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Heft 3 I September 2015 I G 9765F I ISSN: 1616-1017 www.im-io.de Einblicke in das IT-Unternehmer-Wunderland Management-Skills in der digitalen Ökonomie

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Heft 3 I September 2015 I G 9765F I ISSN: 1616-1017 www.im-io.de

Einblicke in das IT-Unternehmer-Wunderland

Management-Skills in der digitalen Ökonomie

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imc information multimedia communication AG Headquarters Saarbrücken | Scheer Tower | Uni-Campus Nord | 66123 Saarbrücken/GermanyTel. +49 681 9476-0 | Fax +49 681 9476-530 | [email protected] | www.im-c.de

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Editorial 3

Der Stern des viel gefeierten und bis vor eini-gen Jahren nur selten infrage gestellten Homo oeconomicus sinkt. Als überholt, starr und menschenfern gilt inzwischen das Modell vom allwissenden Nutzenmaximierer, der sich in seinen Entscheidungen einzig und allein von seinem glasklaren Verstand leiten lässt und kei-nen Platz für Emotionen lässt. Diese neue Sicht ist nicht zuletzt anerkannten Forschungsergeb-nissen aus der Verhaltensökonomik geschuldet, die zeigen, dass sich Menschen in wirtschaftli-chen Situationen tatsächlich häufig im Wider-spruch zu rationalen Prinzipien verhalten. Denn anstatt auf unseren Verstand zu hören und stets objektiv zu urteilen, treffen die meis-ten von uns erstaunlich häufig Entscheidungen, die sich mit reiner Vernunft kaum erklären las-sen, Entscheidungen, die nicht zuletzt auch auf der gezielten Beeinflussung durch Dritte beruhen.

Während sich der Homo oeconomicus im wissenschaftlichen Diskurs mehr und mehr zur Randfigur entwickelt, genießt nun eine weitaus einfühlsamere und emotional gescheitere Fi-gur, die man als „Homo sentimentalis“ be-zeichnen könnte, die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern und Unternehmern. Weshalb dessen Beliebtheit auch und gerade in Manage-mentpositionen stetig zunimmt, ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass es in Zeiten des „War for Talents“ und kundenorientierter Ge-schäftsmodelle überlebensnotwendig ist, auf die Wünsche und Bedürfnisse von Mitarbei-tern und Kunden mit der notwendigen Portion an Einfühlungsvermögen zu reagieren. Ge-schieht dies nicht, so können die Folgen fatal sein: Ein Unternehmen, das die Bedürfnisse

Führen mit Gefühl Empathie als wichtige Grundvoraussetzung für erfolgreiches Management

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und Gefühle potenzieller Abnehmer als Ne-bensache abtut, beziehungsweise nicht in sei-ner Ansprache berücksichtigt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit von aufmerksameren Wett-bewerbern abgehängt werden. Und einer Orga-nisation, welche im Umgang mit ihren Mitar-beitern blind dem Prinzip des Homo oecono-micus von „Effizienz um jeden Preis“ folgt, wird es in Zeiten des sich verschärfenden Fach-kräftemangels schwerlich gelingen, sich die besten Leute zu sichern beziehungsweise diese im Unternehmen zu halten.

Anhand zahlreicher Praxisbeispiele aus verschiedenen Branchen und anhand wissen-schaftlicher Erkenntnisse berichten unsere Fachautoren darüber, über welche Eigenschaf-ten und Fähigkeiten moderne Manager heute verfügen sollten, um nicht nur effizient, son-dern auch langfristig erfolgreich zu führen. Da-bei haben wir einen besonderen Fokus auf die Herausforderungen durch die digitale Trans-formation und die mit ihr einhergehenden dis-ruptiven Entwicklungen gelegt.

Viel Freude beim Lesen

Ihr August-Wilhelm Scheer

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Scheer Innovation Review

8 Interview „Man muss Unternehmen neu denken!“ Im Gespräch mit Prof. Dr. Arnold Picot

14 „Menschen gewichten bei Entschei-dungen erwartete Verluste stärker als-Gewinne“ Ein Kommentar von Rosemarie Clarner, Scheer GmbH

Schwerpunkte

20 Wie Manager das Innovationssystem verhaltensökonomisch gestalten Ein potentialorientierter Ansatz Hans-Gerd Servatius, Universität Stuttgart

28 Resilienz-Management in Zeiten von Industrie 4.0 Herbert Endres, Kathrin Weber, Roland Helm, Universität Regensburg

20 Wie Manager dasInnovationssystem verhal-tensökonomisch gestaltenEin potentialorientierter Ansatz

Inhalt

32 Erfordernisse und Richtungen für Ko- operation und Vertrauen in der Führung Neu-Erfindung von Führung in Industrie 4.0 Christoph Clases, AOC Unternehmensbera-tung, Theo Wehner, ETH Zürich

38 Folge dem weißen Kaninchen als Forscher in das IT-Unternehmer- Wunderland Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer

50 Nachhaltigkeitsmanagement erfolgreich im Unternehmen professionalisieren Sibylle Olbert-Bock, FHS St. Gallen, Christian Bussmann, Detecon, Wilfried Lux, FHS St. Gallen, Sven Garrels, Detecon

58 Warum HR und IT in der digitalen Wirtschaft näher zusammenrücken müssen Joël Luc Cachelin, Wissensfabrik

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63 Horizontale Führung Der Schlüssel zu exzellenter Leistung Gianni Biasiutti, KWO, Rudolf Bacher, Plus Management AG, Monika Koller, Büro P.B.E. Luzern, Hans Ruijs, IMO Switzerland

69 Werte als Treiber für den Wandel Gisela Bolbrügge, Bolbrügge Consulting

74 Weniger Krankheitstage und mehr Motivation Zentrales externes Fehlzeitenmana-gement senkt die Kosten Sandra Willmeroth, Freie Wirtschaftsjournalistin

79 Fahrtziel Echtzeitunternehmen Vom Beifahrer in den Driver Seat Warum In-Memory-Technologien für viel Bewegung sorgen Dirk Böckmann, avantum consult AG

84 Verhaltensökonomie der Manager Welche Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften sind für die erfolgreiche Bewältigung von Managementaufga-ben wichtig? Jochen Kamper, Scheer GmbH

63 Horizontale FührungDer Schlüssel zu exzellenter Leistung

Netzwerk

94 GFFT Spezial Neues GFFT-Kooperationsnetzwerk für die verbesserte Qualität großer IT-Projekte

Industrie 4.0-Intensivkurs mit GFFT und Fraunhofer-Projektgruppe

95 Software-Cluster Spezial Bund fördert Software-Cluster- Internationalisierungsstrategie

96 CIO Executive Circle Jahrestreffen der IT-Entscheider

97 CIO Gipfel 2015 CIO mit Potenzial für den Vorstand

98 AWSi AWSi startet durch

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ScheerInnovationReview

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8 Interview „Man muss Unternehmen neu denken!“ Im Gespräch mit Prof. Dr. Arnold Picot

14 „Menschen gewichten bei Entschei-dungen erwartete Verluste stärker als Gewinne“ Ein Kommentar von Rosemarie Clarner, Scheer GmbH

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management8 Heft 3 I September 2015

„Man muss Unter-nehmen neu denken!“ Die digitale Transformation und ihre Auswirkungen auf Managementetagen

Im Gespräch mit Prof. Dr. Arnold Picot

„Digitale Transformation“ ist längst kein Buzzword mehr. Die Erkenntnis, dass manch traditionelles und bislang erfolg-reiches Geschäftsmodell oder Arbeitsverhältnis radikal hin-terfragt werden muss, erreicht nach und nach die Manage-mentetagen. Im Gespräch mit Prof. Dr. Arnold Picot von der Forschungsstelle für Information, Organisation und

Management der Ludwig-Maximilians- Universität München, haben wir

nachgefragt, wie sich Unterneh-men als Folge der digitalen

Transformation verändern werden und welchen kon-kreten Herausforderun-gen sich damit das Ma-nagement zu stellen hat.

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Scheer Innovation Review 9

IM+io: Herr Professor Picot, in einem Ihrer Vorträge zitieren Sie den französischen Sozio-logen und Philosophen Bruno Latour mit den Worten: „Change the instruments and you will change the entire social theory that goes with them.” Verändert die digitale Transfor-mation tatsächlich unsere Arbeitswelt so fundamental? Arnold Picot (AP): Mit diesem Zitat wollte ich darauf hinweisen, dass in den meisten Diskussi-onen über den Zusammenhang zwischen Tech-nologie, Gesellschaft und Wirtschaft die Tech-nologie eigentlich nie integraler Bestandteil der Modelle ist, die man dabei im Kopf hat. Wenn man sich Gedanken darüber macht, wie die Welt sich verändert, geht es meist um soziale und ökonomische Theorien, die sich aber nicht explizit mit den technologischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Man stellt letztere eher als Randbedingungen und nicht als Voraussetzun-gen dar. Das ist aus meiner Sicht ein großer Feh-ler, weil dadurch die Dynamik, die durch verän-derte Werkzeuge, die der Mensch sich permanent schafft, aus dem Blickfeld fällt. Latour ist einer der wenigen, die die Gesamtsituation integrativ betrachten. Wenn man das tut, dann wird auch der Veränderungscharakter durch die Technolo-gien sehr viel stärker in den Fokus gerückt. Man kann den Menschen und seine Arbeit nur richtig interpretieren und die richtigen Gesetzmäßigkei-ten ableiten, wenn man weiß, welcher Hilfsmittel er sich bedient. Ein einfaches Beispiel dafür: In den 60er, 70er und 80er Jahren war man noch überzeugt davon, dass ein Mensch mit 20-30 Kommunikationskontakten am Tag seine Belas-tungsgrenze erreicht. Bei Managern waren das vielleicht 40 oder 50, aber das galt schon als ext-rem. Dabei hat man natürlich die damaligen Hilfsmittel und Techniken zur Kommunikation im Auge gehabt. Die Voraussetzungen haben sich unterdessen dramatisch verändert. Wir verfügen nun über ganz andere Hilfsmittel. Heute ist es da-her nichts Besonderes mehr, wenn jemand 100 Kommunikationskontakte hat, wobei Kinder, Ju-gendliche und natürlich auch Manager täglich weitaus mehr haben. An diesem Beispiel lässt sich aufzeigen, dass sich die Art, wie der Mensch sich bewegt, fundamental verändert, weil wir heute völlig andere Hilfsmittel haben.

Diese Entwicklung wirkt sich jetzt auch auf die Arbeitswelt aus. Wenn wir Hilfsmittel haben, die uns von den routinierten Arbeiten entlasten können, und uns zugleich Zugriff auf Daten und Kommunikationspartner verschaffen, dann

verändert sich auch die Arbeitswelt funda-mental. Das geht nicht über Nacht, aber doch in großen Schritten. Die Vorstellung, dass Ar-beit in Büros oder großen Fabriken stattzufin-den hat, reduziert sich sehr oder wird margi-nalisiert, weil Arbeit anders abgewickelt wer-den kann. Denken wir doch an die vielen de-zentralen und mobilen Möglichkeiten bis hin zum 3D-Druck, der ja erst noch auf uns zu-kommt. Das zeigt, dass starke technische Ent-wicklungen die Arbeitswelt genauso drama-tisch verändern, wie es auch im 18. und 19. Jahrhundert bei der ersten industriellen Revo-lution der Fall war.

In Zeiten, in denen wir keine großen Tech-nologiesprünge haben, sondern alles in kleinen, inkrementellen Schritten verläuft, merkt man das nicht so sehr. Sobald der Mensch aber an-fängt, kreativ Neues zu entwickeln, dann verän-dert das die gesamte Gesellschaft.

IM+io: Führen die erwähnten neuen Arbeits-formen, wie etwa Crowdsourcing, nicht am Ende unsere sozialen Errungenschaften ad ab-surdum? Kann es ein gesellschaftliches Ziel sein, das System des ‚worker on tap‘ zu etablie-ren, nur weil die Technologie es möglich macht? AP: Die Auswirkungen der digitalen Transfor-mation auf die Arbeitswelt verändern die sozia-len Errungenschaften und schaffen neue. Sie machen alte obsolet, die dann angepasst werden müssen. Wenn wir über Crowdsourcing spre-chen, dann müssen wir auch sagen, dass nicht jedes Crowdsourcing auf Microtasks hinaus-läuft. Es gibt auch Crowdsourcing-Plattformen, die auf innovative, durchaus kreative und kom-plexe Aufgaben ausgerichtet sind. Über solche Plattformen werden Ideen eingefordert oder ge-neriert und schwierige Aufgaben gestellt und gelöst. Es stellt sich natürlich unter anderem die Frage, wie man solche Aufgaben honoriert.

Man kann den Menschen und seine Arbeit nur richtig interpretieren und die richtigen Gesetzmäßigkeiten ableiten, wenn man weiß, welcher Hilfsmittel er sich bedient.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management10 Heft 3 I September 2015

intensiver, und das kann auch den Lohn drü-cken. Andererseits können sich bei qualifizier-ten Aufgaben, wenn es darum geht, exzellente Fachleute anzuziehen, die knapp sind, durchaus höhere Entgelte durchsetzen.

Wenn man nun danach fragt, welche sozi-alen Errungenschaften hier auf dem Spiel ste-hen, dann ist es sicher richtig festzustellen, dass alte Arbeitszeitregeln und alte Arbeitsplatzvor-schriften nicht mehr greifen können. Hier wird man sich umorientieren müssen. Das heißt aber nicht, dass die Situation danach schlechter ist. Wir haben in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass viele Leute froh sind, diese neue Flexibilität nutzen zu können. Es geht ja nicht nur um Crowdsourcing, es geht um flexi-bles Arbeiten was Ort und Zeit angeht, weil man dann die Arbeit besser mit anderen The-men im Leben abstimmen kann. Die alten Vor-stellungen, dass man abends keine E-Mails mehr vom Chef kriegen sollte und selbst keine mehr bearbeitet, sind ein Modell von gestern. Natürlich ist das ein riesiger Lernprozess, der nicht einfach zu bewältigen ist. Er bedarf einer gewissen Autonomie und eines gewissen Selbst-bewusstseins dafür, dass man sich nicht in jeder Situation verpflichtet fühlt, sofort zu reagieren, wenn eine Anfrage kommt. Umgekehrt muss derjenige, der die Anfrage stellt, damit rechnen, dass nicht sofort reagiert wird. Hier geht es um das richtige Selbstmanagement, das sich

Aber man muss auch sehen, dass hier auf ein-mal Ideenträger zum Zuge kommen, die sonst gar keine Chance hätten. Und selbst bei den ein-fachen Crowdsourcing-Ausschreibungen muss man sehen, dass Menschen zu Arbeit kommen können, die sonst keine Möglichkeiten gehabt hätten – seien es Menschen, die aus welchen Gründen auch immer keiner geregelten Tätig-keit nachgehen können oder auch Menschen aus Ländern, in denen es wenig Arbeit gibt. Dies ist für uns vielleicht nicht so beglückend, aber enorm wichtig für diese Länder. Diese Tä-tigkeiten sind in Einzelfällen nicht gut bezahlt, aber diese Plattformen können auch positive Effekte haben, weil sie Menschen in die Arbeits-prozesse bringen, die sonst keinen Weg gefun-den hätten, sich daran zu beteiligen.

Natürlich wird der Wettbewerb um Auf-träge für bestimmte, eher einfachere Aufgaben

Quelle: Zukunftsstudie des MÜNCHNER KREIS (2013)

Die alten Vorstellungen, dass man abends keine E-Mails mehr vom Chef kriegen sollte und selbst keine mehr bearbeitet, sind ein Modell von gestern.

Wieviel Prozent Ihrer Arbeitszeit gehen Sie folgenden Tätigkeiten nach:

Deutschland

Projektarbeit Nicht-projektbezogene Arbeit

USA

China

Indien

Südkorea

Brasilien

60 %

59 %

55 %

65 %

62 %

57 %

40 %

41 %

45 %

35 %

38 %

43 %

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selbstverständlich in allseitigen Lernprozessen herausbildet. Die Alternative wäre ja nur, den neuen Bedingungen die alten Gegebenheiten der Industrialisierung überzustülpen, was defi-nitiv nicht funktionieren würde. Man kann die neuen Freiheitsspielräume nicht wieder ein-grenzen – das lassen die Menschen selbst nicht zu, weil sie die Flexibilität eigenverantwortlich nutzen wollen!

IM+io: Bei virtuellen Arbeitsformen erfüllt eine global vernetzte Online Community aus dislozierten Individuen eine von einem belie-bigen Unternehmen gestellte Aufgabe. Besteht hier nicht die Gefahr der mangelnden Identi-fikation mit dem Endprodukt und auch den jeweiligen Unternehmenszielen? Wie sieht es dann mit dem Qualitätsbewusstsein aus?AP: Diese Problemstellung sehe ich nicht. Es geht um eine Entwicklung, bei der wir Aufga-ben, die erledigt werden sollen, von dem inter-nen, integrierten Unternehmensprozess teil-weise entkoppeln können. Und wenn solche Aufgaben teilweise übertragen werden, via In-ternet oder auch über andere Verbindungssys-teme, dann bedeutet das ja nicht, dass die Leute ihre Arbeit schlecht machen, weil sie nicht jeden Tag im Unternehmen sind. Sie erledigen eben eine Aufgabe, für die sie ein Entgelt bekommen, sie tun dies auch engagiert und motiviert. Fak-tisch haben wir es mit Selbständigen bezie-hungsweise Freelancern oder kleinen Unterneh-men zu tun, die für mehrere Auftraggeber arbei-ten. Das beobachten wir heute schon in ganz klassischen Bereichen – viele Handwerker, Ärzte oder auch Steuerberater und Kreative arbeiten so. Die Technologie, von der wir sprechen, er-laubt es auch, viele Aufgaben zu autonomisie-ren, sodass es leichter ist, die Aufgabe relativ au-tonom zu erledigen und dann mit anderen Auf-gaben zu verknüpfen, ähnlich wie beim Legosys-tem. Nicht jeder, der einen Legostein produziert, muss zwingend mit demjenigen in Kontakt sein, der den Legostein später einbaut. Es muss nur die Qualität des einzelnen Legosteins stimmen. Dass Freelancer gute Arbeit abliefern und froh sind, wenn der Auftraggeber zufrieden ist, lässt sich kaum bestreiten. Eine andere Frage ist, ob unsere sozialen Systeme diesen Gegebenheiten gewachsen sind. Da haben wir in Deutschland große Probleme, die sich noch steigern werden. Tendenziell entwickeln sich derzeit mehr und mehr Arbeitsverhältnisse auf Freelance-Basis, aber unsere Sozialsysteme konzentrieren sich

fast ausschließlich auf traditionelle Arbeitsver-hältnisse. Ich verstehe nicht, warum wir etwa unsere Abgaben für die Altersversorgung nicht auf alle Einkünfte, egal durch welche Arbeits-form sie generiert werden, erheben – so wie es die Schweiz schon seit Jahrzehnten tut. Damit kann man ein soziales Sicherungssystem auf-bauen, an dem alle mitarbeiten.

Tendenziell entwickeln sich derzeit mehr und mehr Arbeitsverhältnisse auf Freelance-Basis.

IM+io: Virtuelle Arbeitsorganisationen bedeu-ten sicher auch ganz neue Herausforderungen für die verantwortlichen Manager? In welchen Bereichen ist ein grundlegendes Umdenken im Umgang mit den Mitarbeitern notwendig?AP: Das ist eine sehr wichtige Frage. Zum einen muss man sich intern, im Unternehmen selbst, der Digitalisierung stellen. Schließlich werden ja vorrangig nur Teilaufgaben ausgelagert. Auch in den Unternehmen selbst wollen und können Menschen zunehmend flexibel arbeiten. Das be-deutet, dass man es nicht bei der klassischen hierarchischen Kommunikation bewenden las-sen kann. Hinzu kommt die verstärkte Notwen-digkeit der bilateralen und horizontalen Kom-munikation. Man braucht ad hoc Kommunika-tion, um Teams zusammenzustellen und zu-gleich der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Menschen im Hinblick auf Ort und Zeit fle-xibel arbeiten. Das macht ein anderes Verständ-nis von Kommunikation notwendig. Das Ma-nagement muss sehr viel flexibler sein und die Tatsache berücksichtigen, dass die Menschen selbstbestimmter sind und Kommunikationsge-wohnheiten aus ihrem Privatleben in die Orga-nisation mithineintragen. Gleichzeitig muss man die Mitarbeiter aber – je nach Qualifikation – verstärkt begleiten und einbinden. Man mussihnen die Unternehmenszusammenhänge erläu-tern, damit sie wissen, in welchem Kontext sieagieren.

Die zweite, noch größere Herausforde-rung stellt das Management der Außenbezie-hungen zu den verschiedenen Dienstleistern dar. Schließlich wurden diese bislang meistens

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management12 Heft 3 I September 2015

von der Beschaffungsabteilung gesteuert. Es wurden Lieferanten identifiziert und dann mit ihnen verhandelt. Das wird künftig so nicht mehr f lächendeckend möglich sein. Vor dem Hintergrund, dass Inputs über Crowd-sourcing-Plattformen und ähnliche Mecha-nismen generiert werden, muss man sich ganz neue Gedanken machen, nämlich wie qualifi-ziert und wie reputierlich sind meine Input-Lie-feranten und wie kann ich dafür sorgen, dass sie motiviert bleiben? Ich muss mich als Mana-ger fragen, ob ich mich für ein Leistungsentgelt entscheide oder eher ein Zeitentgelt anbiete. Ist es sinnvoll, bei Innovationen einen Wettbewerb mit einem Preisgeld zu veranstalten? Als Mana-ger muss ich zudem Wege finden, um dafür Sorge zu tragen, dass einerseits das Know-how aus meinem Unternehmen nicht abfließt und mir zum anderen das Know-how, das von au-ßen kommt auch zur Verfügung steht, also IP (Intellectual Property) Themen. Hinzu kom-men organisatorische Fragen, etwa, wie man überprüfen kann, ob die Grenzen zwischen in-nen und außen richtig gezogen sind, ob noch weitere Aufgaben in der Vernetzung mit der Welt erledigt werden können oder ob man an-dere wieder zurückholt, weil sie zu spezifisch und zu schwierig zu kommunizieren sind. Hier kommen viele unternehmerische und kontrakt-bezogene Aufgaben auf die Manager zu, die bis-lang nicht im klassischen Management zum Ta-gesgeschäft gehörten.

IM+io: Aus Ihren Ausführungen ergibt sich, dass sich Unternehmen in ihrer gesamten Or-ganisation verändern müssen, um sich der

digitalen Transformation aussichtsreich zu stellen. Welchen generellen Rat haben Sie für Unternehmen, damit sie zukunftsfähig blei-ben und auch morgen noch erfolgreich am Markt agieren können? AP: Das ist eine ganz schwierige Thematik, weil viele Unternehmen der Meinung sind, dass, wenn sie jetzt ihre Prozesse digitalisieren, also vernünftige ERP-Systeme einführen und die Prozesse mit IT-Systemen hinterlegen, dann seien sie in der digitalen Welt angekommen. Solche Maßnahmen zur Digitalisierung der in-ternen und auch externen Prozesse sind zwar notwendig, wenn nicht sogar selbstverständlich, aber viel wichtiger ist es, zu versuchen, das Un-ternehmen ganz neu zu denken. Man muss sich klar machen, dass man jetzt beispielsweise Daten potenziell zur Verfügung hat, die die Situ-ation, in der sich ein Kunde befindet, weitge-hend abbilden können. Ich muss mich als Mana-ger fragen: Wie kann ich durch das Auswerten meiner und auch externer Daten meinen Kun-den besser helfen? Wie kann ich seine Probleme besser lösen? Auch klassische Industrieunter-nehmen können jetzt auf diesem Wege zu Dienstleistern werden und dürfen diese Chance nicht verpassen. Das heißt, man muss sich mehr denn je fragen, was für ein Problem der Kunde gelöst haben will. Wenn etwa ein Werkzeugma-schinenhersteller bestimmte Anlagen verkauft, mit denen sich bestimmte Bohrungen oder Frä-sungen durchführen lassen, dann wird bislang nach dem Prinzip „Ich baue eine Anlage und verkaufe sie“ agiert. Jetzt kann man sich fragen: Will der Kunde tatsächlich eine Bohrmaschine oder einen Fräsautomaten haben oder möchte er vielmehr ein bestimmtes Werkstück in einer bestimmten Art verändern? Und genau das tut ja meine Anlage. Hier ergibt sich nun die Mög-lichkeit, jene bestimmten Veränderungen als Dienstleistung zu verkaufen. Den Kunden inter-essiert dabei nicht, mit welcher Anlage ich das bewerkstellige oder ob ich mir sogar einen wei-teren Dienstleister hinzuziehe, um die gefor-derte Qualität zu sichern. Das ist dann ähnlich wie heute schon beim Handwerker. Dieser be-kommt einen Auftrag und welche Hilfsmittel er zur Realisierung verwendet, ist dem Kunden dann gemeinhin egal, Hauptsache, das Ergebnis stimmt.

Ich bin davon überzeugt, dass die Indust-rie letztlich einen sehr viel stärkeren Dienstleis-tungscharakter bekommen wird und dass sie dafür viele Daten aus ihrer Produktgeschichte

Ich bin davon überzeugt, dass die Industrie letztlich einen sehr viel stärkeren Dienstleistungscharakter bekommen wird und dass sie dafür viele Daten aus ihrer Produktge-schichte und aus ihren eigenen Kundenbeziehungen auswerten kann und muss.

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und aus ihren eigenen Kundenbeziehungen auswerten kann und muss. Das ist die Grund-voraussetzung dafür, um bestmögliche und da-mit konkurrenzfähige Leistungen abzuliefern. Diese Erkenntnisse kann und sollte man auch auf andere Felder übertragen, weil sich an vielen Stellen ganze Geschäftsmodelle verändern wer-den. Ging man ursprünglich nach dem Prinzip „Produkte erfinden, Produkte produzieren, Pro-dukte verkaufen“ vor, so gilt das künftig nur noch mit Einschränkungen. Produkte, die man kennt, stellt man jetzt in einen größeren Kontext. Dabei steht im Vordergrund, was der Kunde wirklich braucht. So vereinbart man zum Bei-spiel mit ihm eine monatliche Zahlung für eine Dienstleistung oder eine Zahlung pro erbrachter Leistung. Ganz konkret ändert sich beispiels-weise auch die Vorstellung vom IT-Outsourcing. Hat man bislang seine Technik auf fremden Ser-vern laufen und dort warten lassen, so macht die Entwicklung jetzt einen großen Sprung nach vorne: Unternehmen werden sich nicht mehr mit den Softwareprogrammen und ihren einzelnen Möglichkeiten beschäftigen, sondern sie möch-ten, dass ihre Fabrik oder ihr Büro IT-technisch funktioniert. Man denkt also vom Ergebnis her und dafür bezahlt man einen Dienstleister. Da-bei ist dem Dienstleister überlassen, welche Technologie er einsetzt. Auf diese Weise wird der IT-Dienstleister teilweise zum Mitunternehmer. Manche Kunden vereinbaren dabei neben der monatlichen Vergütung eine Beteiligung am Er-folg des Unternehmens. Der Mitunternehmer als Dienstleister profitiert dann auch davon, wenn es dem Unternehmen gut geht. Das bedeutet na-türlich auch eine neue und interessante Risiko-verteilung und es zeigt auf, dass man Geschäfte heute ganz anders denken kann. Ein weiterer As-pekt, auf den sich Unternehmen einlassen müs-sen, ergibt sich aus der Tatsache, dass man heute sehr viel virtuell erledigen kann, was man früher physisch tun musste. Man denke da nur an vir-tuelle Abbildungen von Infrastrukturen, die er-heblich veränderte und verbesserte Analyse-, Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten eröff-nen, egal für welche Prozesse. Auch dieser Punkt wird häufig unterschätzt. Man nutzt nicht die Chancen der Digitalisierung, um die eigenen Wertschöpfungsprozesse besser abzubilden und in Echtzeit zu justieren. An diesen Stellen aber entstehen völlig neue Möglichkeiten der Effizi-enzsteigerung, der Qualitätsverbesserung und auch der individuellen Kundenbedienung. Das geht weit über die IT-Unterstützung der

traditionellen Prozesse hinaus. Gerade für die Prozess industrien in Chemie, Pharma oder Grundstoffen eröffnen sich hier erhebliche Möglichkeiten, aber auch für viele Felder des technischen Service.

IM+io: Die Herausforderungen sind also viel-fältig. Wie gut sind deutsche Unternehmen und ihre Manger darauf vorbereitet und wie stehen sie im internationalen Wettbewerb da? AP: Ich glaube, dass der Veränderungsprozess bei einigen schon angekommen ist, die als mu-tige Vorreiter Erfahrungen sammeln. Insbeson-dere bei jungen Unternehmen, bei Start-ups, ist die Nachricht bereits angekommen. Diese sehen in den neuen Möglichkeiten auch einen neuen Markt. Schwieriger wird es bei Unternehmen, die eine lange Vergangenheit haben und in tra-ditionellen Strukturen verhaftet sind. Diese Ver-festigung ist auch gar nicht zu vermeiden, sie er-gibt in vielen Zusammenhängen auch Sinn. Wenn dann das Management nicht offen und weitsichtig genug ist, um die Dinge in Frage zu stellen und neu zu denken, kann dies durchaus zu Schwierigkeiten führen.

Ich glaube, dass es in den deutschen Un-ternehmen zum Teil daran hapert, dass die Di-gitalisierung als etwas wahrgenommen wurde, das man der IT-Abteilung überlässt, die die Systeme instand hält, aber nicht als etwas, das man als integralen Bestandteil der Unterneh-mensentwicklung betrachtet. Daher wird die Digitalisierung nicht Teil der Unternehmens-strategie oder des Unternehmensselbstver-ständnisses. Das muss sich ändern und da än-dert sich auch langsam etwas. Ob aber dann die fachliche Qualifikation und die innere Überzeugung der Verantwortlichen vorhan-den sind, das muss sich zeigen. Wenn das nicht der Fall ist, wird man auch die ganze Transformation der Unternehmen nicht stem-men können. Es wird darauf ankommen, zu verstehen, welche disruptiven und grundle-genden Herausforderungen, sowohl für das Geschäftsmodell und die Strategie als auch für Arbeitsformen, entstehen. Ich glaube, dass das im Management sehr unterschiedlich verteilt ist. Da gibt es die einen, die dies erkennen und daran arbeiten und andere, die dies nicht als eine zentrale Aufgabe ansehen. Hier muss sich etwas ändern, wenn wir den Entwicklungen nicht hinterherhinken wollen!

Prof. Dr. Arnold Picot

Arnold Picot leitet seit 1988

das Institut für Information,

Organisation und Manage-

ment an der Fakultät für Be-

triebswirtschaft der Ludwig-

Maximilians-Universität Mün-

chen. Forschungsschwerpunk-

te von Prof. Picot sind die

Fragen der Unternehmensfüh-

rung, Organisation, Technolo-

gie-, Informations- und Inno-

vationsmanagement, Tele -

kommunikation und Medien

sowie deren Regulierung.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management14 Heft 3 I September 2015

„Menschen gewichten bei Entscheidungen erwartete Verluste stärker als Gewinne“Ein Kommentar von Rosemarie Clarner, Scheer GmbH, zur Verhaltensökonomie

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Die Verhaltensökonomie hat die Frage, wie sich Menschen und insbesondere Manager wirtschaftlich verhalten, in den vergangenen Jahren kräftig aufgemischt. Die noch jun-ge Forschungsrichtung „Behavioural Economics“ befasst sich mit der Frage, inwieweit sich Menschen rational oder eher irrational verhalten. Bisher war man von dem rein rational handelnden Homo oeconomicus ausgegangen und hatte dieses Modell nicht infrage gestellt.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management16 Heft 3 I September 2015

mit identischer Wahrscheinlichkeit entweder 150 Euro gewinnen oder 100 Euro verlieren können, lehnen die meisten ab. Diese Risiko-scheu, die als „Verlustaversion“ in die ökonomi-schen Lehrbücher einging, ist tief im Menschen verankert, zeigen die Forscher.

Seither sind zahlreiche Experimente zu dieser Thematik durchgeführt und neue Kon-zepte der Präferenzfindung entwickelt worden. Wenn man sich die bisherigen Ergebnisse an-schaut, so kann man als Fazit ziehen, dass sich Menschen häufig irrational verhalten und sich von einfachen Tricks verführen lassen. Dan Ariely, Professor am Massachusetts Institute of Technology sagt: „Unsere Vernunft, mit der wir Entscheidungen treffen, kaufen, verhandeln, zwischen mehreren Organisationen wählen, ist keineswegs chaotisch, zufällig oder willkürlich – sie hat System und lässt sich vorhersagen“.Damit sind Menschen steuerbar, was sich unteranderem Marketingabteilungen zunutze ma-chen. So hat es beispielsweise einen Einfluss aufunsere Entscheidungen, in welcher Reihenfolgeund mit welchen Worten Alternativen präsen-tiert werden. Man nennt das Framing. Ein be-rühmtes Beispiel hierfür ist die Dessertauswahl

Menschen verhalten sich häufig irrational und lassen sich von einfachen Tricks verführen.

Einer der ersten Forscher, der sich mit dieser Frage befasste, war in den 70er Jahren der israe-lisch-amerikanische Psychologe Daniel Kahne-mann. Er und sein Kollege Amos Tversky hat-ten ein Modell menschlicher Entscheidung ent-wickelt, für das Kahnemann im Jahr 2002 den Wirtschafts-Nobelpreis erhielt. Das Modell be-sagt, dass Menschen bei Entscheidungen erwar-tete Verluste stärker gewichten als Gewinne. Vorher wurde entsprechend dem sogenannten Bernoulli-Prinzip angenommen, dass der Ent-scheider sich mehr an dem Erwartungswert des Nutzens ausrichtet.

Ein Beispiel: Fragt man Menschen, ob sie an einem Spiel teilnehmen wollen, bei dem sie

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Scheer Innovation Review 17

in Kantinen. So entscheiden sich Kunden öfter für Obst als Nachspeise, wenn es besser sichtbar und erreichbar platziert wird als Süßigkeiten.

Es gibt heute eine Reihe anerkannter Mo-delle, die beschreiben, wie sich im Grunde jeder Mensch in die Irrationalität führen lässt. Mit die-ser Analyse der menschlichen Schwächen befasst sich die Verhaltensökonomie. So hat beispiels-weise das Wörtchen „gratis“ eine enorm starke Anziehungswirkung. Die Aufmerksamkeit und das Kaufinteresse steigen sofort überproportio-nal. Man nennt dies „Zero-Price-Effect“.

Damit Menschen sich für etwas für sie Posi-tives entscheiden, braucht es lediglich die richti-gen Rahmenbedingungen und eine kleine Ver-stärkung in diese Richtung. Man spricht von so-genannten „Schubsern“. Richard Thaler, Profes-sor an der Universität Chicago, hat darüber sein Buch „Nudge“ geschrieben. „Nudges“ sind sanfte, aber entschiedene Schubser, die den Menschen zu Entscheidungen in Richtung besserer Gesund-heit, Wohlstand und Zufriedenheit anregen. Ins-titutionen und Regierungen setzen diese wissen-schaftlichen Erkenntnisse bereits ein, um Ent-scheidungsrahmen zu schaffen, die den Men-schen auf den ihrer Meinung nach richtigen Weg bringen.

So lässt sich US-Präsident Barack Obama von Cass Sunstein, einem Harvard-Juristen und Anhänger der Verhaltensökonomie, beraten. Die-ser sagt, dass man ohne Gesetze und Verordnun-gen seine Ziele erreichen kann. Der britische Pre-mier David Cameron hat ein „Behavioural Inside Team“ gegründet. Auch Angela Merkel hat neu-erdings einen Beraterstab für Verhaltensökono-mie berufen. Drei Experten sollen der Kanzlerin beim „wirksamen Regieren“ helfen. Der Staat nutzt dabei die Erkenntnisse der Verhaltensöko-nomie, baut in Gesetze kleine Kniffe ein und bringt Bürger über kleine „Schubser“ dazu, Ener-gie zu sparen, fürs Alter vorzusorgen oder sich gesünder zu ernähren.

Unternehmen können die „Nudge“-Effekte auch zum Wohle ihrer Mitarbeiter einsetzen. Es gibt Firmen, die ihre Mitarbeiter automatisch in eine betriebliche Altersvorsorge aufnehmen. Wer das nicht will, muss aktiv widersprechen. „Wir haben festgestellt, dass solche Standardsetzungen viel effektiver sind, als Menschen über steuerliche Anreize in die private Altersvorsorge zu bekom-men“, sagt Sunstein. Andere Unternehmen stellen Drucker auf, die standardmäßig das Papier beid-seitig bedrucken. Wen das stört, der muss die Einstellung selbst ändern.

Mit „Nudging“ entsteht eine neue Form der ökonomisch sanktionierten Bevormundung. Autoversicherer allerdings berechnen ihre Ta-rife schon lange über eine ständige Vermessung des Verhaltens. Unfallfreie Fahrer werden durch niedrige Tarife belohnt. Kritisch wird es dort, wo sich das Netz zum gesellschaftlichen Steuerungsinstrument entwickelt bzw. wo es zu einer ständigen digitalen Bevormundung kommt und Freiheiten eingeschränkt werden. Dies ist der Fall, wenn Verhalten ständig ver-messen wird, die Auswertung in Echtzeit er-folgt und das Verhalten sofort ökonomisch sanktioniert wird.

Als ein Beispiel kann eine Krankenversi-cherung genannt werden, die einen neuen Tarif anbietet, bei der man mit einer App ständig sein Verhalten misst und an die Versicherung meldet. Diejenigen, die sich „gesünder“ verhal-ten, also beispielsweise mehr Sport treiben, aus-reichend schlafen und nicht rauchen, bekom-men Vergünstigungen. Der Versicherte wird dadurch ständig kontrolliert. Dies ist eine kriti-sche Anwendung der Verhaltensökonomie.

„Nudges“ sind sanfte, aber entschie-dene Schubser, die den Menschen zu Entscheidungen in Richtung besserer Gesundheit, Wohlstand und Zufrie-denheit anregen.

Alles, was messbar ist, lässt sich so profilbasiert auswerten. In der direkten Folge wird das Ver-halten im Alltag ökonomisiert. Jede Entschei-dung bekommt potenziell ein Preisschild, die Entscheidung für einen Fallschirmsprung ebenso wie die Vollbremsung im Auto.

Trotzdem sind die Erkenntnisse der Ver-haltensökonomie wertvoll. Sie helfen, das Ent-scheidungsverhalten von Managern und Kon-sumenten zu erklären. „Nudges“ sind hilfreich, um positives Verhalten zu verstärken, ohne die Freiheit einzuschränken. Kritisch wird ihr Ein-satz, wenn sie zu einer ständigen Überwachung, Auswertung und Steuerung des Verhaltens ein-gesetzt werden.

Rosemarie Clarner

Rosemarie Clarner ist Ge-

schäftsführerin der Scheer

GmbH und Personalverant-

wortliche des Unternehmens.

