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Monatshefte, Vol. 98, No. 1, 2006 300026-9271/2006/0004/30© 2006 by The Board of Regents of The University of Wisconsin System

Säkularisierung im Spiegel der Aufklärungsdichtung. Friedrich von Hagedorn,

August Moritz von Thümmel, Johann Heinrich Voss

Reinhold MünsterMarburg

Die Idylle Das Fest im Walde, die Johann Heinrich Voss 1784 unter dem Ti-tel Luise publizierte und 1795 in die Buchausgabe aufnahm, beginnt mit den folgenden Versen:

Draußen in dunkeler Kühle der zwo breitblättrigen Linden,Welche, die tägliche Stub an der Mittagsseite beschattend,Über das moosige Dach hinsäuselten, schmauste behaglichIm Schlafrocke der Pfarrer am steinernen Tisch . . . (90)1

Lediglich acht Jahre trennen die erste Buchfassung vom Reichsdeputati-onshauptschluss. Auf den ersten Blick lässt sich im Text keine Andeutung der kulturellen, gesellschaftlichen und kirchlichen Umbrüche und Transformatio-nen im Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts erfassen. Im Gegenteil: Der Natureingang verweist auf eine friedliche Welt, auf den locus amoenus, den lieblichen Ort der antiken Idyllen und Eklogen, und auf einen bürgerlichen Pfarrherrn, der im Schlafrock behaglich seiner Mittagsruhe pfl egt. Die Welt scheint noch in Ordnung zu sein, unberührt von jeglicher, für den Pfarrer be-drohlichen Säkularisierung.

Während der Pastor im Verlauf der Idylle sein Nachmittagsschläfchen hält, könnte die Frage nach den Bedeutungsebenen des Begriffs betrachtet werden. Giacomo Marramo, Spezialist auf dem Gebiet der Säkularisierungs-forschung, meint, dass der Begriff “im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte eine außerordentliche semantische Erweiterung erfahren”2 habe. Hermann Lübbe kommt in seiner Untersuchung über die funktionalen Aspekte des Begriffs zu dem Schluss, dass die Säkularisierung der zentrale Leitspruch der kulturellen Emanzipation des 19. Jahrhunderts gewesen sei.3 Er zeigt zugleich, dass der Begriff erst in diesem Jahrhundert eine Rolle zu spielen beginnt. Einige Autoren bewerten den Begriff heute als eine Metapher, die zeitgebun-den auftrete.4

Niklas Luhmann fragt daher nicht mehr, ob wir in einer säkularen Ge-sellschaft leben, sondern nur noch, warum dies behauptet wird. Er betrach-

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tet die Ausdifferenzierung unterschiedlicher religiöser Funktionssysteme in Theologie, Kirche und Diakonie. Dazu stellt er fest: “Die These eines Niederganges der Religion, eines Verlustes an sozialer Bedeutung und indi-vidueller Motivkraft, galt im 19. und frühen 20. Jahrhundert als ausgemachte Wahrheit. Sie wurde auf beiden Seiten des ideologischen Spektrums, in eher progressiven und eher konservativen Sozialtheorien vorausgesetzt und daher nicht eigentlich kontrovers diskutiert.”5 Im 18. Jahrhundert entwickelt sich ein weiter Kulturbegriff, der gegen die religiösen Ordnungsvorschläge ge-stellt wird. Luhmann schreibt: “Mit diesem Kulturbegriff reagiert die (noch europäische) Gesellschaft des 18. Jahrhunderts auf eine immense Ausdehnung und auf neue Füllungen ihrer räumlichen und zeitlichen Horizonte. Innerhalb größerer Spannweiten werden mehr Verschiedenheiten registriert, so dass alte Zäsuren wie Griechen und Barbaren, Christen und Heiden, Zivilisierte und Wilde ihre Fähigkeit verlieren, die Phänomene zu ordnen.”6 Am Beispiel der Moral zeigt Luhmann den Transformationsprozess auf. An die Stelle der Angst vor den Höllenstrafen trete die Furcht vor der Lächerlichkeit, die noch auf die ständische Gesellschaft bezogen sei. “Die Religion selbst,” so meint er, “wird von da aus gesehen zur aufklärungsbedürftigen Angelegenheit, zu einer historischen Ablagerung unnötiger Abstrusitäten, zur Quelle von Streit und Menschenhass, zur Tarnung von Herrschaftsansprüchen, zur Ideo-logie— oder auch positiv: zur Form der Kanonisierung umstrittener Texte und Meinungen (Shaftesbury) oder zum Mittel der Domestikation und Erziehung von Unterschichten.” 7 Die Probleme werden in der Aufklärungsliteratur in die Moralphilosophie hinein verlagert.

Sehen die genannten Forscher den Beginn der Säkularisierung frühestens in der Aufklärung, nennen andere Autoren die Antike oder die Lehren von Jesus Christus als Ausgangspunkt.8 Eine Mehrheit aber lehnt sich an die Arbeit von Hans Blumenberg an, der den Anfang an das Ende des Spätmittelalters legt. Gott als eine “potentia absoluta”9 sei für die menschliche Vernunft unberechenbar ge-worden. Durch die Vernunft suchte der Mensch eine neue Gewissheit. Er wandte sich vom metaphysischen Denken ab und begann, angeregt durch seine theoreti-sche Neugierde, Wissenschaft und Technik als Überlebensstrategien zu entwerfen. Diesen Prozess betrachtet Blumenberg als Teil einer umfassenden Glaubenskrise der modernen Kultur, als Säkularisierung.

Blumenberg kritisiert innerhalb dieser Transformation die Reduktio-nen, welche die Forschung vornehme. Das moderne Arbeitsethos werde aus einer verweltlichten mönchischen Askese hergeleitet, die Weltrevolution als säkularisierte Endzeiterwartung verstanden. Hierbei handelt es sich in sei-ner Terminologie um “Säkularisate”, um spezifi sche Mutationen.10 Es gebe im Säkularisierungsprozess keine “Umsetzung theologischer Gehalte in ihre säkulare Selbstentfremdung.”11 Es gebe eine Unübersetzbarkeit. Auch die Endzeiterwartung der neutestamentlichen Eschatologie könne nicht mit der teleologischen Geschichtsphilosophie verglichen werden. Dies gelte auch für

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die neuzeitliche Geschichtsphilosophie, die keine verformte Heilsgeschichte darstelle, sondern allenfalls deren Ablösung und Ersetzung. Die moderne Fortschrittstheorie lasse sich ebenfalls nicht als ein Säkularisat der Eschato-logie betrachten.

Mit diesen Warnungen vor einer Vereinfachung von Erklärungsmustern in Richtung “Säkularisate” sollten die großen Erzählungen von Profanierung, Desakralisierung, Entchristlichung, Entkirchlichung, Entmythologisierung und Entzauberung der Welt mit großer Vorsicht geschrieben werden. Schon Hermann Lübbe äußert Bedenken, wenn er empfi ehlt, nicht jede Entwicklung der Moderne einer linearen und ableitenden Methode zu unterwerfen.12 Robert N. Bellah schlägt vor, die alten Säkularisierungsmodelle aufzugeben und nur noch von der Modernisierung der Religion zu sprechen.

