k7b7si39, ein borosilicid mit clathrat-i-struktur

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Clathrate DOI: 10.1002/ange.200701028 K 7 B 7 Si 39 , ein Borosilicid mit Clathrat-I-Struktur Walter Jung,* Josef LɆrincz, Reiner Ramlau, Horst Borrmann, Yurii Prots, Frank Haarmann, Walter Schnelle, Ulrich Burkhardt, Michael Baitinger und Yuri Grin* Silicide der Alkalimetalle vom Clathrat-I-Typ wurden bereits 1948 durch thermische Zersetzung der Monosilicide synthe- tisiert. [1] Ihre Kristallstruktur und die Zusammensetzung M 8 Si 46 (M = Na, K) sind seit 1965 bekannt. [2] Die Verbin- dungen zeigen metallische LeitfȨhigkeit, da keine Valenz- elektronen der Alkalimetallatome zum Aufbau des aus vier- bindigen Siliciumatomen bestehenden Gerɒsts benɆtigt werden. [3] Bei Substitution eines Teils der Siliciumatome durch Atome eines dreiwertigen Elements entstehen Ver- bindungen wie K 8 Ga 8 Si 38 und Rb 8 Ga 8 Si 38 . Diese folgen mit den Elektronenbilanzen [K + ] 8 [Ga ] 8 [Si 0 ] 38 bzw. [Rb + ] 8 [Ga ] 8 - [Si 0 ] 38 dem Zintl-Klemm-Konzept und sind Halbleiter. [4] Entsprechende ternȨre Clathrate mit Bor waren bisher nicht bekannt. Diese sind von Interesse, weil die Substitution von Silicium- durch Boratome zu einer Kontraktion des Clath- ratgerɒstes fɒhrt, wodurch die Einlagerung kleinerer Me- tallatome in die KȨfige begɒnstigt werden kɆnnte. Fɒr solche Verbindungen werden gute thermoelektrische Eigenschaften erwartet. [5] Mit K 7 B 7 Si 39 konnte nun das erste Borosilicid mit Clath- rat-I-Struktur synthetisiert werden. Es weist den kleinsten Gitterparameter aller bisher bekannten Clathratverbindun- gen von Elementen der Gruppe 14 auf. Die Verbindung wird in Form gut ausgebildeter Kristalle erhalten, [6] was unge- wɆhnlich ist, weil Clathrate mit Silicium im prȨparativen Maßstab zumeist nur durch thermischen Abbau [1] oder Oxi- dation [7] reaktiver Ausgangsverbindungen hergestellt werden kɆnnen, wobei die Verbindungen als mikrokristalline Pulver anfallen. Einkristalle solcher Verbindungen werden nur in wenigen FȨllen erhalten. [2, 4, 8, 9] Die Synthese gelingt aus den Elementen in Tantalam- pullen bei ca. 900 8C. Die Umsetzung ist nicht vollstȨndig, allerdings kɆnnen Nebenprodukte ausgewaschen werden, da K 7 B 7 Si 39 sowohl gegen Natronlauge als auch gegen konzen- trierte SȨuren bestȨndig ist. HɆhere Ausbeuten werden er- halten, wenn man Si und B im Lichtbogenofen vorreagieren lȨsst. K 7 B 7 Si 39 wurde mit energiedispersiver RɆntgenspektro- skopie (EDXS) im Rasterelektronenmikroskop (REM) und im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) untersucht. Dabei wurde Bor qualitativ nachgewiesen, und Kalium und Silicium wurden im erwarteten MengenverhȨltnis (7:41) ge- funden. [10] Mikrokristallite, die nach Feinbereichs-Elektro- nenbeugung (SAED) und hochauflɆsender Transmissions- elektronenmikroskopie (HRTEM) eindeutig zur Clathrat- phase gehɆren, wurden im Bereich ihrer durch MɆrsern er- zeugten Bruchkanten (Dicke < 10 nm) mit Elektronen- Energieverlust-Spektroskopie (EELS) analysiert. Die expe- rimentellen EEL-Spektren (Abbildung 1) stimmen mit Spektren, die fɒr die Zusammensetzung K 7 B 7 Si 39 und eine Probendicke von 5–10 nm simuliert wurden, gut ɒberein, wodurch die rɆntgenographisch bestimmte Zusammenset- zung innerhalb der bestehenden Fehlergrenzen bestȨtigt wird. Metallographische Untersuchungen an angeschliffenen Kristallen bestȨtigen die Einphasigkeit der Probe. Allerdings enthalten einzelne, grɆßere Kristalle im Kern Einschlɒsse mit einem Volumenanteil < 10 %, die nach EDXS-Analyse kein Kalium enthalten und rɆntgenographisch nicht in Erschei- nung treten. Der Anteil dieser Fremdphasen an der gesamten Probe ist gering. Guinier-Aufnahmen von K 7 B 7 Si 39 lassen sich kubisch mit dem Gitterparameter a = 9.952(1) ĸ indizieren; bei Proben mit hɆherem Siliciumgehalt entsteht die Clath- ratstruktur mit grɆßerem Gitterparameter bis a = 9.971(1) ĸ. Dagegen fɒhrte eine ErhɆhung des Borgehaltes nicht zu einer Verkleinerung des Gitterparameters. Dies spricht fɒr das Vorhandensein eines schmalen HomogenitȨtsbereiches, der sich von K 7 B 7 Si 39 aus zu hɆheren Si/B-VerhȨltnissen hin er- Abbildung 1. EEL-Spektrum von K 7 B 7 Si 39 . Mikrokristallit von K 7 B 7 Si 39 in [111]-Orientierung, Bor-K-Kante bei 188 eV. [*] Prof. Dr. W. Jung, J. LɆrincz Institut fɒr Anorganische Chemie UniversitȨt zu KɆln Greinstraße 6, 50939 KɆln (Deutschland) Fax: (+ 49) 221-470-5083 E-Mail: [email protected] R. Ramlau, H. Borrmann, Yu. Prots, F. Haarmann, W. Schnelle, U. Burkhardt, M. Baitinger, Prof.Dr. Yu. Grin MPI CPfS NɆthnitzer Straße 40, 01187 Dresden (Deutschland) Fax: (+ 49) 351-4646-4001 E-Mail: [email protected] Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unter http://www.angewandte.de zu finden oder kɆnnen beim Autor angefordert werden. Zuschriften 6846 # 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2007, 119, 6846 –6850

