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Life-Leadership®

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 1

Prof. Dr. Lothar J. Seiwert ist »Deutschlands tonangebenderZeitmanagement-Experte« (Focus 1/2000). 1999 wurde er alserster Deutscher mit dem internationalen Trainingspreis »Excel-lence in Practice« der ASTD (American Society for Training andDevelopment) in Atlanta ausgezeichnet. Als gefragter Rednerund Trainer begeisterte Prof. Seiwert bereits über 100000 Teil-nehmer. Seine Coaching- und Consultingfirma Seiwert-InstitutGmbH in Heidelberg hat sich auf die Themen Time-Manage-ment und Life-Leadership!R spezialisiert.E-Mail: [email protected] – Internet: www.seiwert.de

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 2

Lothar J. Seiwert

Life-Leadership®

Sinnvolles Selbstmanagementfür ein Leben in Balance

Campus VerlagFrankfurt/New York

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 3

Copyright: ® »Life-Leadership« ist eine eingetragene, geschützte Marke(früher: Warenzeichen) von Lothar J. Seiwert, Heidelberg.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist beiDer Deutschen Bibliothek erhältlich

ISBN 3-593-36707-6

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungenund die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2001 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/MainUmschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln

Umschlagfoto: Monika Werneke, WiesbadenCartoons: Werner Tiki Küstenmacher, Gröbenzell

(Copyright und mit freundlicher Genehmigung von: VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG, Bonn).

Satz: Leingärtner, NabburgDruck und Bindung: Druckhaus Beltz, Hemsbach

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.Printed in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 4

Inhalt

Der Weg ist das Ziel: Was Sie als Life-Leader erwartet . . . 7

Teil 1Leben in der Welt von morgen

1. Auf der Suche nach einem er-füllten Leben. . . . . . . . 152. Die Non-Stop-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 293. Vom Arbeitnehmer zum Selbst-Unternehmer . . . . . . 414. Vom Lebens-Konsumenten zum Lebens-Unter-

nehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495. Bewährte Hilfsmittel: Zeit- und Selbstmanagement . . . 586. Zeit- und Selbstmanagement reichen nicht aus . . . . . . 69

Teil 2Life-Leadership®

7. Auf der Suche nach dem eigenen Ich . . . . . . . . . . . 858. Der Wunsch nach Balance im Leben . . . . . . . . . . . 969. Sieben Basics für Ihre persönliche Balance . . . . . . . . 111

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 5

10. Ja sagen heißt auch Nein sagen . . . . . . . . . . . . . 12711. Unterschiedliche Schwerpunktsetzung je nach

Lebensphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13412. Beschleunigung und Entschleunigung – zwei Seiten

einer Medaille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14213. Den Alltag strukturieren lernen . . . . . . . . . . . . . 16014. Unseren eigenen Lebensrhythmus finden . . . . . . . 17115. Das nötige »CLICK« in unserem Kopf . . . . . . . . . 18616. Ruhe und Gelassenheit entwickeln . . . . . . . . . . . 197

Teil 3Workshop Life-Leadership®

17. In 22 Schritten zur Lebens-Balance . . . . . . . . . . . 211

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 6

Der Weg ist das Ziel: Was Sie als Life-Leader erwartet

Sicherlich kennen Sie folgende Situation: Sie haben noch viel zutun. Trotzdem sind Sie zuversichtlich, dass Sie alles pünktlichschaffen werden. Doch dann passiert das Unvorhergesehene. IhrChef steht vor der Tür und sagt Ihnen, dass Sie bis morgen nochdringend das Projekt xy fertigstellen müssen. Oder: Ihr Kind wirdkrank. Und schon müssen Sie Ihren Zeitplan umwerfen. Dochnicht nur das. Zudem stecken Sie in einem inneren Konflikt. Wiereagiert mein Lebenspartner, wenn ich schon wieder anrufe undihm sage: »Es tut mir leid. Aber heute wird es später …«? Oder:Wie reagieren mein Chef und meine Kollegen, wenn ich schonwieder wegen meines kranken Kindes zu Hause bleiben muss?

Ihnen ist bewusst: Selbst wenn ich meine Zeit effektiv nutzeund mein Leben intensiv plane, werde ich all den Anforderun-gen, die an mich gestellt werden, nicht gerecht. Ich führe kein er-fülltes Leben, sondern meineTage sind ständig mehr ge-füllt. Ich hetze von einem Termin zum nächsten, aber trotz-dem kommt stets etwas zu kurz. Wenn esnicht die Arbeit ist oder die Freunde, dann

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Zeitplanumwerfen

Ein er-fülltesLeben

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 7

ist es vielleicht mein Bedürfnis, regelmäßig Sport zu treiben, umkörperlich fit zu sein. Oder mein Bedürfnis, mich einfach malzurückzulehnen oder ein gutes Buch zu lesen, um neue Kraftund Ideen zu tanken.

Das empfinden immer mehr Menschen. Das ist kein Zufall undauch kein Ausdruck individuellen Versagens. Es ist vielmehr einPhänomen unserer Zeit. Sie ist von ständigen Veränderungengeprägt. Was heute noch gilt, ist morgen schon überholt. Mit ent-sprechend vielen neuen Anforderungen und Herausforderungenwerden wir konfrontiert – beruflich und privat. Eigentlich müss-ten wir uns regelmäßig zurücklehnen und uns fragen:

• Was will ich?• Was ist mir wirklich wichtig?• Und wie kann ich meine Ziele künftig erreichen?

Doch dafür fehlen uns oft die Zeit und Muße. In unserer Non-Stop-Gesellschaft wird zunehmend von uns ge-

fordert, stets erreichbar und ansprechbar zu sein.Ein gezieltes Ausklinken wird immerschwerer.

Und natürlich sollen wir flexibel und mobil sein – speziell beiunserer Arbeit. Dort sollen wir nicht nur unsere Arbeitszeit denbetrieblichen Notwendigkeiten anpassen, sondern sollen zudemmorgen in Dresden und übermorgen in Chicago arbeiten. DiesesMindestmaß an Flexibilität und Mobilität wird nicht nur von uns,sondern auch von unserer Familie erwartet.

Wen wundert es, dass immer mehr Menschen Problemedamit haben, die Balance zwischen den vier Lebensbereichen»Arbeit/Leistung«, »Körper/Gesundheit«, »Familie/Soziales« so-wie »Sinn/Kultur« zu wahren. Regelmäßig zwingen uns unsereLebensumstände, den Fokus einseitig auf einen der vier Bereichezu verlagern. Wird dies zum Dauerzustand, dann ist der Weg zur

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Regel-mäßig

zurück-lehnen

Flexibilitätund

Mobilität

VierLebens-bereiche

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 8

Sinnkrise, zum Burn-out, zum Herzinfarkt oder zum Wunschauszusteigen nicht mehr weit.

Viele Anforderungen, die an uns gestellt werden, sowie Wün-sche und Bedürfnisse, die wir haben, lassen sich heute nur nochäußerst schwer oder überhaupt nicht mehr vereinen. So ist eszum Beispiel fast nicht zu realisieren, dass beide Lebenspartnereine Topkarriere machen und zugleich auf Dauer eine harmoni-sche Beziehung führen. Auch die Anforderungen, dieArbeitsleben und Elternschaft an uns stellen, sindäußerst schwierig zu bewältigen. Da helfen selbst dasbeste Zeit- und Selbstmanagement im Lebensall-tag oft nicht mehr weiter. Denn sie lassen außerAcht, dass wir unsere Lebensplanung stets mitanderen Menschen, die uns wichtig oder von denen wir abhängigsind, abstimmen müssen, da diese ebenfalls eigene Interessenhaben.

Fakt ist also, dass unser Leben künftig von Brüchen gekenn-zeichnet sein wird – ganz gleich, ob es sich hierbei um (erzwun-gene) Berufs-, Orts- oder Arbeitgeberwechsel oder die Tren-nung von einem Lebens-(Ehe-)partner handelt. Umso wichtigerist es, dass wir eine klare Vorstellung, eine Vision entwickeln, wiewir unser Leben aktiv gestalten können und Strategien ent-wickeln, um mögliche Krisen zu umsegeln und ein er-fülltesLeben zu führen.

Dabei kann Ihnen das in diesem Buch vorgestellte Life-Lea-dership-Konzept helfen. Es will Sie dabei unterstützen, in einervon Veränderungen geprägten Umwelt die Balance im Leben zuwahren, indem Sie vertrauend auf Ihre Fähigkeiten und Fertig-keiten Ihr Leben aktiv und selbstverantwortlich gestalten. Eshilft Ihnen, Freiheit nicht mit Unabhängigkeit zu verwechseln,und lehrt Sie, Ihre (emotionale) Abhängigkeit von den Men-schen, die Sie lieben, zu akzeptieren. Denn nur, wenn wir unsere

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Anforde-rungen ver-einbar?

Vision entwickeln

Life-Leadership-Konzept

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 9

Beziehungen gezielt pflegen, können wir daraus die Kraft zie-hen, die wir zum Meistern der an uns gestellten Herausforderun-gen brauchen.

Im ersten Teil skizziere ich, vor welchen Herausforderungenwir stehen, warum es stets schwieriger wird, ein Leben inBalance zu führen, und warum wir Life-Leader werden müssen.Die Kapitel 5 und 6 zeigen Ihnen, warum das klassische Zeit-und Selbstmanagement an Grenzen stößt und es heute nichtmehr genügt, unsere Zeit effektiv zu nutzen und uns selbst zu

managen, um ein er-fülltes Leben zu führen.Ich erläutere Ihnen, warum wir vor allemdie Beziehung zwischen den vier Lebens-

bereichen und zu unserem Umfeld managenmüssen, um auf Dauer ein er-fülltes Leben

in Balance zu genießen. Natürlich bleiben Zeit- und Selbstmanage-ment weiterhin wertvolle Hilfsmittel dafür. Diese Technikenangemessen zu vermitteln, hätte aber den Rahmen dieses Buchesgesprengt. Ich möchte Sie daher auf mein Buch Wenn Du es eilighast, gehe langsam verweisen, das sich diesen Techniken aus-führlich und praxiserprobt widmet.

Im zweiten Teil beschreibe ich dann die Fähigkeiten und Fertig-keiten sowie die Lebenshaltung, die einen Life-Leader auszeich-nen, der nicht mit festem, sondern mit federndem Schritt durchsLeben geht. Um diese Leichtigkeit zu entwickeln, müssen wireine Lebensmelodie in unserem Kopf haben und ein neuesLebensgefühl entwickeln. So sollten wir unter anderem lernen,das Scheitern als Teil der menschlichen Existenz zu akzeptieren.Außerdem sollten wir lernen, aus unseren Fehlern Kraft zu zie-hen, denn jedes Scheitern bedeutet: Wir haben zumindest denVersuch gewagt. Damit haben wir mehr erreicht als alle, die auf

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Fähigkeiteneines Life-

Leaders

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 10

den Versuch verzichten, ihr Leben aktiv zu gestalten. Zeigenmöchte ich Ihnen auch, wie Sie die innere Stabilität entwickeln,um mit der Haltung »Schau’n wir mal« gelassen den künftigenHerausforderungen entgegenzusehen.

Der dritte Teil dieses Buches ist ausschließlich dem Tungewidmet. Sie erhalten konkrete Anleitun-gen, wie Sie eine Vision von Ihrem Lebenentwickeln und die Balance in Ihrem Lebenerreichen und bewahren können. Dabei ist esmir wichtig, dass Sie wissen: Das Streben nach Balance ist einpermanenter Prozess, da sich nicht nur unsere Umwelt, sondernauch wir selbst uns permanent verändern. Das ist oft mühsam;das macht unser Leben aber auch so spannend und interessant.

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Perma-nenter Prozess

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Teil 1

Leben in der Welt von morgen

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Kapitel 1

Auf der Suche nach einem er-füllten Leben

Alltag im Supermarkt. Vor der Kasse steht eine Schlange. Fünf,sechs Männer und Frauen warten darauf, dass sie an der Reihesind. Ein Mann in grauem Anzug blickt hastig auf seine Arm-banduhr. Offensichtlich hat er es eilig. Eine Mutter zerrt an ihrenquengelnden Kindern. Langsam bewegt sich die Schlange vor-wärts. Doch dann entsteht ein kurzer Stau. Die Papierrolle in derKasse ist aufgebraucht. Sofort ertönt aus mehreren Kehlen einlautes Stöhnen. Augäpfel werden als Ausdruck des Missfallenshin- und hergerollt. Manche blicken auf ihre Armbanduhr. Jederist offensichtlich genervt, dass er ein, zwei Minuten länger war-ten muss als gedacht. Entsprechend gereizt ist die Stimmung.

Alltag auf der Straße. Wir fahren auf der Autobahn und überho-len gerade einen Lastwagen. Plötzlich kommt von hinten einanderes Fahrzeug angerauscht. Der gesetzte Blinker signalisiertuns: Aus dem Weg! Ich will vorbei! Doch wir können nichtschneller fahren. Vor uns befinden sich noch weitere Fahrzeuge.Also traktiert uns der Fahrer mit der Lichthupe. Weg da! Ausdem Weg! Unser Adrenalinspiegel steigt. Nachdem wir den

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Szene:Supermarkt

Szene: Autobahn

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 15

Lastwagen überholt haben, wechseln wir hastig wieder auf dierechte Seite, doch in uns brodelt es.

Alltag im Büro. Gemeinsam gehen die Teilnehmer eines Mee-tings die Tagesordnung durch. Ein Punkt nach dem ande-ren wird abgehakt. Dann verkündet der Chef, dass die Arbeitkünftig anders strukturiert werden soll. Ein Mitarbeiter hat Ein-wände. Seiner Ansicht nach ist das neue Vorgehen nicht prakti-kabel. Doch kaum beginnt der Mitarbeiter, seine Argumente zu erläutern, fällt ihm sein Chef ins Wort. »Haben Sie nichtgehört, dass wir es künftig so und nicht anders machen? Oder sollen wir hier ewig debattieren?« Damit ist das Thema ab-gehakt.

Solche Situationen kennen Sie vermutlich auch. Immer öftermachen wir die Erfahrung:

Entsprechend oft sind wir im Alltag gehetzt. Kaum sind wir aneinem Ort, möchten wir woanders sein. Kaum haben wir eineTätigkeit begonnen, packt uns die innere Unruhe, weil wir nochhundert andere Dinge erledigen wollen.

Fast scheint es so, als hätten wir umso weniger Zeit, je mehrMaschinen uns zu Hause und am Arbeitsplatz umgeben, die unsdie Arbeit erleichtern und uns helfen sollen, Zeit zu sparen.

Dabei beginnt der Kreislauf meist schon am frühen Morgen.Wir stehen auf. Wir waschen uns. Wir stürzen eine Tasse Teeoder Kaffee hinunter, während wir uns den Pullover oder dasHemd überstreifen. Wir verschlingen ein Frühstücksbrötchen,während wir bereits den Wohnungsschlüssel in der Hand halten

Zeit ist für uns und unsere Mitmenschen ein kostbares Gut.Und dieses Gut wird immer »knapper« und damit wertvoller.

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Szene: Büro

EngpassZeit

Teufels-kreis

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und unsere Jacke anziehen. Und falls wir zudem ein, zweiKinder zu versorgen haben, putzen wir ihnenzwischendurch noch die Nase und schnürenihnen die Schuhe. Und im Büro? Da geht dieHetze weiter. Ein Termin jagt den nächsten.Kaum haben wir den Telefonhörer aufgelegt,steht ein Kollege in der Tür.

In diesem Tempo geht es den ganzen Tag weiter. Und sitzenwir dann abends endlich auf dem Sofa vor dem Fernsehgerät,spüren wir oft neben unserer Erschöpfung auch ein Gefühl derinneren Unruhe und Unzufriedenheit. Uns wird deutlich:

Wenn wir am Abend, am Wochenende oder während desUrlaubs endlich etwas Zeit für uns haben und über unseren All-tag und unser Leben nachdenken: Stellt sich dann zuweilen auchbei Ihnen die diffuse Ahnung ein: Irgendetwas läuft falsch.Früher war ich so ein kreativer Mensch, doch heute funktioniereich nur noch?

Gute Vorsätze

Oft gibt es für dieses Nachdenken auch konkreteAnlässe. Zum Beispiel, wenn uns plötzlichRückenschmerzen plagen oder wir unterSchlafstörungen leiden. Dann fragen wir uns:

Wenn ich ein Leben im High-Speed-Tempo führe, führe ichzwar ein ge-fülltes, aber kein er-fülltes Leben. Mein Lebens-ziel erreiche ich so nicht.

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High-Speed-Tempo

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 17

Was soll die endlose Hetzerei, wenn ich dadurch auf Dauermeine Gesundheit ruiniere?

Vielleicht werden Sie aber auch nachdenklich, wenn Sie end-lich mal wieder mit Freunden gemütlich zusammensitzen odermit Ihren Kindern spielen. Dann spüren Sie: Eigentlich müsste ichdas viel öfter tun. Doch leider fehlt mir im Alltag dafür die Zeit.

In solchen Situationen haben Sie vermutlich schon oft denEntschluss gefasst: Ich will etwas in meinem Leben ändern.

• Ich will künftig mehr Sport treiben, damit ich fitter werde.• Ich will ab sofort mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen,

damit ich ihnen nicht fremd werde.• Ich werde mit meinem Partner regelmäßig zum Essen oder

ins Theater gehen, damit wir nicht nur den grauen Alltag mit-einander teilen.

• Ich will von nun an mehr Zeit mit meinen Freunden verbrin-gen, damit ich nicht irgendwann vereinsame.

• Ich werde in Zukunft regelmäßiger ein »gutes« Buch lesen,damit ich geistig nicht verkümmere.

Endlos sind die guten Vorsätze, die wir in solchen Situationen fas-sen. Doch leider haben wir sie oft am nächsten Morgen wiedervergessen. Dann klingelt erneut der Wecker. Dann beginnt derKreislauf aufs Neue. Aufstehen, waschen, anziehen …

Manchmal sind die guten Vorsätze aber auch nicht vergessen.Wir schieben sie wie einen Berg vor uns her:

• Eigentlich würde ich gerne regelmäßigBücher lesen, aber leider …

• Eigentlich würde ich gerne häufiger mitmeinen Kindern spielen, aber leider …

• Eigentlich würde ich gerne eine Weiter-bildung besuchen, aber leider …

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Zeit für dasWesentliche

Halbwerts-zeit unserer

Vorsätze

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 18

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Gute Vorsätze

Tragen Sie in die Tabelle Ihre guten Vorsätze ein und was Sie an derenUmsetzung hindert.

Was ist die Hauptursache dafür, dass Sie Ihre Vorsätze nicht realisieren?..................................................................................................................................................................................................................

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

aber leider ................................................................................... .

Eigentlich würde ich gerne ............................................................,

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 19

• Eigentlich würde ich gerne regelmäßig schwimmen gehen,aber leider …

Solche Denksätze schleppt jeder mit sich herum und meist endensie mit den Worten: »Aber leider habe ich keine Zeit.« DiesenSatz sagen wir uns oft so lange, bis wir uns keine Zeit mehr neh-men müssen – weil es zu spät ist.

Wenn wir erst einmal chronische Rückenschmerzen haben,können wir nur noch lindern, aber nicht mehr kurieren. Wennunsere Kinder erwachsen sind, brauchen wir uns keine Zeitmehr zu nehmen, um mit ihnen »Fang-den-Hut« oder Playmo-bil zu spielen. Ist unser Ehe- oder Lebenspartner gerade aus dergemeinsamen Wohnung ausgezogen, brauchen wir uns keineZeit mehr zu nehmen, um mit ihm ins Theater zu gehen. Dannmüssen wir nur noch einen Termin beim Scheidungsanwalt ver-einbaren. Liegt unsere Kündigung auf dem Tisch, brauchen wiruns keine Zeit mehr zu nehmen, um uns die Fähigkeiten anzu-eignen, die wir in unserem Job gebraucht hätten. Dann ist essinnvoller, Bewerbungen zu schreiben.

Die wichtigen Dinge tun

Warum gehen wir im Alltag mit den Dingen, die uns wirklichwichtig sind, so sorglos um? Warum tun wir so oft nicht das, wasuns wichtig ist? Weil wir im Alltag häufig vergessen:

Alle wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben sind nichtdringend. Sie werden allenfalls dringend, wenn wir sie langevernachlässigen.

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Keine Zeit?

Wichtigkeitoder Dring-

lichkeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 20

Dass wir joggen gehen, ist nie dringend. Das können wir auchauf morgen verschieben. Dass wir mit unseren Freunden zusam-mensitzen, ist nie dringend. Das können wir auch noch nächsteWoche tun. Dass wir uns weiterbilden, ist nie dringend. Damitkönnen wir auch noch nächstes Jahr beginnen. Doch irgend-wann ist es schließlich zu spät.

Die Gefahr, dass wir immer öfter Wichtiges vor uns herschie-ben, wird stets größer. Aus einem einfachen Grund: In unserermodernen Gesellschaft werden immer mehr Anforderungen anuns gestellt. Je größer aber der Anforderungsdruck ist, der aufuns lastet, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir diewirklich wichtigen Dinge verschieben. Denn nichts und nie-mand zwingt uns dazu, uns mit ihnen zu befassen – außer wir tunes selbst.

Deshalb sollten wir uns regelmäßig fragen:

• Was ist mir wirklich wichtig? • Was muss ich tun, um mein Lebensziel, ein er-fülltes

Leben zu führen, zu erreichen?

Es gibt viele Menschen, die sich diese Frage regelmäßigstellen. Doch leider nur bezogen auf ihre Arbeit. Sie wis-sen, was sie in ihrem Beruf erreichen möchten: Ichmöchte in drei Jahren Abteilungsleiter sein. Ich will 100000Euro verdienen. Bei ihrer Arbeit wissen sie auch, worauf es(ihnen) ankommt. Hier sind sie wahre »Leader«, wie man in denUSA Führungspersönlichkeiten bezeichnet. Bezogen auf ihreanderen Lebensbereiche sind sie aber keine Leader-of-her/his-Life, und manchmal sogar regelrechte »Versager«.

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 21

Lebens-Balance

Viele von uns führen ein solches High-Speed-Leben, dass man ihnen heute bereits prophezeien kann: In zehn Jahren hastdu entweder einen Herzinfarkt oder du bist ausgebrannt. Odersie vernachlässigen ihre privaten Beziehungen so stark, dass man ihnen heute schon vorhersagen kann: In fünf bis zehn Jah-ren kannst du dir einen neuen Lebenspartner suchen und wirstdu unter Vereinsamung leiden. Oder sie messen dem Geldver-dienen in ihrem Leben eine so dominante Bedeutung bei, dassman ihnen heute schon prophezeien kann: In zehn Jahren packtdich garantiert die Sinnkrise, denn Geld allein macht nicht glück-lich.

Warum lässt sich dies voraussagen? Die Betroffenen habenzwar für ihren Lebensbereich »Arbeit/Leistung« klare Ziele. Sievergessen aber, dass unser Leben mehr Dimensionen umfasst.Neben dem Bereich »Arbeit/Leistung« können wir es einteilenin die Bereiche »Familie/Kontakt«, »Sinn/Kultur« und »Kör-per/Gesundheit«. Und nur wenn wir diese vier Bereiche in derBalance halten, können wir auf Dauer ein er-fülltes Lebenführen. Vernachlässigen wir einen dieser Lebensbereiche länger-fristig, ist ein Scheitern vorprogrammiert.

Hiervon sind Sie nicht nur bedroht, wenn Sie eine Topkar-riere anstreben und den Schwerpunkt Ihres Lebens einsei-

tig auf den Bereich »Arbeit/Leistung« legen.Ähnlich ergeht es Ihnen als Hausfrau, wenn Sie

Ihr gesamtes Leben allein über den Bereich»Familie/Kontakt« definieren. Das heißt, wennSie sich ausschließlich um das Wohl Ihrer Kin-der und Ihres Ehemanns kümmern. Ähnlich

ergeht es Ihnen aber auch, wenn Sie IhremFreundeskreis und Ihren Freizeitaktivitäten

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Bun-out-Effekt

Lebens-bereiche

Sinn

Fam

ilie

Beru

fKörper

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 22

die oberste Priorität einräumen und deshalb kaum Zeit finden,um den Anforderungen, die der Bereich »Arbeit/Leistung« anSie stellt, gerecht zu werden. Auch dann ist eine Krise vorpro-grammiert. Sei es, weil die Kinder aus dem Haus gehen oder Ihrtreusorgender Ehemann plötzlich sein Herz für eine Jüngereentdeckt. Oder weil plötzlich eine Kündigung auf Ihrem Tischliegt. In beiden Fällen ist es Ihnen nicht gelungen, die Balancezwischen den vier Lebensbereichen zu wahren.

Balance zu wahren wird in unserer Gesellschaft immerschwieriger. Vielleicht spüren auch Sie: Selbst wenn ich mit mei-ner Zeit noch so gut haushalte, werde ich trotzdem nicht allenAnforderungen gerecht. Wenn ich meinem Job die nötige Bedeu-tung beimesse, bleibt mir automatisch wenig Zeit für meineFamilie. Wenn ich umgekehrt meiner Familie, meinen Freunden,meinen Bekannten und Verwandten viel Zeit schenke, bekommeich automatisch Schwierigkeiten im Beruf. Und mein Bedürfnis,mehr Sport zu treiben und ab und zu ins Kino zu gehen? Odermein Wunsch, einfach mal nichts zu tun oder mich sozial zuengagieren? Das alles fällt ohnehin unter den Tisch,wenn ich alle Anforderungen erfülle, die in denBereichen »Arbeit/Leistung« und »Familie/Kontakt« an mich gestellt werden.

Beziehungen managen

Beim klassischen Zeitmanagement versuchen wir vor allem, unsere(Arbeits-)Zeit effektiv zu nutzen. Beim Selbstmanagement geht esin erster Linie darum, uns selbst zu managen. Völlig außer Achtlassen aber beide Ansätze, dass es bei unserem Versuch, ein er-füll-tes Leben zu führen, letztlich um ein Managen von Beziehungen

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Balancewahren

Balance-Problem

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 23

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Sinn/Kultur

Familie/Kontakt

Arbeit/Leistung

Körper/Gesundheit

FreundeZuwendung, Anerkennung

SelbstverwirklichungErfüllung, Liebe

Philosophie, Religion Zukunftsfragen

ErnährungErholung

Entspannung

FitnessLebens-

erwartung

Schöner BerufGeld, Erfolg

KarriereWohlstandVermögen

Lebens-Balance

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Das Modell der Lebens-Balance

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 24

geht. Und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen müssen wir die Bezie-hung zwischen den vier Lebensbereichen so gestalten, dass zwi-schen ihnen eine Balance besteht. Wer nur arbeitet, bekommt aufDauer automatisch Probleme in den drei anderen Lebensberei-chen. Und nicht nur da: Wer körperlich oder psychisch ausge-brannt oder einsam ist, wird irgendwann auch im Beruf keineTopleistung mehr erbringen. Entscheidend ist daherdie rechte Balance in unseremLeben und das heißt die rechteBeziehung zwischen den vierLebensbereichen.

Zum anderen müssen wir die Beziehung zu unserer Umweltmanagen. Auch dies ist wichtig. Denn was nützt es Ihnen, wennSie sich vornehmen: »Ich gehe jeden Abend joggen«, aber IhrLebenspartner sagt: »Wenn du abends schon so spät nach Hausekommst, könntest du dir wenigstens dann noch Zeit für die Kin-der und für mich nehmen.« Dann haben Sie ein Problem. Oderwas nützt es Ihnen, wenn Sie sich als Ziel setzen, in zwei JahrenAbteilungsleiter zu sein und 750 Euro mehr zu verdienen, IhrChef aber Ihren Kollegen bevorzugt und Ihnen eine Gehaltser-höhung verweigert? Auch dann haben Sie ein Problem.

Das heißt: Unsere wahren Probleme ergeben sich meist ausdem Beziehungsgeflecht, in das wir eingebettet sind. Sie erwach-sen daraus, dass unsere Wünsche und Bedürfnisse nicht mitdenen unserer Bezugspersonen harmonieren.

Dieses Eingewoben-sein müssen wir bei unserer Lebenspla-nung und -gestaltung stärker bedenken. Das Life-Leadership-Konzept unterstützt Sie dabei, ein neues Selbstverständnis zuentwickeln, das unser Abhängigsein und Angewiesensein akzep-tiert. Zugleich zeigt es Ihnen Wege, wie Sie ein Life-Leader wer-den, das heißt, Ihr Leben aktiv und eigenverantwortlich gestal-ten und in Balance halten.

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Beziehungzwischenden vierLebens-bereichen

Beziehungzu unsererUmwelt

Life-Leaderwerden

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 25

Diese Fähigkeit brauchen wir nicht nur, weil uns die Informa-tionsgesellschaft mit immer mehr Anforderungen konfrontiert.Hinzu kommt: Unser Lebensumfeld wandelt sich kontinuier-lich. In stets kürzeren Zeitabständen werden auf uns ganz neueAnforderungen zukommen. Diese wiederum können wir mitunseren alten Handlungsmustern oft nicht mehr meistern. Wirmüssen für sie neue Lösungs- bzw. Bewältigungsstrategien ent-wickeln. Sonst können wir die meist widersprüchlichen Anfor-derungen, die das Leben an uns stellt, nicht vereinen. Hierfürzwei Beispiele:

Beispiel 1: Manche (alleinerziehende) berufstätige Mutter spürt:Aufgrund der Projektarbeit, die in meinem Betrieb praktiziert

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NeueLösungs-

strategien

Zeit-management

Selbst-management

Life-Leadership

+

– +Wertorientierung

Bezi

ehun

gsor

ient

ieru

ng

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 26

wird, gelingt es mir immer schwerer, sowohl den Wünschen undBedürfnissen meiner Kinder als auch den Anforderungen desBerufs gerecht zu werden. In meinem Betrieb wird von mir Fle-xibilität erwartet und dass ich nicht täglich Punkt 16 Uhr meinenSchreibtisch verlasse. Zugleich muss ich aber um 16 Uhr meineKinder vom Kindergarten abholen. Was tun?

Beispiel 2: Manch junger Arbeitnehmer denkt: Gern würde ichmehr Zeit für meine Familie und meine Hobbys haben. Doch

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Entweder – oder

Welche Bedürfnisse/Anforderungen können Sie in Ihrem Leben schwervereinbaren? Ergänzen Sie die Liste mit Beispielen aus Ihrem Leben.

z. B. ausreichend Zeit mit meinerFamilie verbringen

z.B. mich sozial engagieren

z.B. am Arbeitsplatz die gefor-derte zeitliche Flexibilität zeigen

z.B. regelmäßig ins Fitnessstudiogehen

z.B. den täglichen Lebensunter-halt finanzieren

z.B. monatlich 200 Euro für dieAltersvorsorge zurücklegen

Bedürfnis/Anforderung IIBedürfnis/Anforderung I

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 27

wenn ich, wie gewünscht, beruflich vorwärts kommen möchte,bleibt mir keine andere Wahl, als 60, 70 Stunden in der Wochezu arbeiten. Was tun?

Wir müssen die Anforderungen an uns genau kennen. Nur dannkönnen wir auch entscheiden, welchen Anforderungen wir ge-

nügen möchten – und welchen nicht. Deshalb möchteich Ihnen im folgenden Kapitel einigeEntwicklungstendenzen skizzieren, die

die Welt von morgen – die heute schon be-gonnen hat – prägen werden. Wenn wir wis-sen, vor welchen Veränderungen und He-

rausforderungen wir stehen werden, fällt es uns leichter,unser Leben pro-aktiv zu gestalten und sicherzustellen, dass dieBalance zwischen den vier Lebensbereichen gewahrt bleibt.

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 28

Kapitel 2

Die Non-Stop-Gesellschaft

In unserem Alltag nehmen wir viele wichtige Veränderungen oftlange nicht wahr, denn sie vollziehen sich schleichend. Undwenn wir sie bemerken, denken wir häufig, nur uns erginge es so.Alles nehmen wir sozusagen durch unsere persönliche Brillewahr. Manchmal übersehen wir daher, dass sich nicht nur unserLeben, sondern auch unser Umfeld verändert. Nicht nur unserAlltag, sondern auch der unserer Mitmenschen ist von einerzunehmenden Rastlosigkeit geprägt. Nicht nur wir werden mitstets neuen Herausforderungen konfrontiert, sondern auchunsere Freunde, Kollegen und Verwandten.

Die Veränderungen, die sich in unserem Umfeld vollziehen,müssen uns bewusst sein, wenn wir Life-Leader werden möch-ten. Aus mehreren Gründen. Zum einen befreit uns ihre Kennt-nis von der falschen Vorstellung, nur wir hätten Probleme, dieHerausforderungen, die sich aus den gesellschaftlichen Verände-rungen ergeben, zu meistern. Zum anderen können wir, wennwir die wirklichen wichtigen Veränderungen in unserem Umfeldkennen, leichter Handlungsstrategien entwerfen, um Leader-of-our-Life zu werden.

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Neue Heraus-forderungen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 29

»Es gab einmal einen Bauern, dessen Pferd davonlief. Dabeihandelte es sich um eine herrliche preisgekrönte Stute. Sofortkamen die Nachbarn, um dem Bauern ihr Mitleid über den her-ben Verlust auszusprechen. ›Du bist sicher sehr traurig‹, sagtensie. Doch der Bauer antwortete nur: ›Vielleicht.‹ Eine Woche spä-ter kam die Stute zurück und brachte fünf Wildpferde mit. Wie-der kamen die Nachbarn – dieses Mal zur Gratulation. ›Du bistjetzt sicher sehr glücklich‹, sagten sie. Und wieder antwortete derBauer nur: ›Vielleicht.‹ Am nächsten Tag versuchte der Sohn desBauern, auf einem der Wildpferde zu reiten. Er wurde abgewor-fen und brach sich ein Bein. ›So ein Pech‹, sagten die Nachbarn.›Vielleicht‹, antwortete der Bauer. Drei Tage später kamen Offi-ziere ins Dorf, um Soldaten zu rekrutieren. Sie nahmen alle jun-gen Männer mit – nur den Sohn des Bauern nicht, weil er für denKriegsdienst untauglich war.« (Opaschowski 1999, Seite 71)

Diese Geschichte zeigt uns zweierlei. Zum einen: Die Zu-kunft kommt und ihre Wurzeln liegen in der Vergangenheit.Zum anderen: Egal ob die Gegenwart »Gutes« oder »Schlechtes«verheißt, alles kann sich ganz anders als erwartet entwickeln.Ebenso verhält es sich mit der Informations- oder multimedia-len Gesellschaft. Niemand kann heute zuverlässig sagen, was

sie uns bringt. Welche Veränderungen uns bevor-stehen, darüber gehen die Meinungen derZukunftsforscher auseinander. Einig sind sie sich darin, dass uns gewaltige Veränderungen

bevorstehen. Einig sind sie sich aber auch da-rüber:

Unsere Lebensumstände werden sich, unter anderem wegendes Fortschritts der Informationstechnologie, in immerkürzeren Zeiträumen verändern.

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VeränderteMulti-

media-Gesell-schaft

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 30

Und es fällt auf: Fast alle Autoren sagen für die Entwicklungunserer Gesellschaft folgende Trends voraus:

1. Dematerialisierung 2. Dezentralisierung 3. Beschleunigung

Dematerialisierung – Wissen ist der wertvollste Rohstoff

Künftig werden nicht mehr die Länder, Konzerne und Personenam reichsten sein, die über die meisten Bodenschätze verfügenoder diese verarbeiten können. Die Fernsehserie »Dallas« würdeschon heutzutage nicht mehr in Dallas, sondern im Silicon Valleyspielen. Mit dem vom Ewing-Clan geförderten Öl lassen sichheute nämlich nur noch »Peanuts« verdienen. Das zeigt ein Blickauf die aktuelle Liste der reichsten Persönlichkeiten. An ihrerSpitze stehen nicht mehr Ölbarone oder Tankerkönige wie AriOnassis, sondern die Inhaber von Software- und Internetunter-nehmen.

Die »wahren« Vermögen werden heute mit Wissen verdientbzw. mit der Fähigkeit, aus Wissen marktfähige Produkte undLeistungen zu entwickeln. Deshalb werden zum Beispiel dieGen-, Nano- und Informationstechnologie als die Schlüsseltech-nologien der Zukunft angesehen. Zwar benötigt man auch hierzum Herstellen marktfähiger Produkte etwas Silizium und Co.,doch letztlich ist in der New Economy das Know-how der wich-tigste Rohstoff.

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Know-how

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 31

Dezentralisierung – Die Bindung an einen Ort löst sich auf

Der Trend zur Dezentralisierung hängt eng mit der Entwicklungder Informations- und Kommunikationstechnologien zusam-men. In der klassischen Fabrik des Industriezeitalters war diegesamte Wertschöpfung auf einem Gelände konzentriert. Inihrer unmittelbaren Umgebung wohnten auch die Arbeiter undAngestellten. Entsprechend groß war die Identifikation der Mit-arbeiter mit ihrem Unternehmen; ebenso aber auch die Identifi-kation des Unternehmers mit dem (Stand-)Ort. Beide Seitenbegriffen sich als Teil einer Familie.

Ähnlich stark war die Identifikation der Mitarbeiter mitihrem Unternehmen noch, als Großrechner die Informations-verarbeitung dominierten. Auch hier bildeten Unternehmen undOrt noch eine Einheit, und die Bindung zwischen Mitarbeiterund Unternehmen hatte meist eine lebenslange Perspektive.

Aufgebrochen wurde die Verbindung Unternehmen – Ort –Mitarbeiter erst durch den Siegeszug der PCs und die Möglich-keit, die einzelnen PCs – ganz gleich, wo sie stehen – miteinanderzu vernetzen. Wir können heute an einem x-beliebigen Ort sit-zen, da wir über das Netz jederzeit Zugriff auf die zentral gespei-cherten Informationen haben. Auch die Arbeitsabläufe könnendadurch neu strukturiert werden. Heute werden zum Beispiel sogenannte »virtuelle Unternehmen« gegründet, die ihre gesamteGeschäftstätigkeit über das Netz abwickeln. Zudem können dieUnternehmen in eine Vielzahl kleiner, (scheinbar) relativ selbst-ständiger Einheiten untergliedert werden, die über das Netz mit-einander verbunden sind.

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Unter-nehmen –Standort –

Mitarbeiter

VirtuelleUnter-

nehmen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 32

Beschleunigung – Nonstop wird zum Ideal

Das Denken »Verschenkte Zeit ist verschenktes Geld« prägtunsere Arbeitswelt. So entwickeln inzwischen nicht nur Soft-wareunternehmen, sondern auch klassische Industrieunterneh-men wie Autohersteller ihre Produkte rund um die Uhr. Dasheißt: Schalten die Entwickler in Deutschland ihre PCs aus, soarbeiten die Entwickler in den USA an den Entwürfen weiter.Gehen die IT-Spezialisten in den USA nach Hause,beugen sich ihre Kollegen in Indien überihre Pläne, bevor schließlich wieder inDeutschland die Sonne aufgeht und diehiesigen Entwickler ihre PCs einschalten.Zu Recht betonen daher viele Wissen-schaftler:

Dieses Non-Stop-Denken erfasst alle Gesellschaftsbereiche.Nicht zufällig wird in Deutschland seit Jahren über eine Flexibi-lisierung der Arbeitszeit diskutiert. Nicht zufällig werfen dieArbeitgeberverbände immer wieder das Stichwort »Verlänge-rung der Maschinenlaufzeiten« in die Diskussion. Auch die Dis-kussion um die Ladenschlusszeiten ist in diesem Kontext zusehen. Die Parole lautet: Nonstop.