Die Säkularisierung könnte nicht nur als gesamtgesellschaftlicher, sondern, reduziert, auch als spezifi sch innerkirchlicher und theologischer Prozess der Modernisierung von Religion betrachtet werden. In diesem Zu-sammenhang entdeckt Luhmann, dass in der Aufklärung der konfessionelle Zwang aufgehoben werde und die Aufklärung somit der Religion eher ge-holfen als geschadet habe. Der Befund deckt sich mit den Vorstellungen einiger Historiker. Die Wirkung der Säkularisation auf die Gesellschaft be-urteilt Hans-Ulrich Wehler als gering. Er schreibt: “So einschneidend auch die Besitzverschiebungen gewesen sind, so wenig haben sie offenbar die ge-sellschaftlichen Verhältnisse beeinfl usst. [. . .] Der ökonomische Vorteil der Gewinner wirkte sich auf die traditionalen Sozialstrukturen nachweislich nur begrenzt aus.”13 Autoren wie Hans Erich Bödecker gehen noch weiter: “Die deutsche Aufklärung [. . .] war nicht religionsfeindlich, aber sie stand in permanenter Auseinandersetzung mit der Theologie und Kirche.”14 Und er grenzt ein: “Aufklärung ist ein innertheologisches und innerkirchliches Ge-schehen gewesen [. . .]”.15 Den Schwerpunkt auf innerkirchliche Fragen legt der Beitrag von Walter Hartinger zur Ausstellung zur Säkularisation in Regensburg. In dieser Diözese wurden schon 1723 die Passionsspiele und die szenischen Ölbergandachten verboten.16 Der Vorgang allerdings spiegelt gesellschaftliche Interessen wieder. Wallfahrten und die arbeitsfreie Zeit während zahlreicher Feiertage stellten die Frage nach der Vergeudung von Arbeitskraft und Arbeitszeit. Im Kampf gegen die Faulheit verbündeten sich staatliches, wirtschaftliches und kirchliches Handeln.17

Richard van Dülmen unterstreicht in seiner Alltagsgeschichte den bis-herigen Befund: “Bis ins 18. Jahrhundert [. . .] galt die christliche Religion trotz ihrer konfessionellen Differenzierungen letztlich unangefochten als das Deutungssystem, von der Bevölkerung angenommen, von den Herrschaften sanktioniert und von niemand ernsthaft in Frage gestellt. Ihr Anspruch er-streckte sich nicht nur auf die eigentliche Glaubenswelt. Als Legitimations-grundlage bzw. Welterklärungssystem begründete sie auch den Staat und das gesellschaftliche Zusammenleben und war untrennbar mit Wissenschaft und

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Bildung verknüpft.”18 Das 18. Jahrhundert war nach seiner Auffassung “ein christliches, ja kirchlich-konfessionelles Jahrhundert.”19

Luhmann und Dülmen sehen als Element des Modernisierungsprozesses die Ausdifferenzierung von Religion und Theologie. Michael Maurer unter-scheidet für die Aufklärungsepoche zahlreiche innerkirchliche Strömungen: Protestantismus und Kalvinismus, zahlreiche pietistische Gruppen, einen Wandel innerhalb der Theologie von der Orthodoxie über den Deismus und die Physiko-Theologie hin zur Neologie und rationalen Theologie.20 Für die katholische Kirche ergeben sich andere Kategorien: Kampf gegen den Aber-glauben, Reformen, Restaurationen. Georges Minois nennt mit Blick auf den europäischen Atheismus weitere Differenzierungen: Atheismus, Antiklerika-lismus, Entkonfessionalisierung, Materialismus, Libertinismus, Sensualis-mus, Antirationalismus und den Skeptizismus, der eine besondere Bedeutung durch die Zerstörung der Gottesbeweise besessen habe.21

Diesen in der Forschung vorgelegten Differenzierungen entsprechen zeitliche Epochen. Der Deismus und die Physiko-Theologie umfassen den Zeitraum bis 1740, die Neologie den zwischen 1740 und 1770, an sie schlie-ßen die rationalistisch geprägte Theologie und Kants Skeptizismus an. Für den Atheismus beobachtet Minois: “Wenn es eine entscheidende Epoche für das Auftauchen des Unglaubens als eines kulturellen Elements gibt, dann ist es die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert,”22 die Zeit zwischen 1690 und 1730.

Welchen Ausdruck fi ndet der Transformations- und Differenzierungs-prozess in der schöngeistigen Literatur der Aufklärung und wie lässt er sich beschreiben? Zuerst sind die Rahmenbedingungen zu bestimmen. Untersucht werden nun literarische Werke von Autoren aus dem protestantischen Raum, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen, nachdem die Forschung starke Unter-schiede zum süddeutschen und österreichischen Katholizismus festgestellt hat.23 Im Zentrum stehen Werke von Friedrich von Hagedorn, Moritz August von Thümmel und Johann Heinrich Voss. Als Gegenstand werden die Vor-stellungen des bis dahin religiösen Festes betrachtet, zu dem die gottesdienst-liche Handlung als Zentrum des religiösen Ritus und Kultus gehört.24 Hier verbinden sich Himmel und Erde am stärksten; hier könnte ein bedeutsamer Seismograph für Veränderungen liegen.

Inzwischen erwachte auch der alte Pfarrherr von Grünau, trank mit sei-nen Lieben den Nachmittagskaffee und ließ die Pfeife im Geplauder ausge-hen. Man sang Lieder, zuerst zu Ehren Gottes, so dass der Wald zum Tempel wurde, später jedoch andere:

[. . .] und sangen empfundene Lieder von Stolberg,Bürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi;Sangen: “O wunderschön ist Gottes Erde!” von Hölty. (110).

Der Älteste in der Reihe ist Friedrich von Hagedorn, Hamburger poeta doctus und Popularphilosoph. Nach seiner Rückkehr aus London tritt er zur

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High Church of England über. Mit deren Pfarrern, Dr. John Thomas, Char-les Lake und Dr. William Murray lebt er in geistigem Austausch im glei-chen Haus. Dies hindert ihn nicht, einen engen Umgang mit protestantischen Geistlichen zu pfl egen, mit Joachim Johann Daniel Zimmermann, Prediger an St. Katharinen, mit Johann Albert Fabricius, der starke Sympathien für die Orthodoxie hegt, mit Barthold Heinrich Brockes, der dem englischen De-ismus nahe steht, mit Hermann Samuel Reimarus, dessen unveröffentlichte Manuskripte er gelesen hat, mit Peter Carpser und Jakob Friedrich Freiherr von Bielfeld, zwei Vertretern des Freimaurertums in Hamburg, mit Johann Matthias Dreyer, dessen anakreontische Versuche in Hamburg auf dem Block verbrannt werden. In England lernt er die Freidenker kennen. Nach seiner Rückkehr entwickelt er den Plan, ein Buch über sie zu verfassen. Obwohl er den Pietismus eines Nikolaus Ludwig von Zinzendorf satirisch bloß stellt, be-gegnet er seinen Jenaer Professoren, die ebenfalls Pietisten sind, mit Hochach-tung. Eine enge, auf Briefe begrenzt gebliebene Freundschaft zu dem calvi-nistischen Geistlichen Johann Jakob Bodmer rundet das Bild eines modernen Individuums ab, das sich in religiösen Fragen indifferent und tolerant verhält, ohne seine eigenen, mehr philosophischen Vorstellungen über Gott und die Religion aufzugeben.25