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Page 1: K7B7Si39, ein Borosilicid mit Clathrat-I-Struktur

ClathrateDOI: 10.1002/ange.200701028

K7B7Si39, ein Borosilicid mit Clathrat-I-StrukturWalter Jung,* Josef L�rincz, Reiner Ramlau, Horst Borrmann, Yurii Prots, Frank Haarmann,Walter Schnelle, Ulrich Burkhardt, Michael Baitinger und Yuri Grin*

Silicide der Alkalimetalle vom Clathrat-I-Typ wurden bereits1948 durch thermische Zersetzung der Monosilicide synthe-tisiert.[1] Ihre Kristallstruktur und die ZusammensetzungM8Si46 (M=Na, K) sind seit 1965 bekannt.[2] Die Verbin-dungen zeigen metallische Leitf2higkeit, da keine Valenz-elektronen der Alkalimetallatome zum Aufbau des aus vier-bindigen Siliciumatomen bestehenden Ger4sts ben5tigtwerden.[3] Bei Substitution eines Teils der Siliciumatomedurch Atome eines dreiwertigen Elements entstehen Ver-bindungen wie K8Ga8Si38 und Rb8Ga8Si38. Diese folgen mitden Elektronenbilanzen [K+]8[Ga�]8[Si

0]38 bzw. [Rb+]8[Ga�]8-[Si0]38 dem Zintl-Klemm-Konzept und sind Halbleiter.[4]

Entsprechende tern2re Clathrate mit Bor waren bisher nichtbekannt. Diese sind von Interesse, weil die Substitution vonSilicium- durch Boratome zu einer Kontraktion des Clath-ratger4stes f4hrt, wodurch die Einlagerung kleinerer Me-tallatome in die K2fige beg4nstigt werden k5nnte. F4r solcheVerbindungen werden gute thermoelektrische Eigenschaftenerwartet.[5]