Beschleunigung ist die wichtigste Grundtendenz auf demWeg zur digitalen Gesellschaft. Sie verändert unser (Zusam-men-)Leben am unmittelbarsten.

Wir bewegen uns auf eine »Non-Stop-Gesellschaft« zu, inder das Nonstop das anzustrebende Ideal ist.

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Nonstop

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 33

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Symptome der Non-Stop-Gesellschaft

… wird von uns erwartet, dass wir uns lebenslang – auch in unserer Freizeit – weiterbilden.

… genügte es, nach der Ausbil-dung ab und zu ein Seminar zubesuchen, um beruflich fit zu bleiben.

… sind wir, wenn es »brennt«, via Handy oder E-Mail rund umdie Uhr erreichbar.

… war unser Arbeitstag, wenn wir das Fabriktor durchschrittenhatten, beendet.

… können wir im Winter Som-mer- und im Sommer Winter-urlaub machen.

… richtete sich der Urlaub weit-gehend nach den Jahreszeiten.

… können wir zu nahezu jederJahreszeit fast jedes Nahrungs-mittel der Welt erhalten.

… richtete sich die Ernährungnach dem jahreszeitlichen undregionalen Angebot.

… gibt es dank moderner Gesund-heitsfürsorge für kaum eine Tätig-keit Altersbeschränkung.

… waren Tätigkeiten wie Berufoder Sport treiben auf einbestimmtes Lebensalter begrenzt.

… können wir uns jederzeit einenSpielfilm auf Video ansehen.

… konnten wir Spielfilme nur zubestimmten Zeiten sehen.

… können wir rund um die Uhrfernsehen.

… begann das Fernsehprogrammgegen Nachmittag und endetegegen Mitternacht.

… können wir Waren via Internetoder an Tankstellen rund um dieUhr erhalten

… konnten wir höchstens bis18.30 Uhr Waren einkaufen.

Heute …Früher …

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 34

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Am deutlichsten ist das für uns im Arbeitsbereich spürbar. Hierhaben sich in den vergangenen Jahren die an uns gestelltenAnforderungen durch das Vordringen der neuen Informations-und Kommunikationstechnologien radikal verändert. Wenn wirim Arbeitsalltag nicht die geforderte Schnelligkeit und Verände-rungsbereitschaft zeigen, können wir kaum noch einen Job län-gerfristig behalten. Permanentes Um- und Neulernen hat sich zueiner Grundanforderung für alle Arbeitnehmer entwickelt.

Abwesend und anwesend zugleich

Auch die Anforderungen an unser Kommunikationsverhaltenhaben sich radikal verändert. Selbst wenn wir nicht an unseremSchreibtisch sitzen, können wir uns immer schwieriger demexternen Zugriff durch E-Mail, Handy und SMS entziehen.

Vielleicht entgegnen Sie nun: »Aber ich kann das Handy dochausschalten.« Sicher! Doch in manchen Berufen ist dies nurschwer möglich. Beispielsweise, wenn Sie im Außendienst arbei-ten. Sind Sie dann nicht ständig erreichbar oder hören Sie nichtregelmäßig Ihre Mailbox ab, werden Sie, wenn Sie zurückrufen,schnell mit der Aussage konfrontiert: »Aber ich habe doch schon vor einer Stunde eine Nachricht auf Ihrer Mailbox hinter-lassen?«

Mit dem Handy sind wir überall und rund um die Uhrerreichbar. Deshalb werden wir zunehmend – privat undberuflich – mit der Anforderung konfrontiert, überall undstets ansprechbar zu sein.

Perma-nentes Lernen

StändigeVerfüg-barkeit

Immererreich-bar sein müssen?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 35

Dies wäre noch erträglich, wenn sich die Erwartung,ständig ansprechbar zu sein, auf unsere Arbeitszeitbeschränken würde. Immer mehr werden wir aberauch privat mit ihr konfrontiert. Schließlich habenwir das Handy in der Tasche. Schnell ergibt sichhieraus die Anforderung, »zumindest im Notfall«

erreichbar zu sein.Dadurch geraten wir in folgende paradoxe

Situation:

Ohne Zweifel bietet das Handy viele Vorteile – im beruflichenund privaten Bereich. So bedeutet für manch junges Paar mitKindern der Besitz eines Handys ein Stück Freiheit. Es kann nunabends weggehen und von einer Kneipe zur nächsten ziehen.Schließlich kann der Babysitter die Eltern jederzeit erreichen,wenn ihr Kind schreit. Ähnlich ist es, wenn in unserer Ver-wandtschaft jemand ernsthaft erkrankt ist. Auch da bedeutet dasHandy ein Stück Sicherheit und Freiheit, denn wir sind über dasHandy jederzeit erreichbar.

Stets erreichbar, stets ansprechbar, stets verfügbar

Dass wir jederzeit erreichbar sind, hat aber auch Nachteile. Dawir mit einem Handy in der Tasche zwar abwesend, aberzugleich anwesend sind, wird von uns erwartet, dass wir auchansprechbar sind. Entsprechend groß ist für unsere Mitmen-

Weil wir stets erreichbar sind, sind wir oft abwesend undanwesend zugleich.

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VorteilemodernerKommu-

nikations-techno-

logien

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 36

schen die Versuchung, uns anzurufen und uns, obwohl wir nichtda sind, »eben mal kurz« etwas zu fragen. Leicht können zudemVerwandte, Freunde, Kollegen oder Kunden Aufgaben an unsdelegieren, obwohl wir nicht zu Hause bzw. nicht im Büro sind.Dies erhöht nicht nur die Zahl der Anforderungen, die an unsgestellt werden, sondern erschwert es uns auch, uns auf eineSache zu konzentrieren. Deshalb meine These:

Deutlich zeigt sich diese Entwicklung bereits bei den Seminaren,die ich halte. Früher standen die Teilnehmer in den Pausen beiKaffee und Kuchen zusammen. Heute suchen sie in jeder freienMinute ein Eckchen auf. Flugs wird die Mail-box abgehört und eben mal schnell ein Telefonat mit einem wichtigen Kundenoder einem Mitarbeiter geführt. Eine Pau-senkommunikation findet nur noch selten statt.

Der (Selbst-)Anspruch, stets erreichbar und ansprechbar zusein, führt dazu, dass wir immer mehr Tätigkeiten parallel ver-richten. Dies wäre akzeptabel, wenn sich das »Anwesend-und-zugleich-abwesend-Sein« auf Routinetätigkei-ten beschränken würde. Zunehmend prägtdiese Haltung aber auch das menschliche Mit-einander. Hiervon können wir uns an allenöffentlichen Plätzen überzeugen. Wo mehrerePersonen zusammenstehen oder -sitzen, kön-

Wenn wir keine Regeln für den Umgang mit den neuenKommunikationsmitteln entwickeln, können wir künftigimmer weniger einer Person, einer Situation oder einer Auf-gabe unsere volle Aufmerksamkeit schenken.

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Nachteileperma-nenterErreich-barkeit

Handy-pausen statt Kaffee-pausen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 37

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!!Auf meiner Visitenkarte stehen auch meine pri-vate(n) Telefonnummer(n) und meine private E-Mail-Adresse.

!!Ich gebe jedem, der es möchte, meine E-Mail-Adresse und meine Handynummer.

!!Auch im Urlaub bin ich für meine Firma immererreichbar.

!!Wenn ich unterwegs bin, lasse ich mich ständig über eingegangene Anrufe, Faxe oder E-Mails informieren.

!!Auch beim Autofahren ist mein Handy immer aufEmpfang.

!!Ich habe mein Handy eigentlich immer an, außer bei ganz wichtigen Besprechungen.

!!Wenn ich einen Tag keine E-Mails erhalte, frage ichmich, ob mit meinem Mailprogramm irgendetwasnicht stimmt.

!!Ich werde unruhig, wenn ich nicht stündlich meineMailbox abfrage.

!!In den Pausen, z. B. während eines Seminars oderTheaterbesuchs, greife ich zu meinem Handy, um zutelefonieren oder meine Mailbox abzufragen.

!!Ich fühle mich unwohl, wenn ich mein Handy ver-gessen habe.

Trifftnicht zu

Trifft zu

Sind Sie vom Erreichbarkeits-Syndrom infiziert?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 38

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Addieren Sie die Zahl der Kreuze, die Sie in der Spalte »Trifft zu« gemacht haben.

Auswertung:

0-3 Kreuze Sie haben die Ruhe weg. Aber es ist fraglich, ob Sie den zukünftigenAnforderungen noch gerecht werden können.

4-8 Kreuze Sie wahren die rechte Balance zwischen Erreichbarkeit und Nicht-Erreichbarkeit.

9-12 Kreuze Sie sind vom Erreichbarkeits-Syndrom infiziert und lassen sich IhrenLebensrhythmus von außen diktieren.

!!Es kostet mich Überwindung, mein Telefon aufeinen Kollegen umzustellen.

!!Zu Hause gehe ich immer, wenn es klingelt, ansTelefon.

nen wir sicher sein, dass nach kurzer Zeit ein Handy klingelt.Kaum ertönt das Klingeln, wendet sich der Besitzer von der Person ab, mit der er gerade redete, und schenkt seine Aufmerk-samkeit dem unsichtbaren Gesprächspartner. Deshalb meineThese:

In absehbarer Zeit wird die ungeteilte Aufmerksamkeiteines Menschen eines der wertvollsten Güter sein. Entspre-chendes gilt für das Privileg, uns zurückziehen und abschal-ten zu dürfen.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 39

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!!Wenn ich mich unterhalte, signalisiere ich oft Auf-merksamkeit, während ich über etwas anderesnachdenke.

!!Während ich mit den Kindern spiele, schaue ich imFernsehen nach den Aktienkursen.

!!Während ich jogge, höre ich Musik oder lerne Vokabeln.

!!Ich versuche, durch Hin-und-her-Zappen zwei Sen-dungen gleichzeitig zu sehen

!!Während ich telefoniere, erledige ich Aufgaben wiein meine Mailbox schauen, Unterlagen sortierenoder kopieren.

!!Wenn ich mit dem Auto an der Ampel stehe, lese ichdie Tageszeitung oder Briefe

!!Morgens rasiere oder schminke ich mich, währendich mit dem Auto ins Büro fahre.

!!Während des Autofahrens telefoniere ich häufig.

!!Ich gerate nicht ins Schleudern, wenn ich mehrereDinge parallel erledige.

!!Ich schaue häufig fern, während ich esse.

Trifftnicht zu

Trifft zu

Sind Sie ein »Parallel-Arbeiter«?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 40

Kapitel 3

Vom Arbeitnehmer zum Selbst-Unternehmer

Projektarbeit und Teilzeitarbeit

Mit den Umstrukturierungen, die in den vergangenen Jahren inUnternehmen durchgeführt wurden, stieg die Zahl der Mitarbei-ter, die in Team- bzw. Projektstrukturen arbeiten. Das vorgege-bene Ziel lautet: Wir wollen nicht mehr, sondern intelligenterarbeiten. Die Alltagserfahrung vieler Mitarbeiter ist eine andere.Wir machen die Erfahrung: Selbst wenn ich noch so »intelligent«und effizient arbeite, gelingt es mir nicht, mein Arbeitspensumzu bewältigen. Sowohl der Arbeitsdruck als auch die Arbeits-menge sind gestiegen.

Viele von uns wissen aus eigener Erfahrung, dass Team- undProjektarbeit viel Abstimmung voraussetzen. Entspre-chend häufig sitzen Team- und Projektmitglie-der in Besprechungen. Wenn dieser »Bespre-chungszeit« nicht ausreichend Arbeitsstundengegenüberstehen, dann rechnen sich dieseArbeitsformen für die Unternehmen nicht.Daher geht zum Beispiel mit Team- und

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Team- und Projekt-arbeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 41

Projektarbeit meist der Zwang zur Vollzeitbeschäftigung ein-her. Unser Handlungsspielraum wird eingeschränkt, Pro-jektarbeit und Teilzeitarbeit sind nur sehr schwer zu verein-baren.

Beispiel: Eine meiner Bekannten arbeitete in einer Werbeagen-tur als Art-Direktorin. Dann bekam sie ein Kind und nahm15 Monate Erziehungsurlaub. Anschließend stieg sie wieder inihren Job ein. Schon nach drei Monaten musste sie sich einge-stehen: Es geht nicht. Da die Arbeit in der Agentur weitgehendProjektarbeit ist, sind mit ihr oft Überstunden verbunden, diezudem nur schwer planbar sind. Sie musste jedoch täglich um17 Uhr nach Hause, um ihr Kind bei der Tagesmutter abzuholen.Viele Arbeiten, für die sie im Team mitverantwortlich war, muss-ten folglich ihre Kollegen übernehmen. Nach wenigen Wochenmerkte sie, wie ihre Kollegen zunehmend gereizter auf sie rea-gierten. Sie sahen nicht mehr ein, warum sie häufig bis in dieAbendstunden arbeiten sollten, während ihre Kollegin nachHause ging. Da mittelfristig keine Änderung absehbar war, ent-schied meine Bekannte: Ich gebe die Stelle auf. Heute arbeitetsie als freie PR-Beraterin an weniger Projekten, dafür aberzufriedener, weil sie den Balance-Akt zwischen Kind und Berufbesser bewältigt.

Angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt werden wirdaher immer öfter gezwungen sein zu entscheiden: Was ist mir

Wir stehen zunehmend vor der Entscheidung: Entweder ich praktiziere Teilzeitarbeit, oder ich mache Karriere.Dann muss ich Vollzeit arbeiten und die nötige Flexibilitätzeigen.

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Teilzeit oderVollzeit?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 42

wirklich wichtig? Eine Topkarriere? Viel Zeit für meine Familieund meine Hobbys? Meinen Freundeskreis pflegen oder beruf-lich weiterkommen? Immer schwieriger werden sich diese Dingeaufgrund der Flexibilität und Mobilität, die von uns am Arbeits-platz erwartet wird, vereinbaren lassen. Voraussagen lässt sichfolgende Entwicklung:

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künftig

heute

Job 5

Job 4

Job 3

Job 2

Job 1

Job 1 Job 5

Job 4

Job 3

Job 2

Berufliche Entwicklung

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 43

Statt zu versuchen, die Karriereleiter stets weiter emporzustei-gen, müssen wir versuchen, dank unserer Qualifikationen»Zugang zu möglichst vielen Abteilungen zu erhalten« (Ernstu. a. 2000, Seite 87).

Die klassischen Berufs- und Lebensphasen lösen sich auf

Heute zeichnet sich bereits ab, dass sich die klassischen Phasender beruflichen Biografie auflösen werden. Sie stellten sich zumBeispiel bei Akademikern bisher – grob skizziert – wie folgt dar:Das dritte Lebensjahrzehnt war weitgehend durch die beruflicheQualifizierung und den Berufseinstieg geprägt. Das vierte Jahr-zehnt war die Phase der beruflichen Reife. Im fünften Jahrzehntstand die Schaffenskraft der Arbeitnehmer in voller Blüte, undsie strebten dem Zenit ihrer Karriere entgegen. Mit dem fünf-

zigsten Lebensjahr war dieser meist erreicht. Er wurde dann noch einige Jahre gehalten,bis sich der Ruhestand am Horizont ab-

zeichnete.

Künftig wird nicht mehr die Leiter, sondern der Schlüsseldas Symbol für den beruflichen Erfolg sein.

Flexibilität wird zukünftig entscheidend für jede Karrieresein. Dabei haben höher Qualifizierte die besseren Chan-cen. Sie können in bestimmten Lebensphasen optimaler dieArt ihrer Tätigkeit, aber auch den dafür notwendigen Zeit-aufwand bestimmen.

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 44

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Wahrscheinlicher Karriereverlauf heute und künftig

–20 –30 –40 –50 –60Erst- Einstieg Leistungs-/ Ausstiegausbildung Aufstieg Karrierezenit

heute

–20 –30 –40 –50 –60Erst- Einstieg Ausstiegausbildung

künftig

Lebensjahre

Lebensjahre

Posi

tion

im U

nter

nehm

enPo

sitio

n im

Unt

erne

hmen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 45

Diese Phasen wird es bald nicht mehr geben. Unsere gesamteBiografie wird von einem permanenten Neu-Lernen, Sich-neu-Orientieren und Sich-neu-Einrichten geprägt sein – sowohl in

beruflicher als auch in privater Hinsicht. Nicht nur,weil sich die Inhalte unserer Arbeit ändern, sondern

auch, weil dank wissenschaftlicher Errungenschaf-ten wir uns bis ins hohe Alter bester Gesund-heit und Schaffenskraft erfreuen können.Sowohl jeder Einzelne als auch die Unter-nehmen werden sich also zukünftig perma-nent umorientieren.

Dieser Anforderung, Selbst-Unternehmer zu sein, müssen wiruns stellen. Sonst ist unsere Arbeitskraft schnell nicht mehr

gefragt. Dabei bedeutet Selbst-Unternehmer zusein nicht nur, dafür Sorge zu tragen, dass wir

fachlich up to date sind und unseren Lebensbe-reich »Arbeit/Leistung« aktiv gestalten. Selbst-

Unternehmer umfasst vielmehr alle Lebensbe-reiche. So wird es künftig, wie heute bereitsbei Selbstständigen, weitgehend unsere

Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass

Die modernen Unternehmen erwarten von ihren Mitarbei-tern, dass sie »Selbst-Unternehmer« werden. Sie sollenmehr Flexibilität, Risikobereitschaft und Eigenverantwor-tung – auch für ihre Weiterbildung – zeigen. Sie sollen sichwie Unternehmer selbst managen, um für den Arbeitsmarktattraktiv zu bleiben.

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Mut zumSelbst-Unter-

nehmer-tum

Sich neuorientieren

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 46

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Faktoren, welche die Leistungskraft beeinträchtigen

• Selbstzweifel• Unausgeglichenheit• »innere Leere«• ungelöste seelische

Probleme• Sinnkrise

• Müdigkeit• Krankheit• Stress• physische/psychi-

sche Erschöpfung

• Vereinsamung• keine emotionale

Stütze• familiäre Probleme• Verlust einer

wichtigen Person

• Mobbing• fehlendes Wissen• schlechte Ziel-

vorgaben• fehlende Infor-

mationen

Familie/Kontakt Arbeit/Leistung

Körper/GesundheitSinn/Kultur

Leistungskraft

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 47

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• wir fit und gesund sind und unsere Leistungskraft gewahrtbleibt,

• unser Familien-/Privatleben so geordnet ist, dass unsere Fle-xibilität und Mobilität gewahrt bleibt und es nicht unsereArbeitskraft beeinträchtigt, und

• uns nicht eine Sinnkrise packt, die unsere Leistungskraft mindert.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 48

Kapitel 4

Vom Lebens-Konsumenten zumLebens-Unternehmer

In der flexiblen Gesellschaft brechen zunehmend die Stützpfeilerweg, die uns in der Vergangenheit Sicherheit gaben und unsererPersönlichkeit Stabilität verliehen. Ein Pfeiler war unser Berufbzw. unsere Identifikation mit unserem Beruf. Ein weiterer Pfei-ler war die langfristige Bindung an ein Unternehmen. Beide wer-den immer brüchiger.

Aber auch unsere sozialen Beziehungen gebenuns immer weniger Halt, um Brüche in unse-rer (beruflichen) Biografie oder persönliche Krisen zu bewältigen. Die Großfamilie istschon lange ein Relikt der Vergangenheit.Aber auch die Kleinfamilie steht zuneh-mend auf dem Prüfstand. Nicht nur, weil immer mehr Ehenbzw. Lebenspartnerschaften scheitern, sondern auch, weil dieZahl der (Ehe-)Paare ohne Kinder seit Jahren steigt. Inzwischenwächst jedes dritte Kind unter 18 Jahren als Einzelkind auf.

Deshalb schreibt zum Beispiel das manager magazin: »Unterden gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Bedin-gungen ist die Familie somit eine bedrohte Art. Kaum ein Projekt

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ProblemfeldFamilie

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 49

ist heute so schwierig wie das Unterhalten und Managen einerFamilie. Das Problem betrifft jede Form des Zusammenlebensmehrerer, auch biologisch verbundener Generationen.« (managermagazin 10/2000, Seite 246 ff.) Und, so das Wirtschaftsmagazinweiter: »In der New Economy wird alles noch sehr viel dramati-scher. Da ist zum einen die Arbeit in den Start-Ups der IT-Bran-che, in den Internet-Bienenkörben und im E-Business, den›Keimzellen‹ des neuen Wirtschaftens. Dort gilt: Wer nicht 50, 60,70 Stunden pro Woche mitschuftet, der verrät das große Ziel, andem die Zukunft des gesamten Unternehmens hängt. Der verrätauch die Kollegen. Gedanken an Fortpflanzung und Familiengrün-dung kommen in einer solchen Atmosphäre erst gar nicht auf.«

Ähnlich verhält es sich in den Unternehmen der so genanntenOld Economy. Sie gleichen ihre Arbeitsstrukturen den Projekt-strukturen der »Newcomer« an. Lakonisch stellt das managermagazin fest: »Kinderbetreuung, Erziehung und andere Famili-enaktivitäten passen nicht zum Konzept der Projektarbeit. Mankann seine Leistungspensen noch so genau unterteilen in ›Inten-siv-Phasen‹ und Auszeit – eine Windpocken-Epidemie im Kin-dergarten oder ein wegen Liebeskummer von zu Hause ausge-büchster Teenager machen schlagartig alle Planungen zunichte.«(manager magazin 10/2000, Seite 250)

Mögen diese Aussagen auch journalistisch zugespitzt sein, sospiegeln sie doch eine Grundtendenz wider:

Nicht nur unsere Familien oder Partnerschaften unterliegen im»flexiblen Kapitalismus« einer Belastungsprobe. Wenn unser Be-

Unsere sozialen Beziehungssysteme werden stets kleinerund brüchiger. Aus Familien werden Beziehungskisten, ausLebenspartnern Lebensabschnittspartner.

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New Economy

Old Economy

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 50

ruf uns zwingt, heute in Dresden, in zwei Jahren in München undin fünf Jahren in New York zu arbeiten, sind auch unsere freund-schaftlichen Beziehungen Beziehungen auf Zeit. Zumindest fehltihnen der gemeinsame Alltag, der uns mit unseren Freunden ver-knüpft. Ein Chat im Internet kann das abendliche Gesprächbeim Bier und das gemeinsame Joggen auf Dauer nicht ersetzen.

Auch unsere Paarbeziehungen werden aufeine harte Bewährungsprobe gestellt. Zumalheute viele Frauen – zu Recht – fordern, dassauch sie sich beruflich verwirklichen könnenund nicht in die finanzielle Abhängigkeiteines Mannes geraten. Folglich werden wir unskünftig sehr viel häufiger die Frage stelle müssen: Bin ich bereit,für meine Beziehung einen Ortswechsel zu vollziehen (odernicht zu vollziehen) und damit auf einen Karriereschritt und (einStück) berufliche Selbstverwirklichung zu verzichten? Dabeibeißt sich die Katze aber sprichwörtlich in den Schwanz.

Es wird für viele (Paare) schwierig sein, aus diesem Teufelskreiseinen Ausweg zu finden. Denn Kompromisse sind in Alles-oder-nichts-Gesellschaften verpönt. Zu Recht prognostiziert Opa-schowski: »Lebenslange Beziehungen und echte Freundschaftenwerden in Zukunft immer seltener. Weil eine Beziehung auf Dauerfast zur Lebenskunst wird.« (Opaschowski 1999, Seite 147)

Doch werden unsere Partnerschaften und Freundschaftenauf Zeit uns in Krisensituationen ebenso tragen und stützen kön-

Je geringer unsere Bereitschaft zu Zugeständnissen ist, um-so zerbrechlicher werden unsere (Paar-)Beziehungen. Jezerbrechlicher aber unsere Beziehungen sind, umso gerin-ger ist unsere Bereitschaft zu Kompromissen.

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SteigendeMobilität

Paarbezie-hungenwerdenschwieriger

Beziehun-gen alsLebens-kunst

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 51

nen wie über Jahrzehnte gereifte Freundschaften und Lebens-partnerschaften? Oder werden sie schnell beendet sein, wenn dasKosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr stimmt, weil ein Partnerin der Krise steckt?

Dabei heißt »in uns selbst« nicht, dass wir unsin unser inneres Schneckenhaus zurückzie-

hen. Vielmehr bedeutet es, dass wir rechtzeitigin uns hineinhorchen und uns fragen: Was ist

mir wirklich wichtig? Auf keinen Fallbedeutet »in uns«, dass wir in Egoismus bzw.

Ego-Zentrismus verfallen. Im Gegenteil. Beim Beantworten derFrage »Was ist uns wichtig?« sollten wir vielmehr stets vorAugen haben, dass wir ein erfülltes Leben nur in Gemeinschaftführen können. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir unserLebensziel nur in Kooperation mit anderen erreichen können.Eine entsprechend große Bedeutung sollten wir daher beimBeantworten der Frage »Was ist mir wichtig?« dem Lebens-bereich »Familie/Kontakt« beimessen. Wenn wir uns darüberklar werden, worauf wir bereit sind zu verzichten, können wirdiesen Bereich erfolgreich gestalten. Erst wenn uns das bewusstist, können wir gezielt darauf hinarbeiten, soziale Beziehungenaufzubauen, die uns auch in Krisensituationen tragen.

Wenn alle Stützpfeiler brüchig werden, können wir dennötigen Halt nur in uns selbst finden.

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Kraft schöpfen

durchinnere

Stabilität

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 52

Burn-out und der Wunsch, aus dem Karussell auszusteigen

Menschen, die sich überlastet fühlen, werden zunehmend vonSelbstzweifeln überfallen und interpretieren ihr Überfordertsein(ausschließlich) als individuelles Problem. Auf den ersten Blick istoft nicht erkennbar, was sie mit anderen »Gescheiterten« verbin-det. Eine Hausfrau kann sich mit den Proble-men einer anderen Hausfrau noch iden-tifizieren. Doch was haben ein arbeitsloserJugendlicher und ein Topmanager, der mit 52 »aussortiert« wurde, gemeinsam? Rechtwenig, obwohl beide arbeitslos sind.

Oder: Was hat ein Projektmanager, der wegen seiner engenTerminvorgaben Probleme hat, die gesteckten Projektziele zu erreichen, mit einer ungelernten Arbeitskraft gemeinsam,die zwischen mehreren Teilzeitjobs hin- und her hastet, umihren Lebensunterhalt zu verdienen? Oder ein Verkaufsleiter,der darum kämpft, die Quartalszahlen zu erreichen, mit einer alleinerziehenden Mutter, die stets ein schlechtes Gewissen plagt, weil sie nicht zugleich den Bedürfnissen ihrer Kinderund den Anforderungen ihres Berufs gerechtwerden kann? Auf den ersten Blick scheinbar nichts.

Und doch haben sie vieles gemeinsam: Sie alle haben Zeit-probleme und kämpfen damit, den an sie gestellten Anforderun-gen gerecht zu werden. Sie alle sind an einem Punkt angelangt, andem sie leicht ihre innere Balance verlieren können. Sie allebefinden sich in einer Situation, in der der Stress, der aus derÜberforderung und Anspannung resultiert,

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Ob Projekt-manageroder Mutter …

Zeit-problemeund innereBalance

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 53

• ihre Lust am Leben mindert, • ihre körperliche (und seelische) Gesundheit gefährdet und• ihre Leistungskraft schmälert,

sofern er zum Dauerzustand wird. Dieses Überfordertsein istkein individuelles Problem. Das zeigt unter anderem die öffent-liche Diskussion über das Thema Burn-out in den zurückliegen-den Jahren. Das Phänomen Burn-out lässt sich auf drei Sätzereduzieren:

• Ich bin oder ich sehe mich mit Anforderungen konfrontiert,die meine Fähigkeiten bzw. meine Kräfte übersteigen.

• Beim Versuch, diesen Anforderungen gerecht zu werden,habe ich bereits so viel Energie verbraucht, dass ich dieseAnforderungen nicht mehr bewältigen kann.

• Ich bin in einem Erschöpfungszustand angelangt und kannmein Leben zurzeit nicht mehr genießen.

Sätze wie diese zeigen: Die gestellten Anforderungen sind keineeinmaligen, singulären. Eine Person, die sich beim Joggen überfordert hat, wird am nächsten Morgen zwar über Muskel-kater, aber nicht über ein Burn-out-Syndrom klagen. Ähnlichist es bei einem Arbeitnehmer, der ab und zu bis spät nachtsarbeiten muss. Er wird am nächsten Morgen eventuell überMüdigkeit, aber nicht über ein Burn-out-Syndrom klagen. Dasheißt:

Die Anforderungen, die ein Burn-out bewirken, sind sol-che, die unser Leben permanent begleiten. Folglich kanndieser »Erschöpfungszustand« auch nur durch eine Ände-rung unserer Lebenssituation gelöst werden bzw. dadurch,dass wir den Anforderungen anders begegnen.

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Burn-out-Syndrom

Anforde-rungen undÜberforde-

rungen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 54

Ein Indiz für ein Überfordertsein ist auch der von beruflichstark engagierten Personen immer häufiger geäußerte Wunsch,mit 50 Jahren aus dem Berufsleben auszusteigen. Nicht zufälligboomen Buchtitel, die ihren Lesern versprechen, dass sie mit 50 Jahren finanziell ausgesorgt haben. Doch welche Bot-schaft steckt hinter der Aussage: Ich will mit 50aussteigen? Sie zeigt, dass die eigene Arbeit nicht mehr als Herausforderung, sondern als Überfor-derung erfahren wird. Sie wird auch nicht mehr als sinnhaft erfahren. Deshalb wird sie zur Last und Qual. Sie wird nicht mehr als Aufgabe ge-sehen, deren Erfüllung Lust und Befriedigung be-reitet.

Auch der Wunsch, mit 50 auszusteigen, ist folglich ein Indizdafür, dass die Balance im Leben fehlt. Dabei fällt auf:

Seit für Frauen nicht mehr Heirat und Kinderkriegen die ein-zige Lebensperspektive ist, ist ihr Leben selbstbestimmter und noch komplexer geworden. Dies gilt insbesondere für die Zeitzwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr, in der sich meist das berufliche Fortkommen entscheidet. In dieser Le-bensphase stellt sich Frauen viel schärfer als Männern die Fragenach dem Kinderwunsch. Vor allem, wenn ab dem 35. Lebens-jahr die biologische Uhr in ihnen tickt, geraten viele Frauen ineinen Interessenkonflikt, da sich zwar meistens Familie und

Männer und Frauen werden vom Burn-out-Syndrom undvon dem Wunsch auszusteigen gleichermaßen gepackt.Hier gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.Selbst die Midlife-Crisis – früher ein klassisches Männer-phänomen – packt heute auch Frauen.

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Aussteiger-tendenzen

Lebens-entschei-dungen von Frauen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 55

Beruf, aber oft nur schwer Familie und Karriere vereinbaren lassen.

Dabei trifft frau, ganz gleich wie sie sich entscheidet, oft die »falsche« Entscheidung. Entscheidet sie sich für das Kin-derkriegen, so besteht die Möglichkeit, dass sie einige Jahre spä-ter wegen des Verzichts auf mögliche Karriereschritte eineSinnkrise packt. Entscheidet sie sich gegen eigene Kinder,kommt für manche ebenfalls in den Vierzigern die Midlife-Cri-sis, weil auch diese Entscheidung nicht revidierbar ist. Eineklassische Zwickmühle. Deshalb sollten sich gerade Frauenzwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr inten-siv mit der Frage befassen: Was will ich? Was ist mir wirklichwichtig?

Einfache Antworten gibt es nicht

Dass unser Leben komplizierter geworden ist, beweist auch derBoom von Ratgeberbücher und -sendungen. Nahezu unersätt-lich scheint unser Bedarf an Ratschlägen zu sein, die uns helfen,unser Leben zu meistern.

Dabei erwarten wir von den Ratgebern meist einfache, leichtverdauliche Antworten. Schließlich ist unserLeben schon schwer genug. Die Antworten soll-

ten so leicht konsumierbar sein wie ein Hambur-ger. Keinesfalls möchten wir hören: »… unter der

Voraussetzung, dass Sie …, könnten Sie viel-leicht …, sofern …« Wir wollen eine klare

Richtschnur haben: »Als Erstes musst du …Danach musst du …« Dabei wird leider oft übersehen:

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Das eigeneLeben

meistern

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 56

Anders formuliert: Es gibt kein Kochrezept für unser Leben, daswir nur nachkochen müssen, um ein erfülltes Leben zu füh-ren. Wir selbst müssen die für uns richtige Dosierung zwischenden vier Lebensbereichen »Arbeit/Leistung«, »Sinn/Kultur«»Köper/Gesundheit« und »Familie/Kontakt« finden.Schließlich geht es um unser Leben, und diesesist trotz der gesellschaftlichen Veränderun-gen, mit denen wir alle konfrontiert sind, ein-zigartig.

Unser Leben ist kein Tellergericht. Es genügt nicht, dass wiretwas Salz und etwas Pfeffer und vielleicht noch etwasEstragon in einen Topf werfen, und schon hat das Essen»Leben« die richtige Würze.

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Selbstver-antwortungübernehmen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 57

Kapitel 5

Bewährte Hilfsmittel:Zeit- und Selbstmanagement

Wissen Sie, von wem der Satz »Zeit ist Geld« stammt? Von Ben-jamin Franklin! Der berühmte US-amerikanische Forscher,Politiker und Gründer der Universität von Pennsylvania formu-lierte ihn 1736 in seinem Buch Necessary hints for those thatwould be rich (»Notwendige/nützliche Tipps für solche, diereich werden möchten«). Ein Titel, der auch heute noch auf demCover eines Geld-Ratgebers stehen könnte. Ein Buch, daszudem zahlreiche Tipps enthält, die noch heute (wenn auch mitanderen Worten) in den Finanz-Bestsellern stehen.

Franklins Philosophie lautet: Zeit ist Geld. Also nutze deineZeit, dann wirst du reich. Es dauerte nicht lange, und dieseMaxime hielt Einzug in die Unternehmen. Im Zuge der Indust-rialisierung wurde für den Produktionsbereich das Zeitmesseneingeführt, von dem die Angestellten in den Unternehmenzunächst verschont blieben.

Für den Angestelltenbereich entwickelte Peter Drucker inden fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Management-system Management by Objectives (»Führen über Ziele«), beidem es dem einzelnen Mitarbeiter überlassen bleibt, wie er seine

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Zeit istGeld?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 58

Arbeitszeit einteilt, um die angegebenenoder vereinbarten Ziele zu erreichen.

Lange Zeit funktionierte dieses Manage-mentsystem. Ungefähr Mitte der achtzigerJahre zeichnete sich innerhalb der Unterneh-men aber immer deutlicher ab: In der vorge-gebenen Zeit die gesteckten Ziele zu errei-chen, wurde für die Mitarbeiter aufgrund dersteigenden Arbeitsmenge immer schwieri-ger. Also suchten sie ein Instrument, umihnen Hilfestellung zu bieten. Sie fanden es im Zeitmanagement.In Seminaren bekamen ihre Mitarbeiter fortan Regeln vermittelt,wie sie ihre Zeit effektiver nutzen können. Diese lauteten zumBeispiel:

• Definiere zunächst Ziele für deine Arbeit und leite hieraus dienötigen Aufgaben ab.

• Leite daraus dann wiederum Teilaufgaben ab, die du in einemMonat, in einer Woche oder an einem Tag erledigen kannst.

• Erstelle jeweils abends, bevor du nach Hause gehst, einenAufgabenplan für den nächsten Tag.

• Fasse gleichartige Tätigkeiten wie Briefe schreiben, Telefo-nate führen usw. zusammen und erledige sie en bloc.

Aus Zeitmanagern werden Selbstmanager

Schnell zeigte sich in der Folgezeit aber, dass diese Art, die eigeneArbeit zu planen und zu strukturieren, nicht ausreichte. Weiterhinklagten die Betroffenen: Ich schaffe mein Arbeitspensum trotzdemnicht. Jeden Abend liegen auf meinem Schreibtisch noch unerle-

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Entwicklungzum Selbst-manage-ment

Zeitmanage-ment alsHilfestellung

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 59

digte Aufgaben, weshalb ich länger im Büro blei-ben muss. Immer weniger Zeit bleibt mir für meineFamilie und meine Freunde oder um mich zuerholen. Deshalb wurde das Zeitmanagement zumSelbstmanagement ausgebaut.

Hat er diese Frage beantwortet, trägt er in seinen Zeitplaneraußer »Besprechung mit dem Chef« auch »Elternabend« oder»Rückengymnastik« ein.

Mehr Gewicht legt das Selbstmanagement auch auf das Ana-lysieren der Aufgaben. Untersucht wird unter anderem, ob essich bei ihnen um »wichtige« und/oder »dringliche« Aufgabenhandelt. Hinter dringlichen Aufgaben stehen ein Termin odereine unmittelbare Notwendigkeit; die Aussage wichtig hingegenbezieht sich auf den Inhalt der Aufgabe.

Dringliche Aufgaben sind im beruflichen Bereich die gesamteKorrespondenz, die »unbedingt heute raus muss«, weil es demKunden versprochen wurde. Im häuslichen Bereich zählt da-

zu zum Beispiel das Erledigen der Ein-käufe, wenn zu Hause keine Lebensmittelmehr sind, aber die Kinder auf das Essen

warten. Oder das Überweisen der Miete amMonatsende, ebenfalls eine dringliche Auf-gabe.

Das Selbstmanagement unterscheidet sich vom klassischenZeitmanagement dadurch, dass sich der Einzelne nicht nur fragt: Welche Aufgaben muss ich bei meiner Arbeiterledigen? Sondern auch: Was ist mir privat wichtig, undwelche Aufgaben muss bzw. will ich in meiner Freizeiterledigen?

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Wichtigeoder dring-

liche Auf-gaben

DringlicheAufgaben

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 60

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Wichtig – dringlich

Notieren Sie bitte, welche Ihrer beruflichen und privaten Aufgaben Sie als»wichtig« bzw. »dringlich« erachten.

Wichtige Aufgaben

Beruflich

Beispiel: neue Mitarbeiter/Kollegen einarbeiten

Privat

Beispiel: Altersvorsorge planen

Dringliche Aufgaben

Beruflich

Beispiel: von Kunden gewünschtes Angebot verschicken

Privat

Beispiel: fehlende Lebensmittel einkaufen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 61

Eine wichtige Aufgabe im beruflichen Bereich hingegen istzum Beispiel das Einarbeiten eines neuen Mitarbeiters. Ansons-ten sitzt der Neue nämlich nur herum und kostet Geld, bringtaber keinen Nutzen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist das Ein-

führen einer neuen Software im Unternehmen, mit der dieArbeit schneller und effektiver erledigt werden kann.Im privaten Bereich gehört es zu den wichtigen Auf-gaben, sich ausreichend Zeit für Gespräche mit denKindern und dem Lebenspartner zu nehmen. Auchdas regelmäßige Wahrnehmen ärztlicher Vorsorgeter-

mine, um mögliche Krankheiten frühzeitig zu er-kennen, ist wichtig.

Anhand der Unterscheidung zwischen »wichtig« und»dringlich« werden im Zeit- und Selbstmanagement vier Aufga-ben-Typen definiert.

A-Aufgaben: Diese Aufgaben sind wichtig und dringlich. Siemüssen sofort von Ihnen selbst erledigt werden.

Beispiel: • Kinder trösten, wenn sie hingefallen sind.• Verlängerung des Reisepasses beantragen, wenn

eine Auslandsreise ansteht und der Pass abge-laufen ist.

• Den Kunden, mit dem Sie den meisten Um-satz machen, zurückrufen, wenn er sich be-schwert hat.

