallpegel wirddann in dB(A) angegeben.

Die Abbildung zeigt, welche Schallpegel im Alltag auftreten [18].

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Dauerschallpegel

Weil für das Gehör die Gesamtbelas-tung (die Schallenergie) zählt, ist derenergie-äquivalente Dauerschallpe-gel Leq (Mittelwert) ausschlaggebendund nicht der viel höhere Spitzenpe-gel, der kurzzeitig auftritt.

Schallpegel messen

Einfache Schallpegelmesser gibt esab 50 Franken. Sie zeigen allerdingsnur den Momentanpegel in dB(A) an. Für Musikmessungen müssen sie über die gedämpfte Anzeigeart«Slow» verfügen. Daraus kann dannder Leq abgeschätzt werden. Integrierende Schallpegelmesser, die den Leq fortlaufend errechnen,gibt es ab ca. 500 Franken.Mit welchen Apps – und welchenEinschränkungen! – iPhones und andere Smartphones den Schall-pegel messen können, siehewww.suva.ch/musikgehoer.

Musikschallpegel

Es ist keine Frage des Musikstils, ob die Musik auf die Ohren schlägt:Während bei Rock- und Popmusikder Gedanke an hohe Schallpegelnahe liegt, wird oft übersehen, dassdies ebenso bei Blasmusik oder«Guggemusig» zutrifft – ganz ohneVerstärker oder Lautsprecher.

Preisgünstiger Schallpegelmesser (links),integrierender Schallpegelmesser (rechts).

5

bis 70 dB(A) Unterhaltung in normaler Lautstärke möglich

bei 80 dB(A) Verständigung mit erhobener Stimme möglich

bei 90 dB(A) Verständigung auch mit Rufen schwierig

bei 100 dB(A) Verständigung nur mit grösstem Stimmaufwand möglich

ab 105 dB(A) keine Verständigung mehr möglich

Schallpegel schätzen

Steht kein Schallpegelmesser zurVerfügung, so lässt sich der Schall-pegel in einem Raum daraus abschätzen, wie weit man sich noch verständigen kann [20/21/22].In einer Distanz von einem Meterzum Sprechenden gelten folgendeErfahrungswerte:

Schallpegel

Bereich typisch

Rockkonzert, im Zuhörerbereich 90 – 105 100 dB(A)

Rock- und Jazzmusik, im Übungslokal 90 – 105 102 dB(A)

Club/Diskothek, auf der Tanzfläche 90 – 100 98 dB(A)

Club/Diskothek, an der Bar 85 – 95 90 dB(A)

MP3-Spieler, mit Ohrhörern 60 – 110 85 dB(A)

Stereoanlage 60 – 100 80 dB(A)

Blasmusikprobe, im Schulzimmer 90 – 95 90 dB(A)

Guggenmusik, im Übungsraum 95 – 105 100 dB(A)

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Gehörbelastung im Orchester

Im Zuschauerraum erreicht klas-sische Musik selten über 80 dB(A).Ganz anders im Orchester, denn dieMusiker sind auf der Bühne oder im Orchestergraben dem Schall der Instrumente auf kürzeste Distanzausgesetzt.

In der Suva-Studie zur Langzeit-belastung von Orchestermusikernwurde neben Proben und Auffüh-rungen auch das individuelle Übenberücksichtigt. Daraus wurde dieGesamtbelastung (Lärmexpositions-pegel LEx) ermittelt. Und weil viele Orchestermusiker zusätzlich Unter-richt erteilen, sind in der Tabelle auch für diese Situation Erfahrungs-werte enthalten.

Gehörbelastung durch akustische Instrumente und Gesang

Auch ausserhalb von Orchestern ist die Gehörbelastung durch akusti-sche Instrumente nicht zu unter-schätzen. So erreicht eine Blockflöteam Ohr im Mittel 86 dB(A) und einSaxophon sogar 95 dB(A). Beim Klavier und auch bei Kirchenorgelnliegt hingegen der Dauerschallpegelmeist unter 85 dB(A). Eindrücklichsind die Schallpegel, die am Ohreiner Sängerin oder eines Sängersdurch die eigene Stimme erzeugtwerden, nämlich über 95 dB(A),manchmal sogar über 100 dB(A).In einem Chor liegen die Schallpegeltypischerweise um 85 dB(A).

Üben, Proben, Gesamt- individuell Aufführungen belastung Unterrichten*

Instrument, Register Leq dB(A) Leq dB(A) LEX dB(A) Leq dB(A)

Violine 90 90 89 84

Viola 90 89 89 83

Cello 84 87 87 79

Kontrabass 81 87 85 75

Harfe 87 91 89 81

Klarinette 92 91 92 87

Oboe 85 88 86 83

Fagott 87 90 89 83

Querflöte, Piccolo 94 91 91 85

Horn 93 92 92 89

Trompete 94 92 92 91

Posaune 96 96 95 91

Tuba 93 91 92 90

Schlagzeug 93 89 91 89

Dirigent – 85 83 –

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*Vorausgesetzt, der Lehrer spielt während eines Fünftels der Lektion selber auf dem betreffenden Instrument.