In seinen Oden und Liedern löst sich Hagedorn von den Vorgaben des christlichen Glaubens. Sein Fest ist ein säkulares, bei welchem der Mensch im Mittelpunkt steht. Die vier Zeilen aus Die Vergötterung. An Phyllis geben einen kleinen Eindruck davon:

Holde Phyllis, die Göttinnen(Traue mir die Wahrheit zu)Waren anfangs SchäferinnenOder Mädchen, so wie du. (79).

Nicht mehr der jenseitige Himmel zählt, sondern der Mensch auf dieser Erde. Die antiken Göttinnen stehen auf der gleichen Stufe wie Phyllis, die durch den Liebesblick vergöttert wird. Die Ironie zeigt, dass Hagedorn den griechischen Götterhimmel als Topos nutzt, als rhetorische Möglichkeit, Ge-genbilder zu einer repressiven Wirklichkeit zu entwerfen. Das Fest der Liebe, die Hochzeit, wird ohne den Segen des Pfarrers und der Kirche gefeiert. In dem Gedicht Der Jüngling singt dieser:

Ich will die besten Blumen pfl ücken,Euch, Wunder der Natur, zu schmücken;Dich, freyes Haar! dich, schöne Brust!Wir wollen, diesen Tag zu feyern,Den allerschönsten Bund erneuern,Den Bund der Jugend und der Lust. (73).

Nicht der christliche Bund zwischen Gott und Mensch steht hier zur Er-neuerung an, sondern die Feier der Sinne. Nicht ein göttliches Wunder schenkt

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die Schönheit der Geliebten, sondern die Natur. Die Liebe, die Freude und die Poesie kommen als Kinder Aphrodites, als Grazien, in der Feier des Liebesfe-stes auf die Erde. Der Vorschein Arkadiens leuchtet im Beginnen auf, im Mor-gen, im Frühling, in der Jugend, im guten Naturzustand des human lebenden Menschen. Im Gegensatz zu Vossens Idyllenwelt trinkt man gut und reichlich Wein, keinen Kaffee. Das Fest wirkt als Distanzpunkt zur Wirklichkeit, wen-det sich gegen die Repräsentationskunst als Feier des Absolutismus, gegen die Langeweile auch des spießbürgerlichen Zusammenseins. Es ist ein Ort der Gegenkultur, die sich auch gegen die Religion und ihre Ansprüche richtet: Der biblischen Welt der Vertreibung aus dem Paradies stellt der Dichter die arkadische Welt der Hirten, die Welt der Muse, des Tanzes und Gesangs, des Weins und der sinnlichen Liebe gegenüber.

Hagedorn bestätigt die These Georges Minois’ von der zeitlichen Zu-ordnung. Religion ordnet er dem Bereich des Privaten zu. Der Kultus und Ri-tus der Religionsgemeinschaften verlieren jegliche Bedeutung. Diese Haltung trifft auch auf die ernsthaften Werke Hagedorns zu, auf seine Lehrgedichte, ohne dass dies hier belegt werden soll.26 Die Weisheitslehre fußt auf den unter-schiedlichsten philosophischen Quellen; in ihr werden Religion und Theolo-gengezänk dem “test of ridicule” von Shaftesbury unterworfen. Religion wird bei ihm durch Weisheit und Humanismus ersetzt, die biblischen Aussagen verwandeln sich in Motive und Topoi des dichterischen Schreibens, eingebun-den in die Gegenrede des Dichters. Die (religiöse) Aufklärung auf die Spitze zu treiben, bedeutet im Fall Hagedorns auch, in religiösen Dingen Indifferenz und Toleranz zu üben. Die Religion als Deutungssystem ersetzt der Dichter durch ein innerweltliches Moralsystem.

1764 veröffentlicht August Moritz von Thümmel “ein prosaisches co-misches Gedicht,” Wilhelmine oder der vermählte Pedant. Er nutzt eine lite-rarische Mischform, die in England gepfl egt wurde: das mock-heroic poem.27 Der Dichter kommt ohne Umschweife zu Sache: “Einen seltenen Sieg der Liebe singe ich, den ein armer Dorfprediger über einen vornehmen Hofmar-schall erhielt, der ihm seine Geliebte vier lange Jahre entfernte, doch end-lich durch das Schicksal gezwungen ward, sie ihm geputzt und artig wieder zurückzubringen.”28

Der Prediger Sebaldus, der in einem Dorf mit zwanzig Häusern lebt, begehrt Wilhelmine, die Tochter des Verwalters Niklas. Diese entführt der ga-lante Hofmarschall als Kammerjungfer an die Residenz. Ob sie dort seine Ge-liebte wird, bleibt im ironischen Spiel des Epos offen. In einer Neujahrsnacht erscheint dem Prediger Amor, in der ersten Ausgabe ist es Luther, der ihm die Ankunft Wilhelmines mitteilt und ihm befi ehlt, um sie zu werben. Dies geschieht am nächsten Tag, und Wilhelmine nimmt den Heiratsantrag an. Zu-fällig hat kurz vorher der Hofmarschall ein Verhältnis mit der benachbarten Komtesse begonnen. Er stellt Sebaldus die Bedingung, dass er nur in die Ehe Wilhelmines einwilligen werde, wenn die Komtesse Clarisse an der Hochzeit,

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die für den nächsten Tag anberaumt ist, ohne Gouvernante teilnehme. Sebal-dus löst das Problem mit Hilfe der Zofe Sybille. Während dieser Aktion wird der Pfarrer unterwegs ausgeraubt. Am nächsten Tag fi ndet die Trauung statt, ein rauschendes und zugleich langweiliges Fest im Stil des Rokoko. Am Ende wollen die Besucher das Fest nicht verlassen, so dass dem Brautpaar die Hoch-zeitsnacht ins Wasser zu fallen droht. Da entzündet Amor eine Speckseite im Herd. Das Feuer veranlasst die Hofl eute, fl uchtartig das Dorf zu verlassen. Amor reicht Hymen daraufhin die Fackel.