B-Aufgaben: Diese Aufgaben sind wichtig, aber weniger dring-lich, können also warten. Je nach Grad der Wich-tigkeit können Sie diese Aufgaben auch an anderePersonen delegieren.

Beispiel: • Steuererklärung machen, wenn noch einige Zeitbis zum letztmöglichen Abgabetermin ist.

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WichtigeAufgaben

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 62

• Handwerker bestellen,wenn der Wasserhahn inder Küche tropft.

• Den neuen Mitarbeiter/Kollegen einarbeiten.

C-Aufgaben: Diese Aufgaben sind weniger wichtig, aber dring-lich. Sie sollten nach Möglichkeit delegiert wer-den (im Beruf: zum Beispiel an Mitarbeiter oderKollegen, an eine Fachabteilung, an einen exter-nen Dienstleister; privat: zum Beispiel an denLebenspartner, an die Putzfrau oder einen ande-ren Dienstleister).

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Dringlichkeit

niedrig hoch

nied

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keit

B-Aufgaben(Strategie,

Effektivität):

Planen und recht-zeitig terminieren

A-Aufgaben(Problem, Krise):

Sofort erledigen

C-Aufgaben(Zeitfresser,

Ineffektivität):

Reduzieren,eliminieren,delegieren

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P

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 63

Beispiel: • Ausgefülltes Überweisungsformular bei derBank einwerfen.

• Zimmerpflanzen gießen, wenn sie am Ver-dursten sind.

• Für einen relativ unwichtigen Kunden dasversprochene Angebot erstellen.

D-Aufgaben: Sie sind weder wichtig noch dringlich und kön-nen getrost der Ablage »P«, dem Papierkorb, über-antwortet werden.

Beispiel: • Werbebriefe öffnen und lesen, die im Briefkas-ten liegen oder auf Ihrem Schreibtisch landen.

• Unterwäsche oder Geschirrhandtücher bügeln.

Regte sich bei Ihnen beim Lesen obiger Beispiele für dringlicheund wichtige Aufgaben vielleicht zum Teil Widerspruch? Sozum Beispiel beim Einordnen der Aufgabe »Unterwäsche oderGeschirrhandtücher bügeln« als D-Aufgabe, die in den »Papier-korb« geworfen werden kann, also nicht erledigt werden muss?Vielleicht ist es Ihnen ja wichtig, dass Ihre Unterwäsche gebügeltist und die Geschirrhandtücher fein säuberlich auf einem Stapelliegen. Dann ordnen Sie diese Aufgabe in eine andere Kategorieein. Ähnlich ist es, wenn in der Küche der Wasserhahn tropft.Vielleicht geht Ihnen das so auf die Nerven oder vielleicht sindSie grundsätzlich gegen jede Art von Wasserverschwendung,dass Sie das Bestellen des Handwerkers nicht als eine B-Auf-

gabe (weniger dringlich, aber wichtig), sondern als A-Aufgabe (wichtig und dringlich) einstufen. Das zeigt:

Welche Bedeutung wir einzelnen Aufgaben bei-messen, hängt mit unserem persönlichen Werte-system zusammen (siehe auch Seite 121 ff.).

64

Kriterien fürPrioritäten

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 64

65

Wirklich wichtig – wirklich dringlich?

Analysieren Sie die Aufgaben, die Sie in der Wichtig-dringlich-Liste aufSeite 61 notiert haben, und ordnen Sie diese den vier verschiedenen Auf-gabentypen zu.

A-Aufgaben

B-Aufgaben

C-Aufgaben

D-Aufgaben

➡➡ Sofort erledigen

➡➡ Ab in den Papierkorb

➡➡Planen und recht-zeitig terminieren

➡➡Reduzieren, eli-minieren, delegieren

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 65

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Heute nicht dringlich, morgen dringlich

Welche nicht dringlichen Aufgaben schieben Sie gern so lange auf dielange Bank, bis sie dringlich sind? Lassen sich diese Aufgaben bestimmtenAufgabentypen zuordnen? Zum Beispiel administrative Aufgaben wieBriefe schreiben, Routinetätigkeiten wie Bügeln, oder Geldangelegenhei-ten wie Rechnungen überweisen. Überlegen Sie, ob und an wen Sie diese»ungeliebten Aufgaben«, die in Ihrem Alltag immer wieder Stress erzeu-gen, delegieren können. Falls nicht delegierbar, dann als »Muss« erledi-gen, solange Sie noch nicht »anbrennen« – eine Selbstmanagement-Technik, die Ihnen das Gefühl vermittelt, sich von einer Last zu befreienund offen für wirklich Spannendes zu sein.

Delegieren an …AufgabentypAufgaben

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 66

Das Einordnen der Aufgaben wird auch dadurch erschwert,dass sich ihr Charakter oft wandelt. So erscheint uns zum Beispiel das Reparieren eines tropfenden Wasserhahns noch als wenig dringlich, wenn nur alle drei, vier Minuten ein Trop-fen entweicht. Ergießt sich das Wasser aber, weil wir das Be-stellen des Handwerkers lange hinausgeschoben haben, inSturzbächen aus der Leitung, obwohl wir den Hahn zugedrehthaben, so wird aus der wenig dringlichen Aufgabe plötz-lich eine dringliche Aufgabe.

Denn die Zeit lässt sich nicht managen. Wirkönnen nur uns selbst managen. Wir könnennur die uns zur Verfügung stehende Zeiteffektiver nutzen, indem wir zum Beispielunsere Arbeit anders strukturieren und unsereAufgaben und Interessen besser koordinieren.

Zeit- und Selbstmanagement haben sich daher zu wichti-gen Arbeitstechniken entwickelt. Sie werden immer wichtiger,je komplexer unser Arbeits- und Lebensalltag wird und jeunterschiedlicher die Aufgaben werden, die wir erledigen müssen.

Nicht nachvollziehbar ist es deshalb, wenn der MünchnerHochschullehrer Karlheinz A. Geißler schreibt, Zeitmanage-ment sei »eine modernisierte Form der Heilserwartung«. Eswürden dort zwar »praktikable Hilfen für die zeitliche Gestal-tung des Arbeits- bzw. Lebensalltags angeboten. Viel zu häu-fig geschieht dies jedoch im Zusammenhang mit nicht einlösba-ren Erwartungen, falschen Erfolgshinweisen und schillernden

Häufig produzieren wir die Dringlichkeit der Aufgabenund somit die Hetze in unserem Alltag selbst.

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KomplexereRahmenbe-dingungen

Dringlich-keit oftselbst ver-ursacht

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 67

Glücksversprechen. Kurz gesagt: Zeitmanagement ist eine attrak-tive moderne Märchengattung.« (Geißler 2000, Seite 62)

Dem kann entgegnet werden: Zeitmanagement ist keineLebensphilosophie. Folglich kann es auch keine Heilserwartun-gen wecken.

Unsere Zeitknappheit resultiert aus der steigen-den Zahl der Anforderungen, die an uns gestelltwerden bzw. die wir an uns stellen. Sie ist das

Resultat des Beschleunigungsprozesses, derunsere Gesellschaft prägt. Das Zeitmanage-ment ist ein erster Schritt, der hieraus resul-tierenden Überforderung des EinzelnenHerr zu werden.

Zeitmanagement ist eine Arbeitstechnik, die uns hilft, unse-ren Alltag zu strukturieren und uns auf die für uns wichti-gen Dinge zu konzentrieren.

68

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 68

Kapitel 6

Zeit- und Selbstmanagement reichen nicht aus

Trotzdem stoßen auch Zeit- und Selbstmanagement an ihreGrenzen. Viele Menschen machen heute die Erfahrung: Selbstwenn ich die Regeln des Zeitmanagements konsequent anwende,kann ich den an mich gestellten Anforderungen nicht gerechtwerden. Ihnen ergeht es wie einem Maurer, der versucht, miteinem 500-Gramm-Hammer eine Wand einzureißen. Irgend-wann wird ihm bewusst: Mit diesem Hammer kann ich zwar denPutz von den Wänden hauen, aber keine Mauer einreißen. Hier-für muss ich zum Vorschlaghammer greifen. Ist dann der Durch-bruch gelungen, kann ich wieder mit dem 500-Gramm-Hammerarbeiten.

Mancher versucht dann zwar noch, durch ein rigideres Zeitma-nagement den Anforderungen gerecht zu werden. Meist endet

Immer mehr Menschen begreifen, dass sie mit reinen Zeit-und Selbstmanagementtechniken allein die an sie gestelltenAnforderungen nicht mehr bewältigen können.

69

Grenzen desZeit-manage-ments

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 69

dies aber mit einem physischen oder psychischenKollaps.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Bei-spiel können wir nur ein begrenztes Auf-gabenpensum bewältigen – ganz gleich, obes sich hierbei um private oder beruflicheAufgaben handelt.

Dann ist unser (Arbeits-)Tag zwar wohlstrukturiert, aber trotz-dem sind am Abend noch viele Aufgaben unerledigt.

Aus meinen Seminaren weiß ich, dass immer mehr Menschendiese Erfahrung machen. Sie stellen fest: Selbst wenn ich meinenTagesablauf gut plane und strukturiere, kann ich mein Pensumnicht erledigen. Die Antwort des klassischen Zeitmanagements

auf diese Situation lautet: Sie müssen ihre Aufgabennach delegierbaren Aufgaben und solchen, die

sie in den Papierkorb werfen können, durchfor-sten. Doch damit ist vielen Menschen heute nicht

geholfen. Sie können ihre Aufgaben noch soscharf analysieren, sie finden keine Aufgabenmehr, die sie noch abgeben könnten.

Dabei kann das Nicht-mehr-delegieren-Können viele Ur-sachen haben. Unter anderem:

• Die Arbeitsmenge ist effektiv zu groß.• Es fehlen Personen, an die wir delegieren können.

Mit einem effektiven Zeit- und Selbstmanagement könnenwir zwar unsere Leistungsgrenzen verschieben, indem wirunsere Arbeit anders strukturieren, doch irgendwann ist dieGrenze erreicht. Dann schlägt das Gefordertsein in einÜberfordertsein um.

70

Arbeits-pensum alsKapazitäts-

problem

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 70

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Delegieren, aber an wen?

Notieren Sie in der Liste Aufgaben aus Ihrem beruflichen/privaten Alltag,die Sie an andere Personen delegieren könnten. Woran scheitert das Dele-gieren?

Privat

Beruflich

Warum nicht?Delegieren an …Aufgabe

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 71

• Alle verbliebenen Aufgaben sind so wichtig, dass wir sie selbsterledigen müssen.

• Die Personen, an die wir die Aufgaben theoretisch delegierenkönnten, sind selbst überlastet und wehren sich gegen weitereAufgaben.

Ein weiterer Grund ist, dass Delegieren oft Geld kostet. Natür-lich können wir zum Beispiel unsere Wohnung von einer Putz-frau reinigen lassen. Aber nur, wenn wir das nötige Kleingeldhaben. Das Gleiche gilt für einen Babysitter zum Beaufsich-tigen unserer Kinder. Ähnlich ist es in vielen Unternehmen.Auch dort könnten oft mehr Arbeiten an externe Dienstleis-ter delegiert werden, um die Mitarbeiter zu entlasten. Aber in manchen (Klein-)Unternehmen fehlt hierfür schlicht das Geld.

Ganz gleich, worin die Ursachen des Nicht-mehr-delegieren-Könnens liegen: Immer mehr Personen sitzen abends trotz einesguten Zeit- und Selbstmanagements vor einem Stapel unerledig-

ter Aufgaben. Die Folge: Das Arbeitsendeverschiebt sich in die späten Abendstundenund manche »wichtige« Aufgabe, die nicht»dringlich« ist, bleibt trotz bester Vorsätzeliegen.

Aufgabe: Überlegen Sie sich selbst bzw. sprechen Sie mitIhrem Lebenspartner, Ihrem Chef, Ihren Kollegen darüber,wie die Voraussetzungen für ein Delegieren geschaffen wer-den können.

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Delegation:Ende der

Führungs-strategie

Immer mehrA-Aufgaben

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 72

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Prio A

Prioritäten-Matrix

Für ein effektives Prioritäten-Management ergeben sich aus die-ser Matrix folgende Schlussfolgerungen:

• Quadrant A: Wichtige und dringende Aktivitäten müssensofort und meist von einem selbst in Angriff genommen wer-den. Es handelt sich um kritische Situationen, Probleme odersogar Krisen, denn Wichtiges sollte nie eilig werden undunter hohem Zeitdruck erledigt werden müssen.

Die realen Aufgaben moderner Menschen

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 73

• Quadrant B: Wichtige, aber nicht dringende Aktivitätenwerden meist auf die lange Bank geschoben, bis sie irgend-wann »dringend« werden und zu »Hau-ruck«-Aktionen aufden letzten Drücker mutieren. Sie sollten besser geplant undrechtzeitig terminiert werden.

• Quadrant C: Dringende, aber unwichtige Aktivitäten nehmendurchgängig den größten Teil des Zeitbudgets in Anspruch.Hier stecken die größten Zeitreserven für mehr Effektivität.Dringende, aber unwichtige Aufaben sollten so weit wie mög-lich reduziert, eliminiert oder delegiert werden.

• Quadrant P: Was weder wichtig noch dringend erscheint,kann im Grunde genommen vernachlässigt und getrost in denrealen oder virtuellen Papierkorb befördert werden. Stellt essich im Nachhinein doch noch als wichtig oder dringend he-raus, wird schon jemand danach fragen oder entsprechendmahnen. Grundsätzlich gilt:

Neue Perspektiven entwickeln

Wie oft sitzen wir an unserem Schreibtisch. Konzentriert arbei-ten wir vor uns hin. Doch dann werden wir aus unserer Kon-zentration gerissen, weil zum Beispiel ein Kugelschreiber auf den Boden fällt. Und plötzlich sehen wir, dass die Sonnescheint.

Bestimmte Wahrnehmungen/Gedanken stellen sich nur ein,wenn wir Zeit und Muße haben. Viele neue Anforderungen kön-

Das Wichtige ist selten dringend, und das Dringende ist sel-ten wichtig!

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Ablen-kungen

Prio B

Prio C

Prio P

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 74

nen wir nur lösen, wenn wir uns zurücklehnen und eine gewisseDistanz zur Alltagshektik wahren.

Deshalb ziehen sich Manager, wenn sie neue Strategien fürihr Unternehmen entwickeln möchten, meist in die Abgeschie-denheit eines Tagungshotels oder gar Klosters zurück. Sie wis-sen: Eingebunden in den Alltagsstress zwischen zwei Terminen finden wir keine adäquate Lösung. Ganz bewusst ent-schleuni-gen sie ihren Arbeitsrhythmus gezielt, damit neue Gedankenund Ideen entstehen können. Ein solches punk-tuelles Ent-schleunigen müsste aber auch für ihreMitarbeiter möglich sein. Auch sie können,wenn sie von einem (Abgabe-)Termin zumnächsten hasten, keine wirklich kreativenProblemlösungen entwickeln.

Ebenso ist es in unserem privaten Bereich. Wenn wir ständigunter Strom stehen, können wir keine kreativen Lösungen fürneue Anforderungen entwickeln.

Und damit wären wir bei einem zentralen Punkt, woran dasZeit- und Selbstmanagement vieler Menschen scheitert. Weilwir in immer kürzeren Zeitabständen mit neuen Anforderun-gen konfrontiert werden, müssten wir unseren Lebens- undArbeitsrhythmus regelmäßig oder zumindest ab und zu ge-zielt ent-schleunigen. Wir müssten uns zurücklehnen und unsfragen:

Wer ständig unter Druck agiert, kann stets nur dieselbenVerhaltensmuster zeigen. Er kann seine Aufgaben zwareventuell schneller ausführen, weil er mit der Zeit Routinegewinnt, eine neue Qualität erreicht er hierdurch aber nicht.

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Notwendig-keit derReflexion

Erfolg-reicherdurch Ent-schleunigen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 75

• Welche neuen Anforderungen werden an mich gestellt? Und:• Wie kann ich darauf angemessen reagieren?

Warum tun wir das aber oft nicht? Weil es uns ohnehin schwer fällt, unseren Alltag zumanagen, und wir stets unter dem Gefühl»Ich habe zum Entschleunigen keine Zeit«leiden. Folglich entwickeln wir auch nichtdie nötigen neuen Handlungsstrategien und

drehen uns wie Hamster in ihrem Laufrad imKreis.

Geschwindigkeit allein führt uns nicht zum Ziel

Dass wir uns so selten zurücklehnen und uns fragen: »Was ist(mir) wirklich wichtig?« und »Welches Verhalten bringt michkünftig weiter?«, hat auch noch einen anderen Grund:

So wie manche Unternehmen glauben, es genüge, auf die Kun-den loszurennen, um sie zu gewinnen, glauben viele von uns: Ichmuss nur mehr Gas geben, dann komme ich schon ans Ziel. ZuRecht schreibt Wolf Lotter (Wolf Lotter, in: brand eins 06/2000,Seite 89):

Schnelligkeit ist ein moderner Mythos geworden. Beruflichund privat.

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Tempo-Manage-

ment

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 76

Was das richtige Tempo ist, hängt von unserer jeweiligen Auf-gabe und Situation ab. Zwei Beispiele.

Beispiel 1: Stellen Sie sich vor: Sie lernen auf einem Fest einenMann oder eine Frau kennen, der/die Ihnen auf Anhieb gefällt.Heftig flirten Sie mit dem oder der Angebeteten und Sie spüren,dass Sie auf Resonanz stoßen. Folglich tauschen Sie gegen Endedes Festes die Telefonnummern aus oder Sie verbringen sogardie Nacht zusammen. Schön! Doch wie würde Ihr(e) neue(r)Angebetete(r) reagieren, wenn Sie ihm/ihr am nächsten Morgen»ewige Liebe« schwören und ihm/ihr verkünden würden, »Wirmüssen zusammenziehen«, »Wir müssen gemeinsam Kinderkriegen«? Vermutlich wird die Reaktion sein: »Nun mal langsam;wir haben uns doch gestern erst kennen gelernt.« Also heißt es»Fuß vom Gas«. Umgekehrt gilt: Wenn Sie sich erst fünf, sechsWochen nach ihrem ersten Treffen wieder bei ihm bzw. ihr mel-den, werden Sie vermutlich folgende Reaktion ernten: »Ja, ichentsinne mich an das nette Gespräch mit dir. Es war wirklich einnetter Abend. Aber leider bin ich zurzeit mit ganz anderen Din-gen beschäftigt …«

Beispiel 2: Seit Jahren wird auf Managementkongressen ver-kündet: »Nicht der Starke frisst den Schwachen, sondern derSchnelle überholt den Langsamen.« Und weil dieser Spruchschon so oft verkündet wurde, glauben ihn die meisten Unter-nehmensführer. Folglich erklären sie Geschwindigkeit und Flexi-

»Wer zu schnell fährt, fliegt irgendwann aus der Kurve. Werabrupt bremst, auch. Wer zu langsam dahinschleicht, wirdOpfer eines Auffahrunfalls. Es geht ums richtige Tempo,nicht um die Abschaffung jeder Dynamik.«

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 77

bilität zur obersten Unternehmensmaxime. Entsprechend häufigwerden die Unternehmen umstrukturiert, entsprechend häufigändern sich deren Strategien, bis letztlich kein Mitarbeiter (undoft Kunde) mehr weiß, was nun eigentlich gilt. Folglich ziehensich die Betroffenen zunehmend in die Haltung zurück: »Alleswird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.« Das heißt, siehören sich zwar die neuen Parolen an, doch innerlich denken sie:Ich mache so weiter wie bisher. In ein paar Monaten gilt allesohnehin nicht mehr. Ihre Führungskräfte verkünden dann wie-derum: Unsere Mitarbeiter sind nicht zur Veränderung bereit; siesperren sich gegen jede Veränderung. Die Führungskräfte über-sehen dabei, dass sie diese Haltung ihrer Mitarbeiter oft selbstproduzieren, weil sie nicht anerkennen, dass jede Veränderungihre Zeit braucht.

Dass Schnelligkeit allein nicht unsere oberste Maxime seinkann, zeigt auch folgendes Beispiel: »Würde die Raserei alleindavor bewahren, die Mahlzeit des Nächstcleveren zu werden,

dann würden Wüstenspringmäuse den Pla-neten regieren. Als Erster aus dem Start-loch zu sprinten, genügt nicht. Man mussauch wissen, wohin man läuft.« (Lotter, in:brand eins 06/2000, Seite 83)

Es genügt nicht zu rasen. Man muss auch wissen, wohinman läuft.

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Problem der Raserei

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 78

Wir brauchen neue Stützpfeiler für unsere Identität

Viele Menschen haben Angst, sich zu fragen: Was will ich wirk-lich? Dann würde sich ihnen nämlich die Sinnfrage »Wozu dasGanze?« stellen. Und sie müssten gezielte Entscheidungen treffen.

Doch wenn immer mehr Stützpfeiler unserer Identität undinneren Stabilität brüchig werden, wird unser Ich zu einemschwankenden Bauwerk.

An diesem »schwankenden Bauwerk« wagen viele nicht zu rüt-teln aus Angst, es könnte zusammenbrechen. Vielleicht würdesich beim Rütteln ja zeigen, dass wir gar nicht authentisch leben,sondern dass sich unsere so genannte Persönlichkeit nur ausDenkmustern und Verhaltensschablonen zusammensetzt, diewir uns auf Druck von außen zugelegt haben.

Zu einem starken Ich können wir nur gelangen, wenn wirbereit sind, die Verantwortung für uns und unser Leben zu über-nehmen. Die Anwendung des Verantwortungsprinzips ist eineder wichtigsten Grundregeln für persönlichen Erfolg und Zufrie-denheit. Denn wer es schafft, die Verantwortung für unbefriedi-gende Arbeitssituationen, unglückliche Beziehungen und eigenesVersagen nicht bei anderen und in bestimmten Lebensumstän-den, sondern bei sich selbst zu suchen, der wird Kontrolle übersein Leben bekommen und damit auch die richtigen Wege undStrategien für persönlichen Erfolg und Zufriedenheit finden.

Wir müssen uns, wenn wir noch stabil sind, zurücklehnenund uns fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Dann haben wir noch mehrere Verhaltensoptionen. Dann ha-ben wir zudem noch die Kraft, uns zu ent-scheiden.

Dies tun wir aber oft nicht, denn unbe-wusst ist uns klar:

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Leben wirauthentisch?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 79

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Stützpfeiler der Persönlichkeit

Persönlichkeit

Persönlichkeit

Part

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Kont

akt

Eige

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sorg

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Lebe

nsau

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sung

Job

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Freu

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Beru

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Sozi

alsy

stem

Relig

ion

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 80

Wenn wir »Ja« und damit zugleich »Nein« sagen, gewinnen wirinnere Klarheit. Dann steht auch unser Zeit- und Selbstmanage-ment auf einem solideren Fundament.

Sich entscheiden heißt, viele andere Entscheidungsmöglich-keiten zu verwerfen. Zum Ja-Sagen gehört das Nein-Sagen.

81

Zeit-management

Ziel: Zeit effektiv nutzen

Selbst-management

Ziel: Uns selbst managen

Life-Leadership

Ziel: Die Beziehung zwischen denvier Lebensbereichen sowie zu unserer Umwelt so gestalten,dass wir ein er-fülltes statt ge-fülltes Leben führen.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:55 Uhr Seite 81

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Teil 2

Life-Leadership®

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Kapitel 7

Auf der Suche nach dem eigenen Ich

Kennen Sie den Teufelskreis des Rasierapparats? Der Volks-wirtschaftler Nicholas Georgescu-Roegen beschreibt ihn: »Ichrasiere mich schneller, damit ich mehr Zeit habe, eine Maschinezu erfinden, mit der ich mich schneller rasieren kann …« (brandeins, 6/2000, Seite 85)

In diesem Teufelskreis stecken viele Unternehmen. Stets ver-suchen sie und ihre Mitarbeiter, die gesteckten Ziele zu errei-chen. Doch kaum nähern sie sich dem Ziel, schreit jemand, ähn-lich wie in der Fabel Vom Hasen und Igel: Ich bin schon da.Folglich legen sie nochmals einen Zahn zu. Doch vergeblich.Kaum nähern sie sich dem nächsten Ziel, schreit es erneut: Ichbin schon da. Sei es, weil ein Mitbewerber das neue Produktschneller auf den Markt gebracht oder einen Umstrukturie-rungsprozess schneller abgeschlossen hat.Oder, weil der Finanzmarkt die Messlattehöher gelegt hat. Statt 20 müssen nun 30 Pro-zent Umsatzzuwachs pro Jahr erzielt werden. Statteiner Umsatzrendite von 15 Prozent müssen nun 18 Prozenterreicht werden, weshalb das Unternehmen sein Ziel nie er-reicht.

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Speed-Kreislauf

Im Unter-nehmen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 85

Ähnlich ist es in unserem privaten Bereich. Auch hier sam-meln wir zunehmend die Erfahrung: Ich komme nie ans Ziel.Wenn ich meine Energie darauf verwende, den beruflichenAnforderungen gerecht zu werden, ergeben sich automatischProbleme im Privatleben. Wenn ich hingegen versuche, dieAnforderungen, die meine Familie, meine Bekannten oder Ver-wandten an mich stellen, zu erfüllen, erreiche ich meine berufli-chen Ziele nicht.

Viele Anforderungen, die an uns gestellt werden, sind nicht miteinander vereinbar

Manche von uns versuchen in Stresssituationen, ihre Konfliktedurch ein rigideres Zeitmanagement zu lösen. Statt einer hal-ben Stunde werden nur noch 20 Minuten für die Besprechungeingeplant. Statt um 8 Uhr wird mit dem Arbeiten um 7 Uhr

begonnen. Der wöchentliche Besuch desSchwimmbads entfällt ganz und zu Hausegibt es nur noch Tütensuppen statt frischer

Gemüsesuppen. Meist gelingt dieses »Krisen-management« nur für kurze Zeit. Nicht nur,

weil wir in der uns zur Verfügung stehendenZeit nur ein begrenztes Kontingent von Aufgaben

erfüllen können, sondern auch aus einem anderenGrund:

In unserer von Flexibilisierung gekennzeichneten Welt las-sen sich viele Anforderungen nicht mehr vereinen.

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Privat

Immergrößerer

Zeitdruck

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 86

Hierfür einige Beispiele:

• Eine Mutter, die nachmittags regelmäßig Punkt 16 Uhr ihreKinder vom Kindergarten abholen muss, wird immer wiederProbleme mit einer Arbeitsstelle haben, bei der sie nichtregelmäßig um Punkt 15.30 Uhr ihr Büro verlassen kann, weilhäufig noch Unvorhergesehenes erledigt werden muss.

• Eine junge Frau oder ein junger Mann, der gerade im Unter-nehmen beweisen muss, dass er sich für die Übernahme einer qualifizierten Managementposition eignet, wird immerSchwierigkeiten haben, parallel dazu ein Haus zu bauen.

• Ein Vertriebsmitarbeiter, der häufig Kunden in einer Hun-derte von Kilometern entfernten Stadt oder gar im Auslandbesuchen muss, wird immer Schwierigkeiten haben, eineWeiterbildung regelmäßig zu besuchen, bei der er stets aneinem bestimmten Abend um eine bestimmte Uhrzeit anwe-send sein muss.

• Eine Person, die gerade den Schritt in die Selbstständigkeitwagt, wird in der Gründungsphase des Unternehmens meistweniger Zeit für ihre Familie und für sportliche und sozialeAktivitäten haben.

• Eine Führungskraft, die von ihrem Arbeitgeber an einenanderen Standort versetzt wurde und nur noch am Wochen-ende zu Hause ist, wird immer Schwierigkeiten haben, dortihre gewachsenen sozialen und freundschaftlichen Kontaktewie zuvor zu pflegen.

Durch ein rigides Zeitmanagement allein lassen sich solche Kon-flikte nicht lösen. Versuchen wir es trotzdem, ist die Krise vor-programmiert. Sei es, indem wir plötzlich einen Herzinfarktbekommen, weil wir unseren Körper lange Zeit vernachlässigthaben. Oder sei es, weil wir plötzlich alles infrage stellen: »Wassoll die ganze Hetzerei? Immer häufiger wird dann der Wunsch

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Konflikt und Zeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 87

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Entweder – oder II

Gehen Sie zurück zur Entweder-oder-Liste auf Seite 27 in Kapitel 1. Über-tragen Sie die dort notierten, schwer zu vereinbarenden Bedürfnisse/Anforderungen in die nachfolgende Liste. Fallen Ihnen weitere Beispieleein? Ordnen Sie dann die Bedürfnisse/Anforderungen einem der vierLebensbereiche (Arbeit/Leistung, Familie/Kontakt, Körper/Gesundheitund Sinn/Kultur) zu, und überlegen Sie sich, warum die Bedürfnisse/Anforderungen schwer zu vereinbaren sind. Welche Lebensbereiche kolli-dieren am häufigsten miteinander?

Bedürfnis/ Lebensbereich Schwierig zu verein-Anforderung baren, weil …

I

II

I

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I

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I

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I

II

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geäußert, mit 50 Jahren in Rente zu gehen bzw. auszusteigen.Hinter diesem Wunsch steckt die »Erkenntnis«: In meinem jetzigen, von der Arbeit dominierten Leben kann ich meineWünsche, meine Sehnsüchte und mich selbst nicht verwirkli-chen. Also werde ich es in zehn oder 20 Jahren tun. Doch dieseHoffnung wird stets un-erfüllt bleiben. Denn wennwir ehrlich zu uns sind,müssen wir uns einge-stehen:

Sichtbar wird dieser Konflikt zwischen Anspruch und Realitätam Arbeitsplatz. Hier funktionieren wir nur, und hier werdenwir fremdbestimmt. Hier wird uns von außen vorgegeben, waswir zu tun und wie wir uns zu verhalten haben, und in dieseRolle fügen wir uns ein. Dies ist der Ort, an dem wir Masken tra-gen. Unser »wahres Ich« kommt hingegen in unserer Freizeitzum Vorschein. Hier ist der Ort, wo wir unsere echten Gefühleund Bedürfnisse zeigen und unsere wahren Handlungsmotiveoffen legen. Hier verwirklichen wir uns.

Dass wir an unserem Arbeitsplatz wieSchauspieler Masken tragen, ist an sichnicht negativ. Letztlich ist es ein Zeichendafür, dass wir gewisse Lebensnotwendig-keiten anerkennen. Oft ist das Tragen vonMasken sogar ein Zeichen von Professiona-lität.

Warum soll es uns in zehn oder 20 Jahren gelingen, eineBalance in unserem Leben zu finden, wenn wir dies heuteschon nicht schaffen?

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Aussteiger-sehnsüchte

Aktives undpassives Ich

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 89

• Ein Arzt kann nicht mit jedem Schwerkranken mitleiden.Dann wäre er in kurzer Zeit ein heulendes Nervenbündel.

• Ein Lehrer kann nicht alle Schüler gleich mögen. Manchesind eben Nervensägen. Trotzdem muss er versuchen, allengerecht zu werden.

• Ein Verkäufer kann nicht jedem Kunden zu jeder Zeit mitderselben Freundlichkeit gegenübertreten. Manchmal hatauch er einen schlechten Tag. Trotzdem muss er versuchen,allen Kunden zumindest ein gleich großes Interessse zubekunden.

Doch echte Probleme bekommen wir, wenn unsere Maske zuweit von unserem » wahren Ich« abweicht. Dieser Rollenkon-flikt macht auf Dauer krank.

Masken und Lebenshüte tragen

Problematisch wird dies, weil wir wegen der vielen Masken, diewir tragen, eine ironische Sicht unseres eigenen Ichs entwickelnund unser Handeln nur noch mit einem scheinbaren Lächeln ausder Distanz beobachten, gleich Fernsehzuschauern, die einenSpielfilm betrachten. Man erlebt sich zunehmend als fremd-bestimmt.

Wir halten ein Schwätzchen mit dem Nachbarn, weil man dasals »guter Nachbar« tut. Wir spielen mit unseren Kindern,obwohl wir hundemüde sind, »Mensch-ärgere-dich-nicht«, weilwir das von uns als gutem Vater oder guter Mutter erwarten. Wirerklären uns beim Elternabend in der Schule bereit, beim BasarWürstchen zu grillen, weil die anderen Eltern auch etwas tun.Wir laden entfernte Bekannte zum Essen ein, weil sie uns auch

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Masken undeigenes Ich

Selbst- oderfremd-

bestimmt?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 90

eingeladen haben. Wir geben uns interessiert, während uns unserLebenspartner seine Erlebnisse vom Tag schildert, obwohl wiram liebsten unsere Ruhe hätten. Wir gehen zur Vernissage in dieGalerie und zeigen uns dort von den Aquarellen der Frau desBürgermeisters begeistert, obwohl wir eigentlich nur nach Hausemöchten. Und so weiter, und so weiter.

Vermutlich kennen Sie zahlreiche Situationen, in denen Sieauch privat eine Maske tragen, Situationen, in denen Sie eher re-agieren statt agieren. Auch dies ist nicht schlimm. Fatal wirddie Situation erst, wenn wir die meiste Zeit nur noch Maskentragen und diese nicht mehr bewusst auf- undabsetzen; wenn wir zudem nur noch re-agie-ren statt agieren, weil wir das Bewusstseindafür, was uns wirklich wichtig ist, verlorenhaben.

Die Gefahr, dass uns dieses Schicksal ereilt, wird in der Infor-mationsgesellschaft immer größer.

• Je schneller sich die uns umgebende Welt verändert, umsohäufiger werden wir mit neuen Anforderungen konfrontiert.

• Je kürzer die Zeit ist, die uns bleibt, um darauf zu reagieren,umso weniger Zeit haben wir auch, um zu entscheiden: Willich diesen Anforderungen gerecht werden oder nicht?

• Je mehr Anforderungen wir unreflektiert übernehmen, umsogrößer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir unser wahres Ichverlieren.

Mit jeder Anforderung, die wir unreflektiert übernehmen, undmit jedem Lebenshut, den wir uns auf den Kopf setzen lassen,kommen wir daher der Situation näher, dass wir nur noch re-agieren statt agieren. Es gibt so viele verschiedene Lebensrollenbzw. Lebenshüte, dass wir eine Auswahl treffen müssen. Imberuflichen Bereich haben Sie mehrere Hüte zugleich auf, zum

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Lebens-umstände

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 91

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Masken

Notieren Sie, welche Masken Sie in Ihrem Beruf bzw. privat tragen. Über-legen Sie sich, warum Sie diese tragen, und notieren Sie die Gründe in derListe anhand der Kategorien a bis e. Selbstverständlich können Sie aucheigene Kategorien verwenden.a. Überforderung – z. B. zu viele Aufgaben,b. Angst – z. B. abgelehnt, nicht akzeptiert zu werden,c. Gewohnheit – z. B. Erziehung/antrainiertes Verhalten,d. Notwendigkeit – z. B. im Beruf erforderlich, um überflüssige Konflikte

zu vermeiden,e. Selbstschutz – z. B. mein »Innerstes« geht nur ausgewählte Leute etwas

an.

Maske Warum tragen Sie diese Maske?

Beruflich

Privat

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 92

Beispiel als Führungskraft, Projektleiter, Mitarbeiter oder Ver-kaufsleiter. Ebenso ist es in Ihrem Privatleben. Sie sind Ehe-mann/-frau, Vereinsmitglied, Vermieter, Nachbar usw. Das kannschnell zu viel werden, denn mit jedem Lebenshut werden mehrAnforderungen an uns gestellt.

Aber nicht nur zu viele Lebenshüte und unreflektiert getra-gene Masken bedrohen uns. Die Gefahr, dass wir unser Selbstverlieren, wird auch größer, weil die Pfeiler wegbrechen, die unsin der Vergangenheit bei unseren Entscheidungen geholfenhaben. Ein wesentlicher Pfeiler war die Religion. Sie setzte mitihren ethischen Maximen klare Grenzen für unseren Entschei-dungsraum »Will ich oder will ich nicht«. Dieser Pfeiler zerbrö-selt in der modernen Welt.

Auch unser Eingebundensein in eine kommunale, regionaleund nationale Gemeinschaft erleichterte es uns in der Vergan-genheit, Entscheidungen zu treffen. Jeder Gemeinschaft liegt ein Wertesystem zugrunde, das unseren Entscheidungsraum be-grenzt. Im Zeitalter der Globalisierung wird diese Stütze zuneh-mend infrage gestellt.

Ein weiterer Eckpfeiler ist unser Eingewobensein in familiäreBeziehungen und gewachsene Freundschaften. Auch dieseNetzwerke zeichnen sich durch gemeinsame Normen und Werteaus, an denen wir unsere Entscheidungen orientieren können.Doch auch dieser Pfeiler wird brüchig. Nicht nur wegen derTendenz zu stets kleineren Familien, sondern auch, weil uns zumBeispiel beruflich bedingte Ortswechsel immer häufiger zumAufgeben gewachsener Freundeskreise zwingen.

Erleichtert wurde uns das Entscheiden in der Vergangenheitauch durch unsere berufliche Identität. Da sich die klassischenBerufsbilder jedoch auflösen und wir zunehmend vor der He-rausforderung stehen, mehrere Berufe im Laufe unseres Lebensauszuüben, wird auch dieser Eckpfeiler brüchig. Hinzu kommt:

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Religion

Werte-system

FamiliäreBezie-hungen

BeruflicheIdentität

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 93

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Lebenshüte

Welche »Lebenshüte« tragen Sie auf Ihrem Kopf? Für welche haben Siesich selbst entschieden, welche wurden Ihnen übergestülpt? Welche sindwirklich notwendig und welche nicht?

Lebenshüte selbst gewählt notwendig

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

! ja ! nein ! ja ! nein

Auswertung

Addieren Sie jeweils die vier möglichen Kombinationen von selbst gewählt undnotwendig und tragen Sie die Zahlen unten ein.

selbst gewählte und notwendige Lebenshüte:nicht selbst gewählte, aber notwendige Lebenshüte:selbst gewählte, aber nicht notwendige Lebenshüte:

nicht selbst gewählte und nicht notwendige Lebenshüte:

Überlegen Sie sich abschließend, welche Hüte Sie gern ablegen würden.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 94

Eine solche Vision lässt sich nicht en passant, sozusagen zwi-schen Abendessen und Beginn der Tagesschau entwickeln. Dieserfordert Zeit und innere Ruhe. Wenn wir innerlich unterStrom stehen, sind wir in unseren Alltagsgedanken gefangen.Dann stellen sich bei uns keine neuen, zukunftsweisendenGedanken ein. Unsere Wahrnehmung ist auf die kurzfristigenNotwendigkeiten fixiert, und es fehlt uns der Blick für dasGanze. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir uns ausdem Alltag an einen ruhigen Ort zurück-ziehen, wenn wir wichtige Entscheidungentreffen müssen.

Eine solche, zeitlich befristete Auszeit werden wir in Zukunfthäufiger brauchen. Denn:

Nur wenn wir uns diese Auszeit nehmen, können wir Wertmaß-stäbe und damit auch Entscheidungskriterien fürunser Handeln entwickeln, die verhindern, dasswir wie ein Stück Kork in der Brandung hinund her geworfen werden.

Je mehr (neue) Anforderungen auf uns einstürmen und jeschneller wir zu reagieren gezwungen sind, umso notwendi-ger ist es, dass wir uns, bevor die Probleme brennend werden,zurücklehnen und uns fragen: Was will ich wirklich? Was istmir wirklich wichtig? Wie sieht meine Lebensvision aus?

Das Beantworten der Frage »Will ich bzw. will ich nicht«setzt voraus, dass wir wissen, was uns wirklich wichtig ist.Diese Frage können wir nur beantworten, wenn wir eineVision von unserem Leben haben.