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Schwer-punkte

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20 Wie Manager das Innovationssystem verhaltensökonomisch gestalten Ein potentialorientierter Ansatz Hans-Gerd Servatius, Universität Stuttgart

28 Resilienz-Management in Zeiten von Industrie 4.0 Herbert Endres, Kathrin Weber, Roland Helm, Universität Regensburg

32 Erfordernisse und Richtungen für Ko - ope ration und Vertrauen in der Führung Neu-Erfindung von Führung in Industrie 4.0 Christoph Clases, AOC Unternehmens-beratung, Theo Wehner, ETH Zürich

38 Folge dem weißen Kaninchen als Forscher in das IT-Unternehmer- Wunderland Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer

50 Nachhaltigkeitsmanagement erfolgreich im Unternehmen professionalisieren Sibylle Olbert-Bock, FHS St. Gallen, Chris-tian Bussmann, Detecon, Wilfried Lux, FHS St. Gallen, Sven Garrels, Detecon

58 Warum HR und IT in der digitalen Wirtschaft näher zusammenrücken müssen Joël Luc Cachelin, Wissensfabrik

63 Horizontale Führung Der Schlüssel zu exzellenter Leistung Gianni Biasiutti, KWO, Rudolf Bacher, Plus Management AG, Monika Koller, Büro P.B.E. Luzern, Hans Ruijs, IMO Switzerland

69 Werte als Treiber für den Wandel Gisela Bolbrügge, Bolbrügge Consulting

74 Weniger Krankheitstage und mehr Motivation Zentrales externes Fehlzeitenmanage-ment senkt die Kosten Sandra Willmeroth, Freie Wirtschafts journalistin

79 Fahrtziel Echtzeitunternehmen Vom Beifahrer in den Driver Seat Warum In-Memory-Technologien für viel Bewegung sorgen Dirk Böckmann, avantum consult AG

84 Verhaltensökonomie der Manager Welche Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften sind für die erfolgreiche Bewältigung von Managementaufga-ben wichtig? Jochen Kamper, Scheer GmbH

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20

Viele Manager fragen sich, wie sie das Innovationspotenzial ihres Unternehmens besser ausschöpfen können. Neue Ant-worten auf diese Frage liefert die Verhaltensökonomie, die an der Schwelle zu einer positiven Erweiterung steht. Zu-nächst richtet sich der Fokus auf die Entwicklung der wis-senschaftlichen Sichtweisen von Managern, dann stehen ver-haltensökonomische Aspekte des Innovationssystems von Unternehmen im Mittelpunkt der Betrachtung. Anhand von zwei neueren Methoden lässt sich erläutern, wie Manager verhaltensökonomische Erkenntnisse nutzen können.

IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management Heft 3 I September 2015

Wie Manager das Inno-vationssystem verhaltens-ökonomisch gestalten Ein potentialorientierter Ansatz

Hans-Gerd Servatius, Universität Stuttgart

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Schwerpunkte 2121Schwerpunkte

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management22 Heft 3 I September 2015

Innovationsmanagements. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die stärkere Einbeziehung von strategi-scher Intuition und unternehmerischer Kreativi-tät. Seit den Arbeiten von Joseph Schumpeter sieht man den Innovator zwar als schöpferischen Gestalter und Zerstörer, die Rolle von Innovati-onsmanagern als Gestalter von Innovationssys-temen ist bislang aber noch wenig erforscht [3]. Daher liegt die Aufgabe eines verhaltensökono-mischen Innovationsmanagements darin, die In-teraktionsmuster zwischen Führungskräften, In-novatoren als Mitarbeitern oder Unternehmens-gründern, Kunden und weiteren wichtigen Be-teiligten an Innovationsaktivitäten besser zu ver-stehen. Dies zeigt Abbildung 1.

Im Mittelpunkt stehen also die Verhaltens-weisen von Menschen im Rahmen des Innovati-onsgeschehens [4]. Neben den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Akteure spielen dabei auch Ri-valität und Widerstand eine wichtige Rolle.

Verhaltensökonomische Aspekte bei den Handlungsfeldern eines Innovationssystems

Die Beschäftigung mit Innovationssystemen hat auf der Ebene von Staaten und Regionen be-gonnen [5]. Seit einiger Zeit gewinnt eine For-schungsrichtung an Bedeutung, die auch die In-novationsaktivitäten eines Unternehmens als komplexes soziotechnisches System betrachtet. Dieses System steht in engem Austausch mit

Entwicklung der wissenschaftlichen Sichtweisen von Managern

In den letzten Jahrzehnten haben verschiedene wissenschaftliche Sichtweisen das Managerbild geprägt. Die neoklassische Ökonomie sieht das Denken und Handeln von Managern weitgehend auf Rationalität reduziert. Obwohl der Typ Manager, der in Lehrbüchern als rationaler Planer und Nutzenoptimierer beschrieben wird, wenig mit der Realität zu tun hat, nimmt die Erfor-schung dieser Eigen schaften in der Management- Wissenschaft viel Raum ein.

Demgegenüber verfolgen wichtige Vertre-ter der Verhaltensökonomie das Ziel, Verhal-tensweisen von Menschen in wirtschaftlichen Situationen zu erforschen, die im Widerspruch zur Modellannahme des rational agierenden Homo oeconomicus stehen. Die Verhaltensöko-nomie berücksichtigt also stärker die Grenzen der Rationalität und ihr besonderes Interesse gilt der Frage, wann Menschen im Allgemeinen und Manager im Besonderen Opfer von kogni-tiven Verzerrungen werden [1]. Diese Sichtweise hat das Managerbild wesentlich erweitert, aller-dings in einseitiger Weise. So hat sich die Verhal-tensökonomie bislang relativ wenig mit kreativen und schöpferischen Aktivitäten beschäftigt [2].

Wir plädieren daher für eine Erweite-rung dieser Sichtweise vor dem Hintergrund eines verhaltensökonomisch orientierten

Abbildung 1:Sichtweisen von Managern

Verschiedene wissenschaftliche Sichtweisen haben das Managerbild geprägt

Verhaltensökonomisches Innovationsmanagement

Reduziert auf Rationalität Berücksichtigt die Grenzen der Rationalität

Denken und Handeln von Managern

Einbeziehung von strategischer Intuition

und Kreativität

Wissenschaftliche Sichtweisen von Managern

Neoklassische Ökonomie

Verhaltensökonomie

Rationale Planer und Optimierer

Opfer kognitiver Verzerrungen

Schöpferische Gestalter von

Innovationssystemen

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Schwerpunkte 23

seinem Umfeld, entwickelt sich weiter und er-hält so seine Lebensfähigkeit [6].Beim Innovationssystem eines Unternehmens kommt es auf das Zusammenwirken verschie-dener Subsysteme an. Wir unterscheiden zwi-schen den Bausteinen► Forschung und Entwicklung► Innovationsstrategie► Innovationsmarketing und neue

Produktionsmodelle► innovationsfähige Organisation

► innovationsfördernde Kultur und Wandel sowie► Wertsteigerung mit Innovationen

Verhaltensökonomische Aspekte durchdringen alle diese Bausteine und auch wichtige Hand-lungsfelder, die in den letzten Jahren entstan-den sind, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.

Im Folgenden skizzieren wir diese Handlungsfelder.

► Innovationsfördernde Kultur und WandelBesonders deutlich wird die Verhaltensorientie-rung beim Baustein Kultur. Die Kultur und dasKlima eines Unternehmens werden von einer in-novationsorientierten Führung geprägt, was denErfolg vieler Familienunternehmen ausmacht.Auch die Förderung von individuellen Innovati-onsfähigkeiten und Innovationsteams ist mit spe-zifischen Verhaltensweisen verbunden. Eine

Kultur-Diagnose kann aufzeigen, wie das Füh-rungsverhalten im Verlauf der Unternehmensent-wicklung die Werte und ungeschriebenen Regeln geprägt hat. Kurzfristig zu beeinflussen ist vor al-lem das Innovationsklima. Der digitale Wandel erfordert gegenwärtig neue Verhaltensmuster, die viele Unternehmen erst erlernen müssen.

► Innovationsfähige OrganisationEine wichtige Determinante einer innovationsfä-higen Organisation ist die Klärung der Innovati-onsverantwortung auf den Führungsebenen. DieRolle von Innovationsmanagern kann unter-schiedlich ausgestaltet sein. Viele Unternehmenhaben Chief Innovation Officer ernannt. Einespannende Frage ist, welche Verhaltensmustererfolgreiche Innovationsmanager auszeichnen.Darüber hinaus arbeiten Unternehmen an einerVerbesserung ihres Ideenmana gements, der In-novationsprozesse und des Managements ihrer

Abbildung 2 :Innovationssystem von Unternehmen

Der digitale Wandel erfordert gegenwärtig neue Verhaltens-muster, die viele Unternehmen erst erlernen müssen.

Verhaltensökonomische Aspekte durchdringen die Handlungsfelder des Innovationssystems eines Unternehmens

Forschung und Entwicklung

• Leistungssteigerungder eigenen F&E

• Open Innovation

• Corporate Venture Management und Lean-Startup-Methode

Wertsteigerung mit Innovationen

• Wertbeitrag vonInnovation

• Innovationscontrolling

• Innovationsaudits

Innovationsstrategie

• Foresight und strategisches Management in Innovationsökosystemen

• Technologie- und Innovationsstrategien

• Neue technologiegetriebene Geschäftsmodelle

Innovationsmarketing und neue Produktionsmodelle

• Stärker bedarfsorientierte Innovation

• Neue Kundenerlebnisse (Experience Co-Creation) mit digitalen Plattformen

• Digitalisierung der Produktions- und Logistiksysteme

Innovationsfähige Organisation

• Innovationsverantwortung auf den Führungsebenen und Rolle von Innovationsmanagern

• Ideenmanagement, Innovationsprozesse und -projekte

• Agile Organisation und Innovationsmanagement 2.0

Innovationsfördernde Kultur und Wandel

• Innovationsorientierte Führung

• Förderung von individuellen Innovationsfähigkeiten und Innovationsteams

• Kultur-Diagnose, Innovationsklima und digitaler Wandel

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management24 Heft 3 I September 2015

Innovationsprojekte. Aus der Software-Ent-wicklung stammt der Gedanke einer agilen Organisation, der veränderte Verhaltensweisen von Innovationsteams mit sich bringt. Ein wei-terer wichtiger Treiber von Verhaltensänderun-gen sind die Möglichkeiten zur kooperativen Zusammenarbeit auf Software-Plattformen, die der Begriff Innovationsmanagement 2.0 umschreibt.

► Forschung und EntwicklungBeim Innovationsmanagement 2.0 ergeben sichneue Möglichkeiten zur Leistungssteigerungder eigenen Forschung und Entwicklung. Dane-ben gewinnen Impulse von außen an Bedeu-tung. Das Thema Open Innovation setzt aller-dings ein spezifisches Verhalten der Offenheit

und Kooperationsbereitschaft voraus. Außer-dem erlebt das Corporate Venture Management eine Renaissance, bei dem etablierte Unterneh-men mit Gründern zusammenarbeiten. Die Lean-Startup-Methode beschreibt ein erfolgrei-ches Vorgehenskonzept junger Unternehmen. Für etablierte Unternehmen ist dessen Anwen-dung in der Regel mit erheblichen Lernprozes-sen verbunden.

► InnovationsstrategieAber auch der Erfolg von Innovationsstrategi-en hängt nicht allein von der Fähigkeit zur ra-tionalen Analyse ab. Eine entscheidende Rollespielen die Vorausschau und Vorbereitung(Foresight) auf zukünftige Entwicklungen.Beim strategischen Management wird die Zu-sammenarbeit mit Partnern innerhalb einesInnovationsökosystems immer wichtiger. Dieserfordert Kompetenz in der Orchestierung ei-nes Partnernetzwerks. Viele Technologie- undInnovationsstrategien basieren in erheblichemMaße auf strategischer Intuition. Dies ist zwarkeine grundsätzlich neue Erkenntnis. Abererst seit Kurzem gibt es Methoden, die es

Viele Technologie- und Innovations-strategien basieren in erheblichem Maße auf strategischer Intuition.

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Schwerpunkte 25

erlauben, strategische Intuition systematisch im Rahmen von Innovationsprozessen zu nut-zen. Ein Thema, bei dem es in besonderer Weise auf die Zusammenarbeit von Organisa-tionsmitgliedern ankommt, ist die Geschäfts-modell-Innovation. Neue technologiegetrie-bene Geschäftsmodelle stellen für viele Bran-chen eine Bedrohung, aber auch eine Chance dar, wenn es zum Beispiel gelingt, digitale Trends zu nutzen.

► Innovationsmarketing und neue Produktionsmodelle

Das Innovationsmarketing steht vor der Auf-gabe, den Kundenbedarf besser zu verstehen. Digitale Plattformen ermöglichen die Schaf-fung von neuen Kundenerlebnissen. Bei dieser Experience-Co-Creation arbeiten das Unter-nehmen und seine Partner eng mit Kunden zusammen, die ihrerseits in Communities agieren. Soziale Medien ergänzen traditionelle Kommunikationskanäle und führen zu neuen Verhaltensmustern, wie zum Beispiel der Sha-ring Economy. Das Internet der Dinge ermög-licht neue Produktionsmodelle und Logistik-systeme. Verhaltensänderungen bei Themen wie Industrie 4.0 und der additiven Fertigung sind in ihrer Gänze noch schwer zu erfassen. Fest zu stehen scheint aber, dass sich unsere Arbeitswelt an der Schwelle zu einem tiefgrei-fenden Wandel befindet.

► Nachhaltige Wertsteigerung mit Innovationen

Aus dem Zusammenwirken dieser Bausteine ergeben sich die Möglichkeiten zu einer nach-haltigen Wertsteigerung mit Innovationen. Der Kapitalmarkt bewertet das Verhalten des Unternehmens und seiner Akteure. Innovatio-nen sind zu einem immer wichtiger werden-den Werttreiber geworden. Das klassische Controlling tut sich aber schwer, den Wertbei-trag von Innovation angemessen zu erfassen. Eine Ursache hierfür liegt in den unterschied-lichen Verhaltensmustern von Controllern und Innovatoren. Innovationscontrollern kommt hier eine Schnittstellenfunktion zu. Sie haben die Aufgabe, die Innovationsfitness ih-res Unternehmens – also die Leistungsfähig-keit seines Innovationssystems im Hinblick auf die Herausforderungen im Umfeld – im Rahmen von Innovationsaudits zu analysieren und durch gezielte Maßnahmen zu verbessern. Dabei sind Innovationscontroller nicht nur

Rationalitätssicherer, sondern auch Fitness-Coachs, die motivieren und fördern.Diese Skizzierung der Bausteine und wichtiger Handlungsfelder zeigt, wie vielschichtig die ver-haltensökonomischen Aspekte bei der Gestal-tung von Innovationssystemen sind.

Nutzung der Erkenntnisse in neuen Methoden

Für diese Bausteine und Handlungsfelder sind zahlreiche Methoden entstanden, die darauf ab-zielen, die Fähigkeiten von Innovationsmana-gern zu erweitern und ihre Verhaltensweisen auf neue Herausforderungen auszurichten. Wir wollen dies anhand von zwei Beispielen verdeutlichen:1. Der systematischen Nutzung von strategi-scher Intuition bei der Ideenfindung und2. der Förderung eines innovativen Klimasdurch Design Thinking

Bei beiden Ansätzen spielen verhaltensökono-mische Aspekte eine wichtige Rolle.

1. Strategische Intuition bei der IdeenfindungIn seinem Buch „Schnelles Denken, langsamesDenken“ beschreibt der Nobelpreis-Träger Daniel Kahneman seine wissenschaftliche Aus-einandersetzung mit dem anderen großen Ver-haltensökonomen Gary Klein zum Thema

Während die traditionelle Verhaltensökonomie sich vor allem mit kognitiven Verzerrungen beschäftigt, steckt ein verhaltensökonomisches Innovationsma-nagement noch in den Kinderschuhen. Diese neue Forschungsrichtung sieht Manager als schöpferische Gestalter von Innovationssystemen und betrachtet die Fähigkeit von Unternehmen, das Innovationspo-tenzial von Menschen zu nutzen als entscheidende Quelle von Wettbewerbsvorteilen.

Kurz und bündig

Neue technologiegetriebene Geschäftsmodelle stellen für viele Branchen eine Bedrohung, aber auch eine Chance dar.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management26 Heft 3 I September 2015

Experten-Intuition [7]. Während Kahneman sich vor allem mit kognitiver Verzerrung be-schäftigte, war Becker an der Frage interessiert, wie zum Beispiel Feuerwehrmänner bei der Brand-Bekämpfung in der Lage sind, aufgrund ihrer Erfahrung in ähnlichen Gefahrensituatio-nen schnell und richtig zu handeln.

Strategische Intuition bei der Suche nach innovativen Lösungen funktioniert aber anders als die Experten-Intuition. Hier geht es darum, eigene und fremde Gedanken zu einer kreativen Idee zu kombinieren. Ausgehend von einer neu-en Fragestellung benötigt dieser Prozess Zeit, um sich zu entfalten.

Es ist seit langem bekannt, dass viele inno-vative Durchbrüche auf einem Wissenstransfer zwischen Branchen basieren [8]. Was aber bislang bei der Cross-Industry-Innovation gefehlt hat, ist eine praktikable Methode für die Suche nach Analogien.

Aufgrund von neuen Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung versteht man heute viel besser, wie Intuition und Syste-matik zusammenwirken. Das Gehirn arbeitet wie ein intelligentes Gedächtnis, das gespeicher-te Elemente verknüpft und so in der Lage ist, kre-ative Synthesen zu schaffen. Bei einem großen Vorrat an gespeichertem Wissen und Erfahrung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Neues entsteht oder ein drängendes Problem ge-löst wird. Strategische Intuition und Systematik sind also keine Gegensätze.

Auf dieser Erkenntnis baut eine Methode zur systematischen Ideenfindung mit strategi-scher Intuition auf. Der Prozess besteht aus den folgenden Phasen, die ein Innovationsteam in iterativen Schritten durchläuft [9]:

► das Problem beschreiben ► das Problem in Elemente zerlegen ► nach Lösungsquellen für die Problem elementesuchen

► Lösungsideen für die Problemelemente generieren und

► die Ideen zu einer innovativen Lösung kombinieren

Bei der praktischen Arbeit hilft es, die einzelnen Problemelemente und Lösungsideen in einer Mat-rix gegenüberzustellen. Durch die Suche nach Lö-sungsquellen für einzelne Problemelemente wird der Lösungsspeicher aufgefüllt. Auf diese Weise erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, durch eine Kombination der im Speicher vorhandenen Ele-mente zu einer innovativen Lösung zu kommen.

Das Vorgehen verdeutlicht, wie neue ver-haltensökonomische Konzepte dazu beitragen, die Potenziale von Managern zu erweitern und besser auszuschöpfen. Im Unterschied zu den auf kognitive Verzerrung fokussierten Ansätzen könnte man diese Richtung als „potenzialorien-tierte Verhaltensökonomie“ bezeichnen, die in der Tradition einer positiven Organisationspsy-chologie und Führungslehre steht [10].

2. Innovationsförderndes Klimadurch Design Thinking

Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die unter anderem durch die Arbeiten des Design-Unternehmens IDEO bekannt geworden ist. Im Mittelpunkt steht ein humanzentrierter Ansatz, der technische Machbarkeit, ökonomische Le-bensfähigkeit und menschliche Bedürfnisse ver-bindet. Die IDEO-Gründer beschreiben, wie De-sign Thinking hilft, Vertrauen in die eigene Krea-tivität zu entwickeln [11].

Ein iterativer Design-Thinking-Prozess fin-det üblicherweise in einem variabel gestalteten Raum statt und läuft in den folgenden Phasen ab:

► die Problemstellung verstehen ► relevante Akteure beobachten ► eine Synthese schaffen ► Ideen generieren ► mit Prototypen arbeiten sowie ► testen und umsetzen

Dabei ist es wichtig, dass die Mitglieder ei nes interdisziplinären Design-Thinking-Teams

Prof. Dr. rer. pol. habil. Dipl.-

Ing. Hans-Gerd Servatius

Hans-Gerd Servatius lehrt seit

1994 als Honorar-Professor

an der Universität Stuttgart

und ist der geschäftsführen-

de Gesellschafter des Innova-

tionsmanagement-Spezialis-

ten Competivation mit Sitz in

Düsseldorf. Davor hatte er

Führungspositionen in gro-

ßen Consulting-Unterneh-

men inne. Gegenwärtig liegt

sein Forschungs- und Bera-

tungsschwerpunkt auf der

Gestaltung des Innovations-

systems von Unternehmen.

Er ist Autor einer Reihe von

Büchern und zahlreicher

Fachartikel. Sein 2014 ge-

meinsam mit Frank Piller

herausgegebenes Buch

„Der Innovationsmanager“

beschäftigt sich mit der

Frage, wie ein ganzheitliches

Innovationsmanagement zur

Wertsteigerung beiträgt.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +49 21 14543731

www.competivation.de

Strategische Intuition bei der Suche nach innovativen Lösungen funktioniert anders als die Experten-Intuition.

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Schwerpunkte 27

über bestimmte Eigenschaften verfügen, zum Beispiel:► tiefes fachspezifisches Wissen► eine ganzheitliche Sichtweise von Problem-

stellungen und Lösungsmöglichkeiten► Offenheit gegenüber anderen Ansätzen► Begeisterung für das Ungewisse► Empathie gegenüber Teammitgliedern

und Kunden► Intuition zur Bewältigung von Komplexität

und► Optimismus als Grundlage für positive

Veränderungen

Diese Teameigenschaften beeinflussen über den Design-Thinking-Prozess das Innovationsklima. Verhaltensorientierte Aspekte, ein spezifischer Prozess und das Klima verstärken sich so wechselseitig.

3. Kombination der MethodenDesign Thinking und die systematische Ideen-findung mit strategischer Intuition sind komple-mentär. Bei beiden Methoden steht am Anfangdas Problemverständnis. Design Thinking betontdie Eigenschaften der Teammitglieder, das flexi-ble Raumkonzept, die Beobachtung relevanterAkteure und die Arbeit mit Prototypen. Die Ide-enfindung mit strategischer Intuition ist eine

Abbildung 3:Erweitertes Design Thinking

Alternative zum Brainstorming, das häufig im Rahmen von Design-Thinking-Prozessen ein-gesetzt wird. Die Suche nach Lösungsquellen und Lösungsideen für einzelne Problemelemen-te erweitert den Speicher, aus dem dann eine kreative Idee entsteht. Wir betrachten die syste-matische Ideenfindung mit strategischer Intui-tion somit als möglichen Teilprozess im Rah-men eines erweiterten oder Extended Design Thinking. Dies stellt Abbildung 3 dar.

Fazit

Die Fähigkeit von Unternehmen, das Innovati-onspotenzial von Menschen zu nutzen, ist eine entscheidende Quelle von Wettbewerbsvorteilen. Ein verhaltensökonomisches Innovationsma-nagement schafft hierfür die Grundlage. Die Aus- und Weiterbildung von Managern trägt dieser Erkenntnis bislang zu wenig Rechnung. Ein entsprechender Ansatz erfordert neben einer disziplinübergreifenden und stärker praxisorien-tierten Forschung und Lehre eine bessere Zu-sammenarbeit von Wirtschaft und Politik sowie ein entsprechendes Bewusstsein der Verantwort-lichen. Die große Herausforderung ist gegenwär-tig der digitale Wandel, bei dem es darauf an-kommt, eine verbesserte Innovationsfitness un-ter Beweis zu stellen.

Beim erweiterten Design Thinking erfolgt die Ideenfindung mit strategischer Intuition

Innovationsförderndes Klima durch Design Thinking

Systematische Ideenfindung mit strategischer Intuition

1. Die Problemstellungverstehen

4. Ideen generieren

2. Relevante Akteurebeobachten

4.2 Nach Lösungs- quellen für die Problem-

elemente suchen

6. Testenund umsetzen

4.1 Problem in Elemente zerlegen

3. Eine Syntheseschaffen

4.4 Lösungsideen für die Problemelemente

generieren

5. Mit Prototypenarbeiten

4.3 Ideen zu einer innovativen Lösung

kombinieren

Unter diesem Link finden

Sie mehr zum Thema:

http://bit.ly/1MFtwSo

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management28 Heft 3 I September 2015

Resilienz-Management in Zeiten von Industrie 4.0 Herbert Endres, Kathrin Weber, Roland Helm, Universität Regensburg

Technologische Entwicklungen wie Industrie 4.0 stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Um diesen effektiv begegnen zu können, stellt sich der ganzheitli-che Ansatz des Resilienz-Managements als besonders wertvoll heraus. Dieser unterstützt auf Grundlage der Prinzipien krisenerprobter High Reliability Organisati-onen Unternehmen dabei, erfolgsrelevante Faktoren wie Anpassungsfähigkeit und Flexibilität aufzubauen. Pra-xisorientierte Maßnahmen haben dabei zum Ziel, Krisen nicht nur kurzfristig bekämpfen zu können, son-dern langfristig am Markt Bestand zu haben.

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Schwerpunkte 29

Das digitale Zeitalter präsentiert sich als zwei-schneidiges Schwert: Auf der einen Seite bringt das „Digital Age“ vielerlei Chancen für Innovation in Unternehmen mit sich, fordert jedoch in einem bislang unerwarteten Tempo die kontinuierliche Anpassung an die volatilen Marktgegebenheiten. Deutsche Unternehmen laufen insbesondere in Bezug auf das E-Busi-ness Gefahr, den Anschluss an die Konkurrenz aus Asien und den USA zu verpassen. Selbst von sehr traditionellen Branchen wird mittler-weile gefordert, sich den neuen Informations-technologien wie beispielsweise Cloud Com-puting zu stellen. Darüber hinaus stellt die Vernetzung physischer und digitaler Systeme, bekannt unter dem Begriff Industrie 4.0, in zunehmendem Maße eine besondere Heraus-forderung des digitalen Zeitalters dar. Diese sogenannte vierte industrielle Revolution be-zieht sich vor allem auf die cyber-physischen Systeme (CPS). Darunter versteht man Netz-werke von kleinen, mit Sensoren oder Aktoren ausgerüsteten Materialien oder Maschinentei-len, die über das Internet miteinander verbun-den sind.

Dieser vermeintliche Heilsbringer, der unter anderem einen effizienteren Informati-onsaustausch zwischen Objekten über große räumliche Distanz in Echtzeit verspricht, hat je-doch auch seine Schattenseiten. Einerseits sind Unternehmen, die es nicht schaffen, die damit verbundenen enormen technischen und wirt-schaftlichen Herausforderungen zu meistern, aufgrund von mangelndem IT-Know-how be-ziehungsweise einer fehlenden Data-Analytics-Kompetenz, gefährdet, unterzugehen. Ande-rerseits verändert dieses „Internet der Dinge“ auch zahlreiche Wertschöpfungsstrukturen in hohem Maße. In der Elektroindustrie bei-spielsweise formieren sich die Wertschöp-fungsketten zu Wertschöpfungsnetzwerken um. Die damit einhergehenden neuen, daten-zentrierten Geschäftsmodelle bringen neue Marktakteure hervor und stellen Bestehendes in Frage. Zudem sind Industrie 4.0 Systeme an sich schon mit Risiken behaftet, denn einzelne an einer Schnittstelle des Netzwerks einge-brachte Fehler werden unmittelbar an das ge-samte Netzwerk weitergegeben und könnten dadurch größere Störungen verursachen. Auch die Vernetzung verschiedener Wertschöp-fungsprozesse stellt eine Herausforderung dar.

Damit die vernetzten Systeme stabil sind und idealerweise in Echtzeit miteinander

kommunizieren können, müssen sämtliche Si-cherheitsrisiken wie Industriespionage, Be-trug, Manipulation oder sogar terroristische Aktivitäten unterbunden beziehungsweise recht zeitig und effektiv bekämpft werden [1].

Mit dieser Entwicklung ist eine in zuneh-mendem Maße ansteigende Vulnerabilität von Unternehmen, vor allem aus dem industriellen Sektor, für Bedrohungen verbunden. Diese teils revolutionären Veränderungen des Mark-tes erfordern einen neuen Ansatz der Krisen-prophylaxe und -bekämpfung.

Ablösung des Risiko-Managements

Das bisher angewandte Konzept des Risikoma-nagements, welches häufig lediglich durch spe-ziell dafür eingerichtete Unternehmensbereiche oder Task Forces als kleiner Teil der gesamten Organisation betrieben wird, stößt dabei an sei-ne Grenzen. Während das Risikomanagement auf spezielle Gefahren ausgerichtet ist und das Unternehmen nur gegen diese vordefinierten Gefahrenpotentiale widerstandsfähig macht, verfolgt das Resilienz-Management einen ganz-heitlichen organisationsumfassenden Ansatz.

Unter organisationaler Resilienz (latei-nisch ‚resilire‘ = ‚zurückspringen‘, ‚abprallen‘), versteht man das Vermögen eines Unterneh-mens, unter widrigen Umständen – sowohl in-terner als auch externer Art – die Funktionsfä-higkeit beizubehalten oder sogar verbessern zu können [2]. Das Resilienz-Management vertritt den Ansatz, dass zukünftige Bedrohungen und Neuerungen in ihrer Beschaffenheit derart un-erwartet sein können, dass Unternehmen im Notfall keine Zeit mehr bleibt, um spezielle Ret-tungspläne zu entwickeln. Das Konzept des Ri-sikomanagements, lediglich antizipierte, ver-letzliche Angriffspunkte gegen Krisen wider-standsfähig zu machen, versagt in einem ver-netzten Unternehmen, da nicht lokalisiert

Deutsche Unternehmen laufen insbe-sondere in Bezug auf das E-Business Gefahr, den Anschluss an die Kon-kurrenz aus Asien und den USA zu verpassen.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management30 Heft 3 I September 2015Heft 3 I September 2015

können. Organisationen, wie beispielsweise Krankenhäuser oder Atomkraftwerke, haben bereits bewiesen, dass eine Aufrechterhaltung der Prozesse möglich ist, auch wenn tagtäglich jeder Handlungsschritt mit großen Risiken ver-bunden und der Druck angesichts einer mögli-chen Katastrophe durchaus greifbar ist [6]. Diese sogenannten High Reliability Organisationen (HRO) orientieren sich an einem gemeinsamen Erfolgsrezept, welches auf klassische Unterneh-men übertragen werden kann [7]. In der Praxis stellt sich jedoch oft die Frage, durch welche Maßnahmen die HRO-Prinzipien im Unter-nehmensalltag implementiert werden können. Als passendes Implementierungswerkzeug bie-tet sich hierbei die interne Unternehmenskom-munikation an, durch deren Maßnahmen die Mitarbeiter aktiv in den Resilienzprozess der Organisation miteinbezogen werden können.

HRO-Grundprinzipien sollen als Leitfa-den dazu dienen, herauszuarbeiten, wie ein er-folgreiches Resilienz-Management aufgebaut werden kann, sodass sich das Unternehmen präventiv auf den Eintritt von noch zukunfts-fernen Veränderungen vorbereiten kann.

Vorleben eines neuen Fehlerverständnisses

Angesichts des hohen Konkurrenzdrucks in-nerhalb von Unternehmen wächst der Druck unter den Mitarbeitern, keine Fehler begehen zu dürfen, da diese allgemein als Zeichen von Schwäche und Unzuverlässigkeit interpretiert werden. HRO sehen Fehler jedoch unter einem positiven Gesichtspunkt. Fehler dienen als In-formationsquelle, um Schwachstellen im Unter-nehmen zu identifizieren, die Angriffspunkte für eine mögliche Bedrohung darstellen. Durch die Beschäftigung mit realen Fehlern wird ein Lernprozess ausgelöst, durch den unerwartete Krisen antizipiert werden können [8]. Basis da-für ist jedoch die Etablierung einer positiven und gerechten Fehlerkultur durch das Manage-ment. Mitarbeiter müssen Fehler oder kleinere Unfälle melden dürfen, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen. Dieses Vorgehen kann so-gar solche Formen annehmen, dass monatlich ein Top-10-Fehlerranking kommuniziert wird, das einerseits aufzeigt, wie es zu diesem Fehler kommen konnte und andererseits, welche Lern-inhalte und Informationen dadurch über den Systemstatus des Unternehmens erschlossen werden konnten. Dafür ist es natürlich unab-dingbar, dass die Führungsebene mit gutem

werden kann, welche Bedrohung auftreten wird und wo sie auftreten wird. Störungen können somit ungehindert an eine weniger geschützte Stelle im Unternehmen wandern [3].

Resilienz als Bestandteil des gesamten Unternehmens

Um in Zeiten der digitalen Transformation be-stehen zu können, muss sich ein Unternehmen bezüglich seiner gesamten Handlungskompe-tenz derart breit aufstellen, dass es hinsichtlich eines jeden Prozesses, mit beispielsweise noch nie dagewesenen technologischen Herausforde-rungen, sowohl externer als auch interner Na-tur, umgehen kann. Nur wenn Resilienz als We-senszug der gesamten Organisation begriffen wird, können die latenten Bedrohungen des di-gitalen Wandels bewältigt werden.

Der Fokus des Resilienz-Managements wird vor allem auf eine „bounce forward“ Kom-ponente gelegt, worunter der Entwicklungspro-zess eines Unternehmens hin zu einem neuen Zustand verstanden wird [4]. Die Erfahrung und das Wissen, die eine Organisation durch die Be-wältigung bereits vergangener Störungen hin-zugewonnen und verinnerlicht hat, transferiert das Unternehmen auf seinen Umgang mit zu-künftigen Bedrohungen. Das Unternehmen be-findet sich somit in einem kontinuierlichen Lernprozess, der darauf abzielt, die im Notfall benötigten und schnell abrufbaren Ressourcen zu bilden, um neue Kompetenzen hinsichtlich des Umgangs mit neuen Herausforderungen hervorzubringen [5].

Orientierung am High Reliability Konzept

Das Potenzial eines Unternehmens, sich an Ver-änderungen anzupassen, wird auch als Adapti-ve Capacity bezeichnet und ist ein elementarer Baustein, um sich angesichts des digitalen Dar-winismus gegen die Konkurrenz behaupten zu

Dipl.-Kfm., MBA,

Herbert Endres

Nachdem Herbert Endres an

der Universität Regensburg

seinen Abschluss in Betriebs-

wirtschaft absolvierte, war er

mehrere Jahre im Manage-

ment in der Industrie, unter

anderem bei Nestlé S.A. tätig.

Seit vier Jahren forscht, berät

und lehrt Herbert Endres am

Lehrstuhl für Strategisches

Industriegütermarketing an

der Universität Regensburg zu

Themen wie der Anpassungs-

fähigkeit von Unternehmen.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +49 15 158155317

www-wiwi.uni-regensburg.de

Die vierte industrielle Revolution versetzt Unternehmen in Alarmbereitschaft. Sie ist nicht nur Ausgangspunkt zahlreicher Innovationen, sondern verlangt eine neue Kompetenz hinsichtlich des Umgangs mit potenziellen internen als auch externen Bedrohungen. Mit dem Konzept des Resilienz- Managements wird eine neue Art der Krisenbekämpfung und -prophylaxe in den Unternehmensalltag ein-geführt, um die dafür nötige unternehmensinterne Anpassungsfähigkeit – bekannt unter dem Namen Adaptive Capacity – zu steigern.

Kurz und bündig

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Schwerpunkte 31

Beispiel vorrangeht und sich selbst offen zu Fehlern bekennt. Dabei wird aufgezeigt, dass keine Hierarchiestufe frei von Fehlern ist. Dieser unverkrampfte Umgang mit Fehlern ermöglicht ein umsetzungsorientiertes, inno-vatives und experimentierfreudigeres Arbei-ten, welches die Basis für den Aufbau von Fle-xibilität und den digitalen Transformations-prozess im Unternehmen darstellt. Durch die Neudefinition hinsichtlich der Bedeutung von Fehlern werden somit nicht nur proaktive und widerstandsfördernde Maßnahmen entwi-ckelt, um sich auf mögliche Bedrohungen vor-zubereiten, sondern es wird zudem die Unter-nehmenskultur positiv beeinflusst.

Entscheidungsmacht abgeben: Hierarchie der Kompetenz unterstellen

Ein elementarer Baustein eines resilienten Ma-nagements ist es, f lexibel auf jede Art von Ver-änderung reagieren zu können und das Unter-nehmen an neue Situationen anzupassen. Dies ist jedoch nur realisierbar, wenn Lösungs- und Entscheidungsfindung im Bedarfsfall hierar-chisch angepasst werden können. HRO ver-zichten nicht auf Hierarchien, da sie im All-tagsgeschäft als wichtige richtungsweisende Befehlsgewalt dienen, sind sich jedoch darüber im Klaren, dass diese im Notfall situativ ver-schoben und der Anpassungsfähigkeit unter-geordnet werden müssen [9]. Bei der Lösungs-findung für ein konkretes operatives Problem rückt die Entscheidungsmacht zu dem Mitar-beiterkreis mit dem jeweils größten Fachwis-sen, unabhängig von deren Position. Diese f le-xible Art der Entscheidungsfindung bewahrt das Management davor, fachfremd die fal-schen Maßnahmen zu ergreifen, ohne die Situ-ation aus der Nähe zu betrachten. Das Ma-nagement sollte jedoch, insbesondere vor dem Hintergrund der digitalen Vernetzung, einen Gesamtüberblick über das Unternehmen und die Wertschöpfungskette haben. Die Zusam-menführung der Management- und Mitarbei-terebene wird durch die Etablierung einer Kommunikation im Gegenstromverfahren er-möglicht. Diese Kommunikationsstruktur zeichnet sich nicht durch eine abwärts und einseitig gerichtete Informations- und Befehls-übermittlung der Führungsebene an untere Hierarchiestufen, sondern durch einen offenen Dialog zwischen Mitarbeitern und Manage-ment aus. Dadurch werden präventiv

Kommunikationswege aufgebaut, die im Kri-senfall genutzt werden können und der verbes-serten Vorbereitung auf Bedrohungen dienen.

Mitarbeiter als das zentrale Element des Veränderungsprozesses begreifen

Die Übertragung von HRO-Prinzipien auf konventionelle Unternehmen zeigt auf, dass es angesichts der Geschwindigkeit und Unabseh-barkeit, mit der die Digitale Transformation fortschreitet, für ein erfolgreiches Fortbeste-hen eines Unternehmens entscheidend ist, alle Prozesse im Unternehmen auf den Schlüssel-faktor der Anpassungsfähigkeit auszurichten. Zudem wird deutlich, dass Resilienz-Manage-ment eben nicht bedeutet, die dafür notwen-digen Maßnahmen von oben zu diktieren, sondern dass der Veränderungsprozess des Unternehmens tagtäglich und in jedem ein-zelnen Arbeitsschritt von den Mitarbeitern verinnerlicht und selbstständig angewandt werden muss, so dass jeder Prozess des Unter-nehmens im Hinblick auf Resilienz ausgerich-tet und durchdrungen wird. Des Weiteren sind externe Veränderungen, wie die der vier-ten industriellen Revolution, schleichende Prozesse, die kontinuierlich voranschreiten. Verinnerlicht man als Unternehmen die Resi-lienzprinzipien, so wird man auch nicht von solchen vermeintlich überwältigenden Her-ausforderungen überrascht, sondern kann

Ein elementarer Baustein eines resi- lienten Managements ist es, flexibel auf jede Art von Veränderung reagie-ren zu können und das Unternehmen an neue Situationen anzupassen.

zusammen mit ihnen wachsen. Grundvoraus-setzung dafür ist die Selbstständigkeit der Mitarbeiter [10]. Die Rahmenbedingungen im Unternehmen schafft dafür das Management. Dem stehen jedoch auch zahlreiche – schon bisher bekannte – Probleme in der Umsetzung entgegen.

Kathrin Weber, B.Sc.

Betriebswirtschaftslehre

Kathrin Weber hält einen

Bachelor of Science in Be-

triebswirtschaftslehre mit

dem Schwerpunkt Wert-

schöpfungsmanagement.

