krankenhauspolitik wohin führt der weg?

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Zunächst verlief das Jahr 1998, was ge- setzliche Bestimmungen angeht, etwas ruhig. Der Grund war für alle erkenn- bar, es standen Bundestagswahlen an. Die alte Bundesregierung präferierte eine Stärkung der Selbstverwaltung und hatte hierzu durch das 1. und 2. GKV-Neuordnungsgesetz und die 5. Änderung der Bundespflegesatzverord- nung die Weichen gestellt. Kurz nach- dem die neue Bundesregierung im Amt war, zeigte sich eine Kursänderung. Sehr schnell wurde das GKV-Solidari- tätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) mit Wirkung vom 01.01.1999 in Kraft ge- setzt. Das GKV-SolG hat dazu geführt, dass der für die Budget- und Pflegesatzver- handlungen nach dem Pflegesatzrecht geltende Grundsatz der Prospektivität von den Krankenhäusern nicht einge- halten werden kann. Der Gesetzgeber hat die Vereinbarung der Vertragspar- teien auf Bundesebene vom Oktober 1998 über die für die örtlichen Pflege- satzparteien maßgeblichen Verände- rungsraten nach §6 Abs. 1 der Bundes- pflegesatzverordnung für den Pflege- satzzeitraum 1999 durch eine ministeri- elle Lösung ersetzt. Die für 1999 vom Bundesministerium für Gesundheit verbindlich festgesetzten Verände- rungsraten wurden für die örtlichen Pflegesatzparteien erst am 05.03.99 be- kannt gegeben. Ein Budgetabschluss ist somit erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Die Krankenhäuser sind in den letzten Jahren durch die Gesetzgebung in erheblichem Maße ökonomischen Zwängen ausgesetzt worden. Zu nen- zur Gesundheitsreform 2000 vorgelegt. Die darin enthaltenen Aussagen haben weitreichende Folgen für den Kranken- hausbereich, wie: Einführung eines Globalbudgets zur Begrenzung der Gesundheitsausga- ben, die Umstellung auf ein monistisches Finanzierungssystem, Änderung der Krankenhausplanung, die weitestgehend von den Kranken- kassen gestaltet wird. Im Gegensatz zum GKV-SolG hat der Gesetzentwurf weitreichende Konse- quenzen für die Krankenhausland- schaft, die zu wesentlichen Einschnitten bei der bedarfsgerechten Patientenver- sorgung und damit dem Leistungsspek- trum der Krankenhäuser bis hin zur Schließung ganzer Häuser mit der ent- sprechenden Auswirkung auf die Ar- beitsplätze führen werden. Es steht zu befürchten, dass ein Global- budget das gesamte Gesundheitswesen in einen umfassenden Verteilungskampf stürzen wird. Die Deutsche Kranken- hausgesellschaft weist auf die damit verbundenen erheblichen Gefahren für die Versorgungsqualität hin. Kranken- häuser müssen auch weiterhin einen Rechtsanspruch auf leistungsgerechte Vergütung sowie Beibehaltung des In- dividualitätsprinzipes behalten. Die Deutsche Krankenhausgesell- schaft sagt ja zum Leistungs- und Quali- tätswettbewerb zwischen den einzelnen Krankenhäusern. Dies setzt allerdings die Beibehaltung des Individualprin- zips voraus. Jedes Krankenhaus muss nen sind die Deckelung von 1993 bis 1995, die regide Deckelung nach dem Stabilisierungsgesetz 1996, die Budget- kürzungen aufgrund des Beitragsentla- stungsgesetzes von 1997 bis 1999 und die strikte Anbindung der Kranken- hausausgaben an die Einnahmeent- wicklung der gesetzlichen Krankenver- sicherungen. Inzwischen sind sich viele Experten einig, dass Einsparreserven im Krankenhaus nicht mehr gegeben sind. Dies wird nicht zuletzt durch die Beschäftigtenstatistik unterstrichen. Erst- mals seit vielen Jahren wurde für die Jahre 1996 und 1997 ein Personalabbau im Krankenhauswesen ausgewiesen. Dieses Warnsignal sollte ernst genom- men werden. Die mehr als 2.200 Kran- kenhäuser in Deutschland sind der größte Arbeitgeber im Gesundheitswe- sen. Nach einer Studie, die das Bundes- ministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben hat, waren 1996 4,05 Millionen Personen im Gesundheitswesen be- schäftigt. Davon arbeiteten 42% im sta- tionären und teilstationären Bereich, die meisten im Krankenhaus (1.150.000). Der größte Teil der Erwerbstätigen im Krankenhausbereich war mit 39,7% im Pflegedienst beschäftigt. 11,9% stellen Ärzte, der Anteil des medizinisch tech- nischen Dienstes macht 14,3% aus. Der verbleibende Anteil von 34,1% bestand aus Personal des Funktionsdienstes, Wirtschafts- und Hauspersonals sowie Verwaltungspersonal. Die Ergebnisse verdeutlichen die hohe arbeitsmarkt- politische Bedeutung des Gesund- heitswesens und speziell des Kranken- haussektors. Werden dem Kranken- hausbereich weitere Finanzmittel ent- zogen, besteht die Gefahr weiteren Personalabbaues einschließlich Ent- lassungen. Im Mai hat das Bundesgesundheits- ministerium den Referentenentwurf Der Internist 8·99 | M 223 Gesundheitswesen BDI H. Jansen Krankenhauspolitik Wohin führt der Weg? „Jedes Krankenhaus muß selbst entscheiden, wie es seine Leistungen erbringen will.“ „1996 waren 4,05 Millionen Personen im Gesundheitswesen beschäftigt.“