Mit K7B7Si39 konnte nun das erste Borosilicid mit Clath-rat-I-Struktur synthetisiert werden. Es weist den kleinstenGitterparameter aller bisher bekannten Clathratverbindun-gen von Elementen der Gruppe 14 auf. Die Verbindung wirdin Form gut ausgebildeter Kristalle erhalten,[6] was unge-w5hnlich ist, weil Clathrate mit Silicium im pr2parativenMaßstab zumeist nur durch thermischen Abbau[1] oder Oxi-dation[7] reaktiver Ausgangsverbindungen hergestellt werdenk5nnen, wobei die Verbindungen als mikrokristalline Pulveranfallen. Einkristalle solcher Verbindungen werden nur inwenigen F2llen erhalten.[2,4, 8, 9]

Die Synthese gelingt aus den Elementen in Tantalam-pullen bei ca. 900 8C. Die Umsetzung ist nicht vollst2ndig,allerdings k5nnen Nebenprodukte ausgewaschen werden, daK7B7Si39 sowohl gegen Natronlauge als auch gegen konzen-trierte S2uren best2ndig ist. H5here Ausbeuten werden er-

halten, wenn man Si und B im Lichtbogenofen vorreagierenl2sst.

K7B7Si39 wurde mit energiedispersiver R5ntgenspektro-skopie (EDXS) im Rasterelektronenmikroskop (REM) undim Transmissionselektronenmikroskop (TEM) untersucht.Dabei wurde Bor qualitativ nachgewiesen, und Kalium undSilicium wurden im erwarteten Mengenverh2ltnis (7:41) ge-funden.[10] Mikrokristallite, die nach Feinbereichs-Elektro-nenbeugung (SAED) und hochaufl5sender Transmissions-elektronenmikroskopie (HRTEM) eindeutig zur Clathrat-phase geh5ren, wurden im Bereich ihrer durch M5rsern er-zeugten Bruchkanten (Dicke < 10 nm) mit Elektronen-Energieverlust-Spektroskopie (EELS) analysiert. Die expe-rimentellen EEL-Spektren (Abbildung 1) stimmen mitSpektren, die f4r die Zusammensetzung K7B7Si39 und eineProbendicke von 5–10 nm simuliert wurden, gut 4berein,wodurch die r5ntgenographisch bestimmte Zusammenset-zung innerhalb der bestehenden Fehlergrenzen best2tigt wird.

Metallographische Untersuchungen an angeschliffenenKristallen best2tigen die Einphasigkeit der Probe. Allerdingsenthalten einzelne, gr5ßere Kristalle im Kern Einschl4sse miteinem Volumenanteil < 10%, die nach EDXS-Analyse keinKalium enthalten und r5ntgenographisch nicht in Erschei-nung treten. Der Anteil dieser Fremdphasen an der gesamtenProbe ist gering. Guinier-Aufnahmen von K7B7Si39 lassen sichkubisch mit dem Gitterparameter a= 9.952(1) H indizieren;bei Proben mit h5herem Siliciumgehalt entsteht die Clath-ratstruktur mit gr5ßerem Gitterparameter bis a= 9.971(1) H.Dagegen f4hrte eine Erh5hung des Borgehaltes nicht zu einerVerkleinerung des Gitterparameters. Dies spricht f4r dasVorhandensein eines schmalen Homogenit2tsbereiches, dersich von K7B7Si39 aus zu h5heren Si/B-Verh2ltnissen hin er-

Abbildung 1. EEL-Spektrum von K7B7Si39. Mikrokristallit von K7B7Si39 in[111]-Orientierung, Bor-K-Kante bei 188 eV.

[*] Prof. Dr. W. Jung, J. L.rinczInstitut f1r Anorganische ChemieUniversit6t zu K.lnGreinstraße 6, 50939 K.ln (Deutschland)Fax: (+49)221-470-5083E-Mail: [email protected]

R. Ramlau, H. Borrmann, Yu. Prots, F. Haarmann, W. Schnelle,U. Burkhardt, M. Baitinger, Prof. Dr. Yu. GrinMPI CPfSN.thnitzer Straße 40, 01187 Dresden (Deutschland)Fax: (+49)351-4646-4001E-Mail: [email protected]

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://www.angewandte.de zu finden oder k.nnen beim Autorangefordert werden.