Durch die Erfahrung in ver-

schiedenen technisch orien-

tierten Unternehmen und als

Mitarbeiterin am Lehrstuhl

für Strategisches Industriegü-

termarketing der Universität

Regensburg, hat sie sich in-

tensiv mit der Erforschung

der Thematik des Resilienz-

Managements auseinander-

gesetzt.

Kontakt

[email protected]

regensburg.de

Tel.: +49 15 142327365

www-wiwi.uni-regensburg.de

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Sie mehr zum Thema:

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management32 Heft 3 I September 2015

Erfordernisse und Richtungen für Kooperation und Vertrauen in der Führung Neu-Erfindung von Führung in Industrie 4.0

Christoph Clases, AOC Unternehmensberatung, Theo Wehner, ETH Zürich

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Schwerpunkte 33

Das Thema Führung ist ein Dauerbrenner. Nicht nur in der Unternehmenspraxis, sondern auch in den Wissenschaften. In den vergange-nen beiden Jahrzehnten sind in der Praxis wie in der Wissenschaft zu wenig neue Konzepte zum Thema entstanden, um wirklich neue Ant-worten auf die sich wandelnden Anforderungen an Führung zu geben. Auch wenn wir uns als Arbeits- und Organisationspsychologen bei die-ser Kritik selbst explizit nicht ausnehmen wol-len, so haben wir doch Gedanken dazu anzu-bieten, in welche Richtung sich Führung verän-dern könnte, um sich angesichts der im Wandel befindlichen Kontexte neu zu erfinden.

Neue Kontexte der Führung in entgrenzten Arbeitswelten

Die globalen, gesellschaftlichen und technolo-gischen Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte, die seit einiger Zeit mit dem Begriff Industrie 4.0 in Verbindung gebracht werden, haben für Unternehmen zu einer kontinuierli-chen Dynamisierung sozialer wie technologi-scher Rahmenbedingungen und Entwicklungs-möglichkeiten sowie zu Verschiebungen von Marktgegebenheiten geführt. Es entstehen neue Anforderungen, um am Markt zu bestehen. Die Konsequenzen dieser Entwicklungen für Arbeit und Führung fassen wir unter dem Begriff „Entgrenzung“ zusammen. Der Begriff wurde Ende der 90er Jahre ins Spiel gebracht und meinte zunächst nur die Entgrenzung von Ar-beit und Nicht-Arbeit [1]. Diese Entgrenzung hat

Die gesellschaftlichen, technologischen und kulturellen Entwicklungen der vergangenen beiden Dekaden haben zu einer vielfältigen Entgrenzung unserer Arbeitswelten geführt. Wie muss sich das Verständnis von Führung wandeln, um Antworten auf sich abzeichnende neue Anforderungen zu finden? Unsere Kernthese lautet, dass Führung viel stärker als bisher als kooperatives Gesche-hen zu gestalten ist. Auf dieser Basis werden entlang ver-schiedener Führungsaufgaben mögliche Entwicklungs-richtungen aufgezeigt.

sich inzwischen vervielfältigt, was uns zu der These führt, es sei an der Zeit, dass sich Füh-rung neu erfindet. Der Prozess der Entgren-zung hat inzwischen (mindestens) folgende Fa-cetten, welche die Führung unmittelbar betreffen:

► eine organisationsbezogene Form der Ent-grenzung durch die zunehmende Komplexitätder Arbeitsabläufe und die Interdependenzfunktional spezialisierter Tätigkeiten

► eine räumlich-zeitliche Entgrenzung der Ar-beitstätigkeit angesichts der zunehmenden Mo-bilität durch Optionen mobiler Arbeit sowieHome Office

► eine soziale Entgrenzung durch die wachsen-de Heterogenität von Ansprüchen, kulturellenWertvorstellungen sowie professionellen Pers-pektiven

► eine projektbezogene Organisation von Tätig-keiten, was zur tendenziellen Auflösung klassi-scher Teamarbeit mit personeller Kontinuitätführt

► die schon angesprochene Entgrenzung vonArbeit und Nicht-Arbeit, die inzwischen unterdem Stichwort der Life-Domain-Balance disku-tiert wird [2]

Die Formen der Entgrenzung überlagern sich und führen zu neuen Kontextbedingungen für

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management34 Heft 3 I September 2015

Führung überprüft werden müssen, um einen Paradigmenwechsel einzuleiten.

Vernetzte Führung in entgrenzten Arbeitswelten

In unseren Ausführungen stützen wir uns auf unterschiedliche Quellen. Zum einen beziehen wir uns auf ein von uns ausgearbeitetes Füh-rungsmodell. Das Modell versteht Führung als kritischen Balanceakt auf drei Ebenen: der kog-nitiven, der sozialen und der strukturellen Ebe-ne. Daraus ergeben sich Spannungsfelder zwi-schen personenbezogenen, strukturellen und kulturellen Aspekten der Führung, die Ent-wicklungspotenziale aufzeigen. Der Balanceakt der Führung besteht darin, widersprüchliche und spannungsgeladene Anforderungen zu ver-mitteln, denn Führung ist ein komplexes Ge-schehen mit nicht intendierten Fern- und Ne-benwirkungen [5] [6]. Zum anderen beziehen wir uns auf explorative Studien, die wir in unserer Forschung zu vernetzter Führung in entgrenz-ten Arbeitswelten realisiert haben [7] [8]. Schließ-lich basieren unsere Ausführungen auf Erfah-rungen vieler Beratungsmandate.

Vom Motivieren und über Motivierendes

Die Motivation der Mitarbeiter wird oftmals als eine der grundlegenden Aufgaben von Führung betrachtet; auch aktuelle Führungskonzepte, wie beispielsweise jenes der transformationalen Führung, setzen darauf. Kulturell zeigt die Er-wartung an Führungspersonen, Mitarbeiter zu motivieren die kulturell tief verankerte pater-nalistische Seite von Führung. Hier besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter infantilisiert werden, da ihnen offensichtlich zu wenig zugetraut wird, eigenverantwortlich und motiviert zu agieren [9]. Aus Sicht der Arbeitspsychologie gilt nach wie vor, dass vor allem der Charakter der zu bearbeitenden Aufgaben darüber ent-scheidet, welche Motivationsqualität und

Wird Führung mit dem zielorientierten Handeln einer Führungsperson gleichgesetzt, sehen wir nur ein kleines Quantum dessen, was Führung ausmacht.

die Führung. Leider ist festzustellen, dass die meisten Theorien und Konzepte der Füh-rungsforschung diese Veränderungen kaum reflektieren [3].

Ein problematisches Verständnis: Führung = Führungsverhalten

Beobachten wir, welches Verständnis von Füh-rung sich in der Praxis beharrlich hält – und was sich in vielen Führungsausbildungen wi-derspiegelt – so stellen wir fest, dass Führung zumeist mit dem Führungshandeln von Vor-gesetzten gleichgesetzt wird, also mit dem, was Führungskräfte gezielt tun. Wenn wir Füh-rung mit dem zielorientierten Handeln einer Führungsperson gleichsetzen, dann sehen wir nur ein äußerst kleines Quantum dessen, was Führung ausmacht. Zum einen werden auf diese Weise alle nicht bewusst intendierten Dinge, die Führungskräfte tun, ausgeblendet, obwohl diese im Alltag beträchtliche Wirkun-gen haben. Zum anderen wird nicht berück-sichtigt, dass Führung ein interaktives Ge-schehen ist: Führung ist eine spezifische Form der Kooperation unter hierarchisch geprägten Bedingungen. Wird Führung allein mit Füh-rungshandeln gleichgesetzt, ignorieren wir zu-dem alle entpersonalisierten Formen von Füh-rung, die nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Führungskräfte selbst führen. Ge-meint sind damit die organisationsstrukturel-len und kulturellen Kontexte, in denen geführt wird.

Die entgrenzten Kontexte von Arbeit und Organisation, in denen sich Führung vollzieht und in die das Führungshandeln der einzelnen Führungsperson eingebunden ist, verändern das Spiel. Wird dieses Spiel mit traditionellen Vorstellungen von Führung gespielt, so kommt es in der Terminologie des Wissenschaftstheo-retikers Kuhn [4] zu Anomalien in Organisatio-nen, anhand derer deutlich wird, dass beste-hende Denkmuster und Werkzeuge der

Prof. Dr. Christoph Clases

Christoph Clases studierte

Psychologie, Philosophie und

Sprachwissenschaften. Er

promovierte an der Freien

Universität Berlin, lehrte und

forschte an der TU Hamburg,

den Universitäten in Kiel, St.

Gallen und Zürich sowie der

ETH Zürich. Von 2004 bis

2010 trug er als Institutsleiter

zum Aufbau der Hochschule

für Angewandte Psychologie

FHNW bei. Dort lehrt und

forscht er noch heute.

Schwerpunkte sind Führung,

Zusammenarbeit und die Ge-

staltung von Veränderungs-

prozessen. Seit 2009 ist

Christoph Clases Partner der

AOC Unternehmensbera-

tung.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +41 78 8090043

www.aoc-consulting.com

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Schwerpunkte 35

Motivationsstärke zu ihrer Bearbeitung erzeugt werden. Dieser Umstand ändert sich angesichts einer räumlich-zeitlichen Entgrenzung von Ar-beit nicht. Aufgaben, welche die Kompetenzen der Mitarbeiter nutzen, bei denen Selbstwirk-samkeit erlebt wird, die ganzheitlichen Charak-ter haben, also von der Aufgabenplanung bis zur Bewertung des Resultats reichen und die ‚last but not least’ als sinnvoll erlebt werden, motivieren intrinsisch. Hierfür braucht es keine Präsenz von Führungspersonen, außer man ist der Meinung, Mitarbeiter kämen zur Arbeit, um einen ‚schlechten Job’ zu machen.

Die Sache mit der Kohäsion

Die Arbeit von Führung am Gefühl der Zu-sammengehörigkeit in Abteilungen und Orga-nisationen muss mit Vorsicht angegangen werden. Die immer wieder beklagten ‚Silos’, die zu Kooperationsbarrieren entlang von Team- oder Abteilungsgrenzen führen, sind zu einem großen Teil das Resultat der eifrigen Arbeit von Führung an Kohäsion. Ein sozial-psychologischer Befund besagt, dass mit wachsender Kohäsion einer Gruppe auch im-mer deren Abgrenzung nach außen verstärkt wird. Aber gerade die erfolgreiche Gestaltung der Kooperationsbeziehungen nach außen wird in entgrenzten Arbeitswelten für das Ge-lingen von Führung immer wichtiger.

Daraus ergibt sich die Herausforderung, einerseits auf Kohäsion zu achten, um eine Vereinzelung von Tätigkeiten zu verhindern. Andererseits besteht der Balanceakt darin, unerwünschte Nebenwirkungen einer zu ho-hen Kohäsion zu vermeiden. Denn dazu zählt auch die Abwehr von neuem, was bekanntlich meist von außen kommt.

Das neue alte Zentrum der Führung: Entscheidungen

Die Art und Weise, wie Organisationen zu Entscheidungen kommen, ist ein strukturel-les, vor allem jedoch ein kulturelles Spiegel-bild von Führung. Dabei geht es nicht allein um das Treffen, sondern auch um das Herbei-führen, das Abholen, das Erzeugen, das Kom-munizieren sowie die Überprüfung der Wir-kungen von Entscheidungen. All dies ge-schieht auf unterschiedliche Arten, jedoch immer seltener durch individuelles Handeln. Angesichts der gewachsenen Komplexität

können viele Entscheidungen nur auf Grund-lage einer Vielfalt von zugrunde liegenden In-formationen und vor allem aufgrund einer an-gemessenen Bewertung dieser Informationen getroffen werden. Das Herbeiführen tragfähi-ger, robuster Entscheidungen – angesichts un-vermeidbarer Unsicherheitszonen und Ambiva-lenzen – bedarf vor diesem Hintergrund der Kooperation. Hier erscheint es uns für die Neu-erfindung von Führung als relevant, die Span-nungsfelder zwischen strategischem, lokalem und persönlichem Sinn zu bearbeiten. Was in einem komplexen Umfeld auf strategischer Ebe-ne sinnvoll ist, muss auf lokaler oder persönli-cher Ebene noch lange nicht als sinnvoll erlebt werden (und umgekehrt). Aufgabe von Füh-rung ist es, geeignete Plattformen bereitzustel-len, auf denen sich Aushandlungs- und Koope-rationsprozesse zur Entscheidungsfindung voll-ziehen können.

Die entgrenzten Kontexte von Arbeit und Organisation verändern das Spiel. Wird dieses Spiel mit traditionellen Vorstellungen von Führung gespielt, so kommt es zu Anomalien in Organisationen.

Über Kooperation und Vertrauen

Für die Neuerfindung von Führung gilt es, an-zuerkennen, dass Führung sich zusehends zu einem aktiv zu bearbeitenden Netz von Koope-rationsbeziehungen entwickeln muss, die nur zum Teil unter Bedingungen der Hierarchie ar-beiten und zu einem immer größer werdenden Teil über die wechselseitige Einflussnahme jen-seits von Hierarchie funktionieren (oder eben nicht funktionieren). Dies beginnt im eigenen Unternehmen, wenn Projekt- und/oder Matrix-organisationen verschiedene Formen von Füh-rung kombinieren. Mindestens ebenso relevant ist dies in der Zusammenarbeit mit Kunden, Zulieferern, Konkurrenten und anderen Stake-holdern. Vernetzte Führung sieht sich vor

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management36 Heft 3 I September 2015

zu einem besseren Funktionieren des Unter-nehmens insgesamt zu gelangen. Wenn aber nun die Prinzipien der Wertschöpfung in den Organisationen, die stark durch die zunehmend entgrenzten Arbeitskontexte gekennzeichnet sind, immer mehr auf Flexibilität, Agilität und Wandelbarkeit ausgerichtet sind, müsste dies dann nicht auch und gerade für eine moderne Führung gelten? Müsste Führung dann nicht konsequent die ‚Maximierung auf ein Mini-mum’ von Verregelung anstreben?

Es stellt sich die Aufgabe, Settings zu etab-lieren, in denen (auch unerwartete) Varianz produktiv wird, um Flexibilität und Wandel-barkeit nicht nur als Anforderung an die

diesem Hintergrund zunehmend Spannungs-feldern zwischen Kooperation und Konkur-renz gegenüber, die nicht über Hierarchien re-guliert werden können. Soziologie, Psycholo-gie und Managementforschung verweisen für diese Kontexte auf die Bedeutung von Vertrau-en, um die in den Spannungsfeldern liegenden Konfliktpotenziale angemessen adressieren zu können. Wie wir wissen, trägt die Bewältigung von Störungen, unerwarteten Ereignissen und Fehlern zum Aufbau von Vertrauen in Koope-rationsbeziehungen bei. Führung braucht für ihre Neuerfindung ein zunehmendes Maß an Selbst- und Systemvertrauen im Umgang mit Unerwartetem, das immer wieder neu zu erar-beiten ist [10].

Zwischen Routine und bewusst erzeugter Varianz

Standardisierungen, detaillierte Prozessvorga-ben und Standard Operation Procedures sind in vielen Organisationen inzwischen strukturell und kulturell fest verankert. Sie stellen Mög-lichkeiten für entpersonalisierte Formen der Führung bereit. Leider schießen sie häufig über das Ziel hinaus, denn sie verengen Handlungs-optionen für die personalisierte Seite von Füh-rung, weil sie diese nicht nur verregeln, sondern auch übersteuern können. Dahinter steht die Überlegung, durch die Reduktion von Varianz

Der Beitrag diskutiert die Implikationen für Füh-rung angesichts sich zunehmend entgrenzender Arbeitswelten. Es wird, entlang der Diskussion verschiedener Aufgaben von Führung, über Opti-onen einer Neuerfindung von Führung nachge-dacht. Dabei wird Führung als kooperatives Ge-schehen verstanden, in dem Mitarbeiter als selbstbewusste Kooperationspartner begriffen werden. Es wird auf die Bedeutsamkeit der Schaf-fung von Settings für Führung hingewiesen, in denen Varianz, Störungen und Konflikte produktiv werden können.

Kurz und bündig

Prof. Dr. Theo Wehner

Theo Wehner studierte Psy-

chologie und Soziologie an

der Universität Münster, pro-

movierte an der Universität

Bremen und habilitierte 1986

ebenfalls dort. Von 1989 bis

1997 war er Professor für

Arbeitspsychologie an der

TU Hamburg. 1997 wurde er

zum ordentlichen Professor

für Arbeits- und Organisati-

onspsychologie an die ETH

Zürich berufen. Schwerpunk-

te seiner Arbeit sind die Fehl-

erforschung, das Verhältnis

von Erfahrung und Wissen,

kooperatives Handeln sowie

die psychologische Sicher-

heitsforschung.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +41 44 6327088

www.ethz.ch

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Schwerpunkte 37

Mitarbeiter, sondern auch als Charakteristikum der Organisation zu etablieren.

Die Neuerfindung von Führung

Die gesellschaftlichen technologischen, media-len und kulturellen Veränderungen der vergan-genen beiden Dekaden, die zur Entgrenzung von Arbeit und Führung beigetragen haben, werden die ein oder andere Überzeugung über Führung in Zukunft immer stärker in Frage stellen. Eine Fokussierung auf den Einzelnen und sein Führungshandeln greift zu kurz. Es wird daher auch immer weniger sinnvoll sein, in Führungsausbildungen das individuelle Ver-halten in den Fokus zu stellen. Die Vernetztheit von Führung in unterschiedlichsten Kooperati-onsbeziehungen sollte daher verstärkt Eingang in Seminare finden und komplementär ‚on the job’ entwickelt werden [11].

Allerdings braucht es hierfür die Dekon-struktion zentraler Glaubenssätze der Führung. Wir möchten dies am Thema Zielvereinbarun-gen verdeutlichen. Es gehört zur fest etablierten Praxis vieler Organisationen, smarte Ziele auf ihre Mitarbeiter ‚herunterzubrechen’. Abgese-hen von den unappetitlichen Konnotationen dieser Formulierung stellen wir in Frage, inwie-fern dies sinnvoll ist. Stellt die Festlegung von Zielen nicht die flexible Handlungsfähigkeit und die situativ relevante Erzeugung von Vari-anz in Frage? Ist dies nicht eine Behinderung für Dynamik und Wandelbarkeit? Können die Ziele in den einzelnen Bereichen einer komple-xen Unternehmung überhaupt so formuliert werden, dass es nicht systematisch zu struktu-rell angelegten Konflikten zwischen diesen Be-reichen führt? Vermutlich erfreuen sich Zielver-einbarungsgespräche nicht zuletzt aus diesem Grund eher zurückhaltender Begeisterung un-ter den Beteiligten – sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Führungskräften. Unserem Kolle-gen Felix Frei verdanken wir den Vorschlag, nur noch Führungskräfte direkt über Ziele zu

führen, die selbst wiederum Führungskräfte führen. Mit allen anderen Mitarbeitern wer-den in diesem Szenario keine direkten Zielver-einbarungen mehr definiert. Das angestrebte Resultat ist, dass die unterste Ebene von Füh-rungskräften, mit denen Zielvereinbarungen noch persönlich definiert werden, für sich und ihren Verantwortungsbereich mehr unterneh-merische Handlungsspielräume (für alle Betei-ligten) gewinnen [12]. Letztlich wird die Neuer-findung von Führung nur gelingen, wenn Möglichkeiten geschaffen werden, damit aus Mitarbeitern selbstbewusste und – im Hin-blick auf die Kollegen, Vorgesetzten und die Organisation – vertrauende Kooperationspart-ner werden, die Unerwartetes, Fehler, Konflik-te und Konkurrenz als integrale, Entwicklun-gen ermöglichende Zutaten guter Entscheidun-gen betrachten.

Unter diesem Link finden Sie mehr zum Thema:

http://bit.ly/1SzGFOL

Für die Neuerfindung von Führung gilt es, anzu-erkennen, dass Führung sich immer mehr hin zu einem aktiv zu bearbeitenden Netz von Koopera-tionsbeziehungen entwickeln muss.

Es stellt sich die Aufgabe, Settings zu etablieren, in denen Varianz produktiv wird, um Flexibilität und Wandelbarkeit als Charakteristikum der Organisation zu etablieren.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management38 Heft 3 I September 2015

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Schwerpunkte 39

Folge dem weißen Kaninchen als Forscher in das IT-Unternehmer-Wunderland Ein Erfahrungsbericht über das Leben als Forscher und Unternehmer

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer

Die Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) beschäf-tigt sich als Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft mit menschlichem Verhalten in wirtschaftlichen Situationen. Untersucht werden auch und gerade jene Konstellationen, in denen Menschen im Widerspruch zur Modell-Annahme des Homo oeconomicus als rationalem Nutzenmaximierer stehen. Jene Konstellationen, die belegen, dass Menschen eben nicht wie Albert Einstein denken, Informationen wie Supercomputer speichern und über eine Willenskraft eines Mahatma Gandhi verfügen. In unzähligen Laborexperi-menten und Feldstudien wurde in den vergangenen Jahr-zehnten dann auch empirisch festgestellt: Der reale Mensch ist kein „Homo oeconomicus“. Wir irren uns, wir sind be-einflussbar, wir treffen oft irrationale und objektiv falsche Entscheidungen – um nur einige Punkte zu nennen.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management40 Heft 3 I September 2015

Innovation zu machen. Ziel des Beitrags soll es neben der Vermittlung von Einsichten sein, die Motivation von Forschern zur Zusammenarbeit mit Unternehmen und zur Gründung eigener Unternehmen zu erhöhen und damit für ein abenteuerliches unternehmerisches Leben zu begeistern.

Unternehmerischer Hintergrund

1975 habe ich den Lehrstuhl für Wirtschaftsinfor-matik an der Universität des Saarlandes in Saar-brücken übernommen und 1979 das Institut für Wirtschaftsinformatik gegründet. In unseren Forschungsprojekten entwickelten wir in einem gestaltungsorientierten Ansatz Software-Prototy-pen, um den Einfluss der IT auf die Unterneh-mensorganisation zu zeigen. Die Prototypen wa-ren aber zu einem professionellen Einsatz in der Unternehmenspraxis ungeeignet, da die Software nicht stabil war, nicht skaliert werden konnte, keine längerfristige Entwicklungsstrategie besaß, kein Marketing- und Vertriebskonzept bestand, kurz, weil es eben Forschungsprototypen waren, mit denen eine prinzipielle Lösung für einen Ab-schlussbericht oder eine Dissertation demonst-riert werden sollte, die aber keine Produktreife benötigten.

Da mich interessierte, ob unsere Ideen auch in der Praxis funktionieren würden, gründete ich 1984 parallel zu meiner Institutsarbeit die spätere

All dies gilt natürlich auch und gerade für ver-antwortliche Manager in der schnelllebigen IT- Industrie. Einer mit vielen Erfahrungen und dem Mut, sich auf „Versuch und Irrtum“ einzu-lassen, ist Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, der im Folgenden seinen von Abenteuern gesäumten Doppelweg als Universitätsprofessor und erfolg-reicher IT-Unternehmer beschreibt und auch die für Dritte nutzbaren Lehren daraus aufzeigt:

In dem Buch von Lewis Carrol „Alice im Wun-derland“ folgt Alice dem weißen Kaninchen in ein Erdloch und erlebt in der sich öffnenden neuen Welt die wundersamsten Abenteuer. Der Philosoph Philipp Hübl benutzt diese Metapher für einen Ausflug in die Philosophie und in dem Film „Matrix“ wird ebenso darauf Bezug genom-men. Ich möchte mich dem Bild anschließen und über Abenteuer berichten, die ich als Wissen-schaftler und Unternehmer in der IT-Industrie erlebt habe. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der akademischen und unternehmerischen Welt deutlich. Der Ver-fasser bekennt sich zu einer gestaltungsorientier-ten Richtung der Wirtschaftsinformatik, die also nicht nur die IT analysiert, beobachtet und be-wertet, sondern durch neue Methoden und Kon-zepte anwendungsnah weiterentwickeln will. Dazu ist eine unternehmerische Umsetzung der Forschungsideen im Schumpeterschen Sinn er-forderlich, um aus einer Invention eine

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Schwerpunkte 41

„IDS Scheer AG“. Nun konnten wir professionelle Beratungsprojekte durchführen und Softwarepro-dukte entwickeln, die auf Ideen unserer For-schung aufbauten und ich konnte die IT-Entwick-lung mitgestalten. Meine Tätigkeit als Institutslei-ter und akademischer Lehrer behielt ich bis zu meiner Emeritierung in 2006 bei.

Das Unternehmen entwickelte sich gut, wuchs bis 2009 auf rund 3.300 Mitarbeiter, war in rund 50 Ländern durch eigene Tochtergesell-schaften oder Partner vertreten und wurde 1999 erfolgreich in dem Börsensegment „Neuer Markt“ gelistet. Zusätzlich zu meiner unternehmerischen Arbeit nahm ich Aufsichtsratsmandate (z. B. bei der SAP AG) wahr, war politischer Berater mehre-rer Bundesregierungen und Präsident des Bun-desverbandes Informationswirtschaft, Telekom-munikation und neue Medien e.V. (BITKOM).

2009 wurde das Unternehmen IDS Scheer AG für rund 500 Millionen Euro an die Software AG verkauft. Bereits 1996 hatte ich mit der IMC AG ein weiteres Unternehmen gegründet, um Forschungsideen zu E-Learning in Produkte um-zusetzen. Nach dem Verkauf meiner Anteile an der IDS Scheer AG fragten mich mehrfach junge Leute, ob ich ihnen bei einer Unternehmensgrün-dung helfen würde. Da mich die Themen interes-sierten, sagte ich die Unterstützung zu und betei-ligte mich auch finanziell an den Unternehmen. 2014 kaufte ich zudem zwei Unternehmen aus der vormaligen IDS Scheer AG von der Software AG zurück.

Die Scheer Holding GmbH, die sich zu zu 100 % in meinem Besitz befindet, hält inzwischen 100 % Anteile der Unternehmensgruppe Scheer GmbH mit Auslandsgesellschaften in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und der Türkei sowie darüber hinaus Anteile an weiterenTechno-logieunternehmen. Alle Unternehmen entwickeln Software-Produkte. Den Hauptsitz habe ich am Campus der Universität des Saarlandes errichtet, um weiterhin den Kontakt zur Forschung zu er-leichtern. Aus meiner ursprünglichen Absicht, le-diglich die Funktion eines Business Angels einzu-nehmen, ist somit wieder eine echte unternehme-rische Tätigkeit geworden. Dieser Lebensweg ist der Hintergrund für die erlebten Abenteuer und gewonnenen Erkenntnisse.

Unternehmerische Abenteuer

Die erlebten Abenteuer als Unternehmer haben sicher ihre Spuren auch in der Entwicklung meiner Persönlichkeit hinterlassen. Wenn man

ein Unternehmen mit zwei oder drei Mitarbei-tern gründet, braucht man noch nicht die Fähig-keiten, die man für ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern benötigt. Der Entwicklungsprozess, den man in dieser Zeit durchmacht, ist vielleicht das größte Abenteuer. Mit den vielfältigen Her-ausforderungen müssen neue Fähigkeiten und Eigenschaften erworben werden, die in einem eher statischen Leben eines reinen Forschers nicht benötigt werden. Wer sich dieser persönli-chen Weiterentwicklung verweigert, wird keinen unternehmerischen Erfolg haben, sondern höchstens ein Unternehmen in der Größenord-nung eines Lehrstuhls führen. Eine Auswahl von Abenteuern soll die Herausforderungen illustrieren.

Abenteuer des Weges vom Forschungs-projekt zum Produkt

Ob ein Forscher eine neue Methode oder eine Produktidee entwickelt, in beiden Fällen benö-tigt er eine unternehmerische Umsetzung, wenn er die Realität beeinflussen möchte. Ent-weder findet er dazu ein bestehendes Unter-nehmen als Partner oder er initiiert ein Start-up-Unternehmen.

Nach der Übernahme des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik 1975 suchte ich nach ei-ner geeigneten Methode, um betriebswirt-schaftliche Sachverhalte IT-gerecht darstellen zu können. Ich wollte dabei unabhängig von der sich rasend schnell entwickelnden Technologie werden. Schließlich wollte ich den Studenten nachhaltiges Wissen vermitteln und nicht Techniken, die sich von Semester zu Semester überholten.

Peter Chen hatte 1976 seinen Aufsatz „The Entity-Relationship Model – Towards a unified view on data“ veröffentlicht und ich war begeis-tert, in dieser Methode des ERM (Entity-Relati-onship Model) eine geeignete Methode gefun-den zu haben (vgl. Chen, 1976). Zudem kamen die ersten ERP (Enterprise Resource Planning)-Systeme auf, die als Grundlage eine unterneh-mensweite Datenverwaltung besaßen. Somit rückte die Bedeutung der Datenorganisation sowohl in der Theorie als auch in der Praxis in den Vordergrund. In dem 1988 erschienenen Buch „Wirtschaftsinformatik“ entwickelte ich mit der ERM-Methode ein unternehmensweites Datenmodell. Ich glaube, dass dies das erste Modell dieses Anspruchs war. Es bestand aus ca. 300 Datenobjekten und Beziehungstypen

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management42 Heft 3 I September 2015

und zur Beschreibung des betriebswirtschaftli-chen Inhalts benötigte ich rund 500 Seiten (vgl. Scheer, 1988). Viele IT-Leiter hängten sich den Ausdruck des Modells als Poster an die Wand ihres Büros, um Mitarbeitern oder Besuchern Zusammenhänge der Informationsverarbei-tung zu erklären. Insgesamt wurde das Buch zu einem Erfolg in Theorie und Praxis und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

Aufgrund dieser Kompetenz versuchte ich, den Vorstand der SAP zu überzeugen, auch das Datenmodell der SAP-Software zu erstellen und offenzulegen, da dieses die logische Doku-mentation des Integrationsgedankens ihrer ERP-Software sei. Der Vorstand war aber nicht begeistert von meiner Idee, da er befürchtete, mit der Offenlegung der Datenstruktur ihr Herzstück der Konkurrenz zu zeigen und damit zur Kopie zu motivieren. Mein Gegenargument war aber, dass mit dem gerade in Mode gekom-menen Begriff der „offenen“ Systeme nicht nur technisch offene Systeme gemeint sein könnten (z.  B. UNIX, SQL, Ethernet als Standards ge-genüber proprietären Systemen), sondern ge-rade auch die inhaltliche, also betriebswirt-schaftliche Offenheit. Nach mehrmaligen Dis-kussionen stimmte der Vorstand, der damals mit den Gründern der SAP AG identisch war, dem Projekt der Datenmodellierung des SAP-Systems unter Mitarbeit meines Institutes zu.

Es stellte sich dann schnell heraus, dass das SAP-Datenmodell ein Vielfaches größer wurde als mein theoretisch entwickeltes Mo-dell. Der Grund lag darin, dass ich in meinem Modell weitgehend generische Datenobjekte wie Kunde, Kundenauftrag, Produkt, Lieferant usw. verwendet hatte. Trotzdem war das Modell schon recht komplex. In der SAP-Software mussten aber zusätzlich vielfältige Varianten dieser Objekte wie Privatkunde, ausländischer Kunde, Einzelhändler, Großhändler, öffentli-cher Auftraggeber oder Kundenauftrag für aus-ländische Kunden, Gefahrengut, Eilauftrag, Auf-trag mit Transportbehälter usw. bearbeitet

werden, die jeweils unterschiedliche Abläufe er-forderten. So müssen z. B. bei einem Auslands-auftrag die Rechnungen dem Transport wegen der Zollbehandlung mitgegeben werden, wäh-rend bei einem Inlandsauftrag die Rechnungser-stellung zeitlich von dem Transport losgelöst ist.

Die Kombination dieser Varianten führt zu einer Vervielfachung der Daten- und Bezie-hungstypen. Das SAP-Datenmodell wuchs so schnell auf zigtausend Objekte.

Es wurde nach anfänglich geringer Ak-zeptanz der Entwickler für das R2-System (O-Ton: „Ich habe doch seit 10 Jahren an der Funktion „Bestellung“ gearbeitet, kenne mich dort aus und brauche kein Datenmodell“) bei der Entwicklung des R3-Systems mehr und mehr akzeptiert, weil nun viele neue Entwickler eingestellt wurden, die durch das Datenmodell leichter in ihr Arbeitsgebiet eingeführt werden konnten.

Außerdem nutzte die SAP das Modell als Marketingargument, da es das erste modellmä-ßig dokumentierte ERP-System war und in ei-ner Ausgabe der amerikanischen Fachzeit-schrift „Datamation“ präsentierten Hasso Platt-ner und der US-CEO der SAP stolz das Daten-modell auf der Frontpage (vgl. Ricciuti & Se-mich, 1993). Auch wurden die von einer Künst-lerin stilisierten grafischen Modellsymbole so etwas wie das Logo des R3-Systems und wur-den international verbreitet.

Hier hatte also die Zusammenarbeit zwi-schen Forschung und der unternehmerischen Umsetzung mit einem großen Unternehmen geklappt. Sie wurde dadurch begünstigt, dass ich bereits Kontakte zum Vorstand der SAP hatte und dort fachlich akzeptiert war. Ein un-bekannter Forscher hätte es sicher viel schwerer gehabt, eine solche Idee, die zu einer hohen In-vestitionssumme geführt hatte, durchzusetzen. Aber vor allem war meine Hartnäckigkeit ent-scheidend, dem Vorstand mit Überzeugungs-kraft meine Ideen immer wieder vorzutragen und nicht aufzugeben.

Trotz des Erfolges der Datenmodellierung hatte ich aus vielen Diskussionen mit IT-Mana-gern erkannt, dass Datenmodelle wegen ihres höheren Abstraktionsgrades für den Anwender in einer Fachabteilung wie Logistik oder Rech-nungswesen keine geeignete Beschreibungs-sprache sind. Gleichzeitig hatte ich erkannt, dass der wesentliche Beitrag der IT zur Unter-nehmensorganisation die durchgängige Unter-stützung von Geschäftsprozessen anstelle der

Es stellte sich dann schnell heraus, dass das SAP-Datenmodell ein Vielfaches größer wurde als mein theoretisch entwickeltes Modell.

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Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und unternehmerischer Umsetzung fruchtet nicht immer.

Optimierung einzelner Funktionsbereiche ist.In dem Buch „EDV-orientierte Betriebswirt-schaftslehre“ hatte ich dies bereits 1987 (vgl. Scheer, 1987) herausgearbeitet. Michael Ham-mer und James Champy hatten in ihrem Best-seller „Reengineering the Corporation“ auf ei-ner allgemeinen Ebene das Geschäftsprozess-management als neue Managementrichtung propagiert (vgl. Hammer & Champy, 1993). Ich wollte für die Umsetzung nun nicht nur allge-meine Ausführungen machen, sondern kon-krete Methoden entwickeln. In dem Buch „ARIS“ (vgl. Scheer, 1998) entwickelte ich ein Rahmenkonzept zur Beschreibung von Ge-schäftsprozessen. Aufgrund der Erfahrungen mit der Größenordnung von praktischen Da-tenmodellen war mir klar, dass die konkrete Modellierung von Geschäftsprozessen nur un-ter Einsatz von IT-gestützten Tools möglich sein würde. Ich suchte deshalb nach einem Partner, der diese Softwareentwicklung finan-zieren und durchführen würde. Gespräche mit Siemens in München und der IBM verliefen aber ergebnislos. Zwar wurden das ARIS-Kon-zept und erste Prototypen zur Modellierung als interessant angesehen, aber man sah keine Chance, Investitionsmittel bereitzustellen, da ihre Entwicklungsabteilungen bereits große Engpässe hätten und nicht alle internen und Kundenwünsche befriedigen könnten. Schließ-lich entschloss ich mich, die Entwicklung in dem bereits vor einigen Jahren gegründeten Start-up-Unternehmen IDS Scheer AG selbst durchzuführen. Während zur Entwicklung der Forschungsprototypen am Institut maximal 12 Mitarbeiter eingesetzt waren, stieg die Mitar-beiterzahl für das ARIS-Toolset bei der IDS Scheer innerhalb von vier Jahren auf über 100. Darin zeigte sich der grundsätzliche Unter-schied zwischen einem Forschungsprototypen und einem Produkt. Es musste nicht nur ein Entwicklungsteam aufgebaut werden, sondern auch Mitarbeiter für Marketing, Vertrieb sowie Beratung und Einführungsunterstützung. Ins-gesamt glaube ich, dass die benötigte Kapazität, um aus einem Forschungsprototypen ein Pro-dukt zu entwickeln, rund das siebenfache der Kapazität beträgt, die für die Entwicklung des Prototypen erforderlich war. Dieses erklärt ge-nerell, dass es Forschern schwer fällt, investiti-onswillige Entwicklungspartner für ihre Ideen zu finden. Deshalb ist dann die Gründung eines Start-up-Unternehmens oft die einzig mögliche Chance. Fehlen dazu der unternehmerische

Mut und Fähigkeiten oder geeignete Finanz-mittel, bleiben viele interessante Forschungs-ideen in der Schublade und werden nie oder von anderen, die bessere Bedingungen vorfin-den, realisiert. Das Beispiel der MP3-Entwick-lung hat viele Fachleute in Deutschland nach-denklich gemacht. Das Konzept wurde von ei-nem Institut der Fraunhofer Gesellschaft in Er-langen erfunden. Da man aber in Deutschland keinen Entwicklungspartner fand, wurden die darauf aufbauenden Produkte und Dienstleis-tungen in den USA und Asien entwickelt mit den bekannten ökonomischen Erfolgen.

Jedenfalls wurde das ARIS-Toolset für die IDS Scheer ein großer Erfolg und Wachstumstreiber. Da eine integrierte Anwendungssoftware die Vor-aussetzung für eine durchgängige Unterstützung von Geschäftsprozessen ist, wurde auch die Zu-sammenarbeit mit der SAP intensiviert. Viele Un-ternehmen modellierten zunächst ihre neu zu ge-staltenden Geschäftsprozesse in ARIS, um diese dann mit der SAP-Software zu unterstützen. Da-mit wurde aus einer Invention eine Innovation.

Insgesamt habe ich den Weg von einem Forschungsprototypen zu einem Produkt mehr-fach beschritten. In einem vom Bundesministe-rium für Bildung und Forschung unterstützten Forschungsprojekt haben wir am Institut einen Prototyp zur Steuerung von Fertigungsinseln entwickelt, den wir von der IDS Scheer zu dem Produkt FI-2 weiterentwickelt haben. Auch das Konzept für eine E-Learning-Plattform wurde am Institut entwickelt und führte dann zu der Produktentwicklung CLIX bei der von mir ge-gründeten IMC AG.

Allerdings muss in allen Fällen betont werden, dass für die Produktentwicklung nur das von den Prototypen übernommene Wissen verwertbar war. Die Entscheidungen für Ent-wicklungsplattformen und -technologien bei der Umsetzung gehorchten dann nicht mehr Forschungskriterien, sondern Markt- und Performancekriterien.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management44 Heft 3 I September 2015

Welcher Weg zur Umsetzung von Forschungs-ergebnissen eingeschlagen wird, ob durch eine Entwicklungspartnerschaft mit einem Großun-ternehmen oder durch die Gründung eines Start-up-Unternehmens; in jedem Fall ist es für einen Forscher ein Abenteuer und ein schönes Gefühl zu erleben, dass seine Ideen auch prak-tisch funktionieren und er ein wenig die Welt verändern kann. Ich bin jedenfalls stolz, wenn ich erlebe, dass mein ARIS-Konzept in aller Welt dazu beiträgt, Unternehmen zu reorgani-sieren und den Nutzen des Einsatzes von IT zu steigern.

