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Jagdgeschichte Jagdgeschichte Werner Schmitz E ines Morgens in den frühen 1980er-Jahren, erzählt man sich noch heute in Namibia, traf in Windhuk ein Bus voller Touristen ein. Sie wa- ren gerade auf dem Flughafen gelandet. Wäh- rend der Bus in weitem Bogen über den Kirch- berg in die Hauptstadt Südwestafrikas einfuhr, wies der Fremdenführer die Neuankömmlinge per Bordmikrofon auf die Sehenswürdigkeiten Windhuks hin: „Hier sehen Sie die Chris- tus-Kirche. Rechts das Rei- terdenkmal für die Deut- sche Schutztruppe. Wir fahren jetzt am Stadtpark vorbei nach rechts in die Kaiserstraße. Und links sehen Sie Graf Castell.“ Die Touristen staunten. Einige kicherten. Der alte Herr auf der anderen Straßenseite war wirklich ein Hingucker: Hubertus Friedrich Wolf- gang Otto Peter Eberhard Hugo Wilhelm Graf zu Castell-Rüdenhausen trug von Kopf bis Fuß baye- risch. Haferlschuhe traten die afrikanische Erde. Weiß-wollene Knie- strümpfe wärmten die Waden des Altadligen. Seine Knie umspielte der Wüstenwind. Die geräu- mige Lederhose kniff kein edles Teil. Der Janker stand lässig offen. Sein Haupt schützte der Graf vor der Sonne des Südens mit einem Lodenhut samt spannlangem Gamsbart. Der ließ den kleinwüchsi- gen Senioren ein wenig größer wirken. Sogar der Hund an seiner Seite war ein Bayer. Er vertrat die Rasse der Gebirgsschweißhunde an der Südwestfront. Glück im Unglück Hubertus Graf Castell und sein vierbeiniger Landsmann Pirschl genossen in Windhuk ei- nen legendären Ruf, spätestens seit dem Tag, an dem Jung-Pirschl seinem Herrn entlaufen war. Der Graf begab sich mit einer Hundede- cke an den Tatort, den städtischen Poloplatz, 78 JAGEN WELTWEIT 2/2015 „Rüdenhausen, Du taugst zu nichts, höchstens zum Nacht- wächter“. So urteilte ein Lehrer über Hubertus Graf Castell- Rüdenhausen. Der wanderte nach Namibia aus und wurde Berufsjäger. Eine Biografie. Ein bunter Hund mit braunen Flecken 78 Graf Castell mit seinen afrikanischen Allein- stellungsmerkmalen Lederhose, Lodenjanker und Gamsbart auf dem Weg zum Südwester Reiter in Windhuk Vor dem Reiterdenkmal plaudert Graf Castell mit einem Jagdgast

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JagdgeschichteJagdgeschichte

Werner Schmitz

E ines Morgens in den frühen 1980er-Jahren, erzählt man sich noch heute in Namibia, traf in

Windhuk ein Bus voller Touristen ein. Sie wa-ren gerade auf dem Flughafen gelandet. Wäh-rend der Bus in weitem Bogen über den Kirch-berg in die Hauptstadt Südwestafrikas einfuhr, wies der Fremdenführer die Neuankömmlinge per Bordmikrofon auf die Sehenswürdigkeiten Windhuks hin: „Hier sehen Sie die Chris-tus-Kirche. Rechts das Rei-terdenkmal für die Deut-sche Schutztruppe. Wir fahren jetzt am Stadtpark vorbei nach rechts in die Kaiserstraße. Und links sehen Sie Graf Castell.“ Die Touristen staunten. Einige kicherten.

Der alte Herr auf der anderen Straßenseite war wirklich ein Hingucker: Hubertus Friedrich Wolf-gang Otto Peter Eberhard Hugo Wilhelm Graf zu Castell-Rüdenhausen trug von Kopf bis Fuß baye-risch. Haferlschuhe traten die afrikanische Erde. Weiß-wollene Knie-strümpfe wärmten die Waden des Altadligen. Seine Knie umspielte der Wüstenwind. Die geräu-mige Lederhose kniff kein edles Teil. Der Janker stand lässig offen. Sein Haupt schützte der Graf vor der Sonne des Südens mit einem Lodenhut samt spannlangem Gamsbart. Der ließ den kleinwüchsi-

gen Senioren ein wenig größer wirken. Sogar der Hund an seiner Seite war ein Bayer. Er vertrat die Rasse der Gebirgsschweißhunde an der Südwestfront.