Der Verfasser vergleicht sich mit Homer: “[. . .] und in hohen Tönen besang der Dichter der Ilias die Geschichte, wie ich jetzt die Hochzeit eines Magisters besinge.” (56). Entsprechend wird jeder Figur des komischen Epos eine Gottheit zugeordnet: Dem Dichter die musa iocosa, wenn er Erotisches schildert, die musa comica, wenn er die Fallhöhe zwischen Wunschbild und Realität darstellt,29 Sebaldus der Liebesgott, dem Hofmarschall die Göttin Kabale, der Komtesse Clarisse, dessen neuer Geliebten, die Göttin Hera, de-ren Kammerzofe Sybille die vielfarbige Isis. Der Dieb wird von Hermes be-schützt und entrückt. Wilhelmine erhält als Schutzgott den Hymen; sie selbst erscheint—ganz im Sinne der Anakreontik—als Nymphe und als ländliche Venus. Und wie Troja durch einen Brand zerstört wurde, so hilft Amor mit einem Brand, die lärmende und betrunkene Hochzeitsgesellschaft zu vertrei-ben. Äneas vergleichbar rettet der galante Hofmarschall die Komtesse, indem er sie zu ihrem Schlitten trägt. Doch der Mythos hat seine Kraft verloren, die Götter regieren (Amor ausgenommen) die Welt nicht mehr.

Der griechische Mythos und die heroische Weltsicht kennzeichnen im 18. Jahrhundert das hohe Epos. Das komische Epos, das sich auf die scherz-hafte und komische Muse beruft, löst sich vom hohen Stil und verwendet einen mittleren Stil wie den des Horaz. Dieser wird im 18. Jahrhundert beson-ders im genus medium gepfl egt. 30

Doch nicht nur das Hohe und Erhabene, auch das Bäuerliche und Töl-pelhafte wird parodistisch und satirisch beleuchtet.31 Dies zeigt sehr schön das Marionettentheater im Dorfkrug. Ein Puppenspieler, ein Jupiter, wie Thüm-mel schreibt, schwebt über der törichten und lärmenden Welt und lenkt mit seiner Rechten das tragische Jahrhundert, die schrecklichsten Begebenheiten und historischen Veränderungen. Die Tyrannen fallen und der Puppenspieler fragt: “Was hilft es euch, ihr Tyrannen, dass ihr über Länder geherrscht, arme Bauern gedrückt und Nationen elend gemacht habt?” (32). Die Bauern jedoch verstehen den Protest nicht und erheben sich ehrfürchtig, als der Verwalter Niklas in den Krug kommt und von der bevorstehenden Hochzeit der Toch-ter Wilhelmine berichtet. Die Hohlheit der Residenz zeigt das Hochzeitsfest selbst, den eingebildeten Geschmack, die Affektiertheit, die Bedeutung der Mode und Kleidung, den Kampf gegen die verdrießliche Langeweile, den ste-ten Wechsel und den Ekel, der den endlosen Vergnügungen folgt. (25). Thüm-mels Kritik ist klar: Es ist der Hof, “wo man nur durch Ränke gewinnt und

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wo die Blicke der Großen mehr gelten als ein richtiger Verstand und Tugend und Wahrheit” (51).

Satirisch wird auch die gelehrte Welt dargestellt, der Pedant Sebaldus. Er besteht sein Magisterexamen nur deshalb, weil der Präsident am Prüfungs-tag die Lustbarkeit der Messe erleben möchte und dem Gestotter Sebaldus’ mit einem “bene” das Ende bereitet. Obwohl der Dichter in der Vorrede zur zweiten Aufl age darauf hinweist, dass keiner mehr Ehrerbietung gegen die Religion und Hochachtung gegen vernünftige Geistliche haben könne als er, lässt sich diese Aussage nur begrenzt aufrecht erhalten.

Sebaldus, der sich schwer mit dem Verstehen tut, lebt in einem “trauri-gen Kirchspiel” (31), in einer “verrosteten Pfarre” (48), die mit herkulischer Arbeit ausgemistet werden muss, so dass Wilhelmine klagt: “[. . .] und jetzt begräbst du mich sogar in einer schmutzigen Pfarre” (55). Sebaldus selbst ist alles andere als ein guter Pfarrer, wie ihn zum Beispiel Rousseau mit seinem savoyardischen Geistlichen propagiert. “Wenn er die ganze Woche hindurch in der Einsamkeit seiner verrußten Klause getrauert hatte, dann winselte er am Sonntage der schlafenden Gemeinde unleidliche Reden vor, und selbst bei dem teuer bezahlten Leichensermon verließ ihn seine sonst männliche Stimme” (16). Selbst als ihm Amor die Ankunft der Geliebten ankündigt, schnarcht der Pfarrer, der sich noch nicht entschieden hat, ob er die Toch-ter eines verstorbenen Kirchenrates oder die Haushälterin des Präsidenten ehelichen sollte. “Ihre Wahl,” so phantasiert er, “war der gewisse Beruf zum Vorsteher der Kirche. Als Superintendent konnt’ er alsdann eines langen ru-higen Lebens genießen, von den Truthähnen seiner freigiebigen Diözese und den Komplimenten gemeiner Pfarrherren gemästet” (22). Wilhelmine ihrer-seits steht dem Libertinismus zumindest nahe. Sie trägt zur Hochzeitsfeier ein seidenes Strumpfband, auf welchen ein Vers Voltaires gestickt war.

Die religiöse Feier verläuft sang- und klanglos. Der Pastor des Nach-barortes, der lieber mit dem Wetterglas auf der Kanzel wahrsagt und über seine Vergangenheit beim preußischen Militär schwadroniert, nimmt die Trauung vor. “Auf dem benachbarten Dorfe, wo niemand die Reizungen einer Wilhelmine kannte, hatt’ er von den drei Seiten seiner hölzernen Kanzel trot-zig gefragt: ob jemand wider das Aufgebot seines Freundes etwas einzuwen-den hätte. Und dreimal hatt’ er die Verleumdung mit diesen mächtigen Worten gebannt: der schweige nachmals stille!” (53). So erstreckt sich die eigentli-che Trauung nur noch auf den konventionellen Moment des Ja-Sagens. Dann schreitet die Hochzeitsgesellschaft zum lächerlichen Prunkfest mit seinen erotischen Rokokospielen, das später mit dem Brand einer Speckseite im Kamin zum Siegesfest des Hymen wird.

Thümmel beherrscht die Kunst des Plauderns, des unterhaltsamen Gesprächs. Diese spielt in seinem Fall scherzhaft mit Andeutungen, die der Leser unterschiedlich verstehen kann. Sie ermöglichen jedoch keine Beliebigkeit. Ein Deutungsrahmen, den die zeitgenössischen Leser (in der

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Regel) kannten, wird durch die Verbindung von Satire und Idylle vorgegeben. Während das idyllische Schreiben von manchmal extremer Ferne herkom-mend die Gegenrede gegen eine schlechte Wirklichkeit führt, manchmal nur das Gegenbild der Menschlichkeit malt, ohne die Wirklichkeit zu benennen, orientiert sich die Satire ganz nahe an der Wirklichkeit, am deformierten Menschen.32 Diese Deformation lässt sich problemlos an allen Figuren der Wilhelmine aufzeigen.