Zuschriften

6846 � 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2007, 119, 6846 –6850

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streckt. F4r die bin2re Phase K7.0(1)Si46 ist der Gitterparameterdeutlich gr5ßer (10.278(1) H).[11]

Die Zusammensetzung K7B7Si39 st4tzt sich vor allem aufdie r5ntgenographische Strukturbestimmung an Einkristal-len. Danach liegt die Clathrat-I-Struktur vor (RaumgruppePm3̄n), in der die Nichtmetallatome vierbindig sind und einGer4st mit zwei Arten von Hohlr2umen bilden: einem Te-trakaidekaeder und einem Pentagondodekaeder (Abbil-dung 2). Die Verfeinerung ergibt, dass erstere (Punktlage 6d)

vollst2ndig, letztere (Punktlage 2a) aber nur zur H2lfte mitKaliumatomen besetzt sind. Die Boratome substituiereneinen Teil der Siliciumatome auf der Punktlage 16i (Abbil-dung 2, gr4n). Auf den Punktlagen 6c und 24k sind nur Sili-ciumatome zu finden. Dies ist bemerkenswert, denn bei allenbisher bekannten Substitutions- oder Defektclathraten be-finden sich die Fremdatome oder die Fehlstellen ausschließ-lich auf der Punktlage 6c. Die Ursache daf4r k5nnte sein, dassdie Clathrat-I-Struktur in den Tetrakaidekaedern planareSechsringe enth2lt (in Abbildung 2 durch dunkle Bindungs-linien hervorgehoben), die von Atomen auf den Lagen 6c und24k gebildet werden. Deren Bindungswinkel weichen deut-lich vom Tetraederwinkel ab. Die damit verbundenen Span-nungen d4rften bei Substitution von Silicium durch gr5ßere,weniger stark zu gerichteten Bindungen neigende Atome(z.B. Ga[4] , Ni[12]) oder durch Leerstellen[13] verringert, durchdie kleinen Boratome aber verst2rkt werden. Atome auf derPunktlage 6c sind an zwei planaren Sechsringen beteiligt,weshalb diese Punktlage f4r die Boratome besonders un-g4nstig ist. Dagegen sind die Bindungswinkel f4r Atome aufder Punktlage 16i nahe am Tetraederwinkel, was diese Posi-tion f4r Boratome besonders gut geeignet macht.

Um die Zusammensetzung und die Kristallstruktur derVerbindung r5ntgenographischem m5glichst genau zu er-

mitteln, wurden die Reflexintensit2ten bis zu hohen Winkelngemessen (AgKa-Strahlung, 2qmax= 988). Unter der Annah-me, dass die Positionen des Si/B-Ger4stes vollst2ndig besetztsind, ergibt die Verfeinerung 6.8(3)B + 9.2Si auf derPunktlage 16i und damit die ZusammensetzungK7.04(2)B6.8(3)Si39.2(3) oder in idealisierter Form K7B7Si39. DieSubstitution von Si- durch B-Atome ist wegen des Gr5ßen-unterschiedes mit einer Lageverschiebung verbunden, wes-halb die Si/B-Positionen mit Split-Lagen beschrieben werdenm4ssen. In dem in Abbildung 3 gezeigten Strukturausschnitt

sind die beiden 16i-Split-Positionen (B + Si) mit a und bbezeichnet. Die Lage 24k (Si) ist durch drei eng benachbartePositionen c (24k) und 2Md (48l) ersetzt; letztere sind zu denBorpositionen hin orientiert. Die Strukturbestimmung er-m5glicht nur eine Aussage 4ber die Zahl der Elektronen,nicht aber 4ber die Verteilung von Si- und B-Atomen auf die16i-Split-Positionen. Der a-a-Abstand von 1.810 H liegt ineinem Bereich, der f4r B-B-Bindungen in Metallboriden be-obachtet wird, w2hrend der a-b-Abstand von 2.057 H einer B-Si-Bindung und der b-b-Abstand von 2.303 H einer Si-Si-Bindung entspricht. Die lokale Belegung der Positionen c undd mit Si-Atomen h2ngt davon ab, ob sich ein benachbartes Si-oder B-Atom auf a oder auf b befindet. Die Abst2nde (a, b)-(c, d) im Bereich 2.079–2.420 H sind als B-Si- und Si-Si-Bin-dungen zu verstehen.