Orchestre de la Suisse Romande Foto: Dorothea Muller

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Tonhöhe und Frequenz F

req

ue

nz in

He

rtz

20

27

50

10

0

20

0

44

0

10

00

20

00

40

00

80

00

16

00

0

hörbarer Frequenzbereich

Orgel

Gespräch

Violine

Piccolo

Trompete

Kontrabass

Grundtöne Obertöne

Wenn eine Lautsprechermembrannur langsam schwingt, strahlt sieeinen tiefen Ton ab, also ein Brum-men. Wenn sie sehr rasche Schwin-gungen ausführt, entsteht ein hoherTon, also eher ein Pfeifen. Die AnzahlSchwingungen pro Sekunde ist die Frequenz in Hertz, abgekürzt Hz.1000 Schwingungen pro Sekundeentsprechen einem Kilohertz (kHz).Jede Verdoppelung der Frequenznehmen wir als einen Oktavsprungwahr [6].

Der internationale Stimmton a’(Stimmgabel) liegt bei 440 Hz, dieersten Töne des Radiozeitzeichenshaben eine Frequenz von 1000 Hz (1 kHz) [6, 5. Ton].

Der Pfeifton eines alten Röhren-fernsehgerätes (Ton abgedreht) hatknapp 16 kHz [6, 9. Ton]. Hören Sie diesen Ton noch?

Unter allen Musikinstrumenten weistdie Kirchenorgel den grösstenGrundtonumfang auf: von 16 oder 32 Hz bis 8 kHz [7].

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Unser Gehör: hoch entwickelt und verletzlich

Das Aussenohr

Zum Aussenohr gehören die Ohr-muschel (sie hilft bei der Ortung vonSchallquellen) und der Gehörgang.Der Gehörgang wird vom Trommel-fell abgeschlossen, das wie die Membran eines Mikrofons auf dieDruckschwankungen reagiert.

Das Mittelohr

Im Mittelohr werden die Bewe-gungen des Trommelfells von drei Knöchelchen – den kleinsten in unserem Körper – optimal verstärkt,zum Teil begrenzt und ans Innenohrweitergeleitet.

Das Innenohr

Im Innenohr sitzt gut geschützt die Gehörschnecke (Cochlea). Sie hat nur gerade die Grösse einerErbse, ist mit Flüssigkeit gefüllt und in Längsrichtung durch die Basilarmembran unterteilt.

Aussenohr

Gehörgang

Trommelfell

Gehörknöchelchen

Gleichgewichtsorgan Hörnerv

Gehörschnecke

Basilarmembran mit Haarzellen

Mittelohr Innenohr

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Haarzellen

Der Schall versetzt die Basilar-membran selektiv in Schwingung: Bei den höchsten Tönen spricht sie ganz vorne an, während tiefeTöne bis ins Innerste der Schneckevordringen. Es findet also eine Frequenzanalyse statt. Auf der Basilarmem bran sitzen die eigent-lichen Aufnehmer, nämlich die etwa5000 inneren Haarzellen, die elek-trische Impulse an die Hörnerven abgeben, sobald sich die Basilar-membran bewegt. Das Gehirn wertet diese Impulse bis ins feinsteDetail aus. Ebenso wichtig sind aber die ca. 20’000 äusseren Haar-zellen. Als Verstärker-Elemente optimieren sie das Verhalten der Basilarmembran ständig auf das zu verarbeitende Signal hin.

Erst das perfekte Zusammenspiel dieser Elemente ermöglicht die fantastischen Leistungen: • Zwischen Hörschwelle und Schmerzschwelle besteht ein Schalldruckverhältnis von 1 zu 1 Million.• Der Frequenzumfang von 20 Hz bis 10 oder 20 kHz (je nach Alter) umfasst 3 Dekaden!• Dazu kommen ein hervorragendes Auflösungsvermögen und eine hoch entwickelte Richtungserkennung: Wir können noch Signale unter- scheiden, bei denen teure Analyse- geräte bereits Mühe haben [36] – zum Beispiel aus einem ganzen Orchester ein einzelnes Instrument heraushören und dessen Melodie verfolgen – oder die Richtung eines Klickgeräuschs auf 3° genau orten [37].

Die Haarzellen reagieren sehr ver-letzlich auf Überlastungen, währendTrommelfell und Mittelohr erst beiExplosionen Schaden nehmen: Bei einer übermässigen Lärmbe-lastung nimmt zuerst die Empfind-lichkeit der Haarzellen ab, wobei das Gefühl entsteht, man habeWatte in den Ohren. Davon kannsich das Ohr in ruhigen Phasen wieder erholen. Kritisch wird es,wenn sich solche Überlastungenhäufen: Die Erholung bleibt unvoll-ständig, und die Haarzellen sterbenmit der Zeit ab. Weder Operationennoch Medikamente können sie wieder zum Leben erwecken. Zuerst geschieht dies im Frequenz-bereich um 4 kHz, wo das gesundeOhr am empfindlichsten ist.

Innere (oben) und äussere Haarzellen intakt Haarzellen, durch Überlastung geschädigt

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Hörverlust und Ohrenpfeifen

Eine Gehörüberlastung kann eineHöreinbusse oder Ohrgeräusche zur Folge haben.