Kirche, Theologie und die protestantische Religion mit ihren Riten ha-ben sich ebenso als Deutungs- und Herrschaftssystem diskreditiert wie die Residenz und der Hof, wobei die Bauern dankbar sind, dass ihr Junker seine Renten in Frankreich verjubelt. Gerade diese Bauern, denen der Puppenspieler Jupiter das “in tyrannos” zuruft, sind zu einfältig, um zu begreifen. Thümmel schreibt seine Kritik aus einer inneren Distanz heraus in dem Augenblick, in welchem er zum geheimen Hofrat ernannt wurde. In seinem Widmungsge-dicht bei der Übersendung der ersten Ausgabe reimt er:

In einem Städtchen voller Zwang,Dem Sitz verjährter Kleinigkeiten,Wo Lust und Scherze zu verbreitenEs keinem Dichter noch gelang,Wagt’ ich’s aus Einsamkeit und sang, (5).

Das verschnarchte, bürgerliche Coburg bietet sich ebenfalls nicht als soziale und künstlerische Alternative an, da dort, mit Thümmels Worten ge-sprochen, weder Verstand noch Tugend noch Wahrheit herrschen. Konsequent entzieht er sich dem Hof und begibt sich auf Reisen: nach Wien, nach Am-sterdam, nach Paris, nach Italien und Südfrankreich. Zurück in Gotha verfasst er einen umfangreichen Roman als Heilmittel gegen Hypochondrie und Me-lancholie.

Den Topos des Pfarrkandidaten, der die entlassene Mätresse des Grund-herrn heiratet, übernimmt in satirischem Ton Johann Heinrich Voss. Sein Jun-ker Kord verführt die Magd Lene. Um weiterem Ärger zu entgehen, bietet er für die Heirat eine Pfarrstelle an. Er lacht die Magd mit den Worten aus:

Die Herrschaft insgeheim freut sich des wackern Sohnes;Auch nimmt der Kandidat voll UntertänigkeitIn deiner Schürz einmal die Pfarre hocherfreut. (238).

Dem Pfarrer befi ehlt er:

Schulmeister, spricht er, macht die Buben nicht zu klug!Ein wenig Christentum und Lesen ist genug!Beim Pfeifchen schwatzt mit ihm von Korn und PferdeschacherSein Pfäffl ein und beseufzt der neuen BüchermacherGottlosigkeit. Verdammt zum Galgen und zum RadWird dann durch beider Spruch Freigeist und Demokrat! (240).

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Ein solcher Pfarrer widerspricht dem humanistischen Wunschbild Voss’, ein solcher Junker ebenso.33 Die Gegenbildlichkeit lässt sich in den Idyllen Die Leibeigenen und Die Freigelassenen sehen.34 In der ersten Idylle, die, wie es Vergil pfl egte, als Dialog geschrieben ist, klagt Hans dem Michel, vom Junker betrogen zu sein. Der Adlige wird von Voss als unmoralischer Lügner und Erpresser, als Mann, der die Mädchen im Dorf missbraucht, vorgestellt. Hans bittet um die Erlaubnis zur Heirat mit Leonore und um die Freiheit von der Leibeigenschaft. Diese soll in die Erbpacht umgewandelt werden. Der Junker zieht seine Zusage zurück. Enttäuscht droht Hans, auf das Haus des Junkers den roten Hahn zu setzen. Er erinnert an die Predigt des Pfarrers über den Text aus dem Alten Testament: Mein ist die Rache, spricht der Herr. Das Pfi ngstfest sowie das Hochzeitsfest, das am nächsten Tag gefeiert werden soll, drohen im Aufruhr zu enden. Michel jedoch interpretiert die Rede des Pfarrers nicht als Aufforderung zum Handeln, indem er ein Märchen vom der ewigen Verdammnis des Adels erzählt, den Topos der Höllenstrafen aufgreifend. Am Ende reicht das Feuer, das Hans bei sich trägt, nur noch, die Pfeifen anzuzün-den. Der Zustand der Friedfertigkeit kehrt wieder im Dorf ein.

In der Idylle Die Freigelassenen verhält sich der Baron väterlich, das Dorf singt sein Lob. Sabine und Henning werden am Erntedankfest nicht nur den Zug mit dem Ährenkranz anführen, sie werden an diesem Tag auch hei-raten. Henning preist den Baron, der die Leibeigenschaft durch die Erbpacht ersetzte. Der Baron wurde in der Jugend vom Pfarrer erzogen, reiste durch die Schweiz und das gewerbereiche England. Er lernte:

Mensch sei der Bauer, nicht Vieh; doch Unmensch, wer ihn gekettet,Durch willkürlichen Zwang, ihn selbst und die Kinder der Kinder!Wehmutsvoll nun löst’ er die rostigen Ketten der Knechtschaft,Teilte das Feld und belehrt’ und tröstete; endlich an GottesErntefest entließ er die Schmachtenden [. . .]. (30).

Der Baron sinnt seit dieser Zeit auf die Wohlfahrt aller. So gehört das Lob des Liebespaares auch dessen Erzieher, dem Pfarrer. Er hatte in einer herzeinnehmenden Predigt den gesellschaftlichen Frieden mit den Worten ge-segnet.

[. . .] wie das Dorf mit Wohnungen pranget und Scheuern,Voll von Segen und Zucht; wie die Schule von Kinderchen wimmelt,Welche zu frommer Vernunft anwachsen und häuslicher Tugend;Und wie in Lieb und Vertraun und Gefälligkeit Herr und GemeindeFroh miteinander verkehrt und geendiget jegliche Fehd ist. (31).

Beide Idyllen zeigen den Kontrast. Während in der einen die Rache an der Verweigerung der Leibfreiheit im Mittelpunkt steht, zeigt die andere ein blühendes Dorf, in welchem die Worte des Kirchenliedes von Nicolaus Decius zur Realität wurden.35 Die Gesellschaft erscheint versöhnt im Bild der großen

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Familie, in welcher der Baron und der Pfarrer als Patriarchen, wie man sie damals in der Bibel zu fi nden vermeinte, regieren. Die Familie entwickelt sich in einem Teil der Aufklärung zum Vorbild in der Erinnerung an das idyllische Menschenbild des Goldenen Zeitalters. Deren Glücksgrundlage, so Friedrich Sengle, sei der “christliche Vorsehungs- und Vatergottglaube”.36

Das Friedensreich des Pfarrers zeigt allerdings konservative Tendenzen, wie Sengle sogar meint, eine Tendenz zur “Restauration”.37 Aus dem schä-ferlichen Hirten wurde der Pastor der bürgerlichen Gesellschaft. Er ruft zur Ordnung, bevor Gewalt durch die Unterdrückten geübt wird, er leitet zum idyllischen Frieden zurück. Dies geschieht über den religiösen Weg.38

In der Zeit nach der Französischen Revolution schlägt Voss vor, eine menschenfreundliche Religion als gesellschaftliches Deutungssystem zu re-habilitieren. Der Kampf gegen die Leibeigenschaft, die scharfe Kritik am Feudalismus, gegen die in seiner Lyrik angeprangerten Missstände, all dies geschieht vom Standpunkt einer aufklärten Theologie aus.