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Lebens-vision ent-wickeln

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 95

Kapitel 8

Der Wunsch nach Balance im Leben

Unser Leben lässt sich zwar in vier Lebensbereiche einteilen,diese stehen jedoch in einer unauflösbaren Wechselbeziehungzueinander. Das Life-Leadership-Konzept vertritt einen ganz-heitlichen Ansatz und fordert uns auf, unser Leben als eine Ein-heit zu betrachten.

Unsere moderne Lebensführung krankt daran, dass wir – häufigreagierend auf Anforderungen von außen – einen oder mehrereder vier Lebensbereiche auf Dauer vernachlässigen. Dies hatKonsequenzen.

Wir müssen lernen, die Balance zwischen den vier Lebens-bereichen• Körper/Gesundheit, • Arbeit/Leistung, • Familie/Kontakt, • Sinn/Kulturzu finden.

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Balance derLebens-bereiche

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 96

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• Wer den Fokus einseitig auf den Bereich »Arbeit/Leistung« legt,wird irgendwann nicht nur Probleme im Bereich »Familie/Kontakt« haben, sondern auch sein Körper wird irgendwannstreiken. Dies wirkt sich wiederum auf seine Leistungskraftund -bereitschaft aus. Diese Erfahrung hat vermutlich jederschon gesammelt: Wenn wir gerade Streit mit unserem Lebens-partner oder gar eine Trennung hinter uns haben, können wiruns auch nicht voll auf unsere Arbeit konzentrieren. Dann ste-hen die privaten Probleme im Vordergrund. Oder wenn wirunter Einsamkeit leiden. Dann können wir zwar einige Zeitunseren Kummer in Arbeit (oder Wein) er-tränken. Doch irgendwann bricht die-ses Gebäude zusammen. Ähnlich ist es,wenn wir krank sind oder uns nichtwohl in unserer Haut fühlen. Auch dannkönnen wir keine Topleistung bringen.

• Wer den Fokus einseitig auf den Bereich »Familie/Kontakt«legt und seine Arbeit vernachlässigt, wird irgendwann (soferner nicht zu den reichen Erben zählt) finanzielle Problemehaben. Außerdem wird sein Selbstwertgefühl darunter leiden,weil er weder seine Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterent-wickelt noch diese in einen konkreten Nutzenzusammenhangstellt. Auch diese Erfahrung haben Sie vermutlich schongemacht: Es ist wunderschön, mit Freunden und den Liebstenzusammenzusitzen und mit ihnen über »Gott und die Welt« zureden. Es macht Spaß, mit Freunden durch Wälder zu spazie-ren und mit ihnen den gemeinsamen Hobbys nachzugehen.Wird dies jedoch zum einzigen Lebensinhalt, so stellt sich auchhier mit der Zeit das Gefühl der Leere ein. Dies ist ein Grund,warum viele Arbeitslose und Rentner stärker als Berufstätigeunter dem Gefühl der Vereinsamung leiden, obwohl sie alleZeit der Welt zum Pflegen von Kontakten hätten.

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 97

• Wer den Fokus einseitig auf den Bereich »Körper/Gesund-heit« setzt, wagt sich irgendwann nicht mehr vor die Tür, weiler sich vor Infektionen fürchtet. Auch der Spaß am Essenwird ihm verleidet. Und spätestens wenn der Zahn der Zeit,das heißt der Alterungsprozess, spürbar an seinem Körpernagt, gerät er in eine Krise. Oft äußert sich das Überbetonendes Bereichs »Körper/Gesundheit« in einer mangelndenFähigkeit, das eigene Altern zu akzeptieren. Die Folge istmeist eine übertriebene sportliche Aktivität, um den Alte-rungsprozess zu verlangsamen und sich selbst zu beweisen:»Ich bin noch jung«. Eine innere Unzufriedenheit undUnausgeglichenheit sind der Preis, weil wir letztlich wissen,dass wir nicht ewig jung sein werden.

• Wer den Fokus einseitig auf den Bereich Sinn/Kultur setzt, der …Ja, was ist mit dem? Eine schwierige Frage. Der hat, zumindestwenn er für sich eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn fin-det, einen zentralen Schlüssel zu einem erfüllten Leben gefun-den, da die Sinnfrage alle anderen drei Lebensbereiche durch-zieht. Auffallend ist jedoch, dass häufig diejenigen, die sicham intensivsten mit der Frage nach dem Sinn befassen, anihrer Beantwortung scheitern. Wie zum Beispiel derjenige,der von einem Therapeuten zum nächsten zieht, um die Wur-zeln seines Selbst zu erkunden. Viele finden kaum Antwor-ten, weil sie die Sinnfrage von den anderen Lebensbereichenabkoppeln. Das Life-Leadership-Konzept geht demgegen-über davon aus:

Sinn ist nur in Zusammenhang mit den drei anderenLebensbereichen erfahrbar.

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Körper/Gesundheit

Sinn/Kultur

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 98

»Ja« zur Abhängigkeit sagen. Nur dann sind wir frei.

Life-Leadership setzt einen weiteren Punkt voraus. Wirmüssen neu lernen zu akzeptieren, dass wirsoziale Wesen sind, und auch unser Ver-ständnis von »Freiheit« gilt es neu zu defi-nieren.

Fast ohne Nachdenken akzeptieren wir die Parole: Wer Abhän-gigkeiten eingeht, ist schwach, wer unabhängig ist, ist stark. Die-ses Denken durchzieht unser gesamtes Leben. Teilweise ist dasverständlich. Im Berufsleben erfahren wir, wie die Wirtschaftdanach strebt, von uns als Arbeitnehmern unabhängiger zu wer-den. Menschen werden durch Maschinen ersetzt, feste Ange-stellte durch Freelancer und (Schein-)Selbstständige. Folglichstreben auch wir danach, von unseren Arbeit- und Auftragge-bern unabhängiger zu werden.

Ähnlich ist es im privaten Bereich. Auch hier wird Unabhän-gigkeit zur obersten Lebensmaxime. Entsprechend viele Singlesbevölkern allabendlich insbesondere in den Großstädten dieKneipentheken oder versuchen, sich zu Hause vor dem Fernse-her durch das Betrachten einer Talkshow das Gefühl zu vermit-teln: »Ich bin dabei.« Oder sie verbringen ihre Zeitin Chat-rooms. Anonym und unverbindlich –mit einem Klick sind sie wieder draußen. Diemeisten von ihnen – insbesondere Männer– gestehen sich ihre Vereinsamung nichtein. Stattdessen versuchen sie – zumindest im Kontakt mit

Unsere moderne Gesellschaft setzt – fälschlicherweise –Freiheit mit Unabhängigkeit gleich.

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Unabhän-gigkeits-tendenzen

SozialeKontakte

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 99

anderen –, ihre Beziehungsunfähigkeit und Einsamkeit mitBegriffen wie »Freiheit«, »Unabhängigkeit« und »Selbstver-wirklichung« zu kaschieren.

»Nach den Losungen der neuen Ordnung ist Abhängigkeiteine Sünde.« (Sennett 2000a, Seite 191) Manche Menschen schä-men sich inzwischen geradezu, wenn sie Abhängigkeiten einge-stehen müssen. Wie falsch das ist, merken wir, wenn wir uns klar-machen:

• Wer liebt, ist stets (emotional) abhängig. • Wer mit einer Person in einer freundschaftlichen Beziehung

steht, ist von dieser abhängig. Sonst ist es keine wahreFreundschaft.

• Wer eine Familie gründet, begibt sich freiwillig in Abhängig-keiten.

Allgemein gilt:

Negativ ist nicht das Abhängigsein an sich. Negativ ist Abhän-gigkeit nur dann, wenn wir uns (als Erwachsene) nicht frei dafürentschieden haben oder das Abhängigkeitsverhältnis einseitigist, sodass wir uns, sofern gewünscht, nicht aus ihm lösen kön-nen. So zum Beispiel, wenn wir ein Arbeitsverhältnis als Qualempfinden, aber dieses nicht aufgeben können, weil wir (schein-bar) keine Alternative haben. Oder wenn wir in einer unglückli-chen Partnerschaft verharren, weil wir glauben, unseren Kindernzumindest die Fiktion einer heilen Familie schenken zu müssen.Abhängigkeit funktioniert, wenn die Relation zwischen Gebenund Nehmen ausgeglichen bleibt, sowohl im Privatleben als

Ohne Abhängigkeit ist kein gemeinschaftliches Leben undkein erfülltes Leben möglich.

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Du-zentrier-tes Denken

Abhängigsein

PersönlicheAbhängig-

keiten

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 100

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Abhängigkeiten

Von welchen Personen sind Sie abhängig? Wie sind Sie von der be-treffenden Person abhängig, z. B. emotional, finanziell, beruflich, privat usw.?

Person Art der Abhängigkeit

Welche Personen sind von Ihnen abhängig? Wie ist die betreffende Person von Ihnen abhängig?

Person Art der Abhängigkeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 101

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auch im Beruf. Das Prinzip des Du-zentriertenDenkens beispielsweise besagt, dass alles, was

man anderen Gutes tut, irgendwann zu einemselbst zurückkommt. Immer mehr Füh-rungskräfte bauen diese Erkenntnis in denUmgang mit ihren Mitarbeitern ein. Je

mehr Mitarbeitern sie dabei helfen, erfolg-reich zu werden, umso mehr werden diese die

eigene Karriere der Führungskraft fördern.

Einseitig oder wechselseitig?

Vergleichen Sie, bei welchen Personen die Abhängigkeit einseitig und beiwelchen sie wechselseitig ist. Überlegen Sie sich dann, zu welchen Abhän-gigkeiten Sie »Ja« sagen können und welche Sie lösen möchten.

einseitig Können Sie wechselseitig Können Sie »Ja« sagen? »Ja« sagen?

! ja ! ja! nein ! nein

! ja ! ja! nein ! nein

! ja ! ja! nein ! nein

! ja ! ja! nein ! nein

! ja ! ja! nein ! nein

! ja ! ja! nein ! nein

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 102

In einem von Geben und Nehmen ausgewogenen Beziehungsge-flecht sind wir als selbstständige Erwachsene in der Lage, uns aufandere zu stützen, wenn die Situation es erfordert. Dieses Sich-stützen-Können wird künftig stärker als in der Vergangenheitüber unser Lebensglück entscheiden. Wenn wir nämlich auf-grund biografischer Brüche wie Arbeitslosigkeit, Zerbrechenvon (Lebens-)Partnerschaften, erzwungenen Orts- und Berufs-wechseln usw. immer häufiger Gefahr laufen, in seelische(und/oder finanzielle) Krisen zu geraten, wird das Bewusstsein»Ich kann mich stützen« und »Ich werde getragen« mit darüberentscheiden,

• mit welchen Empfindungen wir solchen Brüchen entgegen-sehen und

• wie wir diese Brüche verarbeiten können.

Diese Aussage kann jeder nachvollziehen, der schon einmal ineiner existenziellen Krise steckte. Dann ist das Gefühl »Ichwerde getragen« extrem wichtig. Hierfür zwei Beispiele:

Aus dem Gefühl »Ich werde getragen« schöpfen wir einengroßen Teil unserer Kraft, um pro-aktiv auf die Anforde-rungen des Lebens zu reagieren.

Übung: Nehmen Sie sich ein leeres Blatt Papier, malen Siein die Mitte einen kleinen Kreis, in den Sie »Ich« schreiben.Ordnen Sie um dieses »Ich« auf dem Papier alle Personenan, die in Ihrer Liste oben vorkommen – je näher, je abhän-giger. So erhalten Sie ein Bild von dem Beziehungsgeflecht,in dem Sie leben.

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Sich stützenkönnen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 103

Beispiel 1: Vor einiger Zeit sprach ich mit einemMann, der aufgrund einer starken Alkohol-abhängigkeit zunächst seine Arbeitsstelleverlor. Kurz darauf trennte sich zudem seineFrau von ihm. Dies traf ihn wie ein Schock

und eine Zeit lang gab er sich noch stärkerdem Alkohol hin. Doch irgendwann reifte in ihm der Entschluss:Ich muss etwas verändern. Er begann zunächst eine Entzie-hungskur und einige Zeit später eine Umschulung. »Das, wasmir in der Zeit, als auch der Alkohol als Krücke wegfiel, denstärksten emotionalen Halt gab«, sagte er mir, »war das Wissen,wenn ich es nicht schaffe, kann ich stets bei meinen Eltern unter-schlüpfen. Sie verstehen mich und mein Verhalten zwar nicht,trotzdem würden sie mich jederzeit stützen, wenn ich sie darumbitte. Allein schon dieses Wissen, dass ich nicht ganz allein bin,war für mich in dieser Situation extrem wichtig. Es war für michder letzte Halt.«

Beispiel 2: Vor ein paar Monaten traf ich bei einem Seminareinen Mann, der als Pilot bei einer Fluggesellschaft arbeitete. Ererzählte mir, dass er jahrelang mit seinem Arbeitgeber wegenseiner Stelle prozessiert hatte. Was war geschehen? Auf einemFlug nach London hatte sich ein Vorstandsmitglied der Gesell-schaft zu ihm ins Cockpit gesetzt. Er fragte den Piloten, wie erdie Mitarbeiterführung der Fluggesellschaft beurteile. Animiertdurch diese Frage und die propagierte »offene Unternehmens-kultur« des Unternehmens, sagte der Pilot offen seine Mei-nung. Der Kopf des Vorstands wurde immer röter, und als er inLondon das Flugzeug verließ, sagte er: »Sie können sich einenneuen Arbeitgeber suchen.« Kurze Zeit später begannen dieSchikanen, die, abgekürzt, darin endeten, dass das Unterneh-men dem Piloten Fluguntauglichkeit attestieren wollte. Der

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Ich werdegetragen

Unterstüt-zung durch

andere

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 104

Pilot setzte sich zur Wehr. Jahrelang prozessierte er mit seinemArbeitgeber. Dann wurde ihm der »goldene Händedruck ange-boten«. Er sollte in den Ruhestand versetzt werden, aber trotz-dem bis zum Lebensende sein Pilotengehalt bekommen. DerPilot akzeptierte das jedoch nicht. Warum? »Dieses Klein-Bei-geben hätte mein Selbstwertgefühl gebrochen.« Es folgtenweitere Prozesse, die damit endeten, dass der Mann heuteimmer noch als Pilot für die Fluggesellschaft arbeitet. Sein Fazitjedoch: »Ohne meine Frau hätte ich diesen jahrelangen Kampf,der auch unsere finanzielle Existenz infrage stellte, nicht durch-gehalten. Ohne sie hätte ich spätestens dann aufgege-ben, als mir der goldene Händedruck angebotenwurde.«

Das Gefühl »Ich werde getragen« können wirnicht entwickeln, wenn wir uns für (selbstgewählte) Abhängigkeiten schämen.

Gleichgültigkeit und Misstrauen sind Gefühlszustände, die so-wohl das Eingehen von Beziehungen als auch das Akzeptierenvon Abhängigkeiten verhindern. »Ja« sagen zu Abhängigkeitensetzt voraus, dass wir nicht gleichgültig sind, dass wir vielmehrwissen, was wir wirklich wollen – womitwir wieder bei der Fähigkeit zuraktiven Lebensgestaltung und beimLife-Leadership angelangt wären.

Wenn wir uns unserer Abhängigkeiten schämen, ist wederein Aufbau von Vertrauen noch die Verpflichtung auf eingemeinsames Ziel möglich. Wo kein Vertrauen besteht,machen sich Gleichgültigkeit und Misstrauen breit.

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Beziehun-gen bedeu-ten Ab-hängigkeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 105

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Wer stützt Sie?

Auf welche Personen können Sie sich stützen, wenn Sie in einem der vierLebensbereiche in eine Krise geraten?

Lebensbereich Professionelle Emotionale, »men-Unterstützung tale« Unterstützung

Arbeit/Leistung Beispiel: Berufsberater Beispiel: Freunde

Sinn/Kultur Beispiel: Seelsorger Beispiel: Eltern

Körper/Gesundheit Beispiel: Hausarzt Beispiel: Partner/in

Familie/Kontakt Beispiel: Eheberater Beispiel: Geschwister

Analysieren Sie anhand der Liste, welche Personen Ihre wichtigsten Stüt-zen sind? In welchen Bereichen müssen Sie noch Beziehungen aufbauen,die Sie im Falle einer Krise stützen?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 106

Life-Leadership geht davon aus, dass sowohl unser Leis-tungsvermögen als auch unsere Art, auf Herausforderungen zureagieren, mit davon abhängen, welche Rückendeckung wir zumBeispiel von Verwandten, Freunden und Bekannten erfahren;außerdem davon, wie stark wir in einem Wertesystem verankertsind. Das heißt:

Deshalb misst das Life-Leadership-Konzept neben denLebensbereichen »Arbeit/Leistung« und »Körper/Gesundheit« auch den Berei-chen »Sinn/Kultur« sowie »Familie/Kon-takt« eine sehr hohe Bedeutung bei undfordert in ihnen ein pro-aktives Handeln.

Wie wichtig diese beiden Bereiche sind, damit wir Anforderungen meistern können, weiß vermut-lich jeder von uns. Je geborgener wir uns in unserem sozialenUmfeld fühlen, umso leistungsfähiger sind wir in unserem Beruf.Je sicherer wir sein können, dass wir von Freunden usw. getragenwerden, umso mutiger und selbstbewusster können wir unsneuen Herausforderungen stellen. Je überzeugter wir von derRichtigkeit und Sinnhaftigkeit unseres Handelns sind, umso ent-schlossener kämpfen wir gegen Widerstände an.

Life-Leadership basiert auf der Überzeugung, dass wirunsere menschlichen Grenzen zwar verlagern, aber nichtüberwinden können. Deshalb sind unsere sozialen Bezie-hungen so wichtig, damit wir uns auf sie stützen können,wenn wir an unsere Grenzen stoßen.

Life-Leadership betrachtet den Menschen nicht als isolier-tes Individuum, sondern als Teil eines sozialen Systems.

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Geborgen-heit machtleistungs-fähig

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 107

Das Life-Leadership-Konzept setzt voraus, dass unsere körperli-che Verfassung mit beeinflusst, wie wir Herausforderungen erle-ben und meistern. Und dass es unser Glücksempfinden fördert,wenn wir uns in unserer Haut, das heißt in unserem Körper wohlfühlen. Selbstverständlich fällt dieses Sich-wohl-Fühlen auchnicht vom Himmel, sondern setzt eine gewisse körperliche Akti-vität, eine gesundheitsbewusste Ernährung und eine Beschäfti-gung mit den Stoffen, die unser Leben beeinflussen – zum Bei-spiel Hormone, Vitamine, Spurenelemente –, voraus. Unstrittigist auch, dass das Sporttreiben den Stressabbau fördert und unserImmunsystem stärkt. Wir alle wissen das, selbst wenn wir häufignicht entsprechend leben.

Den Sinn in allen Bereichen erfahren

Zugleich betont Life-Leadership: Sinn ist nur in den drei Lebensdimensionen »Arbeit/Leistung«, »Familie/Kontakt« und Körper/Gesundheit« erfahrbar und nicht losgelöstvon ihnen. Dies entspricht unserer Alltags-erfahrung.

• Wenn uns unsere Arbeit keinen Spaß mehr macht und wir unsan unserem Arbeitsplatz unwohl, überfordert oder gelang-weilt fühlen, dann stellt sich uns irgendwann die Frage nachdem Sinn des Ganzen.

• Oder wenn wir uns einsam und verlassen fühlen, auch dannstellt sich uns irgendwann die Sinnfrage.

• Ebenso ergeht es uns, wenn wir krank sind und unterSchmerzen leiden.

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Sich wohlfühlen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 108

Umgekehrt gilt: Wenn wir

• in unserer Arbeit Erfüllung finden,• über intakte Sozialbeziehungen ver-

fügen und• uns wohl in unserer Haut fühlen,

dann stellt sich uns die Frage nach dem Sinn in der Regel nicht;zumindest geraten wir nicht in eine Sinnkrise, die unsere Hand-lungsfähigkeit bedroht. Deshalb ist es sinnlos, losgelöst von dendrei Lebensbereichen »Familie/Kontakt«, »Arbeit/Leistung«und »Körper/Gesundheit« nach Sinn zu suchen.

Eine jüdische Erzählung bringt dies treffend zum Ausdruck.»Ein alter Rabbi fragte einst seine Schüler, wie man die Stundebestimmt, in der die Nacht endet und der Tag beginnt. ›Ist es,wenn man von weitem einen Hund von einem Schaf unterschei-den kann?‹, fragte einer der Schüler. ›Nein‹, sagte der Rabbi. ›Istes, wenn man von weitem einen Dattel- von einem Feigenbaumunterscheiden kann?‹, fragte ein anderer. ›Nein‹, sagte der Rabbi.›Aber wann ist es dann?‹, fragten die Schüler. ›Es ist dann, wenndu in das Gesicht irgendeines Menschen blicken kannst unddeine Schwester und deinen Bruder siehst. Bis dahin ist dieNacht noch bei uns.‹«(Nefiodow 2000, Seite 188)

Zum Scheitern verurteilt sind alle Versuche, aus uns selbstheraus und aus eigener Kraft Sinn, Erfüllung und Glück zu fin-

Nur indem wir uns auf das menschliche Sein, auf unsereirdische Existenz und die Anforderungen, die sie an unsstellt, einlassen, können wir Sinn erfahren. Life-Leadershipgeht dabei davon aus: Menschliches Leben ist Leben inGemeinschaft.

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Sinn erfahren

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 109

den, wenn wir nicht zugleich unser Eingebundensein in diemenschliche Gemeinschaft anerkennen. Es ist falsch zu glauben,dass man völlig »unabhängig« und »frei« seine gesteckten Zieleverfolgen muss, um sich selbst zu verwirklichen und ein erfülltesLeben zu führen.

Menschliches Leben ist Leben in Gemeinschaft. Das müs-sen wir wieder neu akzeptieren lernen.

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 110

Kapitel 9

Sieben Basics für Ihre persönliche Balance

Balance ist der Weg und das Ziel – nur wenn wir in Balanceleben, können wir die Herausforderungen des Lebens meistern.Wir haben die Kraft, die biografischen Brüche, mit denen wirkonfrontiert werden, zu verarbeiten. Dann haben wir auch dienötige Energie und den erforderlichen Mut, um unser Lebenpro-aktiv zu gestalten, sodass wir manchen Bruch vermeidenbzw. die damit verbundenen Krisen umsegeln können. Wirkönnen ein erfülltes Leben führen.

Das klingt schön. Doch wie komme ich zu einer solchenBalance im Leben? Patentrezepte gibt es hierfür keine. Schließ-lich sind wir Menschen und keine Maschinen einer Baureihe, bei der eine der anderen gleicht. Wir alle sind Unikate. Das machtdas menschliche Leben so spannend und so kompliziert zu-gleich. Jeder von uns hat unterschiedliche Vorstellungen vonGlück, Erfolg und Erfüllung. Der eine erfährt die intensivstenGlücksmomente, wenn er zu Hause mit seinen Kindern spielt.Den anderen durchfluten Glücksgefühle, wenn er in einem Kon-zertsaal einer Symphonie lauscht. Der eine fühlt sich am wohl-sten, wenn er am Arbeitsplatz »Routineaufgaben« erfüllen kann,

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Leben meistern

Balance imLeben:Glück undErfüllung

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bei denen er vorab weiß: Dafür bin ich der Fach-mann. Den anderen packt bei solchen Aufgabendie Ungeduld. Voller Begeisterung stürzt er sichaber auf neue Aufgaben, von denen er zu Beginnnicht weiß, ob er sie letztlich meistern kann.Jeder muss für sich selbst die Frage beantwor-ten: Worin besteht für mich die Balance imLeben? Doch lassen sich einige grundlegendeVoraussetzungen dafür formulieren, wie wirBalance im Leben und damit Glück und Erfül-lung finden.

Regel 1: Die Balance in unserem Leben fällt nicht vom Himmel.Wir müssen sie selbst herstellen.

Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass unser Leben ab undan für einen kürzeren oder längeren Zeitraum aus dem Gleich-gewicht gerät. Ebenso ist es bei unseren Freunden, Verwandtenund Bekannten. Dabei können die Anlässe sehr unterschied-lich sein. Handelt es sich um greifbare Krisen wie eine Erkran-kung, den Tod einer uns nahe stehenden Person oder um den

Verlust des Arbeitsplatzes, dann können wiroft noch relativ leicht Strategien entwickeln,um sie zu bewältigen. Schließlich ist uns ihr

Anlass bekannt. Folglich wissen wir meistensauch, wo wir den Hebel ansetzen müssen.

Der Verlust der Lebensbalance ist aber häufig auch ein schlei-chender Prozess. Irgendwann überkommt uns das latenteGefühl: Mit meinem Leben stimmt etwas nicht. Und diesesGefühl wird immer stärker. Allmählich schlittern wir so in eineSinnkrise, aus der wir uns oft nur schwer befreien können. Auszwei Gründen: Zum einen gewöhnen wir uns daran, mit unse-rem Unbehagen zu leben. Denn gerade weil der Balance-Verlust

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Sinnkrise

Balancingals Prozess

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schleichend verläuft, zwingt er uns nicht unmittelbar zum Rea-gieren. Deshalb verharren wir oft zunächst statisch, wodurchwir tiefer in die Krise geraten.

Zum anderen können wir bei diesen Krisen oft keine kon-krete Ursache benennen. Entsprechend schwer können wir ent-scheiden, wie wir gegensteuern können. Dann ist es an der Zeit,unser Leben zu entschleunigen und uns eine Auszeit zu nehmen,um uns wieder der zentralen Frage zu stellen: Was ist mir wirk-lich wichtig? Niemand sollte sich scheuen, sich in einer solchenSituation professioneller Hilfe zu bedienen.

Auszeit

Ergänzen Sie die Liste mit eigenen Beispielen.

Signale dafür, dass Sie sich mal wieder eine Auszeit nehmen sollten

• Schlafprobleme

• Herzschmerzen

• Freunde ziehen sich zurück

• Innere Unruhe

• Unkonzentriertheit

• Innere Leere

• Sich häufig fragen: »Was soll das Ganze?«

Auszeitnehmen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 113

Regel 2: Wenn wir die gewünschte Balance in unserem Lebenherstellen oder aufrechterhalten möchten, müssen wir wissen,was uns wirklich wichtig ist.

Diese Frage können viele Menschen nur schwer beantworten.Mancher kann zwar sagen, was er sich wünscht, zum Beispiel einschönes Haus, ein großes Auto oder einen tollen Job. Doch hierbewegen wir uns auf der Ebene der oberflächlichen Wünsche.Die Frage, was uns wirklich wichtig ist, zielt auf eine tiefereEbene. Sie fragt danach, warum wir bestimmte Dinge habenmöchten und von welchen Bedürfnissen unsere Handlungengetrieben bzw. gesteuert werden – es geht also um die Werte inunserem Leben. Ein schönes Haus wollen zum Bespiel viele

Menschen haben, weil sie sich ein Zuhauseund Geborgenheit wünschen. Nach einem

guten Job streben wir, weil wir uns (finanzi-elle) Sicherheit wünschen oder weil wir

unsere Fähigkeiten austesten möchten.Die Motive, warum wir uns bestimmte Dinge wünschen,

können sehr verschieden sein. Relativ leicht fällt uns noch dieAntwort: Ich möchte ein schönes Haus haben, weil ich mir einZuhause und Geborgenheit wünsche. Doch was bedeutet es fürSie, ein Zuhause zu haben und Geborgenheit zu empfinden?Wenn Sie diese Frage beantworten möchten, werden Sie schnellmerken: Dabei spielen meine Beziehungen zu anderen Men-schen eine wichtige Rolle. Ebenso ist es, wenn Sie eine Antwortauf die Frage suchen: Was bedeutet für mich Sicherheit? Dannstellen Sie schnell fest: Um diese Fragen zu beantworten, mussich mein Leben und meine Bedürfnisse analysieren. Sie fragensich: Wann fühle ich mich sicher? Wenn auf meinem Konto100000 Euro oder eine Million Euro liegen? Wenn ich einenPartner habe, von dem ich weiß, dass er zu mir steht? Wenn meinChef mir täglich sagt: Ohne Sie müsste ich meinen Laden

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Sicherheit

Wünsche

Motive

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 114

schließen? Sie sehen: Das Beantworten der Fragen »Was bedeu-tet für mich Sicherheit?« sowie »Wann fühle ich mich sicher?« istnicht leicht.

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Beim Versuch zu ermitteln, was Ihnen wirklich wichtig ist, wer-den Sie zudem schnell feststellen: Irgendwie hängt das alleszusammen. Was nutzt mir der beste Job miteinem riesigen Gehalt, wenn ich morgengesundheitliche Probleme habe? Oder wasnutzt mir der beste Job, wenn ich morgen in eineSinnkrise gerate, weil mein soziales Umfeld nichtstimmt? Dann ist auch meine Sicherheit dahin. Hieraus ergibtsich die nächste Regel.

Vier Wünsche frei

Notieren Sie für jeden Lebensbereich Ihren größten Wunsch und worinsich für Sie zeigen würde, dass er erfüllt ist.

Sinn/Kultur

Familie/Kontakt

Arbeit/Leistung

Körper/Gesundheit

Worin zeigt sich, dass er erfüllt ist?

Ihr größter Wunsch

e

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 115

Regel 3: Die Antwort auf die Frage »Was ist mir wirklich wich-tig?« muss alle vier Lebensbereiche umfassen.

Das Beantworten der Frage »Was ist mir wirklich wichtig?«ist deshalb so schwer, weil die Antwort alle vier Lebensbereicheumfassen muss. Dies setzt nämlich voraus, dass wir unserLeben als eine Einheit und einzelne Lebensbereiche nicht isoliert betrachten. Doch diese einseitige Sicht auf die Dingebesitzen sehr viele Menschen. Sie können zwar für einen Be-reich – meist die Dimension »Beruf/Leistung« oder »Familie/Soziales« – für sich eine Antwort formulieren, für die anderenBereiche aber nicht. Deshalb gerät ihr Leben irgendwann inSchieflage.

Deutlich zeigt sich das zum Beispiel bei vielen Leistungs-sportlern. Sie haben für den Bereich »Arbeit/Leistung« stetsklare Ziele. »Ich will Europameister, ich will Weltmeister wer-den«; »Ich will Stammspieler beim FC Bayern München wer-den.« Diesen Zielen opfern sie oft auf lange Sicht nicht nur ihre Gesundheit, auch die anderen Lebensbereiche verküm-mern. Viele fallen deshalb in ein tiefes Loch, wenn ihre Profi-karriere zu Ende geht. Manchmal benötigen sie dann Jahre, bissie sich wieder gefestigt haben, weil sie zuvor ihr Leben undsich selbst ausschließlich über den Bereich »Arbeit/Leistung«definierten. Ähnlich verhält es sich bei vielen Managern. Man-cher von ihnen spürt irgendwann: Nun stehe ich zwar an der

Spitze, aber glücklich und zufrieden bin ich nicht. Aberauch viele Hausfrauen kennen das, wenn sie ihr Lebenjahrelang über ihre Kinder definierten und dann mitSchrecken feststellen: Meine Kinder sind erwachsen; sie

brauchen meine Unterstützung nicht mehr. Auch sie be-nötigen oft viele Jahre, um wieder Balance in ihrem Leben

zu finden.

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Leben alsEinheit

Leistungs-sportler und

Manager

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 116

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Bedeutung und Aufwand

Notieren Sie in der Grafik (prozentual), welche Bedeutung Sieden einzelnen Lebensbereichen für Ihren Lebenserfolg beimes-sen und wie viel Zeit Sie im Schnitt real dafür aufwenden.

Sinn/Kultur

Familie/Kontakt

Arbeit/Leistung

Körper/Gesundheit

Bedeutung……%

Bedeutung ……% Zeit ……%

Bedeutung……%

Zeit ……%Zeit ……%

Lebens-Balance

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Bedeutung ……% Zeit ……%

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 117

Regel 4: Die Suche nach der Antwort auf die Frage »Was ist unswirklich wichtig?« erfordert Zeit.

Diese Frage können wir nicht beantworten, indem wir unszwischen zwei Terminen, wenn wir gerade nichts Besseres zutun haben, hinsetzen und uns fragen: Was ist mir wirklich wich-tig? Dafür müssen wir uns regelmäßig aus der Hektik des Alltagszurückziehen und in uns hineinhorchen, bis wir sozusagenunsere innere Stimme hören. Aus folgendem Grund: Wenn wiruns fragen, was uns wirklich wichtig ist, fragen wir nach unsereninnersten Bedürfnissen und nach den Motiven, die unser Den-ken und Handeln leiten (sollen). Diese sind aber unlösbar mitunserer Wahrnehmung und damit, wie wir die Welt erleben, ver-

bunden. Deshalb können wir die Frage»Was ist uns wirklich wichtig?« nicht reinmit unserem rationalen Denken beantwor-ten. Vielmehr müssen wir die Antwort

erspüren. In uns muss sozusagen ein Bild,eine Vision von unserem künftigen Leben

wachsen.

Regel 5: Um die Frage »Was ist mir wirklich wichtig?« beant-worten zu können, brauchen wir eine Vision von unserem (künf-tigen) Leben.

Diese Vision fällt nicht vom Himmel. Sieentsteht nur, wenn wir uns Zeit zum Träu-men nehmen. Das klingt romantisch; das istes aber nicht. Der Philosoph Ernst Blochunterscheidet zwischen dem Tagtraum unddem Nachttraum. Der Nachttraum istrückwärts gewandt. In ihm verarbeiten wir

unsere Erlebnisse in der Vergangenheit. Ihnkönnen wir nicht bewusst steuern. Unsere Tag-

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Zeit nehmen

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träume hingegen sind zukunftsorientiert. In ihnen träumen wirnicht mit »geschlossenen«, sondern mit »offenen« Augen undmit wachen Sinnen. In Tagträume können wir uns gezielt hinein-versetzen und können sie auch steuern. Solche Tagträume sindäußerst hilfreich, wenn wir die Balance in unserem Leben findenund aufrechterhalten möchten. Sei es, indem wir uns an unserenSchreibtisch setzen und unsere Gedanken sowie Assoziationengezielt niederschreiben, indem wir uns zurückziehen und medi-tieren oder indem wir im Wald oder am Strand spazieren gehen.Welche Methode sich für Sie am besten eignet, müssen Sie selbstherausfinden.

Lebens-vision ent-wickeln

Wege, wie Sie sich von der Alltagshektik befreien können

Yoga machen

Tagebuch schreiben

(Kurz-)Urlaub

mentale Traumreise machen

Meditation

Sabbatjahr

allein spazieren gehen

Meditation

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 119

Anleitung zum Tagträumen

Begeben Sie sich in eine ruhige, wohlige Umgebung, wo Sie unge-stört sind. Hören Sie, falls Sie dies wünschen, eine ruhige Musik undmachen Sie einige Entspannungsübungen, bis der Alltagsstress all-mählich von Ihnen weicht. Machen Sie dann eine Traumreise durchIhren Körper. Konzentrieren Sie Ihre Gedanken zunächst auf IhreZehen. Versuchen Sie zu spüren, wie das Blut in ihnen pulsiert undsich allmählich eine wohlige Wärme in ihnen ausbreitet. Konzentrie-ren Sie sich als Nächstes auf Ihre Füße, dann auf Ihre Beine und soweiter, bis Sie bei Ihrem Kopf angelangt sind und in Ihrem ganzenKöper eine wohlige Wärme spüren. Denken Sie dann an Ihren bestenFreund oder an eine andere Ihnen wichtige Person. Malen Sie sich inGedanken aus, was Sie am liebsten mit ihm/ihr tun würden. Wo sindSie? Welche Kleidung trägt Ihr(e) Freund(in)? Was machen Siegemeinsam? Wie schauen Sie sich an? Wie gehen Sie miteinanderum? Malen Sie sich alles in konkreten Bildern aus. Lassen Sie dann,falls gewünscht, eine weitere Ihnen wichtige Person hinzukommen.Malen Sie sich die Situation erneut aus. Lassen Sie eventuell weiterePersonen auftauchen, die vielleicht gar nicht existieren oder die Sienur vage kennen, aber gern näher kennen lernen möchten. Was tunSie gemeinsam? Dehnen Sie dann Ihren Gedankenkreis aus. ZumBeispiel auf Ihre Wohnung oder Ihre Arbeit. Stellen Sie sich vor, wieSie sich im Büro bewegen. Nicht real, sondern dann, wenn alles sowäre, wie Sie es sich wünschen. Träumen Sie sich den idealen Chef,die idealen Kollegen. Wie gehen Sie mit Ihnen um? Welche Arbeitenverrichten Sie? Betrachten Sie in Gedanken Ihren Körper. Wie auf-recht stehen Sie da? Welche Ausstrahlung haben Ihre Augen? Träu-men Sie solche Träume regelmäßig. Dann entdecken Sie Lieblingsbil-der oder Lieblingsszenen. Durch sie wird Ihnen zunehmend klar, wasIhnen wirklich wichtig ist.

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 120

Wenn wir regelmäßig »tagträumen«, wird unsere Lebensvisionstets konkreter. Denn wenn wir regelmäßig solche Tagträumeträumen, entsteht in unserem Kopf ein immer konkreteres undklareres Bild von unserem künftigen Leben. Aus diesem Bildkönnen wir dann ableiten, was uns wirklich wichtig ist – bezo-gen auf alle vier Lebensbereiche. Wissen wir dies, können wiruns wiederum fragen: Was muss ich tun, damit ich diese Situa-tion bzw. das alles erreiche? Welche Hindernisse stehen dem imWeg und muss ich beseitigen. Das heißt, wir gelangen soallmählich auf die Ebene der konkreten Handlungs-schritte. Diese können wir wiederum mithilfe einesgezielten Zeit- und Selbstmanagements planen, sodasswir uns Schritt für Schritt unserer Vision nähern und die gewünschte Balance in unserem Lebenerreichen.

Regel 6: Das Realisieren unserer Lebensvision und die Suche nachder Balance im Leben ist ein Prozess des »Bewusst-Werdens«.

Unsere Lebensvision beruht auf unserem Glaubenssystem.Es setzt sich aus den Wertvorstellungen zusammen, die wir imVerlauf unseres Lebens entwickeln. Und unsere Ziele müssen mitunseren Werten übereinstimmen. Ansonsten bleiben sie leereWorthülsen – die wir irgendwann nicht mehr weiterverfolgen.Nur wenn wir von dem, was wir uns vornehmen, auch be-seelt sind, werden wir darin aufgehen und erreichen, was wirwollen.

Je sensibler Sie für Ihre innere Stimme werden, desto bessererkennen Sie Ihre Werte. Schauen Sie beispielsweise genau aufIhre Tagträume, dann werden Ihnen immer wieder dieselbenGlaubenssätze begegnen. Im Folgenden biete ich Ihnen einigesolcher Werte an. Prüfen Sie für sich, aus welchen Wert-Baustei-nen Ihr eigenes Glaubenssystem aufgebaut ist.

