internet of things, participatory sensing, wearables.€¦ · internet of things, participatory...
TRANSCRIPT
Internet of Things, Participatory Sensing, Wearables. Neue Formen der Datengewinnung, neue Anwendungen, neue
normative Überlegungen, neuer Regulierungsbedarf?
Karsten Weber1, Nadine Kleine1,
Frank Pallas2, Max-R. Ulbricht2 1Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST), OTH Regensburg 2Fachgebiet Information Systems Engineering, TU Berlin
PARTICIPATORY SENSING Unter Participatory Sensing wird die Idee der Einbeziehung von
Bürgern und Gemeinschaften in den Prozess des Erfassens und
Dokumentierens von Umgebungsbedingungen verstanden.
“Participatory Sensing emphasizes the involvement of citi-
zens and community groups in the process of sensing and
documenting where they live, work, and play. It can range
from private personal observations to the combination of
data from hundreds, or even thousands, of individuals
that reveals patterns across an entire city.” [1]
Als Beispiel kann das Oxford Flood Network zur partizipativen
Erfassung von Pegelständen der Flüsse Themse und Cherwell
genannt werden; Ziel ist, Überflutungen auf Basis hochauf-
gelöster Daten besser als bislang begegnen zu können. Das
Projekt AirQualityEgg wiederum dient der partizipativen Er-
fassung von Luftgüteparametern wie Stickstoffdioxid-,
Kohlenstoffmonoxid- oder Feinstaubgehalt. In beiden Fällen
werden Sensoren samt Verarbeitungs- und Übermittlungs-
einheiten von interessierten Teilnehmern an geeigneten Posi-
tionen installiert und betrieben. Sollte sich der partizipative
Betrieb solcher Sensoren durchsetzen, erscheint es plausibel,
dass die Daten von innovativen Unternehmen z.B. in Internet-
Dienste zur Berechnung von Überflutungswahrscheinlich-
keiten einbezogen werden. Werden derartige Dienste von Ver-
sicherungen genutzt, um individuelle Risikoprämien zu
berechnen oder gar in Verwaltungsentscheidungen (z. B. Aus-
weisung von Flächen als Bauerwartungsland, öffentliche In-
vestitionen) einfließen, würden sich Fragen nach der Validität
solcher Entscheidungen und damit nach der grundsätzlichen
Akzeptabilität entsprechender Nutzungsmuster stellen.
WEARABLES Wearable Technologie kann definiert werden als
„a new form of human-computer interaction comprising a
small body-worn computer system that is always on and al
ways ready and accessible“. [2]
Die charakterisierenden Eigenschaften der Wearable Technolo-
gie sind die immerwährende Einsatzbereitschaft, die Verschie-
bung der Geräte vom Nutzerfokus in den Hintergrund und die
Vernetzung mit der Umgebung [3][4]. Vier Funktionen können
unterschieden werden: Die Aufnahme von Daten des Trägers
und Informationen aus der direkten Umgebung (Tracking),
deren systematische Verarbeitung und Untersuchung auf
Muster (Monitoring), Informationsweitergabe an andere Geräte
und die Nutzung zur Mensch-zu-Mensch-Interaktion
(Communication) sowie die Bereitstellung zusätzlicher, zum
Kontext passender Informationen (Augmentation). Wearables
als technische Assistenten ermöglichen Aktivitäten zu quanti-
fizieren und die gewonnenen Daten weitergehend zu nutzen
[5]. Insbesondere im Gesundheitswesen könnten Wearables
neue Formen der Prävention, Erkennung und Behandlung
unterstützen, da bspw. ein dauerhaftes Vitaldatenmonitoring
verspricht, frühzeitig Krankheitssymptome erkennen und da-
her besser intervenieren zu können. Darüber hinaus wird in-
tensiv diskutiert, verhaltensbasierte Formen der Kranken-,
Risikolebens- und anderer Versicherungen zu etablieren, um
Kosten gezielter den Verursachern zurechnen zu können.
Weiterhin verspricht die massive Sammlung von Gesund-
heitsdaten einen Erkenntnisschub im Bereich der Epidemio-
logie.