Glück im Unglück

Hubertus Graf Castell und sein vierbeiniger Landsmann Pirschl genossen in Windhuk ei-nen legendären Ruf, spätestens seit dem Tag, an dem Jung-Pirschl seinem Herrn entlaufen war. Der Graf begab sich mit einer Hundede-cke an den Tatort, den städtischen Poloplatz,

78 JAGEN WELTWEIT 2/2015

„Rüdenhausen, Du taugst zu nichts, höchstens zum Nacht-wächter“. So urteilte ein Lehrer über Hubertus Graf Castell- Rüdenhausen. Der wanderte nach Namibia aus und wurde Berufsjäger. Eine Biografie.

Ein bunter Hund

mit braunen Flecken

78

Graf Castell mit seinen afrikanischen Allein-stellungsmerkmalen Lederhose, Lodenjanker und Gamsbart auf dem Weg zum Südwester Reiter in Windhuk

Vor dem Reiterdenkmal plaudert Graf Castell mit einem Jagdgast

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Mit 68 Jahren wurde Graf Castell Berufsjäger und später Vorsitzender des südwest-

afrikanischen Jägervereins Fotos: Johann Hendrik Mohr

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und wartete. Einen Tag, die folgende Nacht, den nächsten Tag. Die Bevölkerung Windhuks nahm regen Anteil an dem Schauspiel, das ein am Wege lagerndes, die Rückkehr seines Hun-des erhoffendes Mitglied des deutschen Hoch-adels bot. Castell-Rüdenhausen ertrug den Spott der Städter mit Contenance – und hatte das bessere Ende für sich. Nach 36 Stunden kehrte Pirschl zu seinem Grafen zurück.

Auch die kniefreie Lederhose, Castells Al-leinstellungsmerkmal südlich der Sahara, hat-te ihre Geschichte. „In der Lederhose habe ich schon mein Abitur gemacht“, erzählte ihr Träger 1983 einer Reporterin der Allgemeinen Zeitung.

60 Jahre später erinnerte sich Castell an den 1. Auftritt des Studenten, der ihn fürs Abi fit gemacht hatte. „Er kam an, und wir hörten ihn mit strammem Schritt die Wendeltreppe her-aufkommen, und vor uns stand ein strammer SS-Mann, grüßte vorschriftsmäßig und blitzte uns mit frohen Blauaugen an. Das hatten wir zwar nicht erwartet, aber es störte uns keines-wegs, denn auch wir waren, wie derzeit fast jedermann, überzeugte Anhänger des Natio-nalsozialismus.“ So steht es im Lebenslauf, den Castell-Rüdenhausen 3 Jahre vor seinem Tod für das Archiv Basler Afrika Bibliografien schrieb. Wer einen solchen Text noch 1992 für die Nachwelt verfasst, muss zeitlebens verblendet gewesen sein oder außergewöhnlich einfältig – oder beides. Zeitgenossen, die ihn gut kann-ten, versichern aber, dass Graf Castell – im Gegensatz zu vielen Namibiadeutschen seiner Generation – sich im persönlichen Gespräch

nie rassistisch oder braun angehaucht geäu-ßert habe.

Jedenfalls war Hubertus Castell schon 1932 in die NSDAP eingetreten. 1 Jahr später folgten ihm Mutter Freda und das Muckilein. So nannte Castell seine Schwester Clementine, „ein goldiges, immer vergnügtes Wesen, das ich mein Leben lang innig liebte.“ Comtesse Castell machte im Bund Deutscher Mädel (BDM), der weiblichen Hitlerjugend, Karriere. Sie brachte es bis in den Stab der Reichs- jugendführung. 1938 wurde das „goldige We-sen“ Beauftragte des BDM-Werks Glaube und Schönheit.