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Regelmäßigtagträumen

Lebens-werte ver-ändern sich

PersönlicheWerte

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 121

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Beispiel, wie Sie eine Vision in konkrete Schritte umsetzen

Ich will als 50-Jährige/r körperlich ähnlich fit seinwie heute als 35-Jährige/r

! Gesunde Ernährung! Nicht rauchen! Ausreichend körperliche Bewegung! Wenig (Dauer-)Stress

Maßnahmen Hindernisse Wie beseitigen/beim Umsetzen umgehen

Rauchen Sucht • Nikotinpflaster kaufen;stoppen Kaugummi kauen

• Nicht mehr in derWohnung rauchen

Alkoholkonsum Gewohnheit/ • Nur noch einzelne Bier-reduzieren Lust auf Bier flaschen kaufen, um

Vorrat zu reduzieren

Ernährung Einkauf • Auf Wochenmarkt umstellen mehr Gemüse kaufen

Ernährungsge- • Mit Lebenspartnerwohnheiten des sprechen; ErnährungLebenspartners abstimmen

Zwei- bis dreimal Zeitmangel • Ehrenamt aufgeben;wöchentlich Aus- Termine fest einplanendauersport treiben Eigene Trägheit • Joggingpartner suchen

Überflüssigen Nicht wissen, wie • Stressmanagement-Stress vermei- Seminar besuchenden; gezielter Arbeitsmenge • Besseres Zeitmanagement;Stressabbau mehr Aufgaben delegieren

Einmal jährlich Vergessen • Bei Check-up bereitsGesundheit Folgetermin vereinbarenchecken lassen

Vision

Voraussetzungen

To-do-Liste

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 122

Regel 7: Wir müssen den »roten Faden« in unserem Leben fin-den. Nur dann können wir unsere Identität wahren.

Mithilfe unseres Wertesystems erkennen wir mehr undmehr den roten Faden in unserem Leben. Damit schaffen wirfür uns selbst die Voraussetzungen, Rückschläge und Krisen zuüberwinden bzw. durch pro-aktives Handeln zu vermeiden.Nur so können wir unsere Identität und unsere Integrität wahren.

Kennen Sie Ihre Werte?

Diese beispielhafte Auflistung unterschiedlicher Wertemöchte Ihnen eine Idee geben, woraus sich Ihr Glaubens-system zusammensetzen könnte:

• beruflicher Erfolg • Glaubwürdigkeit• religiöse Überzeugungen • harmonische • Offenheit Partnerschaft• persönliche Freiheit • etwas Sinnvolles tun• Erfolg und Leistung • kreativ sein• Gewinner sein • Bedürftigen dienen• glückliche Familie • Gesundheit ausstrahlen• Kinder auf das Leben • ein Führer/Vorbild sein

vorbereiten • ein guter Zuhörer sein• ordentliches Zuhause • intellektuelles Wachstum• soziales Engagement • Aufrichtigkeit• großer Freundeskreis • Toleranz• finanzielle Freiheit • künstlerisch wirken• Selbstzufriedenheit • guter Teamplayer• politisches Interesse • gute/r Mutter/Vater sein• Seelenfrieden • eine Entdeckung machen

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Leitlinie finden

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 123

Beispiel 1: Einer meiner Bekannten studierte Ende der achtzigerJahre Elektrotechnik. Nach Studienabschluss fand er trotz seinesPrädikatsexamens über ein Jahr lang keine Arbeit, weil Elektro-ingenieure in der Wirtschaft nicht gefragt waren. Dann wurdeihm eine Stelle in der Atomindustrie angeboten. Er nahm dieStelle an, obwohl er ein überzeugter Atomkraftgegner war, unddurchlief in dem Unternehmen ein Trainee-Programm, bei demer wegen seiner Leistungen von seinen Vorgesetzten stets posi-tiv beurteilt wurde. Alles sah nach einer Bilderbuchkarriere aus.Nach etwas mehr als einem Jahr verkündete mein Bekannterjedoch plötzlich für all seine Freunde und Verwandten überra-schend: Ich kündige. Und das, obwohl er keine neue Stellunghatte. Die meisten seiner Freunde und Verwandten versuchten,ihn umzustimmen. »Eine solche Chance darfst du nicht weg-werfen«, sagten sie. Endgültig für verrückt erklärten sie ihn, alssie seine Begründung hörten. Sie lautete: Für mich ist die Atom-wirtschaft eine Bedrohung der Menschheit. Deshalb kann ichmeine Lebensenergie nicht darauf verwenden, sie zu unterstüt-zen. Wenn ich weiterhin dort arbeite, verliere ich meine Selbst-achtung. Trotz allen Gegenredens, doch noch ein, zwei Jahre zuwarten und dann in eine andere Branche zu wechseln, kündigteder junge Mann. Und das, obwohl dieser Entschluss für ihnbedeutete, sich als 31-Jähriger ohne Unterstützung eine neueberufliche Perspektive aufzubauen.

Dies soll kein Plädoyer gegen die Atomenergie sein. Über siekann man unterschiedlicher Auffassung sein. Trotzdem kannmein Bekannter als Beispiel gelten. Er erkannte instinktiv: Wennich diese Entscheidung nicht treffe, werde ich mein Leben langProbleme mit der Sinnebene haben. Dies wird sich auf Dauer aufmeine Leistung, meine sozialen Kontakte und letztlich auch aufmeine Gesundheit auswirken. Deshalb traf er die Entscheidung

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Konsequen-zen tragen

Authenti-zität ent-

wickeln

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 124

und verzichtete auf die gute Stelle und damit auch auf bestimmteKarrieresprünge. Wichtiger war ihm, dass er sich selbst insGesicht blicken kann. Mein Bekannter hat dieseEntscheidung nie bereut, obwohl für ihnanschließend einige harte Jahre folgten. Erist vielmehr noch heute stolz darauf, dass ersich dieser Entscheidung stellte und bereitwar, die daraus resultierenden Konsequen- zen zu tragen.

Wie wichtig dies ist, will ich an einem weiteren Beispiel illustrieren.

Beispiel 2: Vor einigen Jahren kannte ich einen evangelischenPfarrer, der nach eigenen Aussagen primär Theologie studierte,weil er aus einem religiösen Elternhaus kam. Während seines Stu-diums stellte er jedoch fest, dass er nicht mehr an den christlichenGott glauben konnte, auch wenn er weiterhin überzeugt war,dass so etwas wie ein Gott existiert. Nachdem er das Examen inder Tasche hatte, stand er vor der Entschei-dung: Mache ich etwas ganz anderes oderwerde ich Pfarrer? Er entschied sich für Letz-teres. Aus Bequemlichkeit, wie er selbst sagte.Anfangs überkam ihn das Gefühl, einen rotenKopf zu bekommen, wenn er sonntags in der Kirche zum Beispieldas »Vaterunser« betete. Er empfand sich nur als »schlechtenSchauspieler«. Doch dieses Gefühl legte sich mit der Zeit. DerPfarrer arrangierte sich mit seinem Job. Er wurde jedoch immerzynischer und äußerte sich über sich selbst und sein Verhalten nurnoch voller bissiger Selbstironie. Denn die einzige Konstante, dieer in seinem Leben erkennen konnte, war, dass er vor schwierigenEntscheidungen stets davongelaufen war. Der Rest ist schnellerzählt. Irgendwann begann er mit dem Trinken. Seine Frau

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Vor Ent-scheidun-gen drücken

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trennte sich von ihm, weil sie seine zynische Lebenshaltung nichtmehr ertragen konnte. Er selbst erzählt noch heute der liebenGemeinde vom lieben Gott und vom Himmelreich. Und abendsertränkt er sein Selbstmitleid in mehreren Flaschen Rotwein.

Das Beispiel zeigt uns: Wenn wir nicht zu unseren inneren Wertenstehen und wenn wir keine Vision von unserem Leben entwickeln,besteht die Gefahr, dass wir unsere Identität, Integrität und Glaub-würdigkeit verlieren. Dann lassen wir eine Entscheidungssituationnach der nächsten verstreichen, ohne dass wir die für ein erfülltesLeben nötige Richtung einschlagen. Und immer haben wir hierfür»gewichtige« Gründe. »Erst muss ich meinen Studienabschlussmachen.« »Erst muss ich den Berufseinstieg schaffen.« »Erst mussich das Häuschen abbezahlen.« »Erst müssen die Kinder aus demHaus sein.« »Erst muss ich 100 000 Euro gespart haben.«

Je häufiger und je länger wir uns vor der Lebensfrage »Was istmir wirklich wichtig?« und ihren Konsequenzen drücken, umso

geringer wird in unseren eigenen Augen unsere Glaubwür-digkeit und umso zynischer wird unsere Haltung uns selbstgegenüber. Doch wenn wir uns der Frage »Was ist mir wirk-lich wichtig?« stellen und bereit sind, die sich aus den Ant-

worten ergebenden Konsequenzen zu tragen, dann wahren wirunsere Integrität. Dann wachsen unser Selbstbewusstsein, unserSelbstwertgefühl und unsere Entschlusskraft, und es gelingt unsleichter, schwierige Situationen zu meistern.

Wenn wir unsere Identität und Integrität bewahren möch-ten, müssen wir unsere Werte (er-)kennen, uns den wirklichwichtigen Entscheidungen stellen und lernen, »Ja« und»Nein« zu sagen. Außerdem müssen wir bereit sein, dieKonsequenzen unserer Entscheidungen zu tragen.

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Integritätwahren

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 126

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Entschei-dungentreffen

Kapitel 10

Ja sagen heißt auch Nein sagen

Unsere moderne Gesellschaft bietet uns viele Wahlmöglichkeiten und macht uns das Ent-scheiden schwer. Stets haben wir Angst, etwas zu versäumen. Oft versuchen wir, uns mög-lichst viele Optionen offen zu halten. Gernübersehen wir, dass jedes Nicht-Entscheiden letztlich aucheine Entscheidung dafür darstellt, unser Leben nicht aktiv zugestalten.

Die Notwendigkeit, uns entscheiden zu müssen, durchziehtunser ganzes Leben.

Wir können nicht an zehn Orten zugleich Ski fahren. Also müs-sen wir uns entscheiden. Wir können nicht mit allen Menschenbefreundet sein. Also müssen wir uns entscheiden. Wir können

Jeder von uns hat nur für eine begrenzte Zahl von DingenZeit. Folglich müssen wir eine vernünftige Wahl treffen, waswir mit unserer Zeit anfangen möchten.

Sich ent-scheidenkönnen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 127

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Manager-ehen

nicht jeden Tag schlemmen und zugleich abnehmen wol-len. Also müssen wir uns entscheiden.

Das heißt: Wir können nicht alle unsere Wün-sche und spontanen Bedürfnisse (gleichzeitig)

befriedigen, denn sie lassen sich oft nur schwervereinen. Entsprechendes gilt für die Anfor-derungen, die die vier Lebensbereiche an unsstellen. Auch sie lassen sich häufig nur schwervereinbaren. So scheitert jeder fast automa-

tisch, will er zugleich ein erfülltes Familienleben führen und eineTopkarriere machen, die eine 70-, 80-Stunden-Woche erfordert.Nicht zufällig befasst sich das manager magazin alle Jahre wie-der mit dem Thema »Warum Managerehen scheitern«. In einemdieser Artikel heißt es zum Beispiel:

»Unter den Führungskräften wird die Gruppe derer, diewirklich einen Bund fürs Leben geschlossen haben, zunehmendkleiner. Und es sind nicht nur Soziologen oder Psychologen, dieangesichts der Entwicklung von Automatismen sprechen undvon logischer Konsequenz. Auch die immer gleichen Geschich-ten derer, die ihren persönlichen Bankrott erzählen, lassen aufeine Unternehmenswelt schließen, in der privates und beruf-liches Glück auf Dauer unvereinbar erscheinen. Ist die familiäreTragödie also der Preis für Karrieren? Kann der EhrgeizigeVaterfreuden und eine harmonische Beziehung tatsächlich erstgenießen, wenn er an der Spitze der Hierarchie angelangt ist, seine besten Jahre hinter sich hat und die langjährige Ge-fährtin für die Jüngere verlässt?« (manager magazin 9/1999, Seite 210)

Die Zahl der geschiedenen Managerehen steigt kontinuier-lich. Jeder zweite deutsche Manager, so eine Schätzung, kannheute beim Thema Scheidung mitreden. Dabei stehen am An-fang der gescheiterten Beziehungen meist gute Vorsätze. Doch

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 128

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Geschie-dene Manager-ehen

Erfolg oderFamilie?

Verzichten:ja odernein?

dann beginnt die Tretmühle. Und stets lautet dabei die Devise:»Job first.« Erst die Arbeit und dann die Familie. Selbst-verständlich soll diese Devise nie auf Dauer gelten, sondern nur für eine begrenzte Zeit: bis die nächste Beförderungs-stufe erreicht ist, bis im Wohnzimmer statt der IKEA-MöbelMahagonimöbel stehen, bis das Haus abgezahlt ist usw. »Soleben sie zehn, manchmal zwanzig Jahre nebeneinander her.Jeder in seiner Welt, die sie an jeden Ort, an den sie die Firmageschickt hat, mitgenommen haben. Die Kinder werden auf-müpfig und erwachsen, die Titel auf seiner Visi-tenkarte klingen wichtiger, zu Hause ändertsich aber nichts.« (manager magazin 9/1999,Seite 211)

Die Lebenspartner leben nebeneinander her, bis der inzwi-schen grau melierte Manager eine zwanzig Jahre jüngere Assis-tentin oder die Dame des Hauses einen jugendlichen Golflehrertrifft. Automatismus? Das manager magazin schreibt hierzu:»Ein Chef, der Prioritäten zu setzen weiß und der sich im Berufdurchorganisiert, sollte auch einsehen können, dass es eineBalance zwischen den beiden Welten geben muss und dass dienur mit bewusster Planung herzustellen ist.« Wenige Zeilen wei-ter stellt das Magazin aber resignierend fest: »Es mögen Perso-nalchefs noch so viele familienfreundliche Karrieremodelleanführen und enthusiastisch von Teilzeit, Telearbeit oder Sabba-ticals schwärmen. Wer es im Konzern zu etwas bringen will, musssich entscheiden: Erfolg oder Familie.« (manager magazin 9/1999,Seite 218 ff.)

Damit wir nicht in solche scheinbaren Automatismen verfal-len, müssen wir uns rechtzeitig fragen »Was ist mir wirklichwichtig?«, und anschließend aus der Antwort die nötigen Ent-scheidungen und Schritte ableiten. Dies ist oft nicht einfach, weilmit jeder Entscheidung für eine Sache eine Entscheidung gegen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 129

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mindestens eine andere verbunden ist. Mit jeder Entscheidunggeht ein Verzicht einher. Dieser Verzicht kann wie folgt aus-sehen:

• Ich verzichte auf mehrere Karriereschritte, um mehr Zeit fürmeine Familie und meine Freunde zu haben.

• Ich verzichte auf den regelmäßigen Besuch eines Fitnessstu-dios, um mich weiterzubilden.

• Ich verzichte auf den Kauf einer Wohnung, um meine finan-zielle Belastung niedrig zu halten und mehr Freizeit zuhaben.

Jede dieser Entscheidungen ist weder richtig noch falsch. Welche Entscheidung für uns richtig oder falsch ist, hängtdavon ab, was uns wichtig ist und wie wir die Prioritäten in unserem Leben gesetzt haben. Kein Weg führt jedoch

am Ja-sagen und Nein-sagen unddamit an einem bewussten Ver-zicht vorbei – zumindest, wenn wirunser Leben pro-aktiv gestaltenmöchten.

Dies zu akzeptieren, fällt vielen schwer. Sie haben Angst, das meiste, das Wichtigste, das Schönste oder das Beste zu versäumen. Die Angst, etwas zu versäumen, wird geradezu zum peinigenden Grundgefühl ihres Lebens. Befriedigung verspräche in diesem Kontext nur ein Zeitbudget, bei dem wir alle Möglichkeiten, die die Welt uns bietet, in einem Le-ben nutzen könnten. »Doch die Welt ist in einem Leben nicht zu schaffen. So verbleibt den von Welthunger und Lebensgier Getriebenen bloß die Möglichkeit, die Lebens-bilanz zu verbessern. Die genutzten Gelegenheiten sollen die verpassten in den Schatten stellen.« (Baeriswyl 2000, Seite 58)

Lebens-prioritäten

setzen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 130

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Leichte Entscheidungen – schwere Entscheidungen

Welche Entscheidungen in Ihrem Leben fallen Ihnen leicht? Welche bereiten Ihnen Schwierigkeiten?

Leichte Entscheidungen

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Schwere Entscheidungen

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

In welchem/n Lebensbereich/en fallen Ihnen Entscheidungen besondersschwer, in welchem/n besonders leicht?

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Also heißt es: Gas geben. Was dem Leben an Länge fehlt, solldurch Intensität, Leidenschaft und Schnelligkeitwettgemacht werden. Ständig befinden sich die vom

Lebenshunger Getriebenen auf Hochtouren undauf der Überholspur. Durch alle möglichen Zeitspar-

techniken und Kniffe zur Selbstbeschleunigungversuchen sie Zeit zu gewinnen, um mehr

vom Leben und von der Welt zu haben.Wer sich nicht entscheidet, wer nicht weiß, was er will, wer

keine Prioritäten setzt, verliert zwangsläufig die Balance imLeben. Dabei ist es gar nicht so schwer, sich zu entscheiden, denn:

Mit der Zeit wird nämlich unsere Lebensvision konkreter. Auchdie Werte, von denen wir uns leiten lassen, werden uns bewuss-

ter. In uns entwickelt sich eine Art Leitliniebzw. ein innerer Kompass, der uns durchs Lebenführt. Außerdem wächst mit jeder getroffenenEntscheidung unser Mut, uns neuen Entschei-

dungen und damit Herausforderungen zu stel-len. Das heißt:

Mit jeder wirklich wichtigen Entscheidung, die wir treffenund umsetzen, wächst unsere Entscheidungsfähigkeit undunsere Fähigkeit, pro-aktiv zu handeln. Umso größer wirddie Wahrscheinlichkeit, dass wir die rechte Balance in unse-rem Leben wahren können.

Je öfter wir uns überlegen, was uns wirklich wichtig ist, undje häufiger wir uns entscheiden, umso leichter fallen uns allekünftigen Entscheidungen.

InnererKompass

Zeit gewin-nen – wofür?

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Hauptursachen

Kreuzen Sie in der Liste an, was die Hauptursachen dafür sind, dass IhnenEntscheidungen schwer bzw. leicht fallen. Ergänzen Sie die Listen.

Warum fallen Ihnen Entscheidungen schwer?

! Ich kann nicht »Nein« sagen.

! Ich kann nicht verzichten.

! Ich weiß nicht, was ich will.

! Mir fehlen Informationen.

! Ich bin zu bequem.

! Ich habe Angst vor Konflikten.

! Ich kann die Folgen nicht abschätzen.

!!!!

Warum fallen Ihnen Entscheidungen leicht?

! Ich kann gut »Nein« sagen.

! Ich kann verzichten.

! Ich weiß, was ich will.

! Ich habe genügend Informationen.

! Ich habe keine Angst, Verantwortung zu übernehmen.

! Ich habe keine Angst vor Konflikten.

! Ich kann die Folgen gut abschätzen.

!!!!

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 133

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Kapitel 11

Unterschiedliche Schwerpunkt-setzung je nach Lebensphase

Die Balance in unserem Leben muss immer wieder hergestelltwerden – unter anderem, weil sich unsere Vorstellung von einemerfüllten Leben im Laufe unseres Lebens wandeln. Dabei gilt esjedoch zu beachten:

Dies gilt zum Beispiel für die Phase des Berufsein-stiegs. Hier müssen wir den Fokus, zumindest wenn

wir beruflich erfolgreich starten möchten, in Richtung»Arbeit/Leistung« verschieben. Ebenso ist es, wennwir beispielsweise von Arbeitslosigkeit bedroht sindoder einen Stellenwechsel vollziehen müssen.

Ein Beispiel: Vorausgesetzt, wir wollen Karrieremachen, dann ist es wenig erfolgversprechend,

In manchen Lebensphasen erfordern es die an uns gestelltenAnforderungen, dass wir uns auf einen bestimmten Lebens-bereich konzentrieren. Wir müssen ihm eine größere Beach-tung als den anderen schenken.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 134

gerade während der Zeit, in der es im Unternehmen Engpässegibt, regelmäßig zu sagen: »Heute habe ich leider keine Zeit. Ichmuss zum Tenniskurs« oder: »Ich wollte eigentlich heute Abendmit einem Freund essen gehen.« Dann können wir die ge-wünschte Beförderung vermutlich abhaken, denn letztlich sig-nalisieren wir durch unser Verhalten: Eigentlich ist mir etwasanderes wichtig. Wenn wir auf eine Beförderung hin-arbeiten, müssen wir daher dem Bereich »Arbeit/Leis-tung« den Vorrang gegenüber dem Bereich »Familie/Kon-takt« einräumen.

Ähnlich ist es, wenn wir Vater oder Mutter wer-den. Dann verschiebt sich unser Fokus fast automatisch inRichtung des Lebensbereichs »Familie/Kontakt« – zumin-dest wenn wir uns auf den Nachwuchs gefreut haben und wirvon ihm mehr mitbekommen möchten als dessenSchlaf.

Und das ist akzeptabel:

Es klingt paradox, dass wir ab und zu einen Lebensbereich über-betonen müssen, damit wir auf Dauer die Balance in unseremLeben bewahren können. Dies ist jedoch in vielen Lebenssitua-tionen der Fall.

Beispiel 1: Wenn eine uns wichtige Person im Sterben liegt und wir uns nicht die nötige Zeit zur Sterbebegleitung oder

Oft müssen wir den Akzent zeitlich befristet stärker aufeinen Lebensbereich als auf die anderen setzen. Nicht nur,damit wir momentane Herausforderungen meistern kön-nen, sondern auch, damit wir auf Dauer die nötige Balancein unserem Leben aufrechterhalten können.

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Fokus-änderungen

Fokus inunter-schiedlichenLebens-phasen

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nach ihrem Tod keine Zeit zum Trauern nehmen, benötigen wir anschließend umso mehr Zeit, um das Versäumte zu verarbeiten und die Balance in unserem Leben wieder herzu-stellen.

Beispiel 2: Wenn wir nach einem schweren Unfall unserem Kör-per nicht ausreichend Zeit zum Genesen gönnen und beispiels-weise die erforderlichen Reha-Maßnahmen unterlassen, weil wir schnell wieder voll in unsere Arbeit einsteigen möchten,kämpfen wir anschließend vermutlich jahrelang mit den Folge-schäden.

Schwerpunkte zeitlich befristet setzen

Völlig verfehlt wäre es, wenn wir versuchen würden, mit derFormel: täglich drei Stunden für den Bereich »Sinn/Kultur«, dreiStunden für den Bereich »Familie/Kontakt«, drei Stunden fürden Bereich »Arbeit/Leistung« und drei Stunden für den Bereich»Körper/Gesundheit« die gewünschte Balance in unserem Lebenherbeizuführen. So mechanistisch können wir eine Maschineprogrammieren; so sollten wir aber nicht unser Leben gestalten.Abgesehen davon, dass die meisten von uns mehr als drei Stun-den täglich arbeiten müssen, negieren wir, wenn wir so mecha-

nisch vorgehen, dass unser Leben ein dynamischerProzess ist. Lebensbalance ist nichts Quantitati-ves, sondern etwas Qualitatives. Wir negierenzudem, dass wir in ein soziales Netzwerk von

Beziehungen eingebunden sind und dieses an unsForderungen stellt, auf die wir oft spontan

reagieren müssen.

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Keinemechanis-

tische Zeit-balance

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 136

In unserem Arbeitsalltag ergeben sich immer wieder Situa-tionen, in denen wir unverhofft etwas länger bleiben oderArbeit mit nach Hause nehmen müssen. Ebenso kann es uner-wartet vorkommen, dass ein Freund anruft, der gerade in derKrise steckt und Trost braucht. Wenn Sie dann zu ihm sagen:»Tut mir leid, das Zeitbudget, das ich heute für den Lebens-bereich ›Familie/Kontakt‹ vorgesehen habe, ist leider schonverbraucht. Melde dich morgen wieder«, verlieren Sie mitSicherheit etwas, was Ihnen wirklich wich-tig ist: nämlich einen Freund. Mit einemsolch mechanistischen Denken gewinnenwir daher nie die gewünschte Balance im Leben. ImGegenteil, mit solchen Verhaltensmustern verfeh-len wir mit Sicherheit unser Ziel, ein erfülltes Leben in dieserWelt zu führen.

Dies setzt voraus, dass die Verlagerung des Schwerpunkts aufeinen Lebensbereich zeitlich befristet ist. Nach einiger Zeit sollteeine Art Ausgleich erfolgen, sodass sich das Gleichgewicht wie-der einstellt. Einige Zeit verträgt es jede Beziehung, dass derPartner seinen Schwerpunkt (eventuell verabredet) auf denBereich »Leistung/Arbeit« setzt und täglich zwölf oder 13 Stun-den arbeitet. Wird diese Akzentverlagerung aber auf Monateoder gar Jahre zum Dauerzustand, leidet allmählich die Bezie-hung darunter. Ebenso ist es, wenn wir den Bereich »Körper/Gesundheit« vernachlässigen, weil wir beruflich oder privat unter

Ziel des Life-Leadership ist es nicht, Tag für Tag und Monatfür Monat die nötige Balance zwischen den vier Lebensbe-reichen herzustellen, sondern in unserem Leben die nötigeBalance zwischen ihnen zu finden.

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Flexibilitätim Zeit-budget

Gleich-gewichtherstellen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 137

Stress stehen. Einige Zeit geht das gut. Auf die Dauer jedochnicht.

Damit wir das Gleichgewicht wieder herstellen können,muss uns bewusst sein, dass wir den Akzent verlagert haben.Häufig vollzieht sich die Akzentverschiebung zwischen deneinzelnen Lebensbereichen aber schleichend. Sie ergibt sich aus

den vielen kleinen Entscheidungen, die wirTag für Tag treffen. Deshalb nehmen wir es

oft zunächst auch gar nicht wahr, wenn wirauf dem Weg sind, die Balance im Leben zuverlieren.

So ergeht es zum Beispiel manchem »Multifunktionär«, der soviele Lebenshüte auf seinem Kopf trägt, dass er unter deren Lastfast zusammenbricht. Meist verläuft sein Werdegang wie folgt:

Eigentlich will Karl nur einmal pro Woche im örtlichenSchützenverein seinem Hobby, dem Luftgewehrschießen, nach-gehen. Doch dann legt der Zeugwart sein Amt nieder, und weiljeder sagt: »Das ist nicht viel Arbeit«, übernimmt Karl denPosten. Kurze Zeit später stirbt der Kassenwart, und weil»irgendeiner die Kasse ja führen« muss, übernimmt Karl auchdiesen Posten noch mit. »Aber nur bis zur nächsten Vorstands-wahl.« Doch es kommt alles ganz anders. Als die Vorstandswah-len anstehen, beginnen plötzlich alle Schützenkollegen, seineArbeit zu loben, und sagen: »Karl, du wärst für den Vorstandgeeignet«, und ehe sich Karl versieht, ist er auch im Vorstand.Kaum sitzt er mehrere Wochen darin, spricht ihn ein Schützen-bruder beim Bier an: »Karl, du weißt doch, bald stehen die

Meist ist der Verlust der Balance im Leben das Ergebnis vie-ler kleiner Entscheidungen, die wir im Alltag treffen.

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Akzenteverschieben

sich

Multi-funktionärmit vielen

Lebens-hüten

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 138

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Gemeinderatswahlen an, und dich kennt doch jeder. Lass dichdoch auf der Liste unserer Partei aufstellen. Dann bekommenwir sicher mehr Stimmen.« So wird aus Karl ein Lokalpolitiker.Und weil Politiker ja die Kontakte zur Basis pflegen müssen, tritter in den örtlichen Turnverein ein. Der wiederum möchte baldeine Sporthalle bauen, und weil Karl als Gemeinderatsmitgliedso gute Kontakte hat, wird er auch noch Mitglied im Bauaus-schuss. So geht es weiter und weiter, bis aus dem HobbyschützenKarl ein Multifunktionär geworden ist, der jeden Abend voneiner Sitzung zur nächsten eilt.

Zugeflogene Aufgaben

Welche Aufgaben flogen Ihnen in den letzten ein, zwei Jahren zu? Von welchen würden Sie sich gern wieder trennen?

Aufgabe abgeben?

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

! ja ! nein

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 139

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Womit kann man Sie »kriegen«?

Wie kann man Ihnen am leichtesten Aufgaben, die Sie nicht möchten,übertragen? Kreuzen Sie Zutreffendes an und ergänzen Sie die Liste.

! Finanzielle Versprechungen

! Aufgaben liegen lassen, bis Sie es nicht mehr sehen können

! Lob/Schmeicheleien (z. B. »Das können Sie doch gut.«)

! Drohungen

! Appellieren an Ihre Mitverantwortung/Ihr Pflichtgefühl

! Soziale Anerkennung

! Appelle an Ihr Mitgefühl/Ihre Hilfsbereitschaft

!

!

Achtung!

In welchen der oben genannten Situationen bzw. bei welchen Personenmüssen Sie besonders aufpassen, dass Ihnen keine Aufgaben zufliegen?

»Gefährliche« Situationen

»Gefährliche« Personen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 140

Auch wenn Sie kein Schützenbruder oder keine Schützenschwes-ter sind, kennen Sie vermutlich solche Kreisläufe. Schließlichergeben sich immer wieder Situationen, in denen uns – beruflichoder privat – scheinbar aus der Luft irgendwelche Aufgaben,Funktionen, Verantwortlichkeiten oder Rollen zufliegen. Meistsind es Kleinigkeiten, die wir auch noch machen können, wol-len oder sollen. Und ehe wir uns versehen, verlieren wir dieBalance im Leben. Anfangs merken wir es gar nicht. Nur ab und an beschleicht uns ein Unbehagen. Nach einiger Zeit machtsich in uns das dumpfe Gefühl breit: Ichre-agiere eigentlich nur noch; ich fühlemich zunehmend getrieben und gehetzt.Spätestens dann sollten Sie sich erneuteine Auszeit nehmen und sich fragen:

• Was ist mir wirklich wichtig?• Befindet sich mein Leben noch in der richtigen Balance, um

meine Lebensvision zu realisieren?• Welche (neuen) Schritte und Maßnahmen muss ich ergreifen,

damit ich kein ge-fülltes, sondern ein er-fülltes Leben führe?

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Zwangs-kreisläufe

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 141

Kapitel 12

Beschleunigung und Entschleunigung – zwei Seiten

einer Medaille

»Wir hatten so viel damit zu tun, die gute Ehefrau, der gute Ehe-mann, die gute Mutter, der gute Vater, der gute Sohn, die guteTochter, der hervorragende Angestellte, die erfolgreiche Unter-nehmerin zu sein, und die Vorstellung von jedem anderen vonPerfektion zu erfüllen, dass wir die Verbindung dazu verlorenhaben, wer wir selbst sind. (St. James 1998, Seite 171)

Die Gefahr, dass wir unser Ich verlieren, wird immer größer.Unter anderem aufgrund der steigenden Zahl von Wahlmöglich-keiten, die uns die moderne Gesellschaft bietet. Unsere Eltern undGroßeltern mussten vor knapp fünfzig Jahren abends, überspitztformuliert, nur entscheiden: Bleibe ich zu Hause bei meinen Liebs-ten und spiele ich mit ihnen Karten, während im Hintergrund das

Radio läuft, oder besuche ich den örtlichen Fußball-oder Gesangverein? Heute hingegen werden uns im

häuslichen und außerhäuslichen Bereich vielmehr Freizeitmöglichkeiten geboten. Allein das

sportliche Angebot, zwischen dem wir wählenkönnen, oder die Reisemöglichkeiten, die sichuns bieten, sind nahezu unüberschaubar.

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Mehr Wahl-möglich-

keiten

Freizeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 142

Ebenso zahlreich sind unsere Optionen in anderen Berei-chen. Vor 30 oder 40 Jahren waren unsere beruflichen Wahl-möglichkeiten sehr begrenzt. Neben Bauer, Maurer, Lehrerund Pfarrer gab es nur noch ein, zwei Dutzend Berufe. Undheute? Heute steigt ihre Zahl ins Unermessliche und täglichkommen neue hinzu. Oder kannten Sie vor wenigen Jahrenschon die Berufsfelder Webdesigner, Content- und Event-manager?

Dass wir mehr Wahlmöglichkeiten haben, ist positiv. Dochauch diese Medaille hat zwei Seiten:

Nicht nur, weil wir uns schwerer einen Über-blick über alle Möglichkeiten verschaffenkönnen, sondern auch, weil wir beijeder Entscheidung für eine Sache zuvielen anderen Möglichkeiten »Nein« sagen müssen. Beizahlreichen Menschen verursacht dies Stress. Zum einen,weil sie wegen der großen Auswahl Angst haben, die falsche Ent-scheidung zu treffen, zum anderen, weil sie befürchten, etwas zuversäumen.

Unser berufliches und privates Umfeld ändert sich immerschneller. Heute ist es daher eher die Ausnahme, dass wir vonunserem Berufseintritt bis zur Pensionierung für denselbenArbeitgeber arbeiten und denselben Beruf ausüben. Vor dreißigJahren war dies noch die Regel. Heute entwickelt es sich leiderzur Ausnahme, dass wir mit demselben (Ehe-)Partner unserganzes Leben verbringen. Vor dreißig Jahren war dies die Regel.Jeder dieser Brüche stellt uns aber vor die Notwendigkeit, uns

Je größer unsere Wahlmöglichkeiten sind, umso größerwerden auch unsere Schwierigkeiten, uns zu entscheiden.

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Beruf

Problemeund Chancen

SchnellereVerände-rungen –mehr Zeit-druck

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 143

neu zu entscheiden und uns neu zu orientieren. Er erhöht zudemden Zeitdruck, unter dem wir stehen. Schließlich braucht jede Ent-scheidung ihre Zeit. Auch jeder Ortswechsel erfordert Zeit. Ent-sprechendes gilt für den Aufbau eines neuen Freundes- undBekanntenkreises, für die Suche eines neuen Arbeitsplatzes undfür jede berufliche Neuorientierung. Auch sie erfordern Zeit. Undder Aufbau einer neuen Lebenspartnerschaft? Wenn wir uns hier-für keine Zeit nehmen, wird er uns nie gelingen. All diese Faktorentragen dazu bei, dass sich in uns das Gefühl verdichtet »Ich hastevon einer Sache zur nächsten« und »Ich habe immer weniger Zeit«.

Auf diesen Zeitdruck können wir unterschiedlich reagieren.Wir können versuchen, alles schneller zu tun, sodass wir in der-selben Zeit mehr erledigen und erleben. Das ist mit einem geziel-ten Zeit- und Selbstmanagement in einem gewissen Ausmaßmöglich. Zumal uns hierbei viele Maschinen helfen. So beschäf-tigen sich inzwischen zum Beispiel allabendlich 64 Prozent allerMenschen, die fernsehen, zugleich mit einer anderen Tätigkeit.Sie lesen nebenbei, sie bügeln nebenbei oder sie nehmen nebenbei

ihr Abendessen zu sich. 1991 waren dies nur56 Prozent. (Opaschowski 1999, Seite 30)

»Nur fernsehen« erleben wir zunehmendals Zeitverschwendung.

Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Einen Hinweis gibt unsdas Verhalten der so genannten Generation @. Als Generation @werden die heute 14- bis 30-Jährigen bezeichnet, die mit denneuen Medien wie Computer, Internet und Handy aufwachsen

Wir lernen, mehrere Tätigkeiten parallel zu verrichten unduns in immer kürzeren Zeiträumen mit immer mehr Dingenzu befassen.

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Genera-tion @

ParalleleTätigkeiten

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 144

und als Jugendliche bzw. junge Erwachsene bereits lernen, mitihnen umzugehen. Diese Generation wird in zehn Jahren dasLeben in unser Gesellschaft prägen. Deshalb lässt ein Blick aufihren Lebensstil Schlüsse auf unser künftiges Leben zu. Sie sindPioniere der Welt von morgen.

Für die Generation @ gilt die Alternative »entweder-oder«nicht mehr. Ihr Lebensstil ist dadurch geprägt, dass sie in ihreZeit immer mehr Aktivitäten packen und alles möglichstschnell und gleichzeitig erledigen. »Die Generation @ agiertnicht alternativ – zum Beispiel PC-Nutzung statt Bücherlesen oder Video statt Radio. Für sie heißt es eher: Video plusRadio plus Computer plus Buch plus Free-TV plus Pay-TVplus Teleshopping plus Einkaufsbummel. Sie will allesund von allem möglichst noch mehr.« (Opaschowski1999, Seite 22) Dieses Phänomen beschreibt auch die US-ameri-kanische Trendforscherin Faith Popcorn. Für sie ist der Versuch,»99 Leben auf einmal« zu leben, ein zentraler Trend unserer Zeit: »Heute starrt kein Mensch mehr Leute an, die im Zug aufihren Laptop einhämmern oder mitten auf der Straße geschäft-liche Anweisungen in ein Handy brüllen.« (Popcorn 1999, Seite 271)

Vor knapp 20 Jahren war dies noch anders. Gut erinnere ichmich daran, als die ersten Jogger mit Walkman umherliefen. Siewurden belächelt. Und heute? Heute betrachten wir dies als selbst-verständlich. Ähnlich ist es beim Fernsehen. Vor circa 20 Jahrenlästerten wir noch über die US-Amerikaner, weil in ihrem Haushaltder Fernseher rund um die Uhr lief. Und heute? Heute schaltenviele von uns morgens das Frühstücksfernsehen an und lauschenbeim Kaffeetrinken und Zähneputzen den Berichten. Zumindest invielen Singlehaushalten gehört dies zum Morgenritual.

Gewöhnt haben wir uns auch daran, immer mehr »helfendeHände« zu nutzen. Selbstverständlich schieben wir ein Fertig-

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NeuerLebensstil

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 145

gericht in die Mikrowelle, um Zeit zu sparen. Selbstverständ-lich nutzen wir Waschmaschinen, Geschirrspülmaschinen undTrockner, um Zeit zu sparen. Und wozu sparen wir Zeit? Damitwir »99 Leben auf einmal« leben können. Und alles wird nochschneller werden, prophezeit Popcorn: »Wir werden uns wei-terhin auf alles stürzen, was uns Zeit spart und die Kommunika-tion erleichtert und beschleunigt. Und wir werden immer mehrdavon haben wollen. Die Zeit wird nicht mehr in Minuten ge-messen werden, sondern in Nanosekunden.« (Popcorn 1999,Seite 273)

Wahrnehmen statt scannen

Dieses Immer-mehr und Immer-schneller hat seinen Preis. Hin-und hergerissen sein zwischen den vielen Interessen ist eineKonsequenz des Alles-zugleich, eine zunehmende Oberfläch-lichkeit eine andere. Letztere manifestiert sich in der schwinden-den Fähigkeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Denn:

Dieses Sich-nicht-konzentrieren-Können manifestiert sich imKindesalter in einem stets wachsenden Berg von Spielzeug. Undim Jugend- und Erwachsenenalter in stets wechselnden Freund-schaften und Lebenspartnerschaften.

Um die wachsende Zahl von Eindrücken, Erlebnissen undImpulsen noch aufnehmen zu können, scannen wir die Ereig-nisse oft nur noch.

Je länger ich mich auf eine Sache konzentriere, umso mehrZeit geht mir für die restlichen Angebote verloren.

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Oberfläch-lichkeit

durch Scanning

Leben inGleich-

zeitigkeit

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 146

Alles wird nur oberflächlich gestreift. Wir filtern aus der Vielzahlder optischen und akustischen Signale, die auf uns einströmen,nur noch einen Bruchteil heraus, damit wir ihre Flut verarbeitenkönnen. Viele Wissenschaftler sind der Auffassung, dass wirkünftig in der »Zu-viel-isation« nur bestehen können, wenn wirdie Fähigkeit zu scannen beherrschen.