HERAUSFORDERUNGEN Die skizzierten Szenarien lassen das Potenzial des Participatory
Sensing und von Wearables erkennen, eine schnelle Ent-
wicklung unterschiedlichster datengetriebener Dienste und
Anwendungen zu ermöglichen, die in Bezug auf die zur Ver-
fügung stehende Menge und Detaillierung von Sensordaten
einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten, der sich mit anderen
Mitteln kaum erreichen ließe. Dabei kommt den solchen Dien-
sten — potenziell auch über mehrere Integrationsstufen hin-
weg — zugrunde liegenden Daten eine besondere Bedeutung
zu, sobald die entsprechenden Dienste und Anwendungen in
Prozesse von gesellschaftlicher Relevanz einfließen. Das bis-
lang vor allem positiv konnotierte Prinzip der partizipativen
und mit möglichst geringen Einstiegshürden verbundenen Ein-
bindung möglichst vieler individueller und korporativer Ak-
teure wird zu einem Risiko, wenn die Korrektheit der Daten
nicht ausreichend gewährleistet ist und mit Etablierung ent-
sprechender Dienste offensichtliche Anreize zur Bereitstellung
absichtlich verfälschter Sensordaten bestehen.
Technisch ausgedrückt steht infrage, wie gegenüber den
Sensordatennutzern Quality of Service (QoS) bzw. Quality of
Data (QoD) garantiert werden kann. Denkbar wäre bspw., dass
Daten nur von Sensoren akzeptiert werden, die mit ent-
sprechenden Maßnahmen sicherstellen können, dass die
gemessenen Daten auf dem Übertragungsweg nicht verfälscht
werden können. Die Tragfähigkeit technischer Lösungen muss
jedoch bezweifelt werden, da sie schwierig zu erzwingen und
zudem leicht zu umgehen wären; es sind zahlreiche, oftmals
sehr einfach zu realisierende, Angriffsszenarien am Sensor
selbst vorstellbar, die entsprechende Sicherungsmechanismen
aushebeln. Daher müssten Signalisierungsmöglichkeiten für
Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit entwickelt werden, welche
auf ähnlichen Strukturen aufbauen könnten, wie sie sich bspw.
in der Open Source-Szene oder allgemeiner in der Commons-
based peer production bzw. in der Verwaltung von Allmende-
gütern etabliert haben, um etwas, das man als „soziale Sensor-
validierung“ bezeichnen könnte, zu konstituieren. Das wirft
Probleme zweiter Ordnung auf (s.u.), bedeutet Ressourcen-
aufwand und könnte daher die Bereitschaft zur Bereitstellung
entsprechender Technik mindern. Doch ohne Regulierungs-
mechanismen „jenseits von Markt und Staat“ werden solche
Dienste langfristig nicht funktionieren können und vermutlich
auch keine Akzeptanz gewinnen.
ANFORDERUNGEN UND LÖSUNGEN Damit die hier beschriebene Technik eine weite Verbreitung
und Nutzung erreichen kann, müssen einige Anforderungen
erfüllt werden:
(1) Es muss eine hohe Sensordichte erreicht werden, damit
das Potenzial bspw. von Participatory Sensing gehoben
werden kann. Vorgeschlagen werden bspw. Anreize [6] für
jene, die Sensoren bereitstellen, oder Gamification-
Elemente [7].
(2) Auf die von den Sensoren bereitgestellten Daten muss
leicht zugegriffen werden können; hierzu werden sicher-
lich noch Standardisierungsmaßnahmen notwendig wer-
den.
(3) Insbesondere bei der Nutzung von Wearables, aber auch
im Fall von Participatory Sensing, stellen sich Fragen nach
Datenschutz und Schutz der Privatsphäre [8][9].
(4) Zuletzt muss geklärt werden, wie die Qualität der Daten
gesichert werden kann, um einerseits Missbrauch zu ver-
hindern, ohne dabei andererseits zu hohe regulatorische
und/oder technische Hürden aufzurichten [10][11].
Erste vorläufige Analysen vorhandener Studien bestätigen den
ziemlich offensichtlichen Zusammenhang der Forderungen
nach hoher Sensordichte und verlässlichen Daten, da für beide
Anforderungen Anreize für die Datenlieferanten gegeben sein
müssen. Bisher diskutierte Lösungen (externe Anreize wie
Micropayment, Reputation etc.) laufen jedoch auf zentralisierte
Systeme hinaus; dies befreit (potenzielle) Nutzer von Kontroll-
und Sanktionierungskosten, bedeutet aber den Verlust der
Möglichkeit zur Einflussnahme und der eigenen Kontrolle auf
Missbrauch der Daten. Alternative Ansätze, die bspw. auf
Ideen einer Commons-based peer production [12] bauen, sen-
ken zwar einerseits soziale und regulatorische Hürden, können
aber nur unzureichend Quality of Data (QoD) garantieren. Für
lokale Initiativen mögen entsprechende Ansätze funktionieren,
doch ob diese mit der Größe von Sensornetzwerken skalieren,
ist ungeklärt. Zudem bringen vergleichbare Ansätze mit sich,
dass Kontroll- und Sanktionierungskosten durch die Nutzer
getragen werden müssen; dies kann für viele potenzielle Bei-
tragende als Eintrittshürde wirken.