Hörtest

Das Audiogramm stellt die Hörfähig-keit bei den verschiedenen Frequenzenim Vergleich zur Normalhörschwellejunger Personen dar. Wenn der Prüf-ton erst bei einem höheren Schall-pegel wahrgenommen wird, ist dieseDifferenz in dB als Hörverlust nachunten einzutragen. Je höher also dieKurven liegen, desto besser [34, Hör-test]. Bei den höchsten Tönen ist eineAbnahme mit zunehmendem Alter auchohne Lärm normal (weisse Kurven).

Das abgebildete Audiogramm miteinem Einbruch von 40 bis 50 dB bei 4 und 6 kHz ist typisch für dieFolgen einer Gehörüberlastung. Bei4000 Hz liegt dieses Audiogrammunter der Durchschnittskurve für 60-jährige Männer ohne Lärmbelas-tung, so dass ein lärmgeschädigtesGehör im wahrsten Sinn des Wortes«alt aussieht». Der Hörverlust be-trifft bei der Sprache vorerst nur dieZischlaute, bei der Musik die klang-formenden Obertöne und wird des-halb nicht sofort bemerkt. In lärmigerUmgebung allerdings ist das Ver-stehen von Sprache bereits stark erschwert [47– 51]. Wenn sich derSchaden weiter in die Sprach-frequenzen ausbreitet und verstärkt,wird die Verständigung auch in ruhiger Umgebung schwierig. Zudemverschlechtert eine Lärmschädigungdas Auflösungsvermögen des Gehörs: Alles verschwimmt in einemKlangbrei [61– 65].

Ein Hörcheck kann auch mit derSuva-CD «AUDIO DEMO 3» [34] undeinem Schallpegelmesser durchge-führt werden. Die CD bietet zudemeinen speziellen Hochtonhörtest [35].

Ohrgeräusche

Nach einer Überlastung des Gehörstreten häufig Ohrgeräusche auf wieRauschen, Pfeifen, Surren, Klingelnusw. (Tinnitus) [2]. Wenn sie nichtmehr verschwinden, ist dies für man-che Betroffene noch viel belastenderals eine Höreinbusse. Denn die Ohrgeräusche stören dann am meis-ten, wenn man seine Ruhe habenmöchte: beim Einschlafen [3]. Wenn das Pfeifen oder Rauschennach 12 Stunden nicht verschwundenist [3], sollten Sie einen Ohrenarztkonsultieren.

Wer sich darauf einrichten muss, mit einem Tinnitus zu leben, erhält Beratung bei der Schweizerischen Tinnitus-Liga (www.tinnitus-liga.ch).

Warnsignale

Achten Sie auf die Warnsignale, mitdenen das Gehör gegen Überlastungprotestiert. Jedes auch nur vorüber-gehende Taubheitsgefühl zeigt an,dass ein solcher Pegel auf die Dauerschadet. Die Vertäubung äussertsich vor allem bei hohen Tönen, z.B.darin, dass man das Ticken einerUhr schlechter hört als sonst. AuchOhrgeräusche nach grosser Schall-belastung sind als «Gelbe Karte» zubetrachten.

rechtes Ohr

500 1000 2000 3000 4000 6000 8000

20

40

60

Frequenz in Hertz

hauptsächlicher

Sprachbereich

linkes Ohr Mittelwerte für Altersgruppen

Hörverlustin dB

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

10

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Ist Ihr Gehör in Gefahr?

Das Risiko eines lärmbedingten Hörverlusts hängt nicht davon ab, ob man den Schall als angenehmoder unangenehm empfindet. Die Erfahrungen und Grenzwerte fürIndustrielärm gelten deshalb auch fürMusik. Entscheidend für das Risikoist – ausser bei Knallen und Explo-sionen – nicht der höchste Pegel, der irgendwann auf das Gehör ein-wirkt, sondern der Lärmexpositions-pegel, der sich aus dem Schallpegelund der Belastungsdauer ergibt. An Arbeitsplätzen sind Gehörschutz-mittel ab einem Lärmexpositions-pegel von 85 dB(A) obligatorisch. Jede Halbierung der Belastungs-dauer erlaubt einen um 3 dB höhe-ren Pegel (gleiche Schallenergie).

Auf der linken Skala der Grafik sinddie Schallpegel eingetragen, auf der rechten Skala lässt sich die maximal zulässige Einwirkungszeit in Minuten oder Stunden pro Wochefür den betreffenden Pegel ablesen.

Zwei Beispiele: Laute Musik im Kopfhörer mit 95 dB(A) kann denOhren während 4 Stunden proWoche zugemutet werden. Der mittlere Schallpegel bei einemzweistündigen Rockkonzert solltenicht über 98 dB(A) liegen.

Ist es zu viel? Ihre «Lärmpunkte» zeigen es!