An sich verfügen wir über diese Fähigkeit bereits. Ganzgleich, was wir tun, wir nehmen die Reize nur selektiv wahr.Niemand kann alle Eindrücke, die auf ihn einwirken, bewusstaufnehmen und speichern. Dann würde uns ein einfacher Stadt-bummel überfordern. Wir können nicht jede Auslage in denSchaufenstern, das Gesicht und die Kleidung jedes Passantensowie die Fassade jedes Hauses wirklich wahrnehmen. Dass wir unsere Umwelt selektiv wahrnehmen, ist also nicht dasProblem. Dies ist eine Notwendigkeit, damit wir uns auf dieDinge, die uns wichtig sind, konzentrieren könnenund nicht von Nebensächlichkeiten abgelenkt wer-den. Darin liegt der Unterschied zwischen dem selek-tiven Wahrnehmen und dem Scannen.

Das selektive Wahrnehmen hilft uns, uns auf die für unswichtigen Dinge zu konzentrieren. Beim Scannen hingegenkönnen wir selbst die Dinge, die uns wirklich wichtig sind(bzw. sein sollten), nicht mehr wahrnehmen, weil wir alleDinge nur noch oberflächlich betrachten, um einer Reiz-überflutung zu entgehen. Wir sehen sozusagen vor lauterWald die Bäume nicht.

Wir scannen zunehmend die Ereignisse, die auf uns einwir-ken, statt uns mit ihnen zu befassen.

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SelektiveWahr-nehmung

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 147

Entsprechend ziel- und planlos hasten wir hin und her. Mit-ten im Wald sind wir auf der Suche nach Bäumen. Schon spricht man in den USA von einer neuen Volkskrankheit, der so genannten ADD, das heißt Attention Deficit Disorder. Hier-bei handelt es sich um eine Aufmerksamkeitsstörung, eine Art Lernkrankheit. Sie äußert sich in den drei Verhaltens-mustern:

• Spontanität, • Hyperaktivität und • Zerstreutheit.

Fremd sind uns diese Symptome nicht. Auch wir zeigen sie,wenn wir unter Stress oder Zeitdruck stehen, weil wir viele Auf-gaben in kurzer Zeit erledigen müssen oder möchten. Wenn wir

uns nicht entscheiden können, springen auch wirspontan von einer Aktivität zur nächsten.Dann neigen auch wir zur Hyperaktivität,sind zerstreut und können uns nur schwer

konzentrieren.

Überforderung als Dauerzustand macht uns aggressiv

Das ist nicht schlimm, wenn dieser Zustand befristet ist undeine anschließende Phase der Entspannung folgt. Gefährlichwird es aber, wenn das »Unter-Strom-Stehen« zum Dauerzu-stand oder sogar zum Ideal verklärt wird. Dann besteht dieGefahr, dass wir irgendwann körperlich oder psychisch kolla-bieren. Hinzu kommt, dass wir vielleicht zu Drogen grei-fen, um stets topfit zu sein und stets Höchstleistungen zu er-bringen.

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Zeitdruckoder Stress

Problemeund

Gefahren

AttentionDeficit

Disorder

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 148

Normalerweise erfordert Empfinden, dass wir uns auf eine Sachebzw. eine Person einlassen, was wiederum voraussetzt, dass wirZeit haben. Da wir glauben, uns diese nicht nehmen zu können,erfahren wir auch nicht die Tiefe, die wir suchen. Folglich legenwir noch einen Zahn zu, damit wir den nächsten Kick bekom-men. Vielleicht vermittelt er uns das tiefe Empfinden, das wir unswünschen.

Dies prägt unsere sozialen Beziehungen. Auch hier wird unserErleben zunehmend von dem Gefühl geprägt: »Wenn ich bloßmehr empfinden könnte, dann könnte ich eine Beziehung zumanderen aufnehmen oder eine ›wirkliche‹ Beziehung zu ihmunterhalten. Aber im Augenblick der Begegnung habe ichjedes Mal das Gefühl, nicht genug zu empfinden.« (Sennett2000b, Seite 23). Die Folgen sind eine innere Leere sowie einelatente Unzufriedenheit, weshalb wir immer weiter nachErfüllung suchen.

Beim Hangeln von einem Kick zum nächsten übersehenwir, dass wir so zwar mehr erleben, aber nicht mehr emp-finden.

Wir hangeln uns von einem Kick zum nächsten. Doch dabeihaben wir stets das Gefühl, • nicht genug zu erleben,• nicht aktiv genug zu sein und• nicht genug zu empfinden und folglich

nicht wirklich zu leben.

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Von Kick zu Kick

InnereUnruhe

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 149

Dieses Überfordert sein schlägt oft in Aggression um, die sichentweder gegen uns selbst oder unsere Umwelt richtet. Häufigbemerken wir dieses Phänomen bei Jugendlichen, die noch aufder Suche nach ihrem Weg sind. Weil sie trotz der anhaltenden

Suche das Gewünschte nicht finden, leben sie ineinem ständigen Reizzustand. Sie finden keineRuhe; schnell kann sich ihre Unruhe in

Aggression verwandeln. Aus scheinbar völlignichtigen Anlässen explodieren sie, weil sie das

Gefühl haben, dass sie nie in Ruhe gelassen werden.Dass Jugendliche sich in diesem Zustand befinden können, ist

normal. Dies resultiert daraus, dass sie »nicht mehr« Kind und»noch nicht« erwachsen sind. Problematisch wird es aber, wenndieser Schwebezustand des »Nicht-mehr« und »Noch-nicht«auch unser Erwachsenenleben prägt, weil wir dann die innereBalance nicht finden.

Dass überfordert sein in Aggression umschlägt, ist auch unsErwachsenen nicht fremd. Auch wir zeigen solche Verhaltens-muster, wenn wir glauben, bestimmten Anforderungen nicht ge-

recht zu werden. Eine klassische Situationhierfür ist die Vorweihnachtszeit, wenn wir

neben unseren Alltagsaktivitäten Geschenkebesorgen und das Fest vorbereiten und zu-gleich die Erwartung haben: Nun muss allesso richtig schön weihnachtlich werden. Dannist in vielen Familien Streit vorprogrammiert.

Irgendwann resultiert aus unserem fortwährenden Suchennach einem tieferen Erleben ein Überfordert-und Über-reiztsein, weil wir die Reizflut nicht mehr verarbeiten kön-nen und zugleich nicht finden, was wir uns wünschen.

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Aggressiondurch über-fordert sein

Reiz-zustände

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 150

Wann werden Sie aggressiv?

Sie fahren morgens zur Arbeit. Sie sind spät dran. Auf der Autobahn»schleicht« auf der linken Spur ein Auto mit 80 km/h fünf Minutenvor Ihnen her. Wie lange dauert es, bis Sie unruhig werden? FluchenSie? Trommeln Sie auf dem Lenkrad? Steht Ihnen der Schweiß auf derStirn? Fahren Sie dicht auf? Geben Sie Lichthupe? Versuchen Sie,rechts zu überholen? Geben Sie auf?

Wie reagieren Sie?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Welches Verhalten wäre der Situation angemessen?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Sie kommen von einer Besprechung mit Ihrem Chef, der mit Ihremletzten Projekt nicht einverstanden war. Sie haben noch zehn Minu-ten Zeit, um ein wichtiges Telefonat mit einem Kunden vorzuberei-ten. In diesem Moment klingelt das Telefon. Ihre Mutter will wissen,wann Sie sie das nächste Mal besuchen, was Sie selbst noch nicht wis-sen. Sie sagen ihr, dass Sie im Moment keine Zeit hätten, mit ihr zusprechen, was sie aber nicht davon abhält, Ihnen den neuesten Tratschzu erzählen. Inzwischen haben Sie nur noch fünf Minuten Zeit zurVorbereitung. Laufen Sie während des Gesprächs auf und ab? MachenSie sich den obersten Knopf Ihres Hemdes oder Ihrer Bluse auf?Sagen Sie »Bis dann, Mama« und legen einfach auf? Wiederholen Sieimmer lauter, dass Sie jetzt keine Zeit haben?

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 151

Wie reagieren Sie?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Welches Verhalten wäre der Situation angemessen?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Sie hatten einen schlechten Tag im Büro. Sie kommen erst gegen20 Uhr nach Hause, weil Sie eine halbe Stunde im Stau gestandenhaben. Im Flur stolpern Sie über die Schuhe Ihrer Kinder. Kaum habenSie Ihre Aktentasche abgestellt, kommen die lieben Kleinen ohne ein»Hallo« schreiend auf Sie zugerannt, um gegenseitig die neuesten»Schandtaten« zu verpetzen. Schreien Sie »Ruhe«? Schicken Sie dieKinder ins Kinderzimmer? Schicken Sie sie zu Ihrem Partner/IhrerPartnerin? Versuchen Sie notgedrungen, den Streit zu schlichten?

Wie reagieren Sie?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Welches Verhalten wäre der Situation angemessen?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 152

Wir kennen alle solche Situationen aus unserem Alltag. Wirexplodieren oft buchstäblich und zeigen ein aggressives Ver-halten, das der Situation nicht angemessen ist. Der Grund ist, dass unserer momentanen Erwartungshaltung und unseremBedürfnis nach Ruhe nicht entsprochen werden.

Wenn verstärkt die Anforderung an uns gestellt wird, immererreichbar, ansprechbar und anwesend zu sein, ist ein solchesVerhalten verständlich. »Viele Menschen wollen einfach nichtmehr ständig mit Informationen, Anrufen, Fax-Mitteilungenund Werbung bombardiert werden.Werden Sie nicht auch manchmal regel-recht böse, wenn schon wieder einAnruf auf Sie wartet, das Autotelefonpiept oder der Expressbote vor der Tür steht? Wir wünschen unsnichts sehnlicher, als eine Zeit lang ungestört zu sein, einmal Zeitganz für uns allein zu haben. Doch es ist nicht leicht, innerenFrieden zu finden, wenn man Tag und Nacht erreichbar ist.«(Popcorn 1999, Seite 282)

Zum einen, weil bestimmte Aufgaben, wie zum Beispiel dasTreffen wichtiger Entscheidungen, ihre Zeit brauchen. Zumanderen, weil selbst wenn wir immer schneller arbeiten, sichnichts daran ändert, dass die Zahl

• der Herausforderungen, vor denen wir stehen, • der Reize, mit denen wir konfrontiert sind sowie • der Entscheidungen, die wir treffen müssen,

Inneren Frieden finden wir nicht, indem wir versuchen,alles schneller zu erledigen.

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Informa-tion-over-load

InnerenFrieden finden

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 153

stetig steigt. Im Gegenteil: Je mehr wir in immer kürzerer Zeiterledigen möchten, desto mehr Reize strömen auf uns ein, destomehr Entscheidungen müssen wir treffen und mit umso mehrHerausforderungen werden wir konfrontiert.

Cocooning

Um eine Reizüberflutung zu vermeiden, versuchen mancheMenschen, ihr Leben zu verlangsamen. Ihr Ziel ist, die Zahl derReize, die auf sie einströmen, und die Menge der Anforderun-gen, die an sie gestellt werden, zu reduzieren. Hierfür gibt esviele Wege. Einen Weg beschreiten die Anhänger der Simplify-your-Life-Bewegung in den USA. Sie wollen ihr Leben einfa-cher, so zu sagen »simpler« gestalten. Zum Beispiel, indem sieauf das Land ziehen, um den vielen Großstadtreizen zu entflie-hen. Oder sie statten ihren Haushalt bewusst mit wenigenmodernen Kommunikationsmedien aus, um die Zahl der Wahl-möglichkeiten zu reduzieren. Wenn ich kein Fernsehgeräthabe, muss ich nicht jeden Abend entscheiden, ob ich fernseheoder nicht; auch nicht, welche der 40 parallel laufenden Sen-dungen ich anschaue. Wenn ich kein Handy besitze, muss ichnicht überlegen, ob ich es anschalte und ob ich mich melde,wenn es klingelt. Wenn ich eine kleine Ranch betreibe, statt

als Konzernmanager zu arbeiten, muss ich mich nicht Tag für Tag mit den Anfor-derungen auseinander setzen, die Chefs,Kollegen, Mitarbeiter, Kunden und Liefe-

ranten an mich stellen und muss nicht voneinem Meeting zum nächsten eilen.

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Verlang-samen und

verein-fachen

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Vereinfachen Sie Ihr Leben!

Kleiderübung: Viele Menschen geraten jeden Morgen, aber auch vorjeder Party oder vor jedem Theaterbesuch, in Hektik: Sie wissennicht, was sie anziehen sollen, weil ihr Kleiderschrank schon übervollist. Sie sparen viel Zeit und Kraft, wenn Sie ihren Entscheidungsspiel-raum beschränken. Und Kleider, die Sie nicht besitzen, brauchen Sienicht waschen und bügeln oder in die Reinigung bringen.

Anleitung: Sortieren Sie alles aus, was Sie schon länger als ein Jahrnicht mehr angezogen haben. Trennen Sie diese Sachen in durchausnoch gute Kleidungsstücke und solche, die Sie eigentlich nur fürRenovierungs- oder Gartenarbeit aufgehoben haben. Packen SieLetztere sofort in Tüten und bringen Sie sie zu einer Wohlfahrtsorga-nisation. Was für den einen Ballast ist, kann für andere durchaus not-wendig sein. Wenn Sie es sich nicht leisten können oder wollen, alleszu verschenken, bringen Sie die Sachen in den Second-Hand-Ladenoder auf den Flohmarkt. Die Kleider, die »noch gut« sind, packen Siein Tüten und stellen sie in den Keller oder auf den Speicher. Wenn Sienach einem halben Jahr keines der in den Tüten verpackten Klei-dungsstücke wirklich vermisst haben, geben Sie alles weg. Mutigekönnen das natürlich auch sofort tun. Sollten Sie es allein nicht schaf-fen, bitten Sie eine Freundin oder einen Freund, es für Sie zu tun. Nur,wenn Sie ein überzeugendes Plädoyer für ein Kleidungsstück haltenkönnen, dürfen Sie es behalten.

Tassen-Übung: Wie viele Tassen haben Sie im Schrank? Sechs, zwölfoder gar 24, weil Sie eine so große Verwandtschaft haben? Oder habenSie etwa noch ein zweites Service in Reserve auf dem Dachboden ste-hen? All das braucht Platz und Zeit, es muss verwaltet, geputzt, aus-und wieder eingeräumt werden.

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Anleitung: Schaffen Sie sich von allem Geschirr nur vier Garniturenmehr an als Personen in Ihrem Haushalt leben. Wenn Sie also zu viertsind, brauchen Sie acht Tassen, Teller, Messer, Gabeln, Löffel,Handtücher, Kissen, Decken und Bettbezüge. Und wenn Sie einmalein großes Fest feiern möchten und Ihr Geschirr nicht ausreicht, kön-nen Sie sich immer noch welches ausleihen. Oder Ihre Gäste sollensich mitbringen, was sie brauchen.

Zeitungsübung: Wie viele Zeitungen und Zeitschriften haben Sieabonniert? Die regionale Tageszeitung, eine überregionale Tageszei-tung, ein Nachrichtenmagazin, eine Fernsehzeitung, zwei Fachzeit-schriften und noch eine für Ihr Hobby? Nicht nur, dass Sie all dieseInformationen zumindest überfliegen müssen (schließlich haben Sieja Geld dafür bezahlt), Sie müssen auch noch jede Woche einenganzen Karton Altpapier aus dem Haus schaffen. Könnten Sie dieseZeit nicht sinnvoller verwenden?

Anleitung: Nehmen Sie alle Zeitungen und Zeitschriften, die Sie inzwei Wochen angesammelt haben und schneiden Sie einmal alles aus,was Sie gelesen haben. Aber wirklich nur das, was Sie auch gelesenhaben, nicht das, was Sie unbedingt demnächst noch lesen wollen.Denn Sie werden es nie wieder anschauen – sofern es sich nicht umKochrezepte handelt, und auch da habe ich meine Zweifel. Wie soll-ten Sie auch? Sie bekommen ja ständig neues Material auf den Tisch.Legen Sie alle Ausschnitte auf einen Stapel und legen Sie die Zei-tungsreste auf einen Stapel daneben. Überlegen Sie sich nun genau, obdie Höhe der beiden Stapel wirklich in einem sinnvollen Verhältnisstehen. Bestellen Sie alles ab, wenn Sie nicht mindestens 30 Prozentdaraus verwerten, außer Sie benötigen die Informationen für IhreArbeit.

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Die meisten Anhänger der Simplify-your-Life-Bewegung führ-ten zuvor ein Leben, bei dem sie sich sozusagen im Herzen derNon-Stop-Gesellschaft befanden. Sie waren dem Druck, stetsansprechbar und erreichbar zu sein, massiv ausgesetzt. Häufighandelt es sich bei ihnen um erfolgreiche Rechtsanwälte, Makler,Schauspieler oder Manager. Personen also, die mit ihrem Berufsehr viel Geld verdienten. Ihr Verzicht stellt somit ein bewusstesVerzichten auf bestimmte Wahlmöglichkeiten, die ihnen dasLeben bietet, dar. In ihm dokumentiert sich zweierlei. Zum einendas Bekenntnis: Etwas anderes ist mir wichtiger. Zum ande-ren das Eingeständnis: Ich konnte die Dinge, auf die ich ver-zichte, nicht sinnvoll in mein Leben integrieren, als sie michumgaben. Deshalb ziehe ich mich von ihnen zurück. Insofernzeigt die Simplify-your-Life-Bewegung eine Nähezu dem Trend, den Faith Popcorn seit Jahren konstatiert: dem Cocooning – dem Leben im»Kokon«.

Cocooning besagt: Immer mehr Menschen igeln sich ein.Dabei äußert sich das Einigeln in verschiedenster Form. EineSpielart ist, dass wir unsere Wohnungen zu Rückzugsrefugienausbauen. Sie werden zu Festungen gegenüber der uns be-drohenden und überfordernden Welt. Entsprechend viel Zeitund Energie verwenden wir auf ihre Ausstattung. Ist unserHeim einmal geschaffen, schließen wir uns darin ein. JederFremde wird als Eindringling erfahren, den wir zunächst perGegensprechanlage oder Türspion begutachten. Jeder unange-meldete Besucher wird zum Störenfried. Hier haben sichunsere Lebensgewohnheiten schon stark verändert. Hand aufsHerz:

• Wann haben Sie zum letzten Mal einen Freund/eine Bekannteunangemeldet besucht?

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Simplifyyour Life

Spontanität

Abschottenvon derWelt

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• Was empfinden Sie, wenn ein Freund oder Bekannter unver-hofft vor Ihrer Tür steht?

Mittlerweile empfinden wir »unangemeldete Besucher« häufigals lästige Eindringlinge, die uns in unserer Ruhe stören. Wirdenken: Das macht man nicht! Das gehört sich nicht! Und weiles sich nicht gehört, tun wir es nicht. Stattdessen verbinden wirunsere Wohnung über elektronische Drähte mit der Außenwelt.

Der gemeinsame Kaffeeklatsch wird durch das Telefon ersetzt. Am öffentlichen Lebennehmen wir über das Fernsehgerät teil.

Statt Freunde zu treffen, chatten wir im Internet. Statt eine Dis-kussionsveranstaltung aufzusuchen, legen wir unsere Beine hochund verschaffen uns durch das Betrachten einer Talkshow dasGefühl: »Ich bin dabei.«

Mit diesem Rückzug einher geht oft, dass wir alles Fremdeund Neue als Bedrohung empfinden. Alles Neue, alles Fremdebietet uns, wenn wir uns darauf einlassen, weitere Optionen. Daes uns aber immer schwerer fällt, uns zwischen den vielenOptionen zu entscheiden, erfahren wir alle weiteren Optionen,die uns angeboten werden, als bedrohlich. Sie komplizierenunser Leben nur noch weiter.

Der Trend zum Verlangsamen ist also eine Gegenreaktionauf die Entwicklung zur Non-Stop-Gesellschaft. Jedersollte überprüfen, inwieweit er die Entschleunigung in

sein Leben integrieren kann, ohne dabei von einem Extremins andere zu gelangen. Die Simplify-Idee bietet ausgezeich-nete Möglichkeiten zu entscheiden, was wirklich wichtig ist.Dabei gilt:

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Innerer undäußerer

Rückzug

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 158

Wer wenige Optionen hat, steht nicht vor der Frage: Aufwelche soll ich verzichten? Diese Frage stellt sich nur Menschen, die aufgrund ihrer vielen WahlmöglichkeitenSchwierigkeiten haben, sich zu entscheiden.

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Kapitel 13

Den Alltag strukturieren lernen

Das Leben bietet uns immer mehr Wahlmöglichkeiten. Stimmt!Das heißt aber nicht, dass wir eine endlose Zahl von Optionenhaben.

Als Jugendlicher habe ich bei der Berufswahl noch viele Optio-nen. Auch wenn diese Wahlmöglichkeiten unter anderem davonabhängen, ob ich mit Mühe die Sonderschule oder spielerisch

das Abitur schaffe: Zumindest theoretisch kannsich jeder Jugendliche noch frei entscheiden, ob erlieber Schreiner, Atomphysiker oder Profifuß-

baller werden will. Anders sieht es aus, wennwir 40 sind. Dann ist es müßig darübernachzudenken, ob ich lieber Profifußbal-

ler oder Balletttänzer wäre. Physik kann ichzwar noch studieren, aber dass ich anschlie-

In vielen Bereichen gilt: Die Optionen, die wir haben, redu-zieren sich im Lauf unseres Lebens.

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Optionen inder Jugend

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 160

ßend eine Stelle als Atomphysiker finde, ist eher unwahrschein-lich.

Ähnliches gilt für den Umgang mit unserer Zeit. Auch hiersetzt uns die Realität oft enge Grenzen bzw. sie gibt uns denUmgang mit unserer Zeit weitgehend vor. Das zeigt eine Studie,die an der Münchener Universität durchgeführt wurde. (Weis1998, Seite 163 ff.) Befragt wurden 140 freie Journalisten – Män-ner und Frauen –, wie sie ihren Alltag strukturieren und ihre Zeit nutzen. Diese Berufsgruppe wurde gewählt, weil freie Jour-nalisten zwar zu einem bestimmten Termin ihre Artikel oderRundfunk- und Fernsehbeträge abliefernmüssen, ihre Auftraggeber es aber ihnenüberlassen, wie sie ihren Arbeitsalltag struk-turieren. Ihnen ist somit ein Zeitrahmen vorgegeben, innerhalb dessen sie große Spiel-räume haben. Interessant erschien den Forschern diese Berufs-gruppe auch, weil sie die unsichere Existenz von Selbstständigen führt; ein Schicksal, das künftig immer mehr von uns teilen werden.

Beim Auswerten der Befragungsergebnisse entdeckten dieForscher vier Muster, mit der Zeit umzugehen und den Alltag zustrukturieren. Sie unterschieden vier Typen: »Kontrolleure«,»Disziplinierte«, »Jongleure« und »Vertrauensvolle«.

Kontrolleure

Die Kontrolleure setzen sich und ihrer Umwelt klare bis rigideRegeln und zeitliche Strukturen. Diese sind auf Dauer angelegtund ermöglichen so ein effizientes Arbeiten. Sie arbeiten zumBeispiel konzentriert von 8 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags.

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MünchenerZeitstudie

Vier Zeit-Typen

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Dann machen sie zwei Stunden Pause, um sich anschließendzum Beispiel von 14 bis 17 Uhr erneut an ihren Schreibtisch zusetzen. Während ihrer Arbeitszeit ist keine private Störung –zum Beispiel durch die Kinder – erlaubt. Diesen Rhythmus

wiederholen sie Tag für Tag. Mit dem Setzenverbindlicher Termine und fester Zeitblöckeversuchen sie, die unstrukturierte Zeit zu kon-

trollieren und ihren Alltag berechenbar zumachen.

Disziplinierte

Die Zeitplanung der Disziplinierten ist weniger starr und rigideals die der Kontrolleure. Sie haben keine festen Zeitblöcke, die sie ganz streng einhalten. Stattdessen versuchen sie einenbestimmten Rhythmus bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit einzuhalten. Elemente der Planung und eines »Auf-sich-zukommen-« und »Laufen-lassens« stehen somit nebeneinan-der. Auch sie wollen zum Beispiel täglich sieben oder acht Stunden arbeiten und bestimmte Zeitblöcke einhalten. Wielange die Zeitblöcke dauern und wann sie mit der Arbeit begin-nen, variiert jedoch. So setzen sie sich zum Beispiel manchmalmorgens um 8 Uhr, manchmal um 9 Uhr an ihren Schreibtisch.Ebenso machen sie manchmal mittags eine und manchmal

zwei Stunden Pause. Dabei wird ihnen der Rhyth-mus weitgehend von außen vorgegeben. Beispiels-

weise dadurch, dass die Kinder vom Kindergar-ten abgeholt werden müssen. Die Disziplinierten

planen so viel wie möglich und so weit wie mög-lich.

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Kontrol-leure

Diszipli-nierte

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 162

Jongleure

Jongleure versuchen ebenfalls, ihren Alltag zeitlich so zu struk-turieren, dass sie sowohl Zeit für ihren Beruf als auch für ihrenPartner und ihre Kinder finden. Auch sie planen täglich kleinereund größere Zeitblöcke, in denen sie konzentriert arbeiten. Siehaben aber Schwierigkeiten, diese einzuhalten. Außerdem fällt esihnen schwer, ihre unterschiedlichen Aufgaben und Interessen inein ausgewogenes und für sie zufrieden stellendes Verhältniszueinander zu bringen, weil zu viele, oft nicht im Vorausplanbare Anforderungen an sie gestellt wer-den. Deshalb werfen sie ihre geplanten Zeit-raster häufig über den Haufen, um sie durch neue zuersetzen.

Vertrauensvolle

Vertrauensvolle verzichten weitgehend darauf, ihren Tag vorab zu strukturieren und zu planen. Sie verzichten auch aufdas Einführen von Regelmäßigkeiten. Sie regulieren ihre alltägliche Lebensführung stattdessen »spon-tan« und vertrauen dabei auf ihre Kompetenzund Fähigkeit, ihr Leben ad hoc zu ge-stalten.

Bei der Analyse, welche Personen welchen Umgang mit ihrerZeit praktizieren, zeigte sich: Die Kontrolleure waren fast aus-schließlich Männer. Warum? Männer können oft die häuslichenAufgaben an andere Personen delegieren und können deshalbihren Zeitplan strikt einhalten. Auch die Vertrauensvollen waren

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Jongleure

Vertrauens-volle

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ausschließlich Männer, die häusliche Aufgaben delegieren konn-ten und finanziell abgesichert waren. Sie mussten nicht täglichsieben, acht Stunden konzentriert arbeiten, um Monat für Monatden nötigen Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb entwickel-ten sie die nötige Gelassenheit, um auf eine Zeitplanung und -kontrolle zu verzichten.

Zu den Disziplinierten und zu den Jongleuren hingegen zähl-ten vor allem Frauen bzw. Personen, die berufliche und privateAnforderungen unter einen Hut bringen mussten. Sie mussteneine gewisse Disziplin an den Tag legen, um allen Anforderun-gen gerecht zu werden. Zugleich war aber ein gewisses Jonglie-ren notwendig, um die verschiedenen Anforderungen zu syn-chronisieren.

Die Untersuchung zeigt:

Wir können unser Leben also weder beliebig beschleunigennoch verlangsamen. Was wir tun können, ist, einen unseremLeben adäquaten (Lebens-)Rhythmus zu entwickeln, der Be-schleunigung und Verlangsamung in sich vereint. Insofern gilt:

Die Annahme, wir könnten durch ein Verlangsamen unse-rer Aktivitäten der Beschleunigung entfliehen, ist eine Illu-sion. Sie geht von der falschen Voraussetzung aus, dass wirwie Einsiedler auf einer Insel leben.

Wenn wir in ein soziales Netz eingebunden sind, das unsmit unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert, kön-nen wir uns nicht mehr völlig von dem Rhythmus, den unsunser Umfeld vorgibt, abkoppeln.

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Ergebnisseder Zeit-

studie

Lebens-rhythmus

finden

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 164

Welcher Zeit-Typ sind Sie?

Kreuzen Sie zu jeder Frage eine Antwort an. Summieren Siedann die Punkte für die einzelnen Fragen nach folgendemSchema:a) = 1 Punkt, b) = 3 Punkte, c) = 5 Punkte, d) = 7 Punkte.

Beruflich

Wann beginnen Sie Ihren Arbeitstag?

a) jeden Morgen um genau dieselbe Zeit !b) innerhalb eines festgelegten (Gleit-)Zeitkorridors !c) mal früher, mal später !d) immer auf den letzten Drücker !

Wie planen Sie Ihren Arbeitstag?

a) jeden Abend mache ich einen genauen Plan für dennächsten Tag !

b) morgens im Büro teile ich mir meinen Tag ein !c) ich plane immer nur für die nächsten paar Stunden !d) ich plane überhaupt nicht !

Wie strikt halten Sie sich an Ihren Zeitplan?

a) ich halte meinen Zeitplan strikt ein !b) ich kontrolliere meinen Zeitplan und passe ihn

ggf. an !c) ich halte mich nur ungefähr an meinen Zeitplan !d) ich überprüfe meinen Zeitplan nicht !

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 165

Privat

Wie oft waschen Sie Ihr Auto?

a) regelmäßig, egal wie schmutzig es ist !b) immer wenn es schmutzig ist !c) wenn es schmutzig ist und ich Zeit dazu habe !d) wenn ich Lust dazu habe !

Wie oft gehen Sie Lebensmittel einkaufen?

a) jede Woche an einem festen Wochentag !b) wenn der Kühlschrank leer ist !c) wenn ich Zeit und Lust dazu haben !d) wenn ich Hunger habe !

Wann gehen Sie zum Arzt?

a) regelmäßig !b) sofort wenn ich Beschwerden verspüre !c) nur wenn ich länger Beschwerden habe !d) erst wenn es gar nicht mehr anders geht !

Auflösung

0-6 Punkte: Sie sind ein Kontrolleur. Sie planen am liebstenalles langfristig und bis ins kleinste Detail. Sie halten IhrePläne strikt ein. Passen Sie auf, dass Ihr (Zeit-)Korsett Ihnennicht die Luft abschnürt.7-18 Punkte: Sie gehören zu den Disziplinierten. Sie halten esfür sinnvoll, Ihre Zeit zu planen, und bemühen sich darum,Ihre Pläne weitgehend einzuhalten. Aber Sie machen sichauch nicht zum Sklaven Ihres Plans. Weiter so!

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 166

Ebenso verhält es sich mit dem Versuch, durch einen gezieltenVerzicht auf Optionen der beschleunigten Welt zu entgehen. AufOptionen verzichten können wir nur, wenn wir sie haben. Dasheißt: Weder indem wir all unsere Aktivitäten beschleunigen,noch indem wir sie verlangsamen, kommen wir ans Ziel. DerVersuch, alles zu beschleunigen, scheitert, weil er mittelfristigzum Kollaps führt. Der Versuch, alles zu verlangsamen, schei-tert, weil er von der Voraussetzung ausgeht, wir seien nicht Teildieser beschleunigten Welt. Außerdem ist einVerlangsamen nur möglich, wenn wir die Wahlzwischen einem Verlangsamen und Beschleuni-gen haben.

Life-Leadership bedeutet, dass wir für uns eine Strategieentwickeln, die es uns erlaubt, die »Früchte« der modernenMultioptionsgesellschaft zu genießen und gezielt zu nut-zen. Dies ist nur möglich, wenn wir darauf hinarbeiten,dass uns stets mehrere Wahlmöglichkeiten zur Verfügungstehen. Sonst können wir uns nicht frei entscheiden.

19-30 Punkte: Als Jongleur sind Sie ein wahrer Lebens-künstler. Sie planen zwar, aber nur das Notwendigste. DenRest lassen Sie lieber auf sich zukommen. Ihre Planungkann man durchaus als flexibel betrachten. Wenn Sie dabeinicht ins Schleudern geraten, sind Sie zu beneiden.31-42 Punkte: Sie gehören zu den Vertrauensvollen. Zweifels-ohne, Sie haben Gottvertrauen. Sofern Ihr Leben nicht jedenTag fünf Überraschungen für Sie parat hält, können Sie sichdiesen beneidenswerten Luxus leisten. Ansonsten würdeIhnen ein bisschen mehr Planung sicher nicht schaden.

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Beschleu-nigen oderverlang-samen?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 167

Hierfür einige Beispiele:

Beispiel 1: Wenn wir finanziell mit dem Rücken zur Wand ste-hen und uns bereits der Gerichtsvollzieher droht, lautet unsereeinzige Option: Wir müssen möglichst schnell zu Geld kommen.

Beispiel 2: Wenn wir arbeitslos sind und unsere Qualifikationnicht mehr gefragt ist, haben wir nur zwei Möglichkeiten(zumindest kurzfristig): Entweder wir nehmen jede x-beliebigeStelle an, nur um einen Job zu haben, ganz gleich, wie gut oderschlecht er bezahlt wird und was wir tun müssen, oder wir lebenvon der Sozial-/Arbeitslosenhilfe.

Beispiel 3: Wenn die Beziehung mit unserem Lebenspartnerbereits gescheitert ist, lautet unsere einzige Option: Das Schei-tern verarbeiten und fortan entweder als Single leben oder unseinen neuen Lebenspartner suchen.

Mit anderen Worten:

Eine notwendige Aufgabe, damit wir ein Life-Leader werdenbzw. bleiben, besteht also darin, Vorsorge zu treffen.

Wir müssen sicherstellen, dass wir stets mehrere realistischeOptionen haben. Zum Beispiel durch ein gesundheitsbewuss-

Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, haben wir nurzwei Möglichkeiten: Entweder wir springen ins kalte Was-ser und holen das Kind aus dem Brunnen oder wir lassen esertrinken. Wollen wir dieser unangenehmen Alternativeentgehen, müssen wir pro-aktiv handeln. Das heißt, wirmüssen handeln, bevor das Kind in den Brunnen fällt.

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Gesundheits-management

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 168

tes Verhalten, da eine ernsthafte Erkrankungunsere Handlungsoptionen automatisch redu-ziert. Oder indem wir darauf achten, dassunsere Qualifikation nicht nur von unse-rem jetzigen Arbeitgeber gefragt ist. Dannhaben wir, wenn wir entlassen werden oder mit der Stelle nicht mehr zufrieden sind, noch mehrere Optionen. Oder indem wiraußer unserem Lebenspartner noch einen gewachse-nen Freundeskreis haben, damit wir leichter mit Krisen in unserer Paarbeziehung umgehen können, weil wir nicht be-fürchten müssen, im Falle einer Trennung völlig einsam zu sein.

Das heißt: Wenn wir Leader-of-our-Life sein möchten, müs-sen wir durch ein pro-aktives Handeln sicherstellen, dass wirstets mehrere realistische Optionen haben. Nur so können wirKrisen gegensteuern bzw. diese, wenn sie sich nicht vermeidenlassen, besser verarbeiten.

Auch wenn es Ihnen schwer fällt, mit dem Gedanken zuleben, dass sich unser Umfeld immer schneller verändert und eine Prognose für die Zukunft fast nicht mehr möglich ist: Vor dieser Unsicherheit dürfen wir nicht unsere Augen verschließen; vielmehr müssen wir lernen, mit ihr zu leben.Niemand kann heute mehr sagen: Wenn ich dies tue, bin ich in fünf Jahren mit Sicherheit am Ziel. Vielmehr müssen wirdahinter stets ein Fragezeichen platzieren. Nurwenn wir das akzeptieren, sind wir bereit, unsalternative Handlungsperspektiven zu erar-beiten, sodass wir auch künftig mehrere Wahl-möglichkeiten haben, falls sich unsere Zu-kunft anders gestalten sollte, als wir es vermutet haben.

Für viele Herausforderungen werden wir ganz neue Lösun-gen entwickeln müssen, von denen wir vorab nicht wissen, ob

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Weiter-bildung

Soziales

Pro-aktivsein

AlternativeHandlungs-möglich-keiten

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 169

sie funktionieren. Wir müssen neue kreative Designs entwer-fen, weil sich unsere alten Verhaltensmuster nicht mehr für dasBewältigen der Zukunft eignen. Das heißt:

Dass uns das schwer fällt, ist verständlich. Schließlich haben wirunsere Denk- und Verhaltensmuster oder Paradigmen meist überJahrzehnte hinweg gelernt und gefestigt. Sie sind ein Teil von unsgeworden. Entsprechend schwer können wir sie abstreifen.Unsere gewohnten Denkmuster hindern uns aber am Entwerfenneuer, kreativer Designs. Viele Angestellte beispielsweise sinddavon überzeugt, dass eine Festanstellung ihnen die meiste Sicher-heit bietet. Dabei ist das nur noch bedingt richtig. Wenn morgendie ferne Konzernzentrale beschließt, das Unternehmen zu ver-kaufen, dann können Sie übermorgen arbeitslos sein. Selbst wenn

Sie zuvor jahrelang die beste Arbeit abgelieferthaben. Oft ist es deshalb sogar sicherer, sichselbstständig zu machen – natürlich nur,sofern man eine gute Geschäftsidee und dienötige Entschlossenheit hat. Dann liegt das

berufliche Schicksal nicht mehr bei einer fernenKonzernzentrale, sondern in der eigenen Hand.

Wenn wir eine zukunftsorientierte Haltung einnehmen undimmer wieder Versuche wagen, unser Leben aktiv zu gestalten,reduzieren wir mit der Zeit auch die Gefahr des Scheiterns.

Wir müssen künftig häufiger über unseren Schatten sprin-gen und vielleicht sogar das Gegenteil von dem tun, womitwir in der Vergangenheit erfolgreich waren.

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NeueLösungen

entwickeln

Denk- undVerhaltens-

muster

Leben aktivgestalten

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 170

Kapitel 14

Unseren eigenen Lebensrhythmusfinden

Sich abzeichnende Lebenskrisen können wir nicht vermeiden,wenn wir starr an einmal getroffenen Entscheidungen festhalten.Wenn viele Signale darauf hindeuten, dass sich unser Lebensum-feld wandelt, müssen wir unser Leben entschleunigen, wir müs-sen inne halten und uns fragen: Kann ich mit den Entscheidun-gen, die ich in der Vergangenheit getroffen habe,mein Leben künftig meistern? Oder muss ichumdenken und meine Entscheidungenrevidieren?

Das heißt: Wenn wir nicht mit festem, starrem Schritt, son-dern mit federnden Schritten durchs Leben gehen – gleich einemTänzer, der Schritte nach links und rechts, vor und zurück macht –, verfügen wir über die nötige Flexibilität für ein Lebenin Balance. Nur auf diese Weise finden wir unseren eigenenRhythmus zwischen Beschleunigung und Entschleunigung, deraber niemals unabhängig von der Beziehung zu unserer Umweltist.

Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Life-Lea-dership und dem klassischen Selbst- und Zeitmanagement.

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Lebens-entschei-dungen

Lebens-rhythmus

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 171

Der Fokus liegt beim Life-Leadership also hauptsächlich darauf,wie wir die Beziehung zwischen unseren vier Lebensbereichenund wie wir unsere Beziehung zu anderen – beruflich wie privat– gestalten. Die zentrale Frage, die wir hierfür beantworten müs-sen, lautet:

• Was ist mir wirklich wichtig und zwar bezogen auf alle vierLebensbereiche: »Arbeit/Leistung«, »Sinn/Kultur«, »Kör-per/Gesundheit« und »Familie/Kontakt«?

Daraus können wir dann die Antworten auf die Fragen ab-leiten:

• Von welchen Prinzipien/Werten lasse ich mich in meinemLeben leiten? Und:

• Was muss ich tun, damit sich mein Leben in Balance befin-det?

Wenn wir wissen, was uns wirklich wichtig ist, undunsere zentralen Werte kennen, haben wir sozusa-gen unsere Lebensmelodie im Kopf. Diese verges-sen wir nicht, wenn wir einmal zwei, dreiSchritte nach links oder rechts oder gar zurück

machen. Trotzdem schreiten wir gezielt vo-ran. Und vor allem: Wir lassen uns von einem

positiven Lebensgefühl leiten.