Abenteuer Börsengang

Zu der IT-Branche gehören spektakuläre Börsen-gänge. Ein erfolgreicher Börsenstart bringt dem Unternehmen neues Wachstumskapital, erhöht die Publizität in den Wirtschafts- und Finanz-medien und eröffnet einen Markt für die Anteile der Gesellschafter. Gleichzeitig verändert sich die Unternehmenskultur. Von nun an steht das Unternehmen unter ständiger Beobachtung der Finanzanalysten.

Die regelmäßigen Dreimonatsberichte erfor-dern nicht nur einen administrativen Aufwand, sondern das Management muss die Berichtszah-len so steuern, dass die Analysten nicht enttäuscht werden und der Kurs abrutscht. Verheerend wirkt sich eine Gewinnwarnung aus. Der Druck auf das Management wird somit erhöht. Dieser kann sich positiv auf die Produktivität auswirken; allerdings birgt er auch die Gefahr, dass strategisch sinnvolle Entscheidungen unterlassen werden, wenn sie kurzfristig das Unternehmensergebnis belasten. In der Wissenschaft ist eine solche ständige Be-wertung unbekannt. Wissenschaftliche Ergeb-nisse werden eher fallbezogen bei der Einreichung von Papern oder Bewerbungen bewertet. Aller-dings führen der H-Index und das Rating von

Researchgate auch zu einer vielmehr kontinuierli-chen Bewertung. Trotzdem: Ein Börsengang ist ein abenteuerliches Spektakel. Wir entschieden uns 1998 dazu, im Folgejahr den Gang zu wagen.

Er beginnt mit dem Beauty Contest der Banken, die das Verfahren organisatorisch be-gleiten wollen. Sie bewerten nach ausführlicher Analyse das Unternehmen und ermitteln damit den Preis für eine Aktie, also den Eröffnungs-kurs. Unser Preis von 12,50 Euro wurde auf Ba-sis des Achtfachen des geplanten Jahresumsat-zes gerechnet und der Wert des Unternehmens bei einem Umsatz von 50 Millionen Euro somit auf 400 Millionen angesetzt. Diese Zahlen zei-gen die Überhitzung des „Neuen Marktes“ zum damaligen Höhepunkt des Internet-Hypes. Die auszugebenden Aktien waren trotzdem mehr-fach überzeichnet und der Kurs stieg am Ausga-betag auf 14,20 Euro. In den nächsten Jahren wurde die Börse von dem Crash der Internet-blase und der Finanzkrise erschüttert. Der Kurs der IDS AG machte wie alle Hightech-Aktien eine Achterbahnfahrt. Der Höchstkurs lag bei 26 Euro und zweimal wurde ein Kurs von unter 4 Euro angezeigt. Diese Entwicklungen wirken sich emotional auf Gründer und Management aus und sorgen für schlaflose Nächte.

Bei dem Verkauf 2009 an die Software AG wurde ein Kurs von 15 Euro zugrunde gelegt. Er lag damit über dem Ausgabekurs und brachte den Aktionären der ersten Stunde sogar einen kleinen Gewinn. Dies war vergleichsweise posi-tiv, da kaum ein Hightech-Unternehmen seinen Kurs des Internet-Hypes wieder erreicht hat. Da wir den Umsatz in der Zwischenzeit von 50 Mil-lionen auf 400 Millionen pro Jahr gesteigert hat-ten, wurde „nur“ noch ein Multiple von rund 1,25 erzielt. Dieses zeigt, dass die Unternehmens-werte von IT-Unternehmen unserer Art in der Zwischenzeit auf rund ein Achtel gesunken wa-ren. Insgesamt möchte ich das Abenteuer des Börsengangs aber nicht missen.

Abenteuer Internationalisierung

Der IT-Markt und auch die Wissenschaft sind in-ternational. Ein Forscher kann seine Ergebnisse in internationalen Zeitschriften veröffentlichen und auf internationalen Tagungen vorstellen. Der Zugang zu diesen Kanälen kann schwierig sein, aber der Forscher muss nicht selbst eine internationale Zeitschrift gründen. Auch braucht er für eine internationale Tagung nicht selbst die Teilnehmer zu akquirieren,

Ein erfolgreicher Börsenstart bringt dem Unternehmen neues Wachs-tumskapital, erhöht die Publizität in den Wirtschafts- und Finanzmedien und eröffnet einen Markt für die Anteile der Gesellschafter.

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Schwerpunkte 45

sondern das ist Aufgabe des Veranstalters. Er findet jeweils schon die Infrastruktur vor und braucht nur noch sein Forschungsergebnis zu präsentieren.

Anders ist es für den Unternehmer, der seine Produkte oder Dienstleistungen interna-tional vermarkten möchte. Hier sind die Ka-näle nicht vorgegeben, sondern er muss in je-dem Land die Infrastruktur selbst aufbauen. Dazu bestehen vier Möglichkeiten. Er kann erstens versuchen, einen lokalen Partner zu finden, der seine Produkte vertreibt. Er kann zweitens mit einem dortigen Unternehmen ein Joint Venture gründen, er kann drittens ein Unternehmen kaufen oder er kann viertens selbst eine Niederlassung gründen. Da die Er-fahrungen mit den ersten drei Varianten eher negativ waren, möchte ich mich auf die vierte konzentrieren.

Die Eröffnung einer Niederlassung in ei-nem Land war jeweils ein Abenteuer für sich. An der Niederlassung in Japan soll das bei-spielhaft geschildert werden. Ich hatte bereits mehrfach in Japan an internationalen wissen-schaftlichen Tagungen teilgenommen, aber – wie bereits betont – brauchte ich dafür nicht die Infrastruktur bereitzustellen. Ich besorgte mir deshalb einschlägige Unternehmensadres-sen von der Deutschen Industrie- und Han-delskammer in Tokyo, mietete einen Raum in einem japanischen Hotel und verschickte Ein-ladungen zu meiner Präsentation von ARIS zur Geschäftsprozessoptimierung. Nun muss man wissen, dass zu der damaligen Zeit eher japanische Managementmethoden wie Kan-ban oder Kaizen international bekannt waren und deutsche Ansätze in Japan kaum beachtet wurden. Allerdings erzielte die SAP-Software in Japan erste Erfolge.

Zu der angesetzten Zeit öffnete ich er-wartungsvoll den Vortragsraum und war ent-täuscht. Lediglich acht Personen waren er-schienen und davon noch aus Höflichkeit ein Mitarbeiter der SAP Japan und der deutschen Handelskammer. Zudem schliefen während meiner Präsentation zwei Japaner ein, was al-lerdings in Asien nicht als Unhöflichkeit gilt, sondern als natürlicher Anspruch des Körpers, dem man sich nicht entziehen darf. Trotzdem war es irritierend. Am Ende hatten wir aber ei-nen teilnehmenden Manager interessiert und er wurde unser erster Kunde in Japan.

Die SAP hatte uns in ihrem Bürokomplex einen Raum vermietet, in den die ersten

Mitarbeiter einzogen. Durch die räumliche Nähe zu den SAP-Mitarbeitern ergaben sich weitere Kontakte und wir konnten Schritt für Schritt die Niederlassung aufbauen.

In anderen Ländern verlief es ähnlich. Ich erinnere mich noch an jeden einzelnen Fall. Man muss als Unternehmer quasi durch die „Hinter-tür“ gehen und sich jeden Markteintritt erkämp-fen. Das Statusdenken eines Universitätsprofes-sors muss man ablegen und sich als Dienstleister empfinden.

Allerdings kann man auch akademische Kontakte nutzen. So lud mich ein südkoreani-scher Professor, der in Deutschland studiert und promoviert hatte, zu einem Vortrag in Seoul ein. Dabei stellte er einen Kontakt zu einem Investor her, mit dem wir dann ein Joint-Venture-Unter-nehmen gründeten. Auch in Brasilien, den USA, Südafrika und Russland konnten wir Kontakte

Die regelmäßigen Dreimonatsberichte erfordern nicht nur einen administra-tiven Aufwand, sondern das Manage-ment muss die Berichtszahlen so steuern, dass die Analysten nicht enttäuscht werden.

zu Professoren nutzen, die an einer Zusammen-arbeit interessiert waren und uns den Marktein-tritt erleichterten. Insofern waren die mehrspra-chigen Ausgaben meiner Bücher für das interna-tionale Wachstum der IDS AG hilfreich. Der Kontakt zu den Wissenschaftlern zeigte aber auch, dass diese an der Umsetzung von For-schungsergebnissen Anteil nehmen und sich so-gar aktiv beteiligen wollten. Obwohl meine Bü-cher in mehrere Sprachen übersetzt wurden und auch gut verbreitet sind, ist meine Transferwir-kung durch die vielen internationalen Bera-tungsprojekte der IDS Scheer AG und den inter-nationalen Erfolg der ARIS-Produktfamilie we-sentlich höher.

Abenteuer Krisenbewältigung

Auch Forscher kennen Krisen. Diese sind aber meistens eng mit ihrer Persönlichkeit

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management46 Heft 3 I September 2015

verbunden. Es treten Selbstzweifel auf, wenn sich eine Forschungsidee als Sackgasse ent-puppt oder ein für wichtig gehaltener Aufsatz von einem Gutachter zerrissen wird. Solche Krisen gefährden aber kaum seine Existenz, so-fern er z. B. als Universitätsprofessor materiell abgesichert ist.

Anders ist es als Unternehmer. Hier kön-nen Unternehmenskrisen die Existenz des Un-ternehmens gefährden und damit auch die be-rufliche und wirtschaftliche Grundlage des Un-ternehmers. In einer solchen Situation hat man das Gefühl, dass einem das Unternehmen um die Ohren fliegt. Ohne Persönlichkeitskrisen eines Forschers gering zu achten, ist eine unter-nehmerische Krise schwerwiegender, allein, weil auch viele Mitarbeiter von ihr mitbetroffen sind.

Krisen können besondere Kreativität frei-setzen, da man zu einer grundlegenden strate-gischen Änderung gezwungen wird. Der Autor

unsere Beratungsleistungen auf andere Bran-chen auszuweiten. Wir entwickelten Konzepte und Methoden, wie unsere Kernkompetenz, die Reorganisation von Geschäftsprozessen, auf Dienstleistungsunternehmen, Banken, Versi-cherungen und die öffentliche Verwaltung an-gewendet werden konnte. Dazu mussten wir unser Methodenwissen mit dem neu zu erarbei-tenden Branchenwissen verbinden. Da in diesen Branchen die Geschäftsprozessorganisation noch weitgehend unbekannt war und eher skeptisch betrachtet wurde, mussten wir alle Energie einsetzen, um Kunden zu überzeugen und um unser fachliches Wissen zu erweitern. Der Einsatz lohnte sich aber. Nach der Krise hatten wir unser Leistungsspektrum wesentlich erweitert und besaßen in den neuen Branchen wegen unserer Pionierleistung einen USP. Da-mit war ein neuer Wachstumsimpuls für das Unternehmen gegeben.

Eine zweite Krise erreichte uns 1997 ebenfalls mit voller Kraft. Wir hatten eine um-fangreiche Softwareentwicklung begonnen, die wir aus den Deckungsbeiträgen des Verkaufs unserer ARIS-Produktfamilie finanzierten. Unerwartet ergab sich eine Konkurrenzsitua-tion zu einem amerikanischen Unternehmen, die den Markt irritierte und insbesondere das Verhältnis zu unserem wichtigen Partner SAP störte. Jedenfalls brach der ARIS-Umsatz plötzlich ein und unsere Finanzierungsquelle versiegte. Nach wiederum vielen anstrengen-den Diskussionen beschlossen wir, unsere Pro-duktentwicklung einzustellen und unser Wis-sen in ein Kooperationsprojekt mit der SAP einzubringen. Die Softwareentwicklung war damit kein „Kostenfaktor“ mehr, sondern wir konnten die Entwickler zu guten Tagessätzen an die SAP vermitteln. Durch die Zusammen-arbeit mit der SAP erwarben wir tiefes Wissen über das neue Produkt und wurden zum be-vorzugten Implementierungspartner bei Kundenprojekten.

Wiederum hatten wir aus der Krise einen Vorteil gezogen, der uns einen Wachstums- und Profitabilitätsschub gab, sodass wir 2 Jahre später den Börsengang wagen konnten. Natür-lich laufen Krisen nicht immer so gut ab. Viel-mehr gibt es auch scheinbar aussichtslose Situ-ationen. Aber in den Momenten werden physi-sche und psychische Fähigkeiten frei, die man vorher für nicht möglich gehalten hat. Das an-schließende Glücksgefühl, wenn eine Krise be-wältigt ist, belohnt dann den Einsatz.

Krisen können besondere Kreativität freisetzen, da man zu einer grund-legenden strategischen Änderung gezwungen wird.

Taleb hat in seinem Buch „Antifragilität“ (vgl. Taleb, 2013) herausgestellt, dass ein System an-tifragil ist, wenn es aus einem Angriff einen Gewinn zieht. Weniger dramatisch kennzeich-net es der Spruch „aus der Not eine Tugend ma-chen“. Kurz, man muss den Änderungszwang der Krise nutzen. Dann kann man gestärkt und mit neuen Entwicklungsperspektiven aus ihr hervorgehen.

Anfang der 1990er Jahre geriet die deut-sche Industrie in eine Konjunkturkrise. Da die IDS Scheer AG ihre Beratungsleistungen und auch ihre Software zur Fertigungssteuerung FI-2 auf diese Branche ausgerichtet hatte, traf es sie hart. Da die Unternehmen freie Kapazitäten hatten, brauchten sie keine ausgeklügelte Ferti-gungssteuerung, sondern der Meister konnte per Augenschein die Produktion regeln.

Die Aufträge der IDS Scheer AG brachen zusammen. Nach vielen Krisensitzungen und schlaflosen Nächten entschieden wir uns,

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Abenteuer: Doppelrolle Forscher und Unternehmer

Viele Menschen führen parallele Leben. Sie füh-ren gleichzeitig ein Berufsleben, ein Privatleben, ein Familienleben oder ein Sportlerleben. Da man diese Leben nicht nacheinander führen kann, man aber vielfältige Interessen hat, muss man sich eben entsprechend organisieren. Des-wegen ist ein paralleles Leben als Unternehmer und Wissenschaftler auch im Prinzip nichts Un-gewöhnliches. Man muss dann eben bei anderen Lebensbereichen Abstriche machen.

Insofern habe ich mit dieser Doppelrolle vor mir selbst kein Problem gehabt. Zumal sich auch Gemeinsamkeiten finden lassen. Der öster-reichisch-amerikanische Volkswirt Josef Schum-peter hat den Unternehmer als den „kreativen Zerstörer“ bezeichnet, der durch seine Innovatio-nen die Entwicklung neuer Produkte kreiert und dabei die vorhandenen vom Markt verdrängt, also „zerstört“.

Auch ein Forscher sucht neue Problemlö-sungen und „zerstört“ damit die vorhandenen schlechteren, unvollständigen oder falschen An-sätze. In beiden Rollen interessiert mich die ge-meinsame produktive Kreativität.

Allerdings hat meine wissenschaftliche Community meine Doppelrolle in den 1980er Jahren, als ich die IDS Scheer gründete, eher skeptisch gesehen. Zwar wurde ich von den Uni-versitätspräsidenten und den Ministerpräsiden-ten unterstützt, weil ich durch meine Öffentlich-keitswirkung ein positives Image für Universität und Land verstärkte, aber von Professorenkolle-gen wurde ich auch angefeindet bis hin zur Aus-grenzung und zum Denunziationsversuch eines Kollegen bei dem zuständigen Minister.

Es war eben ungewöhnlich, als Universi-tätsprofessor auch Unternehmer zu sein. Gerade nach dem zweiten Weltkrieg war durch die bitte-ren Erfahrungen des dritten Reiches die Unab-hängigkeit der Wissenschaft von Politik und Wirtschaft betont worden. Dies wurde vielleicht auch übertrieben, sodass es zu Lasten eines durchgängigen Innovationsprozesses von For-schung und unternehmerischer Umsetzung in Deutschland ging. Jedenfalls hat Deutschland als Innovationsland keinen Spitzenplatz mehr. Die Politik hatte es ab den 1990er Jahren erkannt und entwickelte Innovationsstrategien für Deutsch-land. So wurde ich Mitglied in den Innovations-gremien der Bundeskanzler Kohl und Merkel so-wie des saarländischen Ministerpräsidenten Mül-

ler. Auch jetzt bin ich noch gerne Politikberater.Heute wird die Doppelrolle Forscher und Unter-nehmer allgemein akzeptiert. Im Gegenteil – Universitäten bewerben sich um die Auszeich-nung als Gründeruni, unterstützen Starterzent-ren und zeichnen erfolgreiche Gründer aus ihrer Universität mit Preisen aus.

Insgesamt erweitert die Doppelrolle das Blickfeld. Als Unternehmer erkennt man die praktischen Probleme und kann dadurch auch die Relevanz von Forschungsströmungen besser

Als Unternehmer erkennt man die praktischen Probleme und kann dadurch auch die Relevanz von Forschungsströmungen besser beurteilen.

beurteilen. Als Forscher erkennt man früher neue technische oder methodische Entwicklungen und kann die Produktentwicklung darauf ausrichten oder seine eigenen Erfindungen einbringen.

Zusammenfassend besteht ein abenteuerli-ches Leben als Forscher und Unternehmer aus vielen „ups and downs“, wobei die „ups“ überwie-gen. Es zeigt Dynamik, spannende Wettbewerbs-situationen und bringt viele internationale Kontakte.

Vergleich Wissenschaft und Praxis: Lessons Learned

Im Folgenden sollen einige Unterschiede zwi-schen der Welt der Wissenschaft und der Un-ternehmenswelt aufgezeigt werden, die mir be-sonders aufgefallen sind. Sie sollen dazu die-nen, dass sich beide Seiten besser verstehen und bei Interesse an einer engeren Zusam-menarbeit leichter aufeinander zugehen können.

Wissenschaft und Praxis behandeln unterschiedliche Arten von Komplexität

In der wissenschaftlichen Welt versucht ein For-scher, seinen Forschungsgegenstand möglichst vollständig zu erfassen und strebt nachweisbar

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management48 Heft 3 I September 2015

richtige Lösungen für sein Problem an. Das führt dazu, dass er seinen Forschungsgegen-stand von allen Faktoren abstrahiert, die für sein Problem unwichtig sind. Er verkleinert da-mit den Ausschnitt der Realität nach seinem In-teresse. Dabei will er aber nun alle möglichen Aspekte dieses Ausschnittes in seine Lösung einbeziehen. Bei Entscheidungsproblemen will er z. B. alle Entscheidungsalternativen erfassen und unter ihnen die beste Lösung bestimmen. Durch die Möglichkeit der Abstraktion bearbei-ten Forscher tendenziell kleinteilige For-schungsgegenstände und -fragestellungen, die sie aber dann akribisch in alle Varianten zerle-gen. Damit sucht ein Forscher die Komplexität „im Kleinen“.

In der Unternehmenswelt kann man aber nicht ein Problem von seinem Kontext befreien, sondern muss die Fragestellung eher weiter fas-sen, als sie zu abstrahieren. Dies führt zu grund-legenden Verständnisschwierigkeiten.

So habe ich Professorenkollegen erlebt, die sich ihr ganzes Forscherleben mit der Optimie-rung von Fertigungssteuerungsprozessen oder Umlageverfahren bei der Kostenstellenrech-nung beschäftigt haben und trotz ihres Interes-ses an einer Zusammenarbeit mit der Praxis und der Umsetzung durch ein Softwarehaus keine Partner gefunden haben. Es genügt eben nicht, lediglich ein Optimierungsmodell oder einen Lösungsalgorithmus für ein isoliertes Problem zu entwickeln, wenn es nicht in das or-ganisatorische Unternehmensumfeld einge-bracht werden kann. Auch ein Prototyp ist dann wegen der schon aufgezeigten Unvoll-kommenheit und dem zu investierenden Ent-wicklungsaufwand wenig hilfreich.

Im Unternehmensumfeld muss ein Prob-lem ganzheitlich betrachtet werden. Dazu ge-hört nicht nur ein Algorithmus für ein Opti-mierungsproblem, sondern er muss auch für alle Alternativen des praktischen Problemfeldes

geeignet sein. Damit muss der Abstraktions-grad der Lösung überprüft werden. Hier schei-tern schon viele theoretische Lösungen. Beson-ders wichtig ist auch, dass die Datenversorgung der Parameter systemtechnisch gesichert ist, die Lösungsergebnisse von geschulten Mitarbei-tern verstanden und verarbeitet werden können und die Wartung des Systems organisatorisch sichergestellt wird.

Dies führt dazu, dass sich die Komplexität in der Praxis von dem Lösungsalgorithmus weg auf die organisatorische Einbettung verlagert. Es kommt nicht mehr auf die theoretisch opti-male Lösung an, sondern auf eine Lösung, die organisatorisch von der IT und den Menschen bewältigt werden kann. Die Komplexität verla-gert sich damit von der isolierten Entschei-dungskomplexität zu der Organisationskomple-xität. Wie Sensitivitätsanalysen gezeigt haben, besitzen viele Entscheidungsprobleme ohnehin relativ flache Optima, sodass es wichtiger ist, eine praktikable, zulässige Lösung in der Nähe des Optimums zu finden, als das Optimum selbst mit zusätzlich hohem Aufwand anzustreben.

So haben wir uns bei der Umsetzung der Forschungsprototypen an meinem Institut in Produkte der IDS Scheer und IMC AG auf die Einbettung der Forschungslösungen in die er-forderliche IT-Umgebung und organisatorische Handhabung konzentriert und eher bei dem wissenschaftlichen Anspruch an übertriebener theoretischer Exaktheit Abstriche gemacht.

Die unterschiedlichen Gewichtungen von Entscheidungs- und Organisationskomplexität habe ich auch bei der Einführung von ERP-Sys-temen erfahren. So wurden von führenden Ver-tretern der deutschen Betriebswirtschaftslehre lange Zeit viele betriebswirtschaftliche Verfah-ren der SAP-Software eher kritisch betrachtet. Man kritisierte etwa deren heuristische Losgrö-ßenverfahren, die Kapazitätsausgleichsalgorith-men oder Umlageverfahren in der Kostenrech-nung. Aber kein Unternehmen hat bei der Ent-scheidung über ein ERP-System diese Punkte zu wichtigen Entscheidungskriterien gemacht. Vielmehr ging es ihnen darum, durch integ-rierte Software die Insellösungen mit ihren ei-genen Datenverwaltungen abzulösen, durch die Einführung einer Standardsoftware die Ge-schäftsprozesse unternehmensweit zu standar-disieren und durch den hohen Funktionsum-fang möglichst viele organisatorische Varianten der Realität abzudecken. Die organisatorische

In der Unternehmenswelt kann man aber nicht ein Problem von seinem Kontext befreien, sondern muss die Fragestellung eher weiter fassen, als sie zu abstrahieren.

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Beherrschung des komplexen Unternehmens war wichtiger als die „Optimierung“ von Einzelaspekten.

Da die betriebswirtschaftlichen Lehr-stühle häufig nach betriebswirtschaftlichen Funktionen wie Rechnungswesen, Logistik, Produktion usw. gegliedert waren, sahen die Forscher durch ihre jeweiligen „Brillen“ kritisch auf das System und es fehlte der Gesamtblick. Man sah praktisch den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Mit dem Erfolg der ERP-Systeme haben sich auch Forscher mehr und mehr für deren Konzeption interessiert und auch Verbesse-rungsvorschläge eingebracht, indem sie sich dem Lösungsumfeld besser annäherten. Heute gehört die Benutzung der SAP-Software zum Standard der Ausbildung in Wirtschaftsinfor-matik und anderen betriebswirtschaftlichen Fächern.

Wissenschaft und Praxis: ein „Win-Win-Spiel“

Trotz der teilweise unterschiedlichen Sichtwei-sen ist die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis von großem gegenseitigem Nutzen. Die Praxis kann Forschern Anregungen für neue Forschungsfragen geben. Auch in Unter-nehmen wird geforscht. Die Ausgaben für For-schung betragen in der Regel ein Vielfaches des Forschungsetats eines Lehrstuhls. Häufig kennen Universitätsforscher nur verschwom-men den Stand der industriellen Forschung. Allein wegen der unterschiedlichen Ressour-censituation können sich schon gravierende Unterschiede in Forschungsvorhaben und Vorgangsweisen ergeben. Ein Austausch ist trotz der notwendigen Geheimhaltungen für die Forschungsabteilungen interessant und kann zu Kooperationen führen. Gleichzeitig erfährt die akademische Forschung, welche

Forschungsthemen in der Praxis relevant sind und kann sich daran orientieren.

Die akademische Forschung ist freier. Sie kann den Ball weit nach vorne werfen. Damit kann sie auch Ansätze verfolgen, die für unter-nehmerische Ansätze noch zu weit in der Zu-kunft liegen. Dieses kann aber gerade unter dem Eindruck des Effektes des „Innovator̀ s Di-lemma“ interessant für Unternehmen sein (vgl. Christensen u.a., 2011). Dieser Effekt besagt, dass Unternehmen dazu neigen, eine noch er-folgreiche Produktpolitik zu lange gegen neue Technologien zu verteidigen und damit der Ge-fahr ausgesetzt sind, von neuen Unternehmen mit neuen Technologien verdrängt zu werden. Diese Gefahr ist in der von schnellen Innovati-onszyklen gekennzeichneten IT-Industrie be-sonders groß. Hier können neutrale Wissen-schaftler gute Sparringspartner und Treiber sein, wenn sie Experten der neuen Technolo-gien sind. Natürlich ist auch die akademische Ausbildung eine wichtige Verbindung. Hier ist besonders wichtig, dass ein fachlicher Aus-tausch über den Bedarf der Praxis und die Aus-bildungsinhalte und -ziele der akademischen Institutionen stattfindet.

Diese Zusammenhänge bilden den frucht-baren Boden für stärker an unternehmerischen Tätigkeiten interessierte Forscher. Die produkt-bezogene unternehmerische Zusammenarbeit ist dann die konsequente Weiterführung. Ich möchte deshalb nochmals dazu ermuntern, dem weißen Kaninchen in die Unternehmer-welt zu folgen und ein abenteuerliches unter-nehmerisches Leben zu führen.

Unter diesem Link finden Sie mehr zum Thema:

http://bit.ly/1egtl43

Mit dem Erfolg der ERP-Systeme haben sich auch Forscher mehr und mehr für deren Konzeption interessiert und auch Verbesserungsvorschläge eingebracht, indem sie sich dem Lösungsumfeld besser annäherten.

Prof. Dr. August-Wilhelm

Scheer

Prof. Dr. August-Wilhelm

Scheer ist einer der prägends-

ten Wissenschaftler und Un-

ternehmer der deutschen

Wirtschaftsinformatik und

Softwareindustrie. Seine Bü-

cher gehören zu den Stan-

dardwerken des Geschäfts-

prozessmanagements; die von

ihm entwickelte Manage-

mentmethode ARIS für Pro-

zesse und IT wird in nahezu

allen DAX-, vielen mittelstän-

dischen Unternehmen und

auch international eingesetzt.

Er ist Gründer erfolgreicher

Software- und Beratungsun-

ternehmen, die er aktiv be-

gleitet. Zu den Unternehmen

der Scheer Holding GmbH

zählen u.a. Scheer GmbH,

IMC AG, IS Predict und Backes

SRT. Als Unternehmer und

Protagonist der Zukunftspro-

jekte „Industrie 4.0“ und

„Smart Service World“ der

Bundesregierung arbeitet er

aktiv an der Ausgestaltung

der Digital Economy.

Kontakt

Tel.: +49 681 93511-0

http://scheer-holding.com/

www.aws-institut.com

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management50 Heft 3 I September 2015

Nachhaltigkeitsmanagement erfolgreich im Unternehmen professionalisierenSibylle Olbert-Bock, FHS St. Gallen, Christian Bussmann, Detecon, Wilfried Lux, FHS St. Gallen, Sven Garrels, Detecon

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Schwerpunkte 51

Während früher Unternehmen nachhaltiges Verhalten automatisch in ihr Handeln integrierten oder sich bewusst damit schmückten, muss nachhaltiges Verhalten heute gegenüber Stakeholdern als erfolgsunterstützend gerecht-fertigt und mit Zahlen unterlegt werden. Unternehmen sind damit gefordert, Nachhaltigkeitsaktivitäten systema-tisch zu planen, zu steuern und zu bewerten.

Stellen Sie sich vor, Sie sind geschäftsführender Gesellschafter eines mittelständischen Unterneh-mens mit langer Familientradition. Nachhaltig-keit war für sie lange kein bewusstes Thema, der Begriff unbedeutend, die dahinterliegenden Werte und Tugenden jedoch eine Selbstverständ-lichkeit und fester Bestandteil der Unterneh-menskultur. Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und Energie waren für Sie immer wichtig, die Sorge um das Wohl Ihrer Mitarbeiter eine Herzensangelegenheit. Aufgrund der Expan-sion Ihres Unternehmens und der Eröffnung von internationalen Standorten ist die Komplexität

des Geschäfts gestiegen. Nach mehreren Ge-schäftsreisen zu den neuen Standorten mussten Sie feststellen, dass das Verständnis von ressour-cen- und energieschonender Arbeitsweise nicht in dem Maße gelebt wird, wie Sie sich das vor-stellen – ebenso gab es mehrere Zwischenfälle aufgrund mangelnder Arbeitssicherheit. Sie be-schleicht das Gefühl, dass die von Ihnen gelebten Werte und Tugenden allmählich verwässern und Handlungsbedarf besteht.

Versetzen Sie sich nun in die Lage eines Nachhaltigkeitsmanagers in einem multinatio-nalen Konzern. Sie schauen zufrieden auf das

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management52 Heft 3 I September 2015

Implementierungen stets mehr Maßnahmen und mehr Kommunikation bedürfen, als angenom-men. Noch mehr gilt dies für das Thema Nach-haltigkeit, das sich nicht durch eine einmalige Initiative zufriedenstellend lösen lässt, sondern welches, bedingt durch die sich wandelnden Sta-keholder-Erwartungen und das zunehmende Wissen, ein fortschreitendes Bemühen erfordert.

Das Thema Performance Management hat im Nachhaltigkeitsbereich eine besondere Be-deutung [2]. Es handelt sich um einen Ansatz, der dazu dient, Nachhaltigkeit wirkungsvoll von der strategisch-abstrakten Ebene in konkrete Resul-tate zu überführen und langfristig im Unterneh-men zu verankern. Ein besonderes Anliegen ist das Aufzeigen des messbaren Erfolgs der Nach-haltigkeitsinitiativen in Relation zur Gesamtleis-tung des Unternehmens. In einem Forschungs-projekt der FHS St. Gallen, Hochschule für An-gewandte Wissenschaften, und der Detecon (Schweiz) AG wurde ein solcher Ansatz entwi-ckelt und wird derzeit bei den am Projekt betei-ligten Unternehmen umgesetzt. Der Artikel il-lustriert, wohin der Weg führt und welche Bau-stellen unterwegs geschlossen werden müssen.

Das Rad nicht neu erfinden – sondern von anderen lernen

Die Gründe, weshalb Nachhaltigkeit oft noch nicht zufriedenstellend in Unternehmen integ-riert ist, sind unterschiedlich. Entsprechend ver-schiedenartig sind auch die Ansatzpunkte, um die „Sustainability Performance“ zu verbessern. Die beiden einleitenden Beispiele zeigen zwei grundsätzliche Ausgangssituationen auf, die sich idealtypisch unterscheiden lassen:

1) Intuitives Nachhaltigkeitsstreben kennzeich-net Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsstrebenhöhere Anteile eines selbstverständlichen Han-delns aufweisen. Der Nachhaltigkeitsgedanke istnatürlicher Bestandteil der Unternehmung undentspricht einer Haltung der Geschäftsleitung,die weitgehend selbstverständlich von der Beleg-schaft übernommen ist. Eine wachsende

vergangene Jahr zurück, denn Sie lancierten unternehmensintern mehrere Initiativen zu ökologischen und sozialen Themen. Sie er-reichten, dass die stetig wachsenden Anforde-rungen Ihrer Stakeholder mehrheitlich erfüllt wurden und Nachhaltigkeit auch auf strategi-scher Ebene Beachtung findet. Im Jahresbe-richt werden sogar Kennzahlen wie CO2-Aus-stoß und die Anzahl von Produktionsunfällen aufgeführt. Sie sind überzeugt, mit Ihren Initi-ativen mittelfristig auch einen Beitrag zur Ver-besserung der Kostenstruktur, Produktivität und Reputation zu leisten. Deshalb waren Sie erstaunt, als Ihnen der Vorstand beim letzten Meeting – statt wohlverdientem Schulterklop-fen – Fragen nach Umsatzsteigerung und Kos-tensenkung stellte. Wie jedes Jahr versenden Sie an alle Mitarbeiter eine E-Mail mit den größten Erfolgsgeschichten zum Thema Nach-haltigkeit. Ein Teamleiter in der Produktion bemerkt dies in seinem Posteingang, über-fliegt den Text, schüttelt den Kopf und ver-schiebt die E-Mail in den Papierkorb. Er erin-nert sich an sein letztes Jahresgespräch, wo es nur um Kostensenkung ging.

Mehr als schöne Worte – Nachhaltigkeit effektiv zum Unternehmensbestandteil machen

So oder ähnlich ist die Situation in vielen Unter-nehmen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, dessen Relevanz als integ-rierter Bestandteil der Unternehmenstätigkeit stetig wächst. Sachkundige Stakeholder, wie Kunden und Investoren, sind anspruchsvoll. Sie bewerten Firmen vermehrt nicht nur anhand gu-ter Intentionen, sondern erwarten zunehmend nachvollziehbare Resultate, die sich aus Nachhal-tigkeitsbemühungen ergeben. Guten Absichten zum Trotz besteht in vielen Organisationen eine signifikante Lücke zwischen dem beabsichtigten und dem tatsächlichen Umsetzungserfolg, öko-logische und soziale Aspekte konsequent in der Unternehmung zu verankern [1]. Eine der Ursa-chen dieses „Knowing-Doing-Gaps“ ist, dass

Prof. Dr.

Sibylle Olbert-Bock

Sibylle Olbert-Bock ist Co-

Leiterin des Leuchtturms

„Nachhaltige Unternehmens-

entwicklung“ der FHS St. Gal-

len und leitet das Kompetenz-

zentrum für Leadership &

Personalmanagement am Ins-

titut IQB der Fachhochschule

St. Gallen. Ihre aktuellen

Schwerpunkte in Forschung,

Lehre und Dienstleistung sind

Fragestellungen der nachhal-

tigen Unternehmensentwick-

lung und Personalführung,

der Personalentwicklung so-

wie des technologischen und

demografischen Wandels.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +41 71 2261760

www.fhsg.ch/fhs.nsf/

de/ifu-fhs

In vielen Organisationen besteht eine signifikante Lücke zwischen dem beabsichtigten und dem tatsächlichen Umsetzungserfolg.

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Schwerpunkte 53

Komplexität der Geschäftstätigkeit führt jedoch dazu, dass wichtige Nachhaltigkeitsthemen teil-weise nur ungenügend beziehungsweise nicht systematisch betreut und weiterentwickelt werden.

2) Existenz eines systematischen Nachhaltig-keitsmodells: Hierbei folgen Firmen in ihremBezug zur Nachhaltigkeit deutlich einer be-wussten strategischen Entscheidung und einemKonzept zur systematischen Umsetzung vonNachhaltigkeit. Die dieser Entscheidung not-wendigerweise meist erst zeitlich nachfolgendeIntegration des Nachhaltigkeitsgedankens indie Unternehmung führt dazu, dass die beste-hende Unternehmensstruktur und -kultur die-ser Absicht an vielen Stellen „hinterherhinkt“.

In Interviews, die während des Projektes mit neun Top-Managern von Unternehmen unter anderem zu den Auslösern und Treibern ihres Nachhaltigkeitsengagements geführt wurden, lassen sich folgende Aussagen zu den beiden Idealtypen finden:

Intuitives Nachhaltigkeitsmodell:

► „Nachhaltigkeit ist eine Lebenshaltung derGeschäftsleitung.“

► „Aus spontanen, erfolgreichen Teilnahmenan Wettbewerben entstand die Idee, sichfortwährend mit Themen auseinanderzu-setzen.“

► „Auch wenn nicht explizit als „Nachhaltig-keitsengagement ausgewiesen, so ist das Thema nicht sonderlich neu, wir haben es inder Vergangenheit immer schon gemacht.“

► „Die Unternehmung macht es aus Überzeu-gung. Die Mitarbeiter sind ausschlaggebendfür den Erfolg oder Misserfolg des Unter-nehmens.“

Systematisches Nachhaltigkeitsmodell:

► „Nachhaltigkeit ist eine Reaktion auf Stake-holder-Erwartungen und sich veränderndeMarktbedingungen.“

► „Man hat früh angefangen, sich der Thema-tik zu widmen, weil man stark mit externenAnsprüchen konfrontiert wurde.“

► „Das Nachhaltigkeitsthema ist strategiegeleitet.Als der CEO aus dem Urlaub gekommen ist,hat er dieses Thema in die Runde geworfen.“

► „Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil dergesamtstrategischen Ausrichtung. Wir habenTools, die uns in der Umsetzung unserer aufNachhaltigkeit basierenden Strategie unter-stützen.“

Ein umfassend verstandenes und angewende-tes Sustainability Performance Management (SPM) kann bei beiden Idealtypen einen we-sentlichen Beitrag dazu leisten, die nachhaltige Transformation der Unternehmung erfolg-reich fortzugestalten [3]. Der Weg dorthin führt über die Integration der beiden Modelle: Durch die Kombination der Stärken aus syste-matischen und intuitiven Ansätzen in Form von bewusster Orientierung und verinnerlich-tem Handeln kann der Nachhaltigkeitsge-danke erfolgreich in die Unternehmens-DNA integriert und dauerhaft in konkrete Resultate überführt werden.

Grundlegende Vorgehensweise

Um die Verankerung von Nachhaltigkeit im Unternehmen voranzutreiben, muss eine SPM-Lösung grundsätzlich zwei Zwecke erfül-len. Sie muss den Prozess möglichst effektiv strukturieren und begleiten sowie ein

Die wachsende Komplexität der Geschäftstätigkeit führt dazu, dass Nachhaltigkeitsthemen ungenügend beziehungsweise nicht systematisch betreut und entwickelt werden.

Wertverständnis für den Beitrag schaffen, den die erarbeiteten Ergebnisse innerhalb der Or-ganisation und im Organisationsumfeld zum langfristigen Unternehmenserfolg leisten. Ab-bildung 1 zeigt eine Übersicht der verschiede-nen Bausteine eines effektiven SPM-Modells und wie diese miteinander zusammenhängen.

Christian Bussmann

Christian Bussmann ist

Consultant bei der Detecon

(Schweiz) AG im Bereich

Sustainability Management.

Seine Schwerpunkte liegen in

den Themen Sustainability

Performance Management

und externer CSR-Kommuni-

kation. In Kunden- und For-

schungsprojekten war er vor

allem in der Ausgestaltung

von Nachhaltigkeitsstrategi-

en, KPI-Frameworks und der

Erstellung von Nachhaltig-

keitsberichten involviert.

Kontakt

Christian.Bussmann@

detecon.com

Tel.: +41 43 8886500

www.detecon.com

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management54 Heft 3 I September 2015

Es wurden vier Module identifiziert, um Nachhaltigkeit erfolgreich im Unternehmen zu verankern.