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Page 1: Krankenhauspolitik Wohin führt der Weg?

Zunächst verlief das Jahr 1998, was ge-setzliche Bestimmungen angeht, etwasruhig. Der Grund war für alle erkenn-bar, es standen Bundestagswahlen an.Die alte Bundesregierung präferierteeine Stärkung der Selbstverwaltungund hatte hierzu durch das 1. und 2.GKV-Neuordnungsgesetz und die 5.Änderung der Bundespflegesatzverord-nung die Weichen gestellt. Kurz nach-dem die neue Bundesregierung im Amtwar, zeigte sich eine Kursänderung.Sehr schnell wurde das GKV-Solidari-tätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) mitWirkung vom 01.01.1999 in Kraft ge-setzt.

Das GKV-SolG hat dazu geführt, dassder für die Budget- und Pflegesatzver-handlungen nach dem Pflegesatzrechtgeltende Grundsatz der Prospektivitätvon den Krankenhäusern nicht einge-halten werden kann. Der Gesetzgeberhat die Vereinbarung der Vertragspar-teien auf Bundesebene vom Oktober1998 über die für die örtlichen Pflege-satzparteien maßgeblichen Verände-rungsraten nach §6 Abs. 1 der Bundes-pflegesatzverordnung für den Pflege-satzzeitraum 1999 durch eine ministeri-elle Lösung ersetzt. Die für 1999 vomBundesministerium für Gesundheitverbindlich festgesetzten Verände-rungsraten wurden für die örtlichenPflegesatzparteien erst am 05.03.99 be-kannt gegeben. Ein Budgetabschluss istsomit erst zu einem späteren Zeitpunktmöglich.

Die Krankenhäuser sind in denletzten Jahren durch die Gesetzgebungin erheblichem Maße ökonomischenZwängen ausgesetzt worden. Zu nen-

zur Gesundheitsreform 2000 vorgelegt.Die darin enthaltenen Aussagen habenweitreichende Folgen für den Kranken-hausbereich, wie:

● Einführung eines Globalbudgets zurBegrenzung der Gesundheitsausga-ben,

● die Umstellung auf ein monistischesFinanzierungssystem,

● Änderung der Krankenhausplanung,die weitestgehend von den Kranken-kassen gestaltet wird.

Im Gegensatz zum GKV-SolG hat derGesetzentwurf weitreichende Konse-quenzen für die Krankenhausland-schaft, die zu wesentlichen Einschnittenbei der bedarfsgerechten Patientenver-sorgung und damit dem Leistungsspek-trum der Krankenhäuser bis hin zurSchließung ganzer Häuser mit der ent-sprechenden Auswirkung auf die Ar-beitsplätze führen werden.

Es steht zu befürchten, dass ein Global-budget das gesamte Gesundheitswesenin einen umfassenden Verteilungskampfstürzen wird. Die Deutsche Kranken-hausgesellschaft weist auf die damitverbundenen erheblichen Gefahren fürdie Versorgungsqualität hin. Kranken-häuser müssen auch weiterhin einenRechtsanspruch auf leistungsgerechteVergütung sowie Beibehaltung des In-dividualitätsprinzipes behalten.