Südwestafrika statt Straßengraben

Da arbeitete Bruder Hubertus schon 3 Jahre auf einer Schaffarm in Südwestafrika. Eigent-lich hatte er nach dem Abitur als Fahnenjun-ker ins Bamberger Reiterregiment eintreten wollen, doch die Bamberger Reiter lehnten dankend ab. Die daraufhin angestrebte „Füh-rerlaufbahn“ im Reichsarbeitsdienst endete im Frühstadium. „Du gehst nach Südwest- afrika“, sagte sein Vater schließlich, „sonst landest du hier im Straßengraben. Da unten gibt es keine.“

Ungewöhnlich war die Entscheidung des Vaters nicht. Artur Heye, ein Weltenbummler, der eine Generation früher Afrika bereist hat-te, berichtete von ähnlichen Fällen. „In

Bayern in Südwestafrika. Graf Castell in seiner legendären Lederhose mit seiner Frau Herta und dem Bayerischen Gebirgsschweißhund Pirschl in ihrem Garten in Windhuk

Begleitet von seiner Gattin – besucht Graf Castell eine Trophäenschau in Südwest, die er wohl (mit)organisiert. Die Hege des afrikanischen Wildes lag ihm am Herzen

Man schrieb das Jahr 1933, als der Spross des fränkischen Fürstenhauses Castell-Rüdenhau-sen mit 23 Jahren endlich die Hochschulreife schaffte. Auf dem Wege zum Abitur hatte Jung-Hubertus 4 Gymnasien und 3 Hauslehrer verschlissen. „Rüdenhausen, Du taugst zu nichts, höchstens zum Nachtwächter“, hatte einer der entnervten Lehrer ihm prophezeit. Erst der letzte Privatpauker fand einen Dreh, seinen Zögling ans Lernen zu bringen: Wenn Hubertus eine Aufgabe gelöst hatte, fuhren sie zur Belohnung in den Wald, und der Junggraf durfte vom Wild und vom Jagen schwadro-nieren. Eine Vorliebe, der er bis zum Lebens- ende frönen sollte.

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Deutschland wusste man über alles in der Welt Bescheid, nur nicht über die eigenen Koloni-en. Höchstens, dass sie weit weg lagen, wild- und menschenleer waren und ein Feld für Leute mit einem Plus an Betätigungsdrang. Und vielleicht einem Minus an moralischer Beschwerung!“, schrieb Heye in seinen Erin-nerungen. „Aus dieser Erkenntnis heraus be-gannen ja bereits feudale Familien, ihre nicht ganz einwandfrei geratenen Sprösslinge gegen das Versprechen, bestimmt nie wiederzukom-men, mit einer Schiffskarte und einem Scheck ausgerüstet, nach den Kolonien zu verfrach-ten. Anstatt wie früher nach Amerika. Ob ge-rade mit diesen Repräsentanten des Deutsch-tums den Schutzgebieten besonders gedient war, ist allerdings zu bezweifeln.“

Seine Kindheit hatte Hubertus Graf zu Castell-Rüdenhausen noch in einer vorneh-men Münchner Villa verbracht. Vater Her-mann war Offizier im Leibregiment des Bay-erischen Königs. „Mit sehenden Augen sind mir noch Bilder aus dieser glanzvollen Zeit erinnerlich“, schrieb der alt gewordene Hu-bertus in seinem Lebenslauf, „die feenhafte Kleidung der Mama, mit langer Schleppe und Diadem im Haar, wenn die Eltern zu Hofe ‚befohlen‘ waren, dazu der Papa in der hell- blauen Uniform des Leibregiments, mit rotem, silberbesticktem Kragen und Aufschlägen, blitzenden Epauletten und leise klingelnden Sporen. Es war wie ein Märchen!“

Als Sohn Hubertus nach Afrika aufbrach, war das Märchen lange vorbei. Die Offiziers-

Als „Majordomus im Tintenpalast“ trug Graf Castell-Rüdenhausen eine Fantasie- Uniform mit allerlei Orden

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familie betrieb eine Hühnerfarm im Fränki-schen. Verantwortlich für den Niedergang machte man die Novemberrevolution. Noch in seinem Lebenslauf von 1992 giftete Graf Castell gegen den „Diktator der Münchner Räterepublik, Kurt Eisner“. Der sei „ein polni-scher Jude“ gewesen. (Eisner war gebürtiger Berliner, bayerischer Ministerpräsident und schon vor Errichtung der Räterepublik vom Grafen Arco ermordet worden.)