Sustainability Roadmap: In der Sustainability Roadmap wird die Nach-haltigkeitsstrategie der Unternehmung geschärft und in einem Umsetzungsplan konkretisiert. Der noch eher abstrakten Strategie werden kon-krete strategische Nachhaltigkeitsziele und

-initiativen zugeordnet oder daraus abgeleitet inThemengebieten, in denen die UnternehmungHandlungsbedarf identifiziert hat. Zu diesemZweck werden in einem ersten Schritt ausge-wählte Nachhaltigkeits-Fokusthemen identifi-ziert. Es werden dazu passende Ziele formuliertund mit Maßnahmen, Verantwortlichkeiten undMeilen steinen unterlegt. Das Resultat ist eineklare Auslegeordnung für strategische Nachhal -tig keitsinitiativen.

Ein Beispiel zur Illustration dieses Schrit-tes bietet die Käfer-Gruppe aus München. Sie ist ein eigentümergeführtes Unternehmen mit den Geschäftsbereichen Feinkost, Gastronomie, Ca-tering/Party-Service und Lizenzen. Weltweit werden über 1.000 Mitarbeiter beschäftigt. Es gab keine explizite Stabstelle für Nachhaltig-keit, das Thema wurde aber unbewusst schon seit langem gelebt. Allein aufgrund der Hoch-wertigkeit der Produkte wurde stets darauf ge-achtet, dass biologischem Anbau und lokalen Produkten der Vorzug gegeben wurde. Die ge-lebten Werte „liebenswert, einzigartig, überra-schend, hochwertig, emotional“ zeigen eine mitarbeiterorientierte, soziale Ausrichtung, die

Abbildung 1:Die Kernelemente einer Sustainability Performance Management-Lösung (SPM)

Die aktive Partizipation der Beleg-schaft in der Umsetzung von den gesteckten Nachhaltigkeitszielen verankert das nachhaltige Denken und Handeln im Unternehmen.

Sustainability Performance Management – Nachhaltigkeit erfolgreich im Unternehmen verankern und steuern

Resultatorientierte Aus-richtung der Unterneh-mung auf Nachhaltigkeit Entwicklung strategischer Nachhal-

tigkeitsziele und eines konkreten Rollout-Plans für die Implementie-rung von zugehörigen Nachhaltigkeitsinitiativen

Quantitativ oder qualitativ orientierte Bewertung von Nachhaltigkeitsaktivitäten für den Unternehmenserfolg

Schaffen von Rahmenbedingungen und Verankerung einer nachhalti-gen Unternehmensdenkweise und -kultur durch Optimierung derGovernance-, Organisations- undProzessstrukturen

Etabilierung von KPIs, Daten-, Prozess- & Tool-Landschaft für die erfolgreiche Steuerung von Nach-haltigkeit im Unternehmen

„Wie setzen wir unsere Nachhaltig-keitsziele mit Hilfe von Programmen und Projekten in die Tat um?“

„Wie machen wir den Wert von Nachhaltigkeit nicht nur sichtbar, sondern auch innerhalb und außerhalb der Orga-nisation kommunizierbar?“

„Wie schaffen wir ein Umfeld, in dem Nachhaltigkeit im Unterneh-men gelebt wird?“

„Wie machen wir Nachhaltigkeit messbar und integrieren sie in unsere Steuerungsmodelle?“

Sustainability Roadmap

Sustainability Valuation

Sustainability Enabling Sustainability Monitoring

Bewertung der Nachhaltigkeitsaktivitäten

Integration von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsvision

Sustainability Performance Management

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Schwerpunkte 55

zusätzlich durch die Gründung der Clarissa & Michael Käfer Stiftung unterstützt wird. Nach-haltigkeit wurde bei Käfer stets eher intuitiv und implizit gelebt. Erst vor wenigen Jahren wurde durch die Teilnahme an einem Wettbewerb der Entschluss gefasst, dass sich Käfer mit der Nach-haltigkeits-Thematik systematisch auseinander-setzt. Seitdem wurden grundlegende organisato-rische Strukturen geschaffen, um das Thema vo-ranzubringen. Nun sollen die Managementinst-rumente um das Thema „Nachhaltigkeit“ erwei-tert und in einer integrierten Scorecard doku-mentiert werden. Als Fokusthema wurde bei-spielsweise definiert, den Herstellern und dem Ursprung der Produkte ein Gesicht zu geben und somit ein verbindendes Element zwischen Pro-duzent und Konsument zu schaffen. Daraus können die Ziele „Steigerung der quantitativen und qualitativen Kenntnis der Produktherkunft“ sowie die „emotional empfundene Verbunden-heit zum Hersteller“ abgeleitet werden. Geplante Maßnahmen zur Zielerreichung sind themenbe-zogene Schulungen für Mitarbeiter und Kunden ebenso wie Wettbewerbe rund um das Thema „Umgang mit unserer Umwelt“.

Sustainability Enabling: Ziel des Sustainability Enablings ist es, die Un-ternehmung kulturell, strukturell und prozessual

so weiterzuentwickeln, dass sich nach und nach die Organisation auf allen Ebenen mit dem Nach-haltigkeitsgedanken identifiziert. Im Gegensatz zur Sustainability Roadmap zielen die in diesem Zusammenhang definierten Maßnahmen nicht darauf ab, ein konkretes Nachhaltigkeitsziel zu er-reichen. Vielmehr sollen die Voraussetzungen ge-schaffen werden, damit Nachhaltigkeit generell im Unternehmen sowohl Top-Down wie auch Bottom-Up effektiv mitgedacht und vorange-bracht wird. Dies verlangt und fördert die aktive Partizipation der Belegschaft in der Umsetzung der gesteckten Nachhaltigkeitsziele. Ebenso er-möglicht es die dynamische Anpassung an sich wandelnde Anforderungen, die sich aus einem kontinuierlichen Stakeholder-Dialog und sich verändernden Umweltbedingungen ergeben. Ansatzpunkte dafür sind beispielsweise die or-ganisatorisch geeignete Verankerung einer zen-tralen Nachhaltigkeitsorganisation innerhalb des Unternehmens, die Anpassung von Gover-nance-Strukturen, Priorisierungs-, Budgetie-rungs- und Feedbackprozessen, aber auch die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in An-reizsystemen und die Optimierung der internen Kommunikationskultur und -wege.

Sustainability Monitoring: Dieses Modul umfasst die Etablierung einer geeigneten Management Reporting-Land-schaft, die die Führungsebenen einer Unter-nehmung dazu befähigt, ihre Organisation ef-fektiv in Hinblick auf ökonomische, ökologi-sche und soziale Unternehmensziele zu steu-ern. Dadurch kann die zielorientierte Umset-zung der diversen Nachhaltigkeitsaktivitäten innerhalb einer Unternehmung gezielt geför-dert und begleitet werden. Um dies zu errei-chen, gilt es, klassische Steuerungsmodelle ge-zielt um die verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu erweitern. Ein bewährter Ansatz ist hier beispielsweise der Gebrauch

Die Integration von Nachhaltigkeit in die Unter-nehmensführung bietet Potenzial, um die Wett-bewerbsfähigkeit zu erhöhen. Um das Potenzial auch messbar zu machen, stehen die Unterneh-men vor der Herausforderung, die Nachhaltigkeit von der strategischen Planung bis zur Umsetzung systematisch zu begleiten und zu bewerten. Da-bei sind auch die verschiedensten Ausgangssitua-tionen der Unternehmen im Umgang mit nach-haltigem Handeln zu berücksichtigen.

Kurz und bündig

Nur, wenn die erreichten Nachhaltigkeits-Meilen-steine hinsichtlich ihres Beitrages zum Unterneh-menserfolg eingeordnet werden, wächst die Unterstützung für Nachhaltigkeits-Aktivitäten auf allen Unternehmensebenen.

Prof. Dr. Wilfried Lux

Wilfried Lux ist Leiter des

Kompetenzzentrums für

Finanzmanagement und

Controlling am Institut für

Unternehmensführung der

FHS St. Gallen. Seine Schwer-

punkte in Forschung, Lehre

und Beratung sind Perfor-

mance Management, Strate-

gieumsetzung und Balanced

Scorecard sowie strategi-

sches Controlling.

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[email protected]

Tel.: +41 71 226 13 80

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management56 Heft 3 I September 2015

einer Sustainability Balanced Scorecard. Wei-terhin bedarf es einer sinnvollen Auswahl an Kennzahlen (KPIs), die helfen, ökologische und soziale Ziele messbar zu machen. Der Sta-tus und die Fortschritte in diesen Bereichen werden dadurch transparent, eindeutig und nachvollziehbar.

Ein Praxisbeispiel ist in diesem Zusam-menhang die Bühler AG in Uzwil, Schweiz. Sie ist ein Spezialist und Technologiepartner für Maschinen, Anlagen und Services zur Verar-beitung von Grundnahrungsmitteln sowie zur Produktion hochwertiger Materialien. Der Technologiekonzern ist in über 140 Ländern tätig, beschäftigt weltweit rund 10.600 Mitar-beiter und erwirtschaftete im Geschäftsjahr

2014 einen Umsatz von 2,3 Mrd. Franken. Nachhaltigkeit ist stark im Unternehmen ver-ankert. Primäres Ziel ist es, mithilfe von nach-haltigkeitsorientierten Zielen und Kennzahlen zu unterstützen. Aufgrund der globalen, de-zentralen Unternehmensstruktur wird ange-strebt, die Nachhaltigkeitsbemühungen der einzelnen Standorte besser zu steuern und zu überwachen. Gleichzeitig will man die bereits bestehende Nachhaltigkeitsberichtserstattung ausbauen und mit der neuen GRI G4 Richtlinie harmonisieren. Deshalb sollen die Ziele in konkrete Messgrößen und Maßnahmen über-setzt und systematisch erfasst werden. Bei-spiele solcher Messgrößen im ökologischen Be-reich sind „Prozentuale Energieeinsparungen“

Tabelle 1:Die Module des SPM für die beiden idealtypischen Unter-nehmensformen

Systematisches Nachhaltigkeitsmodell

Intuitives Nachhaltigkeitsmodell

Ausgangslage Nachhaltigkeitsgedanke ist nicht histo-risch gewachsen, sondern wurde basie-rend auf einem strategischen Entscheid systematisch in die bestehenden Unter-nehmenstätigkeiten integriert.

Nachhaltigkeitsengagement ist historisch fester Bestandteil der Unternehmens-DNA. Der Nach-haltigkeitsgedanke ist oft nicht explizit in Form von Zielen definiert, aber wird „intuitiv“ in der Unternehmung gelebt.

Motivation Extrinsisch – Reaktion auf Stakeholder- Erwartungen und Marktbedingungen

Intrinsisch – Resultierend aus Lebenshaltung der Geschäftsführung

Typisches Beispiel Etablierte Konzerne im Licht der Öffentlichkeit

KMUs im Wachstums- und Diversifikationsprozess

Sustainability Roadmap

Detailliert festgelegt für jede Nachhaltig-keitsinitiative, inkl. klaren Verantwortlich-keiten & Meilensteinplanung. Breite Ab-deckung von Nachhaltigkeitsthemen.

Oft fehlende Systematik und Planung von konkre-ten Nachhaltigkeitsinitiativen. Dadurch auch Lü-cken in der Abdeckung von wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen.

Sustainability Enabling

Schwierigkeiten im Aufbau einer nach-haltigen Unternehmenskultur. Große Dis-tanz zur Geschäftsführung und komplexe Strukturen „entkoppeln“ Mitarbeiter und Bereiche vom Bezug zu Nachhaltigkeit als Unternehmensziel.

Nachhaltigkeitsgedanke ist stark in der Unterneh-menskultur verankert. Kurze Entscheidungs- und Kommunikationswege zwischen Geschäftsfüh-rung und Mitarbeiter sorgen für hohe Identifikati-on der Belegschaft mit nachhaltigen Werten.

Sustainability Monitoring

Entwicklung von Nachhaltigkeitsaspek-ten wird mit Hilfe von Kennzahlen ver-folgt und in Management Reporting-Lö-sungen Führungskräften zur Verfügung gestellt.

Mangelhafte Erfassung von Nachhaltigkeitsthe-men über Kennzahlen und fehlende Abdeckung von Nachhaltigkeit in Steuerungsmodellen.

Sustainability Valuation

In der Regel nur sehr beschränkt vorhan-den. Entscheidend für die Etablierung ei-nes Werteverständnisses für Nachhaltig-keit innerhalb der „systematischen“ Denkweise der Unternehmung. Relevant gegenüber Investoren und weiteren Stakeholdern.

In der Regel nicht vorhanden. Aufgrund der star-ken Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unter-nehmenskultur weniger essentiell für die Siche-rung eines Werteverständnisses für Nachhaltig-keit. Relevant gegenüber Investoren und weiteren Stakeholdern.

Ansatzpunkte für ei-ne optimierte Sustai-nability Performance

• Kulturelle Verankerung und Erweite-rung des Nachhaltigkeitsverständnis-ses über gezielte Sustainability Enabling-Programme

• Etablierung eines effektiven Bewer-tungsmodells für Nachhaltigkeitsaktivitäten

• Aufzeigen von Zielkonflikten im Rah-men der Triple Bottom-Line

• Systematische Identifikation strategischwichtiger Nachhaltigkeitsaktivitäten

• Klare Roadmap-Planung fürNachhaltigkeits-Initiativen

• Einführung eines KPI-Frameworks und Erweite-rung des Steuerungsmodells um Nachhaltigkeitsaspekte

• Evtl. Einführung eines Nachhaltigkeits-Bewertungsmodells

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Schwerpunkte 57

Sven Garrels

Sven Garrels ist Senior Con-

sultant bei der Detecon

(Schweiz) AG im Bereich Sus-

tainability & Innovation Ma-

nagement. Seine Schwer-

punkte liegen in den Themen

Sustainability Performance

Management sowie der Ent-

wicklung digitaler Geschäfts-

modelle. Im Rahmen von

Kundenprojekten hat er sich

insbesondere mit Informa-

tions- & Kommunikations-

technologien (IKT) und deren

Einfluss auf Sustainability Fra-

gestellungen auseinanderge-

setzt.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +41 43 888 65 00

www.detecon.com

und „Reduktion von Nahrungsmittelverlus-ten“. Obwohl bereits viele Initiativen bestehen, geht es nun darum, einen weitreichenden Per-sonenkreis vom Zusatznutzen des Nachhaltig-keitsengagements zu überzeugen und zu die-sem Zweck eine andere Form der Transparenz zu schaffen, da die Verankerung von Nachhal-tigkeit in die Geschäftsprozesse und Produkte an einigen Stellen auch mit Zusatzkosten ver-bunden ist.

Sustainability Valuation: Mit der Sustainability Valuation wird ein Be-wertungsmodell erstellt und implementiert, das den geschaffenen Unternehmenswert aus Nachhaltigkeitsaktivitäten systematisch fest-hält. Nur wenn die erreichten Nachhaltigkeits-Meilensteine in der Unternehmung entspre-chend wahrgenommen und hinsichtlich ihres Beitrages zum Unternehmenserfolg korrekt eingeordnet werden, besteht eine umfassende Grundlage für die kontinuierliche Unterstüt-zung für Nachhaltigkeitsaktivitäten auf allen Unternehmensebenen. Dieses Bewertungsmo-dell kann sowohl quantitative wie auch qualita-tive Komponenten beinhalten. Quantitative Ansätze drücken dabei die Auswirkungen von ökologischen oder sozialen Maßnahmen in konkreten Zahlen aus, wie beispielsweise Ab-satzveränderungen, Neukunden-Zuwachs oder Produktivitätsgewinne – und übersetzen diese in monetäre Werte. Qualitative Bewertungsge-rüste ergänzen diese Methoden, indem sie eine Plattform für den Dialog hinsichtlich des Wertes gewisser Nachhaltigkeitsbemühungen schaffen, die möglicherweise nicht adäquat in Zahlen festgehalten werden können (oder soll-ten). Es existieren verschiedene Ansätze, um diese Bewertung vorzunehmen. So kommen unter anderem direkte und indirekte Sharehol-der oder Stakeholder Value-Modelle infrage (quantitative Modelle) oder Komponenten aus den Öko- und Sozialbilanz-Ansätzen (qualita-tive Modelle).

Anwendung auf typische Ausgangssituationen

Ausgehend von den beiden Idealtypen – systema-tischer und intuitiver Ansatz – können mit dem SPM-Ansatz die jeweils angemessenen Maßnah-men und Vorgehensweisen festgelegt werden. Ta-belle 1 liefert eine Übersicht über Ausgangslage und Hintergrund der beiden idealtypischen Un-ternehmen sowie darüber, wie in den vier Modu-len des SPM typischerweise vorgegangen wird.

Fazit

Viele Unternehmen haben erkannt, dass die Inte-gration von Nachhaltigkeit in die Unternehmens-führung und -aktivitäten viel Potential bietet, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern [4]. Selbst nachhaltig orientierte Unternehmen sehen sich jedoch nach wie vor mit Herausforderungen kon-frontiert, Nachhaltigkeit von der strategischen Planung zur erfolgreichen Umsetzung zu beglei-ten [5]. Die vorgestellte SPM-Lösung strukturiert und begleitet die Planung, Steuerung, Umsetzung und Bewertung von Nachhaltigkeitsaktivitäten im Unternehmen umfassend. Dabei trägt der An-satz auch unterschiedlichen Ausgangssituationen Rechnung und illustriert die Tendenz in der Un-ternehmenswelt hin zu einem holistischen Ver-ständnis, wie Nachhaltigkeit effektiv gefördert werden kann und sich so die Früchte einer erfolg-reichen Umsetzung des Triple Bottom-Line An-satzes ernten lassen [6].

Unter diesem Link finden Sie mehr zum Thema:

http://bit.ly/1g47VJr

Mit der Sustainability Valuation wird ein Bewer-tungsmodell erstellt und implementiert, das den geschaffenen Unternehmenswert aus Nachhal-tigkeitsaktivitäten systematisch festhält.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management58 Heft 3 I September 2015

Warum HR und IT in der digitalen Wirtschaft näher zusammenrücken müssen Die wichtigsten Ressourcen optimal nutzen

Joël Luc Cachelin, Wissensfabrik

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Schwerpunkte 59

Der Mensch, die IT und Daten sind künftig die wichtigsten Ressourcen eines Unter-nehmens. Um das Management der Res-sourcen, der Investitionen und der Risiken möglichst zu optimieren, ist das Zusam-menrücken der IT-Abteilung, des Daten-managements und des Human Ressource Managements nötig.

Das Internet der Dinge, die Anwendungen der Augmented Reality und der künstlichen Intelli-genz werden in den nächsten Jahren für einen weiteren Digitalisierungsschub sorgen. Unser Leben wird sich noch mehr vor die Bildschirme oder, anders ausgedrückt, in den digitalen Raum verlagern. Die digitale Transformation wird auch die Arbeitswelt verändern. Sensoren, die Gefühls- und Körperdaten messen, digitali-sieren die Arbeitswelt ebenso wie intelligente Brillen und Büromöbel. Arbeit wird noch mehr durch Technologie unterstützt sein.

Das gilt insbesondere für die Wissensar-beit, die ohne IT kaum noch möglich ist. Um orts- und zeitunabhängig zusammenarbeiten zu können, braucht es einen stetigen Zugriff auf die Cloud. In dieser sind sämtliche Apps, Wis-sensarchive und Netzwerke gespeichert. Ar-beitsort und -zeit verlieren an Bedeutung. Das forciert eine Individualisierung der Arbeit und erfordert neue Arbeitsverhältnisse. Teilzeitver-hältnisse werden genauso zunehmen wie Ar-beitsverträge, die mit externen Mitarbeitern oder Kunden abgeschlossen werden.

Siegeszug der Maschinen

Zur Belegschaft eines Unternehmens werden in Zukunft immer mehr Maschinen gehören. Da-mit sind neben Automaten und Robotern auch Drohnen und Algorithmen gemeint. Diese

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management60 Heft 3 I September 2015

Einerseits wird der Mensch zur Maschine, in-dem er sich Implantate einsetzt, leistungsstei-gernde Medikamente einnimmt oder eine psychologische Abhängigkeit zu digitalen As-sistenten wie seinem Smartphone entwickelt. Anderseits wird die Maschine immer mensch-licher. Sie wird kleiner, ästhetischer, unauffäl-liger, zum fixen Bestandteil unseres Alltags.

Jedenfalls sind Mensch und Maschine als Ressourcen eines Unternehmens kaum noch voneinander zu trennen. Beide sind von-einander abhängig: Die Maschine braucht den Menschen, um sich weiterzuentwickeln. Ohne Mensch gibt es keine Innovation. Der Mensch wiederum braucht die Maschine, um seine Wertschöpfung zu steigern und seine Ideen in Produkte und Wertschöpfung zu übersetzen.

Und die Daten?

Neben Menschen und Maschinen sind Daten aus vier Gründen eine dritte wesentliche Res-source in der digitalen Wissensgesellschaft. Erstens erlauben sie die Individualisierung der Kommunikation. Medium und Botschaft können präzise auf die Bedürfnisse und Ge-wohnheiten der Anspruchsgruppen abge-stimmt werden. Zweitens wird durch die Da-ten eine Individualisierung der Leistungen möglich. Auf Basis unserer Klicks entstehen individualisierte Zeitungen, Ferienangebote und Versicherungslösungen. Dadurch zeich-net sich nun drittens eine Individualisierung der Preise ab. Mit personalisierten Preisen lässt sich die individuelle Zahlungsbereit-schaft präzise abschöpfen, wobei in erster Li-nie Unternehmen von der Anpassung profitieren.

Schließlich sind die Daten viertens Grundlage für den Vorstoß in neue Geschäfts-felder. So kann zum Beispiel Facebook zahlrei-che Gesichter einer Identität zuordnen und könnte durch diese Kompetenz zu einem wich-tigen Player in der Sicherheitsbranche aufstei-gen. Aus Ressourcensicht stellt sich die Frage, wer die Datenkompetenz der Mitarbeiter er-höht und die Erschließung von neuen Märkten vorbereitet. Darüber hinaus fallen natürlich auch im Human Ressource Management zahl-reiche Daten an. Sie zeigen beispielsweise, wer im Zentrum der Kommunikation steht, wer für welche Themen Experte ist oder welche Mitarbeiterin sich einem Burnout oder einer inneren Kündigung nähert.

unsichtbaren Maschinen kommen überall dort zum Zug, wo Informationen gesammelt, ver-dichtet und Entscheidungen vorbereitet werden. Wir stehen vor einer weiteren Welle der Indust-rialisierung, in der die repetitive Wissensarbeit

Künftiges Wachstum basiert erheblich auf der Fähigkeit, Maschinen zu optimieren oder neue Maschinen zu erfinden.

automatisiert beziehungsweise an Maschinen delegiert wird. Sämtliche Arbeit, die digitali-siert werden kann, wird im Zuge der digitalen Evolution beziehungsweise der globalen Prozes-se und dem Wunsch nach Kostenreduktion auch digitalisiert werden.

Das Zusammenspiel von Internet der Din-ge, Big Data und Algorithmen verändert selbst Berufe mit hohem Anspruchsniveau wie denje-nigen des Arztes. Ärzte werden in Zukunft Me-gacomputer wie Watson nutzen, um präzisere Diagnosen zu stellen und passendere Therapien vorzuschlagen. Durch die Verbreitung der Ma-schinen stellt sich die Frage, für wen es in Zu-kunft noch Arbeit gibt. Das scheint primär dort der Fall, wo der Mensch mit seinen kreativen, handwerklichen, emotionalen und reflexiven Fähigkeiten gegenüber der Maschine einen rela-tiven Vorteil hat.

Wechselwirkungen zwischen Mensch und Maschine

Bisher sind die Maschinen auf die Menschen an-gewiesen, um besser, schneller oder präziser zu werden. Roboter, Drohnen, Automaten und Al-gorithmen brauchen uns, um sich zu vermehren oder weiterzuentwickeln. Diese Abhängigkeit verschafft dem Menschen eine Hoheit über die Maschinen. Sie zeigt aber auch, wie bedeutsam die Designer der Maschinen in Zukunft für eine Volkswirtschaft sind. Künftiges Wachstum ba-siert erheblich auf der Fähigkeit, Maschinen zu optimieren oder neue Maschinen zu erfinden.

Mensch und Maschine gleichen sich durch die digitale Revolution immer mehr an.

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Schwerpunkte 61

Notwendigkeit des digitalen Transformationsprozesses

Um sich als Unternehmen der digitalen Wis-sensgesellschaft anzupassen, ist ein digitaler Transformationsprozess unausweichlich. Dieser erstreckt sich über vier Bereiche: Die Hardware, die Software, die Kompetenzen sowie die Kul-tur. Zunächst geht es um die analoge Ar-beitsumgebung, wobei diese neben der einge-setzten Hardware auch die Möbel und die Räumlichkeiten eines Unternehmens umfasst. Ohne ansprechende Arbeitsumgebungen ent-faltet sich die nötige Innovation nicht und Kommunikation wird gehemmt. Gerade die Generation Y hat diesbezüglich hohe Ansprü-che, an denen ein Arbeitgeber im Kampf um Talente scheitern kann.

Ein zweites Element des digitalen Trans-formationsprozesses ist die digitale Arbeitsum-gebung. Dazu gehören sämtliche Programme, Apps und Kommunikationstools, mit denen Mitarbeiter digital arbeiten. Diese digitale Ar-beitsumgebung ist genauso wichtig wie die ana-loge Arbeitsumgebung, wird aber in den Dis-kussionen um „New Work“ häufig vernachläs-sigt. Das dritte Element des digitalen Transfor-mationsprozesses sind die Fähigkeiten der Mit-arbeiter. Es stellt sich die Frage, ob diese fähig zur Veränderung sind, die Risiken als Chancen verstehen, neue Märkte erschließen und über die nötigen (digitalen) Selbst- und Sozialkom-petenzen verfügen, um digital zu arbeiten.

Schließlich spielt die Unternehmenskultur als viertes Element der digitalen Transformati-on eine entscheidende Rolle. Sie beschreibt Werte und Rituale, aber auch Führungs- und Managementverständnisse, die sich durch das Internet stark verändern. Auch hier zeigt sich die Generation Y anspruchsvoll. In einer kürz-lich durchgeführten Studie der Wissensfabrik zu den Risiken einer digitalen Arbeitswelt be-wertete die Generation Y eine unreife digitale Kultur als größtes Risiko einer digitalen Ar-beitswelt überhaupt.

Gründe für die Zusammenlegung von HR und IT

Menschen, Maschinen und Daten sind die wich-tigsten Ressourcen eines Unternehmens der digi-talen Wissensgesellschaft. Die Abteilungen, die sich um diese Ressourcen kümmern, sind dem-nach die Schlüsselabteilungen der Zukunft. In

ihnen entscheidet sich, ob ein Unternehmen den digitalen Transformationsprozess erfolgreich bewältigt.

Die Priorisierung ressourcenorientierter Abteilungen – der IT, des HR und des Datenma-nagements – passt zum allgemeinen Erstarken der Ressourcenperspektive. Unternehmen versu-chen in einer global unsicheren Weltwirtschaft, Wettbewerbsvorteile verstärkt über die Optimie-rung ihrer Ressourcen zu erzielen. Zurzeit schei-nen neue Technologien und Märkte zu fehlen, welche die Weltwirtschaft aus der Krise befreien würden. Mit der Digitalisierung als Wachstums-motor zu argumentieren greift zu kurz. Denn die Digitalisierung bringt zwar neue Märkte hervor, jedoch blendet man allzu schnell aus, dass der di-gitale Wandel als Managementinnovation den Effizienzdruck erhöht. Er erodiert die Margen

Eine offensichtliche Variante des integrativen Managements der Ressourcen ist der Zusammenschluss von HR, IT und Datenmanagement zu einem neuen Superdepartement.

und bringt im Dunstkreis der Sharing Economy neue Wirtschaftsformen hervor, die zwar sozia-len Fortschritt, nicht aber Wirtschaftswachstum bringen.

Als logische Folge versuchen Unternehmen, ihre Kosten zu drücken. Viele Unternehmen se-hen sich mit hohem und gleichzeitigem Kosten- und Innovationsdruck konfrontiert. Die integra-tive Betrachtung von HR, IT und Datenmanage-ment kann eine Lösung auf den erhöhten Druck sein. Die gleichzeitige Betrachtung aller Ressour-cen fördert die Einsicht in Wechselwirkungen und Ineffizienzen.

Varianten des Zusammenschlusses von HR und IT

Eine offensichtliche Variante des integrativen Managements der Ressourcen ist der Zusam-menschluss von HR, IT und Datenmanagement zu einem neuen Superdepartement. Dieses kann

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management62 Heft 3 I September 2015

sowohl die Risiken als auch die Investitionen an der Schnittstelle von HR und IT integriert mana-gen. Eben diese Risikolage verschärft sich durch das Internet, beziehungsweise durch Globalisie-rung, Transparenz, Beschleunigung und den ver-einfachten Markteintritt von neuen Wettbewer-bern in angestammte Märkte, auch von Branchen-fremden. Uber, Instagram oder Airbnb sind Bei-spiele für Anbieter, die in wenigen Jahren den Wettbewerb völlig neu definiert haben. Ähnliche Umwälzungen können Banken, Versicherungen oder Energiekonzerne treffen. Der erhöhte Wettbe-werbsduck verschärft den Druck, die Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen und damit auch das Abwägen zwischen Mensch und Maschine.

Immer mehr Unternehmen stellen sich die Frage, wo man investieren soll, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu halten oder mit der Kon-kurrenz mithalten zu können. Diese fundamen-talen Investitionsentscheide setzen eine gleichzeiti-ge Betrachtungsweise von HR, IT und Datenmana-gement voraus. Alternativ zum Superdepartement gibt es die Möglichkeit, dass HR und IT diese inte-grative Sicht durch Workshops oder Jobrotation er-arbeiten. Wichtig scheint es für beide Bereiche, ver-mehrt quere Profile zu rekrutieren, also im HR IT-ler anzustellen und umgekehrt.

Chancen und Risiken eines Zusammenschlusses

Die Vorteile eines Superdepartements liegen auf der Hand. Letztlich hat ein Manager beziehungs-weise eine Managerin eine Übersicht über alle Ent-scheidungen, welche die Kernressourcen eines Un-ternehmens betreffen. Das reduziert Doppelspu-rigkeiten, fördert Synergien und senkt dadurch

Kosten. Investitions- und Risikomanagement neh-men auf die gegenseitigen Wechselwirkungen von Menschen und Maschinen Rücksicht. Allerdings bringt die Integration von HR, IT- und Datenma-nagement eine hohe Komplexität mit sich. Man kann deshalb argumentieren, dass eine Reduktion der Komplexität durch getrennte, aber intensiv zu-sammenarbeitende Abteilungen die sinnvollere Lösung ist.

Ein zweites Risiko des völligen Zusammen-schlusses ist die entstehende Machtkonzentration. Die Person an der Spitze des Superdepartements verfügt über einen starken Einfluss auf die Unter-nehmensentwicklung. Diese Machtkonzentration ist gerade vor dem Hintergrund moderner Auf-bauorganisationen zu hinterfragen. Ein letztes Ri-siko des Zusammenschlusses ist das anspruchsvol-le Kompetenzprofil des Leiters beziehungsweise der Leiterin des Superdepartements. Werden die Abteilungen zusammengelegt, braucht es an der Spitze eine Führungspersönlichkeit, die sowohl mit der IT-Logik als auch der HR-Logik vertraut ist und die entsprechenden Argumente kennt. Diese Profile sind selten, weil Karrieren heute selten ab-teilungsübergreifend verlaufen.

Fazit

Mensch und Maschine dürfen nicht als konkur-rierende Produktionsfaktoren betrachtet werden. Vielmehr bilden sie eine wirkungsvolle Symbiose. Denjenigen Unternehmen, denen dieses Zusam-menspiel von Mitarbeitern und Maschinen am besten gelingt, gehört die Zukunft. Es braucht in Zukunft eine viel stärker integrierte Betrach-tungsweise von Menschen, Maschinen und Da-ten. Nur so werden Risiken, Doppelspurigkeiten und Innovationspotenziale sichtbar. Der Mensch wird auch in der Wirtschaft der Zukunft uner-setzlich sein: Die Maschine stellt keine Fragen, sie kann keine Innovation generieren und keine Gefühle empfinden. Diese Vorteile lassen sich aber nur dann nutzen, wenn man den Menschen die bestmöglichen Arbeitswelten zur Verfügung stellt – dazu gehören zu einem wesentlichen Teil die Maschinen.

Menschen, Algorithmen und Daten sind die wichtigsten Ressourcen eines Unternehmens in der digitalen Wissensgesellschaft. Um das Management der Risiken und Investitionsentscheidungen zu verbessern, müssen die betroffenen Abteilungen näher rücken. Eine Lösung besteht in Form eines Superdepart-ments, das für HR, IT und Datenmanagement verantwortlich ist.

Kurz und bündig

Dr. oec HSG

Joël Luc Cachelin

Joël Luc Cachelin hat an der

Universität St. Gallen Be-

triebswirtschaftslehre mit

Schwerpunkt Marketing stu-

diert und zur Zukunft des

Managements doktoriert.

Seit 2009 ist er Geschäftsfüh-

rer der Wissensfabrik, einem

Think Tank für Personal-,

Wissens- und Datenmanage-

ment. Seine neuste Buchpub-

likation ist „Schattenzeital-

ter“ (2014, Stämpfli).

Kontakt

[email protected]

Tel.: +41 78 7119901

www.wissensfabrik.ch

Mensch und Maschine dürfen nicht als konkurrie-rende Produktionsfak toren betrachtet werden. Vielmehr bilden sie eine wirkungsvolle Symbiose.

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Schwerpunkte 63

Horizontale Führung Der Schlüssel zu exzellenter Leistung

Gianni Biasiutti, KWO, Rudolf Bacher, Plus Management AG, Monika Koller, Büro P.B.E. Luzern, Hans Ruijs, IMO Switzerland

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management64 Heft 3 I September 2015

Horizontale Führung ist eine neue, an Bedeu-tung gewinnende Dimension der Führung, die als Erweiterung zur vertikalen zu verstehen ist. Was die Horizontale Führung ausmacht, ist kein neuer Führungsstil, sondern eine be-stimmte Haltung. Sie ist besonders in Organisa-tionen relevant, wo Kreativität und Wandel die Erfolgsfaktoren für Leistung und Zukunftsori-entierung sind.

Kreativität und Dynamik der Organisation brennen dabei auf niedriger Flamme. Die Orga-nisation funktioniert zwar, weil die dienstälte-ren Mitarbeiter nichts anderes gewohnt sind, doch der gesellschaftliche Wandel mit seinen „neuen“ Menschen und der Multigenerationali-tät birgt Chancen, die nach anderen Führungs-visionen rufen [1].

Gesellschaftlicher Wandel

Generationenunterschiede gab es schon immer, aber mit der Generation Y (1985 – 2000, „Digital Natives“) sind die Unterschiede markanter ge-worden [2]. Aufgewachsen mit der Kommunikati-onstechnik sind die jungen Menschen unabhän-giger, denn sie waren weniger auf Erwachsene angewiesen, um an Wissen heranzukommen.

Die Y‘er denken nicht hierarchisch. Aus sozialen Netzwerken kennen sie nur Mitglieder und Freunde. Sie gehen nicht zu Vorgesetzten, sondern sprechen direkt jene Personen an, die eine bestimmte Frage betrifft, beziehungsweise, die die Antwort darauf wissen. Sie sind es ge-wohnt, schnell und selbstständig zu arbeiten und mit Komplexität umzugehen. Sie brauchen dabei bloß regelmäßiges Feedback, um zu wis-sen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Sie tauschen sich über die sozialen Netzwerke bis ans Ende der Welt aus: Die Unternehmung stellt dabei keine Grenze dar. Sie sind innovativ, kri-tisch und wollen mitreden. Werden sie nicht ge-hört, suchen sie das Weite. Wenn sie aber den Sinn in ihrer Arbeit sehen, dann preschen sie vor und sind bereit, mehr zu leisten. Die Gene-ration Y will beim Arbeiten auch gleichzeitig „leben“ und lässt Arbeit und Freizeit ineinander übergehen. Es ist für sie selbstverständlich,

Zentrale Anliegen der Horizontalen Führung sind das Entfalten der Potentiale der Mitarbeiter und das Aktivieren der kollektiven Intelligenz.

Führung wird hier in zwei Aktivitätsfeldern ge-sehen: Management und Leadership. Manage-ment zielt auf das Formale, Leadership auf die Menschen im Zusammenarbeits-Prozess ab – und blüht im horizontalen Raum auf. Manage-ment, beziehungsweise Vertikale Führung ist das tragende Gerüst (fast) jeder Organisation. Das Management allein ist aber im heutigen Umfeld nicht mehr in der Lage, das volle Poten-zial einer Organisation zur Entfaltung zu brin-gen und sie zu exzellenter Leistung zu führen.

Reife Firmen weisen oft weit verzweigte Managementstrukturen auf. In ihrem Top-Down-Agieren müssen viele Ebenen durch-drungen werden, wobei das Verständnis oft ver-loren geht und die Führung ins Stocken gerät.

Organisationen bieten sich derzeit neue Chancen, um ex-zellente Leistungen zu erzielen: Das Persönlichkeitsprofil der jüngeren Generationen, die Entlastung der interperso-nellen Kommunikation von Hierarchievorstellungen, die generationenübergreifende Zusammenarbeit sowie die rasche Technologieentwicklung. Angesichts dieser Chancen haben sich die Visionen guter Führung stark gewandelt.

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Schwerpunkte 65

Leistungserbringung an den Kunden ist strikt geplant.

B: Die weitere Entwicklung lenkte den Fo-kus auf die Kunden und die Verbesserung der Leistung. Sie wies dem Chef verstärkt die Rolle des Vorbilds und Vorreiters zu. Es entstand die „Mir-nach-Vision“, verbildlicht in der horizon-talen Hierarchiedarstellung mit dem Chef als Stürmer in den Markt und zur Kundschaft. In dieser Epoche wurde der Wert der Mitarbeiter „entdeckt“, und es entwickelte sich die Kultur von Motivation und Lob als „Schmiermittel“ in der Leistungserbringung. Geschichten über Führungspersönlichkeiten und deren Prinzi-pien füllen ganze Bibliotheken. Der Typ „An-führer“ passt heute allerdings immer weniger in das Verständnis der gewandelten Gesellschaft.

C: Dem heutigen Verständnis nach sind Organisationen lebendige Gemeinschaften selbständiger Menschen, die sich am Sinn der Tätigkeit und den Möglichkeiten zur persönli-chen Entwicklung orientieren. In diesem Ver-ständnis stehen die Mitarbeiter am Ort des Ge-schehens. Der Chef inspiriert mit einer klaren

jederzeit elektronisch erreichbar zu sein. Mit-glieder der Generation Y wollen aber auch ihre sozialen Kontakte am Arbeitsplatz pflegen [3]. Die Y‘er erwarten einen echten Mehrwert von einem Unternehmen. Sie lassen sich kaum durch finanzielle und statusorientierte Vorteile ködern. Sie möchten sich identifizieren mit dem, was sie tun. Es muss Sinn stiften und Werte schaffen, sowohl, was die Sache selbst als auch ihre persönliche Entwicklung betrifft [4].

Führungsverständnis im Wandel der Zeit

Das Verständnis von Führung hat sich stetig ge-wandelt. In den vergangenen Jahren ging dieser Wandel relativ rasch vonstatten (Abbildung 1).

A: Hierarchische Strukturen prägten die Welt seit jeher als Grundbausteine des organisa-torischen und gesellschaftlichen Lebens. Das Militär galt als Vorbild gekonnter Führung: Führung als Gestaltung und Überwachung der Prozesse und als Lenkung der involvierten Menschen. Die Organisation ist dabei funktio-nal, der Fokus liegt auf den Prozessen, und die

Abbildung 1:Entwicklung des Führungs-verständnisses

Führen und Gestalten als Gemein-schaftsleistung machen eine Orga-nisation lern- und anpassungsfähig, intelligent und agil.