Die Deutsche Krankenhausgesell-schaft sagt ja zum Leistungs- und Quali-tätswettbewerb zwischen den einzelnenKrankenhäusern. Dies setzt allerdingsdie Beibehaltung des Individualprin-zips voraus. Jedes Krankenhaus muss

nen sind die Deckelung von 1993 bis1995, die regide Deckelung nach demStabilisierungsgesetz 1996, die Budget-kürzungen aufgrund des Beitragsentla-stungsgesetzes von 1997 bis 1999 unddie strikte Anbindung der Kranken-hausausgaben an die Einnahmeent-wicklung der gesetzlichen Krankenver-sicherungen. Inzwischen sind sich vieleExperten einig, dass Einsparreservenim Krankenhaus nicht mehr gegebensind. Dies wird nicht zuletzt durch dieBeschäftigtenstatistik unterstrichen. Erst-mals seit vielen Jahren wurde für dieJahre 1996 und 1997 ein Personalabbauim Krankenhauswesen ausgewiesen.Dieses Warnsignal sollte ernst genom-men werden. Die mehr als 2.200 Kran-kenhäuser in Deutschland sind dergrößte Arbeitgeber im Gesundheitswe-sen. Nach einer Studie, die das Bundes-ministerium für Gesundheit in Auftraggegeben hat, waren 1996 4,05 MillionenPersonen im Gesundheitswesen be-schäftigt. Davon arbeiteten 42% im sta-tionären und teilstationären Bereich,die meisten im Krankenhaus (1.150.000).Der größte Teil der Erwerbstätigen imKrankenhausbereich war mit 39,7% imPflegedienst beschäftigt. 11,9% stellenÄrzte, der Anteil des medizinisch tech-nischen Dienstes macht 14,3% aus. Derverbleibende Anteil von 34,1% bestandaus Personal des Funktionsdienstes,Wirtschafts- und Hauspersonals sowieVerwaltungspersonal. Die Ergebnisseverdeutlichen die hohe arbeitsmarkt-politische Bedeutung des Gesund-heitswesens und speziell des Kranken-haussektors. Werden dem Kranken-hausbereich weitere Finanzmittel ent-zogen, besteht die Gefahr weiterenPersonalabbaues einschließlich Ent-lassungen.

Im Mai hat das Bundesgesundheits-ministerium den Referentenentwurf

Der Internist 8·99 | M 223

Ges

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H. Jansen

KrankenhauspolitikWohin führt der Weg?

„Jedes Krankenhaus muß selbstentscheiden, wie es seine Leistungen

erbringen will.“

„1996 waren 4,05 MillionenPersonen im Gesundheitswesen

beschäftigt.“

Page 2: Krankenhauspolitik Wohin führt der Weg?

selbst entscheiden, wie es seine Leistun-gen erbringen will. Abzulehnen ist derVertragswettbewerb. Hierunter werdendie sogenannten Einkaufsmodelle ver-standen, also Kassenarten spezifischeVerträge mit einzelnen Krankenhäu-sern. Dies wäre der Anfang vom Endedes gegenwärtigen bewährten Systems,der staatliche Sicherstellungsauftragund die Planungsverantwortung derLänder würden ausgehöhlt. Außerdemwiderspreche der Vertragswettbewerb

Die Krankenhäuser appellieren andie Verantwortlichen für die deutscheGesundheitspolitik, die Gesundheitsre-form 2000 nicht auf dem Rücken derPatienten und der Mitarbeiter in denKrankenhäusern auszutragen.

Harald JansenVerwaltungsdirektorHospital zum Heiligen GeistD-47906 Kempen

den Grundsätzen einer solidarisch fi-nanzierten Krankenversicherung, inder jeder gesetzlich Versicherte einheit-liche Leistungsansprüche hat.