Bei einigen Clathrat-I-Verbindungen wie Ba8Ge43&3[14]

oder Rb8Sn44&2[15] findet man 2M 2M 2-Nberstrukturen in der

direkten Untergruppe Ia3̄d. Bei K7B7Si39 geben jedoch wederr5ntgenographische Untersuchungen an Einkristallen nochElektronenbeugung anMikrokristalliten[16] einen Hinweis aufeine Nberstruktur.

Defokussierungsserien von HR-TEM-Abbildungen ge-langen in den Kristallorientierungen [100], [110] und [111].Hinweise auf eine lokale Ordnung der Defekte auf der Ka-liumposition 2a oder der Boratome auf 16i ergaben sich nicht.Auf der Grundlage einer statistischen Verteilung der Kali-umatome auf der Lage 2a und der Boratome auf 16i wurdenDefokussierungsserien simuliert. Diese stimmen mit den ex-perimentellen Serien sehr gut 4berein (Abbildung 4).

Hinweise auf strukturell unterschiedliche Boratome inK7B7Si39 wurden mit Festk5rper-NMR-Spektroskopie erhal-ten. Das 11B-NMR-Signal (Imax. d=�5 ppm) hat zu hohenFrequenzen hin eine Schulter (Abbildung 5a). Die Satelli-

Abbildung 2. Kristallstruktur von K7B7Si39 in [100]-Orientierung. Zeich-nung ohne Aufspaltung in Split-Lagen (siehe Text). Gr1n: (Si + B) auf16i, rot: Si auf 24k und 6c, blau: K auf 2a und 6d. Die Pentagondode-kaeder sind blau, die Tetrakaidekaeder grau gezeichnet.

Abbildung 3. Ausschnitt aus dem Si/B-Ger1st mit Atomen auf denSplit-Lagen a,b=16i (7B + 9Si), c=24k und d=48l (Si).

AngewandteChemie

6847Angew. Chem. 2007, 119, 6846 –6850 � 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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ten4berg2nge liefern einen breiten, unstrukturierten Signal-beitrag, da die Kopplungskonstanten der 11B-Atome infolgeunterschiedlicher lokaler Umgebungen variieren. In einemFrequenzbereich von � 1 MHz um den Zentral4bergangwerden keine weiteren Signalintensit2ten beobachtet. Diesund die geringe Breite des Zentral4bergangs (Halbwerts-breite: 38 ppm) belegen, dass das Signal durch Quadrupol-kopplung (11B: Kernspin I= 3/2) lediglich moderat beein-flusst wird. Im Magic-Angle-Spinning(MAS)-NMR-Experi-ment sind die Rotationsseitenbanden bei einer Rotations-frequenz von 30 kHz vollst2ndig vom Signal des Zentral-4bergangs separiert (Abbildung 5c).

Die deutlich erkennbare Schulter auf der zu hohen Fre-quenzen gelegenen Seite des Signals des Zentral4bergangs istein Beleg f4r strukturell unterschiedliche Borpositionen(Abbildung 5b,c). Diese k5nnten sowohl durch die Fehlstel-len auf K-Positionen als auch durch das Auftreten von B-B-Bindungen neben Si-B-Bindungen bedingt sein. Die Intensi-

t2t des zweiten B-Signals ist aber zu groß, als dass sie sich mitder geringen Pr2senz von B-haltigen Fremdphasen erkl2renließe. Die Einstellung der Gleichgewichtsmagnetisierungdauert mit 60 s deutlich l2nger als die Relaxationszeit einermetallisch leitf2higen Probe.