Eigentlich kein Wunder, dass sich beacht-liche Teile der Familie Castell der NSDAP an-

schlossen. Merkwürdig nur, dass für den früh bekehrten Hubertus bei den Nazis kein Pöst-chen zu finden war.

Als Eleve auf der Schaffarm

Also ab nach Afrika. Am 16. Februar 1935 schiffte sich der junge Graf in Hamburg auf der Ussukuma ein und betrat 40 Tage später in Lüderitzbucht afrikanischen Boden. Statt Ka-vallerieoffizier in Bamberg wurde er Eleve auf der Schaffarm Eirup am Rande der Kalaha-ri-Wüste. Anscheinend lagen Castell die Scha-fe mehr als die Schule.

Schon nach einem halben Jahr wurde er mit der Leitung der Karakulschafzucht be- traut. Er hatte plötzlich 10.000 Schafe unter sich. Den Südwestern mag das imponiert ha-ben. Margarete Schröder jedenfalls, die Schwester des Farmleiters, verliebte sich in den zupackenden jungen Grafen. 1939 wurde sie durch Heirat eine Gräfin Castell.

12 Jahre arbeitete Hubertus auf Eirup, zeugte 2 Söhne und eine Tochter, ging ausgie-big zur Jagd und übernahm dann die Leitung der Doppelfarm Welbedacht und Kriess. Kurz darauf verließ ihn seine Frau Margarete. Die 3 gemeinsamen Kinder blieben beim Vater zurück. Castell erinnerte sich an eine „liebens-werte Reisebekanntschaft“ von der Ussukuma,

Diesen Gastjäger führte Graf Castell erfolgreich auf einen Springbock

Graf Castell-Rüdenhausen mit erlegtem Springbock, den er stolz präsentiert

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mit der er immer noch korrespondierte. Her-ta Edlich eilte dem Verlassenen zu Hilfe und heiratete ihn bald darauf. Die Ehe der beiden hielt bis zu ihrem Tod im Jahre 1995.

Erst Farmer, dann Schakaljäger

1955 machten sich die Eheleute Castell selbst-ständig. Sie pachteten Ondaura, eine Rinder-farm im Norden Namibias. Elefanten gab es dort, die aus dem Kaokoveld herüberwechsel-ten, Nashörner, Löwen, Leoparden. Von den Big Five fehlte nur der Büffel.

In seinem autobiografisch geprägten Kin-derbuch „Dornenzweige und Mopaneblätter“ schrieb Graf Castell später viel vom Jagen auf Ondaura. Wenn nur die Hälfte der Geschich-ten nicht dem Reich der Fabel zuzuordnen ist, kann dem Farmer wenig Zeit fürs Rindvieh

geblieben sein. Zumal auch ei-

Foxhound-Meute. 6 Monate war Castell Hunds-master des Schakalclubs Vlak-Auob Mariental.

Gejagt wurde wegen der Hitze nur vormit-tags. Morgens um 5 trafen sich die Jagdreiter auf einer Farm. Wenn der Schakal den Bau annahm, sprengte ihn ein Terrier und weiter ging die Hatz. Nicht weniger als 16 Hunde-meuten will Castell in Mariental geführt ha-ben. Mag er als Pennäler auch Probleme mit dem Lateinischen gehabt haben, das große Jägerlatinum bereitete dem erwachsenen Gra-fen keine Schwierigkeiten.

Einträglich war der Job als Hundsmaster wohl nicht. In seiner Finanznot bewarb sich Castell als Forst- und Jagdverwalter bei seiner adligen Verwandtschaft in Deutschland. Hu-bertus bestritt zwar energisch, das schwarze Schaf der Familie Castell-Rüdenhausen gewe-sen zu sein. „Oh nein, im Gegenteil. Man hat mich so oft gebeten zurückzukommen“, er-zählte er beispielsweise 1983 der Allgemeinen Zeitung, dem Zentralorgan der Namibia-Deut-

schen. Doch ein-

stellen wollte den verlorenen Sohn 1960 niemand aus der Sippe.