Abzulehnen ist ebenfalls ein rei-ner Preiswettbewerb, dieser würderuinös und verdrängend wirken, Spe-zialisierungen und Ausgrenzungenfördern und im Ergebnis u.a. denen,die den Sicherstellungsauftrag zu er-füllen haben, vorhersehbare Defizitebescheren.

| Der Internist 8·99M 224

W.-D. Kirsten

ArzneimittelrichtlinienGruppeninteressen kontraproduktiv

Die neuen Arzneimittel-Richtlinientreten vorerst nicht in Kraft. Das Land-gericht Hamburg hat am 31. März demBundesausschuss der Ärzte und Kran-kenkassen durch eine einstweilige Ver-fügung unter Androhung eines Ord-nungsgeldes von 500.000 DM unter-sagt, die Richtlinien, die eigentlich am 1.April 1999 wirksam werden sollten, imBundesanzeiger zu veröffentlichen. DasGericht gab damit den Anträgen dreierPharmaunternehmen statt, die sich aufdas Kartellrecht berufen hatten. Damitgelten die alten, seit 1994 gültigen Arz-neimittel-Richtlinien fort.

Wie weit Bürokratie und Jurisdikti-on mittlerweile in den ärztlichen Alltaghineinwirken, hat dieses Urteil wiedereinmal gezeigt. Die neuen Arzneimittel-Richtlinien hätten sich als Instrumentzur Dämpfung der Gesundheitskostenbewährt. Nun werden die Vertragsärztemangels einer eindeutigen Verord-nungsgrundlage undifferenziert Ver-schreibungen einsparen, denn sie sindaufgrund des gesetzlichen Arznei- undHeilmittelbudgets dazu gezwungen. Dieneuen Richtlinien hätten zu bundes-weiten Einsparungen von rund 2,5 Mil-liarden DM führen können. Das sindbezogen auf das vergangene Jahr etwa6% der Ausgaben der gesetzlichen

Krankenversicherung (GKV). 6% Ein-sparungen sind auf der anderen Seiteaber auch 6% Umsatzeinbußen für diepharmazeutische Industrie – dies wolltesie verhindern.

Unter dem engen gesetzlichen Arz-nei- und Heilmittelbudget des Jahres1999 müssen aber Verordnungen einge-spart werden. Mit dem Urteil des Land-gerichts Hamburg hat wieder einmalein Zivilgericht in die sozialgesetzlichdefinierten Aufgaben öffentlich-rechtli-cher Körperschaften eingegriffen. DieKompetenzen der Selbstverwaltungvon Ärzten und Krankenkassen sindkonterkariert worden. Aus europa- undkartellrechtlichen Gründen haben Zi-vilgerichte in sozialrechtlich begründe-te Entscheidungen eingegriffen. DerBundesausschuss der Ärzte und Kran-kenkassen ist durch die einstweiligeAnordnung seines gesetzlichen Auf-trags beraubt worden, durch Richtlini-en die Qualität und Wirtschaftlichkeitder Arzneimittelversorgung sicherzu-stellen.

Für unsere Patienten hätten die ge-planten Einschränkungen der Verord-nungsfähigkeit durch die Richtlinienkeine qualitativen Einbußen bei der Be-handlung bedeutet und für die Ver-tragsärzte auch keinen Eingriff in ihre

Therapiefreiheit. Das Geld, das durchdie Beschränkung auf medizinischSinnvolles eingespart worden wäre, wä-re der Versorgung mit bedarfsgerechtenMedikamenten zugute gekommen undhätte eine Qualitätssteigerung in derArzneimittelversorgung bewirkt. Nunist der Vertragsarzt wieder in die De-fensive gedrängt worden. Er hat keinegesicherte Richtlinie zur Hand, was erseinen Patienten unter wirtschaftlichenAspekten auf Kassenrezept verordnendarf. Spätestens Anfang kommendenJahres wird er bei Budgetüberschrei-tungen zur Verantwortung gezogenwerden. Im Falle der Überschreitungdroht den Vertragsärzten nämlich derRegress.

Dies ist nicht erst seit der rot-grü-nen Regierung so. Politiker aller Cou-leur haben bereits in der Vergangenheitökonomische Grenzen für die Patien-tenversorgung gezogen, gleichzeitig denVertragsärzten aber Strukturhilfen zurEinhaltung dieser Grenzen versagt. Esgibt bis zum heutigen Tage keine ausrei-chenden Kontroll- und Steuerungsmög-lichkeiten, um das gesetzliche Limit beiden Arznei- und Heilmittelausgabenunter Budgetbedingungen einzuhalten.Unter Budgetbedingungen führt aberkein Weg an der Listenmedizin vorbei.