Wenn Sie wissen wollen, ob SieIhren Ohren insgesamt zu viel zumu-ten, müssen Sie alle wesentlichenBelastungen addieren. Aber Dezibeldarf man nicht einfach zusammen-zählen. Deshalb sind in der Grafikzusätzlich die schwarzen Zahlen ent-halten. Sie geben die «Lärmpunkte»(Lärmdosis*) pro Stunde an und sindmit der jeweiligen Anzahl Stundenpro Woche zu multiplizieren. Wo Sie sich mit Gehörschutzpfrop-fen oder -kapseln schützen, dürfenSie die betreffende Punktzahl durch100 teilen. Zählen Sie nun wie imunten stehenden Beispiel alle Ihre«Lärmpunkte» (Punkte pro Woche)zusammen.

Schall-pegel in dB(A)

110

105

100

95

90

87

85

80

Lärm-dosis/Stunde

1000

500

300

200

100

50

30

20

10

5

3

2

1

Min

uten

unb

egre

nzt

Zulässige Einwirkungs-zeit/Woche

10

15

30

1

2

3

5

10

20

40

Stu

nden

Ihre Lärmpunkte

Bei der Summe gilt:– Liegt Ihre Gesamtpunktzahl unter 100, so sind Sie auf der sicheren Seite. – 100 bis 200 Punkte bedeuten: Wenn Sie so weitermachen, gefährden Sie Ihr Gehör. – Bei mehr als 200 Punkten müssen Sie dringend etwas ändern.

Disco

Konzert

Kopfhörer

Total

Pegel

93

100

95

Punkte/h

20

100

30

h/Woche

4

2

4

Punkte/Woche

80

200

120

400

Grenzwert

ohne Gehörschutz

laut eingestellt

eindeutig zu viel!

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*Für Akustiker: ein «Lärmpunkt» entspricht 144 Pa2s oder 0,04 Pa2h

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MP3-Player (z.B. iPod) sind in allerOhr. Die technischen Wunderwerkesind ultrakompakt und bieten vielSpeicherplatz, hohe Klangqualitätund lange Betriebsdauer. Wenn nureines nicht wäre: die hohen Schall-pegel!

Normkonform und doch gefährlich

Weil die Einhaltung der Norm EN 50332 in Frankreich und derSchweiz gesetzlich gefordert ist (imübrigen Europa noch nicht), haltenfast alle in Europa verkauften MP3-Geräte den Grenzwert von 100 dB(A) ein. Allerdings verwendetdie Norm ein standardisiertes Test-geräusch. Aktuelle Musik wird aberso aufbereitet, dass sie möglichstlaut wirkt und die digitale Aufzeich-nung voll ausnützt. So erreicht dieseMusik höhere Dauerschallpegel alsdas Testgeräusch, nämlich bis zu 105 dB(A). Mit «hoch gezüchteten»Austauschhörern liefern die Geräteoft noch einige Dezibel mehr als mitden Originalhörern. Ebenso führt dasAustricksen der Software zu nochgefährlicheren Schallpegeln. DieseUmgehung ist nur okay, wenn mandas MP3-Gerät zusammen miteinem eher leisen Hifi-Kopfhörer verwendet.

Die Lautstärke im Griff

Einen Vorteil hat das Musikhören mit diesen Geräten: Man entscheidetselbst, was man auf seine Ohren loslässt. Gemäss einer Studie derSuva hören Jugendliche rund 100 Minuten pro Tag Musik undwählen mehrheitlich «vernünftige»Schallpegel um 80 Dezibel. Etwa 7 Prozent der Befragten (darunterdoppelt so viele Jungen wie Mäd-chen) hören aber so lange und solaut Musik, dass sie ihr Gehör aufsSpiel setzen. Gehören Sie dazu?

MP3 im Ohr

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Die richtige Einstellung

Die richtige Einstellung der Lautstär-ke ist entscheidend. Aber mit ihrenrudimentären Lautstärkeanzeigenlassen MP3-Player den Benutzer imUngewissen über den Schallpegel im Ohr. Dabei könnten sie − ähnlichdem Bordcomputer im Auto − denLärmexpositionspegel errechnen und warnen, bevor die Reserven des Gehörs aufgebraucht sind (diese Idee hat Apple zum Patent angemeldet). Bis solch intelligenteGeräte erhältlich sind, stützt mansich am besten auf die Erfahrungs-werte in der nebenstehenden Tabelle. Sie gelten für MP3-Gerätenach Euro-Norm mit Originalhörern.

Das heisst zum Beispiel, dass miteinem MP3-Player, dessen Lautstär-keskala von 0 bis 20 reicht, in derEinstellung «16» während zehn Stun-den pro Woche «aktuelle», auf maxi-male Lautstärke getrimmte Musikgehört werden darf. Frühere Pop-Musik, Oldies, wenn sie nicht nach-träglich aufbereitet («remastered»)und verdichtet wurden, oder Jazztitelerreichen den Maximalpegel jeweilsnur kurz, ihr Durchschnittspegel liegtum 5 bis 10 dB tiefer. Deshalb sind

sie gehörverträglicher, und bei glei-cher Lautstärkeeinstellung liegt viellängeres Hören drin. Noch mehr giltdies bei klassischer Musik: Wer will,kann voll aufgedreht gefahrlos täglicheine Oper oder eine ganze Sympho-nie geniessen.