K7B7Si39 ist diamagnetisch. Die magnetische Suszeptibili-t2t (c(300 K)��250M 10�6 emumol�1) ist schwach tempera-turabh2ngig und kann unter Ber4cksichtigung geringer An-teile para- und ferromagnetischer Verunreinigungen durchc(T)= c0 + c1T mit c0=�180·10�6 emumol�1 und c1=

�0.29·10�6 emumol�1 K�1 beschrieben werden. Der spezifi-sche elektrische Widerstand 1(T) ist relativ groß und steigtmit fallender Temperatur leicht an.[17] Er betr2gt bei Raum-temperatur ca. 3 mWm und erreicht bei 4 K ann2hernd dendoppelten Wert. Diese Befunde sprechen f4r einen dotiertenHalbleiter, was sich gut im Vergleich mit der berechnetenelektronischen Zustandsdichte verstehen l2sst (Abbildung 6).

Zur Berechnung nach der Dichtefunktionaltheorie[18] wurdeein hypothetisches Ordnungsmodell K8B8Si38 in der Unter-gruppe P4̄3n erstellt, in der die Lage 16i der RaumgruppePm3̄n in zwei achtz2hlige Lagen aufspaltet, von denen imModell eine mit Bor besetzt wurde. Die Modellverbindung istwie auch K7B7Si39 in Einklang mit dem Zintl-Konzept. Er-wartungsgem2ß wird eine sehr kleine Zustandsdichte amFermi-Niveau EF gefunden, was dem Temperaturverlauf desspezifischen elektrischen Widerstands entspricht.

Das beobachtete elektronische Transportverhalten stehtauch in Einklang mit der langen Relaxationszeit im NMR-Experiment. Es st4tzt das Ergebnis der R5ntgenstruktur-analyse, nach der die Zahl der Kaliumatome gleich der Zahlder Boratome ist und die Verbindung als Zintl-Phase aufge-fasst werden kann. Dies gilt zun2chst nur f4r die Zusam-mensetzung K7B7Si39, die nach den beobachteten Gitterpa-rametern an der borreichen Grenze eines schmalen Homo-genit2tsbereiches liegen d4rfte. Kristallstruktur und Eigen-schaften im Bereich mit gr5ßeren Gitterparametern, f4r dieein h5heres Si/B-Verh2ltnis anzunehmen ist, werden gegen-w2rtig untersucht. Die kleineren K2fige in borsubstituiertenClathraten k5nnten eine neue Perspektive f4r die Synthesevon Clathratverbindungen mit kleinen Kationen er5ffnen,von denen bisher nur wenige bekannt sind.

Abbildung 4. HRTEM-Abbildung von K7Si7B39 entlang [100]. Simulationim Bildausschnitt rechts unten (Kristalldicke: 5 nm, Defokussierung:�50 nm).

Abbildung 5. 11B-NMR-Signale von K7B7Si39: a) Ohne Probenrotation,b) mit 15 kHz Rotationsfrequenz, c) mit 30 kHz Rotationsfrequenz.(Gestrichelte Linien stellen Beitr6ge von unterschiedlichen Boratomendar.) d) Differenz zwischen dem mit 30 kHz gemessenen MAS-NMR-Spektrum und dem simulierten Spektrum des Zentral1bergangs.

Abbildung 6. Zustandsdichte (DOS) f1r ein K8B8Si38-Modell. Die parti-elle Zustandsdichte der Boratome ist dunkel unterlegt.

Zuschriften

6848 www.angewandte.de � 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2007, 119, 6846 –6850