Dr. Gianni Biasiutti

Gianni Biasiutti, Elektroinge-

nieur ETH, führt seit 17 Jahren

das Wasserkraftunternehmen

KWO mit assoziierten Ge-

schäften in der Hydrokompo-

nenten-Fabrikation und Tou-

rismus. Frühere Führungspos-

itionen bekleidete er im Engi-

neering sowie in der Herstel-

lung von Investitionsgütern.

Aus besonderem Interesse

für effektives persönliches

Wirken und für zeitgemäße

Führung absolvierte er Aus-

bildungen im psychosozialen

Bereich und erlangte eine

Zertifizierung als Coach.

Kontakt

[email protected]

Tel.: +41 79 6939820

www.grimselstrom.ch

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management66 Heft 3 I September 2015

Vorgesetzte benötigen ein ausgereiftes Rollen-verständnis, um sich erfolgreich in beiden Füh-rungsräumen bewegen zu können.

Horizontale Führung ist als Erweiterung der Vertika-len Führung zu verstehen. Sie beinhaltet eine be-stimmte Haltung. Mit dieser inspiriert der Chef mit einer Vision, setzt die Leitplanken und gibt Feed-back. Zentrale Anliegen sind das Entfalten der Po-tenziale der Mitarbeiter und das Aktivieren der kol-lektiven Intelligenz. Das Mittel dazu ist der Aus-tausch zwischen allen Mitarbeitern auf Augenhöhe. Die Vertikale Führung bildet den institutionellen Rahmen, die Horizontale orientiert sich an den Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung.

Kurz und bündig

Vision, setzt die Leitplanken, fördert und gibt Feedback. Zentrale Anliegen sind das Entfalten der Potentiale der Mitarbeiter und das Aktivie-ren der kollektiven Intelligenz zugunsten von Schnelligkeit und Entwicklung. Das Mittel dazu ist der Austausch auf Augenhöhe: die Horizon-tale Führung.

Das Vertikale, das Management, bildet den institutionellen Rahmen, richtet die Sys-teme ein, trägt das Risiko und hält das ge-samte System ordentlich am Laufen. Das Hori-zontale, die Leadership, betrifft die Menschen beziehungsweise die kreative und eigenverant-wortliche Zusammenarbeit in den Prozessen. Beide Führungsräume existieren gleichzeitig und das Vertikale muss klar definiert sein, da-mit das Horizontale aufleben kann.

Führung mit vereinten Kräften für exzellente Leistung

Die Herausforderungen der globalisierten und vernetzten Welt mit rascher Technologieent-wicklung sind der Umgang mit Komplexität, Änderungsgeschwindigkeit, geografischer Aus-dehnung und Wettbewerb. Klassische Verti-kale Führung stößt hier unweigerlich an Gren-zen. Versteht man Entwicklung und Wandel als reine Managementaufgabe, die mutige Führungsentscheide bedingt und von den Mitarbeitern korrekte Ausführung verlangt,

entsteht eine höchstens normal-leistende Organisation.

Wenn man jedoch den Horizontalen Führungsraum öffnet, können sich die invol-vierten Menschen mit dieser Herausforderung identifizieren und machen die Organisation zum Sprinter. Es entsteht Dynamik durch Ei-geninitiative und freien Gedankenaustausch am Ort des Geschehens.

Vision der Horizontalen Führung ist das Gestalten mit vereinten Kräften als gemein-same Leistung all jener, die an einer Aktivität beteiligt sind: Der Fachleute mit ihrem Wis-sen und der direkten Beobachtung, der Jun-gen mit ihrer Gedankenfreiheit, der Älteren mit ihrer Erfahrung sowie der Chefs mit ih-rem Überblick. Führen und Gestalten als Ge-meinschaftsleistung macht eine Organisation lern- und anpassungsfähig, intelligent und agil. Verbesserungen werden gefunden, Mus-ter durchbrochen, neue Wege geöffnet, neue Techniken eingeführt, Schritte ins Unbe-kannte getan. Die individuelle unternehmeri-sche Haltung wird gestärkt.

Getrieben wird die Horizontale Führung durch einen die Arbeit begleitenden freien Gedankenaustausch, zu dem jeder mit seinen individuellen Neigungen und Fähigkeiten bei-trägt. Konkret angestoßen wird er von Ideen, Fragen und Widersprüchen der Beteiligten untereinander und gegenüber den Chefs, so-wie von den grundlegenden Entwicklungsfra-gen der Organisation [5].

Eigentliche Chef-Aufgaben im horizon-talen Raum sind die Darstellung der Vision und deren Sinn, das Schaffen der Rahmenbe-dingungen, das Vereinbaren der Zuständig-keiten sowie das Formulieren der grundsätzli-chen Aufträge und Projekte.

Weitere wesentliche Elemente sind die aktive Pflege des horizontalen Raumes mit re-gelmäßigen Dialogen, das Abgeben von Feed-back und das Festhalten der nötigen Entschei-dungen für die nächsten Schritte. Dabei soll die Entscheidungsfindung möglichst sozio-kratisch erfolgen – also auch für Beteiligte mit

Rudolf Bacher, EMBA in

International Management

Rudolf Bacher ist Gründungs-

partner und Geschäftsführer

von Plus Management AG,

Bern. Die Firma, gegründet

1991, ist spezialisiert auf

Führungsentwicklung und

Managementtraining und ist

international tätig. Rudolf

Bacher begleitet Unterneh-

men aus Industrie-, Dienst-

leistungs- und Bankensektor

in anspruchsvollen Führungs-

aufgaben. Kernelement ist

das Weiterentwickeln von

Führungsgrundsätzen in ei-

nem sich wandelnden wirt-

schaftlichen und gesellschaft-

lichen Umfeld.

Kontakt

rudolf.bacher@

plusmanagement.ch

Tel.: +41 31 3724262

www.plusmanagement.ch

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Schwerpunkte 67

anderer Präferenz tragbar. Eine weitere wich-tige Aufgabe ist das Eingreifen gegenüber ein-zelnen Mitarbeitern, wenn ihr Verhalten Stö-rungen verursacht.

Beim regelmäßigen Gedankenaustausch im horizontalen Raum steht der Chef auf Au-genhöhe mit den Beteiligten. Was er hier sagt, ist nicht Anweisung, sondern Äußerung von Ideen oder Beobachtungen mit dem Ziel der ge-meinsamen Vertiefung. Dabei gibt der Chef Vertrauen in den horizontalen Prozess, denn dieses Vertrauen ist unverzichtbar, um mit wachsender Komplexität effizient umzugehen [6].

Führung als Gemeinschaftsleistung mag der klassischen Führungsintuition widerspre-chen. Im heutigen gesellschaftlichen Umfeld ist sie aber ein Schlüssel zu exzellenter Leistung – so sehr, dass ihr Mehrwert bereits im militäri-schen Kontext erkannt wurde [7]. Echte Leistung wird nur um ihrer selbst Willen erbracht, wenn die Menschen sich mit ihrer Arbeit identifizie-ren können.

Praktiken in der Horizontalen Führung

Das Management verwendet anerkannte Kon-zepte und Werkzeuge. Diese existieren nicht für die Horizontale Leadership, die sich zwischen Menschen in einem unstrukturierten Raum ab-spielt. Hierzu gibt es keine Best Practice, wohl aber bestimmte Denk- und Verhaltensweisen:

► Sich ausdrücken in Wahrnehmungen statt inUrteilen, mit persönlichen Beschreibungen undIch-Botschaften.

► Fragen stellen zur Förderung des gemeinsa-men Verständnisses. Sich bewusst sein, dass dieRealität im Auge des Betrachters entsteht, unddass sich eine anerkannte Interpretation nur imoffenen Austausch entwickeln kann.

► Die wichtigen Entwicklungsfragen unter denBeteiligten herausarbeiten und zur Diskussionstellen.

► Vertrauen und Zuversicht geben, dass die kre-ativen Prozesse Lösungen hervorbringen.

► Kritik und Widerspruch kultivieren, als krea-tive Kraft sowie als Manifestation gelebter Hori-zontaler Führung.

► Empathischer Umgang mit Fehlern.

Vorgesetzte benötigen ein ausgereiftes Rollen-verständnis, um sich erfolgreich in den beiden Führungsräumen bewegen zu können. Dabei gilt es, folgende Herausforderungen im Auge zu behalten:

Menschen in Hierarchien haben die Ten-denz, Äußerungen von Vorgesetzten als Kom-mandos oder Urteile zu verstehen. Die Reaktio-nen darauf sind Zustimmung, Verteidigung oder Entschuldigung. Dies gilt es, durch eine generelle Anpassung der Haltung in der Füh-rung zu lindern, wobei das Prinzip der ‚Gewalt-freien Kommunikation‘ [8] eine bedeutende Leit-linie ist. Offenheit und Empathie spielen dabei eine zentrale Rolle. Doch gerade darin behin-dern sich Führungskräfte selbst, wenn sie ver-suchen, in ihrem Status ein vermeintlich starkes Image zu wahren.

Das Denken wandelt sich von einer Funktions- und Inhaltsorientierung, zu einer sinngesteuerten Orientie-rung auf das Kreative.

Darüber hinaus müssen klassische Führungsin-strumente „übersetzt“ werden von vertikal in horizontal:

► Führen mit Zielvereinbarung → Führen durchVereinbarung von Verantwortungen und Akti-onsrahmen

► Arbeiten mit klassischen Projektstrukturen →Dynamische Projektführung [9]

► Vom Chef geführtes Qualifikationsgespräch→ Selbstbeurteilung des Mitarbeiters im Ge-spräch mit dem Chef und von diesem gespiegelt

► Lob und Anerkennung (vertikale Urteile/Ma-nipulationen) → wertschätzende Beobachtun-gen in Form von Ich-Botschaften, Feedback

► Macht → Begegnung und Dialog

► Management-Jargon → Sprache der Menschen

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management68 Heft 3 I September 2015

Paradoxon: Resistenz der Mitarbeiter gegen das Verlassen der Hierarchie

Die Erfahrung zeigt, dass das Öffnen des Hori-zontalen Führungsraumes einen langjährigen Entwicklungsprozess erfordert. Dabei ist das wissensmäßige Verankern des Konzepts ent-lang der Hierarchie nur der erste Schritt. Der zweite und viel anspruchsvollere Schritt ist, die Menschen einzuladen beziehungsweise zu ver-pflichten, im horizontalen Raum zu agieren. Hierbei stößt man auf das Paradoxon, dass sich viele Mitarbeiter an ihrer hierarchischen Unter-ordnung festklammern.

Die Mitarbeiter stehen oft in einer ambi-valenten Haltung zwischen dem Bedürfnis nach Mitgestaltung, das sie im horizontalen Raum entfalten können, und dem Bedürfnis nach Schutz (und Bequemlichkeit?), das sie in der Hi-erarchie verharren lässt – wo der Chef es letzt-lich richten muss. Haltung und Wirkung der Vorgesetzten müssen deshalb den Mitarbeitern konsequent das Gefühl vermitteln, dass Freiheit im Denken und aktives Mitgestalten Selbstver-ständlichkeiten sind.

Die Unternehmenskultur hat großen Ein-fluss auf die Haltung der Mitarbeiter. Damit die Veränderungsschritte gelingen, ist ein gleich-zeitiges Entwickeln der entsprechenden Kultur und Denkhaltung unabdingbar [10], [11].

Praxisbeispiele

► 1. Wasserkraftunternehmen KWO:Das Unternehmen stellt sich den Herausforde-rungen im offenen Energiemarkt mit einer Vi-sion, die das Erbringen exzellenter Eigenleis-tungen bei Betrieb, Instandhaltung und Investi-tionen ins Zentrum stellt. Erreicht wurde diesdurch den Aufbau des Konzepts der Horizonta-len Führung. Für die Gestaltung und Abwick-lung großer Investitionsvorhaben wurde diesesKonzept speziell adaptiert; es entstand dasPrinzip der ‚Dynamischen Projektführung‘ [9].

Ziel ist dabei das sukzessive Anvisieren der ein-fachsten Lösungen, gestützt auf die entlang des Projektfortschritts wachsende Erfahrung sowie die kollektive Intelligenz der Beteiligten. Da-durch wurden deutlich überdurchschnittliche Resultate im Kosten-Nutzen-Verhältnis der In-vestitionen erreicht.

► 2. Qualitätsprobleme in der Fabrikation:Die Qualität anspruchsvoller Fabrikationspro-zesse unterliegt naturgemäß einem ständigenRisiko. QS-Systeme sorgen für die Erkennungund Beseitigung von Qualitätsproblemen. Einevorausschauende Vermeidung oder wenigstensAbwendung solcher Probleme in der Fertigungkann dagegen nur am Ort des Geschehensdurch proaktives Eingreifen aus mitverant-wortlicher Achtsamkeit der Beteiligten herauserfolgen. Wenn der erfahrene Fabrikationsleiterseinen Status als unverzichtbarer Experte beiQualitätsproblemen verlässt und den horizon-talen Raum eröffnet, kann er die Achtsamkeitseines Teams entfesseln und dadurch die Quali-tätskosten markant senken. (Die Nachbehand-lung von Qualitätsmängeln gemäß QS-Syste-men bringt meist zutage, dass gewisse Fabrika-tionsmitarbeiter den Fehler kommen sahen,aber auf die systemgerechte Reaktion vertrau-ten/warteten.)

Vision

Horizontale Führung betrifft die Menschen im Zusammenarbeitsprozess, mit Blick in die Zu-kunft, Lernen aus der Gegenwart, geleitet von der Vision und angetrieben vom Sinn, mit dem Chef als Inspirator und Coach. Wenn Mitarbei-ter ihre Stellung innerhalb von Hierarchie und Prozessen spannungsfrei akzeptieren und sich an der Horizontalen Führung beteiligen, be-schreiten sie einen Weg hin zu einem gesteiger-ten Bewusstsein: Das Denken wandelt sich von einer Funktions- und Inhaltsorientierung, zu einer sinngesteuerten Orientierung auf das Kreative. Es ist ein Wandel zu einem Meta-Denken und damit ein Ausdruck hoher Profes-sionalität. Lohn dafür sind hervorragende Re-sultate, Befriedigung und Gefühle persönlicher Freiheit.

Die Erfahrung zeigt, dass das Öffnen des Horizontalen Führungsraumes einen langjährigen Entwicklungspro­zess erfordert.

Weiterführende Inhalte

finden Sie unter folgendem

Link: http://bit.ly/1gNQfS9

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Schwerpunkte 69

Werte als Treiber für den Wandel Gisela Bolbrügge, Bolbrügge Consulting

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management70 Heft 3 I September 2015

Die Wahrnehmung der Beteiligten und die Ein-stellung gegenüber Neuem spielen eine ent-scheidende Rolle bei der Gestaltung von Wan-del. Die Wahrnehmung wird nicht in erster Li-nie, wie gerne von rational denkenden Men-schen vermutet, vom analytisch ausgerichteten Großhirn gesteuert. Vielmehr muss dem limbi-schen System des Menschen bei der Verarbei-tung von Eindrücken besondere Aufmerksam-keit geschenkt werden. Diese alte Hirnstruktur entscheidet blitzschnell, ob wir etwas mögen oder nicht mögen, während das Großhirn noch bedächtig die Vorteile und Nachteile gegenein-ander abwägt, ehe es eine Entscheidung trifft. Nur wenn das limbische System etwas mit posi-tiven Gefühlen belegt, ist produktives Arbeiten möglich, während bei negativen Gefühlen wie Ärger, Unlust, Frust oder Angst der Mensch mit Kampf- und Fluchtmechanismen oder Totstell-reflexen reagiert [2]. Im Unternehmensalltag sind das dann die Situationen, in denen sich die Change-Agents mit aktivem oder passivem Wi-derstand konfrontiert sehen. Der Versuch, Wi-derständler mit sachlich-rationalen Argumen-ten überzeugen zu wollen, muss logischerweise misslingen, denn deren limbisches System wür-de während der Diskussion noch mehr Unlust empfinden und das Großhirn noch mehr vernebeln.

Für Manager, denen die gute Arbeit ihrer Mitarbeiter wichtig ist, kommt es in erster Linie darauf an, Bedingungen zu schaffen, die das lim-bische System im positiven Sinne unterstützen. Denn der Hormoncocktail, der vom limbischen System in Verbindung mit dem Kleinhirn bei ne-gativen Wahrnehmungen ausgelöst wird, beein-trächtigt die Funktionsweise des Großhirns. Bei

Stetige Veränderung sei in der Wirtschaft zur Regel gewor-den, hat eine Hamburger Unternehmensberatung im Rah-men einer Studie unter 600 deutschen und österreichischen Führungskräften sowie 1.500 Mitarbeitern im Jahr 2012 festgestellt [1]. Ob Innovationsdruck, die Globalisierung, neue Medien oder das demografische Problem die Veränderun-gen notwendig machen, ist nicht die Frage. Vielmehr geht es darum, welche Faktoren einen Wandel begünstigen.

Flucht oder Kampf braucht man gut durchblutete Arme oder Beine. Dafür wird die Durchblutung des Hirns reduziert und damit dessen Sauerstoff-zufuhr gesenkt. Diese biochemischen Prozesse sind uns Menschen mit auf den Weg gegeben worden und haben im Laufe der Evolution das Überleben der Spezies gesichert. Doch sie sind auch noch heute in einer weniger gefährlichen Umwelt vorhanden.

Deshalb kommt es bei Veränderungen ganz entscheidend darauf an, wie sie von den einzel-nen Menschen im Unternehmen wahrgenom-men werden. Betrachtet jemand Neues als be-drohlich, denn Neuland zu betreten bedeutet Ri-siko, die Möglichkeit Fehler zu machen und Ver-trautes aufzugeben, dann können diese Mecha-nismen auftreten. Kann jemand den Wandel nicht mitgestalten, kann dies als Ohnmacht emp-funden werden. Kommt eine Neuerung zu plötz-lich und konnte man sich nicht darauf vorberei-ten, kann dies als Überrumpelung, ähnlich ei-nem Überfall, empfunden werden.

Veränderung gehirngerecht gestalten

Ob eine Entdeckermentalität von einem Unter-nehmen gefördert wird, hängt auch von der je-weiligen Unternehmenskultur ab. Gibt es in ei-ner Organisation genügend Fehlertoleranz, die Neues ermöglicht, ist das hilfreich. Neuland zu betreten heißt auch, Misslingen in Kauf zu nehmen.

Auf die einzelnen Menschen bezogen be-deutet es allerdings auch, dass eine gewisse Resili-enz vorhanden sein muss. Wenn neue Dinge nicht gleich auf Anhieb erfolgreich sind, bedeutet dies nur, dass sie so, wie gerade eben probiert,

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Schwerpunkte 71

zu weniger Reibungsverlusten und eine harmoni-sche Arbeit ist möglich. Die Verletzung von Wer-ten löst häufig eine Reaktion des limbischen Sys-tems aus. Wertesysteme, in denen Freiraum und Innovation vorherrschen, sind für den Wandel günstiger als Wertesysteme, die auf Erfahrung und Bewährtes setzen.

Werte sind Motivationsfaktoren

Das Modell des amerikanischen Psychologen Clare W. Graves [3], einem Zeitgenossen von Maslow, bietet Anhaltspunkte, um diese Werte zu erkennen und ihren Einfluss auf die Motivati-on zu überprüfen, denn sie leiten unsere Hand-lungen. Unter einem Wert wird dabei das ver-standen, was für die Person oder eine Gruppe wünschenswert und wichtig ist. Wem etwa die Harmonie im Team sehr wichtig ist, der wird viel diskutieren und einen Konsens anstreben. Sich gegen andere durchzusetzen wird vielleicht

nicht funktionieren. Dieses wieder und wieder zu versuchen, stellt eine Grundvoraussetzung für In-novation dar, ist jedoch gleichzeitig mit Ver-schwendung von Zeit, Geld und möglicherweise Motivation verbunden. Für jemanden, für den Hochleistung bedeutet, aus vorhandenen Res-sourcen das Maximum herauszuholen, mag diese Vorstellung grauenhaft sein. Für einen solchen Manager zählt die Perfektionierung bekannter Routinen und Prozesse, vergleichbar mit einem Leistungssportler, der seine erfolgreichen Bewe-gungsmuster immer wieder übt und trainiert. Für das operative Geschäft ist das eine angemes-sene und sinnvolle Sichtweise. Sie passt nur nicht für Veränderungen, denn die setzt die Bereit-schaft voraus, auf „quick wins“ zu verzichten.

Wie einzelne Menschen auf Veränderungen und Wandel reagieren, wird maßgeblich von de-ren Wertesystem beeinflusst. Wenn es eine Über-einstimmung mit meinem Wertesystem und dem der anderen in der Organisation gibt, kommt es

Abbildung 1:Das Wertesystem von Graves

Nachhaltigkeit

Umwelt, Spiritualität

Team, Gruppe

Konsens, Gefühle, Gleichheit, Frieden, Natur, Kontrolle durch die Peer-Gruppe

Ordnung/Bürokratie

Recht, Ordnung, hierarchisch, Gehorsam, Loyalität, Schuld, Disziplin, Kontrolle von Instanzen

Tradition/Sicherheit/Bindung

Soziale Sicherheit, Tradition, Ahnen, Kontrolle von höherer Macht

Macht/Stärke

Egozentrisch, Durchsetzung/ Gewalt, Ausbeutung, keine Reue

Materieller Erfolg

Leistung/Gewinn, Gier, Strategie, Wettbewerb, Technik, alles ist möglich 

Freiheit/Wissen

systemisch, kompetent, autonom, integrativ 

Ind

ivid

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management72 Heft 3 I September 2015

abgelehnt. Aus diesem Grund werden notwendi-ge Konflikte nicht ausgetragen. Statussymbole würden eine solche Person nicht ansprechen.

Graves vertrat die Auffassung, dass ein Wertesystem eine Kombination von Lebensum-ständen und mentalen Fähigkeiten sei und dass man bei Veränderungen der Umwelt entweder mit dem bekannten Wertesystem reagiert oder ein neues entwickelt. Das neue Wertesystem bringe, so Graves, Lösungen für Probleme des vorherigen Wertesystems hervor. Sein Wertesys-tem beinhaltet acht Wertekategorien, von denen für Organisationen allerdings nur die folgenden sieben, die in Abbildung 1 dargestellt sind, rele-vant sind.

► 1. Tradition, Sicherheit, Bindung:„Wir sind doch eine Familie“

► 2. Macht, Stärke, Schnelligkeit:„Jeder ist sich selbst der Nächste“

► 3. Ordnung, Bürokratie:„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“

► 4. Materieller Erfolg, Leistung:„Ich spiele, um zu gewinnen“

► 5. Team, Gruppe, Harmonie:„Gemeinsam sind wir stärker“

► 6. Freiheit, Wissen, Neues entdecken:„Leben ist Lernen“

► 7. Nachhaltigkeit:„Man muss das große Ganze sehen“

Jeder Mensch hat eine individuelle Kombinati-on (Werteprofil) dieser Werte hinsichtlich Ak-zeptanz und Ablehnung.

Die genannten Thesen gelten analog für Individuen wie für Organisationen als soziale Systeme. Eine Organisation wird normalerwei-se die Leute anziehen, die mit ihren Wertesyste-men zur bestehenden Kultur passen, die existie-renden Werte oder Kognitionen teilen. So hat ein Traditionsunternehmen wie Dallmayr eher andere Wertesysteme als ein Technologieunter-nehmen wie Apple, ein Familienunternehmen

Abbildung 2: Die Werte auf dem Zeitstrahl

Eine Organisation wird normaler-weise die Leute anziehen, die mit ihren Wertesystemen zur bestehen-den Kultur passen, die existierenden Werte oder Kognitionen teilen.

Nachhaltigkeit

Freiheit/Wissen

Materieller Erfolg

Ordnung/Bürokratie

Tradition/Sicherheit/Bindung

Vergangenheit Gegenwart Zukunft

Team/Gruppe

Macht/Stärke

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Schwerpunkte 73

andere als ein Konzern oder eine Behörde. In westlichen Kulturen dominieren die Katego-rien Macht (sich durchsetzen), Bürokratie (große, regelgesteuerte Organisationen) und Streben nach materiellem Erfolg.

Innerhalb der Organisation muss das Wertesystem zur jeweiligen Aufgabenstellung passen, denn dort, wo beispielsweise die Ver-letzung von Qualitätskriterien mit Gefahr für Leib und Leben von Menschen verbunden wären, ist Fehlertoleranz nicht zulässig, wäh-rend eine solche Einstellung im Bereich For-schung und Entwicklung wohl eher hinder-lich wäre.

Werte entwickeln

Erfolgreiche Veränderungen einer Organisati-on bedeuten demnach auch eine Neuausrich-tung der Werte auf die Zukunft. Abbildung 2 stellt die Werte im Zusammenhang mit dem Zeitstrahl dar. Wenn die vorherrschenden Werte im Unternehmen eher auf Tradition oder Gegenwart ausgerichtet sind, bedarf es einer kritischen Masse von Mitarbeitern, die zukunftsorientierte Werte vertreten. Bleibt die Organisation bei ihrem alten Wertesys-tem, kann sie in Schwierigkeiten geraten. So ist schon manches Unternehmen, in dem Tra-dition, Beständigkeit und Sicherheit die vor-herrschenden Werte waren, daran gescheitert, dass es kein neues Wertesystem entwickeln konnte, das den veränderten Herausforderun-gen des Marktes gerecht wurde. Der Versuch, Veränderungen in Organisationen zu imple-mentieren, die gegen die vorherrschende Kul-tur mit deren Wertesystem verstoßen, kann nicht erfolgreich sein. In diesem Zusammen-hang kann es auch entscheidend sein, welche Werte besonders abgelehnt werden. Ein junges Unternehmen, das sich erst noch im Markt durchsetzen muss, braucht Menschen, die Un-ternehmergeist haben, die wettbewerbsorien-tiert sind und die erfolgreich sein wollen. Hat dieses Unternehmen dann eine bestimmte Größe erreicht, braucht es auch Ordnung und Strukturen, was meist von kompetitiven Prag-matikern als bremsend und blockierend emp-funden wird. Der Konflikt ist dann vorpro-grammiert. In beiden Gruppen wird das lim-bische System der Akteure die Macht über-nehmen. Entweder entstehen Konflikte (Kampfverhalten) oder es passiert gar nichts (Fluchtverhalten oder Totstellreflex).

In allen Organisationen, seien es Unternehmen oder Behörden, gestaltet sich Veränderung oft als ein schwieriger Prozess, der wegen Widerständen nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Oft wird vor-ausgesetzt, dass jeder die Veränderungen ver-steht und mitmacht. Wenig Rücksicht wird dabei auf die Funktionsweise des menschlichen Gehirns genommen. Veränderungen, die gegen das ver-stoßen, was den Menschen wichtig ist, sprich ge-gen ihre Werte, können nicht gelingen, weil sie vom limbischen System der Menschen nicht un-terstützt werden.

Kurz und bündig

Dr. Gisela Bolbrügge, PMP

Dr. Gisela Bolbrügge studier-

te Wirtschafts- und Sozial-

wissenschaften. Sie verfügt

über langjährige Expertise im

Projekt- und Veränderungs-

management. Nach mehrjäh-

riger Industrietätigkeit im In-

und Ausland arbeitet sie als

Managementberaterin, trai-

niert und coacht Fach- und

Führungskräfte sowie Pro-

jektleiter namhafter Unter-

nehmen auf der Grundlage

systemisch-kognitiver Kon-

zepte.

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Nutzen von Schwarmintelligenz

Ob eine notwendige Transformation gelingen kann, hängt ganz entscheidend davon ab, wie viele Mitarbeiter diese Wege unterstützen oder ablehnen. Laut dem Berliner Verhaltensbiolo-gen Jens Krause vom Leibniz-Institut liegt die kritische Masse bei 5 - 10 % aller Mitarbeiter, um einen Paradigmenwechsel erfolgreich um-zusetzen [4]. Vertreten weniger Akteure die Neu-erung, kann es dazu führen, dass diese Men-schen mit dem Versuch, etwas verändern zu wollen, scheitern. Ein kleines, innovatives Un-ternehmen, das beispielsweise von einem Kon-zern gekauft wird, kann sehr schnell seine krea-tiven Köpfe verlieren. Die freiheitsliebenden Kreativen fühlen sich innerhalb der geregelten Strukturen und Prozesse nicht besonders wohl. Diese Diskrepanz muss sinnvoll ausbalanciert werden. Gleichzeitig muss berücksichtigt wer-den, dass in weltweit agierenden Unternehmen in den jeweiligen Ländern auch unterschiedli-che Wertesysteme vorhanden sein können. Die dortigen Mitarbeiter müssen dann anders ange-sprochen werden.

Ohne Kommunikation kann ein Werte-wandel nicht gelingen. Ein Individualist, der al-leine vorstürmt, handelt wie die Lokomotive Thomas aus dem Kinderbuch, die voller Begeis-terung und hochmotiviert losfährt, noch ehe alle Wagen dran hängen. Das Werte-Modell von Graves hilft, bei Organisationsveränderun-gen mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und pro-aktiv zu handeln. So kann das Kon-fliktpotential reduziert und der Wandel erfolg-reicher gestaltet werden.

Unter diesem Link finden Sie mehr zum Thema:

http://bit.ly/1IinLKC

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Weniger Krankheitstage und mehr Motivation Zentrales externes Fehlzeitenmanagement senkt die Kosten

Sandra Willmeroth, Freie Wirtschaftsjournalistin

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Schwerpunkte 7575

In der Schweiz ist gemäß eines OECD Berichts vom Januar 2014 jeder Arbeitnehmer im Durchschnitt acht bis neun Tage pro Jahr nicht arbeitsfähig. Infolge psychischer Probleme ge-hen der Volkswirtschaft des Landes zudem 19 Milliarden Franken oder 3,2 Prozent des Brut-toinlandsproduktes verloren. Auf betriebswirt-schaftlicher Ebene summieren sich die Kosten für Fehlzeiten von Mitarbeitern. Diese sind im-mer noch ein vielfach unterschätzter Kosten-faktor für Unternehmen. Beispielsweise kostet ein Büroangestellter mit einem Bruttogehalt von 6.000 Franken ein Unternehmen in einer Vollkostenrechnung, das heißt inklusive Lohn-nebenkosten, Bereitstellung der Infrastruktur und allen anderen Nebenkosten, pro Stunde 71 Franken. Bei einem 8,5-Stunden-Tag summiert sich ein Fehltag auf 603,50 Franken. Sind die Angestellten einer mittelgroßen Firma mit 200 Beschäftigten im Durchschnitt 8,5 Tage pro Jahr krank, belaufen sich die Kosten für alle Fehlzeiten auf 1.025.950 Franken im Jahr. Eine beträchtliche Summe angesichts des ohnehin schon vorhandenen und aufgrund der Franken-aufwertung noch gestiegenen wirtschaftlichen Spardrucks auf Schweizer Firmen. „Unterneh-men mit einer Ausfallrate von mehr als acht Ta-gen pro Jahr und Mitarbeiter verlieren im Schnitt fünf bis zehn Prozent ihrer Bruttolohn-summe“, rechnet Chris Holzach vor. Diese Summe will Holzach, CEO der Synaps Care AG, mit seinem Geschäftskonzept des extern unterstützten zentralen Fehlzeitenmanage-ments beeinflussen und senken.

Externes Fehlzeitenmanagement

Was auf den ersten Blick ungewohnt erscheint, wird bei genauerer Betrachtung plausibel: Die

Der wirtschaftliche Druck auf Unternehmen wächst. Ein bislang unterschätzter Kostenfaktor sind die Fehlzeiten der Mitarbeiter. Die Delegation des Fehlzeitenmanage-ments dient der langfristigen Wirtschaftlichkeit des ge-samten Unternehmens, entlastet Vorgesetzte und macht das Unternehmen gesund und fit für eine Zukunft, in der Fachkräfte rar sind und immer älter werden.

Delegation des Fehlzeitenmanagements in ex-terne und fachlich dafür ausgebildete Hände. Fortan meldet sich ein kranker Mitarbeiter nicht mehr per Telefon, SMS oder E-Mail beim Vorgesetzten ab, sondern ruft beim externen Dienstleister (Care-Center) an und teilt seine Arbeitsunfähigkeit mit. Dieser gibt die Infor-mation über die Abwesenheit des Mitarbeiters an die vordefinierten Stellen im Unternehmen weiter. Und er kümmert sich um den erkrank-ten Mitarbeiter. Noch am ersten Krankheitstag nimmt das externe Fehlzeitenmanagement tele-fonisch Kontakt zum erkrankten Mitarbeiter auf. Dieser ist zwar nicht dazu verpflichtet, die Ursache seiner Arbeitsunfähigkeit bekannt zu geben, aber gemäß den Erfahrungen von Chris Holzach, der das externe Fehlzeitenmanage-ment seit 2007 anbietet, teilen sich 98 Prozent der Erkrankten freiwillig und gerne mit. Mehr noch: Sie sind erfreut, wenn man sich nach ih-rem Befinden und Genesungsprozess erkun-digt. „Es scheint den Mitarbeitern gut zu tun, wenn sich jemand für sie interessiert und die Abwesenheiten nicht nur notiert und sich dabei insgeheim vielleicht ärgert, weil anstehende Ar-beiten liegen bleiben oder neu verteilt werden müssen“.

Kontrolle oder Betreuung

Während andere Aufgaben und Funktionen ei-nes Unternehmens relativ häufig und ohne große Hemmungen von Fachstellen wie IT-Fir-men, PR-Agenturen, Headhuntern oder Treu-händern außerhalb des Unternehmens verant-wortet werden – sei es, um die eigenen Mitar-beiter zu entlasten, oder, weil die entsprechende Dienstleistung wie beispielsweise die Buchhal-tung oder das Recruiting neuer Mitarbeiter

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management76 Heft 3 I September 2015

strategischen und wirtschaftlichen Ziele eines Unternehmens zu erreichen, noch über ausrei-chend Zeit (und Fähigkeit) verfügt, sich um die Fehlzeiten und Befindlichkeiten seiner Team-mitglieder zu kümmern. Denn im Alltag haben in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern we-der Vorgesetzte noch HR genaue Informationen über die Fehlzeiten ihrer Mitarbeiter – und schon gar keine Einflussmöglichkeit.

Beratung und Motivation

Ein externes Fehlzeitenmanagement kann das. Rund um die Uhr nehmen die Mitarbeiter bei Synaps Care die Anrufe der Mitarbeiter entge-gen, notieren die Fehlzeit und informieren den Vorgesetzten über die Abwesenheit. Darüber hinaus kümmern sie sich um die erkrankten Personen. Das Team bietet den Mitarbeitern fachkundige Hilfe, Unterstützung und Motiva-tion. Wenn nötig, wird ein Care Management für die Betroffenen eingerichtet, bei langfristi-gen Fehlzeiten auch unter Einbezug der Kran-kenversicherung und der Unternehmenslei-tung. Sowohl die Unternehmensleitung als auch der Versicherer haben ein ausgeprägtes Eigen-interesse daran, dass Mitarbeiter möglichst rasch wieder arbeitsfähig werden. Denn die Senkung der Fehltage wirkt sich substanziell auf das Unternehmensergebnis und die Kosten des Versicherers aus. Nicht zuletzt deshalb

extern effizienter und qualitativ besser realisiert wird – ist das Outsourcen des Fehlzeitenmana-gements noch weitgehend unbekannt. Und ern-tet häufig zuerst ablehnende Reaktionen von HR-Verantwortlichen, Geschäftsleitung und Vorgesetzten. Für sie riecht das neue Verfahren nach Misstrauen. Die Gewerkschaften wittern soziale Kontrolle der Angestellten und einen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre. Für die Unternehmensleitung weist es auf das ei-gene Versagen hin, wenn ein wichtiger Teil der Mitarbeiterführung von externer Stelle besser und effizienter erledigt werden kann.

Die erste Reaktion eines Unternehmers auf die Idee, die Mitarbeiterführung in externe Hände zu geben, ist auch meistens ablehnend. „Das muss der Vorgesetzte machen“, hört Chris Holzach oft, wenn er sein Businessmodell er-klärt. Er hält dagegen und fragt, ob heute ein Teamleiter neben den Anstrengungen, die

Abbildung:Synaps Care betreut das be-triebliche Gesundheits- und Abwesenheitsmanagement.

Nach dem betrieblichen Gesundheitsmanagement kommt nun das betriebliche Fehlzeitenmanage-ment. Was auf den ersten Blick nach Kontrolle und Misstrauen aussieht, schenkt langfristig Übersicht und Vertrauen. Zusätzlich wird ein Führungsvaku-um geschlossen, das überforderte Vorgesetzte heute häufig hinterlassen.

Kurz und bündig

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unterstützen die Versicherer die in den vergan-genen Jahren populär gewordenen präventiven und rückführungsorientierten Maßnahmen in-nerhalb des betrieblichen Gesundheitsmanage-ments (BGM).

Mittels präventiver Maßnahmen hat das BGM vor allem zum Ziel, Fehltage erst gar nicht entstehen zu lassen und dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter nicht erkranken. Kommt es den-noch zum Krankenstand, greift unter Umstän-den ein Case oder ein Care Management und bemüht sich, den erkrankten Mitarbeiter wie-der erfolgreich ins Arbeitsleben zu integrieren.

Vom BGM zum BAM

Doch allen präventiven Maßnahmen zum Trotz verharrt die Zahl der Fehlzeiten in der Schweiz bislang auf einem überdurchschnittlichen Ni-veau, wie die eingangs zitierte OECD-Studie zeigt. Bei der Erfassung, Verwaltung und Aus-wertung der Fehlzeiten eines Betriebs enden die Bemühungen des Vorgesetzten häufig. An die-sem Punkt greifen die Maßnahmen des BGM noch nicht. Chris Holzach sieht seine Dienst-leistung auch als logische Weiterführung des BGM und nennt es „Betriebliches Abwesen-heitsmanagement“ (BAM), wie die Abbildung zeigt. Dieses umfasst Bedarfsanalysen, effizi-ente Tools zur Fehlzeitenerhebung, Ursachen-analysen, Präventionsmöglichkeiten und Coa-chings für Führungspersonen.

Bislang ist ein BAM, sprich die Erfassung und professionelle Auswertung der Fehlzeiten-gründe und Häufigkeiten sowie die Führung der Rückkehrgespräche nach einer krankheits-bedingten Abwesenheit, in den meisten Unter-nehmen als Führungsaufgabe der Vorgesetzten definiert. Diese üben diesen Bereich ihrer Auf-gaben häufig aber eher schlecht als recht aus. Vor allem die Rückkehrgespräche spielen eine wichtige Rolle im Verhältnis zwischen Vorge-setztem und Mitarbeiter.

Neue Ansprüche an Führungskräfte

Die von Holzach seit 2007 geführte genaue Un-tersuchung der Gründe für krankheitsbedingte Abwesenheiten zeigt, dass Mitarbeiter nebst physischen Krankheiten immer häufiger auf-grund psychischer oder psychisch bedingter Krankheiten dem Arbeitsplatz fern bleiben. Sol-che Fehlzeiten gehen oftmals mit einer latenten Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz einher,

namentlich mit dem oder der Vorgesetzten. Un-stimmigkeiten mit der Führung sind nicht nur häufig die Ursache für das Fernbleiben vom Ar-beitsplatz, sie sind oft auch der Grund dafür, dass Mitarbeiter kündigen und das Unterneh-men ganz verlassen.