Wichtig ist aber, nicht nur auf denMP3-Player zu hören, sondern auchauf die eigenen Ohren. Rauscht oderpfeift da etwas? Dann sollten SieIhren Ohren einen Tag Ruhe gönnenund in Zukunft die Lautstärke deut-lich zurückdrehen.

Und noch etwas: Vorsicht, Unfall!Mit dem Hörer des MP3-Players im Ohr sollte man keinesfalls einFahrzeug lenken. Aber auch zu Fussleben Sie mit Musik im Ohr nicht ungefährlich. Schon bei einer Laut-stärke, die für das Gehör noch unkritisch ist, nehmen Sie auf derStrasse viel zu spät wahr, was sichIhnen von hinten nähert.

Ob MP3-Hören am Arbeitsplatz zulässig ist, erfahren Sie aus derSuva-Checkliste 67121.d.

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Maximale Hördauer in Stunden pro Woche

Einstellung aktuell Oldies, Jazz klassische Musik

Maximallautstärke (100%) 1 4 16

90% der Maximallautstärke 3 12 50

80% der Maximallautstärke 10 40 unbeschränkt

70% der Maximallautstärke 30 unbeschränkt unbeschränkt

60% der Maximallautstärke unbeschränkt unbeschränkt unbeschränkt

Was MP3-Geräten fehlt: die Schallpegelskala

80 85 90 95 100 dB

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Laute LautsprecherTipps für Besucher von Konzerten und Musiklokalen

Laut und deutlichNach der Schall- und Laserverord-nung (LSV, Seite 15) müssen die Lokale oder Veranstaltungen den zuerwartenden Schallpegel deutlich deklarieren, wenn er über 93 dB(A)Stundenmittelwert liegt.

An Live-Konzerten ist im Publikummit einem Schallpegel von 100 dB(A)zu rechnen. Wenn ein Konzert weni-ger als 2 Stunden dauert, ist das gerade noch okay. Bei längeren Veranstaltungen oder Festivals istGehörmanagement angesagt: Gehörschutz bereithalten, Pauseneinschalten.

Eine Frage des StandortsIhr Standort bestimmt ganz wesent-lich die Gehörbelastung. Halten Siebei Konzerten und Festivals Abstandvon den Lautsprechertürmen. Der Sound ist meistens besser in der Mitte, wo auch das Mischpult installiert ist. Bei aufgehängten Line-Arrays («Lautsprecher-Bananen»)dürfen Sie eine gleichmässigere Pegelverteilung voraussetzen – derStandort ist dann weniger kritisch.

Mach mal PausePausen sind für das Gehör mehr alsnur lärmfreie Zeiten: Es kann sich erholen. Wenn eine Veranstaltung 96 dB(A) überschreitet und mehr als3 Stunden dauert, muss eine Zonemit weniger als 85 dB(A) vorhandensein. Wenn es am Festival «um dieWurst geht», sucht man sich bessereinen etwas abseits gelegen Verpfle-gungsstand.

Sie sind nicht allein……wenn Ihnen die Musik zu laut ist,denn eine Mehrheit der Jugend-lichen findet die Lautstärke an Musik-veranstaltungen zu hoch. Bei den Mädchen und jungen Frauen sind es sogar zwei Drittel, die mit akus-tischem Imponiergehabe wenig

anfangen können. Deshalb dürfenSie es dem DJ ohne weiteres zu verstehen geben, wenn er zu starkaufdreht: Reklamieren statt leiden!

GehörschutzWenn Sie keine eigenen Gehör-schutzpfropfen dabei haben, so bedienen Sie sich mit den vom Ver-anstalter angebotenen Gehörschutz-pfropfen. Dabei handelt es sich oftum Schaumstoffpfropfen (Typ A,Seite 18). Klanglich besser und mehr-fach verwendbar sind vorgeformteKunststoffpfropfen (Typ B). Solche mitFilter (Typ C) bieten zum Preis von 40 Franken schon sehr guten Klang.Übrigens: Die Bässe spürt man mitdem Körper. Pfropfen in den Ohrenschmälern dieses Feeling nicht.

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Laute LautsprecherTipps für Profis

SchallgrenzwerteDie revidierte Schall- und Laser-Ver-ordnung ist seit 2012 in Kraft. EinMaximalschallpegel LAFmax von125 dB(A) darf in keinem Fall über-schritten werden. Grundsätzlich istein Stundenmittelwert von 93 dB(A)einzuhalten, doch sind − ausser wennsich die Veranstaltung an Jugend-liche unter 16 Jahren richtet − bis zu 100 dB(A) zulässig, sofern die fol-genden Massnahmen getroffen wer-den: Meldung an die Behörde, Infor-mation des Publikums über Schallpe-gel und Risiken, kostenlose Abgabevon Gehörschutzmitteln, Überwachendes Schallpegels mit einem Leq-Schall-pegelmesser. Für Veranstaltungenüber 96 dB(A) von mehr als 3 Stun-den Dauer ist zusätzlich die elektro-nische Aufzeichnung des Schallpe-gelverlaufs gefordert und eine Aus-gleichszone mit weniger als 85 dB(A).