Vom Majordomus zum Berufsjäger

Andere hätte ein solches Schicksal vielleicht gebrochen. Hubertus Castell nicht. Der kleine Kerl aus hohem Adel war ein Stehaufmänn-chen. Er wurschtelte sich durch, nahm das Leben, wie es kam, und behielt den Kopf über Wasser. Als Tierfreund war er sich nicht zu fein, eine Stelle als Aufsichtsführer im Wind-huker Zoo anzunehmen. Immerhin war er nun Beamter der Administration Südwest- afrikas und wurde – wie bei Beamten üblich – bald befördert. Zum „Majordomus des Tin-tenpalastes“. So titulierte sich Castell-Rüden-

Eine Trophäe wird ausgepunktet

ne Deutsch-Kurzhaar-Zucht zu seinen Hobbys gehörte. „Von Rüdenhausen“ nannte der Graf seinen Zwinger. Hinzu kam der „Einsatz für den Erhalt der Elefantenbestände und kon-zentrierte Tätigkeit für den Wild- und Natur-schutz“, wie er in seinem Lebenslauf schrieb.

Als 1959 eine Dürre den Norden Namibi-as heimsuchte, mussten die Castells ihre Farm aufgeben. Mit 400 klapprigen Kühen treckte der Graf nach Süden, päppelte das Rindvieh auf Pachtweiden auf und verkaufte es. Seine Frau nahm eine Stelle als Sekretärin in Wind-huk an, Castell selbst wurde – „um uns über Wasser zu halten“ – Schakaljäger im Distrikt Mariental.

Den bei Farmern verhassten Wildhund jagte der Adlige nach Art seiner englischen Standesgenossen: hoch zu Ross hinter der

JagdgeschichteJagdgeschichte

hausen selbst. Tintenpalast nannten die Süd-wester das Landratsgebäude, in dem das Par-lament der weißen Namibier tagte.

Ein Majordomus ist eigentlich ein Haus-meister. Der Graf lief aber keineswegs im grau-en Kittel über die Flure, um defekte Glühbirnen auszuwechseln. Castell legte sich eine blaue Uniform mit goldenem Ornat an den Ärmeln zu. Sein Job war es, Regierungsgäste und Tou-risten durch Tintenpalast und Stadt zu führen. „Eine sehr schöne Aufgabe“, fand er.

15 Jahre währte die Majordomus-Phase in Castells Leben, dann wurde er pensioniert – und war wieder in Geldnot. Von seiner kleinen Rente konnten seine Frau und er nicht leben. Also ließ er sich als Berufsjäger registrieren und begann im zarten Alter von 68 Jahren, zahlende Jagdgäste zu führen. Deutsche zu-meist, die durch ihn Namibia entdeckten.

Castell wusste, wie er an Kunden kommen konnte. Da war zum einen sein in Jägerohren wohlklingender Name. Sein Vetter Siegfried Fürst zu Castell-Rüdenhausen war Präsident des Bayerischen Jagdverbandes gewesen. Dann schrieb Hubertus eine Menge Artikel für die deutsche Jagdpresse, die ihn in der Heimat bekannt machten. Schließlich legte er ein Handbuch für Auslandsjäger vor. Sein „Jagen zwischen Namib und Kalahari“ erlebte im Verlag Paul Parey 2 Auflagen. 1982 verlieh ihm der Deutsche Jagdschutzverband die silberne

Ehrennadel für „Verdienste um die Be-gründung und Förderung waidgerechter Jagdausübung in Südwestafrika“.

Castell war Vorsitzender des süd-westafrikanischen Jägervereins und Mit-glied des internationalen Jagdrates CIC. Über Weidgerechtigkeit, Brauchtum und Jagdhunde hielt er Jungjägern Vorträge, die er Vorlesungen nannte. Dabei sollen seine Fähigkeiten als Jagdpraktiker durchaus limitiert gewesen sein. Einmal ließ er einen Jagdgast einen Warzenkeiler schießen, der sich beim beherzten Her-antreten ans erlegte Stück als Bache er-wies. Castells Kommentar: „Aber als Ba-che ist sie kapital.“

Seine Liebe zur afrikanischen Natur und ihren Wildtieren stand allerdings außer Zwei-fel. Sehr weitsichtig erkannte er schon in den 1960er Jahren, dass Nationalparks allein den Niedergang des Wildes nicht aufhielten. Ent-scheidend sei, dass Farmer auf ihrem Besitz das Nutzungsrecht am Wild hätten und es deshalb schon im eigenen Interesse hegten. Die Entwicklung hat dem Grafen Recht gege-ben.