Bestätigt wird die These in der Idylle Luise. Hier wird der gesellschaftli-che Stand des Pfarrers und dessen ländliche Lebenswelt mit ihrer bürgerlichen Werteordnung, besonders dem Arbeitsethos, “idyllisiert”.39 Im ersten Gesang beschreibt Voss die Geburtstagsfeier Luisens als Fest im Walde, anknüpfend an die Tradition der Bukolik und Georgik. Die zarte Liebe zwischen dem jun-gen Pfarrer von Nachbardorf, Arnold Ludwig Walter, und Anna Luise Blum wird in zarten, empfi ndsamen Bildern beschrieben. Fast alle Motive und Topoi der Idyllengattung lassen sich fi nden: Das Liedersingen, die naive Liebe, die guten Speisen und der locus amoenus, den Mutter Natur für diese Momente bereithält, die Geselligkeit, die Schalkhaftigkeit und Jugend der Mädchen, die Erinnerung an den Garten Eden, das Goldene Zeitalter der Menschheit. Doch neben die Poesie tritt die Predigt, die christliche Vermahnung. Der Pfarrer predigt eine Mischung aus Neologie, Deismus und rationaler Theologie. Der junge Walter illustriert die Predigt mit einem Märchen, das an Lessings Ring-parabel erinnert, den Glaubensstreit zwischen einem Katholiken, Calvinisten und Lutheraner erzählt, und mit den Worten endet: “Wir glauben/ All an einen Gott!” (107).

Die folgende Idylle, Der Besuch, steht in der Tradition der Beschrei-bungsliteratur, die der Idylle eng verwandt ist. Dargestellt wird der bürgerliche Haushalt. Die Natur, die noch in der ersten Idylle der Tempel der Poesie und Liebe war, wird vom Interieur abgelöst. In der dritten Idylle, Der Brautabend, feiert man das Hochzeitsfest. Voss verlegt es in das Pfarrhaus, heraus aus der Kirche. Das Private tritt an die Stelle des Öffentlichen. Der Pfarrer von Grünau begründet dies: “Denn ich bin Mensch und Vater und habe mein Töchterchen herzlich,/ herzlich lieb.” (146).

Den Ritus selbst vollzieht er entsprechend der kirchlichen Agende mit der offi ziellen Trauformel. Poesie und sakrale Handlung verbinden sich in diesem Augenblick, gehen ineinander über.40 Himmel und Erde, Poesie und

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Liebe, stellen die Einheit des Paradieses für einen Glücksmoment wieder her. Die Versöhnung von Mensch und Mensch, von Land und Hof, von Stadt und Dorf fi ndet nunmehr in der christlichen Idylle statt, die zugleich eine bürger-liche ist.41

Mit aller gebotenen Vorsicht—denn schließlich wurden nur drei Au-toren der Aufklärungsliteratur vorgestellt—lassen sich einige Hypothesen zur Säkularisierung formulieren. Alle drei Autoren individualisieren auf un-terschiedliche Weise die Religion, unterscheiden zwischen öffentlichem und privatem Deutungssystem. Sie üben vom Standpunkt der Humanisierung der Gesellschaft Kritik an ihr und nutzen dazu (auch in idyllisch und satirischer Absicht) die Metaphern, Bilder und Rhetorik der Religion. Die Kritik setzt an unterschiedlichen Punkten an. Hagedorn setzt dem Bund mit Gott den Bund zwischen den liebenden Menschen entgegen. Für Thümmel hat die Religion ebenfalls als Deutungs- und Legitimationssystem ausgedient. Die Religion wird bei beiden Autoren dem “test of ridicule” unterzogen. Tugend, Verstand und Wahrheit verstehen sie innerweltlich, dem wissenschaftlichen und kriti-schen Denken verpfl ichtet. Sie setzen auf Modelle der zeitgenössischen Mo-ralphilosophie.

Voss positioniert seine Kritik innerhalb der theologischen Diskurse der Spätaufklärung. Er favorisiert ein Harmoniemodell, das sich auf den (famili-ären und religiösen) Patriarchen beruft, das damals besonders in Zürich vertre-ten wurde. Eine verbesserte und verbessernde Religion soll gesellschaftliche Differenzierungen versöhnen helfen. Die Religion soll, so auch die Forderung in dem Roman Leben und Meinungen des Magisters Sebaldus Nothanker (1773) von Friedrich Nicolai, einer eigenwilligen Fortsetzung der Wilhelmine, der Gesellschaft, besonders durch moralische Erziehung und allgemeine Auf-klärung, Nutzen bringen.

Die Veränderungen zeigen sich am Beispiel des Festes. Hagedorn fei-ert das Fest mit seinen Freunden und mit Phyllis; es ist der Bund der freien Liebe unter Menschen, der auf dieser Welt und nicht im Himmel geschlossen wird. Ja, die Götter sind neidisch auf die Menschen. Thümmel kritisiert die Bedeutungslosigkeit, die das religiöse Fest in der Gesellschaft erfahren hat. Die Gottheiten des griechischen Olymp, da die christliche Gottheit nicht kritisiert werden kann, haben eine reduziert ornamentale und satirische Bedeutung. Allen Figuren des komischen Epos mangelt es an Weisheit und Tugend. Voss privatisiert die kirchliche Trauung, hält jedoch am offi ziellen Wort, am, wie man damals sagte, symbolischen Buch fest. Für ihn sind die Feste von Bedeutung, welche die Familie verklären helfen.

Eine allgemeine These vom (linearen) Niedergang der Religion, der Kirche und der Theologie in der Zeit vor der Säkularisation lässt sich ohne Einschränkungen nicht aufrecht erhalten. Die stärksten Effekte einer Säku-larisierung in der deutschen Aufklärungsliteratur kann man, so lässt sich nach den bisher diskutierten Hypothesen vermuten, zwischen 1730 und 1770

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feststellen. Die Religion als gesellschaftliches Deutungs- und Legitimations-system gewinnt in der anschließenden Zeit wieder an breiterer Bedeutung.

1Johann H. Voss, Werke. Ed. Hedwig Vogt. (Berlin: Aufbau, 1976). Zitiert wird nach der Buchausgabe von 1795, da Voss die Luise später mehrfach umarbeitete. Die zweite Idylle erschien 1783 im Hamburger Musenalmanach, die dritte 1784 im Teutschen Merkur.

2Giacomo Marramo, “Säkularisierung”. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Ed. Joachim Ritter und Karlfried Gründer. (Darmstadt: WBG, 1992) VIII, 1133–1161, hier 1133.