Wie laut soll Musik sein?Einen Dauerschallpegel von100 dB(A) empfinden rund 55 Pro-zent der Zuhörer als angemessen,rund 40 Prozent aber bereits als zu laut und nur Einzelne als zu leise.Der optimale Schallpegel liegt alsofür das Publikum (und erst recht für das Gehör) unter 100 dB(A).

LautsprecherLautsprecherboxen müssen so auf-gebaut sein, dass die Mittelhochton-systeme niemals direkt in die Ohrender Zuhörer strahlen, sondern darü-ber hinweg. Auch sollte zwischenden Zuhörern und den Lautspre-chern immer ein genügender Abstandeingehalten werden. Aufgehängte Lautsprechersysteme oder solchemit Hochständer sind deshalb bes-

ser als solche, die direkt auf oderneben der Bühne aufgetürmt wer-den. Für grossflächige Beschallun-gen sind gekrümmte Line-Arraysoptimal, da sie überall einen gleich-mässigen Schallpegel und gutenKlang ermöglichen.

Qualität statt QuantitätDas Publikum schätzt es, wenn esnicht mit einem Soundbrei zuge-dröhnt wird, sondern den Gesangund die einzelnen Instrumente inguter Qualität wahrnimmt. 50 Jahrenach Einführung der zweikanaligenStereophonie und 30 Jahre nachden Quadrophonie-Konzerten vonPink Floyd wäre auch Surround-Sound in Betracht zu ziehen, denner wirkt bei gleichem Schallpegel eindrücklicher.

RaumplanungEin Musiklokal sollte nicht nur archi-tektonisch, sondern mindestens sosehr akustisch durchgestaltet sein.Mit einer geschickten Anordnung

der Lautsprecher und gezielterSchallabsorption wird der Soundbesser, und die hohen Pegel blei-ben auf die Tanzfläche beschränkt. Am besten wird von Anfang an einLimiter eingeplant.

Der Barman als Laut-SprecherDie Beschäftigten in Musiklokalensind den hohen Schallpegeln längerausgesetzt als die Gäste. Für sie gilt der Grenzwert für Lärm am Arbeitsplatz von 85 dB(A). In einemClub sollte sich die Bar nicht geradeim Kreuzfeuer der Lautsprecher befinden, sonst werden Besucherund Barkeeper unfreiwillig zu Laut-Sprechern, die sich gegenseitig anschreien müssen. Meist herrschenan der Bar 90 oder gar 95 dB(A), die Mitarbeitenden müssen also ihr Gehör schützen. Damit sie sichmit den Besuchern verständigenkönnen, brauchen sie geeigneteKunststoffpfropfen (Typ C, Seite 18)(und nicht Schaumstoffpfropfen, wiesie gratis an die Besucher abgege-ben werden). Licht- und Tontechni-ker haben etwa 95 dB(A) auf den Ohren, das Abräumpersonal kaumweniger.

Sicherheit – auch für die OhrenAn Konzerten sind Sicherheitsleuteoft gezwungen, sich in der Sperr-zone vor den Lautsprechern auf-zuhalten. Da tut Gehörschutz not.Wenn mit Funk und Ohrhörern gearbeitet wird, müssen die Ohr-hörer die Musik genügend dämmen,damit das Gehör geschont wird und die Kommunikation sicher-gestellt ist.

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Line-ArrayFoto: Audio Performance, Echallens (VD)

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Mit Pauken und TrompetenTipps für Orchestermusiker

Mehr als ein Beruf – eine Berufungist das Musizieren für viele Musiker.Und ein gutes Gehör die unerläss-liche Voraussetzung dazu. DiesemKapital gilt es Sorge zu tragen.

SchallbelastungDie Tabelle auf Seite 6 macht es deut-lich: Die gesamte Schallbelastungdurch Üben, Proben und Aufführun-gen erreicht bei allen Orchestermusi-kern zwischen 85 und 95 dB(A) undgefährdet über kurz oder lang dasGehör. Besser sieht es für Kammer-oder Barockmusiker aus: Hier liegtdie Gehörbelastung um 5 bis 10 dBtiefer (Ausnahme: Solovioline). Meistüberschätzen Orchestermusiker dieBelastung durch die Kollegen undunterschätzen die Gefährdung durchihr eigenes Instrument. So erzeugt beispielsweise die Geige am Ohr derGeigerin einen Dauerschallpegel von90 dB(A).

An der QuelleMit richtigem Üben können Sie IhrGehör entlasten, indem Sie z.B. ge-zielt und konzentriert an schwierigenStellen arbeiten, wenn möglich pianostatt forte. Dämpfer mit Mithörelek-tronik oder elektronisch verstärkte Instrumente (z.B. «Silent Brass» oder«Silent String» von Yamaha) ermög-lichen leiseres Üben, auch zumWohle der Nachbarn. Und mentalesTraining – seit Jahren im Sport er-folgreich praktiziert – führt Sie laut-los zu Höchstleistungen und gibtSicherheit beim Auftritt.

Mehr AbstandIn der Nähe der Instrumente nimmtder Pegel mit der Distanz rasch ab.Mehr Abstand zu lautstarken Instru-menten entspannt die Situation.