Beim klassischen Zeitmanagement lautet die zentrale Frage:Wie nutze ich meine Zeit effektiv? Beim klassischen Selbst-management lautet die zentrale Frage: Wie manage ich michselbst? Beim Life-Leadership hingegen lautet die Kernfrage:Wie muss ich die Beziehung zu meiner Umwelt gestalten,damit sich mein Leben in Balance befindet?

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Life-Leadership

Lebens-melodie im

Kopf

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 172

Damit wir von einem solchen Lebensgefühl getragen werden,brauchen wir unsere eigene, ganz persönliche Zeitordnung.

Einen Rhythmus, der zum einen auf die Anforderungen reagiert, die unsere Umgebung an uns stellt, der zum anderenaber auch Rücksicht auf unsere Bedürfnisse nimmt und in demunser Wertesystem zum Ausdruck kommt. Eines wird bei derAuseinandersetzung mit dem Thema Zeit nämlich oft über-sehen:

Wenn wir die meiste Zeit unseres Leben darauf verwenden,möglichst viel Geld zu machen, artikuliert sich darin unserWertesystem. Wenn wir viel Zeit mit unserer Familie verbringen,zeigt sich darin unser Wertesystem. Wenn wir täg-lich drei Stunden ins Fitnessstudio gehen,kommt auch darin unser Wertesystem zumAusdruck.

In welche Richtung das Pendel dabei ausschlägt, ist unsereEntscheidung. Es ist unsere Entscheidung, inwieweit wir unsdem gesellschaftlichen Trend zum High-Speed und Nonstopunterwerfen, weil wir zum Beispiel eine Topkarriere machenmöchten.

Darin, wie wir mit unserer Lebenszeit umgehen, kommtunser Wertesystem zum Ausdruck.

Wir dürfen weder das Verlangsamen noch das Beschleuni-gen zu unserem Ziel erklären. Vielmehr müssen wir unsereneigenen Lebensrhythmus finden.

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EigenerLebens-rhythmus

Persönli-ches Werte-system

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 173

Bei der Suche nach unserem Lebensrhythmus sollten wir siebenGrundregeln beachten.

1. Pausenlosigkeit macht krank. Diese Er-kenntnis ist uralt. Sie manifestiert sich schonim biblischen Schöpfungsmythos, dem zu-folge Gott am siebten Tag der Schöpfungruhte. Pausenlosigkeit raubt unserem Lebendie Höhepunkte, weil sie uns die Zeit zum

Genießen stiehlt.

2. Alles hat seinen Ort und seine Zeit. Es gibt Phasen, in denen einBeschleunigen nötig ist, und Zeiten, in denen ein Verlangsamenwichtig ist. »Alles hat seinen Ort und seine Zeit« bedeutet aberauch, dass manche Entwicklungen nur eintreten bzw. von uns nureingeleitet werden können, wenn die Zeit hierfür gekommen ist.Schon die alten Griechen wussten das. Sie unterschieden zwischenChronos, der Zeit, wie wir sie mit unseren Uhren messen und die im Sekundentakt abläuft, und Kairos, der reifen Zeit. Wir sagenbeispielsweise »der Auftrag ist reif«, wenn wir schon so viel Zeitund Energie in einen Kunden investiert haben, dass nun der Zeit-punkt gekommen ist, dass er den Vertrag unterschreiben »muss«.Oder beim Fußballspiel, wenn eine Mannschaft klar überlegen ist

Es ist unsere Entscheidung, wo wir den Schwerpunkt set-zen. Aber wenn wir uns für die Topkarriere und viel Geldverdienen entschieden haben, dürfen wir uns nicht bekla-gen, dass uns kaum noch Zeit für Muße bleibt. Umgekehrtgilt: Wenn wir uns für mehr Muße in unserem Leben ent-schieden haben, dürfen wir nicht darüber klagen, dassandere mehr Geld haben.

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Chronosund Kairos

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 174

und nach vielen vergeblichen Versuchen endlich das ersehnte Torschießt. Auch dann sagen wir: »Die Zeit war reif dafür.«

Dass die Zeit reif sein muss, erfahren wir auch in unserem All-tagsleben: Bestimmte Entscheidungen können wir zu einembestimmten Zeitpunkt noch nicht treffen, weil wir bzw. die Zeitnoch nicht so weit sind. Wir sind noch unsicher oder unschlüs-sig, obwohl wir das Problem oder die Situation durchdachthaben. Doch plötzlich kommt der Moment, an dem die Zeit reifist und wir uns entscheiden können.

3. Alles braucht seine Zeit. Für diesen Satz gibt es einklassisches Bild: Es ist nutzlos, wenn ein Gärtner aneinem Grashalm zupft, damit dieser schneller wächst.Beschleunigen wird sich dessen Wachstum nicht.Ebenso ist es in vielen anderen Bereichen. Auchhier müssen wir akzeptieren, dass sie ihren eige-nen Rhythmus haben. Hierfür einige Beispiele.

Beispiel 1: Wenn wir eine Fremdsprache lernen möchten, kön-nen wir uns noch so sehr bemühen, über Nacht wird es uns nichtgelingen, die Sprache zu erlernen. Das heißt: Wir müssen recht-zeitig mit dem Sprachen lernen beginnen, wenn wir zum Beispielim Urlaub die Sprache gut sprechen möchten, denn eine Spra-che zu erlernen, braucht seine Zeit.

Beispiel 2: Wenn wir unsere Kinder zu selbstbewussten Men-schen erziehen möchten, können wir nicht auf einen Knopf

Wir müssen ein Gespür für das richtige Timing entwickeln,also ein Gespür dafür, wann die Zeit reif ist für bestimmteEntscheidungen und Handlungen.

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Zeit mussreifen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 175

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Veränderungen?

Notieren Sie, welche Punkte in Ihrem Leben reif für eine Entscheidung/für ein Verändern sind und was Sie tun wollen.

»Veränderungs-reife Punkte« Was will ich tun?

Notieren Sie, welche Dinge, die Sie gern in Angriff nehmen würden, oderwelche Entscheidungen, die Sie gern treffen würden, noch nicht reif sind.Warum sind sie noch nicht reif?

Noch nicht Warum ist eine Veränderung»veränderungs-reife Dinge« noch nicht möglich?

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 176

drücken und schon strotzen sie vor Selbstsicherheit. Vielmehrmuss das Selbstbewusstsein allmählich in ihnen wachsen.

Beispiel 3: Wenn wir eine Vision für unser Leben entwickelnmöchten, braucht auch dies seine Zeit. Es ist ein Prozess desSich-bewusst-Machens und Konkretisierens – bis wir eines Tagesgenau wissen, was wir wollen.

Bei allen drei Beispielen handelt es sich um Prozesse, die ihreZeit brauchen. Wir können zwar bei manchen die Vorausset-zungen schaffen, damit sie schneller ablaufen, aber auch dannkönnen wir ihre Geschwindigkeit nicht beliebig erhöhen.Natürlich können wir zum Beispiel Gras düngen oder mitkünstlichem Licht bestrahlen, damit es schneller wächst. Da-durch beschleunigen wir zwar sein Wachstum, trotzdem brauchtdas Wachsen immer noch seine Zeit. Ebenso ist es bei allenLernprozessen. Auch hier können wir Voraussetzun-gen schaffen, dass wir schneller lernen. Zum Beispielindem wir mit einem konsequenten Zeitmanage-ment dafür sorgen, dass wir öfter ungestörtarbeiten können. Oder indem wir uns bessereLernmedien beschaffen oder nicht allein, son-dern im Team lernen. Trotzdem braucht dasLernen seine Zeit.

4. Die Zeit, die wir einer Sache zugestehen, entscheidet oft überderen Qualität. Oft entscheidet die Zeit, die wir einer Sachebzw. einer Tätigkeit zugestehen, auch über deren Qualität. So istes zum Beispiel beim Essen. Wenn wir zwischen zwei Terminenschnell in der Kantine oder in einem Fast-Food-Restaurant einEssen verschlingen, so dient dies der reinen Nahrungsaufnahme.Dieses Aufnehmen von Kalorien ist bloß funktional. Anders ist

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Grenzen derBeschleu-nigung

Beispiel:Essen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 177

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Beliebig beschleunigen?

Welche Prozesse in Ihrem Leben können Sie nicht beliebig beschleunigen?Unter welchen Voraussetzungen wäre ein Beschleunigen möglich?

Nicht beliebig zu be- Beschleunigung wäre möglich,

beschleunigende Prozesse wenn …

Beispiel: Weiterbildung … ich mir genügend Freiräume schaffeund für optimale Lernmedien sorge.

Beispiel: Abnehmen … ich regelmäßig Sport treibe und meine Ernährung konsequent umstelle.

es, wenn wir uns abends mit Freunden imRestaurant verabreden. Dann wissen wir,dieses gemeinsame Essengehen erfordert seine

Zeit – zumindest wenn wir es genießenmöchten.

Ähnlich ist es beim Fortbewegen. Wenn wir unter derWoche zu unserer Arbeit fahren oder gehen, wollen wir mög-lichst schnell die Entfernung überwinden und unser Ziel errei-

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chen. Der Weg ist sozusagen ein Hindernis, das es zu über-winden gilt. Anders ist es, wenn wir am Wochenende wandernoder spazieren gehen. Dann ist der Weg das Ziel. Entsprechendviel Zeit nehmen wir uns hierfür. Und erst dadurch wird dasGehen zum Spazieren gehen oder Wandern. Es erhält eine neueQualität.

Oder denken Sie an das Einkaufen. Wenn wir zwischen zweiTerminen schnell in ein Geschäft hasten, um uns einen Rock oderein Hemd zu kaufen, so geht es uns ausschließlich darum, dasbenötigte Kleidungsstück zu besorgen. Anders ist es, wenn wir unsZeit nehmen, um durch die Stadt zu schlendern und einen Ein-kaufsbummel zu machen. Dann ist das Bum-meln selbst das Erlebnis. Wenn wir dabeietwas Schönes finden, umso besser; wennnicht, dann war das Bummeln selbst derGenuss.

5. Wir müssen die Balance zwischen Kontinuität und Diskon-tinuität wahren. Ausgehend von der Erkenntnis, dass jede Entwicklung ihre Zeit braucht, können wir die Balance zwi-schen Kontinuität und Diskontinuität wahren. Wenn wir alleszugleich infrage stellen und verändern wollten, überfor-derten wir nicht nur uns selbst und unsere eigene Verände-rungsfähigkeit, sondern auch unser Umfeld. Hierfür ein Bei-spiel:

Wir müssen wieder ein Gespür dafür entwickeln, dass allesseine Zeit braucht. Viele unserer Tätigkeiten gewinnendadurch eine neue Qualität, dass wir uns Zeit für sie nehmen.Wenn wir unser Leben genießen möchten, müssen wir lernen,unser Tun gezielt zu beschleunigen oder zu entschleunigen.

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BalancezwischenBewährtemund Neuem

Beispiel:Fort-bewegen

Beispiel:Einkaufen

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Wenig Zeit – wenig »Qualität«

Welche Dinge leiden in Ihrem Leben unter einem Mangel an »Qualität«,weil Sie sich hierfür nicht ausreichend Zeit nehmen? Worin zeigt sich fürSie der Mangel?

Dinge, die an einem Der Mangel zeigt sich darin, dass …

»Qualitätsmangel« leiden

Beispiel: Gespräche mit dem … sich die Gespräche auf das RegelnLebenspartner der Alltagsarbeit beschränken.

Beispiel: Abnehmen … das Essen kein Genuss ist, sondernsich auf eine reine Nahrungsaufnahme beschränkt.

Beispiel: Menschen, die gerade eine Trennung von ihrem Part-ner hinter sich haben, geraten manchmal erst dann in eine rich-tige Lebenskrise, wenn sie zusätzlich an ihrem Arbeitsplatz mitneuen Anforderungen konfrontiert werden und/oder sich eineneue Wohnung suchen müssen. Wenn mehrere Stützpfeilergleichzeitig wanken, kann ganz schnell der nötige Halt fehlen.Dann geraten wir entweder in Panik oder sind unfähig, mit akti-vem Handeln die Balance wieder herzustellen.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 180

6. Kleine Schritte bringen uns ans Ziel. Wir sollten eine großeHerausforderung, die uns zunächst nicht zu bewältigen erscheint,in kleine Teilprojekte mit vielen kleinen Teilzielen zerlegen, diefür sich genommen alle zu bewältigen sind. Ganz ähnlich wie wires beim Erlernen einer Sprache tun. Erst lernen wir Lektion 1,dann Lektion 2, dann Lektion 3 und so weiter. Indem wir alleLebensaufgaben als Lebensprojekte behandelnund sie in kleine Teilprojekte bzw. Einzelauf-gaben zergliedern, ohne das Gesamtziel zu ver-gessen, verlieren alle scheinbaren Mammut-aufgaben ihren Schrecken. Wir können sienun Schritt für Schritt abarbeiten und nach jedem Schritt habenwir wieder ein Erfolgserlebnis, weil wir ein Teilziel erreicht haben.

7. Wir müssen den richtigen Rhythmus zwischen Anspannungund Entspannung finden. Bei allem Bemühen, unser Leben aktivzu gestalten, dürfen wir aber nicht vergessen: Pausenlosigkeitund High-Speed machen auf Dauer krank. Nur wenn wir nichtnur lernen, gezielt anzuspannen, sondern auch zu entspannen,können wir die nötige Ruhe und Muße finden, bei der wir unsganz bewusst der Alltagshektik entziehen.

Wir benötigen in unserem Leben Oasen, in denen wirtrödeln und uns regenerieren können. Reservate,in denen wir entweder nicht oder nur für von unsausgewählte Personen ansprechbar sind. Reservate,in denen wir scheinbar völlig ziel- und zweck-los unseren Tagträumen nachhängen.

Wir brauchen Zeitreservate, in denen wir uns nicht füretwas Zeit nehmen, sondern einfach Zeit haben.

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Entspannen

In kleinenSchritten

Ruheoasen

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Von einer Mammutaufgabe zu Teilzielen

Beispiel für eine Mammutaufgabe, und wie sie in Teilziele untergliedertwerden kann.

geplanterZeitbedarf

Teilziel 1 • über Anbieter informieren 2 WochenTeilziel 2 • Werbeunterlagen besorgen 1 WocheTeilziel 3 • sich für einen Anbieter entscheiden 2 WochenTeilziel 4 • sich anmelden 3 TageTeilziel 5 • Lernmedien/-mittel besorgen 2 WochenTeilziel 6 • 1. Lektion durcharbeiten 4 WochenTeilziel 7 • Lerninhalte üben 2 WochenTeilziel 8 • 2. Lektion durcharbeiten 4 WochenTeilziel 9 • … 2 Wochen

Entscheiden Sie sich für eine Aufgabe, die Sie im nächsten Jahr bewältigenmöchten, und untergliedern Sie diese anhand des obigen Schemas in Teil-aufgaben, die Sie in überschaubarer Zeit bewältigen und abhaken kön-nen.

geplanterZeitbedarf

Teilziel 1 • Teilziel 2 • Teilziel 3 • Teilziel 4 • Teilziel 5 • Teilziel 6 • Teilziel 7 • Teilziel 8 • Teilziel 9 •

Aufgabe:

Aufgabe: Weiterbildung absolvieren

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Dieses Selbstbild pflegen wir gern, es entspricht aber nicht der Realität. Nicht nur bei uns, sondern bei allen Menschen. Deshalbwurde zum Beispiel die Fiktion vieler Medienwissenschaftlervom aktiven Fernsehzuschauer nie Realität. In unserer Freizeitwollen wir eben nicht immer anspruchsvollen Diskussionen lau-schen und wichtige Informationssendungen anschauen. Oftwollen wir uns einfach nur berieseln lassen. Wir schauen Seifen-opern, ergötzen uns an Comedy-TV und sehen Filme, bei denendie Rollen gut und böse klar verteilt sind und stets der Gute siegt.Oder wir lesen irgendwelche Zeitschriften, versinken in Krimi-nalromanen oder machen gar nichts.

Dieses Trödeln, Faulenzen, scheinbare Nichtstun ist aberwichtig, denn auch das Entstehen neuer Gedanken brauchtseine Zeit. Sie entstehen nicht, indem wir den Hebel umlegenund von einem Moment zum nächsten von Aktivität auf Nicht-stun schalten. Das sehen Sie beispielsweise in Urlaubssituatio-nen. In den ersten Urlaubstagen sind wir oft noch mit dem Ver-arbeiten des Vergangenen und mit Abschalten beschäftigt. Nacheiniger Zeit, wenn wir einen gewissen Grad an Erholung undinnerer Distanz gewonnen haben, steigen allmählich neueGedanken und Ideen in uns auf. Ähnlich ist es beim Spazieren-gehen. Auch hier stapfen wir oft lange vor uns hin und plötzlich,ohne dass wir eigentlich daran gedacht haben, steigt in unserem Kopf die Lösung für einProblem auf, mit dem wir uns in denzurückliegenden Wochen schon langebeschäftigt haben.

Wir müssen uns von dem Selbstbild verabschieden, dass wirstets aktiv und voller Energie sind.

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Mut zumFaulsein

Einfachrelaxenwollen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 183

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Lebens-rhythmus

finden

Dass wir den richtigen Rhythmus für unser Leben finden müs-sen, beweist schon unser Biorhythmus, die Art und Weise, wiesich die Schlaf- und Wachphasen in unserem Leben abwechseln.Dieser Wechsel vollzieht sich in einem etwa gleich bleibendenRhythmus: Alle sieben Stunden brauchen wir eine Schlaf- oderRuhepause. Nachts beträgt sie ungefähr sieben Stunden, am Tagsollte die Pausenlänge mindestens 20 Minuten betragen. Gefähr-lich wird es, wenn wir zum Beispiel aufgrund von Schlafstörun-gen oder Arbeitsüberlastung regelmäßig nur drei oder vier Stunden schlafen. Dann ist unser Rhythmus gestört. Die Aus-wirkungen auf unsere Gesundheit, unsere Leistungskraft und

Zeitinseln und -reservate

Welche Zeitinseln/Zeitreservate gönnen Sie sich? Im Alltag? Im Laufe eines Jahres?

Im Alltag Im Laufe des Jahres

Beispiel: morgens in Ruhe Beispiel: Kurzurlaub im eine Tasse Kaffee Wintertrinken

Beispiel: abendlicher Spazier- Beispiel: Teilnahme an einem gang Meditationskurs

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 184

unsere Beziehungen zu anderen Menschen sind unübersehbar.Ganz ähnlich ist es in Bezug auf unser Leben im Ganzen. Auchhier geht es nicht darum, dieses mit starren Zeit-plänen oder Lebensvorstellungen zu strukturie-ren. Vielmehr müssen wir den richtigen Rhyth-mus finden, damit wir gleich einem Tänzer mitfedernden Schritten durch unser Leben schreiten.

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 185

Kapitel 15

Das nötige »CLICK« in unserem Kopf

Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, wie unser Lebensum-feld in zehn, zwanzig Jahren aussehen wird. Nur eines ist gewiss:Wir werden uns künftig beruflich und privat häufiger neu- undumorientieren müssen. Außerdem werden wir mit dem Wissen,mit dem wir heute erfolgreich sind, nicht notwendigerweise auch

künftig erfolgreich sein. Unser Lebensumfeld wird so komplex

sein, dass wir darüber hinaus gar nicht mehrüber alles Wissen, das wir für eine rational

fundierte Entscheidung benötigen würde, verfügenkönnen. Das Sammeln aller relevanten Fakten

würde so lange dauern, dass sich die Situation in derZwischenzeit vermutlich völlig verändert hätte. Folg-lich müssten wir, sobald alle Fakten vorliegen, erneutmit der Recherche beginnen. Mit Rationalität und

Faktenwissen allein kommen wir daher nicht weiter.Deshalb, so vermutet die Trendforscherin Faith Popcorn,

werden wir künftig zum Beispiel bei Bewerbungsgesprächenneben den klassischen Intelligenztests auch »Tests der emotiona-len Intelligenz« bearbeiten müssen. Auch in den Schulen werden

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Häufigerumorien-

tieren

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 186

neben den klassischen Lerninhalten »Aspekte wie Kongenialität,Talentreichtum und Einsatz für die Gemeinschaft eine neue,größere Bedeutung erlangen«. (Popcorn 1999, Seite 218)

Mit dieser Vermutung liegt Popcorn wahrscheinlich sehr rich-tig. Mit Logik allein kommen wir nicht weit. Um künftige Situa-tionen zu antizipieren oder komplexe Zusammenhänge zu er-fassen, benötigen wir auch Intuition. Sobald es aber darum geht,Konsequenzen für unser Handeln zu ziehen, istwieder unser analytisches Denken gefragt. Deshalbsollte die Formel nicht lauten: Emotionale stattklassische Intelligenz oder Intuition stattLogik, sondern vielmehr: emotionale undklassische Intelligenz, Intuition und Logik.

Intuition und Logik allein bedeuten aber noch nicht, dass wirauch aktiv werden und erfolgreich sind. Was erfolgreiche Men-schen von weniger erfolgreichen unterscheidet, fasst Faith Pop-corn in einem Wort zusammen: »CLICK«. Die Anfangsbuchsta-ben dieses Anagramms stehen für folgende Merkmale:

• C = Courage• L = Loslassen• I = Intuition• C = Charakterstärke• K = Know-how

»Viel zu viele von uns gehen durchs Leben und fühlen sich, alsseien sie aus dem Takt geraten, als würden sie ständig ihrenErwartungen hinterherlaufen. Irgendetwas klickt einfach nicht:der Job, eine Idee, ein Produkt, ein Ort, die Summe dessen, waswir tun und wohin wir gehen. Wir tasten herum und versuchen,die richtige Kombination zu finden, um ein neues Leben begin-nen zu können. Und dann ganz plötzlich macht es click.« (Pop-corn 1999, Seite 14)

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Intuitionund Logik

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 187

Courage

Dieses Wort steht zu Recht ganz oben. Viele Menschen fehlt ein-fach der Mut, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Statt zu han-deln, schwelgen sie in Selbstmitleid über die Ungerechtigkeit der

Welt. Warum hat mein Nachbar eine ihn liebendeLebenspartnerin und ich nicht? Warum verdientein Bekannter 5000 Euro und ich nicht? Warum

steigt mein Kollege die Karriereleiter höher und ichnicht? Sie übersehen dabei, dass »erfolgreiche«

Menschen sich durch Folgendes von ihnenunterscheiden: Sie werden aktiv und riskieren

die Möglichkeit zu scheitern. Wenn ich zum Beispiel eine neue Stelle möchte, die mir mehr

Erfüllung und/oder mehr Gehalt verspricht, muss ich den erstenSchritt machen. Nur wenige Menschen werden von Headhun-tern angerufen, die ihnen neue Stellen auf dem Silbertablett servieren. Zunächst versuche ich, die große Herausforderung»Bewerbung« in mehrere Teilziele zu gliedern. Das heißt: Ichmuss die Stellenanzeigen auswerten. Ich muss für mich entschei-den, ob ich bereit wäre, in eine andere Stadt zu ziehen. Ich mussmich eventuell weiterbilden, bevor ich mich bewerbe, weil ichnur dann einen besseren Job bekomme. Und so weiter. Damitschaffe ich die Voraussetzungren, um erfolgreich zu sein. Ichkann aber auch trotz aller Mühen nur Absagen bekommen undsomit (vorläufig) mit meinem Bemühen scheitern.

In vielen Bereichen ist Mut der erste Schritt zum Erfolg. Wennich meinem Chef nie sage, dass ich mich für eine andere Aufgabeinteressiere, darf ich mich nicht wundern, wenn er mir diese Auf-gabe nicht offeriert. Wenn ich auf einer Party stets davor zurück-schrecke, auf Personen, die mich interessieren, zuzugehen und sieanzusprechen, komme ich vielleicht nie mit ihnen in Kontakt.

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Teilziele bilden

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 188

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Mutlos?

In welchen Situationen fehlt Ihnen regelmäßig der Mut, aktiv zu werden?Warum?

Situation Mir fehlt der Warum?Mut, …

Beispiel: Streit mit … Fehler zuzugeben. Aus Angst, angreifbardem Partner zu werden.

Beispiel: Mehr Gehalt … meinen Chef an- Aus Angst, dass meinfordern zusprechen. Chef »Nein« sagt.

Loslassen

Die meisten Menschen haben von sich ein bestimmtes Bild, das sieihrer Umgebung vermitteln wollen. Wir möchten, dass andere unsso sehen, wie wir uns selbst sehen. Damit reagieren wir auch auf

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 189

Anforderungen und Erwartungen, die an uns gestellt werden. Aberdieses Selbstbild kann uns daran hindern, aktiv zu werden. Wirtrauen uns beispielsweise nicht, andere um Hilfe zu bitten, weil wirAngst haben, dass wir dann hilflos oder unselbstständig wirken,was unser Selbstbild nicht zulassen würde. Wir wagen es nicht, aufandere Personen zuzugehen und ihnen unsere Gefühle und Bedürf-nisse zu zeigen, weil wir denken, dass sie uns für schwach halten.Stattdessen halten wir eine Fassade aufrecht, die wir mühevoll auf-gebaut haben. Erfolg können wir aber nur haben, wenn wir denMut zum Loslassen aufbringen. Solange uns das Festhalten anunserem Selbstbild daran hindert, aktiv zu werden, können wirunserem Lebensglück nicht näher kommen. Hierfür ein Beispiel:

Einer meiner Bekannten ist Chefarzt in einer Klinik. Beruflichist er sehr erfolgreich. Trotzdem ist er seit Jahren sehr unzufriedenund von Zeit zu Zeit sogar depressiv. Er erzählte mir Folgendes:

»Ich habe mein ganzes Leben lang nur funktioniert und rea-giert. In der Schule war ich stets der Klassenbeste, weil meineEltern es von mir erwartet haben. Dabei hätte ich lieber zu denwilden Schülern gezählt, die häufig die Lehrer geärgert haben.Medizin studierte ich nur, weil mein Vater auch Arzt war underwartete, dass ich als Einserschüler dasselbe werde. Und heutebleibe ich Arzt, weil meine Frau stolz darauf ist, mit einem Chef-

arzt verheiratet zu sein. Doch eigentlich wäreich viel lieber Musiker geworden.«

Seit zehn Jahren kenne ich nun den Chef-arzt. Und obwohl er sein Problem benennen

kann, gelingt es ihm nicht, sich von den Anfor-derungen, die von außen an ihn gestellt werden,

zu lösen. Das Festhalten an seinem Selbstbild lässt es nicht zu, den Erwartungen anderer nicht zu

genügen. Zufriedenheit und ein Leben inBalance wird ihm so nicht gelingen.

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Festhaltenam

Selbstbild

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 190

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Selbstbilder als Hindernis

Welche Selbstbilder tragen Sie vor sich her, die Sie behindern?

Selbstbild Mein Selbstbild hindert mich

daran, …

Beispiel: Ich brauche nie- … Schwächen zu zeigen und um Hilfemals Hilfe. zu bitten.

Beispiel: Ich muss immer … berechtigte Wut zu zeigen und nett sein. meine Interessen zu vertreten.

Dieses Ziel erreichen wir nur, wenn wir uns von den negativenDenksätzen lösen, die wir verinnerlicht haben. Sätze wie:

• Das kann ich nicht.• Das macht man nicht.• Das habe ich in der Vergangenheit so

getan. Folglich wird dies auch künftig richtigsein.

• Dafür bin ich zu alt/zu dick.

Sätze wie diese verinnerlichen wir teilweise als Resultat unsererErziehung, teilweise als Ergebnis unserer Erfahrungen. Solange

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 191

wir uns von ihnen leiten lassen, finden wir stets eine Entschuldi-gung, warum wir nicht den Mut haben, unser Leben in die Handzu nehmen. Erst wenn wir von solchen negativen Denksätzenloslassen, können wir neue Denk- bzw. Leitsätze entwickeln, dieunseren Handlungsspielraum vergrößern.

Intuition

Bei dem Versuch, pro-aktiv zu handeln, dürfen wir aber nicht inblinden Aktionismus verfallen. Sonst ist die Gefahr groß, dasswir uns wie Goldhamster in ihren Laufrädern endlos im Kreisedrehen. Spüren wir nämlich, dass wir einem Ziel nicht näherkommen, ist die Versuchung groß, dass wir unser Tempo konti-nuierlich erhöhen und in immer kürzerer Zeit immer mehr zuerledigen versuchen. Dabei verfehlen wir gerade das, was wir alsLebensziel vor Augen hatten: Statt eines er-füllten Lebensführen wir ein ge-fülltes Leben. Deshalb ist die Intuition sowichtig.

Doch was besagt der Begriff Intuition eigentlich? Wannerfassen wir eine Situation intuitiv? Genau dann, wenn wir beieiner Vielzahl von Einzelereignissen und Erkenntnissen unmit-telbar – das heißt ohne Reflexionsprozess – erfassen, was wesent-lich und wirklich wichtig ist. Dann können wir daraus ableiten,was die richtigen Dinge sind, die es zu tun gilt.

Vermutlich kommen ihnen diese Sätze vertraut vor. Es sinddie Kernsätze des klassischen Selbstmanagements:

• Wir müssen das Wichtige vom Unwichtigen unterscheidenlernen.

• Es ist besser, die richtigen Dinge zu tun, als die Dinge richtigzu tun.

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Denkmusterloslassen

Das Wichtige

tun

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 192

Dies ist kein Zufall. Schließlich sind das klassische Zeit- undSelbstmanagement die zentralen Instrumente, um Life-Leader-ship zu realisieren.

Eine Situation intuitiv erfassen bedeutet aber mehr. Intuitionsetzt eine Gesamtsicht voraus. Das heißt, wir müssen eine Visionvon unserem Leben haben; eine Vision, die alle vier Lebensberei-che umfasst. Nur wenn wir ein möglichst kon-kretes Bild von unserem künftigen Leben vorAugen haben, können wir intuitiv Zusam-menhänge erfassen und daraus wiederumableiten, welches Handeln notwendig ist,damit wir unser Ziel erreichen.

Begründen können wir unser Gespür dafür, was wirklichwichtig ist oder was die richtigen Dinge sind, Dritten gegenüberoft nicht. Doch wir wissen unmittelbar: Dies ist für mich wich-tig! Dies ist für mich richtig! Entwickeln könne wir diese Sicher-heit aber nur, wenn wir regelmäßig in uns hineinhorchen und unsfragen: Was ist mir wichtig? Dann lernen wir allmählich immerbesser, das Wichtigste vom Unwichtigen zu unterscheiden.

Charakterstärke

Wenn wir spüren »Das ist für mich wichtig« ist ein wichtigerSchritt getan, damit wir unser Ziel Lebenserfolg erreichen. Diesgenügt aber nicht. Um ein Ziel zu erreichen, brauchen wir Cha-rakterstärke. In diesem Wort fasse ich mehrere Eigenschaftenzusammen. Unter anderem die Fähigkeit, gegen Widerständeund Widerspruch von außen an unserer Linie festzuhalten undauf unsere innere Stimme zu hören. Das ist nicht immer leicht,vor allem wenn wir Widerspruch von Menschen bekommen, die

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Lebens-vision aus-bauen

Auf dieinnereStimmehören

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 193

uns wichtig sind. Kaum äußert jemand Widerspruch, nehmenwir Verhaltensweisen oder Positionen zurück, obwohl wir

eigentlich wissen, was wir wollen. Ähnlich istes, wenn sich der Erfolg nicht sofort einstellt.Ein Scheitern kann bewirken, dass wir wieder

in alte Denkmuster verfallen: »Das kann ichnicht«, »Das habe ich mir gleich gedacht, dass dies

nicht funktioniert«, »Das kann ich auch morgen nochtun.« Deshalb brauchen wir, um Leader-of-our-Life zu wer-den, auch eine gewisse Konsequenz und Härte gegen uns selbst.

Das bedeutet zweierlei: Zum einen müssen wir lernen, trotzeines Scheiterns einen erneuten Versuch zu wagen. Dies ist ins-

besondere bei neuen Verhaltensmustern wichtig,weil wir uns die alten oft über Jahrzehnte ange-

wöhnt und antrainiert haben. Entsprechendschwer können wir sie überwinden. Zum ande-

ren müssen wir lernen, unseren inneren Schweine-hund zu überwinden.

Zum Überwinden des inneren Schweinhundes gehört auch, dasswir manchmal Bedürfnisse für eine bestimmte Zeit aufschiebenmüssen, weil uns andere Dinge wichtiger sind. Dies können wirnur, wenn wir Klarheit darüber gewonnen haben, was uns wirk-lich wichtig ist. Damit einher geht, dass wir akzeptieren, dass mitjeder Entscheidung für eine Sache die Entscheidung gegen vieleandere Dinge verbunden ist.

Beispiel 1: Wenn ich mich für eine Karriere als Berater entschie-den habe und ich zwei Drittel des Jahres Projekte bei Unterneh-men habe, die bundesweit verstreut sind, kann ich nicht gleich-zeitig meine Kinder bei ihren Hausaufgaben betreuen.

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InnererSchweine-

hund

Entschei-dungen fürbzw. gegen

etwas treffen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 194

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Der innere Schweinehund

Wo fehlt Ihnen zum Teil die nötige Härte und Konsequenz gegen sichselbst, um Ihre Lebensziele zu erreichen? Wo müssen Sie Ihren innerenSchweinhund überwinden?

Lebensziel Welchen inneren Schweinehund

muss ich überwinden?

Beispiel: Regelmäßig joggen Trägheit, Laschheit am Abend

Beispiel: Beruflicher Erfolg Weglaufen vor schwierigen Aufgaben

Beispiel 2: Wenn ich mich dafür entschieden habe, Vater oderMutter mehrerer Kinder zu werden und das Familieneinkom-men brutto nur 3 000 Euro beträgt, kann ich mit meiner Familienicht jährlich mehrere Wochen in die Karibik zum Tauchen flie-gen, eine Woche zum Skifahren nach Davos fahren und imFrühjahr zudem noch eine Woche Wellness-Urlaub auf Mal-lorca machen.

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 195

Solange wir nicht lernen, Ja und Nein zu sagen und zu unse-rem Ja und Nein zu stehen, werden wir nie unser LebenszielLebensglück erreichen. Vielmehr werden wir stets auf derEbene des mittelmäßigen, weil unentschlossenen Jeins ver-weilen.

Know-how

Sich das für den Beruf oder andere Bereiche notwendige Fach-wissen anzueignen, ist natürlich eine wesentliche Voraussetzungfür bestimmte Erfolge. Unser Wissen ist aber nur ein Hilfsmittel,um einerseits die richtigen Entscheidungen zu treffen und um

andererseits unsere Entscheidungen auchumzusetzen. All unser Know-how nützt

uns aber nur, wenn wir die Kraft und den Mutaufbringen, aktiv zu werden und unsere Ent-scheidungen gegen innere und äußere Wider-stände durchzusetzen.

Beispiel: Um uns für die für uns richtige Ausbildung zu entschei-den, müssen wir zunächst unsere Neigungen, Fähigkeiten undStärken kennen. Außerdem müssen wir uns darüber im Klarensein, was uns in Bezug auf das Berufsleben wichtig ist. Einesichere Stelle? Große Entfaltungsmöglichkeiten? Gute Auf-stiegschancen? Ein hoher Verdienst? Erst dann können wir dasWissen, das wir über die einzelnen Berufe haben, gezielt nutzen,um die richtige Entscheidung zu treffen.

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Mut aufbringen

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 196

Kapitel 16

Ruhe und Gelassenheit entwickeln

Alles noch so spezifische Wissen nützt wenig, wenn wir nichtdanach streben, das nötige

• Selbstbewusstsein, • Selbstvertrauen und • Selbstwertgefühl

zu entwickeln, damit wir in der Lage sind,uns den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Es zeigt sich nämlich immer wie-der, dass Menschen, die über ein geringesSelbstbewusstsein und Selbstvertrauen ver-fügen, auch nur schwer ihre Lebensziele er-reichen.

• Sie stellen Ihre Lebensziele und Ihr Handeln, sobald sie denersten Widerstand spüren (oder zu spüren glauben), sofortinfrage,

• Sie gelangen wegen ihrer Selbstzweifel oft erst, wenn Krisensie dazu zwingen, in Aktion und

• Sie können Erfolge, weil sie diese sofort infrage stellen, nurschwer genießen.

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Eigene Hindernisse

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 197

Das zentrale Ziel sowohl unserer Kindererziehung als auchunserer Selbsterziehung sollte daher darin liegen, eine positiveund starke Grundhaltung zu uns selbst und den Herausforde-rungen des Lebens zu entwickeln. Eine solche Grundhaltungkann sich aus folgenden Denksätzen zusammensetzen:

• Ich bin ich (Selbstwertgefühl).• Ich kann es, wenn ich es wirklich will (Selbstvertrauen).• Es ist besser, einen Versuch zu wagen, das Leben aktiv zu

gestalten, als aus Angst vor einem Scheitern auf eine aktiveLebensgestaltung zu verzichten. Wenn ich einen Versuchwage, weiß ich, wenn ich scheitere, zumindest: Ich habe dieKraft, einen Versuch zu wagen. Folglich kann ich auch einenzweiten Versuch wagen, zumal ich aus meinem ersten Ver-such etwas gelernt habe (Selbstbewusstsein).

Wenn wir eine solche Grundhaltung entwickeln, sind wir fürunser künftiges Leben gewappnet. Selbst wenn wir bei bestimm-ten Aufgaben Angst vor einem Scheitern haben, gehen wir den-noch das Risiko ein. Deshalb können wir auch komplexe Aufga-ben in Angriff nehmen, bei denen im Voraus nicht absehbar ist,

ob wir sie schaffen. Denn wir erleben ein Scheitern nichtmehr in erster Linie als Niederlage und daher stellt es auchnicht unser Selbstwertgefühl infrage. Vielmehr stärkt dieTatsache, dass wir einen Versuch gewagt haben, unser

Selbstvertrauen.Im vergangenen Jahr lernte ich während mei-

nes Urlaubs einen Vater kennen, der seinenKindern eine solche Lebenshaltung vermittelte.

Beim Herumtollen seiner vier- und sechsjährigen Kinder geschahes immer wieder, dass eines der Kinder hinfiel oder sich irgendwoanstieß. Begann es daraufhin zu weinen, ging der Vater zu demKind und tröstete es. Nach einiger Zeit erhob er aber stets spiele-

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PositiveGrund-haltung

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 198

risch seine linke Hand und sagte schmunzelnd: »Aber …«, wo-raufhin das betreffende Kind meist ergänzte: »…macht nichts.«Meistens fingen dann beide an zu lachen, und das Kind begannwieder herumzutollen. Deutlich spürte man, dass sich diese Art,auf »Niederlagen« zu reagieren, zwischen dem Vater und seinenKindern zu einem richtigen Ritual entwickelt hatte. Der Vaterversuchte, seinen Kindern eine positive Grundhaltung zumLeben zu vermitteln. Er versuchte ihnen zu zeigen, dass dasScheitern ein normaler Bestandteil unseres Lebens ist.

Entwickeln wir eine solche Gelassenheitgegenüber unserem möglichen Schei-tern, dann verliert das Scheitern seinenSchrecken. Eine solche Haltung darf nicht mit Gleich-gültigkeit verwechselt werden. Sie resultiert vielmehr ausder Gewissheit:

• Ich habe mein Bestes versucht.• Nun bin ich zwar gescheitert, aber wenn ich es nicht versucht

hätte, wäre ich meinem Ziel auch keinen Schritt nähergekommen.