Allerding muss festgehalten werden, dass die skizzierten Pro-
bleme in der Praxis bisher noch nicht relevant sind, da es nur
eine relativ kleine Zahl entsprechender Projekte und daran par-
tizipierender Personen gibt. Daher kann derzeit nicht von ei-
nem allgemeinen Regulierungsbedarf gesprochen werden, der
womöglich auf staatlicher Ebene bedient werden müsste, da
die bisherigen Anwendungen kaum von öffentlichem Interesse
sind. Dies würde sich jedoch ändern, wenn Roh- oder aggre-
gierte Daten von IoT-Gegenständen massiv zur Verfügung
stünden und darauf weitergehende Dienste, wie sie oben skiz-
ziert wurden, aufsetzen würden.
LITERATUR [1] Goldman, J., K. Shilton, J. Burke, D. Estrin, M. Hansen, N. Ramanathan, S. Reddy,
V. Samanta, M. Srivastava & R. West, 2009. Participatory sensing: A citizen-
powered approach to illuminating the patterns that shape our world. Foresight
& Governance Project, White Paper, 2009, https://www.wilsoncenter.org/sites/
default/files/participatory_sensing.pdf, zuletzt zugegriffen am 24.05.2016.
[2] Mann, S., 1998. Wearable Computing as means for personal empowerment,
2009, http://wearcam.org/icwckeynote.html, zuletzt zugegriffen am
13.11.2016.
[3] Mann, S. & H. Niedzviecki, 2001. Cyborg. Digital Destiny and Human Possibility
in the Age of the Wearable Computer. Toronto.
[4] Crabtree, B. & B. Rhodes, 1998. Wearable computing and the remberance Agent.
BT Technology Journal, 16(3), pp. 118-124.
[5] Swan, M., 2012. Sensor Mania! The Internet of Things, Wearable Computing,
Objective Metrics, and the Quantified Self 2.0. Journal of Sensor and Actuator
Networks, 1(3), pp. 217–253.
[6] Restuccia, F., S.K. Das & J. Payton, 2016. Incentive mechanisms for participatory
sensing: Survey and research challenges. ACM Transactions on Sensor
Networks, 12(2), pp.13:1–13:40.
[7] Arakawa, Y. & Matsuda, Y., 2016. Gamification mechanism for enhancing a par-
ticipatory urban sensing: Survey and practical results. Journal of Information
Processing, 24(1), pp.31–38.
[8] Christin, D., 2016. Privacy in mobile participatory sensing: Current trends and
future challenges. Journal of Systems and Software, 116, pp.57–68.
[9] Huang, K.L., S.S. Kanhere & W. Hu, 2010. Preserving privacy in participatory
sensing systems. Computer Communications, 33(11), pp.1266–1280.
[10] Pournaras, E., J. Nikolic, P. Velásquez, M. Trovati, N. Bessis & D. Helbing, 2016.
Self-regulatory information sharing in participatory social sensing. EPJ Data Sci-
ence, 5(1), pp. 1-14.
[11] Yang, H., J. Zhang & P. Roe, 2011. Using reputation management in participato-
ry sensing for data classification. The 2nd International Conference on Ambient
Systems, Networks and Technologies (ANT-2011) / The 8th International Con-
ference on Mobile Web Information Systems (MobiWIS 2011), 5, pp. 190–197.
[12] Benkler, Y. & H. Nissenbaum, 2006. Commons-based peer production and vir-
tue. Journal of Political Philosophy, 14(4), pp. 394-419.
Air Quality Egg zur Luftgüte-Messung
Sehe auch http://www.airqualityegg.com/, zuletzt zugegriffen am 07.11.2016.
Angel Sensor als Fitness-Tracker mit Open Source-Ansatz.
Siehe auch http://www.angelsensor.com/, zuletzt besucht am 07.11.2016.