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ExperimentellesSynthese: Zur Herstellung eines phasenreinen Produktes der Zu-sammensetzung K7B7Si39 wurde zun2chst ein Gemenge von Bor undSilicium im Molverh2ltnis 8:38 im elektrischen Lichtbogen unterArgon geschmolzen und in einer Borcarbid-Reibschale zu einemfeinen Pulver verrieben. Dieses wurde im Argon-Handschuhkastenmit einem Nberschuss an Kalium (molare Zusammensetzung desGemenges: K/Si/B= 12:38:8, Gesamtmenge ca. 1 g) in eine Tantal-ampulle (1: 10 mm außen, 8 mm innen, L2nge: 40 mm) gef4llt, dieanschließend unter Argon zugeschweißt wurde. Die Ampulle wurdein einem Quarzglasrohr unter Argon zun2chst einen Tag auf 650 8Cerhitzt, danach mit 10 8Ch�1 auf 900 8C aufgeheizt und zwei Tage beidieser Temperatur belassen. Nach Homogenisierung unter Argonwurde das Reaktionsprodukt nochmals zwei Tage bei 900 8C in einerTantalampulle getempert, die in ein Quarzglasrohr eingeschmolzenwurde. Das so hergestellte Pr2parat enthielt noch Si und weitere nichtidentifizierte Nebenprodukte, die aber durch Waschen zun2chst mitEthanol, anschließend mit K5nigswasser, Flusss2ure und nachfolgendmit Natronlauge entfernt werden konnten. Danach lag das Clathrat ingut f4r die Einkristallstrukturanalyse geeigneter Form vor. Bei Ver-wendung von amorphem oder sehr fein gepulvertem kristallinem Borkonnte K7B7Si39 auch ohne Vorreaktion von Si und B, durch direkteUmsetzung der Elemente, synthetisiert werden, wobei jedoch weni-ger reine Produkte entstanden.

Kristallographische Daten:[19] K7B7Si39, Mr= 1443.51, kubisch,a= 9.952(1) H, Raumgruppe Pm3̄n, Z= 1, 1ber= 2.434 gcm�3, Git-terparameter aus Pulveraufnahmen (Huber-Image-Plate-Guinier-Kamera G670, CuKa1-Strahlung l= 1.54056 H, LaB6 als internerStandard). Einkristalldaten: RIGAKU-Spider-Diffraktometer mitDrehanodengenerator und Varimax-Optik, AgKa-Strahlung l=

0.56087 H, w-Scans, 2qmax= 988, 21526 gemessene, 1845 unabh2ngigeund 1238 beobachtete (F> 4s(F)) Reflexe. Die Absorptionskorrek-tur wurde nach dem Multiscan-Verfahren durchgef4hrt. Struktur-verfeinerung gegen F mit WinCSD[20]: 28 Parameter verfeinert,R(F)= 0.116, R(F 2)= 0.060. 1K auf 2a, 000, Beq= 0.49(2), occ.:0.52(1); 6K auf 6d, 1/4 1/2 0, Beq= 1.50(2); 6Si auf 6c, 1/4 0 1/2, Beq=

0.46(2); 6.8(3)B + 9.2Si auf den Split-Lagen 2M 16i, xxx x1=

0.1828(2), Beq= 0.49(2), occ. B : 0.213(9), + Si : 0.287(9) und x2=

0.1974(2),Beq= 0.40(2), occ.B : 0.212(9), + Si : 0.288(9); 24 Si auf denSplit-Lagen 24k, 0yz mit y= 0.1159(4), z= 0.3069(4), Beq= 0.49(5),occ.= 0.32(1), und 48l, xyz mit x= 0.0145(2), y= 0.1252(2), z=0.2924(2), Beq= 0.51(3), occ. 0.347(3). Weitere Einzelheiten zurKristallstrukturuntersuchung k5nnen beim FachinformationszentrumKarlsruhe, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen (Fax: (+ 49)7247-808-666, [email protected]) unter der Hinterlegungsnummer CSD-418183 angefordert werden.

Elektronenmikroskopie: F4r SAED, HRTEM, EDXS und EELSwurde das Elektronenmikroskop Tecnai G2-F30 (FEI) mit Super-twin-Linse bei einer Beschleunigungsspannung von 300 kV betrie-ben. Das Mikroskop war mit einem abbildenden EnergiefilterGIF2001 (Gatan) und einer US1000-CCD-Kamera (Gatan) ausge-r4stet. Die Proben wurden in einem Achatm5rser zerrieben, in n-Butanol dispergiert und auf einen Kohle-Loch-Film aufgebracht. ZurSimulation von HR-TEM-Abbildungen wurde das ProgrammpaketEMS (Multi-Slice-Formalismus) verwendet.[21] EEL-Spektrenwurden im Beugungsmodus gemessen. Es wurden 25 Spektren an 6verschiedenen Kristalliten in den Orientierungen [100] und [111]sowie in beliebigen Orientierungen aufgenommen. Konvergenzwin-kel des beleuchtenden Elektronenstrahls: 1.1 mrad, Spektrometer-Abnahmewinkel: 4.9 mrad, Aufl5sungsverm5gen des Spektrometers(gemessen als Halbwertsbreite des Nullverlust-Peaks): 0.75 eV, Dis-persion des Spektrometers: 0.3 eV pro Pixel. F4r die Simulation vonEEL-Spektren wurde das Programm EELS Advisor (Gatan) ver-wendet.[22] F4r EDXS am REM wurde ein Phillips XL 40 mit De-tektor von EDAX und ultrad4nnem Fenster zur Detektion leichterElemente bis Bor verwendet.