• Ich kann einen zweiten Versuch wagen.

Das heißt: Das Scheitern stellt nicht mehr unser Selbstwertgefühlinfrage. Vielmehr stärkt die Tatsache, dass wir es versucht haben,unser Selbstvertrauen. Zugleich wächst in uns die Gewissheit:Wenn ich es erneut versuche, kann ich zwar erneut scheitern, ichkann aber dieses Mal auch ans Ziel kommen, weil ich aus demersten Mal etwas gelernt habe.

Entscheidend ist nicht, ob wir scheitern, sondern ob wirdanach wieder aufstehen und weitermachen.

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Aber machtnichts!

Gelassen-heit ent-wickeln

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 199

Wenn wir eine solche Grundhaltung entwickeln, bei der wirein Scheitern nicht zwangsläufig als Niederlage erleben, sondernaus der Tatsache, dass wir es versucht haben, Selbstvertrauen tan-ken, können wir auch ein Scheitern leichter bewältigen. Dannkönnen wir auch unserer Zukunft bzw. den Anforderungen, diesie an uns stellt, gelassener entgegensehen. Mit einer solchenGelassenheit können wir Life-Leader werden.

Diese gelassene Grundhaltung möchte ich mit den Worten»Schau’n wir mal« umschreiben. Wer kennt sie nicht aus demMund von »Kaiser« Franz. Beckenbauer hat, basierend auf denErfolgen seiner Vergangenheit, die innere Gewissheit entwickelt:Ich kann die unterschiedlichsten Herausforderungen meistern.Oft zwar nicht im ersten Anlauf, aber irgendwie habe ich esimmer geschafft. Egal ob als Fußballspieler im Verein oder in derNationalelf, ob als Trainer der Nationalmannschaft oder als Chefdes Bewerbungskomitees für die Fußball-WM im Jahr 2006 inDeutschland. Warum sollte ich also künftige Herausforderun-gen nicht meistern, selbst wenn ich heute noch nicht weiß,

• was nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen, und

• welcher Weg mich zum Ziel führt?

Welch tolles Lebensgefühl! Welch innereStärke und Zuversicht dokumentiert sich in einer solchenLebenshaltung. Was gibt es Schöneres als mit einer sol-

chen Gelassenheit der Zukunft entgegenzusehen? Wovor solltenwir bei einer solchen Lebenshaltung noch Angst haben?

Eine solche Gelassenheit können auch Sie entwickeln, dennganz gleich, wie Ihr Leben sich heute gestaltet, machen Sie sichbewusst: Sie haben sich in Ihrem Leben schon auf viele Risikeneingelassen und Lebenssituationen aktiv gemeistert. Warumsollte Ihnen dies künftig nicht gelingen?

200

Life-Leaderwerden

PositivesLebens-

gefühl

Gelassen-heit als

Grundhal-tung

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 200

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Auch wenn Sie bisher noch nicht Weltmeister wurden, gilt: Siehaben bereits ein erhebliches Stück Lebensweg zurückgelegtund dabei neben manchen Niederlagen auch schon viele Siegeerrungen. Doch leider neigen wir Menschen nicht nur dazu,

Herausforderung ohne Erfolgsgarantie

Welche Herausforderungen haben Sie in der Vergangenheit schon ange-nommen, in denen Ihnen der Erfolg zuvor nicht sicher war?

Herausforderung Worin bestanddie Herausforderung?

Beispiel: Umzug in eine Neue Freunde zu finden, sich einzu-andere Stadt leben.

Beispiel: Chef kritisieren Den Mut aufzubringen, den Chef anzu-sprechen, und mögliche Nachteile zuakzeptieren.

No risc – no fun

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 201

eher die Gefahren als die Chancen zu sehen, die dieZukunft für uns bereithält, sondern wir neigen auch

dazu, mehr auf unsere Niederlagen als auf unsereErfolge zu sehen. Dabei entpuppen sich mache

Niederlagen bei näherem Hinschauen oft zwarnicht als glorreiche, aber doch als kleine Siege.Hierfür ein Beispiel:

Vor fünf, sechs Jahren sprach ich mit einemFreund, der gerade eine sehr schwierige Scheidung

hinter sich hatte, darüber, ob er seine Entscheidung,seine Exfrau geheiratet zu haben, bereue. Er schaute micherstaunt an und sagte: »Nein! Wieso? Als wir heirateten, wollteich es, weil ich sie liebte. Danach hatten wir zwei, drei schöneJahre, bevor der ganze Ehekrieg begann. Und heute haben wirnoch eine tolle gemeinsame Tochter, die ich ohne meine Exfraunicht hätte.«

Mir imponierte diese Ruhe und Gelassenheit. Warum? Wirneigen oft dazu, wenn wir in einer Sackgasse angelangt sind,nicht mehr zu sehen, was uns auf dem Weg dorthin auch Positi-ves widerfahren ist.

Ähnlich reagierte mein Freund, als ich ihn, kurz bevor ererneut heiratete, fragte, ob er aufgrund seiner gescheitertenersten Ehe keine Angst habe, dass seine zweite Ehe auch schei-tern könnte. Erneut war seine Antwort: »Nein! Wieso? Dies istdoch eine andere Frau. Warum sollte dann auch der zweite Ver-such scheitern? Außerdem habe ich durch die gescheiterte ersteEhe viel gelernt.«

Seine Zuversicht und Gelassenheit imponierten mir, weil wiroft dazu neigen, unser Scheitern in der Vergangenheit auf allekünftigen Situationen zu übertragen. Wir übersehen dabei, dassallein die Tatsache, es versucht zu haben, uns von vielen anderenMenschen unterscheidet, die es nie versucht haben. Wir überse-

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Just do it!

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 202

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hen zudem, dass wir aus unserem Versuch Konse-quenzen für die Zukunft ziehen können. Folg-lich können wir beim zweiten Versuch voneiner anderen Basis aus starten. Kein Lebenbesteht nur aus Siegen. Entscheidend istdaher nicht, ob wir scheitern, sondern wiewir mit unserem Scheitern umgehen.

Dass wir eine solche Gelassenheit entwickeln,wird künftig für unseren Lebenserfolg immer wichtiger

Positives Scheitern

Bei welchen Versuchen, Ihr Leben aktiv zu gestalten, sind Sie schongescheitert? Was haben Sie Positives aus Ihrem Versuch mitgenommen?

Gescheiterter Versuch Das habe ich Positivesmitgenommen

Beispiel: Versöhnung mit Ich habe kein schlechtes Gewissen undden Eltern weiß, dass es nicht am mir liegt.

Beispiel: Stelle verloren Ich habe Berufserfahrung gesammeltund fünf Jahre ohne finanzielle Sorgengelebt.

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werden. Wenn unser Lebensumfeld komplexerwird, ist es schwieriger zu entscheiden, ob wir durch bestimmte Handlungen unser Ziel

erreichen können. Ein Scheitern ist immer mög-lich. Ein solches Scheitern kostet uns zwarKraft, es darf aber nicht unser Selbstwert-

gefühl tangieren. Sonst geraten wir schnell ineinen Teufelskreislauf, der Erfolge gerade-zu verhindert.

Wer als Kind zum Beispiel von seinen Eltern immer wie-der »Du kannst nichts« vermittelt bekommt, wird auch kaumetwas zustande bringen. Aber nicht, weil er grundsätzlich nicht dazu in der Lage wäre, sondern weil ihm das nötigeSelbstvertrauen fehlt. Wenn man von vornherein davon aus-geht, dass man etwas nicht kann, wird es einem auch kaumgelingen.

Vor solchen Kreisläufen, die die Psychologen »sich selbst-erfüllende Prophezeiungen« nennen, müssen wir uns hüten, dasie unser Selbstwertgefühl spiralförmig nach unten ziehen.Denn mit diesen negativen Prophezeiungen konditionieren wir uns so, dass wir scheitern müssen. Natürlich sollten wirirgendwann die Prämissen unseres Handelns hinterfragen, wennunsere Versuche regelmäßig scheitern. Dies darf aber nicht zueiner dauerhaften Beeinträchtigung unseres Selbstwertgefühls

führen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns ein Netzwerkvon Personen aufbauen, die wir um Hilfe bitten kön-

nen, wenn diese Gefahr droht. Hierbei kann es sich so-wohl um Freunde, Verwandte und Bekannte handelnals auch um Experten, die wir bei Bedarf zu Rateziehen.

Zu einem gesunden Selbstvertrauen gehört auch zu wissen, wann wir in unserem Alltag auf die Unter-

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Lebens-erfahrung

durchGelassen-

heit

Netzwerkaufbauen

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stützung von anderen angewiesen sind, und zu akzeptieren, dass wir Grenzen haben und für uns nicht alles möglich ist.

Dabei bewegen wir uns auf einem schmalen Grat. Auf dereinen Seite sollte uns bewusst sein, dasswir immer wieder Unterstützung brau-chen. Auf der anderen Seite sollten wirwissen, dass wir es sind, die den Versuch wagen müssen. Diesenschmalen Grat zu wahren, fällt vielen Menschen in ihrer sichschnell verändernden Umwelt schwer. Deshalb vergleichen

Schau’n wir mal!

In welchen Situationen sollten Sie mehr Gelassenheit zeigen und eher dieLebenshaltung »Schau’n wir mal« an den Tag legen?

Situation Warum kann ich mehr Gelassenheit

zeigen?

Beispiel: Gelegentlicher Ich habe solche Situationen schonfinanzieller Engpass öfter gemeistert.

Beispiel: Schlechte Noten Ich hatte auch öfter schlechte Notenmeiner Kinder und habe trotzdem etwas erreicht.

GesundesSelbst-vertrauen

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manche Autoren die Menschen im Informationszeitalter, die einstets höheres Maß an Flexibilität und Mobilität zeigen müssen,mit Nomaden. Dieses Bild ist aber nicht zutreffend.

Nomaden leben stets in Gruppen und ziehen umher. Sie sindin ein soziales Beziehungsgeflecht eingebunden und wissen, wiestark sie auf die anderen Gruppenmitglieder angewiesen sind,gerade weil sie meist in einem von Kargheit geprägten Umfeldleben. Die Gruppe mit ihrem Werte- und Normensystem ver-leiht ihnen ihre innere Stabilität.

Anders ist dies bei Menschen, denen das Bewusstsein fehlt,dass sie auf die Unterstützung von anderen angewiesen sind, unddie sich niemandem verbunden fühlen. Sie sind keine Nomaden,sondern Vagabunden. Vagabunden, die keine Wurzeln und folg-lich auch keinen Halt haben. Entsprechend leicht können siedurch ein Scheitern aus dem Gleichgewicht geraten.

Problematisch ist es aber auch, wenn wir uns im anderenExtrem verlieren und vergessen, dass letztendlich immer wirdafür verantwortlich sind, einen Versuch zu wagen. Wir führen»sämtliche Missstände der Gesellschaft auf deren Anonymi-tät, Entfremdung, Kälte« zurück. Mit entsprechenden Er-wartungen konfrontieren wir unsere Umwelt bzw. unsereLebenspartner. Wir belasten unsere Beziehungen mit unseremWunsch nach Sicherheit, Ruhe und Dauerhaftigkeit, weil wir inuns selbst keinen Halt finden. Und wenn unsere Beziehungendieser Belastung nicht standhalten? Dann sehen wir die Ursa-

che nicht darin, dass wir unsere Partner mitunseren (unausgesprochenen) Erwartungen

überfordert haben, sondern wir führen dasScheitern auf Defizite unserer Beziehungs-partner zurück. Entsprechend kritisch prü-fen wir unsere Mitmenschen, bevor wir eineBeziehung mit ihnen eingehen. Wir erwar-

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Nomadenoder Vaga-

bunden?

Selbstver-antwortung

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ten, dass sie uns tragen, weil wir selbst nicht zum Handeln fähigsind.

Richard Sennett bezeichnet ein solches Verhalten als »intimeTyrannei«. (Sennett 2000b, Seite 424). Wir reagieren enttäuscht,wenn sich die anderen von uns zurückziehen, weil wir ihnen dieLuft zum Atmen nehmen. Hier die Balance zu finden zwischenNähe und Verbundenheit einerseits, um dem Schicksal moder-ner Vagabunden zu entgehen, und Eigenverantwortlichkeitandererseits, um nicht in eine intime Tyrannei zu verfallen, istnicht einfach. Aber uns bleibt nur, es zu versuchen. Deshalb ist eswichtig, dass wir regelmäßig eine Auszeit nehmen, um unserneut zu fragen: Was ist mir in meiner Beziehung zu anderenMenschen wirklich wichtig? Und: Von welchen Motiven lasse ichmein Handeln leiten?

Regelmäßig zurückziehen können wir uns, wenn wir uns vonder falschen Vorstellung befreien, wir müssten stets erreichbarsein. Wenn wir immer wieder überprüfen, was uns wirklichwichtig ist und welchen Anforderungen wir genügenmöchten und welchen nicht, werden wir zueinem Leben in Balance gelangen.

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BalancezwischenNähe undDistanz

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Teil 3

Workshop Life-Leadership®

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Kapitel 17

In 22 Schritten zur Lebens-Balance

1. Ziehen Sie sich aus der Alltagshektik zurückund entwickeln Sie eine Vision von Ihrem Leben.

Übung Geburtstagsrede

Stellen Sie sich vor, Sie feiern in 30 oder 45 Jahren Ihren 75igsten Geburts-tag. Malen Sie sich die Umgebung aus. Überlegen Sie, welche Gratulan-ten gekommen sind. Keine? Nur Ihr ehemaliger Chef? Oder sollen auchFreunde und Verwandte Sie umgeben? Stellen Sie sich nun vor, wie Sie indiesem Kreis sitzen: als jammernder Greis oder als rüstiger Rentner, dersein Leben in vollen Zügen genießt? Wer hält eine Festrede auf Sie? Nurein Vertreter Ihres früheren Arbeitgebers? Oder ergreifen auch Ihre Kin-der, Ihr Lebenspartner und Freunde das Wort? Welche Erfolge undWesenszüge von Ihnen beschreiben die Redner? Was sollten sie tunlichstverschweigen? Notieren Sie dies in der unten stehenden Liste! Dann wirdIhnen schnell klar, was Ihnen in Ihrem Leben wirklich wichtig ist. Dieses»Spiel« können Sie auch mit Freunden oder Verwandten machen – schnellsind sie dann in ein persönliches Gespräch vertieft. Ihre intimsten Wün-sche müssen Sie ihnen ja nicht unbedingt verraten.

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Anwesende Person Was lobt sie an Ihnen?

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Übung glücklicher Tag

Stellen Sie sich einen Tag in Ihrer Vergangenheit vor, an dem Sie besondersglücklich/zufrieden waren. Lassen Sie diesen Tag in allen EinzelheitenRevue passieren. Überlegen Sie sich, warum Sie an diesem Tag so glück-lich/zufrieden waren. Notieren Sie für jeden Lebensbereich, inwieweit sichdieser Tag von »normalen« Tagen unterschieden hat.

Unterschied zu einem »normalen« Tag

Sinn/Kultur

Familie/Kontakt

Arbeit/Leistung

Körper/Gesundheit

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2. Definieren Sie ausgehend von Ihrer Vision, was Ihnen wirklich wichtig ist (Lebensziele).

Notieren Sie zu jedem Lebensbereich, was Ihnen wichtig ist.

Sinn/Kultur

Familie/Kontakt

Arbeit/Leistung

Körper/Gesundheit

FreundeZuwendung, Anerkennung

Selbstverwirklichung Erfüllung, Liebe, Philosophie

Religion, Zukunftsfragen

ErnährungErholung

Entspannung

Wichtig für mich:

Wichtig für mich: Wichtig für mich:

Wichtig für mich:

FitnessLebens-

erwartung

Schöner BerufGeld, Erfolg

KarriereWohlstandVermögen

Lebens-Balance

© Seiwert-Institut, Heidelberg

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:56 Uhr Seite 214

Worin zeigt sich, dass Ihre Lebensziele realisiert sind bzw.dass Sie das, was Ihnen wirklich wichtig ist, erreicht haben?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Dass mein Lebensziel realisiert ist,erkenne ich daran, dass …

Lebensziel

215

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3. Formulieren Sie ausgehend von den Ergebnissen Ihr Lebensdrehbuch für alle vier Lebensbereiche.

So schreiben Sie Ihr Lebensdrehbuch

Schreiben Sie Ihr Lebensdrehbuch als bereits realisierten Wunsch-zustand auf. Vermeiden Sie Konjunktive, denn Wörter wie »hätte« oder»könnte« nehmen Ihrem Unterbewusstsein den Glauben an dieUmsetzungsfähigkeit Ihrer Ziele. Haben Sie keine Idee, wie Sie anfan-gen sollen? Fangen Sie einfach an mit: »Ich bin ein/eine …« und legenSie ohne Punkt und Komma los.

Hierfür zwei Beispiele:

Lebensbereich Familie/Kontakt»Ich habe mit meiner Frau eine glückliche Beziehung, die auf Liebe, Ver-trauen und gegenseitigem Respekt beruht. Unsere Kinder empfindenIhre Eltern als Beschützer und Helfer, aber auch als Freunde und Spiel-gefährten. In unserem Freundeskreis sind wir regelmäßig in einer kleinenGruppe von Menschen eingebunden, die wie wir ein Interesse an echtenBeziehungen und nicht nur oberflächlichen Bekanntschaften haben.«

Lebensbereich Familie/Kontakt»Gemeinsam mit meiner Frau betreibe ich eine gut gehende Unterneh-mensberatung, in der wir eine klare Rollenverteilung haben: Währendich die kaufmännische Beratung leiste, arbeitet meine Frau in den Berei-chen Mitarbeiterführung und Motivation. Unsere Kunden kommengern zu uns, da sie das Gefühl von Vertrauen und Kompetenz bei unshaben. Durch dieses Zusammenspiel von beruflichen und privatenGemeinsamkeiten führe ich ein harmonisches und unabhängigesLeben, das mich erfüllt.«

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4. Was steht dem Erreichen Ihrer Lebensziele imWege?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Dem Erreichen meines Lebens-ziels steht im Wege, dass …

Lebensziel

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Welche zusätzlichen Veränderungen könnten sich inden nächsten fünf Jahren ergeben, die Sie am Erreichen

Ihrer Lebensziele hindern? Welche Indizien sprechen dafür?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

IndizienKünftige Veränderungen

Lebensziel

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5. Was sollten Sie tun, damit Sie Ihre Lebenszieleerreichen?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Was sollte ich tun?Lebensziel

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6. Welche wichtigen (Bezugs-)Personen gebenIhnen (emotionalen) Halt und unterstützen Sie so beim ErreichenIhrer Ziele?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Meine UnterstützerLebensziel

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7. Warum ist Ihnen die Beziehung zu diesen Personen wichtig?

Notieren Sie Ihre wichtigsten Bezugspersonen und warum diese für Sieso wichtig sind.

Notieren Sie, welche Beziehungen Sie weiter vertiefen möchten? Wie?

Wie?Person

Sie ist mir wichtig, weil …Person

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8. Welche Ihrer (Lebens-)Ziele lassen sich am schwersten mit denen Ihrer wichtigsten Bezugspersonenvereinbaren?

Notieren Sie, was Ihren Bezugspersonen wichtig ist.

Übung: Überlegen Sie sich, warum Sie in der Vergangenheit mit Ihrenwichtigen Bezugspersonen in Streit gerieten, und leiten Sie daraus ab,was diesen wichtig ist. Ergänzen Sie obige Liste.

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Meine Bezugsperson will …Bezugsperson

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Notieren Sie Ihre Lebensziele, die Lebensziele Ihrer Be-zugspersonen und warum diese miteinander kollidieren.

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Beide Lebensziele kollidieren, weil …

Lebensziel meinerBezugsperson

Mein Lebensziel

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9. Zu welchen Kompromissen/Zugeständnis-sen sind Sie bereit, damit Ihre Beziehung zu Ihren wichtigsten Bezugspersonen für beide Seiten befriedigend wird/bleibt?

Notieren Sie die Zielkonflikte aus obiger Liste und überlegen Sie sich einKompromissangebot an Ihre jeweilige Bezugsperson.

Übung: Überlegen Sie sich, in welchen Bereichen Sie zu keinem Kom-promiss bereit sind.

5

4

3

2

1

Mein KompromissangebotZielkonflikt

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10. Ist Ihre Lebenszielplanung mit der PlanungIhrer wichtigsten Bezugspersonen vereinbar?

! ja ! nein, weil …

! ja ! nein, weil …

! ja ! nein, weil …

! ja ! nein, weil …

! ja ! nein, weil …

Lebenszielplanung harmoniert?Bezugsperson

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11. Formulieren Sie Ihre Lebensziele – sofernnötig – neu.

Sinn/Kultur

Familie/Kontakt

Arbeit/Leistung

Körper/Gesundheit

FreundeZuwendung, Anerkennung

Selbstverwirklichung Erfüllung, Liebe, Philosophie

Religion, Zukunftsfragen

ErnährungErholung

Entspannung

Wichtig für mich:

Wichtig für mich: Wichtig für mich:

Wichtig für mich:

FitnessLebens-

erwartung

Schöner BerufGeld, Erfolg

KarriereWohlstandVermögen

Lebens-Balance

© Seiwert-Institut, Heidelberg

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:57 Uhr Seite 226

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Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Dass mein Lebensziel realisiert ist,erkenne ich daran, dass …

Lebensziel

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12. Formulieren Sie aufgrund dieser Analyse –sofern nötig – Ihr Lebensdrehbuch neu.

13. Mit welchen Ihnen wichtigen Personen wollen Sie über IhreZiele sprechen und eine wechselseitige Vereinbarung treffen?

Bis wann?Ziel der Vereinbarung

MeinLebensziel

Meine Bezugsperson

So schreiben Sie Ihr (neues) Lebensdrehbuch

Lesen Sie nochmals Ihr Lebensdrehbuch, das Sie in Aufgabe 3 (Seite 216)formuliert haben, und beginnen Sie erneut mit: »Ich bin ein/eine …«.

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14. Welche (Teil-)Ziele möchten Sie in den kom-menden fünf Jahren/im nächsten Jahr erreichen?

Leiten Sie aus Ihren Lebenszielen in den vier Lebensbereichen Teilzieleab, die Sie in den nächsten fünf Jahren erreichen möchten.

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Teilziele in fünf JahrenLebensziel

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Leiten Sie aus den Zielen, die Sie in den nächsten fünfJahren erreichen wollen, Teilziele für das nächste Jahr ab.

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Teilziele im nächsten JahrZiele in fünf Jahren

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15. Worauf sind Sie bereit zu verzichten, damitSie Ihre Lebensziele erreichen?

16. Welche »Lebenshüte« müssen Sie ablegen, damit Sie sichauf das Erreichen Ihrer Ziele konzentrieren können?

Notieren Sie zunächst alle »Hüte« und streichen Sie dann diejenigen durch, die Sie ablegen möchten.

Ich bin bereit zu verzichten auf …

Partner/-in Sohn/Tochter Nette/r Kollege/in KassenwartBeispiel:

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17. Leiten Sie aus Ihren Teilzielen einen Maßnahmenplan für den kommenden Monat ab und setzen Sie diesen mit den Instrumenten des klassischen Zeit-/Selbstmanagements um.

Übertragen Sie die von Ihnen definierten Maßnahmen/Aufgaben so-fort in Ihren Kalender oder Ihr Zeitplanbuch!

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

MaßnahmeMonatszielJahresziel

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18. Wann ziehen Sie sich das nächste Mal zurück?

Notieren Sie, wann Sie sich das nächste Mal zurückziehen, um zu analy-sieren, ob die definierten Ziele noch Ihrer Lebensvision entsprechen undob Sie gegebenenfalls Ihre Ziele und Maßnahmen korrigieren müssen.

19. Was haben Sie geändert, seit Sie zum ersten Mal Ihre Vision/Ihre Lebensziele formulierten? Welche Erfolge haben Sie erzielt?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Folgende (Teil-)Erfolge habe ich erzielt

Geändert habe ich …

Übertragen Sie den Termin sofort in Ihren Kalender oder Ihr Zeitplan-buch! Sofern Sie sich beispielsweise in ein Hotel zurückziehen möchten,reservieren Sie sofort das Zimmer. Das erzeugt Verbindlichkeit.

Wie langeziehe ich mich zurück?

Wohinziehe ich mich zurück?

Wannziehe ich mich zurück?

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20. Welches (Teil-)Ziel haben Sie nicht erreicht,obwohl Sie den Mut hatten, einen Versuch zu wagen?

Notieren Sie in der Tabelle, warum Sie Ihr (Teil-)Ziel nicht erreicht habenund was Sie daraus gelernt haben.

Leiten Sie aus obiger Tabelle ab, was Sie in Zukunft besser machen kön-nen und welche neuen Maßnahmen Sie gegebenenfalls ergreifen wol-len, um Ihr (Teil-)Ziel zu erreichen.

Neue Maßnahme?Was kann ich bessermachen?

(Teil-)Ziel

Gelernt habe ich …Warum?Nicht erreichtes (Teil-)Ziel

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21. Welche Veränderungen haben sich seit demersten Formulieren Ihrer Vision/Ihrer Lebensziele in Ihrem Lebenergeben?

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

VeränderungenMeine Lebensziele

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22. Welche weiteren Veränderungen zeichnensich ab?

Persönlicher Workshop zur Vertiefung:Starten Sie erneut den Prozess der Definition Ihrer Lebensvision/Ihrer Lebensziele wie inPunkt 1 bis 17 beschrieben.

Körper/Gesundheit

Arbeit/Leistung

Familie/Kontakt

Sinn/Kultur

Mögliche Konsequenzen

Indizien für Veränderungen

Meine Lebensziele

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:57 Uhr Seite 236

7 LIFE-LEADERSHIP-Tipps für Ihr Leben in Balance

Heute beginnt der erste Tag vom Rest Ihres Lebens, den Sie mit einem neuen Zeitbewusstsein beginnen können!

7. Gehen Sie mit Ihrer Lebenszeit bewusst und souverän um.Leben in Balance oder Life-Leadership bedeutet bewusster, eigenverant-wortlicher und gleichgewichtiger Umgang mit dem kostbaren und knap-pen Gut »Zeit«:

6. Entfliehen Sie der Dringlichkeits-Falle.Bei dringenden Dingen re-agieren wir nur, bei wichtigen Dingen hingegenagieren wir. Unterwerfen Sie sich nicht dem täglichen Diktat der Dringlichkeit,sondern fokussieren Sie sich auf die Wichtigkeit eigener Ziele.

5. Konzentrieren Sie sich immer auf das Wesentliche.Nur die konsequente Konzentration auf das Wesent-liche bei den beruflichen wie privaten Lebensrollen ga-rantiert Erfüllung, Ausgewogenheit und Lebenserfolg.

4. Planen Sie Zeit für Ihre Lebensprioritäten.Planen Sie pro-aktiv regelmäßig persönliche Zeitfenster oder Termine mit sich selbst ein – auch gegen die Wider-stände anderer –, an denen Sie sich um Ihre Prioritäten zur Erreichung eigener Ziele kümmern.

3. Sorgen Sie für eine ausgewogene Zeit- und Lebens-Balance.Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der qualitativen Zeit-Balance zwischen den beruflichen und persönlichen Lebensbereichen Arbeit/Leistung, Fami-lie/Kontakt, Körper/Gesundheit und Sinn/Kultur.

2. Beachten Sie: Weniger ist meistens mehr.Die wirklichen Zeitprobleme im Leben entstehen, wenn wir zu viele Rollengleichzeitig ausfüllen wollen. Wer sich zuviel vornimmt und alles verplant,bleibt unflexibel und stresst sich ebenso wie andere.

1. Formulieren Sie Ihre persönliche Lebensvision.Ein persönliches Leitbild (Mission Statement) oder Lebensziel hilft Ihnen,Sinn und Richtung Ihres Lebens näher festzulegen.

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Literatur

Bücher

Adam, Barbara; Geißler, Karlheinz A. und Held, Martin (Hrsg.): DieNonstop-Gesellschaft und ihr Preis. Stuttgart und Leipzig: Hirzel, 1998

Baeriswyl, Michel: Chillout. Wege in eine neue Zeitkultur. München: dtv,2000

Brand, Stewart: Das Ticken des langen Jetzt. Frankfurt: Suhrkamp, 2000Covey, Stephen R.: Die sieben Wege zur Effektivität. Ein Konzept zur Meis-

terung Ihres beruflichen und privaten Lebens. 11. Aufl., Frankfurt/M.und New York: Campus, 2000

Covey, Stephen R.; Merrill, Roger A.; Merrill, Rebecca R.: Der Weg zumWesentlichen. Zeitmanagement der vierten Generation. 3. Aufl., Frank-furt/M. und New York: Campus, 1999

Covey, Stephen R.: So leben Sie »Die sieben Wege zur Effektivität«. Dasbewährte Covey-Erfolgskonzept in der Praxis. Frankfurt/M. und NewYork: Campus, 2000

Csikszentmihalyi, Mihaly: Flow. Das Geheimnis des Glücks. 8. Aufl.,Stuttgart: Klett-Cotta, 1999

Ernst, Heiko; Hauser, Renate; Katzenstein, Bernd; Micic, Pero: 2020 – Sowerden wir leben. Düsseldorf und Berlin: Metropolitan, 2000

Farkas, Viktor: Zukunftsfalle – Zukunftschance. Leben und Überleben imDritten Jahrtausend. Frankfurt/M.: Umschau/Braus, 2000

Flockenhaus, Ute (Hrsg.): Zukunftsmanagement. Trainings-Perspektivenfür das 21. Jahrhundert. 3. Aufl., Offenbach: GABAL, 2000

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Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:57 Uhr Seite 239

Geißler, Karlheinz A.: Vom Tempo der Welt. Am Ende der Uhrzeit. 4. Aufl.,Freiburg, Basel und Wien: Herder, 1999

Geißler, Karlheinz A.: Zeit – verweile doch … Lebensformen gegen dieHast. Freiburg, Basel und Wien: Herder, 2000

Glotz, Peter: Die beschleunigte Gesellschaft. Kulturkämpfe im digitalenKapitalismus. München: Kindler, 1999

Johnson, Spencer: Ja oder Nein. Der Weg zur besten Entscheidung. Wie wirIntuition und Verstand richtig nutzen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt,1995

Jönsson, Bodil: Zeit. Wie man ein verlorenes Gut zurückgewinnt. 2. Aufl.,Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2000

Jones, Laurie Beth: Mission Statement – Vom Lebenstraum zum Traum-leben. Praktische Übungen und Beispiele, wie Sie Ihr Ziel finden underreichen. Wien: Signum,1998

Küstenmacher, Werner Tiki; mit Seiwert, Lothar J.: Simplify your Life. Ein-facher und glücklicher leben. Frankfurt/M. und New York: Campus(erscheint Herbst 2001)

Martin, Manfred; Pörner, Gabi: Das gesunde Unternehmen. Body-Mind-Management. Die neue Stufe der Unternehmensevolution. München:Langen-Müller/Herbig, 1999

McGraw, Phillip C.: Lebensstrategien. 10 Regeln, damit Ihnen das gelingt,worauf es im Leben wirklich ankommt. Landsberg am Lech: mvg-Verlag,2000

Opaschowski, Horst W.: Generation @. Die Medienrevolution entläßt ihreKinder: Leben im Informationszeitalter. Hamburg: BAT – British Ame-rican Tobacco (Hrsg.), 1999

Popcorn, Faith: »Clicking«. Der neue Popcorn Report. Die neuestenTrends für unsere Zukunft. München: Heyne, 1999

Seiwert, Lothar J.: Das neue 1×1 des Zeitmanagement. Der Millionen-Bestseller. 23. Aufl., Offenbach: Gabal, 2001

Seiwert, Lothar J.: Mehr Zeit für das Wesentliche. Der Euro-Bestseller. Bes-seres Zeitmanagement mit der SEIWERT-Methode. 19. Aufl., Lands-berg: mi-Verlag, 2000

Seiwert, Lothar J.: Mit Life-Leadership auf Erfolgskurs. Coaching-Video(VHS, Dauer 38 Min.). Bergisch-Gladbach: add-brain, 2000 (auch alsEdu-TV-CD-ROM (für Multimedia-PC) erhältlich)

Seiwert, Lothar J.: Wenn Du es eilig hast, gehe langsam. Das neue Zeit-management in einer beschleunigten Welt. Sieben Schritte zur Zeit-souveränität und Effektivität. 7. Aufl., Frankfurt/M. und New York:Campus, 2001

Seiwert, Lothar J. und Kramer, Wolfgang: CHRONOS. Zeitmanagement-Spiel mit Trainingsbuch (in einer Box). Ravensburg: Ravensburger(Think-Spiele), 1999 (www.think-online.de)

240

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:57 Uhr Seite 240

Sennett, Richard: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus.3. Aufl., Berlin: Siedler im Goldmann Verlag, 2000a

Sennett, Richard: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyranneider Intimität. 11. Aufl., Frankfurt/M.: Fischer, 2000b

Sprenger, Reinhard K.: Die Entscheidung liegt bei dir! Wege aus der alltäg-lichen Unzufriedenheit. 10. Aufl., Frankfurt/M. und New York: Cam-pus, 2000

St. James, Elaine: In Einfachheit leben. 100 Schritte zu mehr Lebensfreude.München: Goldmann, 1998

Weis, Kurt (Hrsg.): Was treibt die Zeit? Entwicklung und Herrschaft derZeit in Wissenschaft, Technik und Religion. München: dtv, 1998

Zeitschriftenartikel

Bosch, Gerhard: Arbeitszeit, Arbeitsorganisation und Qualifikation, in:Personalführung 10/2000, S. 52-60

Breuer, Reinhard: Genieblitz ohne Widerhall, in: bild der wissenschaft spe-zial »Mehr Zeit!« (1999), S. 34-37

Buchter, Heike: Wie die Zeit zur Ware wurde, in: bild der wissenschaft spe-zial »Mehr Zeit!« (1999), S. 22-24

Dreschert, Matthias: Die Mitarbeiter der Zukunft werden Mitunternehmersein, in: Personalpresse 1/2000, S. 9

Dreschert, Matthias: Weiterbildung an der Tankstelle, in: Personalwirt-schaft 3/2000, S. 33-37

Epping, Bernhard: Weg mit dem Wecker, in: bild der wissenschaft spezial»Mehr Zeit!« (1999), S. 41-43

Grossekathöfer, Maik u. a.: Experimentieren bis zum Kollaps, in: Der Spie-gel 37/2000, S. 200-206

Hamm, Wolfgang: Deine Zeit entsteht! in: MultiMind 2/1999, S. 6-9Hauch, Regine: Unwegsamer Mittelweg, in: Handelsblatt 15./16. 12. 2000,

S. K 1Kraft, Peter: Leben im Augenblick, in: MultiMind 2/1999, S. 18-22Kröher, Michael O. R.: Bedrohte Art, in: manager magazin 10/2000, S. 246-

254Kucklick, Christoph: Neuer Mann – was nun? in: GEO Wissen Nr. 26

»Frau & Mann«, September 2000, S. 44-53Lotter, Wolf: Die Zeitraffer Zeit und Tempo, in: brand eins 6/2000, S. 82-89Mattauch, Christine: Wie aus Nomaden Siedler werden, in: brand eins

5/2000, S. 98-108Paulus, Jochen: Die vertriebene Zeit, in: bild der wissenschaft spezial »Mehr

Zeit!« (1999), S. 102-105

241

Seiwert, Life-Leadership 09.06.2006 9:57 Uhr Seite 241

Risch, Susanne: Der Anfang, der ein Ende ist, in: manager magazin 9/1999,S. 208-219

Wiede, Thomas: Tanz nach Terminen, in: WirtschaftsWoche 49/2000, S. 210-217

Zeit-Eysen, Peter: Uhrkunde, in: MultiMind 2/1999, S. 12-13

Informations- und Beratungsdienste

ORG: Der persönliche Organisations-Berater. Das Beratungs-Programmzu allen relevanten Fragen der Büro-Organisation, des Zeit-Manage-ments und des Selbst-Managements. Loseblatt-Zeitschrift. Bonn: VNRVerlag für die deutsche Wirtschaft, 2000 ff. (www.org-online.de)

Simplify your Life. Einfacher und glücklicher leben. Monatlicher persön-licher Beratungsdienst. Bonn: VNR Verlag für die deutsche Wirtschaft,1999 ff. (www.simplify.de)

Smart Working. Gelassenheit durch gute Organisation. Monatlicher per-sönlicher Organisationsbrief. Bonn: VNR Verlag für die deutsche Wirt-schaft, 2000 ff. (www.smart-working.de)

Lothar J. Seiwert–Coaching-Brief. Professioneller & souveräner arbei-ten und leben. Monatlicher Beratungs- und Trainingsbrief. München:Aktuell Verlag im Olzog Verlag, 2000 ff. (www.coaching-briefe.de) (Einen eigenen Coach, der Sie persönlich Schritt für Schritt voranbringt,können sich nur wenige leisten. Mit den Coaching-Briefen können Sie esauch!)

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Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Menschen bedanken, diemir persönlich dabei helfen, mein Leben in Balance zu leben. Ne-ben meiner Partnerin und meiner Familie sind das auch all die Men-schen, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite – meine Mitar-beiter, meine Kooperationspartner, meine Ansprechpartner in denVerlagen und Redaktionen, meine Seminarteilnehmer und Leser.Ihnen allen habe ich zu verdanken, dass sich die Idee von Life-Leadership für mich immer mehr konkretisiert und sie alle habendirekt oder indirekt auch an vorliegendem Buch mitgearbeitet.

Danke vor allem Bernhard Kuntz, Büro für Bildung & Kommu-nikation, Darmstadt. Sie haben mich mit Ihren konzeptionellenund redaktionellen Vorschlägen auf sehr produktive Weise beider Entstehung dieses Buches begleitet.

Danke an Bettina Spangler, Chefredakteurin des Seiwert-Coaching-Briefs, Overath. Deine konstruktiven Beiträge undkritischen Hinweise haben viele Ideen auf den Punkt gebrachtund haben mich davor bewahrt, meinen Lesern einen 1000-Seiterzu meinem Lieblingsthema zuzumuten.

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Danke an Detlef Koenig, VNR Verlag für die Deutsche Wirt-schaft AG, Bonn, für Ihr Sponsoring der Tiki-Cartoons.

Danke an Dich, lieber Werner Tiki Küstenmacher. Du bist fürmich der Genius der Visualisierung und verstehst es im wahrstenSinne, mit einem Bild mehr zu sagen als so mancher mit vielenWorten.

Danke an den Campus Verlag, Britta Kroker, Programmleite-rin, für Ihre Unterstützung und Ermutigung für dieses Projekt.

Besonderer Dank an Carmen Kölz, Lektorin Wirtschaftspra-xis im Campus Verlag. Denn ohne Ihr geduldiges, sehr engagier-tes und kompetentes Lektorat würde ich noch immer an meinemBuch »proben«.

Danke auch Ihnen, liebe Monika Werneke, Wiesbaden, für»unser« gelungenes Titelbild. Sie verstehen es wie keine zweite,das innere und äußere, positive Bild eines Menschen auf Zellu-loid zu bannen.

Danke meinen lieben Mitarbeiterinnen im Heidelberger Sei-wert-Institut. Sie verstehen es vortrefflich, mir immer wiederden Rücken für das Wesentliche freizuhalten.

Danke an Sie, liebe Leserinnen und Leser. Siemachen mir und meinem Team die Freude, sichmit unserer Idee des Life-Leadership zu beschäfti-

gen. Ihnen allen wünsche ich, dass Sie einige Anre-gungen für Ihr Leben in Balance finden:

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ihr Lothar J. Seiwert

Internet: www.seiwert.deE-mail: [email protected]

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