3Hermann Lübbe, Säkularisierung. Geschichte eines ideenpolitischen Begriffs. (Freiburg: Alber, 1965) 35. Diese Auffassung fi ndet sich auch bei: René Rémond, Religion und Gesellschaft in Europa. Von 1789 bis zur Gegenwart. (München: Beck, 2000). Thomas Schröder erklärt: “Die Diskussion, die um die Säkularisation geführt wird, ist ebenso unübersichtlich wie infl ationär.“ Thomas Schröder, “Säkularisationstheoreme. Ein kritischer Überblick im Anschluss an Tho-mas Manns Roman Der Zauberberg.” Säkularisierung und Resakralisierung. Zur Geschichte des Kirchenliedes und seiner Rezeption. Ed. Richard Faber (Würzburg: Königshausen, 2001) 15–26, hier 15.

4Giacomo Marramo, Macht und Säkularisierung. Die Kategorie der Zeit. (Frankfurt: Neue Kritik, 1989) 19; Schröder. loc. cit. 19.

5Niklas Luhmann, Die Religion der Gesellschaft. (Frankfurt: Suhrkamp, 2002) 278. Auch Rolf Schieder schließt sich an. Er erklärt die Verfallstheorie als eurozentrisch und fragt, ob die Säkularisierung eine geschichtsphilosophische Notwendigkeit darstelle. Rolf Schieder, Wieviel Religion verträgt Deutschland? (Frankfurt: Suhrkamp, 2001) 34.

6Luhmann. Religion. loc. cit. 310.7Niklas Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie

der modernen Gesellschaft. (Frankfurt: Suhrkamp, 1993) III, 308. Mit Bernard de Mandevilles Buch von 1714, Die Bienenfabel, stelle sich die Frage nach der Bedeutung des Bösen, das doch das Gute bewirken könne.

8Für Marramo und Lübbe beginnt der Prozess erst mit Hegel, für Heinz Tödt (Heinz Tödt, “Säkularisierung”. Evangelisches Staatslexikon. Ed. Hermann Kunst und Siegfried Grundmann. (Berlin: Kreuzverlag, 1966) 1897–1902) und Bernhard Kilga (Bernhard Kilga, Der Mensch im Bewusstseinswandel. 2. Aufl . (Wien: Böhlau, 1986) 167) mit den antiken materialistischen und sophistischen Denkern. W. Hartmann (W. Hartmann, “Säkularisierung”. Evangelisches Kirchen-lexikon. Ed. Heinz Brunotte und Otto Weber. (Göttingen: Vandenhoek, 1959) III, 768–773) sieht den Beginn in der Philosophie Ludwig Feuerbachs. Wilhelm Kamlah (Wilhelm Kamlah, Von der Sprache zur Vernunft. Philosophie und Wissenschaft in der neuzeitlichen Profanität. (Mannheim: Bibliographisches Institut, 1975) 35) und Friedrich Gogarten (Friedrich Gogarten, Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit. Die Säkularisierung als theologisches Problem. (Stutt-gart: Vorwerk, 1953) 145) lassen die Säkularisierung mit dem frühen Christentum beginnen.

9Hans Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit. 2. Aufl . (Frankfurt: Suhrkamp, 1996) 169.

10Blumenberg. Neuzeit. loc. cit. 12. Marramo spricht in seiner Kritik am metaphysischen und damit verengenden Blick Blumenbergs nur noch neutral von Transformationen.

11Blumenberg. Neuzeit. loc. cit. 75.12Lübbe. loc. cit. 28. In diesem Zusammenhang sollten die Thesen von Friedrich W.

Kantzenbach und Albrecht Schöne neu überprüft werden. Kantzenbach (Friedrich Kantzenbach, Christentum in der Gesellschaft. Grundlinien der Kirchengeschichte. Reformation und Neuzeit. (Hamburg: Siebenstern, 1976) 233–270) meint, dass die Predigt in das Schauspiel münde und das Bibellesen zur Romanlektüre werde. Schöne (Albrecht Schöne, Säkularisation als sprach-bildende Kraft. Studien zur Dichtung deutscher Pfarrersöhne. (Göttingen: Vandenhoek, 1958) 229–252) benennt fünf, teilweise rhetorische Elemente, die eine Typologie der literarischen Säkularisationsformen darstellen sollen. Er ist der Meinung, dass die Kunst die Religion ersetze (250). Anders: Robert Minder, “Das Bild des Pfarrhauses in der deutschen Literatur von Jean Paul bis Gottfried Benn.” In: Kultur und Literatur in Deutschland und Frankreich. (Frankfurt: Suhrkamp, 1977) 46 –75. Er meint, dass “die theologische Bevormundung von Kunst und Lite-

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ratur bis tief ins achtzehnte Jahrhundert”, besonders in Württemberg, hineinreichte (S. 47). Sehr differenziert zu dieser Frage: Dominique Julia, “Der Priester”. Der Mensch der Aufklärung. Ed. Michel Vovelle. (Frankfurt: Campus, 1996) 282–320. Sie untersucht das Bild des guten Pfarrers, das sich in der Literatur von Voltaire, Rousseau und Bernardin de Saint-Pierre zeigt.

13Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur defensiven Modernisierung der Reformära. 1700 –1815. (München: Beck, 1996) I, 367.

14Hans Bödecker, “Die Religiosität der Gebildeten”. Religionskritik und Religiosität in der deutschen Aufklärung. Ed. Karlfried Gründer und Karl Rengstorf. (Heidelberg: Schneider, 1989) 145–196, hier 145.

15Bödecker. loc. cit. S. 148.16Walter Hartinger, “Säkularisierung der Volkskultur?” 1803. Wende in Europas Mitte.

Vom feudalen zum bürgerlichen Zeitalter. Begleitband zur Ausstellung im Historischen Museum in Regensburg. Ed. Peter Schmid u. Klemens Unger. (Regensburg: Schnell und Steiner, 2003) 339–360, hier 346. Hartinger führt die Unterscheidung von Kulturbruch und Kulturkonstanz als Unterscheidungsmerkmal ein (S. 340).

17Reinhold Münster, “Auf den Spuren der Faulheit”. Archiv für Begriffsgeschichte 40 (1998) 123–141, hier 126.

18Richard van Dülmen, Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit.. Religion, Magie, Auf-klärung. 16.–18. Jahrhundert. (München: Beck, 1994) III, 137.

19Dülmen. loc. cit. 148.20Michael Maurer, Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert. (München:

Oldenburg Verlag, 1998.21Georges Minois, Geschichte des Atheismus. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.

(Weimar: Böhlau, 2000) 191– 425.22Minois. loc. cit. 274.23Zu den Unterschieden in der Belletristik: Roger Bauer, “Katholisches in der josephini-

schen Literatur”. Katholische Aufklärung–Aufklärung im katholischen Deutschland. Ed. Harm Klueting. (Hamburg: Meiner, 1993) 260 –270.

24Rüdiger Bubner, “Ästhetisierung der Lebenswelt.” Das Fest. Ed. Walter Haug und Rai-ner Warning. (München: Fink, 1989) 651– 662.

25Reinhold Münster, Friedrich von Hagedorn. Dichter und Philosoph der fröhlichen Auf-klärung. (München: Iudicium, 1999) 238–259.