Der entführte Osterhasenkönig

Es gibt ein Leben nach der Rente. Unter dieses Motto könnte man die letzten beiden Jahr-zehnte im Leben des Grafen stellen. Als Onkel

Wülsch schrieb er Kinderbücher und das Hörspiel „Der entführ-te Osterhasenkönig“, malte mit Wasserfarben und Buntstiften (natürlich aus dem Hause Fa-ber-Castell), veranstaltete Aus-stellungen seiner Bilder, spielte Theater in selbstverfassten Stückchen. Große Kunst war das alles nicht, und oft wurde die Grenze zum Peinlichen nicht nur gestreift. Der Graf war da schmerzfrei: „Ich lebe von mei-nem Einkommen als Berufsjä-ger, von meiner Schriftstellerei und vom Malen.“

„Er ist der musische, ich bin der realistische Partner in unse-

Stolz präsentierte Graf Castell einen von ihm erlegten Kudu

Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela mit Blessbock. Graf Castell hielt Mandela für nicht weidgerecht Foto: Archiv Dr. Rolf D. Baldus

rer Ehe“, stellte seine Frau Herta, die es 45 Jahre mit dem bunten Hund an ihrer Seite aushielt, fest. „Aber wenn er mir Jägerlatein erzählt, weiß ich das schon auszusortieren.“

Auch im Alter hat Hubertus zu Castell-Rü-denhausen nicht nur Narrengeist verspritzt. Wenn es um politische Fragen ging, mutierte der Graf zur Giftspritze. Als das ZDF 1985 Uwe Timms Roman Morenga über den Aufstand der Nama gegen die deutschen Kolonialherren verfilmte, geiferte Castell: „Uwe Tim (!) ist bekannte (!) Autor in der DDR und Mitglied der Kommunistischen Partei. Er hat dort den Kulturpreis für Litteratur (!) erhalten.“

Das sprach nicht nur den Regeln der Rechtschreibung Hohn. Uwe Timm war und

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ist einer der angesehensten (west)deutschen Schriftsteller. Er lebt in München. Die west-deutsche DKP hatte Timm 4 Jahre vor Erschei-nen des Morenga-Films wegen ihrer unkriti-schen Haltung zur DDR verlassen.

Auf solche Feinheiten kam es Castell nicht an. Er konnte nicht begreifen, „dass es die CDU-Regierung nicht schafft, das ganze Ge-sindel aus dem Fernsehen herauszukatapul-tieren.“ Das klingt schrill, aber in Windhuk waren solche Auffassungen damals mehrheits-fähig. In der Bundesrepublik ging der Schnack, der linke Flügel der deutschen Südwester sym-pathisiere mit Franz Josef Strauß.

Mit der weißen Herrschaft in Südwestafrika ging es zu Ende. Das war in den 1980er Jahren auch dem Dümmsten klar. Castell wehrte sich mit Händen und Füßen gegen diese Einsicht. Als der SPIEGEL einen kritischen Bericht über Südwest druckte, schrieb Castell an seine Be-kannten: „Liebe Freunde Südafrikas! Der SPIE-GEL muss jetzt, und zwar sofort, mit einer Flut von Leserbriefen überschüttet werden.“ Auf einer Deutschlandreise kontaktierte er mehre-re PR-Agenturen, um sie für eine Image-Kam-pagne für sein Südwest zu gewinnen. Das Gan-ze scheiterte, wie so vieles im Leben des Grafen Castell, am fehlenden Geld.