Magnetismus und Leitf2higkeit: Die Magnetisierung einer Pul-verprobe (m� 86 mg) von K7B7Si39 wurde in einem SQUID-Magne-tometer (MPMS-XL7) bei Feldern m0H von 0.01 bis 7 T gemessen.Der elektrische Widerstand wurde mit einer Gleichstrom-Vier-Punkt-Methode an einer quaderf5rmigen, kalt gepressten Pulver-probe gemessen. Die Ungenauigkeit des Absolutwertes liegt bei� 20%.

NMR-Spektroskopie: Die Experimente wurden an einem BrukerAVANCE 500 WB mit einer Magnetfeldst2rke m0H von 11.74 Tdurchgef4hrt. Die Resonanzfrequenz f4r 11B liegt bei dieser Feld-st2rke bei 160.462 MHz. Die chemische Verschiebung der Signalewurde relativ zu BF3·OEt2 bestimmt. F4r die Aufnahme der Spektrenohne Probenrotation wurde ein f4r breite Signale optimierter Pro-benkopf verwendet (NMR-Service, Erfurt), f4r MAS-Messungen einStandard CP-MAS-Probenkopf (Bruker, Rheinstetten) sowie einZrO2-Rotor (1= 2.5 mm). Die Spektren wurden mit einer Echo-Pulsfolge und Pulsen gleicher Dauer aufgenommen. Dabei erfolgtendie MAS-Experimente mit Rotorsynchronisation mit einem Pulsab-stand von t= 1/nrot. Zum Vergleich der Signalformen wurden ohneProbenrotation aufgenommene Spektren mit einer entsprechendenZeitdauer zwischen den p/2-Pulsen gemessen. Die Dauer eines p/2-Pulses betrug 2 ms. Intensit2tsmessungen zeigen, dass die Gleichge-wichtsmagnetisierung nach ca. 60 s erreicht war, sodass diese Zeit alsScan-Intervall gew2hlt wurde.

Eingegangen am 7. M2rz 2007,ver2nderte Fassung am 6. April 2007Online ver5ffentlicht am 2. August 2007

.Stichw�rter: Bor · Clathrate · Einschlussverbindungen ·Silicium · Zintl-Phasen

[1] a) E. Hohmann, Z. Anorg. Allg. Chem. 1948, 257, 113 – 126;b) R. Sch2fer, W. Klemm, Z. Anorg. Allg. Chem. 1961, 312, 214 –220.

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[10] Hintergrundinformation S2: EDX-Spektrum des r5ntgenogra-phisch untersuchten K7B7Si39-Kristalls.

[11] Hintergrundinformation S3: Gitterparameter von Siliciden mitClathrat-I-Struktur.

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[15] F. Dubois, T. F. F2ssler, J. Am. Chem. Soc. 2005,127, 3264 – 3265.[16] Hintergrundinformation S4: Elektronenbeugungsdiagramm zur

Zonenachse [100].[17] Hintergrundinformation S5: Spezifischer elektrischer Wider-

stand von K7B7Si39 in Abh2ngigkeit von der Temperatur.[18] O. Jepsen, O. K. Andersen, 1999, TB-LMTO-ASA. Version 4.7.

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[19] Hintergrundinformation S6: kristallographische Daten zuK7B7Si39; Hintergrundinformation S7: Ortsparameter und Aus-lenkungsparameter zu K7B7Si39.

[20] L. G. Akselrud, P. Yu. Zavalii, Yu. Grin, V. K. Pecharsky, B.Baumgartner, E. W5lfel, Mater. Sci. Forum 1993, 133–136, 335 –340.

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Zuschriften

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