26Münster. Hagedorn. loc. cit. 238–294.27Ulrich Broich, Studien zum komischen Epos. Ein Beitrag zur Deutung, Typologie und

Geschichte des komischen Epos im englischen Klassizismus. 1680 –1800. (Tübingen: Niemeyer, 1968) 116. Broich nennt als ästhetische Kategorien der Gattung: Nähe zum Pastoralgedicht (102), Verkleidung und Verschleierung (104), Verfremdung (112).

28Moritz August von Thümmel, Wilhelmine. Ed. Alfred Anger. (Stuttgart: Reclam, 1964) 15. Anger nutzte die dritte Aufl age von 1768. Das Werk wurde mit großem Beifall aufgenom-men und erlebte bis 1777 sechs rechtmäßige Aufl agen, zudem Übersetzungen ins Französische, Holländische, Italienische und Russische.

29Heinz Schlaffer, Musa iocosa. Gattungspoetik und Gattungsgeschichte der erotischen Dichtung in Deutschland. (Stuttgart: Metzler, 1971) 106.

30Alfred Anger hielt fest, dass Thümmel in seinem komischen Epos nach einer gesell-schaftlichen Mitte suche, nach einer Assimilation von bürgerlichem und adligem Gesellschaft-sideal. Er verbinde die Gattungsfrage mit dem Sozialen. Alfred Anger, Deutsche Rokokodich-tung. Ein Forschungsbericht. (Stuttgart: Metzler, 1963) 80. Auch Broich (116) verweist auf die “eigenartige Mittelstellung” der Gattung.

31Burghard Dedner, Topos, Ideal und Realitätspostulat. Studien zur Darstellung des Landlebens im Roman des 18. Jahrhunderts. (Tübingen: Niemeyer, 1969) 37. Gerhard Arman-ski, Fränkische Literaturlese. Essays zwischen Main und Donau. (Würzburg: Königshausen, 1998) 102. Alfred Anger meint, dass die Göttermaschine auf Schmuck und Zier reduziert sei. Alfred Anger, Literarisches Rokoko. (Stuttgart: Metzler, 1968) 88. Andere Autoren führen die Kategorie des Humors ein. Erich Petzet behauptet, dem Werk fehle jeglicher Humor, es sei “wesentlich idyllisch“. (Erich Petzet, “Die deutschen Nachahmungen des Popeschen Locken-raubes. Ein Beitrag zur Geschichte des komischen Epos in Deutschland”. Zeitschrift für Ver-

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gleichende Litteraturgeschichte NF 4 (1891) 409– 433, hier 432). Martin Greiner bezeichnet das Epos als Werk eines “humoristischen Künstlers,” der auf der Seite des Feudalismus stehe (Martin Greiner, Die Entstehung der modernen Unterhaltungsliteratur. Studien zum Trivialro-man des 18. Jahrhunderts. (Reinbek: Rowohlt, 1964) 63). Horst Heldmann will wiederum nichts Idyllisches erkennen (Horst Heldmann, Moritz August von Thümmel. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. 1738–1783. (Neustadt Aisch: Degener, 1964) I, 179).

32Reinhold Münster, “Idylle und Müßiggang in der Literatur des 18. Jahrhunderts”. Daimon. Revista de Filosofía 5 (1992) 81–96.

33Günter Häntzschel, “Johann Heinrich Voß. Der siebzigste Geburtstag. Biedermeierli-che Enge oder kritischer Impetus?”. Gedichte und Interpretationen. Aufklärung und Sturm und Drang. Ed. Karl Richter (Stuttgart: Reclam, 1983) II, 329–338, hier 335.

34Beide Idyllen erhielten den Titel erst 1785. Die erste Idylle wurde als Die Pferdeknechte 1775, die zweite als Der Ährenkranz veröffentlicht. 1800 fügte Voss noch die Idylle Die Erleich-terten ein.

35Das Bild der Freigabe erinnert zudem an den Auszug der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft. Gerhard Kaiser, Idyllik und Sozialkritik bei Johann Heinrich Voss. In: Wanderer und Idylle. Goethe und die Phänomenologie der Natur in der deutschen Dichtung von Geßner bis Gottfried Keller. (Göttingen: Vandenhoek, 1977) 107–126, hier 117.

36Friedrich Sengle,: “Formen des idyllischen Menschenbildes”. Formenwandel. Fest-schrift zum 65. Geburtstag von Paul Böckmann. Ed. Walter Müller-Seidel und Wolfgang Prei-sendanz. (Hamburg: Hoffmann, 1964) 156 –171, hier 163.

37Friedrich Sengle, “Wunschbild Land und Schreckbild Stadt”. Studium Generale 10 (1963) 619– 631, hier 623.

38Klaus Garber, “Idylle und Revolution. Zum Abschluss einer zweitausendjährigen Gat-tungstradition im 18. Jahrhundert”. Gesellige Vernunft. Zur Kultur der literarischen Aufklärung. Ed. Ortrud Gutjahr und Wilhelm Kühlmann. (Würzburg: Königshausen, 1993) 57–82, hier 74. Im religiösen Fest könnte sogar die Naturform der Familiengründung als eine Art Staatsgrün-dung betrachtet werden. Der locus amoenus, die beiden singen am Flussufer ihr Lied, wird von Helmut Schneider als eine “republikanische Kultstätte” bezeichnet. Helmut Schneider, “Die sanfte Utopie. Zu einer bürgerlichen Tradition literarischer Glücksbilder”. Idyllen der Deut-schen. Ed. Helmut Schneider. (Frankfurt: Insel, 1978) 395.

39Hans-Georg Kemper, Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Sturm und Drang, Göttinger Hain und Grenzgänger. (Tübingen: Niemeyer, 2002) VI, 3, 365. Renate Böschenstein-Schäfer, Idylle. 2. Aufl age. (Stuttgart: Metzler, 1977) 101. Häntzschel. loc. cit. 335.

40Kemper. loc. cit. 369.41E. Theodor Voss. “Arkadien und Grünau. Johann Heinrich Voss und das innere System

seines Idyllenwerkes”. Europäische Bukolik und Georgik. Ed. Klaus Garber. (Darmstadt: WBG, 1976) 391– 431, hier 399. Voss schlägt vor, einen “unreduzierten Idylle-Begriff” (398) in die Diskussion einzuführen. Dabei beruft er sich auf Schillers Abhandlung über die sentimentalische und naive Dichtkunst. Schiller bewerte darin die Idyllen von Voss als naiv, es gelte jedoch, sie als sentimentalisch zu interpretieren (407). Schiller selbst nennt sie aber nur teilweise naiv; sie seien nicht von sentimentalischen Einfl üssen frei. (Friedrich Schiller, “Über naive und sentimen-talische Dichtung”. In: Sämtliche Werke. Ed. Gerhard Fricke und Herbert Göpfert. (Darmstadt: WBG, 1989) Bd. 5, 750 f.)

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