Niveau-DifferenzenEine Höhenstaffelung des Orches-ters ergibt nur dann eine Entlastung,wenn die Stufen mindestens einenMeter hoch sind. Andernfalls befin-den sich die Schalltrichter von Trom-peten und Posaunen auf Ohrhöheder Mitmusiker. Wenn eine ausrei-chende Höhenstaffelung nicht mög-lich ist, ist das Musizieren auf gleicherEbene vorzuziehen.

Grabenkämpfe in der OperNoch im 18. Jahrhundert spielten die Musiker auf der Ebene des Par-ketts. Erst später wurden sie in denOrchestergraben «versenkt». Meistwerden die lautesten Instrumenteunter der Überdeckung platziert, undder Schall bleibt gefangen (am meis-

ten bei den Hörnern, die seitlich abstrahlen): Die Musiker im Grabenleiden, ebenso der Klang im Zu-schauerraum. Wenn ein Regisseurdie Bühne vergrössern und den Orchestergraben noch mehr einde-cken will, muss sich das Orchesterwehren, bevor es ganz «begraben»wird. Tieftonabsorption hilft gegenDröhnen, genügt aber nicht. Stattden Schall im Graben von Absorpti-onsmaterialien schlucken zu lassen,sollte man ihn besser zum Dirigen-ten und den Zuschauern lenken.

SchallschirmeSchallschirme aus Acrylglas (sieheFoto oben) können vor hohen Tönenvon hinten schützen. Aber gleichzei-tig werfen sie den Schall zurück undsind deshalb in der hinteren Reiheunbeliebt. Im Schirm können Bünde-lungseffekte und Klangverfärbungenauftreten. Abhilfe schaffen gezielt angebrachte Absorptionsflächen undeine nach vorn geneigte Montage,

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Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester, Zürich, mit Plexischirmen

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In der BandTipps

Vorbilder mit VorbehaltDie Alt-Stars von Rock, Pop, Bluesund Jazz haben die heutige Musik-kultur geprägt. Aber manche vonihnen haben neben Geld und Ruhmauch schwere Gehörschäden davon-getragen. Das sollte ihren Nachfah-ren nicht passieren. Voraussetzungsind Kenntnisse über das Gehör,akustische Massnahmen im Übungs-raum, ein cleverer Einsatz modernerTontechnik – und die Überzeugung,dass musikalische Qualität nichtdurch Lautstärke zu ersetzen ist.

SchallpegelmesserWenn für Instrumente und Verstär-keranlagen tausende von Franken investiert werden, sollte ein Schall-pegelmesser für 50 bis 100 Frankenauch noch drin liegen (Seite 5).Schliesslich geht es um Ihr wichtigs-tes Instrument: das Gehör.

Vom Übungskeller zum ProbestudioDamit das Schlagzeug den andernInstrumenten nicht eine unnötig hohe Lautstärke aufzwingt und dasGanze ausser Kontrolle gerät, soll-ten die Wände und die Decke desÜbungslokals mit schallschlucken-den Platten verkleidet werden. Solche gibt es günstig in Baumärk-ten zu kaufen. Die Platten nageltman auf einen Holzrost aus Dachlat-ten, die vorgängig an die Wändemontiert wurden. Das verbessert die Wirkung bei tiefen Tönen. EinTeppich und halbhohe absorbieren-de Stellwände um das Schlagzeugherum bringen schon fast Studio-Feeling in den Übungskeller – undeine entsprechend bessere Kontrolleüber das musikalische Ergebnis.

Auf der BühneWenn das Schlagzeug direkt ins Publikum strahlt, müssen die übrigenInstrumente umso mehr verstärktwerden, um nicht unterzugehen. Ein absorbierender Bühnenbereichund halbhohe absorbierende Stell-wände beim Schlagzeug helfen indiesem Fall und verschaffen Spiel-raum beim Mix.

MonitoringBesonders kritisch für das Gehörsind die Bühnenlautsprecher wegenihrer Lautstärke und dem ständigdrohenden Rückkopplungspfeifen.Mit einem lautstärkebegrenzten(!) Im-Ohr-Monitoring sind Sie besserdran.

GehörschutzMusikoptimierte Kunststoffpfropfen(Typ C) oder gar musiktaugliche Otoplasten (Typ D) sind die richtigeLösung.

so dass der Schall von hinten nachoben abgelenkt wird. Die «Schall-schutz-Kopfstütze Hearwig» schütztgegen Schall von hinten, aber nichtvon oben (z.B. von der Überdeckungdes Orchestergrabens). Auch der«Hearwig» kann den Klang des eigenen Instruments verfärben.

GehörschutzDie beste Lösung für Berufsmusikersind otoplastische Gehörschützer(Typ D). Wenn es schnell gehenmuss, können vorgeformte Kunst-stoffpfropfen des Typs C helfen.

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Hearwig im Orchestre de la Suisse Romande,Foto: ERGOrama SA

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Gehörschutz – weniger ist mehr

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Schaumstoffpfropfen (Typ A)Gehörschutzpfropfen aus Schaumstoff für den Einmalgebrauch sind sehr wirksam, wenn man sie richtig anwendet: zum Würstchen rollen, in den Gehör-gang einführen und während der Ausdehnphase 30 Sekunden lang den Fingerdraufhalten. Sie sind bei Grossverteilern, in Baumärkten, Apotheken oder beider Suva für weniger als 1 Franken pro Paar erhältlich. Allerdings nehmen sie zu viel Sound weg (starke Dämmung, vor allem bei hohen Tönen).