Die mit der Unabhängigkeit einhergehen-de Machtübernahme der schwarzen Mehrheit der Namibier verbitterte den alten Grafen. 1989 musste er, weil 80 Jahre alt, auch noch seine Berufsjägerlizenz zurückgeben. Am liebs- ten sitze er nur noch in seinem Garten und höre klassische Musik, schrieb er einer alten Bekannten nach Südafrika.

Als der Windhuker Stadtrat 1993 Straßen, die noch immer Namen aus der deutschen Kolonialzeit trugen, umbenannte, raffte Castell sich noch einmal zu einem Leserbrief an die Allgemeine Zeitung auf. Darin brach er eine Lanze für Major Theodor Leutwein. Nach dem deutschen Schutztruppenoffizier war ei-ne Straße im Zentrum Windhuks benannt. Leutwein hatte 1894 den Aufstand der Orlam unter Hendrik Witboi niedergeschlagen und 10 Jahre später gegen die Hereros gekämpft. Castell sah das anders: „Es geschah dann, dass er zu einem Defensivkrieg gegen die Hereros gezwungen wurde“, schrieb er.

Fährtenleser Mandela und Graf Castell

Und dann druckte gar das deutsche Jagdma-gazin „Wild und Hund“, für das der Graf so

oft geschrieben hatte, eine Meldung von Rolf D. Baldus. „Nelson Mandela – ein Jäger“, hieß die Überschrift, und das dazugehörige Foto zeigte den Friedensnobelpreisträger mit einem selbst erlegten Blessbock.

Dieses veranlasste Hubertus Graf Castell-Rüdenhausen, ein letztes Mal zur Feder zu greifen: „Diese wohlmeinende Lobby von Rolf D. Baldus habe ich mit Erstaunen gele-sen“, schrieb er, „denn sie lässt erkennen, dass der Autor weder Herrn Mandela noch die jagd-lichen Verhältnisse im südlichen Afrika aus

leser im weiß-blauen Trainingsanzug“. Ein Schwarzer auf einem Jagdfoto? Das kann nur der Tracker sein, jedenfalls im Weltbild des Grafen Castell. Tatsächlich war der Fährten- leser auf dem Foto niemand anderes als Nelson Mandela selbst. Aber man kann auch nicht jeden kennen.

Die „Wild-und-Hund“-Redaktion verzich-tete übrigens auf den Abdruck dieses Leser-briefes.

Am Ende ging es Schlag auf Schlag. Zu Beginn des Jahres 1995 starb die Gräfin Herta.

t

eigener Sicht kennt. Nein, Nelson Mandela ist weder ein Jäger noch ist er von Jagdpassion in unserem Sinne beseelt.“

Und weiter: „Mandela ist ein Angehöriger der Xhosa, die nie zu den Jägervölkern zähl-ten. Ein wirkliches waidgerechtes Denken, ein Sinn für Hege und selektives Jagen liegt ihnen fern und entspricht auch nicht Mandelas We-sensart.“

Besonders erregte den Grafen der hinter dem Blessbock „kniende schwarze Fährten-

Nach 60 Jahren brach Hubertus Graf zu Castell seine Zelte in Südwestafrika ab. Zum Sterben kehrte er ins Schloss Rüdenhausen zurück.

Am 2. September 1995 verschied der Graf „in der Bundesrepublik Deutschland, dem Rumpf, der vom ehemaligen Deutschen Reich geblieben war“. Das rief ihm ein Neffe in den Casteller Nachrichten, dem Mitteilungsblatt der Familie, nach.

Der Satz schaffte es – als Zitat der Woche – bis in den SPIEGEL.

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Auszug aus dem Buch von Rolf D. Baldus/Werner Schmitz (Hrsg.): „Auf Safari. Legendäre Afrikajäger von Alvensleben bis Zwilling“.352 Seiten, 144 SW-Fotos, 9 Zeichnungen, Hard-cover mit Schutzumschlag. Preis: 34,99 Euro. Kosmos Verlag, Stuttgart; www.kosmos.de,ISBN 978-3-440-14007-9

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Das Buch ist ausgesprochen informativ und zudem frisch geschrieben. Das Preis-/Leistungs-verhältnis ist erstklassig. Wer da nicht sofort zugreift, kann entweder nicht rechnen oder hat keinerlei Freude an afrikanischer Jagd. Dr. Rolf Roosen