Vorgesetzte sind sich oft nicht bewusst, dass sie die Ursache dafür sind. Sie sind schlicht überfordert. Wer Teams von zehn, 20 oder mehr Personen führt, kann unter dem heutigen hohen Arbeitsrhythmus und dem wirtschaftli-chen Druck oftmals gar nicht mehr auf die Be-findlichkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters ein-gehen. Dabei wäre genau das der Schlüssel zum Erfolg: Die Führung gesunder Mitarbeiter so zu gestalten, dass sie weniger häufig krank werden, dass sie nicht innerlich kündigen und sich von ihrer Arbeit entfremden.

Kleine Gesten haben manchmal große Wirkung. Bleiben diese Gesten aus, fehlt lang-fristig etwas Entscheidendes im immer an-spruchsvolleren Verhältnis zwischen Vorgesetz-ten und Mitarbeitern: Der Coach Boris Grundl nennt es in seinen Vorträgen die „emotionale Führungskompetenz“. Und er schätzt diese heute als wichtiger ein als die intellektuelle Führungskompetenz. Vorgesetzte werden oft aufgrund ihrer fachlichen Fähigkeit befördert, während die emotionale Kompetenz bis dahin ungeprüft und häufig auch ungeschult bleibt. Zur emotionalen Kompetenz gehören unter an-derem das Zuhören und die Aufmerksamkeit,

Unternehmen mit einer Ausfallrate von mehr als acht Tagen pro Jahr und Mit-arbeiter verlieren im Schnitt fünf bis zehn Prozent ihrer Bruttolohnsumme.

die ein Chef seinen Untergebenen entgegen-bringen sollte. Im täglichen Kampf um Markt-anteile und Gewinnmargen eines Unterneh-mens fällt dieser Teil der Führungsaufgabe oft-mals unter den Teppich.

Zumal sich Vorgesetzte unter Berufung auf den Persönlichkeitsschutz der Mitarbeiter recht einfach aus der Verantwortung ziehen können. Zwar verhindern gesetzliche Vorgaben

Dipl. Pol. Wiss.

Sandra Willmeroth

Sandra Willmeroth arbeitet

als freie Wirtschafts- und

Finanzjournalistin in der

Schweiz. Sie ist seit über 20

Jahren im Journalismus tätig

und war unter anderem Res-

sortleiterin der Schweizeri-

schen Handelszeitung sowie

Wirtschaftsredakteurin beim

Tages-Anzeiger und Leiterin

Wirtschaftspresse der Agen-

tur Swisscontent. Sie hat

1998 ein Diplom in Politik-

wissenschaft, Volkswirt-

schaftslehre und Wirtschafts-

geschichte an der Universität

Marburg erlangt.

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www.willmeroth.ch

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management78 Heft 3 I September 2015

zu Recht, dass Arbeitgeber sich zu sehr in die Krankenangelegenheiten ihrer Angestellten einmischen dürfen, was aber nicht heißt, dass sie sich komplett ihrer Fürsorgepflicht entzie-hen sollten. Denn ein solches Verhalten kann bei Mitarbeitern auch zur Resignation führen und ihnen das Gefühl vermitteln, dass ihre Person und ihr Beitrag zum Unternehmenser-folg nicht wertgeschätzt werden. Dies macht das – in einer sich digitalisierenden Welt im-mer wichtiger werdende – „Humankapital“ langfristig teilnahmslos, krank und führt gar zur Kündigung.

Der Grat zwischen Verantwortung für den Mitarbeiter und Kontrolle des Mitarbei-ters ist schmal. Auch hier kann das externe Fehlzeitenmanagement die genauere Linie zie-hen und sich einerseits um die erkrankten Mitarbeiter kümmern und andererseits deren Daten und Angaben sammeln, auswerten und anonymisiert an den Arbeitgeber weiterleiten. „Es ist ein großer Vorteil des externen Fehlzei-tenmanagements, dass wir die Mitarbeiter völ-lig neutral und individuell behandeln, denn wir wissen nicht, ob das ein f leißiger oder ein träger, ein beliebter oder ein gemiedener, ein unterwürfiger oder ein aufmüpfiger Angestell-ter ist – er ist einfach ein wertvoller Mensch“, sagt Holzach.

Muster und Cluster erkennen

Eine zentrale Datenaufbereitung der Fehlzei-ten innerhalb eines Unternehmens kann zu-dem den zusätzlichen positiven Nebeneffekt haben, eventuelle Ursachen besser zu erken-nen. Wenn Mitarbeiter einer bestimmten Ab-teilung häufig über Kopfweh klagen, kann es vielleicht an der Lüftung oder der Anzahl der Drucker im Raum liegen. Wenn Mitarbeiter eines bestimmten Teams mehrmalig über Pro-bleme mit dem Vorgesetzten berichten, kann eben auch dieser als Ursache der Fehlzeiten von neutraler Stelle erkannt werden. In jedem Fall hat die Unternehmensleitung eine größere und vor allem umfassendere Datenbasis zur

Verfügung, um die Ursachen und den Umfang der kostspieligen krankheitsbedingten Abwe-senheiten ihrer Angestellten auszuwerten. Da-mit ermöglicht ein gut strukturiertes Fehlzei-tenmanagement den Arbeitgebern, intelligente und passende Lösungen zu entwickeln.

Demografische Entwicklung

„Fehlzeiten sind Verluste an Arbeitskräften, die sich ein Unternehmen langfristig nicht mehr wird leisten können“, sagt Holzach. Er spielt auf die demografische Entwicklung an, denn die Arbeitnehmer werden analog zur Ge-samtbevölkerung im Schnitt immer älter. Nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern auch innerhalb eines Unternehmens wird der demografische Wandel abgebildet und es wer-den künftig mehr ältere Menschen im Arbeits-prozess stehen als Jüngere. Auch wenn dies je nach Branche unterschiedlich stark ausfällt, müssen Unternehmen künftig mit einer Beleg-schaft arbeiten, in der die über 50-Jährigen die Mehrheit stellen. Zumal die Fachkräfte in ei-nigen Branchen bereits heute Mangelware sind, haben Unternehmen auch eine große in-trinsische Motivation, die gut ausgebildeten älteren Arbeitnehmer länger zu binden und im Arbeitsprozess zu halten. Die Verschiebung des Renteneintrittsalters ist nur ein Hinweis auf diesen Prozess, der noch nicht einmal rich-tig begonnen hat.

Was eigentlich positiv zu werten ist – dass Menschen länger leben und auch länger arbeitsfähig und -willig sind – hat jedoch auf die DNA jedes Unternehmens weitreichende Folgen. Unter anderem die, dass Fehlzeiten aufgrund der vier Hauptkrankheiten (Diabe-tes, Bluthochdruck, krankhaftes Übergewicht und Rückenerkrankungen) im Alter zuneh-men werden. Diese Entwicklung wird neben der angesprochenen Führungsproblematik zu-sätzlich dafür sorgen, dass Fehlzeiten von Mit-arbeitern zunehmen und zu einem immer deutlicheren Kostenfaktor für ein Unterneh-men werden.

Eine zentrale Datenaufbereitung der Fehlzeiten hilft, eventuelle Ursachen besser zu erkennen.

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Schwerpunkte 79

Fahrtziel Echtzeitunternehmen Vom Beifahrer in den Driver SeatWarum In-Memory-Technologien für viel Bewegung sorgen

Dirk Böckmann, avantum consult AG

Impulsgeber in Sachen digitaler Transformation spüren sehr genau die produktive Unruhe, die immer mehr Un-ternehmen aller Größen und aller Branchen gleicherma-ßen zu erfassen beginnt. Der Weg von besseren Geschäfts-abläufen zu neuen Geschäftsmodellen verläuft dabei fließend.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management80 Heft 3 I September 2015

Abbildung 1: Nutzen und Herausforde-rungen der digitalen Trans-formation

Die digitale Transformation diktiert zunehmend das Tempo. Über 1 Milliarde Nutzer sind mittler-weile in sozialen Netzwerken aktiv. Allein in Fa-cebook werden jede Sekunde mehr als 41.000 Mitteilungen abgesetzt, größtenteils mobil. Mit 15 Milliarden webbasierten Smartphones, rund doppelt so vielen Endgeräten wie Menschen, for-miert sich ein starkes und überaus intelligentes Universum. Privates und Geschäftliches fließen

untersagt ist, etwa im Fußball, ist der Trend in Richtung Echtzeitdatenverarbeitung nicht zu stoppen. Findige Entwickler haben dazu einfach die passenden Chips in Kameras eingebaut, de-nen so nichts, aber auch gar nichts mehr verbor-gen bleibt.

Die Datenspur, die jeder hinterlässt, wird immer breiter

Wohin soll das alles führen? Die digitale Trans-formation jedenfalls nimmt zusehends Gestalt an. Immer mehr Manager beginnen, den enor-men Gestaltungsrahmen zu durchdringen, den die neuen Technologien eröffnen. IT- und Fach-abteilung gemeinsam gelten als die entscheiden-den Akteure, wenn es darum geht, die anste-hende Transformation richtig umzusetzen. Die Herausforderungen dabei sind gewaltig. Glaubt man etwa Marktbeobachtern wie IDC, könnten im Jahr 2020 bereits über 200 Milliarden „Endge-räte“ über das Internet miteinander verbunden sein und laufend Daten produzieren, also in Echt-zeit. Alle 2 Jahre dürfte sich so die Datenmenge verdoppeln. Mit der Menge der Daten wächst gleichfalls die Vielfalt der Datentypen. Neben den meist noch recht gut strukturierten Geschäftsda-ten aus einer Unternehmenssoftware, etwa Auf-trägen, Bestellungen oder Umsätzen, sorgen vor allem die unstrukturierten Daten für allerhand Kopfzerbrechen, etwa Audio- und Video-Files, Einträge oder Anzeigen in sozialen Medien und

Neue digital geprägte Jobprofile machen sich die Vorteile der In- Memory-Technologie zu eigen und generieren daraus den größtmögli-chen Nutzen für die Unternehmen.

darin immer mehr zusammen. Den Weg in die Unternehmen hinein findet die digitale Transfor-mation nicht zuletzt über die Millennials, die den Generationswechsel in den Unternehmen einläu-ten. Ob Auto oder Haushaltsgerät, Paketsendung oder Fertigungszelle, in gar nicht allzu ferner Zeit dürften selbst ganze Produktionsstraßen und Fa-briken mit Unmengen von intelligenten Prozes-soren ausgerüstet sein. Selbst dort, wo das (noch)

Das Datenvolumen steigt deutlich, neue Erkenntnisse können die Wettbewerbsfähigkeit steigern

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Schwerpunkte 81

Unternehmenssoftwarelösungen, die selbst bei unvorstellbar hohem Datenvolumen „Analyse“ und „Aktion“ stets fest vereint, ist bereits raus aus den Startlöchern. So entfallen etwa bei SAP S/4HANA nahezu alle Aggregationsebenen. Zwi-schensummen, etwa Tages-, Monats- oder Quar-talsumsätze werden vielmehr stets „real time“ er-mittelt, anstatt einmal durchgerechnet und als starrer Wert in Tabellen zurückgeschrieben zu werden. Damit läuft nicht nur vieles dramatisch einfacher, schneller und flexibler. Auch die bis-weilen verschlungenen Wege zwischen Analyse, Entscheidung und Umsetzung erhalten mächtig Schub und sorgen für reichlich mehr Agilität.

Entscheidungsprozesse auf dem Prüfstand

„Ließen sich drohende Erkrankungswellen, etwa Grippe, Erkältung oder Schnupfen zutreffender vorhersagen, könnten wir besser disponieren und Umsätze realisieren, die heute wegen Fehlmengen ausbleiben, denn ohne ausreichenden Lagerbe-stand keine Lieferungen. Zudem würde davon die Kundenbindung profitieren und weniger Apo-theken zum Mitbewerb abwandern. Ließe sich unser Fluggastaufkommen besser prognostizie-ren, könnten wir die benötigte Treibstoffmenge genauer disponieren. Die Kosten für Sicherungs-geschäfte zur Treibstoffbeschaffung würden sin-ken. Könnten wir den Absatz unserer Zuliefer-teile pro Land genauer vorhersagen, ließe sich die Auslastung unserer weltweiten Produktions-standorte verbessern und Absatzschwankungen einzelner Länder untereinander besser ausglei-chen. Damit wären wir für Absatzkrisen und Boom-Phasen gleichermaßen besser gerüstet und könnten in beiden Richtungen besser reagieren“. Ob Pharmaunternehmen, Fluggesellschaft oder Automobilzulieferer, digitale Transformation heißt stets, Kundenbedürfnisse besser vorherse-hen, Wissen gezielter abrufen, Marktbewegungen genauer erkennen und schneller besser abgesi-cherte Entscheidungen treffen. Der Übergang hin zu ganz neuen Geschäftsmodellen verläuft dabei fließend. So haben Unternehmen wie Pirelli da-mit begonnen, ihre LKW-Reifen mit Sensorik auszustatten. Mittels Echtzeitverarbeitung wird so die Abnutzung laufend überwacht, um genau im richtigen Moment mit den passenden neuen Reifen zur Stelle zu sein. Wenn Reifen so gut wie gar nicht mehr unverhofft platzen, sinken die Ausfallzeiten der gesamten Flotte und die Un-fallrisiken gleichermaßen. Mit den Resultaten der Echtzeitverarbeitung konnten hier sogar die

Blogs, E-Mail-Nachrichten, Bild- und Geodaten oder Suchanfragen etwa bei Google. Die Daten-spur, die jeder hinterlässt, wird immer breiter. Dennoch lassen sich mit herkömmlichen Tech-nologien nur gerade einmal 3% aller Daten brauchbar auswerten, schätzen Experten. Doch auch dieses Blatt beginnt sich zu wenden.

Produktive Unruhe

Was Jahrzehnte lang als illusorisch galt und al-lenfalls in den Köpfen visionärer IT-Architek-ten herumspukte, bahnt sich zunehmend sei-nen Weg in die Unternehmen. Nutzen und Her-ausforderungen sind in Abbildung 1 zusam-mengefasst. Impulsgeber in Sachen digitaler Transformation spüren daher sehr genau die produktive Unruhe, die immer mehr Unterneh-men aller Größen und aller Branchen gleicher-maßen zu erfassen beginnt.

Immer konsequenter erfolgt der Umstieg vom Beifahrersitz in den „Driver Seat“. Vermehrt werden gleich auch Steuerrad und Motor, sprich Software und deren Betriebsplattform, mit ausge-wechselt. Der technische Hintergrund dafür ist – wenngleich stark vereinfacht – rasch erklärt: Was an Daten bisher zwischen internem Hauptspei-cher und externen Festplatten zeitaufwändig „hin und her schwappte“, wird mit Echtzeitplattfor-men und ihrer integrativ vernetzten Infrastruk-tur komplett im Hauptspeicher verarbeitet und damit entlang dem Just-in-Time-Prinzip analy-sierbar. Soweit die Technik. Neue digital geprägte Jobprofile machen sich die Vorteile der In-Me-mory-Technologie zu eigen und generieren da-raus den größtmöglichen Nutzen für die Unter-nehmen. Der „Data Architect“ integriert die meist verteilten Daten-Landschaften eines Unter-nehmens, führt Datenquellen und -ströme zu-sammen und stellt sie für die Datenanalyse pas-send zur Verfügung. Der „Data Scientist“, dessen Stellenprofil der „Harvard Business Review“ als „Sexiest Job of the 21st Century“ bezeichnete, baut darauf auf und kümmert sich um das Heben der „Information Nuggets“, also um die Produk-tion von Erkenntnissen und Entscheidungs-grundlagen durch geeignete Analysen. Hier kom-men oft Anwendungen wie IBM Cognos TM1 zum Einsatz, deren In-Memory-Technologie par-allele und daher überaus schnelle Auswertungen ermöglichen.

Auch transaktionale Business Software kann durch die In-Memory-Technologie deutlich einfacher werden. Eine ganz neue Generation von

Dirk Böckmann (MBA)

Dirk Böckmann ist Vorstand

und Partner bei der avantum

consult AG, einem Unterneh-

men der All for One Steeb

AG. Zuvor hatte Böckmann

bei Capgemini Deutschland

am Aufbau des Fachbereichs

Business Intelligence für den

Mittelstand maßgeblich mit-

gewirkt.

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[email protected]

Tel. +49 21 168 7838 127

www.avantum.de

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management82 Heft 3 I September 2015

Webbasierte Smartphones geben den Takt vor. Für den explosionsartigen An-stieg des Datenvolumens sorgen jedoch immer mehr auch intelligente Prozes-soren, etwa in Haushaltsgeräten, Autos oder ganzen Produktionsstraßen. Die Datenspur wird so immer breiter. Wem es gelingt, daraus laufend neue Er-kenntnisse, etwa über die Dynamik von Kunden, Maschinen oder Märkten ab-zuleiten, kann schneller, viel gezielter und besser abgesichert handeln. Unter-stützung erfährt die digitale Transformation von neuen Technologien. Auch das bisher Undenkbare erfährt damit wichtige neue Impulse.

Kurz und bündig

Flottenversicherer überzeugt werden, weniger Risiko führt zu günstigeren Prämien. Um in Stoßzeiten, etwa während der Ernte, Ausfälle zu vermeiden und die gesamte Ersatzteilversor-gung darauf auszurichten, „zapft“ John Deere seine Landmaschinen zunehmend direkt an. Ähnlich wie bei Pirelli werden auch bei John Deere Millionen von Datensätzen in „real time“ verarbeitet und damit die Produktion und Er-satzteilversorgung wesentlich präziser gesteuert. Auch die unternehmensübergreifenden Pro-zesse erhalten somit eine wesentlich engere und genauere Taktung. An die Stelle von vergleichs-weise starren Lieferketten mit festen Leistungs-beziehungen rücken zunehmend dynamische Business Networks mit projektspezifisch wech-selnden Beziehungen. So übersteigt das Ge-schäftsvolumen, das über die Business to Busi-ness Handelsplattformen von SAP, etwa Ariba und Concur, erzielt wird, das der Consumer

Giganten Ebay, Amazon und Alibaba zusam-men bereits um mehr als das Doppelte. Ein Ne-beneffekt der Echtzeitverarbeitung, so die Er-fahrungen aus der Praxis, ist gleichfalls nicht zu verachten: Auch zeitkritische interne Prozesse, etwa die Erstellung von Monats-, Quartals- und Jahresabschlüssen, lassen sich deutlich schneller abschließen.

Auch das kaum Vorstellbare konsequent durchdenken

Mit konkreten Business Cases, Abbildung 2 zeigt dazu beispielhaft ausgewählte Grundfragen der Wartung einer Flugzeugflotte, gewinnt die Dis-kussion enorm an Substanz. Abläufe gegen ver-nachlässigbare Verarbeitungszeiten zu „mat-chen“ und so auch das bisher kaum Vorstellbare konsequent durchzudenken, so lautet die Er-folgsformel, um gezielt lukrative Anwendungs-felder der neuen Technologien zu evaluieren. Be-reits jedes vierte Unternehmen plane innerhalb der nächsten drei Jahre entsprechende Investitio-nen, so die Analysten von Pierre Audoin Consul-tants (PAC) zusammen mit Accenture, All for One Steeb, Capgemini, Realtech, SAP und T-Sys-tems. Wer sich hingegen nicht bewegt, läuft Ge-fahr, zu verschwinden. Nicht wenige Unterneh-men haben dies bereits schmerzhaft zu spüren bekommen. Seit dem Jahr 2000 sind mehr als die Hälfte aller Firmen aus dem Fortune 500 Index verschwunden, viele davon ganz.

Abbildung 2: Grundfragen der Wartung einer Flugzeugflotte

Das Datenvolumen steigt deutlich, neue Erkenntnisse können die Wettbewerbsfähigkeit steigern

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management84 Heft 3 I September 2015

Verhaltensökonomie der Manager

Welche Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften sind für die erfolgreiche Bewältigung von Managementaufgaben wichtig?

Jochen Kamper, Scheer GmbH

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Schwerpunkte 85

Manager sind wirtschaftlich handelnde Menschen. Mana-ger agieren mit einem kühlen Kopf, um aus wirtschaftli-cher Sicht das Optimum zu erreichen. Manager wollen den Gewinn oder den Umsatz maximieren, Marktanteile verteidigen oder dazugewinnen oder auch nur den Erhalt und das Überleben des Unternehmens sichern. Managern kann es auch wichtig sein, dass es ihren Mitmenschen und der Umwelt gut geht. Dann spenden sie oder sie kaufen auch mal teurere Produkte, die aber für die Natur weniger schädlich sind. Wirtschaftswissenschaftler und Psycholo-gen nehmen diese Aspekte der Verhaltensökonomie im-mer ernster. Sie untersuchen, welche Rolle Gefühle wie Vertrauen oder Angst vor Verlusten bei unseren Entschei-dungen tatsächlich spielen. Wirtschaftssoziologen unter-suchen in diesem Zusammenhang ökonomische Verhal-tensentwicklungen im gesellschaftlichen Kontext.

Der Homo oeconomicus 4.0 bewegt sich heute in einer komplexen globalisierten Welt, in der die Industrialisierung Grenzen und alte Denk-modelle längst überwunden hat. Neue Denk-modelle, wie etwa die Transaktionskosten oder die Spieltheorie, haben in der Wirtschaftswis-senschaft Preise gewonnen. Die Verhaltensöko-nomie der Manager haben diese Denkmodelle noch nicht nachhaltig verändert.

Ausgangspunkt der Verhaltensökonomie der Manager ist der Homo oeconomicus. Marx wollte die Menschen auf ihren ökonomischen Kern reduzieren. Wissenschaftler der Neuro-ökonomie entdecken, dass der Mensch weit we-niger rational reagiert als er meint. Denn oft be-herrschen Emotionen wirtschaftliche Entschei-dungen. Professor Armin Falk beschrieb den Homo reciprocans als einen wirtschaftlich und politisch handelnden Menschen. Dieser denkt nicht nur an den eigenen Vorteil, sondern will seine Umgebung möglichst positiv gestalten, er neigt zu kooperativem Verhalten und bestraft unfaires Verhalten, selbst dann, wenn es mit Kosten verbunden ist.

Verhaltensökonomie der Finanzwirtschaft

Wirtschaftswissenschaftler haben in der Vergan-genheit insbesondere die Verhaltensökonomie der Finanzwirtschaft unter dem Begriff „Behavioral finance“ untersucht und versucht, Marktanoma-lien zu erklären. Seit über 50 Jahren dominiert die neoklassische Kapitalmarkttheorie unser Ver-ständnis für die Abläufe an Finanzmärkten. Sie hat eine Vielzahl von Theorien und Konzepten wie zum Beispiel die Portfoliotheorie, das Capital Asset Pricing oder Value-at-Risk hervorgebracht und ba-siert ganz wesentlich auf der Annahme eines streng rationalen Homo oeconomicus. Kritiker der „Behavioral finance“ unterstützen meist die Theo-rie des vollkommenen Marktes. Inwieweit sich diese Theorien, die auf der Annahme vollkomme-ner Märkte aufbauen, von der Realität entfernt hat-ten, zeigte die Subprime Krise im Jahre 2008.

Typische Theorien der „Behavioral finance“

Die Verlustaversion: Wenn ein Verkauf von Aktien oder anderen Wertpapieren zur Folge

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management86 Heft 3 I September 2015

► Jahrelang wurde Deutschland als Exportwelt-meister gefeiert. Nun wirft uns die Welt genaudas vor. Weil unsere Wirtschaft vor allem da-durch wächst, dass wir so viele Güter ins Aus-land verkaufen, und wir andererseits selbst rela-tiv sparsam sind, sollen wir Mitschuld an derWirtschaftskrise haben.

► Nach der Finanzkrise will die Bundesregie-rung so schnell wie möglich wieder die Wirt-schaft ankurbeln und nimmt dazu hohe Schul-den auf. Doch ist Wachstum um jeden Preiswirklich die richtige Strategie?

► An der Börse geht es nur darum, welche Unter-nehmensaktien die höchsten Gewinne verspre-chen − heißt es. Doch wenn man genau hin-schaut, dann haben die Anleger die Dividendender nachhaltig wirtschaftenden Firmen als einenneuen Zins in der Finanzkrise entdeckt.

Die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg

Mit dem Thema Verhaltensökonomie der Mana-ger wollen wir hier kein weiteres theoretisches Kapitel aufschlagen, sondern dazu beitragen, das Denkmodell der Transaktionskosten in einen di-rekten Zusammenhang zur Verhaltensökonomie der Manager zu setzen. Provozierend wollen wir gleichzeitig die Aussage hinterfragen, ob für den Unterschied zwischen erfolgreichen und erfolglo-sen Unternehmen in erster Linie die Manager verantwortlich sind.

Damit stellen sich zwei wesentliche Fragen: Welche Fähigkeiten und persönlichen Eigen-schaften sind für die erfolgreiche Bewältigung der Managementaufgaben wichtig? Nach welchen Kriterien sollte man geeignete Manager auswäh-len und fördern?

Die Basis des Wirtschaftens und der Öko-nomie ist die Knappheit. Die Knappheit ist das Problem, das die Ökonomie zu lösen versucht. Ir-gendjemand sucht immer irgendetwas: Lebens-mittel, Rohstoffe, Boden, Zeit, Geld, Arbeits-kräfte oder auch technische Lösungen. Diesen Suchprozess nennt man auch Markt. In einem Markt werden Knappheitsverhältnisse angezeigt und Angebot und Nachfrage zusammengebracht. Unter optimalen Bedingungen – wenn alle Marktteilnehmer über die gleichen Informatio-nen verfügen – gelingt es dem Markt, die Knappheit auszugleichen. Die Funktion des Marktes kann jedoch gestört sein, indem der

hätte, dass ein nominaler Verlust realisiert werden muss, so lässt sich häufig ein Unwillen beobachten, diese Transaktion durchzuführen. Dies kann auch erklären, warum die Preise auf dem Immobilienmarkt sich bei schwacher Nachfrage nicht den Angebotspreisen nähern.

Der Besitztumseffekt: Er besagt, dass der wahrgenommene Wert eines Gutes höher ist, wenn man es besitzt. In Verhandlungssituatio-nen kann dadurch die Bereitschaft, zu zahlen, geringer sein, als der objektive Wert des Gutes. Andererseits gilt es ebenso, dass die Bereit-schaft, zu verkaufen, geringer ist und ein hö-herer Preis gefordert wird, als das Gut objektiv wert ist.

Nach dem Besitztumseffekt ist die Bereit-schaft zur Steuerhinterziehung höher, wenn die Steuer nachgezahlt werden muss. Sie ist ge-ringer, wenn der Steuerpflichtige eine Voraus-zahlung geleistet hat und daher eine Rückzah-lung erwarten kann.

Die aktuelle wirtschaftliche Situation thematisiert Widersprüche, mit denen sich der Manager aus Sicht der Verhaltensökonomie auseinandersetzen muss.

► Wenn die Wirtschaft wächst, jubeln alle überden Aufschwung. Doch allein eine gute Kon-junktur heißt noch nicht, dass es auch denMenschen besser geht. Denn in der neuen Ar-beitswelt kommt davon nicht unbedingt etwasim Portemonnaie der Bürger an.

Woran liegt das?

► Die Finanzkrise bringt die Konjunktur inganz Europa unter Druck, erstmals schrumpft die Wirtschaft. Und ausgerechnet Deutschlandwird nun gescholten: Sind wir mit Schuld andem Einbruch, weil unsere Löhne zu niedrigsind?

Die aktuelle wirtschaftliche Situation thematisiert Widersprüche, mit denen sich der Manager aus Sicht der Verhaltensökonomie auseinan-dersetzen muss.

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Schwerpunkte 87

Suchprozess gestört ist, aus ideologischen Grün-den nie vorhanden war oder sich kein Angebot für eine Nachfrage findet – jedenfalls nicht zum gewünschten Preis. Oder der Prozess, dass die Nachfrage ein Angebot sucht, wird umgedreht, sodass ein Angebot seine Nachfrage schafft. So wird aus dem Suchprozess ein Zuweisungs- und Kontrollprozess. Der Staat ersetzt nunmehr die Marktmechanismen.

Zwischen Markt und Staat agieren heute Unternehmen, um mit dem Problem der Knapp-heit umzugehen. Welche Organisation für das Wirtschaften am besten geeignet ist, um das Problem der Knappheit zu lösen, ist die zentrale Frage der Ökonomie. Der Staat drängt sich, offen oder verdeckt, immer stärker in das Wirtschafts-leben hinein. Die Politik nutzt dabei gezielt ihre Gestaltungskraft, um zu steuern und zu regulieren.

Sowohl in Märkten als auch in Unterneh-men fallen Transaktionskosten in unterschiedli-cher Höhe an. Roland Coase, der 1991 den Wirt-schaftsnobelpreis erhielt, stellte die These auf, dass Unternehmen gegründet werden, um den Vorteil geringerer Suchkosten, Vertragskosten, Koordinierungskosten und Kontrollkosten zu nutzen. In Unternehmen sind Transaktionskos-ten tendenziell niedriger als auf dem Markt, da

die Interaktionen nicht über Preise, sondern über Weisungen das individuelle Handeln koor-dinieren. Diese Weisungen können über die Hie-rarchie gesteuert werden oder innerhalb der Wertschöpfung auf der Basis von „Pull“ oder „Push“ gesteuert werden.

Aus Sicht der Verhaltensökonomie liegt da-her die Kernaufgabe des Managements darin, bei Entscheidungen die Transaktionskosten im Auge zu haben. Das liegt auf der Hand bei Ent-scheidungen, denen man das Transaktionskos-tenproblem gleichsam ansieht: Make- or-Buy-Entscheidungen, bei Fragen des Outsourcings und bei Joint Ventures. Nicht so auffällig sind Transaktionskosten, die das Management selbst und über moderne Managementinstrumente ins Unternehmen eingebracht hat: Jedes Meeting, je-des Monitoring-System, jedes Reporting, der Prozess der Zielvereinbarung, die Budgetpla-nungen – all das erzeugt Transaktionskosten.

Alles, was die Transaktionskosten im Unternehmen sinken lässt, ist produktiv und alles, was sie steigen lässt, ist kontraproduk-tiv. Aus Sicht der Verhaltensökonomie der Manager kann die Berücksichtigung der Transaktionskosten weitreichende Folgen haben und Managementpraktiken drama-tisch verändern.

Jochen Kamper

Seit mehr als 20 Jahren ist Jo-

chen Kamper Teil renommier-

ter internationaler Unterneh-

mensberatungen. Bei der

Scheer GmbH ist er fokussiert

auf die Themenbereiche Stra-

tegie, Transformation und

Lean Six Sigma. Seine Erfah-

rungen bestätigen, dass das

Verhalten von Managern im

Rahmen von Transformati-

onsprozessen ausschlagge-

bend ist.

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management88 Heft 3 I September 2015

Das Senken der Transaktionskosten ist kein absoluter Wert

Reinhard Sprenger fragt sich zu Recht: Ist es wirklich notwendig, fünfzig Key Performance Indicators in jedem Winkel der Erde auf Knopf-druck zur Verfügung zu haben? Viele Kennzah-len im Unternehmen haben mit einer Wertori-entierung nichts zu tun. Sie sind lediglich so be-liebt, weil sie sich gut kommunizieren lassen.

Welche Kosten Manager zu zahlen bereit sind, hängt vom Reifegrad des Geschäfts ab und auch davon, in welcher Phase sich das Un-ternehmen befindet. In Aufbauphasen sind hohe Transaktionskosten in Ordnung. Grund-sätzlich gilt: Das Senken der Transaktionskos-ten ist kein absoluter Wert – er ist immer gegen andere Werte zu gewichten und zu balancieren. Wenn Sie zum Beispiel bei Entscheidungen Ihre Mitarbeiter einbeziehen, mitreden und mitentscheiden lassen, dann haben Sie viel-leicht einen Transaktionskostenvorteil ver-spielt, aber unter Umständen viel Produktivität geschaffen.

Insgesamt leidet die deutsche Wirtschaft heute eher an der Zunahme bürokratischer Wasserköpfe und der Verlangsamung von Ab-stimmungs- und Entscheidungsprozessen. Wie ist es also heute zu verstehen, dass Transakti-onskosten in Unternehmen ungestört wachsen, als hätten die Ideen von Coase und anderen Theoretikern nie existiert?

Es ist für viele Unternehmen schwer, sich gegen engmaschige Regulierung durch Corpo-rate Governance, Compliance, Risk-Manage-ment und interne Kontrollsysteme zu wehren, da diese Transaktionskosten selbst erzeugt wer-den. Manager verschaffen sich über diese Funk-tionalitäten Autorität und Macht und rechtfer-tigen ihr Dasein. Da Transaktionskosten den Charakter einer Querschnittsfunktion haben, können diese nicht isoliert oder zugeordnet

werden. Für Transaktionskosten gibt es keine Kostenstelle und auch keine Kostenplanung.

Vor diesem Hintergrund sollten Manager zur Optimierung der Kostenstruktur Prozesse und Strukturen permanent überdenken. Müs-sen wir nicht die Anzahl der Berichtsebenen re-duzieren? Müssen wir nicht überflüssige Pro-zesse eliminieren? Müssen wir nicht Institutio-nen abschaffen, die früher nützlich waren, heute aber ihre Existenzberechtigung nur noch aus der Gewohnheit ziehen? Manager, die Kos-tenziele vorgeben, ohne auch gleichzeitig an der Struktur zu arbeiten, legen nicht das ökono-misch geforderte Verhalten an den Tag.

Damit das Wesen der Transaktionskosten Teil der Verhaltensökonomie der Manager wird, greifen die folgenden Punkte nach und nach die Transaktionskosten in Verbindung mit typischen Aufgabenstellungen des Manage-ments auf:

► Planungen und Zielvereinbarungen überprüfen

► Mitarbeiter-Loyalität erhöhen und Fluktuati-on mindern

► Kundenorientierung sicherstellen

► Vertrauenskultur schaffen

Planungen und Zielvereinbarungen überprüfen: Zielvereinbarungen stammen aus einer Zeit planbarer, ruhiger Abschöpfungsmärkte. Der Austro-Amerikaner Peter Drucker war es in den 50er Jahren, der Zielvereinbarungen als „Management by Objectives“ popularisierte. Damals ging er implizit von zwei Vorausset-zungen aus: 1. Märkte sind planbar2. Menschen ohne Ziele wissen nicht, was sietun sollen.

Aber die Welt von damals hat sich verän-dert. Die Märkte treiben die Unternehmen, und die Unternehmen treiben die Manager. Alles drängt, alles muss schnell gehen. Die Kette der Herausforderungen reißt nicht ab. Die Innova-tionskraft ist stärker gefordert und die Bin-dungsnotwendigkeit schrumpft. Es ist die Zeit des Internets und der Digitalisierung, aufge-klärter Konsumenten und starker Absatz-schwankungen in einstigen Kernmärkten.

Auf der Seite der Mitarbeiter verdrehen Planungen die Prioritäten. Statt sich auf den Kunden zu konzentrieren, orientiert sich das

Welche Kosten Manager zu zahlen bereit sind, hängt vom Reifegrad des Geschäfts ab und auch davon, in welcher Phase sich das Unterneh-men befindet. 

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Schwerpunkte 89

Unternehmerisches Handeln sollte sich am Kunden orientieren und weniger auf die Bürokratie fokussiert sein.

Handeln an der Planung. Zielvereinbarungssys-teme führen häufig dazu, dass sich die Mitar-beiter auf die Zielerreichung konzentrieren, an-statt sich um Marktchancen zu kümmern. So wie in Unternehmen zu oft gefragt wird: Was will der Chef? Aber dieser ist dem Kunden ziemlich egal.

Wer mit Planungen versucht, die Komple-xität in den Griff zu bekommen, dem schießen die Transaktionskosten durch die Decke: dau-ernde Abweichungskontrollen, permanente Plananpassung, Nachverhandlungen. Zuge-spitzt kann man sagen: Wer Planzahlen er-reicht, ist im Sinne der Ökonomie kein Mana-ger, sondern ein Bürokrat.

Wenn ein Unternehmen auf wechselnde Kundenbedürfnisse und Marktveränderungen richtig reagieren soll, dann kann das eine zent-rale Planung nicht leisten. Leisten kann das in effizienter Weise nur ein Unternehmen, wenn alle Einheiten, Teile und Stellen selbstgesteuert im Sinne der Ökonomie handeln. Nur die Ko-ordination der Zusammenarbeit und Vorgaben zur Rentabilität oder zur Marktführerschaft müssen von der Zentrale kommen.

Mitarbeiter- und Kundenloyalität erhöhen und Fluktuation mindern: Die Anwerbung und Einstellung neuer Mitar-beiter ist teuer. Sich von ihnen zu trennen ebenso. Dass eine hohe Kundenfluktuation hohe Transaktionskosten erzeugt, ist unmittel-bar plausibel. Auch der häufige Wechsel von Kooperations- und Vertragspartnern erzeugt Kosten. Besonders kostenintensiv ist eine hohe Fluktuationsrate bei wissensintensiven Gütern. Denn diese sind schlecht im Voraus zu prüfen. Sie können zum Beispiel einen Rechtsanwalt nicht vorher testen.

Das heißt im Klartext: Die häufige Aus-wahl und der Wechsel von Mitarbeitern und Kooperationspartnern sollten möglichst ver-mieden werden. Zugespitzt kann man auch sa-gen, dass der Wettbewerb der Zukunft auf den Personalmärkten entschieden wird. Selbst in wirtschaftlichen Krisenzeiten mangelt es an Fach- und Führungskräften. In diesem Zusam-menhang kann die Verhaltensökonomie der Manager eine große Rolle spielen, wenn es um die Bindung der Leistungsträger an das Unter-nehmen geht.

Die Erfahrung zeigt, dass man eine starke Mitarbeiterbindung erreichen kann, wenn man loslässt, wenn Manager ihre Mitarbeiter

absichtslos führen. Wir wissen aus der Sozial-psychologie: Gerade durch das Loslassen erzeu-gen wir Bindung – Selbstbindung.

Wie können Sie es als Manager schaffen, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, gerne kommen und bleiben und damit Transaktions-kosten senken?

Die Praxis zeigt: Menschen kommen zu Unternehmen, aber sie verlassen Vorgesetzte. Auf die Beziehung und das Verhalten zwischen Manager und Mitarbeiter kommt es an. Nicht Sanktionen oder Belohnungen binden Mitar-beiter, sondern die Qualität zwischenmenschli-cher Beziehungen. Das geht auch über die Ma-nager-Mitarbeiter-Beziehung hinaus. Ein Un-ternehmen ohne einen Freund ist ein Feind. Ein weiterer Grund für Mitarbeiter, in einem Un-ternehmen zu bleiben, besteht im Zugang zu

spannenden und herausfordernden Aufgaben oder Projekten. Ein Mangel an anspruchsvollen Aufgaben demotiviert die Mitarbeiter.

Nicht zuletzt wollen die Mitarbeiter den Namen ihres Unternehmens mit Stolz nennen können. Sie wünschen sich, dass der Stolz des Unternehmens sich auf sie überträgt. Ihr Stolz kann aus der Produktion, der Tradition, der Unternehmenspolitik oder dem gesellschaftli-chen Beitrag des Unternehmens resultieren. Fehlt es an jeglichem Glanz, dann suchen die Mitarbeiter die erstbeste Gelegenheit, für ein Unternehmen mit größerer Reputation zu arbeiten.