Kunststoffpfropfen (Typ B)Für Musik schon wesentlich besser geeignet und zudem mehrfach verwend-bar sind Kunststoffpfropfen vom Typ «Artifit» oder «Ultrafit» (u.a. erhältlich beider Suva für 4 Franken pro Paar in der Plastikdose). Der Schutz ist vollauf genügend, aber der Klang kommt wesentlich besser durch – das lohnt sich!

Gehörschutz für MusikVor wenigen Jahren noch unverein-bar, heute von der «Streetparade»bis zum Orchestergraben fast schonselbstverständlich: Gehörschutz undMusik [44]. Eine ungleiche Dämmungbei tiefen und hohen Frequenzen verzerrt den Klang. Eine horizontaleKennlinie hingegen verringert nur den Schallpegel, bewahrt aber denKlang. Etwa 15 dB Dämmung genü-gen vollauf für einen sicheren Schutz.

Kunststoffpfropfen, musikoptimiert (Typ C)Spezielle Pfropfen wie «Elacin ER-20S» oder «Ultratech» haben ein Filter eingebaut, das für eine dosierte Dämmung und einen ausgeglichenen Klang (horizontalere Dämmkurve) sorgt. Sie sind für ca. 40 Franken pro Paar in Musikfachgeschäften, bei Schutzmittellieferanten oder bei der Suva erhältlich.

Otoplastischer Gehörschutz (Typ D)Die beste Lösung sind individuell angepasste otoplastische Gehörschützer in Hifi-Qualität (sehr flache Dämmkurve, z. B. Elacin ER-15), die für etwa 300 Franken pro Paar von Hörgeräteakustikern oder Spezialfirmen angefertigt werden.

125 250 500 1000 2000 4000 8000Frequenz in Hertz

Dämmung

in dB

0

10

20

30

40

50

Typ D

Typ C

Typ B

Typ A

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AdressenFür Auskünfte und Beratung zur Gehörgefährdung, zu Schall-messgeräten und Limitern sowie Schallschutzmassnahmen:Suva, Team Akustik,Postfach 4358, 6002 Luzern, Tel. 041 419 54 22 oder 419 58 55

Für Auskünfte zu Gehörunter-suchungen für Berufsmusiker:Suva, Bereich Audiometrie, Postfach 4358, 6002 Luzern, Tel. 041 419 53 15

Für Bestellungen von Publikationen,DVD und CD:Suva, Kundendienst, Postfach 4358, 6002 Luzern,www.suva.ch/waswo Tel. 041 419 58 51, Fax 041 419 59 17

Für Bestellungen von Gehörschutzmitteln:Suva, Bereich Sicherheitsprodukte,Postfach 4358, 6002 Luzern, Tel. 041 419 52 22 oder 419 55 24, Fax 041 419 58 80

Zugaben

Schallpegeltabelle MusikGehörbelastung von Musikern, 3 Seiten, Bestellnummer 86496. d/f/i,gratis

Augen- und GehörschutzmittelVerkaufsdokumentation, 31 Seiten,Bestellnummer 88001.d, gratis

Napo – Schluss mit Lärm,DVD, 8 Minuten, Bestellnummer DVD 355.d/f/i/e, gratis

Gehör in Gefahr. Schutz vor Lärm am ArbeitsplatzDVD, 8 Minuten, Bestellnummer DVD 309. d/f/i, gratis

InternetZu weiteren Informationen führtwww.suva.ch/musikgehoer, zum Beispiel:• Publikationen der Suva• Hinweise auf Schallmessgeräte verschiedener Preisklassen• Hinweise auf Gehörschutzmittel• Angebote des Bundesamtes für Gesundheit, speziell für Schulen• Gehörschutzrechner für Orchester- musiker der Deutschen gesetz- lichen Unfallversicherung• Kleinplakat 55249.d «Lautstärke nur wenig zurückdrehen genügt»• Telefon-Hörcheck von Pro Audito

SchallpegelmesserBeim Team Akustik (Bereich Physik)der Suva in Luzern können Sie kleineProfi-Geräte mit Leq-Anzeige (Seite 5)für 40 Franken pro Woche mieten.

Audio Demo 3Was Schall ist, was unser Gehör leistet und wie sich eine Gehörschä-digung auswirkt, führt die Suva-CD«Audio Demo 3» mit 99 Hördemonstra-tionen vor Ohren. Sie ist gratis erhält-lich (Bestellnummer 99051). Für den Einsatz in der Schule stehtkostenlos eine Begleitdokumentationmit Erklärungen und Hintergrund-informationen zur Verfügung (Bestell-nummer 86905.d). Zusammen miteinem Schallpegelmesser kann die CD auch für einen Hörtest ein-gesetzt werden.

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SuvaFreizeitsicherheitPostfach6002 Luzernwww.suva.ch

Bestellnummer84001.d