Kundenorientierung: Unternehmerisches Handeln sollte sich am Kunden orientieren und weniger auf die Büro-kratie fokussiert sein. Große Organisationen entwickeln eine ausgeprägte Eigendynamik. Je größer der Apparat, desto größer das Selbstin-teresse. Seit Parkinsons berühmten Studien sind wir genügend informiert über die Logik

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IM+io Fachzeitschrift für Innovation, Organisation und Management90 Heft 3 I September 2015

großer Organisationen. Erfahrene CEOs stim-men der Behauptung zu: Das Management be-schäftigt sich zu 90% mit Problemen, die es selbst erzeugt. Die Neigung von Organisatio-nen, sich mit sich selbst zu beschäftigen, treibt die Transaktionskosten ins Unermessliche.

Im Unternehmen sind alle Mitarbeiter Lieferanten

In vielen Unternehmen wird von einer inter-nen Lieferanten-Kunden-Beziehung gespro-chen. Insbesondere das Management sieht sich in diesem Rollenverständnis eher als Kunde. Dazu träge das Organigramm ebenso bei wie Formulierungen wie „Dieser Mitarbeiter ar-beitet für mich“ oder „All diese Abteilungen müssen an mich berichten“. Das Management könnte sich aber auch als Lieferant begreifen: Als Lieferant von Möglichkeiten, Freiräumen und Unterstützung. Die Managementaufgabe bestünde dann darin, die eigene Lieferanten-rolle anzuerkennen.

Aus Sicht der Transaktionskosten verfehlt diese Diskussion jedoch den Kern: Im Unter-nehmen sind alle Mitarbeiter Lieferanten. Es gibt keine Kunden im Unternehmen. Der Kunde ist draußen, auf dem Markt. Manager sind gefordert, das Unternehmen so zu struktu-rieren, dass es keine Kunden-Lieferanten-Bezie-hungen innerhalb des Unternehmens gibt. Die Nachfrager-Anbieter-Interaktion ist die kleinste Einheit der Wirtschaft und ihre

wichtigste. An diese sollten sich Manager im-mer wieder erinnern, wenn sie eine Gestal-tungsaufgabe lösen wollen.

Hierarchie führt zu einer Vertikalspan-nung, Kundenorientierung führt zu einer Hori-zontalspannung. Wie können Manager das Un-ternehmen in einer Horizontalspannung hal-ten? Wie können Manager einen Zug nach au-ßen erzeugen, zum Markt und zum Kunden?

1. Unterlassen und verhindern Sie alles, wasVertikalspannung erzeugt. Unterlassen Sie alles,was Bürokratie schafft und Entscheidungswegeverlängert. Alles, was das Oben/Unten befeuert,sollte kritisch hinterfragt werden.

2. Wehren Sie sich täglich gegen die Springflu-ten des Reportings und Monitorings.

3. Erinnern Sie sich regelmäßig an den Existenz-grund des Unternehmens: an den Kunden. Den-ken Sie vom Kunden her, ob marktgetrieben odermarkttreibend. Früher haben große Handelsfir-men Marken gemacht – heute machen Kundendie Marke. Sie mischen sich ein, Sie sagen: Daswill ich haben, das will ich anders haben. Daraufmüssen Sie reagieren, nicht auf das, was die Hie-rarchie will.

4. Verhindern Sie die Erzeugung immenserTransaktionskosten durch eine falsche oder in-konsequente Personalauswahl. Insbesonderebei Missgriffen auf der Führungsebene revi-diert man selten und meistens viel zu spät dieAuswahlentscheidung.

Vertrauenskultur: Bürokratie bedeutet Krieg, genauer gesagt Pa-pierkrieg und modernen E-Mail-Krieg. Warum wird dieser Krieg geführt? Aufgrund mangeln-den Vertrauens. Misstrauen wird Unternehmen von außen durch den Gesetzgeber oktroyiert oder von innen durch eine wuchernde Absiche-rungsmentalität induziert. Bürokratien sind immer ein Zeichen von Misstrauen. Bürokratie erzeugt Kosten, schafft aber sonst keinerlei Wert. Unter Umständen wird sogar in größe-rem Maße Wert vernichtet, denn die Kont-rollaktivitäten erschöpfen die kreativen Ener-gien der Mitarbeiter.

Aus der Perspektive der Transaktionskosten ist nichts so billig wie Vertrauen. Vertrauen dar-auf, dass wir intelligente, selbstverantwortliche Mitarbeiter haben, die einen guten Job machen

Aus Sicht der Verhaltensökonomie liegt eine Kernaufgabe des Managements darin, bei Ent-scheidungen die Transaktionskosten im Auge zu haben. Das liegt auf der Hand bei Entscheidun-gen, denen man das Transaktionskostenproblem gleichsam ansieht: Make-or-Buy-Entscheidungen, bei Fragen des Outsourcings und bei Joint Ven-tures. Hinzu kommen Transaktionskosten, die das Management selbst über moderne Management-instrumente ins Unternehmen eingebracht hat: Meetings, Monitoring-Systeme, Reporting und Ähnliches. Alles, was die Transaktionskosten im Unternehmen sinken lässt, ist produktiv und alles, was sie steigen lässt, ist kontraproduktiv. Aus Sicht der Verhaltensökonomie der Manager kann die Berücksichtigung der Transaktionskosten weitreichende Folgen haben und Management-praktiken dramatisch verändern.

Kurz und bündig

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Schwerpunkte 91

wollen und flexibel auf die Anforderungen der Kunden reagieren. Soll sich Selbstverantwortung entwickeln, braucht der Mitarbeiter Vertrauen. Solange Unternehmen von der Vorstellung gera-dezu besessen sind, dass die Mitarbeiter dazu neigen, nur zu betrügen, werden sie ein Überwa-chungssystem nach dem anderen installieren. Hoher Rechtfertigungsdruck verschleißt Ver-trauen. Mit einem steigenden Rechtfertigungs-druck sinkt die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dann wuchern die CCs in den E-Mails und treiben die von Misstrauen induzier-ten Transaktionskosten in die Höhe. In der tägli-chen Praxis bedeutet das, den Rechtfertigungs-druck zu analysieren und gegebenenfalls zurück-zufahren. Grundsätzlich sollte kein Chef pedan-tisch Fehler verfolgen.

Als Führungskraft ist es nicht ausreichend, mit moralisierendem Unterton eine Vertrauens-organisation einzufordern. Es muss vermittelt werden, warum Vertrauen Komplexität redu-ziert, Prozesse beschleunigt, Problemlösungen effektiv macht und effizient ist. Auf dieser Basis sind entsprechende Konsequenzen und Entschei-dungen zu treffen. Hierzu gehören zuerst der Kontrollverzicht und der Abbau von Regularien. Dabei geht es nicht darum, alle Kontrollsysteme abzuschaffen. Wichtiger ist, dass die Mitarbeiter die Rücknahme beobachten können.

Man könnte meinen, dass die Organisation an sich schon hohe Transaktionskosten produ-ziert. Der Akt des Organisierens sollte mithin Transaktionskosten senken, obwohl der Akt durch Meetings und durch den erforderlichen Informationsaustausch zuerst Transaktionskos-ten produziert. Hier sind Führungskräfte ge-fragt, die dieses Dilemma sehen und täglich das Wuchern der Transaktionskosten zähmen.

Welche individuellen Anlagen und Verhal-tensweisen der Manager vermeiden hohe Transaktionskosten?

Grundsätzlich erfordert es die Bereitschaft und die Fähigkeit des Managers, sich überhaupt auf das relativ komplexe Denkmodell der Transak-tionskosten einzulassen. Manager sind insbe-sondere gefordert, mit offenen Augen durch das Unternehmen zu gehen und die Abläufe und Prozesse aus Sicht der Transaktionskosten zu analysieren und zu prüfen. Darüber hinaus sind Manager gefordert, für die Umsetzung der ge-wonnenen Eindrücke einzustehen und für de-ren Umsetzung zu kämpfen.

Die Frage nach Ansätzen zur Vermeidung von Transaktionskosten ist durchaus abhängig von der Unternehmensgröße. Viele kleine Unter-nehmen besitzen heute den Vorteil der organi-satorischen Rückständigkeit. Sie haben nicht jede Management-Mode mitgemacht. Hier ist besonders das Verhalten der Manager gefordert, Nein zu sagen. Der Begründungsaufwand ist häufig hoch, denn hier sind starke Manager ge-fragt, die sich gegen den Mainstream stellen wollen und können.

Ein Nein-Sager weiß präzise, wogegen er ist, aber nur selten genau, wofür er ist. Das diskredi-tiert ihn in den Augen der Herde. Er entscheidet sich bewusst für das Offene und wehrt sich gegen die Schließung. Peter Lau drückt dies einfach aus: „Ja ist eine Straße - Nein ist ein Horizont“, also nur etwas für souveräne Manager. Manager, die das Denkmodell der Transaktionskosten nutzen, müssen schon ein gewisses Maß an Unabhängig-keit haben, eine autonome Persönlichkeit, die auch Gegenwind aushält und sich für Ergebnis-tragendes einsetzt.

Aus Sicht der Verhaltensökonomie der Ma-nager ist es im Sinne der Transaktionskosten be-sonders wichtig, sich auf die Denk- und Vorstel-lungswelt des Anderen einzulassen. Wenn Sie als Manager adressatenorientiert denken, sprechen und handeln, dann genügen Sie dieser Forde-rung. Zu oft steht für Manager die Frage im Vor-dergrund: „Was ist für mich drin?“ Zwar stellt niemand diese Frage explizit, doch deutlich spür-bar ist ein nehmendes Verhältnis zur Umwelt. Manager, die die Frage: Was kann ich bieten? in den Vordergrund ihres Handelns stellen, spiegeln ein gebendes Verhältnis zur Umwelt wider. Die-ses Verständnis hat nichts mit Selbstlosigkeit zu tun, sondern bedingt den eigenen Vorteil als Folge des Gebens.

Grundsätzlich erfordert es die Bereitschaft und die Fähigkeit des Managers, sich überhaupt auf das relativ komplexe Denkmodell der Transaktionskosten einzulassen.

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Netzwerk

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94 GFFT Spezial Neues GFFT-Kooperationsnetzwerk für die verbesserte Qualität großer IT-Projekte

Industrie 4.0-Intensivkurs mit GFFT und Fraunhofer-Projektgruppe

95 Software-Cluster Spezial Bund fördert Software-Cluster- Internationalisierungsstrategie

96 CIO Executive Circle Jahrestreffen der IT-Entscheider

97 CIO Gipfel 2015 CIO mit Potenzial für den Vorstand

98 AWSi AWSi startet durch

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94 Netzwerk | GFFT Spezial

Mit dem Aufbau eines Kooperationsnetzwerks hat die GFFT am 1. Juni 2015 begonnen. Unter dem Titel „Erfolgreiche IT-Großprojekte: Mit System zum Erfolg“ erarbeitet das Netzwerk ein Portfolio von Kompetenzen, Methoden und Werkzeugen, die für eine höhere Erfolgs-wahrscheinlichkeit großer IT-Projekte sorgen.

Gestartet ist das Kooperationsnetzwerk zunächst mit acht kleinen und mittelständi-schen Technologiepartnern, die in ihrem jewei-ligen Themengebiet technologische Spitzenpro-dukte und Dienstleistungen anbieten, zehn re-nommierten Forschungseinrichtungen und mehreren großen Unternehmen.

Aufgrund der hohen Komplexität der Pro-zesse, der steigenden Vernetzung mit den Geschäfts- und Entwicklungspartnern sowie der zu verarbeitenden Menge an Daten sind IT-Großprojekte mit vielfältigen Herausforde-rungen verbunden und in ihrer Gesamtheit schwer zu planen und zu steuern. Die Arbeit des Netzwerkes wird über drei Jahre durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Die vierte industrielle Revolution, auch als „In-dustrie 4.0“ bezeichnet, steht für einen deutli-chen Wandel durch die Digitalisierung von Produktion und Logistik. Zur Unterstützung der Unternehmen bietet die GFFT den Unter-nehmen einen eintägigen Intensivkurs an.

Kernpunkte sind tiefgehende Informatio-nen zum State of the Art im Bereich Industrie 4.0. Diverse Einsatzszenarien, von anderen Un-ternehmen erreichte Ergebnisse, neue Technolo-gien und zukünftige Entwicklungen werden kompetent und verständlich erläutert. An einem optionalen zweiten Tag diskutieren die Experten mit den Verantwortlichen im Unternehmen über deren Planung, hinterfragen die bestehende Stra-tegie, benennen zusätzliche Alternativen und er-arbeiten gemeinsam eine umsetzbare und zu-kunftsfähige Roadmap.

Neues GFFT-Kooperationsnetzwerk für die verbesserte Qualität großer IT-Projekte

Industrie 4.0-Intensivkurs mit GFFT und Fraunhofer-Projektgruppe

gefördert. In dieser Zeit ist eine kontinuierli-che Ausweitung geplant. So wird einerseits die Methodik in die Breite getragen, andererseits die Projektqualität bei den Endkunden spür-bar verbessert.

„Mit E2E Commerce bieten wir unseren Kunden eine umfassende Lösung, die das erfolgreiche Umsetzen, Betreiben und Über-wachen Ihres E-Commerce nachhaltig unter-stützt“, sagt Ulrich Storck, Chief Technology Officer der E2E Technologies.

Stephan Prinzkosky, Geschäftsführer der E2E Technologies, ergänzt: „Eine erfolgreiche Multi-Channel-Strategie ist nur so gut, wie das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten. Und genau da können wir aufgrund unserer erfolgreichen Integrationsprojekte im E-Com-merce-Umfeld der letzten Jahre viel Know-how und Erfahrung in die neue Lösung ein-bringen.“

www.gfft-portal.de

Die Experten der GFFT und der Fraunhofer-Pro-jektgruppe „Ressourceneffiziente Mechatroni-sche Verarbeitungsmaschinen“ (RMV) besitzen langjährige Erfahrung und ein breites Wissens-spektrum bei der systematischen Untersuchung der Digitalisierung in der industriellen Produkti-on und den hierfür notwendigen Technologien. Aus vielen Praxis- und Forschungsprojekten re-sultieren umfassende Erfahrungen für industri-elle Anwendungen in Produktion und Logistik. Insbesondere die Entwicklung von Referenzar-chitekturen, die Integration einer betriebsparal-lelen Simulationsumgebung, Methoden zur Pla-nung und Steuerung von CPPS sowie Lösungs-ansätze für die Ad-hoc-Kommunikation zwi-schen Maschine, Steuerung und Produktions-umgebung wurden untersucht und praxisgerecht weiterentwickelt.

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95Software-Cluster Spezial | Netzwerk

Der deutsche Software-Cluster wird ab 2016 seine internationale Vernetzung mit dem Sili-con Valley, Singapur und Brasilien ausbauen. Unterstützung dabei erhält er vom Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „Internatio-nalisierung von Spitzenclustern, Zukunftspro-jekten und vergleichbaren Netzwerken“. Die vor-gestellte Internationalisierungsstrategie über-zeugte das unabhängige Expertengremium bei der Präsentation durch die Clustervertreter Harald Schöning (Software AG), Wolfgang Wahlster (DFKI) und Gino Brunetti (Cluster-manager) am 8. Juni 2015 in Berlin. Insgesamt stehen in den nächsten Jahren bis zu vier Milli-onen Euro Förderung zur Verfügung.

„Die Erfolgsgeschichte des deutschen Software-Clusters geht weiter“, so Clusterspre-cher Dr. Harald Schöning, Vice President Rese-arch der Software AG. „Seit der Auszeichnung als Spitzencluster im Jahr 2010 hat sich der deutsche Südwesten rund um Darmstadt, Karls ruhe, Kaiserslautern und Saarbrücken nachhaltig als Europas Silicon Valley der Unter-nehmenssoftware etabliert. Mit den geschaffe-nen Netzwerken und Technologien wollen wir nun verstärkt in internationale Forschungs-kooperationen eintreten, um den Software- Standort Deutschland zu stärken. Kleinen und mittleren Unternehmen werden dadurch neue Kooperationschancen eröffnet und der Zugang zu internationalen Märkten wird ihnen erleichtert.“

Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, Vorsitzender der Geschäftsführung des Deutschen For-schungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Software-Cluster-Strategieboard-mitglied, ergänzt: „Die Innovationsgeschwin-digkeit bei der Digitalisierung ist rasant. Wir wollen in den nächsten Jahren durch Zusam-menarbeit mit Partnern aus dem Silicon Valley, Singapur und Brasilien dafür sorgen, dass Deutschland und der Software-Cluster bei dem

Bund fördert Software-Cluster- Internationalisierungsstrategie

Megatrend Industrie 4.0 Leitanbieter bleibt und bei Smart Services die maßgeblichen Entwick-lungen mitgestaltet“.

Deutschland ist weltweit vor den USA und Japan, aber nach China auf Platz 2 beim Export von forschungsintensiven Gütern. Um diese he-rausragende Position halten zu können, stärkt die Bundesregierung die strategische Internati-onalisierung der Spitzenforschung mit der För-dermaßnahme „Internationalisierung von Spit-zenclustern, Zukunftsprojekten und vergleich-baren Netzwerken“. „Unternehmen, Hochschu-len und Forschungseinrichtungen wird die neue Initiative dabei helfen, sich an internationalen Innovationsprozessen zu beteiligen und sie ak-tiv zu gestalten“, sagte Bundesforschungsminis-terin Prof. Dr. Wanka.

Die Internationalisierung von Clustern und Netzwerken ist Bestandteil der neuen Hightech-Strategie, mit der die Bundesregie-rung aus Ideen Innovationen macht und Ver-bindungen zwischen Wissenschaft und Wirt-schaft, Forschung und Gesellschaft knüpft. Gleichzeitig ist sie ein Baustein im Aktionsplan „Internationale Kooperation“ des BMBF. So werden Zukunftschancen und die Arbeitsplätze von morgen geschaffen.

Der Software-Cluster und weitere ausge-wählte Projekte wurden im Rahmen der 3. In-ternationalen Clusterkonferenz des BMBF offi-ziell durch Ministerin Prof. Dr. Wanka prä-miert.

Der deutsche Software-Cluster erhält in den nächsten Jahren bis zu vier Millionen Euro Förde-rung für Internationalisierungsaktivitäten durch den Bund. Die Internationalisierungsstrategie baut auf verstärkte F&E-Projekte mit dem Silicon Valley, Singapur und Brasilien auf.

Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, Vorsitzender der Geschäfts-führung des Deutschen For-schungszentrums für Künstli-che Intelligenz (DFKI) und Software-Cluster-Strategie-boardmitglied: „Die Innovati-onsgeschwindigkeit bei der Digitalisierung ist rasant.“

Clustersprecher Dr. Harald Schöning, Vice President Research der Software AG: „Mit den geschaffenen Netz-werken und Technologien wollen wir nun verstärkt in internationale Forschungs-kooperationen eintreten, um den Software-Standort Deutschland zu stärken.“

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96 Netzwerk | CIO Executive Circle

Unter dem Motto „IT zwischen steigenden Anforderungen, Kostendruck und Innovati-on“ begrüßte Management Circle zum „CIO Executive Circle 2015“ am 6. und 7. Juli 2015 mehr als 100 IT-Entscheider im Kempinski Hotel Frankfurt Gravenbruch in Frankfurt am Main.

Die Herausforderungen der Digitalisierung für Unternehmen bestehen unter anderem in der hohen Innovationsgeschwindigkeit durch neue Technologien und den notwendigen Verände-rungen, die Unternehmen schaffen müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Dass der IT hierbei eine Schlüsselrolle zukommt, war Tenor des dritten CIO Executive Circle.

Mit Prof. Dr. Helmut Krcmar, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, Techni-sche Universität München, und IM+io-Chefre-dakteur Wolf-Dietrich Lorenz führten zwei führende Köpfe durch die zweitägige Veranstal-tung. Ziel des CIO Executive Circles war es, ak-tuelle Trends zu beleuchten und den offenen Dialog über Lösungsansätze zukünftiger Her-ausforderungen zu fördern.

Spannungsfeld zwischen IT und Business auflösen

Im Vordergrund der Konferenz stand dabei ne-ben den klassischen Aufgaben der IT vor allem die digitale Transformation. Edgar Aschen-brenner, CIO von EON, legte eindrucksvoll dar, wie der Konzern ein Zusammenspiel von klas-sischen und modernen IT-Services organisiert. Das Miteinander zweier unterschiedlicher Aus-richtungen dürfe dabei keinen Widerspruch darstellen, sondern müsse einander ergänzen: Einerseits eine IT, die agil auf den immer kurz-fristigeren Änderungsbedarf des Business ant-wortet, zum anderen stabile IT-Services, mit de-nen das Unternehmen verlässlich wirtschaften könne. Dr. Michael Kranz, CIO, ThyssenKrupp Steel Europe AG, betonte, dass am effizienten und bedarfsgerechten Management von Ser-vices künftig die Qualität gemessen werde. Ne-ben der strategischen Ausrichtung sei es not-wendig, die organisatorischen, prozessualen und technischen Voraussetzungen zu schaffen. Ähnlich sieht es Andreas Weber, Leiter IT und

CIO Executive Circle: Jahrestreffen der IT-Entscheider

Organisation, HOCHTIEF Projektentwicklung GmbH. Er betonte, dass das Spannungsfeld zwischen IT und Business aufgrund des immer schnelleren Anforderungszyklus größer werde. Eine Lösung bestünde in der Weiterentwick-lung der Prozesse und ergänzend der Einfüh-rung neuer Methoden wie etwa „Open Innovation“.

Erfolg in der digitalen Transformation

In einer anregenden Podiumsdiskussion zu „IT zwischen Kostendruck und Innovationen“ ga-ben Edgar Aschenbrenner, Andreas Weber und Dr. Michael Lontke, CIO der Hamburg Südame-rikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft KG, wichtige Impulse zu essentiellen Themen. Da-bei wurde deutlich, dass sich Unternehmen schon frühzeitig der Digitalisierung stellen müssen. Aber ebenso, dass es die Aufgabe der IT sei, Investitionen in die Digitalisierung trotz Kostendrucks anhand von konkreten Business Cases intern durchzusetzen.

So betonte auch Prof. Helmut Krcmar in seiner Keynote, Führungskräfte hätten die Auf-gabe, in diesem dynamischen Umfeld Orientie-rung zu geben. Dies gelänge jedoch nur, wenn ein Verständnis der wesentlichen Eigenschaften der digitalen Transformation, der Kenntnis der dahinter liegenden Grundprinzipien und der Entwicklung eines dazu passenden Führungs-konzeptes vorhanden sei. Jetzt ginge es darum, Smart Services auf neuen und existierenden Plattformen durch Co-Innovation mit Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern zu entwerfen und das in agiler Weise und vor allem zeitnah, denn Geschwindigkeit sei nun der entscheidende Faktor.

Der Termin für den nächsten CIO Executive Circle ist der 4. und 5. Juli 2016.

www.cio-executivecircle.de

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97CIO Gipfel 2015 | Netzwerk

Themen rund um die digitale Transformation bestimmten den „CIO Gipfel 2015“ in Heili-gendamm. Renommierte Referenten erörtern auf dem Marcus-Evans-Event aktuelle Kern-probleme des IT-Managements im Dialog und zeigten für IT-Führungsspitzen profunde Lö-sungsansätze auf.

„Die Digitale Transformation kommt – unausweichlich“, stimmte Professor Dr. Helmut Krcmar, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsin-formatik, Technische Universität München, die Teilnehmer des „CIO Gipfel 2015“ in Heiligen-damm auf den Wandel in Wirtschaft und Ge-sellschaft ein. So unausweichlich und unum-kehrbar die Digitalisierung im Prinzip ist, so zeigt sie sich zugleich unsicher in der Umset-zung. Doch das Ziel lohne, wie der Münchner Professor den IT-Führungskräften versicherte. Es geht um den Nutzenzuwachs zusammen mit neuer Wertschöpfung für den einzelnen Kunden.

Viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen sind auf dem Weg zur Digitalen Transformation. Dies belegte der „CIO Gipfel 2015“ mit Präsentationen und Erfahrungsbe-richten. Durch Big Data & Analytics differen-ziert sich beispielsweise die Deutsche Lufthansa AG im Wettbewerb, wie Dr. Roland Schütz, Se-nior Vice President Information Management, Chief Information Officer Lufthansa Passage, erörterte.

Business/IT Alignment zählt – nach wie vor und auch während der Digitalisierung – zu den großen Herausforderungen. Denn unab-hängig von der Branche kämpfen viele CIOs da-mit, Business und IT in Einklang zu bringen. Wie das Business und die IT erfolgreicher zu-sammenarbeiten können, erörterte Ricardo Diaz Rohr, Chief Information Officer der Media- Saturn-Holding GmbH, in seiner Case Study Präsentation.

Eine neue Lesart von „CIO“

Die IT bestimmt immer mehr Anwendungsge-biete in allen Branchen, so auch im Gesundheits-wesen. Lösungen sind hier besonders bei der Konvergenz von IT und Medizintechnik gesucht. Der Spagat zwischen Investitionen in „build IT“ und „run IT“ wird immer schwieriger, betonte

CIO mit Potenzial für den Vorstand

Helmut Schlegel, Mitglied des Vorstands im Verband der deutschen Krankenhaus IT-Lei-terinnen/Leiter e.V., und Abteilungsleiter In-formationsverarbeitung im Klinikum Nürn-berg AöR.

Platz im Vorstand

Transformationen durch IT zeigen sich allerorten: Wie verändert sich dabei die Rolle des CIOs in Zukunft? Welche Perspektiven zu erwarten sind, diskutierten Dr. Martin Nusswald, Chief Infor-mation Officer, HX Holding GmbH, und Dr. Adrian Schuster, Direktor IT, Paracelsuskliniken, mit Professor Krcmar. Technologie-Know-how ist weiterhin die Basis. Hinzu kommt das fundierte Businessverständnis. Dann erst lässt der Dialog mit der Unternehmensspitze Ergebnisse und neue Geschäftsmodelle erwarten. Katalysator dafür ist ein gewachsenes Selbstvertrauen des CIO. Entsprechend der zentralen Bedeutung der IT in Unternehmen ist dann sein Platz im Vorstand keine leere Vorstellung mehr.

Der 17. „CIO Gipfel“ bot auch in diesem Jahr ein breites Spannungsfeld zur Busi-ness-Orientierung für den CIO. Dies ergänzten exklusive Networking-Möglichkeiten für Füh-rungskräfte auf Augenhöhe und die Chance zum intensiven Austausch von Hintergrundin-formationen mit den Event-Sponsoren aus der Industrie.

Nächster CIO Gipfel: 21 bis 23. Juni 2016.

www.ciogipfel.com

Wie verändert sich die Rolle des CIOs in Zukunft? Pers-pektiven der Digitalisierung diskutierten Professor Dr. Helmut Krcmar, TU Mün-chen, Dr. Adrian Schuster, Direktor IT, Paracelsusklini-ken, und Dr. Martin Nuss-wald, Chief Information Officer, HX Holding GmbH (v.l.n.r.).

Unter diesem Link finden

Sie mehr zum Thema:

http://bit.ly/1MXy32P

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Das AWS Institut für digitale Produkte und Prozesse, AWSi, bezieht im Scheer Tower auf dem Uni-Campus Saarbrücken neue Räume. Mit dem zusätzlichen Platzangebot wird es nun möglich, das Themenfeld Industrie 4.0 noch umfassender zu bearbeiten. Startend von der Informationsverarbeitung erweitert man die Forschung am Institut nun um ein weiteres Glied in der Entwicklungskette zu Industrie 4.0, um die additive Fertigung.

AWSi startet durch

Das AWS Institut für digitale Produkte und Prozesse wurde 2014 von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer gegründet. Auf-gabe und Ziele des Institutes sind Forschung und Lehre sowie die Förderung des anwen-dungsorientierten Forschungstransfers auf in-ternationalem Niveau. Zu den Forschungs-schwerpunkten gehören Industrie 4.0, Digitali-sierung des Consulting, Digitales Lernen und neue Geschäftsmodelle.

Netzwerk | AWSi

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Unser Zielpublikum sind Personen aller Führungsstufen und Projektmitarbei-tende aus privaten und öffentlichen Organisationen und Unternehmungen. Wir bieten in öffentlichen und betriebsinternen Intensiv-Kursen praktische Führungs erfahrung und Managementwissen an zu den Bereichen:

► Projekt- und Prozessmanagement ► Führung, Kommunikation ► Kreativität und Innovation ► Management-Techniken ► Supply Chain Management

Themen und Termine im Einzelnen unter www.bwi.ch

Wir bringen Ihre Karriere in Schwung.

21. – 22. Septemberund 5. Oktober 2015

15. Oktober und1. Dezember 2015

Start: 18. September 2015

30. September –2. Oktober 2015

Start: 28. September 2015 Ende: 24. November 2015

Freitag, 23. Oktober 2015

Start: 19. September 2015 Ende: 4. Dezember 2015

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Self-management in Projects (engl.)

Project work is being done in the field of tension between objectives, time and resources. In there the dif-ferent parties always have to find an optimal balance. This calls for a high level of personal competence of all involved and includes in particular the skills of self-reflection and self-management.

OBC Suisse AG, ZürichCHF 3150

PMI ACP® Zertifizierungsbegleitung

Die PMI-ACP® Zertifizierung deckt die verbreiteten agilen Methoden ab und dient als fundierter Nachweis von Kenntnissen auf dem Gebiet dieser Projektmanagement-Methode. Ent-wickeln Sie Ihre Kompetenz für die agile Projektabwicklung und werden Sie PMI Agile Certified Practitioner (PMI-ACP®).

Technopark ZürichCHF 3400

Boxenstopp für Projektmanager

Der Boxenstopp soll Projektleiterinnen und Projektleitern helfen, ihre Projekt-situationen aus der Distanz zu be-trachten, zu reflektieren und aus den eigenen Erfahrungen und den Erfah-rungen anderer zu lernen. Dieses An-gebot bietet eine Reflexionsplattform basierend auf dem kollegialen Coa-ching.

Technopark ZürichCHF 3600

Führen von Führungskräften

Die Dynamik von Führungsteams so-wie der Umgang mit ihren starken und schwächeren Führungspersön-lichkeiten und Fragen zur Führung unterstellter Führungspersonen wer-den vertieft. Wir suchen Wege zur Entwicklung eines starken und loya-len Führungsteams.

Hotel Waldheim, RischCHF 3150

Kommunikationstraining

Wirksame Kommunikationsfähigkeiten sind auf praktisch allen Unternehmen-sebenen für den Erfolg entscheidend. Ob im Zweiergespräch oder in der Teamarbeit, beim Finden von Zielen oder Lösen von Konflikten, in Verhand-lungen oder Veränderungsprozessen: immer müssen die Beteiligten ihre Kom-munikationskompetenzen unter Beweis stellen. Wichtig sind dabei nicht nur das theoretische Wissen sondern insbeson-dere die praktischen Fähigkeiten.

Hotel Sedartis, ThalwilCHF 3600

Strategisches Supply Chain Management

Welches ist die richtige Strategie für Ihre Supply Chain? Wie kann diese aus der Unternehmensstrategie ab-geleitet und operationalisiert wer-den? Wie können Sie überwachen, ob die Strategie erfolgreich ist? Wel-che Best Practices bieten sich für Ihre Supply Chain an? Im Seminar werden diese Fragestellungen diskutiert und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Technopark ZürichCHF 1050

Systems Engineering

Mit Systems Engineering, am BWI der ETH Zürich entwickelt, gestalten und lösen Sie komplexe Aufgaben-stellungen für technische, organisati-onale und soziale Systeme in Unter-nehmen auf strukturierte Weise. Bringen Sie Ihre Aufgabenstellung mit. Wir entwickeln gemeinsam die optimale Lösung dafür.

BWI/MTEC ZürichCHF 3150

Networking – Kontakte aufbauen und pflegen

Präsenz im Markt erfordert systema-tischen Beziehungsaufbau und -pfle-ge. Voraussetzung ist die Kenntnis der Ansprüche der Zielgruppen. Wir zeigen die Grundsätze und Mecha-nismen wie auch den Einsatz von Multiplikatoren für ein eigenes Net-working-Modell.

Hotel Seedamm Plaza, Pfäffikon SZCHF 1050

22. – 23. September 2015

Agiles Projektmanagement

Wenn der Auftraggeber seine Anfor-derungen oft und kurzfristig verän-dert oder man erkennt, dass wesent-liche Bedürfnisse des Kunden oder des Marktes nicht berücksichtigt wurden, reichen Zeit und Budget oft nicht mehr aus für eine Anpassung des Projektes. Agiles Projektmanage-ment – ein lernendes und iterativ-re-flexives Vorgehen – ermöglicht es auch komplexe Innovations- und Ent-wicklungsprojekte erfolgreich zu ge-stalten.

Technopark ZürichCHF 2100

21. – 23. Oktober 2015(engl. 25. – 27.11.15 in Zürich)

Projektmanagement – Projektleitung und Teamführung

Softskills sind für die Abwicklung komplexer Vorhaben ebenso wichtig wie methodische Fähigkeiten. Der Dialog mit allen Projekt-Instanzen, in interdisziplinären Projektteams oder in matrixorganisierten Unternehmen erfordert Führungskompetenz und kommunikative Stärke.

Hotel Seedamm Plaza, Pfäffikon SZCHF 3150

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Impressum

IM+io-Das Magazin für

Innovation, Organisation

und Management

30. Jahrgang, Heft 3, 2015

ISSN: 1616-1017

Herausgeber

Prof. Dr. Dr. h.c. mult.

August-Wilhelm Scheer

Universität des Saarlandes,

Scheer Holding GmbH, Saarbrücken

Prof. Dr. Paul Schönsleben,

ETH Zürich (Stellvertreter)

Verlag

imc information multimedia

communication AG

Scheer Tower | Uni-Campus Nord

66123 Saarbrücken/Deutschland

Tel.: +49 681 9476-0

Fax: +49 681 9476-530

[email protected] | www.im-io.de

Vorstand der IMC AG

Dr. Tobias Blickle, Rudolf Keul,

Christian Wachter

Herausgeberbeirat der IM+io

Vertreter Wissenschaft

Prof. Dr. Michael Backes, Backes

SRT/Universität des Saarlandes,

Saarbrücken | Prof. Dr. Elgar Fleisch,

ETH Zürich | Prof. Dr. Dr. h.c. mult.

Péter Horváth, Horváth AG/

Universität Stuttgart | Prof. Dr.

Christoph Igel, DFKI, Berlin |

Prof. Dr. Wilfried Juling, KIT, Karls-

Digitale Transformation und Predictive Analytics im Energiemarkt

Vermeidung von Ineffizienzen durch vorausschauendes (Big) Data Mining

ruhe | Prof. Dr. Helmut Krcmar, TU

München | Prof. Dr. Georg von Krogh,

ETH Zürich | Prof. Dr. Peter Loos,

Univer sität des Saarlandes/DFKI,

Saarbrücken | Prof. Dr. Wolfgang

Maaß, Universität des Saarlandes |

Prof. Dr. Dr. h.c. Arnold Picot, LMU,

München | Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter

Rombach, Fraunhofer Institut IESE,

Kaiserslautern | Prof. Dr. Günther

Schuh, RWTH Aachen | Prof. Dr.

Hans-Gerd Servatius, Universität

Stuttgart | Prof. Dr. Wilfried Sihn,

Fraunhofer Austria Research GmbH,

Wien | Prof. Dr. Oliver Thomas,

Universität Osnabrück | Prof. Dr. Dr.

Hugo Tschirky, ETH Zürich |

Prof. Dr. Florian von Wangenheim,

ETH Zürich | Prof. Dr. Dr. h.c.

Walther Ch. Zimmerli, BTU Cottbus

Vertreter Wirtschaft

Josef Bommersbach, Scheer

GmbH, Saarbrücken | Dr. Fabian

Dömer, Arthur D. Little Int. Inc.,

Wiesbaden | Thomas Feld, Scheer

GmbH, Saar brücken | Dr. Thomas

M. Fischer, avantum consult AG,

Düsseldorf | Dr. Gerd Große, GFFT

e.V., Bad Vilbel | Britta Hilt, IS Pre-

dict GmbH, Saar brücken | Jörg

Kleinz, intelligent views GmbH,

Darmstadt | Dr. Rainer Minz, The

Boston Consulting Group GmbH,

Köln | Rolf Scheuch, OPITZ CON-

SULTING GmbH, Gummersbach

Redaktion

Rudolf Keul

(verantwortlich)

Tel.: +49 681 9476-0 |

[email protected]

Wolf-Dietrich Lorenz

(Mitglied der Chefredaktion,

IM+io Schwerpunkt)

Tel.: +49 30 2888 6496 |

[email protected]

Charlotte Pauk

(Mitglied der Chefredaktion,

IM+io Schwerpunkt)

Tel: +41 78 654 6681 |

[email protected]

Irmhild Plaetrich

(Redaktion Scheer Innovation Review)

Tel.: +49 6897 812213 |

[email protected]

Nicole Meinholz |

Sarah Materna | Lisa Rein

(Koordination)

Tel.: +49 681 9476-501 |

[email protected]

Erscheinungsweise:

vierteljährlich, plus ggf. eine

kostenpflichtige Sonderausgabe

Abonnement

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und Österreich € 99,- |

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120,- | sonstiges Ausland € 105,- |

für Studierende gegen Vorlage ei-

ner Bescheinigung € 50,- (D) bzw.

CHF 60,- (CH), jeweils inkl. MwSt.

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sandkosten und Nachnahmegebühr.

Eine kostenpflichtige Sonderaus-

gabe wird Abonnenten gegen

gesonderte Rechnung automatisch

geliefert. Eine Abnahmeverpflich-

tung besteht nicht. Eine Rück-

sendung der Sonderausgaben an

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Das Abonnement kann innerhalb

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werden. Die Vertragslaufzeit be-

trägt 12 Monate. Das Abonnement

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mer verbreiten zu lassen.

Vorschau auf Heft 4 | Dezember 2015

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Die IM+io erscheint im Medienverlag der imc information multimedia communication AG Scheer Tower | Uni Campus Nord | 66123 Saarbrücken/Deutschland Tel.: +49 681 9476-0 | Fax: +49 681 9476-530 | [email protected] | www.im-io.de

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5:58 Avg. Pace

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18 km/h Max. Speed

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lfScheer

29. Oktober 2015

Rhein-Neckar-Arena Sinsheim

Der Scheer Digital World Congress 2015 steht

unter dem Motto „Digitize your Business". In drei

parallelen Themen-Tracks erfahren Sie wie sich

namhafte Unternehmen in den Themenfeldern

Industrie 4.0, Digitale Transformation und Handel

4.0 aufstellen.

Ein Partner- und Ausstellungsforum sowie eine

Führung durch das Stadion der TSG Hoffenheim

runden das Veranstaltungsprogramm ab.

Keynote:

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer Vorsitzender des Beirats, Scheer GmbH

Verunsicherung oder Aufbruch -

Thesen zur Digitalisierung

Industrie 4.0 Erfahren Sie mehr über die Vorgehensweise

Industrie 4.0 und wie die Themen vernetzte

Produktion, Big Data, Logistik und Maschi­

nenanbindung in der Praxis umgesetzt wer­

den.

Digitale Transformation Erhalten Sie Einblicke in Strategien und Er­

folgsprojekte von zukunftsorientierten Unter­

nehmen, die auf Basis neuer Technologien

und intelligentem Geschäftsprozessmanage­

ment (iBPM) Geschäftsmodelle neu aufstellen

und neue Wertschöpfungspotenziale heben.

Handel 4.0 Im Track Handel 4.0 diskutieren Experten wie

sich der Handel digitalisiert und wie er sich

Herausforderungen wie dem Omni-Channel

Commerce stellt, um dem Kunden ein perfek­

tes Einkaufserlebnis zu bieten.